III. Die Dämmerung des Propheten
&•>
WILLIAM BLAKE
Osbert Burdett
Text: Osbert Burdett
Redaktion der deutschen Ausgabe: Klaus H. Carl
Layout:
Baseline Co Ltd
33 Ter - 33 Bis Mac Dinh Chi St.,
Star Building; 6th floor
District 1, Ho Chi Minh City
Vietnam
© Parkstone Press International, New York, USA
© Confidential Concepts, Worldwide, USA
Alle Rechte Vorbehalten.
Kein Teil dieser Veröffentlichung darf ohne die Genehmigung des Urheberrechtsinhabers weltweit vervielfältigt oder bearbeitet werden. Wenn nicht anders angegeben, liegen die Urheberrechte der vervielfältigten Werke bei den entsprechenden Fotografen. Trotz intensiver Nachforschung war es nicht immer möglich, die Urheberrechte nachzuweisen. Wo dies der Fall ist, sind wir für eine Benachrichtigung dankbar.
ISBN: 978-1-78042-527-6
OSBERT BURDETT
WILLIAM BLAKE
PARKSTONE
INTERNATIONAL
Inhalt
I. Eine frühe Offenbarung
Kindheit, 1757 bis 1771
William Blake starb im August 1827 in Fountain Court, in den Räumen eines kleinen Hauses in einer Gasse abseits des Strand, nahezu unbemerkt, aber beschützt von einem kleinen, nach und nach gewachsenen Kreis von Freunden, bei denen es sich um ihn verehrende junge Künstler handelte, die sich selbst als seine Jünger bezeichneten. Blake weckte bei allen feinsinnigen Geistern, denen es vergönnt war, seine Arbeit und seinen Charakter zu entdecken, großes Interesse. Sein Vermächtnis wurde überall in der Welt verbreitet.
In den Jahren 1828, 1830 und 1832 veröffentlichten J. T. Smith, Allan Cunningham und Frederic Tatham ihre Erinnerungen über den Dichter und Künstler. Seither wuchs das Interesse an Blake beträchtlich; mittlerweile wurden mehrere Bücher über ihn verfasst, und weltweit bemühen sich Museen und Bibliotheken hingebungsvoll darum, seinem Werk ein Zuhause zu geben. Der Kanon von Blakes veröffentlichten Arbeiten ist auch heute noch unvollständig, und es bestehen durchaus Chancen, dass einige seiner bisher unentdeckten Werke der Vergessenheit entrissen werden.
Wir haben in ihm einen Propheten des neunzehnten Jahrhunderts gesehen; der, unabhängig von Chatterton und den Dichtern des Lake Distrikts, ein Vorläufer der Romantik, ein Verfechter des bei Nietzsche - dessen Geist und aphoristisches Betragen demjenigen Blakes auf seltsame Weise ähnelt -begründeten Prinzips der Energie und ein Erneuerer des Geistes der Vergebung war. Blake war ein Dichter, ein Künstler, ein Seher und Exzentriker, dessen späte Schriften Schüler in ihrer eifrigen Suche nach greifbarer und verständlicher Wahrheit quälten. Er bleibt für immer ein Dichter und ein Rätsel; sein Ruf wurde vor allem durch seine übrigen, nicht-künstlerischen Eigenschaften gestärkt.
Über die Geschichte seiner Familie ist wenig bekannt. In dem von Arthur Symons ausfindig gemachten Gemeinderegister gibt es einen Eintrag, der besagt, dass William Blake als drittes Kind von James und Catherine Blake am 28. November 1757 geboren wurde. Sie lebten im Haus 28, Broad Street, in der Nachbarschaft zum Golden Square in London. Die Register belegen des Weiteren, dass der zukünftige Dichter zwei ältere und zwei jüngere Brüder hatte und dass beide, der zweite und der vierte, auf den Namen John getauft wurden. Mr. Symons folgerte, dass der erste John noch vor Vollendung des fünften Lebensjahres starb und sein Name auf den vierten Sohn übertragen wurde, der infolgedessen derjenige gewesen muss, den Blake als „der Böse“ bezeichnete.
Der fünfte Sohn ist unter dem Namen Richard eingetragen und war Blakes Lieblingsbruder. Nach diesen fünf Jungen folgte ein kleines Mädchen, Catherine Elizabeth.1
Am 11. Dezember, als William Blake vierzehn Tage alt war, brachten ihn seine Eltern zur Kirche St. James’ in Westminster, eine von Christopher Wrens Kirchen; hier wurde Blake gemeinsam mit fünf anderen Kindern getauft. In diesen Tagen wurde auch der italienische Bildhauer Antonio Canova geboren. Blakes künftige Freunde, der englische Maler und Kupferstecher Thomas Stothard sowie der Zeichner und Bildhauer John Flaxman waren gerade zwei Jahre alt und in Bristol lebte als kleiner, fünfjähriger Junge der Dichter Thomas Chatterton.
Die Umstände von Blakes Kindheit sind für uns in einer Anekdote des Tagebuchschreibers Henry Crabb Robinson festgehalten, die erzählt, wie die Ehefrau des Dichters ihm von seiner ersten Vision berichtet. „Das erste Mal, dass du Gott erblicktest,“ soll sie gesagt haben, als William ihr seine sonderbare Fähigkeit beschrieb, „war, als du vier Jahre alt warst. Er legte seinen Kopf an das Fenster und brachte dich zum Schreien.“ Blake war zu diesem Zeitpunkt ein Kind von acht Jahren, als seine Visionen zur Gewohnheit wurden.
Zu dieser Zeit waren Camberwell, Dulwich, Sydenham und Newington Butts noch Dörfer, und ein lebhaftes, in Golden Square wohnendes Kind konnte rasch die offenen Felder Londons erreichen. Auf der Rückkehr von einem dieser Streifzüge rannte Blake nach Hause, um seiner Mutter zu erzählen, dass er den Propheten Ezechiel unter einem Baum gesehen habe. Auch wenn die gute Frau den Jungen für diese Behauptung schlug und zweifellos darüber empört war, dass einer der Propheten für ihr Kind realer scheinen sollte als für sie selbst, empfand sie doch Mitleid mit ihm.
Als Blake ungefähr ein Jahr danach von Peckham Rye mit der Neuigkeit zurückkehrte, er habe einen Baum voller Engel gesehen, und sein Vater ihn für seine Flunkerei auspeitschen wollte, verwendete sich seine Mutter für ihn. Bei einer dritten Gelegenheit, als er an einem leuchtenden Morgen im Frühsommer den Heumachern bei ihrer Arbeit zusah, entdeckte das Kind zwischen ihnen herumtobende engelhafte Wesen.
Uns ist nicht überliefert, wie diese Geschichte zu Hause aufgenommen wurde, doch ist offensichtlich, dass beide Eltern immer größere Notiz von den Eigenheiten des Jungen nahmen und begonnen hatten, sie zu tolerieren. Folglich weigerte sich sein Vater, ihn zur Schule zu schicken, da die Erfahrung gezeigt hatte, dass der junge Blake zur Gereiztheit neigte. Vermutlich gab es zu Hause einige Debatten; seine Eltern, die es aufgegeben hatten, mit
William Blake,
David wird aus den Gewässern überbracht, ‘Er ritt auf Cherubim’, um 1805.
Stift, Tinte und Aquarell auf Papier, 41,5 x 34,8 cm.
Täte Gallery, London.
der Rute dagegen vorzugehen und Bedenken hatten, ihn zu bestrafen, wollten ihn keinen Fremden anvertrauen, die weniger geduldig und genauso verwirrt waren wie sie selbst. Die Phantasie des Kindes und die impulsive Weise, seine Gefühle auszudrücken, waren die ärgsten Eigenarten, die sie an ihm finden konnten.
Blakes Schulunterricht fand deswegen zu Hause statt, wo er lesen und schreiben lernte, aber nicht mehr. Seine frühreife Dichtkunst zeigt, dass ihm diese Fertigkeiten einfach zugeflogen sein müssen. Überdies scheint es, dass Blake mit seiner lebhaften Phantasie statt der sich unkontrolliert ausbreitenden Umgebung, der religiösen Bildersprache sowie dem Gedankenaustausch mit seinem Vater und dessen Freunden doch eine andere Gesellschaft oder einen anderen Schulmeister benötigte.
Hätte er in seiner Kindheit Latein oder Griechisch studiert, so hätte das ernsthafte Studium der Geschichte und der begleitenden Literatur einen wertvollen Kontrast zu den beschränkten religiösen Interessen in seiner häuslichen Umgebung gebildet: seinem Geist wären eine andere Mythologie und andere Symbole angeboten worden. So, wie die Dinge aber lagen, wurde der exzentrische Einfluss Swedenborgs2 durch keinen anderen Maßstab zum Vergleich korrigiert. Blakes Vater vermutete in diesem Mangel aber für die Zukunft seines Jungen keinen großen Verlust, da Lesen und Schreiben schließlich ausreichen sollten, um dem älteren Bruder in der Strumpfwarenhandlung der Familie zu helfen, wobei der Vater bestimmt hatte, dass die beiden hierbei ein gutes Paar abzugeben hätten.
William kritzelte und zeichnete auf den Rückseiten der Kundenrechnungen und fertigte Skizzen auf dem Ladentisch an; daher stellte sich bald die Frage, ob er einen guten Strumpfhändler abgäbe und was zu tun sei, falls nicht. Allan Cunningham, der diese Details überliefert, weist auf die andauernden, besorgten Diskussionen und die verschiedenen Standpunkte hin, die von den einzelnen Familienmitgliedern eingenommen wurden, wenn er hinzufügt, dass die Liebe des Jungen zur Kunst „... insgeheim von seiner Mutter unterstützt wurde“, und dass „... Blake im Alter von zehn ein Künstler und im Alter von zwölf Jahren ein Dichter wurde“.
Die Reihenfolge, in der diese beiden Talente sich entwickelten, ist bedeutsam. Die einzig formale Ausbildung, die Blake erhielt, war unvermeidlich für einen Künstler bestimmt, nicht für einen Literaten. Von seinen beiden Neigungen zur Kunst und zur Dichtung wurde die künstlerische kultiviert und die literarische vernachlässigt. Seine Beobachtungsgabe wurde geschärft durch die Betrachtung der Natur, der Menschen auf den Feldern und in den Straßen; seine Phantasie, hierdurch bereits stimuliert, wurde durch das Anschauen von Bildern gestärkt; seine Intelligenz wurde durch religiöse Diskussionen, durch Meinungsaustausch und durch das gänzlich unkritische Lesen von Büchern geweckt.
Nach Aussage einiger Gelehrter zählten zu Blakes Lieblingsstudien Shakespeares Venus und Adonis, Tarquin und Lucrecia sowie dessen Sonette zusammen mit Jonsons Unterholz und seine Sammelbände. Vermutlich begann Blake etwa zu dieser Zeit zu schreiben, aber sein Hang zum Zeichnen war schon früher ausgeprägt, und da es keine offizielle Ausbildung zum Literaten gab, schickte ihn sein Vater, der sich mit Blakes offensichtlichen Wünschen abgefunden hatte, im Alter von zehn Jahren auf eine Zeichenschule, die von Henry Pars, selbst Zeichner und Zeichenlehrer, im Strand geführt wurde.
Die Entscheidung wurde durch die Beobachtungen bestätigt, wie der Junge seine Freizeit verbrachte. Falls er nicht in der ländlichen Gegend herumstreifte oder Zuhause las, besuchte er die für die Öffentlichkeit zugänglichen privaten Bildergalerien oder nahm an Versteigerungen alter Drucke bei Longfords und Christies teil. Longford, sagte Malkin, „... nannte ihn seinen kleinen Kunstkenner und erteilte ihm mit freundlicher Eile oft den Zuschlag für einen billigen Artikel. Er kopierte Raphael und Michelangelo, Martin Heemskerk und Albrecht Dürer, Giulio Romano und den Rest der historischen Künstler und kaufte keine anderen Drucke. Seine Entscheidung wurde von den meisten seiner jugendlichen Gefährten missbilligt, die gewöhnlich über das, was sie seinen ‘mechanischen Geschmack’ nannten, lachten.“
Ach, niemand war da, der die literarischen Vorbilder seines Vaters kritisierte, und die Strenge seines eigenen Geschmacks im Entwurf stand im exakten Gegensatz zu seinem Geschmack in der Literatur. Er änderte nicht eine dieser Einstellungen. „Ich bin glücklich“, schrieb Blake lange danach in seinen Aufzeichnungen für Sir Joshua Reynolds Abhandlungen, „. ich kann nicht behaupten, dass Raphael schon von frühester Kindheit vor mir verborgen war. Ich sah und erkannte sofort den Unterschied zwischen Raphael und Rubens.“ Blake machte die Gleichmäßigkeit zum Götzen und verhinderte somit die Entwicklung und den Einklang seines Geistes. Gilchrist3 zufolge erlaubten die Versteigerungen Gebote zu drei Pennys (threepenny4), und wir brauchen nicht zu raten, wie Blake sein Taschengeld ausgab.
Henry Pars’ Einrichtung war als vorbereitende Schule für die Akademie für Malerei und Bildhauerei in St. Martin’s Lane bekannt, die aus der Incorporated Society of Artists (Eingetragene Gesellschaft von Künstlern) hervorgegangen war und in die er mithilfe des Malers William Hogarth aufgenommen wurde (die Royal Academy begann erst ein Jahr später im Jahre 1768). Die vorbereitende Schule hatte der Maler William Shipley gegründet; und erst nachdem er in den Ruhestand getreten war, hatte Pars sie übernommen.
Dank der Großzügigkeit seines jüngeren Bruders William, ein zur damaligen Zeit sehr gefragter Portraitmaler, hatte Pars zuvor Griechenland besucht, um die dortigen Ruinen zu studieren. Er
William Blake,
Die Kreuzigung, ‘Siehe, deine Mutter’, um 1805.
Stift, Tinte und Aquarell auf Papier, 41,3 x 30 cm.
Täte Gallery, London.
William Blake, Erbarmen, um 1795. Farbdruck verfeinert mit Tinte und Aquarell auf Papier, 42,5 x 53,9 cm. Täte Gallery, London.
William Blake,
Die Nacht von Emitharmons Freude (auch: Hekate), um 1795. Farbdruck verfeinert mit Tinte und Aquarell auf Papier, 43,9 x 58,1 cm.
Täte Gallery, London.
kehrte mit Mappen voller Zeichnungen zurück, die für seine Schüler zweifellos lehrreich waren, und von den Tipps, die sie enthielten, gewann Blake das fragliche Wissen, dessen er sich später in seiner Karriere so sicher sein sollte. Die Schüler arbeiteten nicht mit lebenden Modellen, sondern mussten von den Gipsabdrücken antiker Modelle Zeichnungen anfertigen. Deswegen gab Blakes Vater seinem Sohn Kopien vom Gladiator, vom Herkules und Botticellis Venus, so dass sein Sohn seine Zeichnungen zu Hause fortsetzen konnte. William war aber auch darauf bedacht, seine kleine Sammlung von Drucken zu erweitern; dafür gab ihm sein Vater kleinere Beträge. Seine Eltern ermutigten und halfen ihm, als sie einmal erkannt hatten, wofür sein Herz schlug und wo seine Talente lagen.
Im Alter zwischen zehn und vierzehn Jahren verbrachte Blake viel Zeit mit Henry Pars, und nach der Schule war er damit beschäftigt, zu zeichnen, Drucke zu sammeln und Bilder anzusehen. Er las viel und hatte offensichtlich damit begonnen, Gedichte zu schreiben. Die Anzeige in den Poetical Sketches (Poetische Skizzen), von seinen Freunden 1783 gedruckt und dem jungen Autor ungebunden übergeben, um sie so zu verbreiten, wie es ihm angebracht schien, besagt, dass sie „... die Produktion natürlicher Jugend, begonnen in seinem zwölften und gelegentlich vom Autor bis zu seinem zwanzigsten Lebensjahr fortgesetzt“ enthält.
Im Alter von zwölf Jahren blieb Blake noch zwei weitere Jahre in Pars’ Schule, und das wunderschöne Lied How sweet I roamed from field to field (Wie leicht ich zog von Feld zu Feld) das, wie Malkin sagte, „... vor dem vierzehnten Lebensjahr geschrieben wurde“, muss daher während seiner Schulzeit geschrieben worden sein. Wenn wir dieses Datum akzeptieren, wurde dieses Lied zum Gedicht seiner Kindheit mit seinen Streifzügen und Visionen, um uns unabhängig an die elisabethanische Lyrik zu erinnern, die der Junge mit Vergnügen gelesen hatte.
Die frühen Werke des Genies wurden ausnahmslos von Erinnerungen inspiriert, von denen Blake nachdrücklich betonte, wie empfänglich er dafür und wie wichtig es ihm war, unter die besten Einflüsse zu kommen. Er hatte in einem auffälligen Maß den Ehrgeiz, jedes seiner ausgewählten Modelle zu übertreffen, und alle seinen Weg kreuzenden Einflüsse wirkten auf seine Arbeit ein. Wäre sein Vater ein Mann mit anderen Geschmacksrichtungen und Swedenborg eine nebensächliche Entdeckung gewesen, so wäre, weil er durch seine Umgebung leicht beeinflussbar war, Blakes Arbeit anders ausgefallen.
Blake schuf viele seine Liebe zur Natur zeigenden Werke unter der Faszination der Elisabethaner, und in seinen frühen Gedichten findet man, zwar etwas verklärt, diese Natur wieder. In seinen Zeichnungen musste er lernen, seine überschwängliche Phantasie zu bändigen. In seinen dem gelegentlichen Lesen seiner Kindheit ausgelieferten Schriften tendierte seine Phantasie zuerst zu mehr
traditionellen, altmodischen Themen. Als er diesem frühesten Einfluss entwachsen war, hatte er kein anderes Vorbild als seine eigene Unausgeglichenheit, die ihn leitete. Er war dem Zufall und seiner Einsamkeit ausgeliefert und glaubte, der beste Weg, vorwärts zu kommen, sei, seine Veranlagungen zu pflegen und zu betonen.
Wäre Blake im humanistischen Zeitalter geboren worden, wäre er von einer seiner Vorstellung entsprechenden Schule unterrichtet worden, aber da er sich selbst als einsamer Rufer empfand, beharrte er auf seinen Eigenheiten, als seien sie zusätzliche Tugenden. Das Ergebnis für die Literatur war ein Experiment, das, für sich selbst genommen, nicht nur wegen seiner Begleiterscheinungen gering geschätzt, kaum erfolgreich gewesen wäre. Nur wenige Männer sind in zwei Künsten gleichermaßen erfolgreich, und noch weniger besitzen für beide eine gleichwertige Auffassungsgabe. Falls aber ein Künstler über diese zweifache Fähigkeit verfügt, dann verwundert es nicht, wenn die besser ausgebildete den größeren Glanz erreicht.
Die Poetical Sketches zeigen Blake in seinem einzigen Lebensabschnitt, in dem er die Bücher, die er las, als Kunstwerke betrachtete. Seine künstlerische Leidenschaft hatte sich bereits ins Zeichnen übertragen. In seinen intellektuellen Studien vollständig sich selbst überlassen, wobei die Atmosphäre zu Hause die Eigenheiten seiner Ansichten noch unterstützte, kam er bald an den Punkt, an dem er nur noch las, um seine exzentrischen Auffassungen bestätigt zu sehen anstatt sie zu korrigieren. Seine freiwilliges Literaturstudium endete mit seinem Ausscheiden aus der Schule von Pars.
Später, als Blakes Kindheit vorüber war, las er nur noch, um seine visionäre Erkenntnis zu rechtfertigen, jedoch nicht, um zu lernen, dass man seine Leser am besten erreicht, indem man seine Ideen an ihre Erwartungen anpasst. Vielleicht hätte er, bei günstigeren Umständen in seiner Entwicklung, in der Literatur die gleiche Vollendung wie in der Kunst erlangt, wenn er in der Kunst des Schreibens genauso gründlich unterrichtet worden wäre wie in der Kunst des Zeichnens. Es ist sein Verdienst als Dichter, das Zeitalter der Unschuld und das Erwachen der Reflexion wachgerufen zu haben.
Seine späten Werke waren zum Monument eines Genies in seinem intellektuellen Ruin bestimmt, und vielleicht brauchte es eine intuitive Kraft wie die von Blake, um die Welt daran zu erinnern, dass die Exzesse von Scharfblick und privatem Urteilsvermögen nicht weniger verhängnisvoll sind als der Formalismus, gegen den er protestierte. Er war mit Talent und Fertigkeit perfekt ausgestattet, um die Songs of Innocence (Lieder der Unschuld) zu schreiben, und er war ausreichend gerüstet, um das unmittelbar bevorstehende Zeitalter der Erfahrung vorauszusagen.
Dagegen besaß er nicht das Rüstzeug, um für seine tief schürfenden Vorstellungen eine neue Literaturform zu schaffen.
William Blake, Newton, um 1805.
Farbdruck verfeinert mit Tinte und Aquarell auf Papier, 46 x 60 cm. Täte Gallery, London.
William Blake,
Illustration für Das Buch Thel, Titelbild, 1789.
Reliefradierung, aquarelliert, 29,6 x 23,2 cm.
Houghton Library, Harvard University, Cambridge, Massachusetts.
111.
'Iben 'Ibid affamshd i'irtid die }Vbrni upc/t du drwy l)td.
hr* th&j 'i Worin' uttmjt cd K*-r/Z/»/./>#. tu~f thou. but .1 Worn?
J w ther hkt u. inlaid ivrtwbed vt dir Li/lys Leaf-
ji.> »j'rf not litfdt voice., du/n otmfd not spent, but dwu rirnsf wep;
1- /,'-• rz JXyr/n.- /.yzv-f.4zz hy hdpLds ,.V naked weeping, >6in nuiu: to answer. rwnc to c/tcTLs/t thee With mothons ^rruhi3.
Jju' Chyibeani fhi Vfvn/if miet'.A rtu'tfi) hr-r bdyua^ head;
,^rzf Ltni'il tn>f i th? Hteeptfu/ irdrird . «wi/7 fw ejdui!^
/' U'b<f£ thru on Hud die lixd her humble _eyes •
( b'-triufy id the vnle.^ nf Heir, wr five not for oiUygetv&J' livn ■:..</ nutJie mcfituo.-t tfuruj, nnd no f atn uulrrd. ‘r fdy biQffvn d it&dl is raid. and af'doel/' is dark 1
William Blake,
Illustration für Das Buch Thel, Druckgrafik 4, 1789. Reliefradierung, aquarelliert, 29,6 x 23,2 cm. Houghton Library, Harvard University, Cambridge, Massachusetts.
So steht er als Warnung da, dass ein Genie, das die Werkzeuge der Tradition und jegliche kritische Ausbildung verachtet, riskiert, für seine Schönheit bestraft zu werden. Sich so wie Blake zu bemühen, das Grandiose zur Basis anstatt zu Krone der Dichtkunst zu machen, bedeutet, das Niedrige dem Ende zu opfern, den Turm zu Babel wieder aufzubauen und die Strafe der Verwirrung auf sich zu nehmen. Anstelle des heroischen Tempels, den er versprach, haben wir nun gewaltige Ruinen, nur weniger bildhaft und künstlerisch als die sichtbaren Konstruktionen, die die Phantasie ehrgeiziger Edelleute auf den Landsitzen der damaligen Zeit betörten.
