Kurtze Lebens=Beschreibung von Christina Kratzerin, einer Inspirirten. Äschi den 18. February 1753 Sie war gebürtig von Äschi Bern Gebieths, Ihr Vatter war von geringem Haus, hatte zwölf Kinder, 10 Söhn und 2 Töchter, Sie war ungefahr 7 Jahr alt da sie ihr äußerlich Gesicht verlohren hatte von den Kinder Blattern,[1] in etlichen Jahren hernach erweckte Sie der HErr zu einem frommen und Gottes fürchtigen Leben; obwohlen dazumahl alles finster war, so erweisete doch Gott in dieser geringen Weibs=Person seine grosse Macht, Sie war sonst auferzogen bey ihren Groß Eltern, Ihre Eltern sind in das Teutschland[2] oder Lotringen[3] gezogen, und weilen Sie zugenommen in der Gottes Furcht, so waren Ihr ihre Groß=Eltern zuwider, wie sie, wann sie von jemand hörete sagen, der Gottesfürchtig war, begierig war sie zu besuchen; da gieng sie auch zu ihren Eltern in das Niederland, da sie aber auch keine Ruhe hatte, sondern ward in grosse Angst und Bangigkeit gesetzet, biß ihr Bruder Melchior sie wieder in die Schweitz zu den Groß Eltern führete, da dann Sie der HErr je mehr und mehr erleuchtete, und erweckte sie, hin und wieder die Leute zu ermahnen und zu warnen, dann wann Sie sich wegerte,[4] wo hin sie gehen solte, ward sie in eine feurige Angst gesetzet, daß sie gehen muste wohin sie auch solte, Sie solte einmahl über den Thuner See, die Leute zur Buße zu vermahnen, da aber ein dicker Nebel auf dem See war, wolte der Schiffmann nicht fahren, aus Forcht,[5] Er möchte sie nicht recht führen, da sagte Sie: Er solte nur fahren, Sie wolte es wagen, dann ob Sie schon äußerlich blind war, konte sie doch dem Schiffmann sagen, wo Er fahren solte; wann Er den richtigen Weg fuhre, so war oder sahe Sie eine Sonne mitten im Schiff, wann Er zu viel Rechterhand fuhre, so war die Sonne auf dem Rechten linken Port, wann Er zu viel links war, wiese es ihr die Sonne auch, wann sie in ein Dorf kam, gieng die Sonne auch vor ihr her, und zeigte Ihr auch wo Sie einkehren solte; Da wuchs der Geist in Ihr, daß sie auch von dem Geist der Inspiration ergriffen wurde, und durch denselben aussprechen muste, dabey die Bewegungen sehr starck und ernsthaft waren, und die Aussprachen drungen sehr auf die gantze neue Schöpfung des Menschen, sonderlich auf die Reinigkeit und Keuschheit, welches auch an denen an dem Glässern Meer gesuchet haben zu sehen ist. Dazumahlen Sie dann viele Leuthe zu einem andern Leben, wie auch von der Welt und aller deren Greulen aus zu gehen vermante;[6] So waren die so genandte Geistlichen über Sie erbittert, sonderlich der an dasigem Orth, daß er auch Sie wolte vor eine Häx[7] ausschreyen, ob sie wol zuvor, da sie noch fleißig zu ihm in die Kirch gieng ihm sehr angenehm war, weil sie ihm mehr als sonst keine andre aus der Schrift antworten konte, aber hernach alle mahl wann Sie hat gehen wollen, in schweren Kampf gekommen, daß Sie zuweilen biß auf den Kirchhoff kam, und da wieder zurück gehen müssen, das Lermen[8] blasen ging aber aller umliegenden Orthen bey den Predikanten an, daß sie die Obrigkeit anreitzeten, daß die Sache möchte verstöhret werden, da ward Sie auf Befehl der Obrigkeit in das Schloß Frutigen[9] in verhaft gebracht; Da aber ihre Eltern auch wieder zu Haus waren, gieng der Vatter vor die Obrigkeit, ob er schon diesem Geist keinen Glauben zusetzen wolte, daß es Wahrheiten wäre, und die Mutter auch nicht, so versprach der Vatter der Obrigkeit, Er wolte Sie in sein Haus nehmen, und niemand zu ihr lassen, da versprach die Obrigkeit dem Vatter daß Er Sie in sein Haus nehmen könte, da waren denn die Leuth[10] sehr begierig, Theils aus wunder, daß der Vatter sie nicht erwehren konte mochte, sondern stiegen zu den Fenstern hinein, da war der dasige Prediger wieder über die Sache ergrimmt, daß er es bey der Obrigkeit wieder angab, weil sie aber dazumahl bettlägerig war und keine menschliche Speise mehr brauchte, und Ihr Leib auch schwach war, war ist Sie auf Befehl der Obrigkeit nach Bern und von Bern in das Closter Thorberg von 4 Mann getragen worden mit Befehl daß man niemand zu Ihr lassen, auch daß nicht mehr Leuth verführet werden; Sie wolten auch nicht glauben daß Sie nichts esse, die Pfründer[11] Magd wolte Ihr das Maul aufsperren und Suppen=Brüh einschütten, da lief das Blut zu Maul und Nasen heraus vor ihren Augen, daß sie Sie darnach