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Franz Hörmann - Diskussion mit Dirk Müller, Theo Waigel und Philip Rösler; „Beckmann“ (ARD, 27.10.2011)
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Franz Hörmann in der Diskussion mit Dirk Müller, Theo Waigel und Philip Rösler bei „Beckmann“ (ARD) am 27.10.2011

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Link zur Website über die Sendung bei der ARD:

http://www.daserste.de/beckmann/sendung_dyn~uid,upr8hk2td31fc71oycqh582r~cm.asp

Link zum Upload der Sendung bei Youtube:

http://youtu.be/npqqyHRsLm8

Reinhold Beckmann:

>> Herr Hörmann, warum wollen Sie Geld abschaffen? <<

Franz Hörmann:

>> [...] Ich will es nicht abschaffen, ich prognostiziere nur, dass es politisch nicht haltbar ist. Wir können das Geldsystem, was wir heute haben politisch nicht aufrecht erhalten, denn das was Herr [Dirk] Müller schon immer wieder versucht wacker unter die Leute zu bringen – was möglicherweise nicht verstanden wird oder […] was man nicht verstehen will:

Geld ist kein positives Vermögen.

Geld entsteht heute in einem Buchungssatz jeder privaten Geschäftsbank, durch eine sogenannte „Bilanzverlängerung“ - das heißt ein privater Mensch oder ein Unternehmer, der sich bei einer Bank oder [einer] kleinen Sparkasse Geld ausleiht, der bekommt nie das Geld eines Sparers, sondern das Geld hat vorher noch gar nicht existiert.

Es ist ist ein Buchungssatz:

Forderung an Verbindlichkeit“.

Und zwar beide Male an den selben Menschen: den Kreditnehmer.

Und das ist – und ich bin ja Rechnungswesenprofessor – ziemlich pervers – das muss man so sagen.

Denn die Bank hat eine Forderung, die sich verzinsen lässt und gesteht bilanzrechtlich gleichzeitig ein, dass sie noch nicht geliefert hat, denn eine Verbindlichkeit heißt: 'Ich bin das, was ich eigentlich liefern wollte, nach wie vor schuldig.

Und eine Forderung mit einer eingetragenen Schuld zu begründen ist zumindest nicht sehr schlüssig, oder nicht? <<

Reinhold Beckmann zu Dirk Müller:

>> Herr Müller, Sie haben jetzt eben genickt... Sie finden das schlüssig? <<

Dirk Müller:

>> Ja is' ja auch schlüssig! << (lacht :))

Reinhold Beckmann zu Dirk Müller:

>> Gut. – Wie soll in dem System bezahlt werden, wenn es kein Geld gibt? <<

Dirk Müller:

>> Also ich bin nicht der Meinung, dass wir das Geld abschaffen werden [oder] abschaffen sollten... was ich Klasse finde – und das finde ich auch prima an dem was er auch macht – er zeigt in extremer Weise Alternativen auf und das führt dazu, dass man darüber nachdenkt. Er sitzt hier in der Sendung. Millionen schauen das und denken darüber nach – 'Moment Mal, wenn's andere Alternativen gibt... welche Probleme haben wir in unserem jetzigen System?'

Ich glaube [es scheint] nicht realistisch, dass wir das Geld abschaffen werden.

Wir werden Veränderungen erleben, ich hoffe, dass sie kommen!

Ich hoffe, dass sie unser Geldsystem so optimieren, dass es für die Masse der Menschen dauerhaft ein sinnvolles Zusammenleben ermöglicht.

Im Moment is' es tatsächlich ein perfides System, [in dem] über Jahrzehnte die Masse der Menschen enteignet wird, zum Wohl von Wenigen.

Das funktioniert ein paar Jahrzehnte wunderbar und dann kommt's immer wieder zu der Situation in der wir jetzt stehen. [Deshalb] sind – all das was wir jetzt auch erleben – Rückzugsgefechte. Wir kommen um diese große Umverteilung, die alle paar Jehrzehnte kommt, nicht herum. Die einzige Frage, die wir diskutieren ist: 'Wie?'.

Ob es am Ende irgendwann zu einem geldlosen System kommen wird? - Wie gesagt: Ich glaube es nicht, aber es wäre eine Überlegung wert. <<

Reinhold Beckmann zu Franz Hörmann:

>> Herr Hörmann, wie würde eine Welt ohne Geld aussehen? <<

Franz Hörmann:

>> Ganz einfach...

Man erzählt uns ja immer Geld wäre ein Tauschmittel – noch dazu ein 'universelles'.

Wenn ich zwei Dinge habe[...]. (zieht ein Étui aus der Tasche, nimmt sein Wasserglas)

Ich hab' eine Brille und ein Glas Wasser...

und zwei Menschen tauschen das – und ich frage Sie: Wo ist das Mittel?