Selbst in den Poetical Sketches beobachten wir den Konflikt zwischen Blakes wilder Vorstellungskraft und seiner zerbrechlichen Technik. Bevor seine Technik von einer eindringlichen, inneren Botschaft überwältigt wurde, bewegten sich Blakes literarische Talente an ihrem nächsten, kurzlebigen Moment des Gleichgewichts. Zu spezifisch in ihrem Inhalt, können sie nur kurz auf ihre Form und auf unheilvolle Anzeichen seines späteren Verhaltens untersucht werden. Jedes charakteristische Merkmal von Blakes endgültigem Schaffen in der Literatur - seine Musik, seine Magie, das Aufblitzen seiner Phantasie, seine plötzliche, unsensible Art -kann irgendwo oder anders in ihnen wahrgenommen werden. In dem frühesten Lied heißt es:
Wie leicht ich zog von Feld zu Feld
Und schmeckte all des Sommers Blüte,
Bis ich den Fürst der Liebe erblickte
Der in der Sonne Strahlen glitt dahin!
Diese beiden letzten Zeilen sind bereits ein Bild, eine klar umrissene Vision, die für einen Zeichner und Kupferstecher - wie der junge Blake einer werden sollte - wie geschaffen zu sein schienen. Diese malerische Qualität ist charakteristisch für alle Poetical Sketches. Die Metapher wird nicht nur zu einem Symbol, sondern das Symbol ist ein Bild, intensiv genug, um ein eigenes Leben zu besitzen.
Dieses Lied und alle dazugehörigen könnten beinahe zu einem elisabethanischen Liederbuch gehören, wäre da nicht dieser geheimnisvolle Schein, der durch einige übernatürliche Noten der Verzückung aus dem Gedicht mehr als nur ein Lied und weniger als ein Choral macht. Bereits die elisabethanische Klarheit, die natürliche Unschuld des Auges, ist durchzogen mit etwas Entferntem, eine unheimliche Andeutung, viel hintergründiger als die einfachere Zauberei zur Zeit Spensers5 und ohne Donnes6 metaphysische Absurdität. Eine Anspielung auf diese Umgestaltung liegt in der dritten Strophe:
Meine Flügel waren nass vom süßen Maitau
Und Phoebus entfachte meine laute Begeisterung;
Er fing mich in seinem seidenen Netz,
Und sperrte mich in seinen goldenen Käfig.
William Blake,
Lieder der Unschuld und Erfahrung, Druckgrafik 1,1789 und 1794.
Reliefradierungen, Stift und Aquarell, mit Gold nachbearbeitet.
King’s College, Cambridge, Vereinigtes Königreich.
William Blake,
Lieder der Unschuld und Erfahrung, Druckgrafik 3,1789 und 1794.
Reliefradierungen, Stift und Aquarell, mit Gold nachbearbeitet.
King’s College, Cambridge, Vereinigtes Königreich.
Die Aura der Verzauberung lässt hier mehr durchblicken als die weiße Magie der Kindheit oder die der elisabethanischen Phantasie. Sie ist ein Schatten im Sonnenlicht einer geheimnisvollen Anwesenheit von der Leere hinter seinen Strahlen. Der Dichter ist bereits von einem Dämon besessen und wird von ihm verwirrt.
Diese Zeilen tragen bereits den Widerhall von Fletcher7 und Chatterton.8 Untersuchen wir einen Teil eines anderen Gedichtes, den Mad-Song (Lied des Wahnsinnigen) und seinem schönen Gefährten:
Erinnerung, komm’ hierher,
Und lass’ deinen heiteren Klang ertönen:
Und während auf dem Wind
Deine Musik fließt,
Werde ich über den Strom nachdenken,
Wo seufzende Liebende träumen,
Und nach Phantasien angeln, wenn sie vorüberziehen
In dem wässrigen Glas.
Diese Zeilen lassen mit einer Verworrenheit auf ähnliche Vergleiche schließen, die in der Regel das Zeichen einer erneuerten, nicht einfach ursprünglichen Form ist. Zu dieser Zeit gab es in der englischen Phantasie eine Menge Triebkraft, von der bekannt ist, dass Chatterton ebenfalls von ihr besessen war, obwohl Blake schwerlich vor 1777 von ihm gewusst haben konnte. Sein Sing unto my Roundelay (Sing’ unter meinem Fenster) könnte sein Bruder sein.
Chatterton starb 1770, und die erste Sammlung der „... Gedichte, die vermutlich von Thomas Rowley9 in Bristol geschrieben wurden“, erschien nicht vor Blakes zwanzigstem Lebensjahr, entsprechend der 1783 gedruckten Anzeige in den Poetical Sketches zu jener Zeit, als die Texte von Blakes frühestem Buch bereits geschrieben waren.
Die Lieder Love and Harmony combine (Liebe und Harmonie vereinigen sich) und I love the jocund dance (Ich liebe den fröhlichen Tanz) sind voller kindlicher Schlichtheit, eigentümlich für Blake, ein unverdorbenes, modernes Kind, das noch in Eden lebt. In den Liedern, die für die vier Jahreszeiten geschrieben wurden, findet man, vielleicht nach dem Lesen von Miltons Einleitung, seine ersten Experimente mit reimlosen Versen. Die zaghafte, vom normalen Maß abweichende Ungleichmäßigkeit dieser Stücke fesselt durch ihre Variation über einen niemals aufgegebenen, jedoch ständig modulierten, rhythmischen Stil.
Die Eröffnungszeile des Liedes O Winter, Riegel deiner diamantenen Türen ruft ein weiteres Bild wach, das kaum Blakes Gravur benötigt, um als sichtbares Bild vor dem Auge zu erscheinen. In der folgenden Strophe „... dessen Haut klebt / an seinen starken Knochen [und] über die ächzenden Felsen schreitet“, ist wieder die
William Blake,
Lieder der Unschuld und Erfahrung, Druckgrafik 5,1789 und 1794.
Reliefradierungen, Stift und Aquarell, mit Gold nachbearbeitet.
King’s College, Cambridge, Vereinigtes Königreich.
William Blake,
Lieder der Unschuld und Erfahrung, Druckgrafik 2,1789 und 1794.
Reliefradierungen, Stift und Aquarell, mit Gold nachbearbeitet.
King’s College, Cambridge, Vereinigtes Königreich.
oiv ^>uU k<vr l»jsrh4
jön «io«1 =nll’’.(«u4|i T.-r hi JI ii<- hit Vu.e.
J&r,Bj(: <•:•••«■ ..< u l<’..... " /I« ■' •'< '« 1,
A ..: in.: ■•’jgy l-L- ■ xu; E - I-" txr^.ir;. W
F rli i i,nr siu/J-x- - ** ' ’ m* F~ \ fl*
, ’ - - '' '’A
I . Ill1 r :■ ■ ' ’"iz <J ..I r ,»I
i . jjy ^Jn
■or. r '•VitkrrA kni« . . , *
- lurrstrokc’ iti-f .<ik‘erl»<ui* t r jrt'f li.- will dira Gve me •'* i
Kreatur der Vater aller Blakeschen Monster, ein Monster, erdacht von einem Schöpfer, der bereits in den muskulösen Körperbau Michelangelos verliebt ist. Diese vier Lieder pausieren am Ende einer jeden Strophe. Jede ist ein Vierzeiler oder ein Sechszeiler, und der Effekt dieser Pause soll bewirken, dass man das Fehlen von Reimen beinahe nicht mehr bemerkt.
To the Evening Star (Dem Abendstern) und To Morning (Dem Morgen) sind leere Verse mit einem magischen lyrischen Unterschied. Nur Fair Elenor (Schöne Elenor) und Gwin, King of Norway (Gwin, König von Norwegen) deuten auf wenig inspirierende Nachahmungen. Die Bewunderung, die Blake später für Ossian10 bekannte und die wahrscheinliche Auswirkung von Thomas Percys Reliques of Ancient Poetry (1765; Reliquien antiker Dichtung) benötigen nicht mehr als eine vorübergehende Erwähnung. Aufbewahrt in diesen beiden Stücken und in der unvollständigen Karikatur der aktuellen Mode, genannt Blind Man’s Buff (Schlag des Blinden), reichen Blakes Poetical Sketches eher über sein Zeitalter hinaus, als dass sie dessen Produkt sind.
Die Muse wuchs mühsam durch die Aufhebung des formalen Versmaßes. Sie wollte sich frei fühlen von den Banden des Reimpaares, um zu spielen, zu tanzen, um noch einmal in Begeisterung zu geraten. Sie beneidete die Elisabethaner um ihre wilde Energie, ihren verwegenen Geist, die einfache Anmut ihrer Lieder, ihre natürliche Musik, zu der sie sich wendet, wie der Stadtbewohner es tut, wenn er die staubige Stadt verlässt, um die grünen Hügel hinaufzusteigen. Zwischen sie und den Sängern Jakobs I. war die Reformation gekommen, und sie konnte die Freude des Humanisten am natürlichen Leben in der Welt, die wir kennen, im einfachen Vergnügen der gesunden Sinne nicht wiedererlangen.
Die alte Ordnung des Glaubens wurde von Zweifeln erfüllt, von Tatsachen, von Wissenschaft. Energie wurde durch Begeisterung ersetzt, und nur wenige akzeptierten die Freude noch länger in sichtbarer Schönheit, ausreichend, um die Wünsche des Herzens zu ersticken. Das gute, das alte England war für immer verschwunden und die Menschen spürten eine Last auf ihrer Seele, eine Last, die die alten Litaneien verzauberte, auch wenn sie von denen gespielt wurden, die das meiste Vergnügen an ihnen hatten. Der Wunsch, auszubrechen, war das Motiv der kommenden Dichtkunst. Blake verließ das achtzehnte Jahrhundert in der wunderschönen Kritik, die in seiner eigenen Huldigung To the Muses (An die Musen) steckt:
Ob du im Himmel makellos umherschreitest,
Oder auf den grünen Ecken der Erde, Oder in den blauen Regionen der Luft Wo die melodischen Winde geboren werden;
Wie hast du die einstige Liebe verlassen
Die Barden allein an dir liebten!
Die trägen Saiten bewegen sich schwer!
Der Laut ist erzwungen, der Noten sind wenige.
Wir spüren, dass Blind Man’s Buff Blake davon überzeugte, dass er mit dem Reimpaar des achtzehnten Jahrhunderts nichts anfangen konnte, bis er sein langweiliges Tempo nicht in einen schnellen Rhythmus umgewandelt und sein Ziel von prosaischer Realität zu einem gewissen immer währenden Evangelium des poetischen Lebens geändert hätte. Doch dafür war die Zeit noch nicht gekommen. Er ist weniger unglücklich in seinem Imitation of Spenser (Nachahmung von Spenser), selbst wenn die zweite Zeile „Zerstreust die Strahlen des Lichts und traust den Strahlen“ genauso holprig auf Edmund Spenser gewirkt haben könnte, wie wir es von seinen gleichartigen Werken von jenen kennen, die sich für den Abdruck der Poetical Sketches entschuldigten.
Die beiden Lieder, die uns in My black-eyed maid (Mein schwarzäugiges Mädchen) einführen, gehören wahrscheinlich zu den spätesten der Sketches; in ihnen erscheint die Liebe - oder vielmehr die Erwartungen eines Jungen an die Liebe in der Gesellschaft einer Frau - zum ersten Mal. Der Zauber einer Freundschaft zwischen einem Jungen und einem Mädchen, die Freude, die bei gemeinsamen Landspaziergängen aufkommt, wird in diesen Zeilen wiedergegeben:
Wenn sie spricht, so höre ich die Stimme des Himmels;
Wenn sie geht, kommt nichts Schmutziges in ihre Nähe.
Jedes Feld erscheint wie Eden und jede Stille weicht zurück; Jedes Dorf scheint ein Ort heiliger Füße zu sein.
Wie jungenhaft dies alles ist: diese Romanze, die vor Vergnügen überquellen könnte, aber kaum ihren Gruß oder ihr ‘Auf Wiedersehen’ stammelt! Da liegt genauso viel Unschuld wie Unerfahrenheit in ihr, und wir kennen es wegen des erlösenden Momentes eines unangenehmen Alters.
Es wurde genug zitiert, um uns völlig unberechenbar an das Versprechen von Blakes erstem gedruckten Buch zu erinnern; genug, um zu zeigen, dass er seinen Einflüssen ausgeliefert war. Hinsichtlich der Schönheit, Frühreife und Seltsamkeit kann nur Chatterton mit ihm verglichen werden, der im Alter von siebzehn Jahren starb. Chatterton übertraf ihn in Frühreife, da der Junge aus Bristol sich mit einer Kunst zufrieden gab, wohingegen Blake die Literatur bereits verlassen hatte, als er seine Kräfte für die Zeichnungen unter Beweis gestellt hatte, auf die er den größeren Teil seiner Ausbildung verwendet hatte.
Lehrjahre und Heirat - 1771 bis 1787
Blake verließ die Zeichenschule im Alter von vierzehn Jahren, um bei dem Graveur James Basire11 eine formelle Ausbildung zu beginnen und diesen Beruf zu seinem eigenen zu machen. Die meisten der Poetical Sketches müssen während dieser Ausbildung geschrieben worden sein. Wir haben uns nicht nur deswegen bereits teilweise mit ihnen beschäftigt, weil die frühesten von ihnen in der Zeichenschule geschrieben wurden, sondern hauptsächlich, um aufzuzeigen, was aus seiner Schriftstellerei hätte werden können, wenn er seinem Talent der Dichtkunst und der Literatur gefolgt wäre. Wie auch immer, Schreiben wurde zu der Erfüllung seiner privaten Freizeit, und wir wenden uns Frederick Tatham12 zu, um zu sehen, wie Blake erschien und wie er seine Ausbildung bei Basire absolvierte:
William Blake,
Lieder der Unschuld und Erfahrung, Druckgrafik 6,1789 und 1794.
Reliefradierungen, Stift und Aquarell, mit Gold nachbearbeitet.
King’s College, Cambridge, Vereinigtes Königreich.
William Blake,
Lieder der Unschuld und Erfahrung, Druckgrafik 10,1789 und 1794.
Reliefradierungen, Stift und Aquarell, mit Gold nachbearbeitet.
King’s College, Cambridge, Vereinigtes Königreich.
„Seine Liebe zur Kunst wuchs, und als das Alter gekommen war, in dem man es für notwendig erachtete, ihn einem Lehrer anzuvertrauen, suchte man einen berühmten Maler, und die notwendigen Anfragen wurden gemacht. Aber angesichts der erforderlichen hohen Entlohnung für den Lehrmeister bat er in seiner charakteristischen Großzügigkeit darum, dass sein Vater ihm auf keinen Fall so viel Geld geben sollte, da er meinte, dass dies seinen Brüdern und Schwestern gegenüber eine Ungerechtigkeit darstelle. Deswegen dachte er selbst, dass das vorgeschlagene Gravieren weniger teuer und für seinen zukünftigen Beruf zur Genüge annehmbar wäre. Darum lernte er von Basire für einen Lohn von fünfzig Guineas die Kunst des Gravierens.“
Alle Ideen bezüglich des Strumpfladens wurden aufgegeben und der Junge wurde, falls wir J. T. Smith glauben können, „... als ‘Trottel’ vom Ladentisch weggeschickt“. Dennoch schien Blakes Vater seinen Sohn weiterhin unterstützt zu haben. Zuerst brachte er ihn zur Arbeit bei Ryland13, der die Punktiertechnik in England einführte und später zum Graveur des Königs wurde. Blake hat Ryland offenbar nicht gemocht, denn als er dessen Atelier verließ, bemerkte er: „Vater, ich mag das Gesicht dieses Mannes nicht; es sieht aus, als lebte er, um gehängt zu werden.“ Zwölf Jahre später, als Ryland in Schwierigkeiten geraten war, beging er eine Fälschung auf Kosten der East India Company und wurde zum Tod durch den Strang verurteilt.
Blakes Vater folgte den Wünschen des Jungen und übergab ihn sofort James Basire, dem bekanntesten von vier Graveuren, der sein Geschäft in der 31, Great Queen Street hatte und beruflich durch die Gesellschaft der Antiquitätensammler unterstützt wurde. Er war, als Blake sein Lehrling wurde, einundfünfzig Jahre alt und wurde von William Hogarth und vielen anderen hochgeschätzt. Basire hatte in Rom studiert und wurde besonders für seinen Trockenstil bewundert, der ihn zweifelsohne an jene wie etwa die Gesellschaft der Antiquitätensammler empfahl, die sich mit antiken Denkmälern beschäftigten.
Tatsächlich waren Basires wichtigste Gönner Antiquitätensammler, die allen Grund hatten, die Präzision seiner Platten zu schätzen. Basires schlichter Stil festigte Blakes sturem Beharren auf einfachen Formen und exakten Umrissen in allen Zeichnungen. Er war ein guter Lehrer und ein liebenswerter Meister, und die sieben Jahre, die Blake mit ihm verbrachte, waren außergewöhnlich formend. Blakes übersprudelnde Phantasie akzeptierte diesen kontrollierenden Einfluss, ohne den seine Ausführung niemals in gleicher Weise seiner kreativen Gestaltungskraft entsprochen hätte.
Der Junge erwies sich als fleißiger und geschickter Schüler, der bald lernte, zur Zufriedenheit Basires zu kopieren, welche Arbeit es auch immer auszuführen galt. Auch das Geschäft bot seine spannenden Momente, denn es wurde von allen möglichen Menschen besucht, einschließlich Emanuel Swedenborg, der nun bis zu seinem Tod im Jahre 1772 in London lebte. Die Begegnung mit diesem berühmten Romancier ist der einzige extern festgehaltene Vorfall der ersten drei Blake’schen Jahre bei Basire, ein zwar zufälliges, aber eminent wichtiges Ereignis, das Blakes ruhigen Lebenslauf unterbrach, nachdem er zwei Jahre lang in dem Geschäft gearbeitet hatte.
Es gab, so wird berichtet, neben Blake noch weitere Lehrlinge, und die Harmonie am Arbeitsplatz hing von der Ruhe ab, mit der die Jungen zusammenarbeiteten. Im Jahr 1773 kamen zwei neue Lehrlinge an, die die regelmäßigen Kontroversen mit Blake genossen, bei denen es um „. die Erörterung intellektueller Streitfragen“ ging. Diese Zankereien verursachten störende Szenen, und wenn, laut Malkin14, Blake sich weigerte, zusammen mit seinem Meister gegen seine Mitlehrlinge Partei zu ergreifen, so war Basires freundlicher Kommentar: „Blake ist zu schlicht, und sie sind viel zu gerissen.“
Um die notwendige Harmonie wieder herzustellen, ohne eine Partei zu benachteiligen, schickte Basire dann Blake, bei dem er sich darauf verlassen konnte, dass er dieses Privileg nicht missbrauchte, nach draußen, um die gotischen Statuen in Westminster Abbey und anderen alten Kirchen zu zeichnen; Statuen, die Basires Gönner, die Antiquitätensammler, jederzeit graviert haben wollten. Blake verbrachte den Sommer damit, diese Zeichnungen anzufertigen und manche Stunde im Winter, um sie zu gravieren. Verloren in den Ecken dieser alten Kirchen wurde Blakes romantische Phantasie vollständig gotisiert, und er verschloss von da an seinen Geist für jeden anderen Einfluss oder er interpretierte ihn im Licht dieser Eindrücke, für die er unbewusst durch die religiöse Atmosphäre zuhause vorbereitet worden war.
Man muss sich nur vorstellen, Blake wäre im gleichen Alter von Westminster Abbey aus in die Ruinen des Parthenon versetzt worden, wie er dann die Straße nach Piräus hinuntergeht, um bei einem Bildhauer in die Lehre zu gehen, der sich mit klassischen Studien beschäftigte. Wie hätte dann seine Entwicklung ausgesehen? Man muss zugeben, dass seine Zukunft eine ausgemachte Sache war, wie sie es für jeden genialen Jungen sein kann.
William Blake,
Lieder der Unschuld und Erfahrung, Druckgrafik 14,1789 und 1794.
Reliefradierungen, Stift und Aquarell, mit Gold nachbearbeitet.
King’s College, Cambridge, Vereinigtes Königreich.
William Blake,
Lieder der Unschuld und Erfahrung, Druckgrafik 7,1789 und 1794.
Reliefradierungen, Stift und Aquarell, mit Gold nachbearbeitet.
King’s College, Cambridge, Vereinigtes Königreich.
y- y
j|.< Ktdeijsyityft wtiiT^pcly jrix.
Led hy tJiei^ii ufring'
Beanto crr.ru>- C Jti ever rivik. ,\hncarr) lite iuti Ikii «y tn v^lte.
> r 4'4 rjt »wir /mill *. ’»•
Tjl «L- lirfr rw »-«vf Nu tr< »«• isam hx1"*'1 • y Tki wun fkjix» .tv* ♦ AjmI uu< «^j n »• VlF*€ »-»* 'I • .KIU4 fl! •/•♦•it?' *nik mi’mU,
i. .birtta jr. .
v r-.H J en W rc n IH . ’ WliötrcaiFiL an icfiiKt . LuMft jCstileXI uxaliif own -tr.« Saw»*Ir Mrtktc'Tfjc« kecui
William Blake,
Lieder der Unschuld und Erfahrung, Druckgrafik 28,1789 und 1794.
Reliefradierungen, Stift und Aquarell, mit Gold nachbearbeitet.
King’s College, Cambridge, Vereinigtes Königreich.
William Blake,
Lieder der Unschuld und Erfahrung, Druckgrafik 17,1789 und 1794.
Reliefradierungen, Stift und Aquarell, mit Gold nachbearbeitet.
King’s College, Cambridge, Vereinigtes Königreich.
Aber Blake traf nie einen Menschen mit so leidenschaftlichen Gefühlen wie seine eigenen, nie einen, der nicht von dieser exzentrischen Art war, einen Häretiker, einen Revolutionär oder einen Astrologen. Nie kreuzte ein Humanist seinen Weg, und die Zahmheit des einen Dichters, mit dem er ständig in Kontakt stand, verleitete ihn dazu, seine Veranlagung zum Götzen zu erheben.
Außer für seine jungenhafte Bekanntschaft mit der jakobinischen Dichtung, mit den antiken Formen, die er unter Henry Pars zu zeichnen gelernt hatte, war Blakes Jugend ausschließlich durch romantische oder theologische Einflüsse geprägt. Da ihm das Romantische zusagte, konnte er es sich erlauben, mit klassischen und humanistischen Traditionen über Kreuz zu liegen. Es ist interessant, darüber nachzudenken, wie die Auswirkungen gewesen wären, wenn das Beispiel von Michelangelo erfolgreich gewesen wäre, durch die griechischen anstatt durch die gotischen Meister inspiriert zu werden. In den sonnenbeschienenen Räumen zwischen den Säulen eines griechischen Tempels, in dem Leben unter freiem Himmel, das die griechischen Statuen reflektieren, hätten Blakes Visionen eine ganz andere Form angenommen als die, die sich in den dunklen Innenräumen der gotischen Kirchen durchsetzte.