mit Frieden ließen, jedoch ordnete die Obrigkeit eine Zeitlang Wacht, gewissen Bericht zu vernehmen, ob es wahr sey, hernach ist erlangt worden, daß ihre Schwester Ihr hat abwarten können, dahero da dann die so genandte Geistlichen Sie oft besuchten, mit anhalten, daß die Sache von einem falschen Geist herkäme, daß Sie widerruffen solte, was Sie gezeuget hätte, Sie sagte ihnen einmahl: sie mögen Ihr sagen was sie wolten, Sie weise, was Sie besitze und habe, dann wann Sie ein Stück Gold in der Hand beschlossen habe, und sie sagen: Sie hätte es nicht, so galte es Ihr gleich, sie sagen Sie habe es oder Sie habe es nicht; Sie war ungefahr #2 Jahr alt dort und starb, und ward auf Bern in die Insel geführt vor die Doctor, um zu erfahren, was in Ihr war, daß sie habe können leben ohne Essen; Sie haben Sie dort aufgeschnitten, aber nichts können erfahren; Sie hat ungefähr 5 Jahr nichts gessen, aber ein Zeitlang noch getrunken, aber 3 Jahr und 2 Monath weniger 6 Tag nichts gessen und nichts getrunken; Hier sieht man, wie der liebe Gott auf allerhand Art und Weis seine Geschöpfe sucht aus dem finsteren Antichristischen Reich heraus zu locken, auch daß die Weisen dieser Welt nicht darüber konnen können, weil Er nur die verachtete zu seinen Werkzeugen brauchet; hierbey muß mann allein Gott die Ehre zuschreiben, dann es würde eine Abgötterey oder Thorheit seyn, wann man dem Leinen oder Erden, und nicht dem Werk Meister wolte die Ehre allein zuschreiben, der sey gelobet und gerühmet für alles und über alles, was Er gethan hat und noch thut Ewiglich Amen! Weiters wie Sie ist auf Bern getragen worden, hat Sie im Gesicht gesehen, wie die gantze Stadt nichts als Bluth mit Feuer vermenget anzusehen war, ursach der grausamen Lastern so in ihr geschehen, dann sie hatte viel Gesichter, und hatte auch mit vielen verstorbenen Geistern zu schaffen, daß sie zu ihr kamen gantze Schwarm um das Bett herum, viele in uralten Kleidern, als wann Sie für sie beten solte, daß ich sie weil ich sie einmahl dort besuchte, selbst habe gehört weinen; Sie hatte auch einige Aussprachen an hohe Potenthäten, an den König in Franck Reich, da Er zur Buß vermahnet worden, und angezeigt, daß Er seine Macht zu herrschen verliehren werde, und daß der HErr Sein Land auch durchsuchen wolle, welches Ihm ist vom E.E. von Dießbach und C.M. in Siebenthal an den königlichen Ambahator zu Solothurn ist überbracht worden, welcher ihnen mit freundlichen Worten begegnet hat; wie auch an die Staaten in Holland, und an den Türckischen Keyser, eine sehr nachdrückliche Ermahnung und Warnung geschehen, wie sie sich verhalten sollen, wann der HErr ihre Länder durchsuchen werde, und die Leuthe aus der Finsternis zu dem Licht aufrufen wolle, welches Er der HErr gesinnet seye, zu thun von nun an in allen Landen. Auch an Sachsen und mehrere Orthe hatte Sie Aussprachen, von dem, was der HErr vor hat. Nach etlichen Jahren da sie noch zu Thorberg war, geschahe eine grosse Erdbebung durch das gantze Land, da wurden auch ihre Eltern gerühret, daß sie bekandten, daß sie übel gethan haben, daß sie nicht glaubten der Wahrheit, so durch Sie bezeuget oder ausgesprochen worden und sind in großen Schrecken kommen; Also rathe ich: bey zeiten, wie geschrieben steht: Heut so ihr Seine Stimme höret, so verstocket eure Hertzen nicht, denn es ist besser bey zeiten erfahren, was einem hernach begegnen wird. 1733 ist Sie zu Thorberg gestorben. 1696 ist Sie gebohren. Dieses habe ich auf begehren Guter Freund, so aus Teutschland kommen, die Freunde in der Schweitz zu besuchen, nach der kürtze aufgezeichnet, was ich selbst gesehen und aus ihrem Mund gehöret habe, mit Anwünschung, daß es vielen zum frischen Aufmuntern gereichen möchte, mit einem brüderlichen Gruß an alle gute Freund in Teutschland, oder wo sie immer sind, auch mit anhalten, nicht und zu werden, auf dem Wege zu dem der die Seelen in allerley Meynungen und Nationen in aller Welt suchet. Hans Kratzer, Euer geringer mit=bitter vor der Thür der Barmherzigket Gottes für allerley Geschlechter der gantzen Erden. Amen! |
[1] Chicken pox
[2] Deutschland
[3] Lothringen is a region in north-eastern France. Lorraine (Fr.)
[4] weigerte
[5] Furcht
[6] vermahmte
[7] Hexe (Witch)
[8] Lärmen
[9] Likely the Tellenburg Castle in Frutigen, Switzerland
[10] Leute
[11] Almshouse