[…]

Beim Tausch brauchen wir es nicht.

Wenn sich aber zwei Menschen einigen wollen, dass sie mit einem Apfel zwei Birnen bezahlen wollen: [Sodass] der Wert von einem Apfel, dem von zwei Birnen entspricht, dann tauschen sie wieder – einen Apfel gegen zwei Birnen – sie haben dann aber ein Wertverhältnis also einen Preis realisiert.

Sie haben in Wirklichkeit gekauft und wieder kein Geld gehabt.

In China gab es über zehntausend Jahre ein Geldsystem, das nannte sich „Fēilún“ [飛輪] – das fliegende Rad [oder 'Schwungrad']. Da ging man einfach zum Händler – hat sich die Waren genommen – sich auf den Preis geeinigt und der Händler hat in einem Kreidekreis eine Zahl aufgeschrieben... Ein paar Tage später kam man zum Händler und brachte ihm andere Waren – man hat sich auf den Preis geeinigt und die Zahl wurde wieder vermindert.

Später, als die Kreidekreise unpraktisch wurden, hat man es in kleine Büchlein geschrieben – und immer, wenn ein Kunde gestorben ist hat man seine Schulden herausgerissen – die Seiten – und hat sie bei der Beerdigung verbrannt.

Das ist der Ursprung des Brauchs, warum die Chinesen heute noch auf Beerdigungen kleine Zettel verbrennen.

Bevor die große Mauer gebaut wurde - vor der mongolischen Besatzung haben die Mongolen mit Gold und mit Stofflappen bezahlt – und dieses chinesische Geldsystem nur durch Anschreiben – daher kommt auch der Begriff in der Kreide stehen – war für die Besatzer unsichtbar – die wussten gar nicht, warum die Chinesen so ein tolles Wirtschaftssystem hatten, wenn sie nichts von Wert hatten.

Das heißt: Schon unser heutiges Geldsystem ist eine Zahl im Computer, daher wertlos – Fiat-Geld – 'Geld aus Luft' – es ist daher kein 'Warengeld' mehr, muss auch nicht mehr dinglich gesichert werden, weil es ja keinen Wert hat.

Und eine Bank, die einen Kredit verliert, hat keinen Verlust, denn das Geld ist ja im Kredit erst entstanden. <<

Reinhold Beckmann zu Franz Hörmann:

>> So, Herr Hörmann, jetzt müssen wir mal unseren ehemaligen Finanzminister fragen, ob er Ihnen da folgen konnte. <<

Reinhold Beckmann zu Theo Waigel:

>> Ist das für Sie in irgendeiner Form 'real', was uns Professor Hörmann da erzählt hat oder ist das für Sie – sagen wir mal – 'Finanz-Varieté'. <<

Theo Waigel:

>> Also, ich hab' vom Professor Hörmann ja gelesen, dass das Ende des Geldes schon Ende 2011 stattfindet. Also, dann hat er noch zwei Monate Zeit, bis sich das Ganze verwirklicht... Das glaube ich nicht.

Manches an der Kritik, die er am Geldsystem übt, die ist nachvollziehbar... [...] auch für viele Menschen.

Trotzdem glaube ich, dass am Geld als Tauschmittel und als Wertmittel und als Transmissionsmittel für eine globale Wirtschaft kein Weg vorüber führt. Also, das ist eine ganz interessante Theorie, aber ich bin gegenüber 'Untergangsprophetien' [sic] – entweder in der Theologie oder wo auch immer – immer etwas skeptisch. <<

Reinhold Beckmann zu Philip Rösler:

>> Herr Rösler, sind sie ein bisschen zugänglicher? <<

Philip Rösler:

>> Also, ich bin absolut überzeugt, dass es notwendig ist, sich auf die Grundidee von Geld wieder zu konzentrieren. Dann kann man nämlich schon erkennen..:

Was läuft momentan falsch und was muss man machen, damit es wieder besser oder richtig läuft?

Und das, was eben angedeutet wurde, ist dass eine Grundtheorie da ist – die muss man weiter verfolgen.

Und das was wir momentan erleben, auf den Finanzmärkten – wir hatten das schonmal gemeinsam diskutiert – ist eigentlich das Gegenteil von dem, wofür man Geld früher mal gebraucht hat: Als Tauschmittel, beispielsweise...

Jetzt sind Finanzmärkte da oder auch Banken da, um Geld zur Verfügung zu stellen für kleine oder mittelständische Unternehmen – beispielsweise – in Deutschland.

Aber es gibt auch einen Finanzmarkt, der sich vollkommen verselbständigt hat – den Politik nur noch schwerlich – Stand heute – unter Kontrolle bringt.