Alle die Figuren, die die Menschen düster und traurig darstellen, sind wie Geister in einer höhlenartigen Unterwelt, während die Götter und Helden der klassischen Bildhauerei so, wie sie auf ihren Sockeln stehen, sich ihrer Gesundheit und der Kraft des Sonnenlichts erfreuen. Die Entwürfe Blakes wollten das klassische Fundament, und seine Schriften lassen die klare Schönheit der klassischen Literatur völlig vermissen, die er mit der von ihm verachteten akademischen Kunst identifizierte. Es gibt in der romantischen Literatur keine klassische Form, obwohl in der romantischen Kunst die gotische Schlichtheit ganz dicht davor war, ihren Platz einzunehmen. Die Umstände ließen Blake den Weg des geringsten Widerstandes wählen, und in der Abbey, in der er, nach Malkin, „... beinahe selbst zu einem gotischen Monument geworden wäre“, wurde er davon völlig gefesselt.
Selbst in diesen Grenzen wurden die Unterbrechungen, auf die er im Geschäft stieß, nicht vertrieben. Obwohl Blake mit den anderen Lehrlingen nichts zu tun hatte, belästigten ihn die Schuljungen von Westminster. Tatham sagt, dass „... er in der Heftigkeit seines Ärgers, völlig erschöpft von den Unterbrechungen, einen der Jungen vom Gerüst herunterwarf“ und anschließend beim Dekan eine formelle Beschwerde einreichte. Der Träumer erwies sich durch diese Handlung als wahrer Mystiker, denn außergewöhnlicher Scharfblick und entschlossene Handlung ist die Kombination der Qualitäten, für die die große Mystik bekannt ist. Der Widerspruch ist manchmal so erschreckend, dass das Leben großer Mystiker die Beobachter verwirren, die sie nicht verstehen. Der Zorn des Narren ist die
20
William Blake,
Lieder der Unschuld und Erfahrung, Druckgrafik 29,1789 und 1794.
Reliefradierungen, Stift und Aquarell, mit Gold nachbearbeitet.
King’s College, Cambridge, Vereinigtes Königreich.
schreckliche Manifestation der gerechten Wut in einem Herzen voller Frieden und Freundlichkeit.
Blake war sein ganzes Leben lang Basire für das Geschenk der Freiheit dankbar, nicht nur, wenn er in der Abbey arbeitete, sondern auch für seine Expeditionen in die gotischen Kirchen in und um London herum. Er fand in ihren steinernen Statuen nicht nur Form und Kontur für seine Kunst, sondern auch eine geheimnisvolle englische Geschichte, eine symbolische Sprache und den Ort, an dem in der architektonischen Bildhauerei Farbe einmal eine Rolle gespielt hatte. All das, auch die Farbe, deutete wahrscheinlich auf die unechte Kunst hin, die er später in seinen illuminierten Schriften schuf, wo Dichtung und Zeichnung, Handwerk und Malerei eine neue Buchform durch einen neuen Typ des Autors entstehen ließ: einer, der etwas entwirft, kombiniert und persönlich jedes Detail der fertig gestellten Arbeit ausführt.
Es gab keinen Ort, der so großartig oder geheimnisvoll wie die Abbey war, um Blake als privates Atelier zu dienen. Dort allein eingeschlossen, Monat für Monat über fünf Jahre hinweg, nur durch die Gottesdienste unterbrochen, war Blakes jungenhafte Hand ständig bei der Arbeit, während eine Flut von Gedanken sich in jede Ecke seines freien Geistes drängte. Seine Visionen kamen zurück; die Figuren und Statuen schienen mit Leben erfüllt zu sein. In der Abbey erschienen ihm Christus und die Apostel, und die gotische Phantasie selbst schien in dem Jungen ins Leben zurückzukehren. Die Monumente, die er skizzieren wollte, riefen in ihm die Visionen wach, die die Herzen der ursprünglichen Erbauer und Bildhauer erfüllt hatten. Die Figuren wurden weniger zu seinen Objekten als zu seinen Freunden; ihre schattenhafte Gesellschaft personifizierte seine Phantasie. In seinem Geist wimmelte es vor Ideen, die die Gestalt der statuenhaften Figuren um ihn herum annahmen, und die Menschen in der Welt draußen, in die er zurückkehrte, wurden zu Schatten der Skulpturen - unwirkliche Eindringlinge in jene Einsamkeit, in der er lebte.
Blakes Gehirn und Phantasie wurden zu einer weiteren Abbey, so weit entfernt von denen seiner Nachbarn, wie ein antikes Gebäude vom modernen Leben außerhalb der Mauern entfernt ist. Kein Junge, der so empfänglich dafür war, wurde in diesen prägenden Jahren einem solchen Einfluss ausgesetzt, und dieser Einfluss brachte Blake dazu, eine Religion aus gotischer Kunst und der Schau Christi mit seinen Aposteln zu schaffen, wobei diese mehr als künstlerische denn als religiöse Symbole dienten. Auf diesem Weg kehrte er den Prozess um, durch den christliche Kunst geschaffen wurde, und ohne jegliche intellektuelle Basis für seine Beweggründe versuchte er, die christliche Tradition ausschließlich durch die Kunstwerke zu interpretieren, die sie inspiriert hatte.
Als bekennender Christ ging er nie zur Kirche, und schließlich ersann er eine Schrift, die selbst ihm sonderbar erschien und aus Fragmenten zusammengesetzt war, die bis auf die Launenhaftigkeit seiner einfallsreichen Vorurteile wenig miteinander gemein hatten. Indem er sich über die Kunst der Religion näherte, wurde Blake veranlasst, die Basis, die die mittelalterlichen Handwerker geerbt hatten, aus seinem eigenen Geist entstehen zu lassen. Sein aktiver Verstand wurde in der Jugendzeit durch den Symbolismus der Abbey bedrängt, und es ist seinen einsamen Stunden innerhalb ihrer Mauern zu verdanken, dass wir den Ursprung und die Tendenzen seines späteren Mystizismus’ nachverfolgen können.
Blakes Freizeit wurde durch die Fortsetzung dieser Studien in Beschlag genommen, indem er die Zeichnungen von Heiligen und mittelalterlichen Königen gravierte. Eine dieser noch existierenden Arbeiten zeigt Joseph von Arimathea inmitten der Felsen von Albion und trägt die Inschrift: „Graviert von William Blake, 1773, von einer alten, italienischen Zeichnung, nach einer Vorlage von Michelangelo.“ Einer von Blakes charakteristischen Kommentaren erscheint bereits auf der Platte:
Dieser Joseph ist einer der gotischen Künstler, die die Kathedrale in jener Zeit erbauten, die wir als das dunkle Zeitalter bezeichnen, die in Schafs- und Ziegenfellen gekleidet umherliefen und die in der Welt nichts wert waren. So waren die Christen zu allen Zeiten.
Dies ist eine außerordentliche Enthüllung über Blakes auch später nie durch ein Gefühl für Verhältnismäßigkeit gemilderten Geisteszustand in seinem sechzehnten oder siebzehnten Lebensjahr. Wenn sie mit seinen Äußerungen im reiferen Alter verglichen werden, sieht man, dass sein Geist am Ende mit den Vorstellungen ausgestattet blieb, die ihn in der Abbey in seiner Jugendzeit beeinflussten. Die gotischen Künstler waren die einzigen Blakes Phantasie bekannten geschichtlichen Helden.
In Goughs15 Sepulchral Monuments (Grabmälern), eine von Basires Aufträgen, können wir Blakes Gravuren zu dieser Zeit nachvollziehen. Gilchrist, der Stothard folgte, übergab das Portrait of Queen Philippa from her Monument (Porträt der Königin Philippa von ihrem Denkmal) vertrauensvoll in die Hände Blakes, obwohl es natürlich von Basire signiert wurde. In seiner viele Jahre später herausgegebenen Public Address (Öffentliche Botschaft) erwähnt Blake die konkurrierenden Graveure, die er zu der Zeit in Basires Atelier antraf. Da er bis ins Letzte an die Schlichtheit der Methode seines Meisters glaubte, verabscheute er die Verführung der sanfteren Schule. Er beharrte darauf, dass „... gravieren Zeichnen auf Kupfer ist und nichts weiter“, und die heftige Kritik von Basires Kollegen kann durch eine Bemerkung von einem von ihnen verdeutlicht werden:
Ich kannte Woollett16 sehr genau durch seine Vertrautheit mit Basire, und ich wusste, dass er einer der ignorantesten Zeitgenossen war, die ich je getroffen
William Blake,
Illustration für Die Vermählung von Himmel und Hölle, Titelbild, um 1790. Reliefradierungen, Farbdruck, Stift und Aquarell, 20,9 x 179 cm. The Morgan Library & Museum, New York.
William Blake,
Illustration aus Die Vermählung von Himmel und Hölle, Druckgrafik 2, um 1790. Reliefradierungen, Farbdruck, Stift und Aquarell, 20,9 x 179 cm.
The Morgan Library & Museum, New York.
William Blake,
Illustration aus Die Vermählung von Himmel und Hölle, Druckgrafik 10, um 1790. Reliefradierungen, Farbdruck, Stift und Aquarell, 20,9 x 179 cm. The Morgan Library & Museum, New York.
William Blake,
Illustration aus Die Vermählung von Himmel und Hölle, Druckgrafik 5, um 1790. Reliefradierungen, Farbdruck, Stift und Aquarell, 20,9 x 179 cm.
The Morgan Library & Museum, New York.
William Blake,
Illustration aus Die Vermählung von Himmel und Hölle, Druckgrafik 3, um 1790. Reliefradierungen, Farbdruck, Stift und Aquarell, 20,9 x 179 cm.
The Morgan Library & Museum, New York.
hatte. [...] Er stellte seine Ignoranz oftmals vor mir bei Basires unter Beweis, indem er über Basires Stechwerkzeuge lachte und die Formen anderer Graveure von Basire verspottete, bis Basire ziemlich am Boden war und dessen, was er selbst wusste, überdrüssig wurde. Aber seine Unverschämtheit übte einen gegenteiligen Effekt auf mich aus.
Blake verteidigte das, wovon er glaubte, dass es das Grundprinzip des Zeichnens sei. Die Darstellung natürlicher Effekte schien für ihn der Tod der Phantasie zu sein. Gesättigt von den herkömmlichen Skulpturen der Abbey, strebte er nun die Umgestaltung natürlicher Formen an und hielt es mehr mit der Kunst als mit der Beobachtung. Er begann in der gotischen Weise zu planen und von daher zu folgern, dass alle Eingabe in der Form gotischer Bilder erfolgte, wobei es der Fehler eines Künstlers war, nicht direkt zu übertragen. Er war wie ein Stadtmensch, der die ländliche Umgebung nur in Landschaftsbildern gesehen hatte.
Die Form, in der Blakes Visionen ankamen, waren offensichtlich gotisch, jedoch mit einem so tiefen und deswegen so unbewussten Einfluss, dass er glaubte, alle Visionen müssten zu allen Menschen in derselben Gestalt kommen - und dass die Natur selbst eine Vision sein könnte, war sein schwerster Denkfehler. Natürlich ist es wahr, dass für alle Mythen die Natur ein Geheimnis oder eine Reflexion einer Schönheit ist, die nicht zur sichtbaren Welt gehört, aber es ist ungewöhnlich, zu behaupten, wie Blake es getan hat, dass man, um die Natur in der Kunst darzustellen, sich auf Kosten der phantasievollen Bedeutung mit der Literatur beschäftigen muss. Zu behaupten, dass das tote Laubwerk notwendigerweise schöner ist als ein lebendes Blatt, bedeutet, die Kunst ihres Fundaments zu berauben und Inspiration von vorhergehender Kunst oder von einem individuellen Verstand herzuleiten. Wenn die Theorie zur Besessenheit wird, ist selbst die formale Schönheit gefährdet.
Als Blakes Ausbildung 1778 bei Basire endete, besuchte er eine Zeit lang die antike Schule an der Royal Academy, um dort zu studieren. Sein Lehrer war deren erster Inspektor, der alte Mr. Moser, ein Emaillemaler und Medaillenziseleur, der für die Aufsicht der obersten Schulen in St. Martin’s Lane verantwortlich war. In einer seiner späteren Anmerkungen zu Reynolds Discourses schrieb Blake eines ihrer Gespräche auf:
Ich dachte einmal nach über die Drucke von Raphael und Michelangelo in der Bibliothek der Royal Academy. Moser kam zu mir und sagte, ‘Du solltest diese alten, harten, steifen und trockenen und vollendeten Kunstwerke nicht studieren. Bleib’ ein wenig und ich werde dir zeigen, was du studieren solltest’. Dann ging er und nahm die Bilder von Le Brun und Rubens herunter. Insgeheim geriet ich in
Wut! Ich machte meinen Gefühlen Luft! Ich sagte zu Moser, ‘Diese Dinge, die Sie vollendet nennen, wurden noch nicht einmal richtig angefangen: Wie können sie dann vollendet sein? Der Mensch, der den Anfang nicht kennt, kann die Vollendung der Kunst nicht kennen.’
Blake gab sich damit zufrieden, von der Antike zu zeichnen, und es ist recht charakteristisch für ihn, dass er die lebenden Figuren viel zu natürlich fand. Die Abbey wurde für ihn das, was für die griechischen Bildhauer die Palaestra war. Seine Phantasie konnte sich nur dann frei fühlen, wenn sie weit weg von der Realität arbeitete. Wenn uns Malkin folglich berichtet, dass Blake „... das Zeichnen des Lebens immer als etwas Hassenswertes empfunden hatte“, und davon sprach „... dass es mehr nach Tod aussehen oder nach Sterblichkeit riechen würde“, können wir verstehen, welches fatale Vorurteil sich in seinem Geist niedergelassen hatte. Er erscheint vernünftiger, wenn er sagt: „Übung und Gelegenheit lehren sehr bald die Sprache der Kunst. Ihr Geist und ihre Poesie, allein in die Mitte der Phantasie gestellt, kann niemals gelehrt werden; und diese machen den Künstler aus.“
Wahr genug, eine der immer noch wertvollsten Möglichkeiten, die die Phantasie haben kann, ist die von Blake so verachtete Studie natürlicher Formen. Er schreckte so sehr davor zurück, dass er bekannte, dass „. natürliche Dinge schwach waren und werden, sterben und die Phantasie in mir auslöschen.“ Verfolgt von den Formen der gotischen Bildhauer und diese mit den religiösen Ideen identifizierend, die sie entstehen ließen, ärgerte sich Blake über lebende Realitäten wie über Eindringlinge. Er lehnte es ab, der Kritik zuzustimmen, die sie ihm von den Bildern anboten, die seinen Geist in Beschlag genommen hatten. Eine Zeichnung mit Wasserfarben aus dieser Zeit The Penance of Jane Shore (Die Buße der Jane Shore), wurde von Blake in die Ausstellung des Jahres 1809 seiner Werke aufgenommen. Eine Anmerkung in dem beschreibenden Katalog sagt darüber: „Diese Zeichnung wurde vor über dreißig Jahren angefertigt und unterstützt den Autor in seiner Auffassung, dass sich die Erzeugnisse unserer Jugend und unseres reiferen Alters in allen wesentlichen Punkten gleichen.“
Zwischenzeitlich verdiente Blake seinen Lebensunterhalt mit Gravuren für Harrison, für Johnson und für andere Buchhändler. Er gravierte Zeichnungen für ihre Bücher und Magazine. Die wichtigsten waren acht Platten nach Stothard für The Novelist (Der Romancier). Blake lernte Stothard 1780 kennen, und durch ihn wurde er wiederum Flaxman vorgestellt. Blake ging irgendwann in der Zeit zwischen 1780 und 1782 mit Flaxman zum Segeln bis nach Upmore Castle und zum Zeichnen auf den Medway. Anna Eliza Bray berichtet in ihrem Life of Stothard (1851; Stothards Leben), wie die Mitglieder der Gesellschaft für
William Blake,
Illustration aus Die Vermählung von Himmel und Hölle, Druckgrafik 21, um 1790.
Reliefradierungen, Farbdruck, Stift und Aquarell, 20,9 x 179 cm.
The Morgan Library & Museum, New York.
französische Spione gehalten wurden, die vermeintlich Karten anfertigten. Sie wurden von den Soldaten ins Gefängnis geworfen und erst wieder freigelassen, nachdem die Royal Academy sie identifiziert hatte.
Ein dritter Freund, den er in diesem Jahr kennen lernte, war Lavaters17 Mitschüler Henry Fuseli, ein idealistischer Maler, der erklärte, dass die Natur „... ihn ausgesetzt habe“. Als er in die Broad Street und Flaxman in die 27 Wardour Street zog, wurden alle drei zu Nachbarn. Gilchrist sagte, dass Blake solche Freunde brauchte, da „... er einer von denen ist, deren Genie wesentlich größer ist als ihre Talente, und Talent ist das, was den weltlichen Erfolg erzielt.“
Die Schlussfolgerung ist nicht so prosaisch, wie sie sich anhört. George Moore18 sagt dazu, dass „... Genie ohne Talent nur ein wenig wanken kann.“ Blake „... liebte es, zu lachen“, aber er besaß nur einen geringen Sinn für Humor und eigentlich keine kritische Intelligenz. Seine Hand war kultivierter als sein Kopf, und nur in einigen wenigen seiner Schriften findet sich eine Linie geistigen Lachens.
Im selben Jahr 1780 stellte Blake zum ersten Mal in der Royal Academy aus. Sein Bild war das Aquarell Death of Earl Godwin (Tod des Grafen Godwin). Es war das Jahr der Aufstände in Gordon, und als Blake eines Tages durch die Straßen ging, wurde er vom Mob mitgerissen und beschuldigt, Newgate angezündet zu haben, und da er mitunter schlimme Dinge über die katholische
William Blake,
Illustration aus dem Buch Daniel: Nebukadnezar, 1795- um 1805. Farbdruck verfeinert mit Tinte und Aquarell auf Papier, 54,3 x 72,5 cm. Tate Gallery, London.
William Blake,
Illustration aus Die Vermählung von Himmel und Hölle, Druckgrafik 24, um 1790.
Reliefradierungen, Farbdruck, Stift und Aquarell, 20,9 x 17,9 cm.
The Morgan Library & Museum, New York.
William Blake,
Illustration aus Die Töchter Albions, Druckgrafik 1, 1793. Reliefradierungen, aquarelliert.
Houghton Library, Harvard University, Cambridge, Massachusetts.
*‘GLS n<rf
i c
u t/amcjii
William Blake,
Illustration aus Die Töchter Albions, Druckgrafik 3, 1793. Reliefradierungen, aquarelliert.
Houghton Library, Harvard University, Cambridge, Massachusetts.
Kirche geäußert hatte, machte er sich mit dem anti-päpstlichen Geschrei der Londoner Aufwiegler gemein.
Blake begann fleißig mit dem Malen von Aquarellen und mit Tempera auf Leinwand, einer Abwandlung dessen, was er Fresco taufte. Er war nun ein junger Mann in seinen frühen Zwanzigern, und seine erste jungendliche Liebschaft schien die mit „... einem lebhaften, kleinen Mädchen“, genannt Polly Wood, zu sein. Sie ging mit ihm spazieren, aber wenn er die Heirat erwähnte, lehnte sie ab. Blake war nicht die „... einzige Feder in ihrer Mütze“; sie mochte die Gesellschaft junger Männer, war sich jedoch keineswegs sicher, dass die Zeit schon gekommen sei, sich definitiv einem ihrer Bewunderer zu versprechen.
Als Blake einfältig genug war, sich darüber zu beschweren, dass sie auch den Umgang mit anderen pflegte, war sie über seine Ernsthaftigkeit erstaunt und fragte ihn, ob er ein Dummkopf sei. In seiner linkischen Art sagte er, dass diese Frage ihn für immer von seiner Eifersucht geheilt habe, aber zu der Zeit war er sehr aus der Fassung gebracht und fühlte sich so krank, dass er, wie Tatham berichtet, für eine Luftveränderung nach Kew reisen wollte. Tatsächlich fuhr er jedoch nach Battersea, wo er sich bei dem Gemüsegärtner William Boucher aufhielt.
Blake, der ein wenig Sympathie dringend benötigte, war bereit, sich der ersten mitfühlenden Person anzuvertrauen, und in der Tochter des Gemüsegärtners fand er eine bereitwillige Zuhörerin. Er erzählte Catherine, warum er nach Battersea gekommen war, und sie hörte seiner Geschichte mit solch liebendem Interesse zu, dass sie vollständig von ihr eingenommen wurde.
Tatham, der die Anekdote erzählt, war im späteren Leben sehr eng mit den Blakes verbunden, und es gibt keinen Grund, daran zu zweifeln, dass die beiden jungen Leute einen großen Eindruck aufeinander gemacht haben. Catherine Bouchers Temperament war sehr verschieden von der Art der lebhaften Polly Wood. Sie war eine prüde junge Frau, die den Männern nicht hinterherlief, und als ihre Mutter sie gelegentlich gefragt hatte, welche ihrer Bekanntschaften sie sich als Ehemann vorstellen könne, antwortete Catherine, dass sie den Mann noch nicht gefunden habe.
In dieser Gemütsverfassung befand sie sich, als Blake plötzlich in Battersea auftauchte, und später erzählte sie, dass, als sie Blake zum ersten Mal traf, als er in ihrem Haus saß, augenblicklich ihren zukünftigen Ehemann erkannte habe und beinahe in Ohnmacht fiel, sodass sie, nachdem sie sich beruhigt hatte, den Raum verließ. In diesem Zustand machte seine Geschichte einen tiefen Eindruck. Als Blake sah, wie bewegt sie war, fragte er in seiner impulsiven Art: „Haben Sie Mitleid mit mir?“ „In der Tat, das habe ich“, antwortete sie. „Dann liebe ich Sie“, sagte er, und so war die Sache zwischen ihnen entschieden.
Sie heirateten am 18. August 1782 in der St. Mary’s Church in Battersea, nachdem Blake nach London zurückgekehrt war, um zu arbeiten, bis er genug Geld zusammen hatte, um seiner Frau ein Zuhause bieten zu können. Die Erinnerung Tathams, dass Blake sich entschlossen hatte, sie nicht zu sehen, bis dies erledigt war, erklärt das Jahr, das zwischen seinem Besuch in Battersea und seiner Heirat verging.
Catherine Boucher schrieb ihren Namen, wie viele Bräute ihrer Zeit, mit einem Zeichen in das Register, denn zu jener Zeit gab es keine nationalen Schulen, und die regelmäßigen Sonntagsschulen waren noch nicht erfunden. Sie musste, als sie zu ihrem Ehemann kam, außer einigen puritanischen Vorurteilen nichts aufgeben. Er lehrte sie alles, was sie jemals wusste. Sie hatte eine schlanke Figur, dunkle, schwere Augen, ein warmes Herz und eine treue Zuneigung. Symons meint, dass sie für ihren Mann das Bild eines „. unveränderlichen Frauentyps war, groß, schlank und mit ungewöhnlich langen Beinen“ - eine ausreichend faszinierende Beschreibung.
Crabb Robinson, der sie zwei Jahre vor Blakes Tod traf, sprach ebenfalls von ihren „. dunklen Augen und gutem Ausdruck“ und den Resten einer jugendlichen Schönheit. Die Verse in den Poetical Sketches über das dunkeläugige Mädchen wurden fünf Jahre vor dem Treffen zwischen Blake und Catherine Boucher geschrieben, aber sie erscheinen oft genug, um auf eine seiner Vorlieben hinzudeuten. Es gibt weder einen Zweifel über den glücklichen Verlauf seiner Ehe noch über die einzigartige Hingabe seiner Frau. Er lehrte sie Lesen und Schreiben, zu zeichnen, ihm beim Drucken zu helfen und sogar seine Gravuren zu kolorieren. Wie bei vielen Frauen ähnelte ihre Handschrift der ihres Mannes. Sie war in jeder Weise seine Ergänzung und genau so gehorsam, wie er gebieterisch war. „Es gilt als ziemlich sicher“, sagt Crabb Robinson, „. dass sie an all seine Visionen glaubte.“ Er erfüllte ihren Horizont, und sie sah die Welt durch seine Augen. Laut Gilchrist
„. stand sie nachts auf, wenn er unter seinen bösen Eingebungen litt, die ihn scheinbar zerreißen wollten, [...] und die Sache schien derart schrecklich zu sein, dass sie still und reglos neben ihm saß: nur im Geiste bei ihm, ohne Hände oder Füße zu bewegen. Dies für Stunden, Nacht für Nacht.“
Tatham ist die Quelle folgender Beschreibung:
Während sie ihm bei der Arbeit zusah, saß sie vollkommen ruhig an seiner Seite, tat nichts und besänftigte seinen ungestümen Geist; es geschah viele Male, dass der starke Wunsch, jede Schwierigkeit in seinen Platten oder Zeichnungen zu überwinden, mitten in der Nacht aufkam, sodass er dann aufstand und sie bat, mit ihm aufzustehen und an seiner Seite zu sitzen, was sie bereitwillig hinnahm.
Zum Zeitpunkt ihrer Heirat war Blake vierundzwanzig und Catherine zwanzig Jahre alt, und wahrscheinlich, weil dies seinem Vater nicht gefiel, wohnten sie zuerst nicht bei dem
William Blake,
Illustration aus Die Töchter Albions, Druckgrafik 2, 1793. Reliefradierungen, aquarelliert.
Houghton Library, Harvard University, Cambridge, Massachusetts.
Ouu
smsaT? jnafiMuxt -V
J a/ ’ .T ui£& a ,'&i rr j«wW «CM ' x?J®rt* c4~j .'V£t'^.‘X»V
zlLjus' ar ftureanusiZ cpiu <. iVi£^ H/aa :v ^.■'mn,
cÄ-r"i oirf T^-.jU-iXcy ji.
William Blake,
Illustration aus Die Töchter Albions, Druckgrafik 7, 1793. Reliefradierungen, aquarelliert.
Houghton Library, Harvard University, Cambridge, Massachusetts.
William Blake,
Illustration aus Die Töchter Albions, Druckgrafik 11, 1793. Reliefradierungen, aquarelliert.
Houghton Library, Harvard University, Cambridge, Massachusetts.
Strumpfwarenhändler, sondern in der 23, Green Street in Leicester Fields. William Hogarth hatte ebenfalls in Leicester Fields, einem Künstlerviertel, gelebt, und die Blakes hatten Sir Joshua Reynolds als Nachbarn. Das junge Paar hatte einen sehr steinigen Pfad zu beschreiten, aber zum Glück für beide war Catherine eine jener verlässlichen, verständnisvollen und anpassungsfähigen Frauen, die ihre Ehemänner unterstützen, egal, an welche Arbeit diese ihr Herz verloren haben.
Tatham erzählt, dass sie eine gute Köchin und eine sorgsame Hausfrau war, die „... alle Arbeit allein verrichtete, das Haus sauber und in Ordnung hielt, obwohl sie das Drucken der zahlreichen Gravuren ihres Mannes übernahm, was für jede fleißige Frau eine ausreichend schwierige Aufgabe war.“ Außerdem musste Catherine ihre Ansichten und ihr Verhalten an das eines Mannes anpassen, eine außerordentliche Sache für Menschen jeden Alters und für sie eine komplett neue Erfahrung.
Man kann auch ohne die Anspielungen in den Gedichten der frühen Jahre seiner Ehe sicher sein, dass dies nicht die unbedeutendste anspruchsvolle Herausforderung für ihren Charakter war, die ohne Zweifel auch diejenige war, deren sich Blake zuerst am wenigsten bewusst war. Der Gegensatz zwischen den beiden wird in ihren Mimiken und ihrem Körperbau offenbar: sie war schlank, mütterlich, dunkeläugig; und er, in Swinburnes19 Zusamenfassung verschiedener zeitgenössischer Beschreibungen, ausgestattet mit „... der grenzenlosen Ungeduld eines großen Apostels oder Predigers“, mit der „... Leidenschaft, ängstlichen Vitalität eines großen Redners, mit dem Blick eines Menschen, der ohne zu zögern alle Dinge tun kann.“
Wie konnte eine Frau von Catherines ruhiger Art so werden, wie sie war, eine aufgeschlossene Gefährtin für solch einen Mann? Nun, die beiden waren nicht vollständig auf sich allein gestellt, denn der Bildhauer Flaxman wohnte nicht nur nahebei in der Wardour Street, sondern hatte auch viele Freunde und wollte Blake in diesen vornehmeren Kreis einführen. Flaxman war es auch, der die Blakes in den Zeichenraum des fertig gestellten BlueStocking mitnahm zum Ehepaar Reverend Henry Mathew, die am Rathbone Place lebten, und deren Haus oft von literarischen und künstlerischen Figuren frequentiert wurde.
Die Mathews waren ein freundliches, kultiviertes Paar, das huldvolle Zentrum einer kleinen, erlesenen Welt und bereit, zu jedem freundlich zu sein, der der Aufnahme würdig befunden wurde. Wie viele ihrer Art verwechselten sie Wohlwollen mit Verständnis und waren in ihren liberalen Ansichten strenger, als sie annahmen. Die helfende Hand, die sie auszustrecken bereit waren, ermutigte nicht wirklich zur Selbstständigkeit, und Menschen, die um ihre Gunst baten, mussten sich ihrem realen, wenn auch kaum sichtbaren Joch ihrer freundlichen Gönnerschaft unterwerfen. Sie müssen sehr stolz und erfreut gewesen sein, wenn sie auf das, was jeder von ihnen erreicht hatte, zurückblickten.
Mathew wurde nachgesagt, „... den Gottesdienst schöner gelesen zu haben als jeder andere Geistliche in London.“ Er hatte Flaxman als kleinen Jungen entdeckt, wie er hinter dem Ladentisch seines Vaters Latein lernte und ihm seine Hilfe angeboten. Mrs. Mathew wurde eine Freundin des Bildhauers und las ihm Homer vor, während er im Laufe dieser freiwilligen Lektionen an ihrer Seite auf dem Tisch Entwürfe zeichnete. Sie war in Griechisch und Latein sehr versiert und durchaus in der Lage, sich gegen solche bewanderten Damen wie Elizabeth Montagu20 und Carter21 zu behaupten.
Diese Gastgeberinnen hielten Konversationen in ihren Häusern und waren bedacht darauf, zu zeigen, dass Gelehrsamkeit ohne Respektlosigkeit betrieben werden kann. Sie waren die ersten, die dem Wunsch nach gleicher Bildung für ihr Geschlecht Ausdruck verliehen, und aus ihren dezenten Anfängen ist die unabhängige, moderne Frau erwachsen. Die Schwächen dieser Damen sind bekannter als ihre Unternehmungen, aber es gibt schlechtere Ambitionen als den Wunsch, eine Frau zu sein, die es mit Männern wie Horace Walpole22 aufnehmen konnten.
Mrs. Mathew bat Flaxman, ihr beim Umsetzen ihrer dekorativen Vorstellungen zu helfen, und das Ergebnis ihrer gemeinsamen Anstrengungen war die Umwandlung eines ihrer Räume in eine gotische Kammer. Das Gefühl für Gotik lag in der Luft, und Mrs. Mathew muss für Flaxman die einzige Person gewesen sein, die seinen Freund wahrscheinlich fördern und würdigen würde. Ein lebendiges Bild dieser Blue-Stocking-Treffen wird von Charles Gardner in seinem Band William Blake: the Man (William Blake: Der Mensch) wiedergegeben.
Blake wurde bei den Mathews’ bald willkommen geheißen, und nach Smith belebte er ihre Parties, indem er seine eigenen Verse vorlas und vorsang. Obwohl er keine musikalische Ausbildung hatte, trug er doch seine Lieder vor, die er nur nach Gehör wiedergab. Smith erklärt, dass diese Melodien manchmal „... einmalig schön“ waren, und dass sie sogar von Musikprofessoren für Musiker niedergeschrieben wurden, die ebenfalls zu den Mathews eingeladen wurden. Keine dieser Aufzeichnungen hat die Zeit überdauert, aber ihre Existenz belegt, dass Blake ein vollkommener Künstler gewesen sein muss, da er sang, seine Lieder in eigene Musik umsetzte und bald auch seine eigenen Bücher druckte, band und veröffentlichte.
Blake wurde in der Gesellschaft der Mathews zuerst als große Errungenschaft angesehen, aber ihre Einladungen müssen für Catherine Blake, die eher schlicht als weltgewandt war, ein zweifelhaftes Vergnügen gewesen sein. Das Gedicht Mary im Manuskript Pickering zeichnet vermutlich ein Bild ihrer Schwierigkeiten zu dieser Zeit, obgleich das Datum seines
William Blake,
Illustration aus Die Töchter Albions, Druckgrafik 10, 1793. Reliefradierungen, aquarelliert.
Houghton Library, Harvard University, Cambridge, Massachusetts.
William Blake,
Illustration aus Die Töchter Albions, Druckgrafik 9, 1793. Reliefradierungen, aquarelliert.
Houghton Library, Harvard University, Cambridge, Massachusetts.
Verfassens auf Vermutungen beruht. Sie muss schüchtern und unbeholfen gewesen sein, und es ist durchaus denkbar, dass sie von einigen der Gesellschaft brüskiert wurde.
Blake wird das Ausmaß ihrer Kränkung zu dieser Zeit nicht erkannt haben, aber wenn er ebenfalls von dieser freundlichen Welt zurückgestoßen wurde, kam er an eine Grenze, wo er seiner Wut freien Lauf ließ. Zuerst lief alles gut. Die Verse, die er vortrug, erregten Aufmerksamkeit, und Mrs. Mathew überredete erfolgreich ihren Mann, sich an dem großzügigen Angebot Flaxmans zu beteiligen, die Hälfte der Druckkosten für Blakes Gedichte zu übernehmen.
Auf diesem Weg wurden Blake die berühmten Poetical Sketches im Jahre 1783 überreicht. Sie waren weder gebunden noch veröffentlicht, und der Autor konnte frei über sie verfügen. Vermutlich zerstörten die Diskussionen, die Kritiken und die entschuldigende Anzeige ihren Geschmack für ihn. Blake nahm Kritik nie freundlich auf, und der Band enthält ein Kuriosum, wonach der Autor genauso viel Gleichgültigkeit zeigte wie die Welt. Auf alle Fälle wurden einige seiner Kompositionen gedruckt, und diese Erfahrung in Verbindung mit dem Entschluss, seine Arbeit ohne Hilfe zu präsentieren, ermutigte ihn, das Schreiben fortzusetzen. Beziehungen könnten über die Produktion der Poetical Sketches geknüpft worden sein.
Ein Jahr später, 1784, nach dem Tod seines Vaters, zog Blake wieder in die Broad Street, wo er sich mit der Hilfe von Mrs. Mathew als Druckverkäufer in einem Haus in direkter Nachbarschaft zu seinem Bruder James, der das Strumpfwarengeschäft weiterführte, selbstständig machte. Ein Mitauszubildender, James Parker, wurde Blakes Partner, der zu dieser Zeit Gravuren nach Stothard anfertigte. Seine erste Platte Zephyrus and Flora (Zephyrus und Flora) nach Stothard wurde 1784 von der Firma Parker & Blake herausgegeben. Zu den Blakes gesellte sich in ihrem neuen Haus Williams Lieblingsbruder Robert, der in dem Haus eine freiwillige Ausbildung absolvierte.
Ein Lieblingsverwandter - oder auch ein Freund - trägt nicht immer zur Harmonie eines Ehepaares bei, und Catherine Blake erscheint wieder in einer Anekdote, die diese Zeit betrifft. Eines Tages, im Verlauf einer Auseinandersetzung mit Robert, der Blake in gespannter Stille zuhörte, gebrauchte Catherine Blake Worte, die für ihren Mann nicht zu rechtfertigen waren. Er platzte in die Diskussion und schrie: „Geh’ auf die Knie und bitte Robert um Verzeihung oder du siehst mich nie mehr wieder!“ Catherine Blake erklärte danach, dass es schwer für sie gewesen sei, sich bei ihrem Schwager zu entschuldigen, da sie im Recht war. Weil sie jedoch die Impulsivität ihres Mannes fürchtete, kniete sie nieder und sagte: „Robert, ich bitte dich um Verzeihung. Ich bin im Unrecht.“ „Junge Frau, du lügst“, erwiderte Robert, „ich bin im Unrecht.“ Nach diesem Vorfall gibt es keine Anzeichen dafür, dass sie keine guten Freunde gewesen wären.
Möglicherweise war dies nicht der einzige Anlass, zu dem sich Catherine Blake einem häuslichen Sturm beugen musste. Aus Gedichten wie Broken Love (Zerbrochene Liebe) schloss Mr. Ellis, dass Blakes jähzornige Natur die Bescheidenheit seiner Frau zuerst geschockt haben muss, und dass das Zurückweichen, auf das er traf, ihn dazu verleitete, das ‘patriarchalische Recht’ zu beanspruchen, sich eine Mätresse ins Haus zu holen. Ein Gedicht wie William Bond muss tatsächlich auf einer solchen Grundlage entstanden sein. Mr. Ellis’ Interpretation ist, psychologisch gesehen, möglich. Blakes Kritik an der priesterlichen Ansicht über Liebe und Sittsamkeit bestärken dies, aber was sich nun genau dort abgespielt hat, bleibt genauso unklar wie alle anderen privaten Geschichten, die deswegen die Welt mit ein wenig Nachsicht für die Unzulänglichkeiten zurücklassen, von denen jeder, wenn auch nur vage, Kenntnis besaß. Catherine Blake ging durch eine schwierige Zeit, und es ist möglich, dass sie wegen einigen dieser Krisen, wie sie in William Bond beschrieben sind, keine Kinder hatte.
Blake ging 1785 im Rahmen einer Ausstellung in der Royal Academy wieder mit vier Aquarellen an die Öffentlichkeit und, da er nun merkte, dass er seinen eigenen Weg zu finden schien, stellte er die Besuche bei den Mathews ein, deren Gesellschaft ihn ebenfalls immer mehr verärgerte. Seine Gastgeber und einige ihrer Freunde beschwerten sich über sein „... unbeugsames Verhalten“ oder, wie seine Anhänger es nannten, seine „... männliche Standfestigkeit, was seine Meinungen betraf“. Aus der sicheren Distanz einer Jahrhunderts wurden harte Worte über Blakes Gönner geredet; selbst Butts schwankte zum Schluss, aber Blake war kein Mann, dem leicht zu helfen war, und die Arbeit eines Gönners ist sprichwörtlich anstrengend.
Die Welt sympathisiert nicht mit dem Künstler, aber der Künstler selbst erwartet, da geduldig zu sein, wo seine Gönner betroffen sind. Blakes Verärgerung über die freundliche Welt, die er betreten hatte, spiegelt sich in dem ordinären Werk An Island in the Moon (Eine Insel im Mond) wieder. Es ist vermutlich 1784 geschrieben worden und ist das erste und längste seiner bizarren Ausbrüche. Unvollendet und nicht zu vollenden, hat es die Inkonsequenz von Sterne23, jedoch ohne dessen Humor.
Mit Ausnahme der Aufzeichnungen von Blakes mentalen Reizungen zu dieser Zeit ist lediglich interessant, dass auf diesen Seiten der erste Entwurf der Songs of Innocence enthalten ist. Eine Passage deutet auf illuminierten Druck hin, eine Art, Bücher zu produzieren, über die Blake zu dieser Zeit nachdachte. Durch die Krankheit seines Bruders Robert, den er während dessen letzten beiden Wochen Tag und Nacht pflegte, bis er schließlich 1787 an seiner Krankheit starb, zog Blake sich immer mehr in sich zurück. Als Robert seinen letzten Atemzug getan hatte, sah Blake seine Seele gen Himmel fahren und „. klatschte vor Freude in die Hände“,
William Blake,
Illustration aus Die Töchter Albions, Druckgrafik 4, 1793. Reliefradierungen, aquarelliert.
Houghton Library, Harvard University, Cambridge, Massachusetts.
William Blake,
Illustration aus Amerika, eine Prophezeiung, Druckgrafik 2, 1793. Reliefradierungen mit Lavierung, 23,2 x 16,6 cm. The British Museum, London.
PR, 0 PHEC'R
LAMBETH
T'Väaam, ut
wonach er sich, von körperlicher Erschöpfung überwältigt, ins Bett legte und drei Tage und Nächte ohne Unterbrechung schlief. Diese Krise hinterließ natürlich Spuren in seinem Geist. Hinsichtlich des künstlerischen Projektes, das er vor Augen hatte, erklärte Blake, dass sein Bruder ihm in einer Vision erschienen sei und ihn bei der Fertigstellung des Entwurfs angeleitet habe.
Alle Ideen, die Blake hatte, wurden in Bilder verwandelt, jedes Ereignis wurde zu einem Drama, und wenn wir ihm zuhören oder über seine Anekdoten, in denen er der Held war, nachdenken, studieren wir die Arbeit der menschlichen Vorstellungskraft selbst. Dies ist es, was kritische Kommentare irrelevant macht, da die Lebendigkeit seiner Eindrücke die Qualität dessen ausmacht, wofür er beispiellos war. Seine Erfahrungen mit der gleichen Stärke bewerten zu wollen, mit der sie übertragen wurden, würde bedeuten, die Qualität seines Genies zu verkennen.
Dem Tod von Robert folgte eine Meinungsverschiedenheit mit Parker, und als die Partnerschaft aufgelöst war, gab Blake sein Haus und sein Geschäft in der Broad Street auf und zog in die 28 Poland Street, wo er die nächsten fünf Jahre blieb. Von hier aus gab er zwei Jahre nach dem Tod seines Bruders die Songs of Innocence heraus, seine erste Probe eines illuminierten Druckes. Wie alle Bücher Blakes, mit Ausnahme der früheren Poetical Sketches, kann dieses Werk in all seiner Schönheit am besten beurteilt werden, wenn man es in der Originalform liest, so wie es von seiner Hand und aus der Druckerpresse kam. Da dies nur für die Besucher von Museumsbibliotheken möglich ist, muss die Methode ausdrücklich beschrieben werden. In den Worten John Sampsons:
Der Text und das umgebende Design wurden rückwärts auf einen gegen Säure unempfindlichen Träger geschrieben (eine extrem mühsame Methode), auf kleine Kupferplatten von ca. 5 x 3“, die dann in einem Bad aus Scheidewasser (Salpetersäure) geätzt wurden, bis die Arbeit im Reliefdruck wie in einer Schablone stand. Von diesen Platten, die aus wirtschaftlichen Gründen in vielen Fällen beidseitig graviert wurden, wurden die Abdrücke in üblicher Weise in leichten Farbtönen gedruckt, um mit dem Farbschema zu harmonisieren, das der Künstler danach anwendete.
Text und Abbildungen sind demzufolge zu einem harmonischen Ganzen verwoben, dabei kann die Farbe verändert werden, so dass zwei Kopien nie exakt gleich aussehen. Der Einsatz einer Presse unterscheidet die von illuminierten Satzvorlagen hergestellten Bücher; das Rückwärtsätzen zusammen mit der Presse machte die neue Methode aber deutlich
William Blake,
Illustration aus Amerika, eine Prophezeiung, Druckgrafik 10, 1793. Reliefradierungen.
The British Museum, London.
William Blake,
Illustration aus Amerika, eine Prophezeiung, Druckgrafik 12, 1793. Reliefradierungen mit Lavierung, 23,5 x 17 cm. The British Museum, London.
arbeitsintensiver als die alte. Die Konsequenz war, das Blake in der von ihm erfundenen Kunstform keinen Nachahmer fand, und seine Originale nicht ohne große Kosten und Schwierigkeiten kopiert werden können. Nur diejenigen, die seine Originale mit den gedruckten Seiten, die seine Gedichte gewöhnlich enthalten, vergleichen, sind sich in vollem Umfang des Verlustes durch seine Schriften bewusst.
Die mit Farbe und Leben durchdrungenen Schriften wollen natürlich auch mehr mit dem Auge als mit dem Verstand gelesen werden. Blake übernahm die Methode offenbar sowohl wegen seiner Vorliebe als auch aus künstlerischen Gründen und weil seine Hand kein Wort schreiben konnte ohne Entwürfe auf das Papier zu zeichnen. Die gedruckten Blätter der Poetical Sketches schien für ihn zweifellos der Tod der Form zu sein, und obwohl er Texte und Redewendungen benutzte, um seine späteren Entwürfe zu dekorieren, ist es bezeichnend, dass er kaum etwas schrieb, ohne zu gravieren. Er stand dem rein intellektuellen Gefallen stets gleichgültig gegenüber, und seine Schriften laden eher zur künstlerischen als zur intellektuellen Kritik ein.
Ein notwendiger Effekt von Blakes illuminierten Drucken bestand darin, die Zahl seiner Leser zu vergrößern, und zwar in der Art und Weise eines Künstlers, der keine Bücher, sondern Bilder ausstellt. Blake malte oft in Worten und sollte eher als Künstler denn als Schriftsteller beurteilt werden. Sampson hielt es für unwahrscheinlich, dass der gesamte Eindruck der von Blake herausgegebenen Songs jene zweiundzwanzig beschriebenen überstieg. Es überrascht deswegen schon sehr, dass Blakes Schriften so wenig bekannt waren.
Von seiner Erfindung in Anspruch genommen, gab Blake eines Tages eine Ankündigung von Lambeth, dem Erzbischof von Canterbury, heraus, in der er seine Methode verteidigte und die Songs of Innocence und die Songs of Experience pro Stück für fünf Schillinge anbot. Er schrieb 1793: „Wenn eine Methode, die den Maler und den Dichter miteinander kombiniert, ein Phänomen ist, das der öffentlichen Aufmerksamkeit wert erscheint, vorausgesetzt, es überschreitet in seiner Eleganz alle früheren Methoden, dann kann der Autor sich seiner Belohnung sicher sein.“
Wie Symons sagte
... Hätte es Blake nicht an technischem Wissen in der Musik gefehlt, so wäre er in der Lage gewesen, seine Erfindungen in dieser Kunst genauso niederzuschreiben, um uns so etwas wie eine universelle Kunst zu hinterlassen. Eine universelle Kunst, die er während seines Lebens schuf; denn er sang seine Lieder zu seiner eigenen Musik; und folglich war er während seines Lebens die komplette Realisierung des Dichters in all seinen Fähigkeiten und die einzige jemals bekannte komplette Realisierung.