Und da macht es Sinn, dass man sich solche Überlegungen mal anhört und überlegt:

Aha, dafür war doch Geld mal gedacht!

Und haben wir das, was wir momentan auf den Finanzmärkten erleben – funktioniert das noch? - Reicht nicht eigentlich viel weniger aus?

Diese Erkenntnis hat Politik und jetzt sind wir gerade ja dabei zu diskutieren, was kann man eigentlich machen, um sie ein Stück weit dann wieder der Ursprungsidee – Was ist eigentlich Geld? - zu nähern...

Man wird nicht alles sofort eins zu eins umsetzen können, aber die Grundidee und der Grundhinweis ist völlig richtig – nun muss man nur handeln, gerade auf [den Finanzmärkten] und manchmal auch gegen die Finanzmärkte.

<<

Reinhold Beckmann zu Franz Hörmann:

>> Herr Hörmann, Sie sprechen vom 'Crash' 2013... Warum legen Sie das auf das Jahr 2013 und wie sieht der 'Crash' aus? <<

Franz Hörmann:

>> Ja, an und für sich ist es ganz klar. Aus mathematischen Gründen, dass ungefähr alle siebzig bis achtzig Jahre dieses System zusammenbrechen muss.

Wir haben ein Zinseszinssystem.

Und da die Banken das Geld nur für den Kredit – also das Kapital – erzeugen – nie für die Zinsen – fehlt das Geld für die Zinsen einfach in der Geldmenge.

Und daher ist es einfach nur eine Frage der Zeitspanne, wann das ganze System zusammenbrechen muss.

Wir haben ja auch bei der Idee Geld mit einem Sachwert abzudecken in Wirklichkeit einen Zirkelschluss.

Denn Gold selbst wird ja – lustiger Weise – dann wieder in Geld bewertet.

Das sind logische Zirkelschlüsse, die in Wirklichkeit überhaupt nicht tauglich sind.

Was wir für die Bevölkerung benötigen ist Kaufkraft. Das heisst 'Warenkörbe' in Gütern und Dienstleistungen und die können wir – und das ist sofort umsetzbar – im Internet mit Datenbanken auch ohne Zwischentauschmittel „Geld“ für das privatwirtschaftliche, mit Gewinnabsicht betriebene Unternehmen [...] locker umzusetzen.

Das geht schon.

<<

Reinhold Beckmann zu Dirk Müller:

>> Dahinter steht ja – und da ist Professor Hörmann nicht alleine – so eine grundsätzliche Kritik – oder Zweifel, ob wirklich das, was wir an Finanzstruktur haben... ob der Kapitalismus von heute wirklich noch so tauglich ist.

Herr Müller, wie schätzen Sie das ein?

Sie haben eben schon die „Occupy“-Bewegung schon genannt... was ist Ihre Einschätzung? <<

Dirk Müller:

>> Ich glaube, dass wir verschiedenste Systeme ja in den letzten Jahrtausenden ausprobiert haben... dass diese 'Soziale Marktwirtschaft' […] - wie wir sie mal gegründet haben – dass die beste Variante war, die wir bisher je ausprobiert haben.

Auch die hat noch viele Stellschrauben.

Wir haben leider in den letzten Jahren dieses „sozial“ immer kleiner und dieses „Marktwirtschaftimmer größer geschrieben und damit viele Probleme hervorgehoben.

Kleines Beispiel:

Wenn Sie heute arbeiten gehen und Sie haben ein gutes Einkommen, dann haben Sie […] bis zu – [rund] 50% Steuern und Abgaben.

Wenn Sie Kapitalerträge haben – Zinsen kassieren (das was [Franz Hörmann] zurecht anprangert – […] dann müssen Sie nur 25% an Steuern zahlen.

Das heißt: Diese Säule wird immer größer und die, die arbeiten gehen und diese Säule erwirtschaften müssen, bekommen so viel weggenommen, dass es ihnen soviel schwerer fällt, diese Säulen noch zu bedienen.

Und das führt, wie [Herr Hörmann] richtig sagt alle paar Jahrzehnte zu diesem Kollaps und deshalb […] bin ich wieder an diesem Punkt: […] Keine Untergangstheorie, sondern einfach die Realität, dass es wieder an diesem Punkt angelangt ist.

<<

Reinhold Beckmann zu Dirk Müller:

>> Er sagt „Kollaps“, Sie sagen „Reset“.

Auf alle Fälle keine Währungsreform sagt Theo Waigel.

Es gibt natürlich kleine, regionale Formen, die für sich ganz eigen funktionieren.

Ich hab' hier eine deutsche Währung - eine etwas andere Währung, das ist ein 'Chiemgauer'. […] << (Hier wechselt er das Thema zu regionalen Währungen und befragt dazu Christian Gelleri...)

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