'yf'Zrr f' m», <j. äs’ tfy rett deep t/ireiier rvlLi
tfrjtzr buxu# äp'tttF aT(Ire
rfszjfitn« rieitZ
William Blake,
Illustration aus Amerika, eine Prophezeiung, Druckgrafik 13, 1793. Reliefradierungen mit Lavierung, 23,6 x 175 cm. The British Museum, London.
William Blake, Illustration aus Amerika, eine Prophezeiung, Druckgrafik 14, 1793. Reliefradierungen mit Lavierung.
The British Museum, London.
Si?
Was bleibt noch ungesagt über die Songs of Innocence, das nicht schon andere Dichter darüber gesagt haben? Es ist erst wenig Zeit vergangen, seit sich ausschließlich Männer von Genie mit Blake befassten - sie waren es, die ihn würdigten, als es außer ihnen noch niemand tat, und heute gibt es wohl kaum einen Lyrik-Belesenen, der nicht auch seine erlesensten Verswerke kennt. Der Junge, der die Poetical Sketches (Poetische Skizzen) schrieb, war ein frühreifer Künstler. Und die Vorstellungskraft des Mannes, der die Songs of Innocence schrieb, schaffte es nie, über die Simplizität des Jungen hinauszuwachsen. Blake hätte auch ein für andere Kinder schreibendes talentiertes Wunderkind sein können, denn diese Lieder sind von Kindern und Erwachsenen gleichermaßen geliebte Kinderlieder von purer Poesie.
Die diesem Werk zugeschriebenen Inspirationsquellen, wie etwa die Divine and Moral Songsfor Children (Religiöse und moralische Lieder für Kinder) von Dr. Watts24, heben nur die transformative Kraft durch Blakes Feder hervor. Der wahre Grund für die Suche nach Ursprüngen ist jedoch die Blake innewohnende außergewöhnlich starke Versuchung, noch größeres zu leisten. Später sollte er, sehr zu dessen Ärger, selbst Hayley in der Kunst der Höflichkeitsbriefe übertreffen. So ist es ein seltsamer Widerspruch, wenn die Lieder, die wie der Inbegriff der Poesie direkt der Muse entströmt zu sein scheinen, rein zufälligen Ursprungs sein sollten. Es ist zwar möglich, dass der Titel durch eine zufällige Erinnerung inspiriert war, doch mit Blick auf das Verswerk der Poetical Sketches ist es absurd und kurzsichtig, es einem anderen Ursprung zuzuordnen als dem Autoren des Frühwerks.
Blake hatte bereits gezeigt, dass er den elisabethanischen Lyrikern ebenbürtig war und die Natur zum Geist der Erde selbst zu transformieren vermochte, und in allem, was er tat, war die Imagination sein wichtigstes und charakteristisches Thema. In diesen Liedern besingt Blake weder die Liebe noch die Natur, weder die Religion noch die Betrübnis, sondern die Imagination, die sich, um sich mitzuteilen, in solchen Erlebnissen und ganz besonders in Kindergesichtern widerspiegelt.
Der Hirte, das Kind, das Lamm, die Wiege und das Lachen spielender Kinder sind Scheingründe für eine Melodie, die so zart, fröhlich, besänftigend und unverbraucht ist wie jene, denen sie entsprungen ist. Erstmals in der Geschichte der Kinderreime bekommt man das Gefühl, dass die Erwachsenen zuhören und dass es das Kind ist, das seiner Mutter von Gott und von dem Lamm erzählt. Wie er die Schlichtheit der Gefühle vermittelt und jede Verlogenheit verbietet, ist einfach wunderbar. Unübertroffen bleibt Infant Joy (Kindes Freude):
„Ich bin ohne Namen:
Ich bin erst seit zwei Tagen.“
Wie soll ich dich rufen?
„Ich bin glücklich, Freude ist mein Name.”
Süße Freude soll dir werden!
The Lamb (Das Lamm), der Laughing Song (Lied vom Lachen), die beinahe monosyllabischen Zeilen in To Spring (An den Frühling), die wie dem Kinde in der Wiege entlockt scheinen, der wunderbare Nurse’s Song (Des Kindermädchens Lied), in dem das Kindermädchen einen Moment lang selbst zum ältesten ihrer Schützlinge wird und der verspielte Ton in natürlichem Gesang zu erklingen scheint, sind ganz und gar kindlich. Jedoch gibt es auch andere Lieder, in denen der Dichter seine eigene Hand durchscheinen ließ, etwa in The Divine Image (Das Göttliche Abbild) und in den bewegenden Strophen von To Night (An die Nacht), das Swinburne für ein Werk von „... elegantester Erbaulichkeit“ hielt.
Manche Gedichte erzählen Geschichten, andere erzählen von Religion, aber stets erklären sie leicht verständlich die Gefühle eines Kindes über Schmerz und Betrübnis. Diese Verse sind von solch raffinierter Vollendung, dass es uns kaum möglich ist, mit Sicherheit zu sagen, ob es die Gedanken der Mutter oder gar ihres Kindes sind. Tatsächlich ist all den Menschen eine zweite Kindheit vergönnt, die eigene Kinder haben und mit ihnen tief verbunden sind.
Vielleicht konnte nur ein Dichter wie Blake, der schöngeistige Literatur nur mit den Augen eines Kindes gelesen hatte, solche Verse schreiben. Ihnen zugrunde liegt ein naives Herz, das sich in den Werken Shakespeares nicht findet. Einige muten an wie Kinderhymnen, in denen Gott als liebender Vater erscheint und Frieden, Liebe, Mitgefühl und Barmherzigkeit, - die kindlichen Tugenden in ihrem Ideal - zu den Charakterzügen des „göttlichen Abbilds“ Gottes werden. Die bisweilen auftauchende Moral, wie etwa am Schluss von The Chimney Sweeper (Der kleine Schornsteinfeger), wird durch die Poesie zu einer fabelhaften Plattitüde über die Welt, die in dieser Form als Schullektüre im Klassenzimmer benutzt werden kann.
Damit vervollständigte Blake die Atmosphäre der Kinderreime. Der Leser beachte ebenfalls, dass das Schaf, der Hirte, die Wiege und die übrigen Figuren allesamt der Symbolwelt der Kinderreime entstammen, wodurch es Blake möglich war, von dem Lamm überzuleiten zu Er, dem dein Name entsprang, ohne dabei seinen Ton zu verändern.
Die Emotionen, die von dieser Poesie hervorgerufen werden, sind instinktiv und für Mensch und Tier beinahe gleichermaßen charakteristisch. Sie zelebriert gar das Leben, die Bewegungen und die Gefühle aller Kinder, und sie tut dies mit der scheinbaren Kunstlosigkeit eines rufenden Schafes, eines schreienden Vogels oder eines erstaunt oder freudig quietschenden Kindes. Mit der Wiederentdeckung dieser Elemente scheint die Poesie ihre eigene Kindheit wieder zu entdecken, in der - mit der Ausnahme von
Emotionen - die Sprache beinahe so frei von implizierten Bedeutungen ist wie das Gebrabbel eines Kindes.
In den Songs of Experience, dem Begleitband von 1794, finden sich dafür sowohl implizierte Bedeutung als auch Beobachtungen, sogar des gesellschaftlichen Lebens. Diese von der Stimmung her dunkleren Lieder schlagen, wie auch die oft Ideas of Good and Evil (Vorstellungen von Gut und Böse) genannte Sammlung oder auch Rossetti MS, eine sinnvolle Brücke zwischen der schlichten lyrischen Poesie, mit der Blake begann, und den ihnen später folgenden komplexen Prophezeiungen.
Der Schauplatz wechselt tendenziell von der Kinderstube zum Klassenzimmer, vom Grünen zur Kirche, von der freien Natur zur Stadt. Vom Fühlen gehen wir über zur Beobachtung, und die Gedichte, die sich mit der Liebe befassen, offenbaren deren Fallgruben. In den Zeilen dieser Gedichte kommen Eifersucht und Vorschriften persönlicher oder kirchlicher Natur zum Ausdruck. Edwin John Ellis rekonstruierte eine Situation, die allen mit Interesse am erotischen Aspekt die Anspielungen in Blakes Leben erklären würde. Wir denken dabei natürlich sogleich an das berühmte Gedicht Tiger (Der Tiger), und dank John Sampson ist es uns möglich, jedes Element in seiner schrittweisen Komposition nachzuvollziehen.
Die Anzahl der vorgenommenen Nachbearbeitungen zeigt, welche Sorgfalt und Genauigkeit Blake der Form seiner Gedichte zukommen ließ, eine Sorgfalt und Genauigkeit, die er, wie er selbst behauptete, in späteren Jahren auch auf seine prophetischen Werke verwendet hat, in denen das Zeilenende tatsächlich jeweils von den Ausschmückungen und Ausgestaltungen der übrigen
Johann Heinrich Füssli, Prometheus, 1770-1771.
Bleistift, Feder, Tinte und Tuschelavierung, 15 x 22 cm.
Öffentliche Kunstsammlung, Kupferstichkabinett, Basel.
William Blake,
Illustration aus Amerika, eine Prophezeiung, Druckgrafik 8, 1793. Reliefradierungen mit Lavierung, 23,2 x 16,6 cm. The British Museum, London.
fejt
hdt 'T
-"IBI
Johann Heinrich Füssli, Der Rütlischwur, 1779.
Bleistift, Tinte und Tuschelavierung, 41,4 x 34,5 cm. Kunsthaus, Zürich.
William Blake,
Satan weckt die rebellischen Engel, 1808. Aquarell, 51,8 x 31,2 cm.
Victoria & Albert Museum, London.
Zeilen abhängig ist. In seinem eigenen Werk war die Poesie lediglich Mittel zum Zweck der Ausschmückung, der sie sich beugen musste, und es besteht kein Zweifel, dass die äußere Form sein vorderstes Anliegen war.
Der erste Rausch des bewussten Lebens wird durch das wachsende Bewusstsein um Gut und Böse verkompliziert, und die Versmelodie schultert diese Last, ohne ihre Beweggründe darzulegen. Zeilen wie
Ah, sun-flower! weary of time, Who countest the steps of the sun.
Ach, Sonnenblume! Müde der Zeit, Die du der Sonne Schritte bemisst.
singen die Melodie eines schweren Herzens auf dieselbe Art, in der die Zeilen des Kindes die Melodie der Freude sangen. Er beobachtete seine von gefühlsfreiem Verstand und freudlosen Erinnerungen in Fesseln gelegten Mitmenschen und fragt sich:
How can the bird that is born for joy
Sit in a cage and sing?
Wie kann der Vogel, der zur Freud geboren, Gefangen in einem Käfig singen?
Und er findet seine Antwort nicht in den Umständen, in denen sich der Mensch befindet, sondern im Menschen selbst:
In every cry of every man,
In every infant’s cry of fear,
In every voice, in every ban, The mind-forg’d manacles I hear.
In jedem Klagen jedes Menschen,
In jedes Kindes fürchtend’ Klagen,
In jeder Stimme, jeder Untersagung,
Seh’ ich die Seel’ ihre selbst erschaffenen Fesseln tragen.“
Alle Formen äußerlicher Gewalt und Kontrolle sah Blake als Feind der Vorstellungskraft an, und seine Ansicht ist insofern gerechtfertigt, als die Weisungen der Weisheit kaum etwas zu bewirken vermögen, wenn wir sie nicht durch eigene Erfahrungen begründen. Alles andere ist Moral, die, solange sie repressiv und von außen wirkt, stets von Hinterlist und verborgen gehaltenen Befriedigungen begleitet wird. Erreicht der Mensch das Alter der Erfahrung, „... muss die Inspiration handeln, wo es einst die Unschuld tat“, wie Swinburne es so elegant ausdrückte, und die Introduction (Einleitung) zu seinen Songs of Experience demonstriert uns, dass die Unschuld wiederherstellen kann, wer nur The Voice of the Bard, (Der Stimme des Barden) lauscht. Es ist die von Blake in seinem Werk hervorgebrachte Inspiration -und nicht etwa die spezifische Anweisung, die er manchmal zur Formulierung seines Aufrufs heranzog - von der wir uns leiten lassen sollten. Der geliebte Jünger ist nicht, wer in blinder Ergebenheit den Meister nachahmt, sondern wer, beseelt durch das Beispiel seines Meisters, beflügelt ist, die eigenen ihm gegebenen Talente ganz auszuschöpfen und seinem eigenen Verstand zu folgen.
Der vollkommenste Teil der zweiten Liedergruppe offenbart uns rudimentäre, in der Melodie der Zeilen aufgelöste Gedanken, und es ist der wundersame Zauber dieser Melodie, der uns dazu anhält, unseren eigenen Verstand zu bemühen, den wir als Vermächtnis dieser Poesie in uns behalten sollten. Ihre intellektuelle Faszination liegt darin, dass sie ihre Bedeutung eher andeuten als aussprechen. Hier wird der Verstand, umhüllt von Dunkelheit, zu einem Objekt von Schönheit und, wie Fledermäuse, die bei Anbruch der Dunkelheit erwachen, ermöglicht diese Dunkelheit auch den Lesern, bei ihren Flügen vom vorgezeichneten Weg abzuweichen und zu taumeln. Blake liebte es, seine Gefühle in eine intellektuelle Form zu bringen, doch wahre Größe erreichte er in seinen Werken erst, wenn er seiner Imagination freien Lauf ließ, etwa in Zeilen wie:
When the stars threw down their spears
Als die Sterne ihre Speere in der Ferne versenkten
And water’d Heaven with their tears.
Und den Himmel mit ihren Tränen tränkten
The lost traveller’s dream under the hill.
Des verirrten Wanderers Träume unter dem Berge.
Nor is it possible to thought
Auch sprengt es die Kraft des Gedanken,
A greater than itself to know.
Zu denken, er könnt’ nicht selbst der größte sein.
oder in diesen wunderbaren Zeilen:
For a tear is an intellectual thing,
And a sigh is the sword of an angel king,
And the bitter groan of a martyr’s woe Is an arrow from the Almighty’s bow.
Denn eine Träne ist ein Kind des Verstandes,
Und ein Seufzen das Schwert am Engelkönigsgewande.
Und das bitt’re Stöhnen des Märtyrerleidens
Ein Pfeil aus Gottes Bogenscheide.
Alle Gefühle Blakes und viele seiner Bilder waren für ihn „Kinder des Verstandes“, doch dem Leser, der diesem Dichter gerecht werden möchte, offenbart sich das wahre Wesen der Werke Blakes in seiner Poesie, nicht etwa in deren undurchsichtigen Erscheinungsformen. Darin liegt die Lebenskraft, auf der sich Blakes Überzeugung gründete, und
William Blake,
Illustration aus Das erste Buch Urizen, Druckgrafik 1, Titelbild, 1794.
Farbige Reliefradierung, handbemalt, 14,7 x 10,2 cm.
The British Museum, London.
dieser Wesensgehalt ließ sich in der Poesie nur dann trennen und besingen, wenn er nicht an genau jene Einschränkungen und Definitionen gebunden war, die einheitlicher und verständlicher sind als er selbst.
Blakes Art, eine Lebenskraft intellektuell zu verteidigen, die sich selbst verteidigen kann, war irreführend für jene weniger LyrikBelesenen, die gern vergessen, in welcher Beziehung er zu der Zeit stand, in der er lebte, und dass er gegen die Einnistung einer zu stark intellektualisierten Kultur protestierte. Insbesondere war er ein Gegner von Vorschriften, und wer nur im Entferntesten jegliche Art von Logik auf seine Lyrik oder die schon bald daraus erblühende lyrische Prosa anzuwenden versucht, verwechselt seine Methoden mit seinem Genie.
Blake, ganz von seiner eigenen Inspiration geleitet, wuchs oder verzweifelte an ihr, und ab und an finden sich auch durchaus ausdruckslose Zeilen. Obgleich ihre Erwähnung dem Dichter nicht recht täte, sollte der Leser sich ihnen nicht verschließen, denn sie sind eine Hinführung zur Lektüre der fast wörtlich wiedergegebenen Revisionen des Tiger, das einzige existierende Beispiel für Blakes unermüdliche Überarbeitungen seiner Verse. Die reichen Früchte, die diese Mühen trugen, und die Tatsache, dass Blake bis an sein Lebensende sogar Selbstkritik nicht tolerieren konnte, zeigt, wie sehr sein Geist und seine Arbeit darunter litten, in ständiger Auflehnung zu leben.
Blakes Ideenquell waren die Kosmogonie Swedenborgs und die Skulpturen der Westminster Abbey, aus der er seine Vorstellungen der Vorväter und der Helden der menschlichen Geschichte bezog und formte. Dies verdient unseren Respekt wegen des dazu erforderlichen Mutes im Angesicht der weltlichen Aspekte, die damit Hand in Hand gingen, und es macht Blakes Zuhause zu einem Zufluchtsort für all jene, deren Talente und Begabungen von der Welt unerwünscht sind. Die folgenden Zeilen könnten gut an jedem beliebigen Tag seines langen Lebens geschrieben worden sein, und da es für Mut keinen besseren Beleg gibt als Frohsinn, ist der Mut Blakes, der sich in diesen Zeilen zeigt, hier ganz besonders bewegend:
For everything besides I have;
It is only for riches that I can crave.
I have mental joy, and mental health,
And mental friends, and mental wealth;
I’ve a wife I love, and that loves me;
I’ve all but riches bodily.
So, as a church is known by its steeple, If I pray it must be for other people.
William Blake,
Illustration aus Das erste Buch Urizen, Druckgrafik 6, 1794. Farbige Reliefradierung, handbemalt, 14,8 x 10,4 cm. The British Museum, London.
William Blake,
Illustration aus Das erste Buch Urizen, Druckgrafik 5, 1794. Farbige Reliefradierung, handbemalt, 14,1 x 11,8 cm. The British Museum, London.
‘Aj’ th»
A
■r *z *.-?<?«
•- «•» ^4.4 j j j j,
w fAiJCZU^ J’f/äy /c .. svw
Denn anderen Mangel kenne ich keinen,
Nur weltliche Reichtümer sind nicht die meinen.
Ich hab’ seelisches Heil und seelischen Genuss,
Seelische Freunde und seelischen Überfluss;
Ein Weib, das mich liebt und das auch ich liebe, Nur weltlicher Reichtum wär, was noch verbliebe.
Wie also eine Kirche am Turme erkannt wird,
Bet’ ich, dass anderen dies’ Glück auch vergönnt wird.
Hier zeigt sich Blake erneut als Meister des kunstvollen Umgangs mit Gedanken, der freudig eine intellektuelle Folgerung an einen Zustand des Gemüts, oder vielmehr: des Herzens, knüpft, das diese nicht nötig hat. Seine weltentrückte Anschauung ist nicht allein das Privileg des Poeten und Mystikers, sondern entstammt auch einer Kindheit, die er umgeben von der unirdischen Wirklichkeit und den Gräbern einer altgotischen Kirche verbrachte.
In demselben Maße, in dem seine Schriftwerke, mit Ausnahme der herrlichen Seitengestaltung, zu übertrieben analysiert werden, was für ihn selbst einen wesentlichen Anteil ihrer Schönheit ausmachte, werden auch seine Werke und seine geistige Begabung übermäßig untersucht, etwa so, als ob es keine ungewöhnlichen Einflüsse gegeben hätte, die ihn geformt hätten, oder als ob alle Jungen im beeinflussbaren Alter allein zwischen gotischen Grabmälern aufgewachsen wären. Es wird notwendig, einige seiner Aphorismen auf ihn selbst zu beziehen. Eine Lieblingsstelle aus seinen Gnomic Verses (Gnomendichtung):
Abstinence sows sand all over
The ruddy limbs and flaming hair,
But Desire gratified
Plants fruits of life and beauty there.
Die Enthaltung streut Sand
Über rot glühende Schenkel und wallendes Haar,
Doch erhörtes Verlangen
Pflanzt Früchte des Lebens und der Schönheit, wo ehedem nur Sand war.
Nicht nur sollten diese Zeilen den Leser mit Glück beseelen, sondern uns außerdem an all die Entbehrungen in Blakes Leben erinnern: Verzichte, die - teils erzwungen, teils mit Stolz selbst auferlegt - sogar seinen lyrischen Scharfsinn immer und immer wieder trübten, erstickten. In der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts schien die Freiheit selbst bezwungen, doch waren es ihre glühendsten Verteidiger, die, auch wenn sie es nicht immer zugeben wollten, als erste erkannten, dass Freiheit nur eine andere Bezeichnung für Verantwortung ist und dass sie ebenso oft von innen heraus freiwillig geprüft werden muss wie durch die äußeren Zwänge, über die sie sich hinwegsetzt. Blake war seiner Zeit weit voraus, doch dringt die Stimme seiner Zeit deutlich in seiner fordernden Lyrik hervor.
Ebenso bemerkenswert ist jedoch auch das Mitgefühl in beiden. Die Lieder über die traurigen Schattenseiten Londons mögen zwar teilweise durch einen Vortrag, den Blake bei einem Besuch bei den Mathews hörte, inspiriert worden sein, doch es gibt selbst in Blakes Werk keine ergreifenderen und prägnanteren Zeilen als diese:
Seek love in the pity of others’ woe,
In the gentle relief of another’s care;
In the darkness of night and the winter’s snow,
In the naked and outcast, seek Love there.
Such die Liebe im Erbarmen eines anderen Wehs,
In der lindernden Güte eines anderen Sorge;
Im Dunkel der Nacht und in des Winters Schnee,
Im Reich der Nackten und Vertrieb’nen, dort liegt die Liebe verborgen.
Sie scheinen der christlichen Nächstenliebe selbst entsprungen zu sein; das heitere Wesen der Güte, die spontane Natur der Freude sind in einem wunderbaren Leitspruch perfekt wiedergegeben:
He who bends to himself a Joy
Does the winged life destroy;
But he who kisses the Joy as it flies
Lives in Eternity’s sunrise.
Wer die Freude an sich bindet
Zerstört das beschwingte Leben;
Doch wer die Freude küsst im Fluge
Lebt im Sonnenstrahl der Ewigkeit.
Glückliche Menschen leben ganz dem Moment hingegeben -wer von uns erinnert sich nicht mit seliger Freude an seine Jugendzeit? Blake sollte dieser Spontaneität später göttliche Preisung zusprechen, als er erklärte: „Jesus ließ sich in seinen Handlungen von seinem Impuls leiten, nicht von Vorschriften.“ Darin liegt die Kunst des Jungbleibens; und wenn wir diese nicht zu einer Gewohnheit kultivieren, gehen wir geradewegs auf ein Leben zu, das keine Erinnerungen ohne Bedauern für uns bereithält.
Bedauerlicherweise gibt es auch schlechte Impulse, denen nachzugehen zwar Befriedigung, aber keine freudige Erfüllung verspricht, und, wie wir alle, sah auch Blake die Welt als Spiegelbild seiner selbst und glaubte, dass jeder andere von Geburt aus ebenso gut sei wie er selbst. In Gedichten, wie etwa dem oben zitierten, wendet er sich appellierend an einen aktiven Instinkt, der so tief in uns verwurzelt ist wie unsere Empfänglichkeit für alles Schöne. So schildern diese
William Blake,
Illustration aus dem Präludium für das erste Buch Urizen, Druckgrafik 2, 1794. Farbige Reliefradierung, von Hand aquarelliert, 16,9 x 10,4 cm. The British Museum, London.
zauberhaften Zeilen des Gedichts To Morning die Freude, in freier Natur zu sein:
To find the Western path,
Right thro’ the Gates of Wrath
I urge my way;
Sweet Mercy leads me on
With soft repentant moan:
I see the break of day.
The war of swords and spears,
Melted by dewy tears,
Exhales on high;
The sun is freed from fears, And with soft grateful tears Ascends the sky.
Den westlichen Pfad zu finden
Die Pforten des Zornes passierend
Schreit’ ich voran;
Die Gnade führt mich gütig auf meinem Wege
Mit leisem bedauerndem Seufzen:
Vor mir liegt der Tagesanbruch.
Der Krieg der Schwerter und Speere,
Zerronnen in taubenetzten Tränen
Schöpft nun friedlich Atem in luftiger Höh’
Die Sonne ist all ihrer Ängste entbunden
Und mit leisen dankerfüllten Tränen
Steigt sie nun den Himmel empor.
Welch lichterfüllte, nebelverhangene, wolkenverhüllte Landschaft verbirgt sich doch hinter diesem Gedankenbild einer aller Ängste entbundenen Sonne! Es könnte wohl kaum ein typischeres Beispiel für die Geistesalchemie Blakes geben. Ich selbst gebe mich mit solcher Perfektion zufrieden, denn nach langem, eingehendem Studium der verschiedenen Interpretationen dieser zweifellos schwierigen Lyrik bin ich davon überzeugt, dass vernunftgeleitete Interpretationen allein nicht ausreichen und alle Interpretationsversuche geradezu stumpfsinnig und weit undurchsichtiger sind als die Gedichte selbst.
Der von außergewöhnlicher Lyrik beseelte Gedanke eines Dichters kann nicht neu beleuchtet werden, denn dies ist viel mehr eine poetische als eine intellektuelle Gabe. Alles, was Blake in seinen Werken ausdrückt, brachte er stets mit der gleichen lebendigen Anschaulichkeit zum Ausdruck, und die stetig ins Unübersichtliche steigende Ansammlung von Kommentaren droht die lyrische Schönheit zu ersticken, die Blake zu Recht in den Rang eines der größten englischen Lyriker heben.
Erst mit dem sehr viel später, vermutlich um 1810, entstandenen Everlasting Gospel (Das ewige Evangelium) ging Blakes Mystizismus eine fast untrennbare Einheit mit seiner Verskunst ein, und bei der Betrachtung dieses Werkes im Anschluss an seine frühen Gedichte darf man keinesfalls die Einflüsse ignorieren, denen er sich in der Zeit zwischen diesen beiden Phasen ganz und gar aussetzte. Seine Schriftwerke scheinen zunehmend nur noch isoliert von seiner Lebensgeschichte betrachtet zu werden, ganz so, als hätte er sich einfach dem Mystizismus verschrieben - und ganz ohne Zweifel wird es einige Unerschütterliche geben, die genau dies behaupten werden.
Ohne Befolgung der goldenen Maxime der Literaturkritik, nämlich, dass das Leben eines Menschen bei der Interpretation seines Werkes stets zu berücksichtigen ist und dass die Heranziehung seines Werkes auch Licht in die undurchsichtigen, verborgenen Seiten seines Charakters bringen kann, ist eine sinnvolle Annäherung an Blake kaum möglich. Jede Kritik, die sich ausschließlich mit seinen Büchern oder auch ausschließlich mit seinen Bildern befasst, ist wertlos, denn seine komplexen Talente wurden durch die besonderen Umstände seines Lebens, seine sonderbare Kindheit und Jugend, seine ihm von Natur aus verwurzelte Ablehnungshaltung gegenüber seiner Zeit und die wenigen äußeren Einflüsse, von denen seine aktive Vorstellungskraft ausschließlich zehrte, weiter verkompliziert.
Niemand sonst schien so einfallsreich zu sein wie er. Und niemand sonst, der von so einfallsreichem Geist beseelt war, war so sehr Sklave seines Schicksals. Den Hintergrund seiner Geisteshaltung und die persönlichen Lebensumstände, und sei es auch nur für einen Augenblick, aus unserem Bewusstsein gleiten zu lassen, bedeutet nichts anderes, als den Nährboden selbst, auf dem seine Eigenheiten gediehen, außer Acht zu lassen.
Everlasting Gospel ist also das Gedicht eines sonderbaren Geistes, dessen Erfahrungen seiner Einzigartigkeit keinerlei Einhalt, dafür aber jede erdenkliche Ermutigung boten. Blakes einzige Religionslehrer waren Häresiarchen, und so sollte es für ihn ganz natürlich sein, gesunden Menschenverstand mit Idiosynkrasie gleichzusetzen und seine Interpretation allgemeiner Gestalten und Wahrheiten in dem Maße einzuordnen, in dem sie ihm eigen war. Blake führte und empfahl auch anderen ein Leben, das jener Verfeinerung der Persönlichkeit entsprach, die den meisten Künstlern, selbst wortgewandten Dichtern, instinktiv gegeben ist. Niemand zuvor hatte je eine solche Philosophie in ein pseudotheologisches System zu integrieren oder sie mit den Lehren Jesu Christi gleichzusetzen versucht. Es sind Blakes Erkenntnisse, und nicht etwa der von allen außer ihm selbst ignorierte Glaubensgrundsatz, die sich uns im Everlasting Gospel erschließen.
Chap: IV ,4 Au kan xets > g«s
/. Ä«s . 'trffn nW: atfi>tttsk-\/bid • “’ “*
/.-V/<47^ i. ilUi'tbtuf Zk /. / Ä
Das eigentliche Thema dieses Gedichts ist das Weltverständnis seines Verfassers, und wir erfahren darin mehr über seine Bibelauslegung. Wie alle fordernden Aussagen Blakes enthalten auch die Paarreime von Everlasting Gospel mehrere Epigramme, die sich jeder systematischen Analyse entziehen, da sie nur dazu dienen, den Leser durch lebendige Bilder zu bewegen und aufzuwühlen. Ihre Wirkung liegt darin, das Thema mit Leben zu erfüllen und Jesus Christus so darzustellen, wie Blake ihn selbst sah. Die durch die stets wirkungsvollen und nicht selten überwältigend schönen Zeilen des Gedichts zum Ausdruck kommende Empfindung tarnt sich hinter einer gedanklichen Gestalt, doch Verstand und Gedanken waren für Blake nichts anderes als Imagination, und tatsächlich spricht er hier vielmehr die Gefühle des Lesers an als den Intellekt. Er will damit eine Definition des Christentums zeichnen, wie er es durch sein Studium der Lehren Swedenborgs und Miltons sah.
Man begegnet in Kunst und Poesie immer wieder zahlreichen Studien von Jesus Christus - Studien, die diese geschichtliche und traditionelle Figur vor dem allgemein akzeptierten Hintergrund, den wir kennen, neu aufleben lassen. Doch wann wurde vor Blake das Bild Jesu Christi je von einem rein künstlerischen, imaginativen Verstand geprüft, der nur gelten ließ, was in ihm selbst am stärksten ausgeprägt war, und der alles andere außer Acht ließ? Bis dahin waren Kunst und Poesie lediglich Handlanger einer akzeptierten Theologie, selbst bei Milton, in dessen Epos die Fiktion bereits verdrängt wurde, um den Teufel zum eigentlichen Helden der Geschichte zu erheben. Blake war von dieser Abweichung vom üblichen Wege fasziniert und wollte, wie immer, sein Vorbild noch übertreffen.
Mit seiner typischen Art, die Ausnahme zur Regel zu erheben, erklärte er: „Milton war ein wahrer Poet, und war des Teufels Parteigänger, ohne sich dessen bewusst zu sein.“ Es war nur ein kleiner, logischer Schritt von dieser humorvollen Bemerkung hin zu der Feststellung, dass des Teufels Partei die eigentliche Kirche und der rebellische Geist der Geist Jesu Christi sei. Der „Poetische Genius“ wurde bei Blake „Gott“, unsere Imagination wurde „Unser Erlöser“.
Mit einem kleinen dichterischen Kniff tritt der Milton’sche Gott („Deity“) an die Stelle des christlichen Gottes, und Christus wird nicht sich Gott, sondern sich der Welt widersetzend dargestellt. Es reicht die Anmerkung, dass die Sinnbilder vertauscht und vermischt wurden, ohne vorzugeben, dass die eigentlichen Anliegen seiner Quellen unverändert gewahrt wurden. Theologien waren für Blake nur insoweit bedeutsam, als er den Geist der Poesie darin entdecken konnte. Seine Interpretation zeichnete sich zunächst dadurch aus, dass er auf ihrer Eigenheit bestand. So schreibt er:
The Vision of Christ that thou dost see
Is my Vision’s greatest enemy:
Thine has a great hook nose like thine,
Mine has a snub nose like to mine:
Thine is a friend of all mankind, Mine speaks in parables to the blind: Thine loves the same world that mine hates, Thy Heaven doors are my Hell gates.
Die Vision Christi wie sie Dir erscheint
Ist meiner Vision größter Feind:
Deiner trägt einen hakigen Zinken wie Deinen
Meiner trägt eine Stupsnase wie meine:
Deiner ist Freund jedem Menschenkinde
Meiner wendet sich in Parabeln an Blinde:
Deiner liebt die Welt, die mir verhasst ist, Deine Himmelstüren sind meine Höllenpforten.
Das übrige Gedicht macht sich jedes Ereignis im Leben Jesu Christi und jede seiner Lehren zu Eigen, die nur herangezogen werden können, um Blakes Überzeugung an die Kraft von Persönlichkeit und Impuls zu stützen.
Tugendhaft ist, der sich des Bösen enthält, weil er nicht danach strebt; dessen Liebe für das Gute und Schöne spontan ist und all seine Worten und Handlungen in so lebensfrohem und unverbrauchtem Glanze erstrahlen lässt, dass der gewöhnliche Betrachter davon verwundert und verzaubert ist, da er selbst, dessen nicht mächtig, sich von äußeren Maximen und Vorschriften leiten lassen muss.
Ein guter Mensch wirkt auf seine Mitmenschen nicht so sehr durch seine eigentlichen Handlungen, sondern viel mehr durch die Spontaneität, die jede seiner Handlungen wie eine Neuentdeckung, jedes Wort wie eine Überraschung erscheinen lässt. In Everlasting Gospel wird Christus dargestellt als einer, der sich, ohne Beachtung jeglicher Tugenden, allen Gesetzen und moralischen Verurteilungen widersetzt und sich über sie hinwegsetzt, da seine wunderbare gesunde Lebenskraft sich selbst begründet. Das konventionelle Bild von Jesus als sanftmütiger, demütiger Mensch wird in flammenden Paarreimen demontiert und, wie immer bei Blake, darf man auch hier nicht vergessen, das Blake Kritik am Spießbürgertum übte, indem er die ihnen teuersten Symbole gegen sie selbst einsetzte. Ohne den Hintergrund, vor dem er seiner Auflehnung Ausdruck verlieh, verlören die Blitze seiner gewaltigen Worte den Kontrast, der sie erst zum Leuchten bringt. Wir sind hier Zeuge eines Sturmes und nicht etwa Freudentaumelnde in der wärmenden Sonne:
God wants not man to humble himself:
That is the trick of the Ancient Elf.
This is the race that Jesus ran:
Humble to God, haughty to man. ...
If Thou humblest Thyself, Thou humblest Me.
Thou also dwell’st in Eternity. Thou art a man:
God is no more: Thy own Humanity learn to adore, For that is my spirit of life.
Es ist nicht Gottes Wille, dass sich der Mensch in Demut übe: Dies ist nichts als eines schelmisch’ Elfen Lüge.
Dies ist das Volk, in dem Jesus sich erkannte:
Vor Gott demütig, stolz vor dem eig’nen Stande. [... ]
Wenn du dich demütigst, demütigst du darin auch mich.
Auch sprichst du von der Ewigkeit. Ein Mensch bist du:
Gott ist nicht mehr: Es sei die eign’e Menschlichkeit dir hehr. Dies ist der Geist, nach dem ich lebe.
Hier werden die drei Personen der Dreifaltigkeit auf den Heiligen Geist beschränkt, und da alle Häresien ihre Auflösung in einer übertriebenen Betonung auf einer der drei Personen der Dreifaltigkeit finden, und da diese spezifische Art der Häresie selten vorkommt und nur die von poetischem Genius Beseelten reizt, ist es uns möglich, die Grenzen der Lehren Blakes zufriedenstellend zu umreißen und gleichzeitig zu verstehen, weshalb sie von größerer Intensität und Lebendigkeit und von größerer poetischer Natur sind als die jedes anderen.
Die Romantik stellte das von Nietzsche später zum Ideal verklärte ‘Ich’ in den Vordergrund. So definierte Blake Demut als „Zweifel“ und Zweifel als „Selbstwiderspruch“. Das Ergebnis dieser Sichtweise ist so anregend, die Zeilen sind bisweilen von so flammender Schönheit, dass eine Beurteilung der Qualität des Überraschungselements unwürdig scheint. Dennoch sollte man die in der Überbetonung liegende gewaltige Kraft auskosten können, wie auch die Form des scharfsinnigen Einfallsreichtums ausgekostet werden kann, ohne dabei vorzugeben, dass die darin enthaltenen Aussagen eine endgültige Aufklärung des Behandelten darstellen.
Dieses Gedicht birgt eine schäumende Wut in sich, die viel mehr der Schrei eines Verfolgten ist als die Argumentationskraft einer vernunftgeprägten Lehre. Das Gedicht im Ganzen sollte als lyrischer Aufruf zu Mut im Angesicht einer lieblosen, gleichgültigen, rücksichtslosen Welt verstanden werden. Die berühmte Zeile:
„Thou art a man: God is no more“ („Ein Mensch bist du: Gott ist nicht mehr“)
ist ein extremes Beispiel für die subjektiven Lehren Blakes. Die Ernsthaftigkeit, mit der sein Gedicht verstanden wird, lässt sich teils durch das allgemeine Chaos der zeitgenössischen Sichtweise begründen, in der die erschütterndsten Aussagen mit offenen Armen empfangen wurden, da sie einen Kontrast zu der Desillusion bzw. Gleichgültigkeit darstellen, die überall dort alles zu überschwemmen droht, wo keine allgemeine Einigung besteht. In solcher Verwirrung bleiben Aussagen aufgrund ihrer Grausamkeit im Gedächtnis, statt aufgrund ihrer Wahrheit im Herzen der Menschen, verankert.
William Blake,
Illustration aus Das erste Buch Urizen, Druckgrafik 13, 1794. Farbige Reliefradierung, handbemalt, 14,6 x 10,4 cm. The British Museum, London.
William Blake,
Illustration aus Das erste Buch Urizen, Druckgrafik 8, 1794. Farbige Reliefradierung, handbemalt, 14,7 x 10,5 cm. The British Museum, London.
William Blake,
Illustration aus Das erste Buch Urizen, ‘Das Ende des ersten Buchs Urizen’, Druckgrafik 26, 1794.
Farbige Reliefradierung, handbemalt, 15,1 x 10,2 cm.
The British Museum, London.
William Blake,
Illustration aus Das erste Buch Urizen, Druckgrafik 15, 1794. Farbreliefradierung, zusätzlich handbemalt, 14,8 x 9,1 cm. The British Museum, London.
Blakes Lehre zeigt sich hier in wahrer Verhältnismäßigkeit, die der Einzelne erreicht, wenn er sie nicht auf sich selbst, sondern auf andere anwendet. Sobald wir darin die Mahnung erkennen, weder den Willen des Anderen zu beugen noch ihm unsere eigenen Abneigungen und Zuneigungen aufzuzwingen, die Mahnung, unsere Gegner stets zu hören und uns nicht ihrem Ruf zu verschließen, so erschließt sich uns die Verhältnismäßigkeit von Blakes Lehre. Die Poesie allein bestärkt uns in unserem Mut und unserem Selbstvertrauen und bedarf dabei keiner weiteren Hilfsmittel. Erst, wenn Blake nicht mehr vorwiegend als Dichter, sondern vielmehr als Philosoph dargestellt wird, tut sich die Kritik schwer.
Blakes wundersamer Zauber ging davon aus, Gefühle aufzuwühlen, wo scheinbar der Verstand angesprochen wurde. Der Schlüssel liegt hier in seiner Gleichsetzung von „Verstand“ und „Imagination“. Seine eigenen Prosaschriften sind das beste Referenzmaterial zu seiner Lyrik und seine axiomatischen Vorstellungen sind überaus schlicht:
„Energie ist ewige Freude;“ „Gut ist das Passive, das der Vernunft gehorcht. Böse ist das Aktive, das der Energie entspringt. Gut ist Himmel. Böse ist Hölle.“
Somit behauptete Blake - in Anlehnung an Milton, und sich wie alle Mystiker, einschließlich Bunyan25, dagegen erhebend, Religion mit Moral zu verwechseln -, dass die Begriffe „gut“ und „böse“ mit den falschen Dingen assoziiert wurden und dass Christus als Mensch für ausgerechnet die Eigenschaften verehrt würde, derer er sich selbst erwehrt hatte. Um diesen Irrtum zu beseitigen und die pflichtvergessene Göttlichkeit der Energie zu bekräftigen, schrieb Blake The Everlasting Gospel. Das Gedicht endet, wie es begonnen hat - mit dem Ton des Ungehorsams:
I am sure this Jesus will not do
Either for Englishmen or Jew.
Ich bin gewiss, dieser Jesus gereicht niemandem
zum Guten
Weder Engländern noch Juden.
Diese Zeile begehrt gegen konventionelle Religionslehren auf und demonstriert mit unerschrockener Direktheit Blakes Standpunkt.
Gedichte wie The Mental Traveller (Die Reise der Seele) werden, obgleich zweifellos das Werk eines Dichters, von dem Licht verschleiert, das sie nicht preisgeben. Blakes Vorstellungskraft geht hier eine harmonische Verbindung mit den Gedankenwerkzeugen, nicht jedoch mit den Gedankenvorgängen, ein. Wo er widersinnig ist, etwa in Long John Brown and Little Mary Bell, scheint ihn seltsamerweise auch seine Vorstellungskraft zu verlassen. In Auguries of Innocence (Weissagungen der Unschuld), ähnlich dem Everlasting Gospel ebenfalls eine Aneinanderreihung von Paarreimen, findet sich der berühmte Vierzeiler:
To see a World in a grain of sand,
And a Heaven in a wild flower,
Hold Infinity in the palm of your hand,
And Eternity in an hour.
Um eine Welt in einem Sandkorn zu schauen
Und einen Himmel in eines Blütenkelches Mund,
Halte die Unendlichkeit in deiner kleinen Hand, Und die Ewigkeit in einer Stund’.
Die meisten der nachfolgenden Paarreime sind Sinnsprüche in Reimform und erfassen, wie viele Sinnsprüche, den Bedeutungskern je nach Zufall mal mehr, mal weniger. Die größte Annäherung an eine Sequenz findet sich in den Schlusszeilen:
We are led to believe a lie
When we see not thro’ the eye,
Which was born in a night, to perish in a night,
When the soul slept in beams of light.
God appears, and God is light,
To those poor souls who dwell in Night;
But does a Human Form display
To those who dwell in realms of day.
Wir werden verleitet, einer Lüge zu trauen,
Wenn wir nicht durch das Auge schauen,
Das im dunklen Nichts der Nacht entsteht und im dunklen Nichts der Nacht vergeht,
Als die Seele noch schlafend sich wärmte im Licht.
Gott erscheint, Gott ist das Licht
Den armen Seelen, die hausen im dunklen Nichts;
Doch erscheint er als einer vom Menschenschlage Denen, die hausen im Reich des Tages.
Blake mag aus Freude an der Sache gereimt und jedes Reimpaar aufgeschrieben haben, das ihm gerade in den Sinn kam. Er warnte zwar vor der Unzulänglichkeit der Sinne, machte aber gleichzeitig keinen Hehl daraus, sowohl über alle normalen Sinneskräfte als auch über das zweite Gesicht zu verfügen. Auf der materiellen Ebene erlag er nie Selbsttäuschungen. In einem später verfassten Brief an Butts schrieb er:
For double the vision my eyes do see,
And a double vision is always with me.
With my inward eye, ‘tis an old man grey,
With my outward, a thistle across my way.
Denn zwei Visionen sind’s, die sich vor meinen Augen ausbreiten,
Zwei Visionen, die mich fortwährend begleiten.
Vor meinem inn’ren Aug’ ist’s ein ergrauter alter Mann, Vor meinem äuß’ren eine Distel am Wegesrand.
William Blake,
Illustration aus Das erste Buch Urizen, Druckgrafik 20, 1794.
Farbreliefradierung, zusätzlich handbemalt, 15,7 x 10 cm. The British Museum, London.
William Blake,
Illustration aus Das erste Buch Urizen, Druckgrafik 25, 1794. Farbreliefradierung, zusätzlich handbemalt, 15,5 x 10,3 cm. The British Museum, London.
William Blake,
Illustration aus Das erste Buch Urizen, Druckgrafik 14, 1794. Reliefradierungen mit Farbdruck, Stift und Aquarell, 14,7 x 10,8 cm. The British Museum, London.
William Blake,
Illustration aus Das erste Buch Urizen, Druckgrafik 24, 1794. Farbreliefradierung, zusätzlich handbemalt, 14,9 x 9,2 cm. The British Museum, London.
William Blake,
Illustration aus Das erste Buch Urizen, ‘Enitharmon, Los und ihr Kind Orc’, Abbildung D, Druckgrafik 19, 1794. Farbreliefradierung, zusätzlich handbemalt, 16,6 x 10,1 cm. The British Museum, London.
William Blake,
Illustration aus Das erste Buch Urizen, Druckgrafik 22, 1794.
Farbreliefradierung, zusätzlich handbemalt, 15 x 10,3 cm. The British Museum, London.
In seinem Verständnis jedoch ließ er keine bedachten gedanklichen Überlegungen zu. Er unterschied nicht zwischen den einzelnen ihn erfüllenden Inspirationen, daher besteht in seinem Begriffsvermögen eine beispiellose Verwirrung, die in seinem praktischen Leben jedoch nicht bestand. Eine solche Verknüpfung, wie sie zwischen den Paarreimen in Auguries of Innocence, das zunächst in seiner ursprünglichen Fassung und danach in der von Sampson durchgesehenen Fassung gelesen werden sollte, besteht, kommt auch in den Anfangssentenzen vor:
A robin redbreast in a cage
Puts all Heaven in a rage.
A dove-house fill’d with doves and pigeons
Shudders Hell thro’ all its regions.
A dog starv’d at his master’s gate
Predicts the ruin of the State.
A horse misus’d upon the road
Calls to Heaven for human blood.
Each outcry of the hunted hare
A fibre from the brain does tear.
Ein Rotkelchen im Käfig gefangen
Erzürnt alles Leben im Himmel
Ein Taubenhaus voll eingesperrter Vögel
Lässt alle Winkel der Hölle erschauern.
Ein Hund, der verhungert vor seines Herren Tor
Kündet vom bevorstehenden Tode des Staates.
Ein Pferd, das ward auf dem Wege geschunden, Ist ein Flehen zum Himmel nach Menschenblut.
Jeder Aufschrei des gejagten Hasen
Zerreißt eine Faser des Hirns.
Hier findet sich die Doktrin der Übereinstimmungen, die der Mensch so instinktiv akzeptiert, dass selbst Worte der Unvernunft lediglich wie subtilere Erkenntnisse daraus scheinen.
Bei Betrachtung der lyrischen Dichtung Blakes erkennen wir, dass er nach einer Sprache strebte, die in ihrer Bedeutung weiter gefasst und von jeder irdischen Behaftung gelöst war. Gedanke und Bedeutung sollten ganz im Lyrischen aufgehen, sich dabei jedoch die Sprache der Ideen zu Eigen machen.
Soweit dieses Ziel Blakes durch einen Menschen überhaupt erreichbar ist, kam er ihm in Songs of Innocence and Experience am nächsten, Lieder, die ihm später zweifelsohne allein wie Federn des Phönix’ vorkamen, der sich aus der Asche der prophetischen Bücher erhob. Wir lassen die Lyrik des Poeten und die Tradition, in der sie sich zu verstehen genügten, hinter uns, da ihm selbst eine Sehnsucht nach etwas erwuchs, das ihm weder die lyrische noch die epische Dichtung zu geben vermochten.
William Blake,
Illustration aus Das erste Buch Urizen, zusätzliche Druckgrafik 16a, 1794. Reliefradierungen mit Farbdruck, Stift und Aquarell, The Morgan Library & Museum, New York.
Poland Street und die frühen Prophezeiungen, 1787-1792
The Songs of Innocence entstanden zwei Jahre nachdem sich Blake - nach dem Tod seines Bruders und der Beendigung seiner Zusammenarbeit mit Parker - in 28, Poland Street, niedergelassen hatte. Sampson vermutet, dass die beiden Abhandlungen There is no Natural Religion (Es gibt keine natürliche Religion) und All Religions are One (Alle Religionen sind eins) wahrscheinlich ein Jahr zuvor, also 1788, gestochen wurden.
In der Poland Street schuf Blake den Tiriel (1788), das Book of Thel (1789; Das Buch Thel), Marriage of Heaven and Hell (Die Hochzeit von Himmel und Hölle) und den ersten Band der French Revolution (Die Französische Revolution). Bevor wir uns diesen Werken, die wohl als seine frühesten prophetischen Bücher betrachtet werden können, zuwenden, müssen wir uns erst mit der neuen Lebenssituation Blakes beschäftigen und, so weit dies möglich ist, verstehen, welche Gedanken ihn zu jener Zeit umtrieben. Er, der gegenüber Einflüssen seit jeher höchst sensibel war, scheint von verschiedenen Büchern, auf die er stieß, auf diesen Weg gebracht worden zu sein.
Ein Jahr nach Blakes Einzug in die Poland Street erschienen zwei Bücher, die bereits auf Form und Inhalt seiner späteren Schriften hindeuten. Sie faszinierten ihn zutiefst, und seine Anmerkungen zu diesen Werken sind bis heute überliefert. Dabei handelte es sich um Lavaters26 Aphorismen und Wisdom of Angels (Die Weisheit der Engel) von Swedenborg.27 Exemplare beider Bücher mit Blakes Anmerkungen existieren noch heute, und seine Kommentare wurden in vielfacher Auflage gedruckt. Beide Autoren waren exzentrische Denker, die sich für Theologie interessierten. Der eine erhielt die Priesterweihe, der andere war der unvorhergesehene Begründer der Neuen Kirche. Beide hatten sich in der Wissenschaft verdient gemacht und waren der Mystik zugeneigt.
Wer sich mit diesen Werken beschäftigt, erfährt Aufschlussreiches über ihre Auswirkungen auf die Ansichten des Dichters, dem wir uns widmen. Sein innerer Drang, jedes Vorbild, das seine Vorstellungskraft entfachte, noch weiter zu tragen, gibt uns Auschluss darüber, welche Auswirkungen das Studium dieser Werke auf Blake erwarten ließ. Es sollten die denkbar unglücklichsten gewählten Denkmodelle sein, die nur er hätte finden können, und da er sie mit ausgesprochen unkritischem Auge las, ist das Ergebnis nur allzu leicht vorstellbar.
Blakes prophetische Bücher verdanken das, was sie sind, dieser katastrophalen Verbindung zu ebenso hitzigen Köpfen wie ihm selbst, die jedoch immerhin durch aktives Studium zur Disziplin geschult worden waren. Nicht Blakes Genie trieb ihn zu der Form, die seine Schriften von nun an annehmen sollten, sondern dessen Unterwerfung unter die vorherrschenden gewöhnlichen Modelle.
Lavater war ein Schweizer Dichter, Pfarrer und Schriftsteller von Werken über Physiognomie. Er gilt als eigensinniger Individualist, als Apostel des Sturm und Drang, der Inbrunst, des Genie und Idealismus. Seine Aphorismen sind von durchwachsener Effizienz und wären heute von nur geringem Interesse, wenn nicht Blake aus ihnen eine ähnliche gnomische Form für seine eigenen gewagten Behauptungen abgeleitet hätte. Zweifelsohne verdanken wir Lavaters Aphorismen die Proverbs of Heaven and Hell (Sprichwörter aus Himmel und Hölle), für die er hauptsächlich bekannt ist. Sinnsprüche und Epigramme sind allseits beliebt, doch niemand kann an ihnen gemessen zu Weisheit gelangen, der nicht die Nähe zu ihnen durch eigene tief greifende persönliche Erlebnisse erfahren hat. Von einem intellektuellen Standpunkt erscheint ihr Einsatz fast schon ungerecht, denn sie überlassen es uns, für uns selbst zu entdecken, ob sie eine Regel beschreiben oder eine Ausnahme begründen, weshalb sie, wie Jules Lemaitre feststellte, niemals endgültig widerlegt werden können.
Der frühe Einfluss Swedenborgs, den Blake bereits als Junge durch seinen Vater und seines Vaters Freunde in sich aufgesogen hatte, sollte nun durch ein neues Werk dieses transzendentalen Wissenschaftlers weiter verstärkt werden. Mystizismus und visionäre Erkenntnisse waren so tief in Blake verwurzelt, dass er sich nicht ganz ohne Gefahren den Lehren eines Denkers ergeben konnte, der behauptete, wissenschaftliche Kenntnisse über das Spirituelle zu besitzen und dessen System zwischen Himmel und Erde ausnahmslos alles mit einschloss. Swedenborgs unbestrittene Errungenschaften auf dem Gebiet der Wissenschaft, seine Gewohnheit, alles zu prüfen und zu erforschen, machten ihn für alle, die sich von ihm faszinieren ließen, zu einem schier unüberwindlichen Einfluss. Er war von solcher Vielseitigkeit und in seinen Ideen so unverwechselbar, dass er zwangsläufig eine verworrene Symbolik als unerlässliche Form für intuitive Ideen auferlegte.
Blake neigte dazu, sich solch offensichtlicher Dominanz zu widersetzen, und seine Anmerkungen zu Wisdom of Angels zeugen von seinem bangen Bemühen, seine geistige Unabhängigkeit zu wahren. Er konnte nie hinterfragen, ohne gleichzeitig das Hinterfragte übertreffen zu wollen, und so entwarf er in der Folge dieses Einflusses eine neue und eigene Kosmogonie. Er war für diese Aufgabe ganz und gar ungeeignet, da er, anders als Swedenborg, kein systematischer Denker war, und wenn sich jemand, der sich Systemen widersetzt, dazu entschließt, selbst eines zu schaffen, besteht für ihn die Gefahr, dabei in unendlichem Chaos zu versinken. „Ich muss ein eigenes System mir schaffen oder dem eines anderen untertan sein!“ Dies ist der traurige Aufschrei eines Verstandes, der seinen Weg falsch verstanden hat. Es war die Anregung durch Lavater, die Blake zu Anmerkungen bewegte. Es war der Wetteifer mit Swedenborg, der ihn zur Systematisierung trieb.
William Blake,
Illustration aus Europa, eine Prophezeiung, Deckblatt, 1794.
Radierung, 375 x 27 cm.
University of Glasgow Library, Glasgow.
Wenn Swedenborg mit Engeln gesprochen hatte, dann hatte auch Blake mit Engeln gesprochen; wenn Swedenborg Visionen gehabt hatte, dann hatte auch Blake Visionen gehabt, und wenn Swedenborg in der Bibel die göttliche Weisheit erfahren und durch göttliche Anweisung zur Auslegung ihrer spirituellen Bedeutung bestimmt wurde, musste auch Blake sich dieser Aufgabe annehmen. Von jenem Moment an las und beschäftigte sich der Dichter, der Kunst und Religion bald für austauschbare, gleichwertige Begriffe halten sollte, wo immer die Kunst einer Offenbarung weicht, die ihre Eigenständigkeit aus unmittelbarer Schönheit bezieht, nur noch mit apokalyptischer Literatur.
Der Mystiker, der sich einer direkten, persönlichen Erfahrung der Wirklichkeit rühmen kann, bedarf zwar der Kunst nicht um seiner selbst willen, wenn er aber sein Wissen und seine Erkenntnisse anderen mitteilen und gleichzeitig seine künstlerische Integrität wahren will, so muss er die von ihm selbst gewählte Form respektieren. Durch die Konzipierung einer unnötigen und willkürlichen Symbolik für seine Anschauungen und durch seine Weigerung, sich an die traditionellen literarischen Formen zu halten, gelang es Blake weder, sich über das eine noch über das andere hinwegzusetzen, sondern hinterließ nur heilloses Durcheinander. Als er sich schließlich daran machte, Swedenborgs Lehren zurückzuweisen, wandte er sich endgültig von allen Formen und Modellen ab: es bleibt das Zeugnis eines weiteren großen Geistes, den ein von ihm selbst geschaffenes Chaos entthronte.
Noch sollten Mystisches und intellektuelle Systeme seine Gedanken nicht völlig gefangen nehmen. Wie auch andere Zeitgenossen - und mit der Erinnerung an den Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg im Hinterkopf - war Blake von den Ereignissen in Frankreich tief bewegt und erschüttert. Einige Faktoren brachten ihn in die Gesellschaft von Londoner Sympathisanten der Französischen Revolution, die er vor dem Geschäft des Buchhändlers Johnson traf. Fuseli28 hatte die beiden miteinander bekannt gemacht und Blake hatte einige Kupferstiche für ihn angefertigt. Johnson29 war der Verleger von Mary Wollstonecrafts Rights of Woman (1792, Die Rechte der Frau)30 und Godwins Political Justice (1793, Politische Gerechtigkeit)31 und ein Freund Thomas Paines, dessen Werk Rights of Man (Die Rechte des Menschen) er abzulehnen für ratsamer gehalten hatte.
All diese und andere ähnliche Themen waren in Johnsons Buchhandel in St. Paul’s Churchyard zu finden. Blake wurde von ihm unter anderem dazu beauftragt, sechs Platten nach Mary Wollstonecrafts Tales for Children (Erzählungen für Kinder) zu gestalten und zu stechen. Johnson war nicht nur Buchhändler und Verleger, sondern auch Mäzen und Gastgeber, der einen sich um ihn scharenden illustren Kreis jede Woche zum Abendessen lud. Zu jener Zeit zählte auch Blake zu den Gästen. Blake betrat eine Welt, deren Gesellschaft für ihn sonderlich und ungewohnt war. In ihren politischen Grundsätzen - eine unbestimmte Idealisierung der Freiheitsidee - fühlte er sich mit ihnen eins, obgleich ihn Politik selten je wirklich interessierte. Ihrem Skeptizismus und Rationalismus trat er jedoch leidenschaftlich entgegen. Atheisten hätten ihn für einen Christen gehalten - und Christen für einen Ketzer.
Bei all seinem Mut besaß Blake jedoch einen feinen Sinn für das Praktische. Er war es, der, wie er später selbst erzählen sollte, Paine32 vor den Fängen der in Panik handelnden Behörden rettete. Die Behörden verhängten 1792 repressive Maßnahmen gegen „aufrührerische Schriften“ und im September -ausgerechnet dem Monat, in dem der Verfasser der Rights of Man vom Department Pas-de-Calais in den Nationalkonvent berufen wurde - verklagte und verurteilte die englische Regierung Paine in Abwesenheit wegen Verleumdung. Dies sorgte jedoch für einen Popularitätsschub des erst kurz zuvor veröffentlichten zweiten Teils seines Buches und spornte Paine und die „Freunde der Freiheit“ dazu an, darauf in Form aufrührerischer Versammlungen und Brandreden vor der Öffentlichkeit zu antworten.
Eines Tages im September - Paine hatte gerade in Johnsons Buchladen von seiner begeisternden Rede, die er am Vorabend auf einer Versammlung gehalten hatte, erzählt - hielt ihn der ebenfalls anwesende Blake auf, als Paine gerade gehen wollte, und warnte ihn: „Geh nicht nach Hause oder du wirst es mit deinem Leben bezahlen“, und verhalf ihm eilig zur Flucht nach Frankreich. Nur zwanzig Minuten, nachdem Paines Schiff den Hafen von Dover in Richtung Frankreich verlassen hatte, wurde den Hafenbeamten ein Haftbefehl gegen Thomas Paine vorgelegt. Sechs Jahre später wurde Johnson selbst wegen Veröffentlichung „... einer aufrührerischen Schrift“ zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, ließ sich jedoch auch danach nicht davon abbringen, weiterhin seine wöchentlichen Abendessen zu veranstalten und lebhafte Diskusionen anzuregen.
Sein Beistand gegenüber Paine ist nicht das einzige Beispiel von Blakes Mut in Notsituationen. Seine Hinterzimmer auf der Poland Street blickten auf das Zirkusgelände des Astley-Circus,
William Blake,
Europa, eine Prophezeiung, Titelbild, 1794.
Reliefradierung und weiße Radierung mit Farbdruck, handbemalt, 373 x 26,7 cm. University of Glasgow Library, Glasgow.
William Blake,
Europa, eine Prophezeiung, Druckgrafik 5,1794. Reliefradierung und weiße Radierung mit Farbdruck, handbemalt, 37,3 x 26,7 cm. University of Glasgow Library, Glasgow.
William Blake,
Europa, eine Prophezeiung, Druckgrafik 10,1794. Reliefradierung und weiße Radierung mit Farbdruck, handbemalt, 37,3 x 26,7 cm. University of Glasgow Library, Glasgow.
'tatt
liccl. an.
ons joy J
_ ncJ ■' kayc d&ihLP
>■ ritunan na Sternat Ide wtcaL ahodi
. J.n. an
Forbid
^Spread nets m ere
My wca.^eyelids’ d>
omdiL
( Fmirab t)iee i vas Fcilamabrtn theeF c diat ‘l'üma/is es >O(n . «n'ntVS the- dcjvn.^ ol sext' MfltgJ diurc exes fence katt neve/- eß/ne i-j'om. hce chdtifißö ^ sbali cac dttle dertw.
«.. j-v | |
•’‘ ?r • |
io
auf dem die Tiere und Tierpfleger zu sehen waren. Wie Tatham erzählte, sah Blake eines Tages einen schmerzgekrümmt hinkenden Jungen, dessen Bein an die Fessel eines Pferdes gekettet war. Erzürnt von diesem Anblick, appellierte Blake erfolgreich an die Zirkusleute, den Jungen von den Ketten zu befreien, und als Astley selbst später vorbeikam, um gegen diese Einmischung von außen lautstark zu protestieren, gelang es Blake, auch ihn zu besänftigen.
Im Jahr 1792 starben sowohl Sir Joshua Reynolds als auch Blakes Mutter. Catherine Blake wurde am 4. September im Alter von 70 Jahren in Bunhill Fields beigesetzt. Darüber hinaus ist fast nichts über sie bekannt: Blakes Freunde aus späteren Jahren erinnerten sich daran, dass er zwar oft von seinem Bruder Robert sprach, jedoch sowohl seine Mutter als auch seinen Vater so gut wie nie erwähnte. Anfang dieses Jahres, am 23. Februar, wurde der aufgebahrte Leichnam von Sir Joshua Reynolds in einem Trauerzug von seinem Haus in Leicester Fields in die St. Paul’s Cathedral gebracht. Blake und Reynolds waren einander begegnet, jedoch in ihren Talenten und ihrem Schicksal so grundlegend verschieden, dass sie kaum etwas gemeinsam hatten. Gilchrist berichtet von einem „... noch lebenden Freund“, der sich an eine Unterhaltung erinnerte, in der Blake über Reynolds sprach:
„Er schäumte vor Wut über Reynolds’ unverschämte Kommentare über seine frühen Werke. Als sehr junger Mann hatte er Reynolds gebeten, sich einige Zeichnungen von ihm anzusehen, woraufhin dieser ihm riet, in seinen Arbeiten weniger extravagant zu sein, sich auf größere Schlichtheit zu besinnen und seinen fehlerhaften Zeichenstil zu korrigieren. Für Blake war dies ein Affront, den er niemals vergessen sollte. Er war außer sich vor Wut, als er davon sprach.“ In diesem oder einem anderen Gespräch mit einem Zeitgenossen Blakes ist ferner überliefert, dass Blake Reynolds auf persönlicher Ebene durchaus sympathisch fand, und es besteht kein Zweifel, dass sie sich auch in ihrem Benehmen in nichts nachstanden.
Blakes Anmerkungen zu Reynolds Discourses (Akademische Reden) und Bacons Essays sind typische Beispiele dafür, wie Blake durch seine dramatische Vorstellungskraft aus jeder Idee, jeder Persönlichkeit eine symbolische Figur schuf. Wenn also Blake Erläuterungen niederschrieb, um zu deklarieren, weshalb er Reynolds für den „. Handlanger Satans, der zur Unterdrückung der Kunst bestimmt ist“ hielt, und seine Formulierung nicht als Beleidigung, sondern sinnbildlich zu verstehen ist, sind wir geradezu dazu angehalten, viele seiner Symbolfiguren auf einen schlichteren Rahmen zu beschränken. Soweit die neue Sprache zu entschlüsseln ist, ist sie verständlich, gar kohärent, doch stellt sie den Leser auch vor Schwierigkeiten, die, gemessen an ihrem Wert, in keiner Weise verhältnismäßig sind, außer als Fingerzeig auf Blakes eigentümlichen Geist.
William Blake,
Illustration aus Europa, eine Prophezeiung, Druckgrafik 3,1794.
Radierung und Aquarell, 37,5 x 27 cm.
University of Glasgow Library, Glasgow.
William Blake, Europa, eine Prophezeiung, Druckgrafik 4, 1794. Reliefradierung und weiße Radierung mit Farbdruck, handbemalt, 37,3 x 26,7 cm.
University of Glasgow Library, Glasgow.
Es ist nun endlich an der Zeit, einzuräumen, dass eine der Hauptfaszinationen von Blakes prophetischem Wortschatz in der erbaulichen Aufgabe liegt, ein linguistisches Puzzle zu entwirren. Der Wert des Entworrenen ist dabei eine ganz andere Sache, und jene, die sich ganz in der Entwirrung der verborgenen Bedeutungen und Unklarheiten verloren haben, sind nicht immer auch diejenigen, die zu ihrer Beurteilung am besten befähigt sind. Reynolds war ein Meister der darstellenden Künste, die Blake verachtete, und durch seine Kritik an ihm verteidigte er lediglich seine eigenen Präferenzen. Jeder hatte auf seine Weise Recht, es war also eine logische Folge, dass sie sich an den Beschränktheiten des jeweils anderen festbissen. Kunst kann von darstellender oder symbolischer Kraft sein. In beiden Fällen hat sie ihre eigene unverwechselbare und für ihren Zweck geeignete Technik, und über Blake muss immerhin auch gesagt werden, dass er bei der Ausführung in der Genauigkeit und Zweckmäßigkeit seiner Technik unverändert konstant blieb.
Wenden wir uns nun den visionären Schriften zu, die er während der in der Poland Street verbrachten fünf Jahre verfasste. Glücklicherweise sind die beiden verständlichsten und prägnantesten Aussagen Sampson zufolge die ersten beiden. Die im Jahr 1788 entstandenen Abhandlungen There is no Natural Religion und All Religions are One sind offenbar die ersten Beispiele Blakes illuminierter Druckschriften. Die erstere Schrift ist in sechzehn Aphorismen geschrieben. Ihr wichtigster lautet:
(I.) Man cannot naturally perceive but through
his Natural or Bodily organs. Second,
(II.) Man, by his Reasoning Power, can only compare and judge of what he has already perceived. If it were not for the Poetic or Prophetic Character, the Philosophic or Experimental would soon be at the Ratio of all things; and stand still, unable to do other than repeat themselves over again.
(I.) Der Mensch besitzt keine natürliche Wahrnehmung außer durch seine natürlichen oder körperlichen Organe. Zum Zweiten
(II.) kann der Mensch vermittels seiner rationalen Kraft nur vergleichen und beurteilen, was er bereits wahrgenommen hat. Ohne das Poetische oder Prophetische erreichte das Philosophische oder Experimentelle bald schon die Ratio aller Dinge und stände still, unfähig, außer immerzu denselben dumpfen Kreis zu beschreiten.
Der zweite Teil der Schrift mahnt:
Man’s Perceptions are not bounded by Organs of Perception; he perceives more than Sense (though ever so acute) can discover.
Reason, or the Ratio of all we have already known, is
William Blake,
Europa, eine Prophezeiung, Druckgrafik 15,1794. Reliefradierung und weiße Radierung mit Farbdruck, handbemalt, 37,3 x 26,7 cm.
University of Glasgow Library, Glasgow.
w aulp Make / all die /?f' '.-'ri ipd-Ttje rzf
wj< <?%(. b.
L/Mid. ^ti' nata'i.^kcit^ beets' < &, diaJr vve na.is- dnnJt
CC/i
OTlSr
-am.
J erst? Ufjrfi ai '‘Irud y>e wi/t t f rap trum.
raiC£
«äs
rwrntui ^afice t
3Z75" ares’ß /u^ iJi a cry t/iaf . alL Jus' gong '!
:< eoiic/z. Hpcji- tfie y/7rmcsi ^/vafis' ^■•
•<, -■
:JJi3. sfun ^LoyvcL Ju.
Jzlr.'SS.S'
not the same that it shall be when we know more.
The Desire of Man being Infinite, the possession is
Infinite and himself Infinite.
He who sees the Infinite in all things sees God. He who sees the Ratio only, sees himself only.
Therefore God becomes as we are that we may be as He is.
Die Wahrnehmungen des Menschen sind nicht durch die Organe der Wahrnehmung begrenzt; er nimmt weit mehr wahr, als selbst seine schärfsten Sinne zu erkennen vermögen.
Die Vernunft oder Ratio all dessen, was uns bisher bekannt ist, ist nicht dieselbe, die sie sein wird, sobald unsere Erkenntnis wächst.
Wer das Unendliche in allem schaut, schaut Gott.
Wer nur die Ratio schaut, schaut nur sich selbst.
Deshalb wird Gott, was wir sind, damit wir werden, was er ist.
Damit trifft Blake eine Aussage über das Verhältnis und den Unterschied zwischen Vorstellungskraft und Vernunft, und die Spannung zwischen diesen beiden Kräften, ob nur in der Seele des Einzelnen tobend oder auf die ganze Welt übertragen, stellt die wiederkehrende Handlung in Blakes prophetischen Büchern dar.
Die zweite Abhandlung, All Religions are One besteht aus acht Grundsätzen, deren wichtigste lauten:
The Poetic Genius is the True Man, and the Body or Outward Form of Man is derived from the Poetic Genius...
As all men are alike in outward form, so, and with the same infinite variety, all are alike in the Poetic Genius.
The Religions of all nations are derived from each nation’s different reception of the Poetic Genius, which is everywhere called the Spirit of Prophecy.
As all men are alike, though infinitely various, so all Religions: and as all similars have one source, the True Man is the source, he being the Poetic Genius.
Der poetische Genius ist der wahre Mensch, und der Körper, oder die äußere Gestalt, des Menschen wird vom poetischen Genius hergeleitet...
Da alle Menschen in ihrer äußeren Gestalt gleich sind, sind auch alle Menschen, in derselben unendlichen Vielfalt, im poetischen Genius gleich.
Die Religionen aller Nationen leiten sich her aus der unterschiedlichen Wahrnehmung des poetischen Genius durch die verschiedenen Nationen, den man
allwärts den Geist der Prophezeiung nennt.
Da alle Menschen, obschon von unendlicher Vielfalt, gleich sind, sind auch alle Religionen gleich: und da alles Ähnliche immer einer Quelle entstammt, ist die Quelle der wahre Mensch, da er der poetische Genius ist.
Diese zweite Abhandlung befasst sich ausschließlich mit der Imagination des poetischen Genies und stellt diese dabei in den Kontext der Vorstellungen von Wissen und Experimenten. Hier nehmen sie eine andere Bedeutung an, als sie ihnen in der ersten Abhandlung zugeordnet wurde. In der Einleitung zu All Religions are One ruht „... die erfahrende, erlebende Instanz“ nicht in den fünf Sinnen des Menschen, sondern in seiner Vorstellungskraft. Wir besitzen „... die wahre Instanz der Erkenntnis“ und „... die wahre Methode der Erkenntnis“, doch täuscht das Adjektiv über die Form hinweg.
Die wissenschaftliche Methode und die „wahre“ Methode, Beobachtung und die „wahre Instanz“ der Intuition, sind das Rationale (Böse) und das Imaginative (Gute) in Blakes Welt bis auf die Stellen, in denen er mit den Begriffen ’Hölle’ und ’Böse’ seine eigene Seite bezeichnet, um so den Gegensatz zu den Grundsätzen, die er hier angreift, zu verdeutlichen. Miltons unterschwelliges Präzedenzbeispiel für diese paradoxe Methode begeisterte Blake. Erst als er es in Reynolds’ Kunst erkannte, wo der poetische Genius nur dazu dient, die sichtbare Welt zu glorifizieren statt sie zu transzendieren, war sie in den Augen Blakes ohne Verdienst.
Wenn sein Ausspruch „... bloßer Enthusiasmus ist alles in allem“, wie er in seinen Anmerkungen zu den Discourses schrieb, stimmt, muss die Disziplin der Idiosynkrasie untergeordnet werden. Betrachtet man Blake als Theoretiker, sind die Auswirkungen seiner Theorie auf seine Umsetzung von entscheidender Bedeutung. Er war ein Enthusiast, der den seltsamen Wunsch hegte, den „... bloßen Enthusiasmus“ zu einem Credo zu erheben. Man kann dem kritisch gegenüberstehen und fragen, ob dieser Wunsch nicht im Ansatz auf den Ur-Adam zurückzuführen war, den auszutreiben er sich bemühte.
Die Welt war, wie es auch sei, erfüllt von Enthusiasmus, dessen Anhänger sich selbst ohne Unterscheidung als Enthusiasten oder Methodisten bezeichneten. Blake erscheint als eine solche Ausnahme seiner Zeit, dass wir uns vor Augen halten müssen, wie viele verschiedene Ströme seiner Zeit er tatsächlich verkörperte. Es sind seine unzähligen Talente und die verschiedenen Neigungen und Richtungen, die er zu vereinen suchte und die ihn zu einer so faszinierenden Figur machen.
Wird die alles auseinander nehmende Kraft der Kritik erst auf sein Werk angewendet, sind wir versucht, seine Zeichnungen zur Verteidigung seiner Schriften, seine Kunst zur Verteidigung seiner Ideen, seinen vernunftgeprägten Praktizismus zur Verteidigung seiner Visionen, seine religiösen Ziele zur Verteidigung seiner Kunst
William Blake,
Europa, eine Prophezeiung, Druckgrafik 6,1794. Reliefradierung und weiße Radierung mit Farbdruck, handbemalt, 373 x 26,7 cm.
University of Glasgow Library, Glasgow.
William Blake,
Europa, eine Prophezeiung, Druckgrafik 7,1794. Reliefradierung und weiße Radierung mit Farbdruck, handbemalt, 37,3 x 26,7 cm.
University of Glasgow Library, Glasgow.
William Blake,
Europa, eine Prophezeiung, Druckgrafik 11, 1794. Reliefradierung und weiße Radierung mit Farbdruck, handbemalt, 37,3 x 26,7 cm.
University of Glasgow Library, Glasgow.
7
heranzuziehen. Infolge dessen übt er einen vielschichtigen Reiz aus, der angesichts der jeweiligen Errungenschaften seines Genies einen zuweilen irreführenden Zauber ausstrahlt.
Die Wiederentdeckung der Poetik und Religion seiner Zeit fanden sich in Blake vereint, und Blake setzte die Sprache der einen ein, um die impulsive Natur der anderen zu verteidigen. Er erklärte die Religion zu einer weiterentwickelten Unterform der Poesie und das Christentum zu einer praktischen Form der Kunstausübung. Dies macht seine Werke als Maßstab für Verhältnismäßigkeit ebenso unzulänglich wie sie anregend sind. Niemand vermag mit seinem System mehr zu erreichen als er selbst. Die makelloseste Einheit, die sie hervorbrachte, war Blakes Person selbst. Wir finden in ihm Anregung, Bereicherung und Erbaulichkeit, nicht jedoch ein zufrieden stellendes Verständnis. Blake selbst war schließlich von der Unzulänglichkeit seiner Vermischung von Symbolen frustriert, und so müssen wir uns nun seinem Bemühen zuwenden, diese durch eine eigene Symbolik zu ersetzen.
Selbst Blake blieb die Auswirkung seiner prophetischen Schriften auf jene, die ihn später daraus vorlesen hörten, nicht verborgen. Das ihm eigene, natürliche Selbstvertrauen verteidigte sich mit dem einzig möglichen Mittel: „Eine an die Kräfte des Verstandes gerichtete Allegorie, die dem dinglichen Verständnis zugleich ganz und gar verborgen bleibt, entspricht meinem Verständnis einer unübertrefflich erhabenen Poesie“, sollte er schließlich in einem seiner Briefe an Butts schreiben.
Gute Absichten allein sind jedoch selbst in erhabener Poesie nicht ausreichend, und das Streben nach Erhabenem als Primärziel kann von ebenso katastrophaler Wirkung sein wie die Suche nach Vollkommenheit. Tiriel ist das erste Werk, in dem Blake sein Ideal in Form eines Mythos zu realisieren versuchte. Da jedoch kein direkter Anhaltspunkt zu den Namen oder in dem Werk beabsichtigten Offenbarung bestimmt oder überliefert wurde, droht das Verständnis ohne jede Beflügelung der Einbildungskraft verschleiert zu werden.
Im unregelmäßigen Metrum von vierzehn Silben werden der mysteriöse Tiriel, seine im Sterben liegende Frau Myratana, seine Kinder Heuxos, Yuva und Hela, sein Bruder Ijim und andere rätselhafte Figuren eingeführt. Von seinen beim Tod der Mutter verfluchten Kindern verstoßen, bricht Tiriel in die Nacht auf und wird von Mnetha, Har und Heva aufgenommen, verlässt diese jedoch, um seinen Weg fortzusetzen. Als nächstes begegnet er seinem Bruder Ijim, der sich von seinen wohlwollenden Annäherungsversuchen nicht beeindrucken lässt, ihn mit Beschimpfungen überschüttet und ihn schließlich, wie einen zweiten König Lear, zurück zu seinem Palast trägt. Nach weiteren Flüchen und Irrwanderungen stirbt der greise Tiriel schließlich.
Tiriel wird noch an anderer Stelle als „... Sohn des Urizen“ oder „Vernunft“ erwähnt. Davon abgesehen jedoch bleibt der Leser über Tiriel im Ungewissen. All diese Namen und Verwandtschaftsgrade hatten für Blake eine bestimmte Bedeutung, doch keine der Erkenntnisse, die bisherige Kommentatoren aus dem Werk gewinnen konnten, können uns wirklich davon überzeugen, dass der Sinngehalt adäquaten Ausdruck gefunden hätte, wenn uns die entsprechenden Schlüsselhinweise bekannt gewesen wären. Sie sind streitbare Figuren, die von einem Geist geschaffen wurden, der sich nur von seiner Intuition leiten ließ und dennoch danach strebte, eben dem Ordnungssystem, das er zwar fühlen, an das er sich jedoch nie halten konnte, ein ebenbürtiges, wenn nicht sogar überlegenes eigenes Ordnungssystem entgegenzustellen.
William Blake,
Europa, eine Prophezeiung, Druckgrafik 8,1794. Reliefradierung und weiße Radierung mit Farbdruck, handbemalt, 373 x 26,7 cm. University of Glasgow Library, Glasgow.
William Blake,
Europa, eine Prophezeiung, Druckgrafik 1, 1794. Reliefradierung und weiße Radierung mit Farbdruck, handbemalt, 37,3 x 26,7 cm. University of Glasgow Library, Glasgow.
Ein verständlicheres und wunderbares Werk findet sich jedoch im Book of Thel (Das Buch Thel), eine kürzere, ebenfalls 1789 entstandene Prophezeiung. Sie ist in demselben Metrum geschrieben, in dem auch Tiriel verfasst wurde, hat dabei jedoch die pastorale Qualität der Songs of Innocence.
Thel, die jüngste Tochter des Seraphim, beklagt die Kürze des Lebens:
Why fade these children of the spring, born but to smile and fall?
The lily of the valley:
“So weak, the gilded butterfly scarce perches on my head“ Weshalb nur vergehen diese Kinder des Frühlings, geboren nur um zu lächeln und zu entschwinden?
Das Maiglöckchen,
„So schwach gar, dass der goldbeschwingte Schmetterling kaum wagt, auf meinem Kopf zu ruhen“
tröstet sie, denn ihm genügt sein Schicksal. Auch die kleine Wolke ist mit ihrem Schicksal zufrieden, obgleich auch sie bald vergeht. Die Lilie stärkt das Lamm, die Wolke das durstende Pferd, doch Thel lässt sich davon nicht trösten und fragt weiter:
And all shall say, “Without a use this shining woman liv’d— Or did she only live to be at death the food of worms ?“ „Und alle werden sagen: „War ohne Nutzen nur das Leben dieser holden Maid - oder diente ihr Leben nur dem Zweck, bei ihrem Tode die Würmer zu nähren?“
Dem entgegnet die Wolke:
How great thy use, how great thy blessing. Everything that lives, Lives not for itself alone.
Wie wunderbar dein Nutzen, wie wunderbar dein Segen, Alles Leben Lebt nicht für sich selbst allein.
Die Wolke ruft den Wurm herbei, das „... Abbild des Schwachen“, und dessen Hilflosigkeit verwundert Thel. Darauf beugt sich der Lehmklumpen über den weinenden Wurm und ruft aus:
Thou seest me, the meanest thing, and so I am indeed. [...]
I ponder, and I cannot ponder; yet I live and love.
Du siehst mich, dies kümmerlichste aller Wesen, und wahrlich bin ich dies. [...] Ich denke und kann nicht denken; und doch lebe ich und liebe.
William Blake,
Europa, eine Prophezeiung, Druckgrafik 13,1794. Reliefradierung und weiße Radierung mit Farbdruck, handbemalt, 373 x 26,7 cm. University of Glasgow Library, Glasgow.
William Blake,
Europa, eine Prophezeiung, Druckgrafik 2, 1794. Reliefradierung und weiße Radierung mit Farbdruck, handbemalt, 37,3 x 26,7 cm. University of Glasgow Library, Glasgow.
William Blake,
Das Lied von Los, Abbildung D, Druckgrafik 1, Titelbild, 1795. Farbreliefradierung, zusätzlich handbemalt, 23,6 x 17,9 cm. The British Museum, London.
William Blake,
Das Lied von Los, Abbildung A, Druckgrafik 1, Titelbild, 1795. Farbreliefradierung, zusätzlich handbemalt, 23,5 x 17,7 cm. The British Museum, London.
Thel trocknet also ihre Tränen und bekennt, nicht geahnt zu haben, dass die Liebe Gottes so groß ist. Sie nimmt den Vorschlag des Lehms an, das Grab zu betreten und von dort wiederzukehren, aus dem die Stimme des Leids fragt:
Why cannot the ear be closed to its own destruction? to end a series of kindred questions with the lovely line: Why a little curtain of flesh on the bed of our desire?
Warum kann nicht das Ohr seiner eign’nen Vernichtung verschlossen sein?
und schließt nach einer Reihe ähnlicher Fragen mit der schönen Zeile:
Warum ein dünner Vorhang des Fleisches vor dem Bette uns’res Begehrens?
Thel geht ungehindert. Hat sie erkannt, dass, mag der Schleier des Todes auch sichtbar und spürbar sein, weder das Sehnen noch das Leben, mit dem es untrennbar verbunden ist, enden werden? Die Frage bleibt unbeantwortet, doch das Grundgefühl des Gedichts ist von zu erhabener Schönheit, um nur ins Leere zu fragen „Warum?“.
Mit dem berühtem Prosawerk The Marriage of Heaven and Hell (1790) kehren wir zur Doktrin des Verstandes zurück, die ihren Ursprung offenbar in seinen letzten Anmerkungen zu Swedenborg hat. „Himmel und Hölle werden zusammen geboren“, schrieb Blake. Diese Hochzeit der Gegensätze, die sich im Leben wiederfindet, da das Leben eine Verschmelzung von Dingen ist, die die Gedankenkraft allein nicht erhalten kann, hatte ihn seit jeher fasziniert. Er sollte sich der Aufgabe verschreiben, daraus ein intellektuelles System zu schaffen, und der darin liegende Widerspruch machte sie für ihn nur reizvoller.
In diesem Werk ist Blake zugleich klar, eindrucksvoll und in seinen Formulierungen vortrefflich. Wir stellen fest, dass der geheimnisvolle Teil das metrische „Argument“ und der beste Teil die paradoxen Sinnsprüche sind, deren Kernaussage jedoch unmissverständlich ist. In The Marriage of Heaven and Hell sagt sich Blake nicht nur von Swedenborg los, sondern beansprucht außerdem für sich, eine neue, von seinem ehemaliger Lehrmeister geweissagte Offenbarung einzuläuten. Swedenborg hatte Blakes Geburtsjahr 1757 den Beginn eines neuen geistigen Zeitalters genannt, und genau dies führte Blake am Beginn seines im Alter von dreiunddreißig Jahren verfassten Werkes an:
As a new heaven is begun, and it is now (1790) thirty-three years since its advent, the eternal Hell revives. And lo! Swedenborg is the Angel sitting at the tomb: his writings are the linen clothes folded up. Now is the dominion of Edom, and the return of Adam into Paradise.
Mit dem Beginn eines neuen Himmelreichs, und nun (1790) ist es schon dreiunddreißig Jahre her, da es geschah, erwacht mit ihm die ewige Hölle. Und siehe!
Swedenborg ist der Engel, der am Grabe sitzt; seine Schriften sind die gefalteten Grabtücher. Nun herrscht Edom und kehrt Adam ins Paradies zurück.
Humor, Bewunderung und Kritik finden in den nachfolgenden Zeilen in einer so hinreißenden Weise zusammen, dass der Leser sich an zwei der später von Blake verfassten Kommentare über seinen frühen Lehrmeister halten sollte, in denen der Streitpunkt zwischen den beiden recht deutlich zutage tritt. In dem Gedicht Milton fand Blake diese Worte für Swedenborg:
„Swedenborg, der gewaltigste unter den Menschen, der von den Kirchen verstoß’ne Samson“ und 1825 sagte er gegenüber Crabb Robinson: „Swedenborg war ein Lehrmeister von göttlicher Größe. Er hatte viel Gutes geleistet und sollte auch später noch viel Gutes leisten. Doch irrte er darin, dass er der Vernunft zu erklären versuchte, was zu verstehen sie nicht imstande war.“
Anders gesagt, Swedenborgs Herangehensweise war Blake auf intellektueller Ebene zu systematisch, und obgleich wir seine Mahnung in The Marriage of Heaven and Hell vor systematischen Vernunftgedanken zur Kenntnis nehmen sollten, dürfen wir nicht erwarten, in Blakes prophetischen Bücher vieles zu finden, was durch Vernunft allein fassbar wäre. Diese Schriften müssen der Poesie, oder Redekunst, die er als Begriff dafür bevorzugte, standhalten; versagen in diesem Vergleich die „intellektuellen Kräfte“, an die sie gerichtet waren, so versagen sie an dem einzigen Prüfstein, den Blake ihnen auferlegt hatte.
So enthielt dieses prophetische Buch, ohne dessen Existenz das Interesse an den anderen Büchern ermatten würde, die knappe Verkündung „... ohne Gegensätze kein Fortschritt“. Daraus „... entspringt, was in der Religion mit Gut und Böse bezeichnet wird. Gut ist das Passive, das der Vernunft gehorcht. Böse ist das Aktive, das der Energie entspringt. Gut ist Himmel, Böse ist Hölle.“ Weiterhin heißt es, der Körper „... ist Teil der Seele, unterschieden durch die fünf Sinne“, „. Energie ist das einzige Leben und entstammt dem Körper; die Vernunft ist das Maß oder der Umfang, der die Energie hält. Energie ist ewige Freude.“
Dann wendet Blake diese Grundsätze auf Miltons Epos an, in dem er die Vernunft mit Miltons Messias, folglich also mit dem Satan, im Buch Hiob, gleichsetzt, „... denn diese Geschichte wird auf beiden Seiten erzählt“. Anschließend beschreibt der Dichter seinen Besuch in der Hölle, wo er sich „. ergötzte an den Freuden des Genies“ und fasste einige seiner Erkenntnisse in den weisen Sprichwörtern zusammen, die uns heute nur allzu bekannt sind. Kaum eines davon, das nicht schwer zugänglich und herausfordernd wäre, doch drücken sie nur scheinbar mehr aus, als dies tatsächlich der Fall ist, denn im Grunde sind sie verschiedene Ausdrücke fast derselben Idee, und ihre bloße Menge suggeriert einen Umfang, der im Grunde nichts anderes ist als eine Wiederholung.
Am Ende der über siebzig Dikta stellt Blake dar, wie die Vorstellungen der klassischen Dichter in einer Mythologie
William Blake,
Illustration aus Das Lied von Los, Druckgrafik 5, 1795. Farbreliefradierung, zusätzlich handbemalt, 23,1 x 173 cm. The British Museum, London.
William Blake,
Das Lied von Los, Druckgrafik 6,1795. Farbreliefradierung, zusätzlich handbemalt, 22,2 x 13,6 cm.
The British Museum, London.
William Blake,
Das Lied von Los, Druckgrafik 4,1795. Farbreliefradierung, zusätzlich handbemalt, 21,4 x 13,7 cm.
The British Museum, London.
zusammengefasst wurden, die zu einem System verkam, sobald aus poetischen Erzählungen Verehrungsformen abgeleitet wurden. Die daran anschließende Memorable Fancy (Denkwürdige Phantasie) ist die Verteidigung der Einbildung als schaffende Kraft spiritueller und ewigwährender Realitäten und setzt den Gott der Hebräer mit dem poetischen Genie gleich, dem alles Übrige Tribut zollen muss.
Erneut verkündet er, die „... Vorstellung, dass der Körper des Menschen von seiner Seele zu trennen sei, ist zu verwerfen“ und erklärt in einer für ihn typischen Bemerkung, er werde ihre Auslöschung durch „... Drucken mit Ätzstoffen“ bewirken, die höllische Druckmethode, bei der alle sichtbaren Oberflächen abgetragen werden, um nur den dahinter verborgen liegenden Sinn hervortreten zu lassen. Offenkundig war der Druckvorgang für ihn zu einem symbolischen Verfahren geworden.
In einer anschließend beschriebenen symbolischen Druckerei in der Hölle werden die bestehenden Religionen als Anstrengungen der Versöhnung zwischen Menschen von schöpferischem Geiste und vernunftgeprägten Menschen definiert. In der Tat ist sogar das Buch in seiner Gesamtheit eine Kritik der Imagination an den von ihr erschaffenen Formen, Formen, die in den Händen imaginationsloser Geister genau die Energie ablehnen, durch die sie erschaffen wurden.
Von einer weiteren Kritik an Swedenborgs System gelangen wir zu dieser Definition der Anbetung Gottes: „Gottes Gaben in anderen Menschen zu ehren, wie es der Begabung des Einzelnen entspreche, und dem größten unter ihnen die größte Liebe zuteil werden zu lassen; wer einem großen Geist gegenüber Neid oder Missgunst hegt, der hegt Hass gegenüber Gott, denn es gibt nur diesen Gott.“ Diese Worte legt er selbstverständlich einem Teufel in den Mund, der sich schließlich der Vorstellung erwehrt, dass Jesus die Zehn Gebote billigte: „Es kann keine Tugend sein ohne Verstoß gegen diese Zehn Gebote. Jesus war die personifizierte Tugend und handelte vom Impuls, nicht von Vorschriften geleitet.“
Es ist ein Buch von bemerkenswertem Feuer und stimulierender Kraft: mehr Manifest als Argument und als solches von einer Natur, dass die Kritik daran eine zähe Lektüre darstellen würde. Genau genommen trägt der Leser, dessen Vorstellungskraft nicht freudig in der überspitzten Sprach- und Bildgewalt des Dichters aufgeht, nicht die notwendigen Befähigungen in sich, hat nicht die Vorstellungskraft, um es zu fassen. Blake ist insoweit ein Elementarmystiker, weil er sich keiner Tradition unterwirft, sondern stets versucht, die Ursprungsenergie, der alles entstammt, zu verkünden.
Zu dieser glühenden Darstellung bot Swedenborg den passenden Kontrast, und ihr ausgelassener Überschwang hat fast Züge einer fabelhaften Karikierung. In The Marriage of Heaven and Hell setzt Blake vertraute, gleichzeitigjedoch unterschiedliche Formen ein und ist daher gut zugänglich. In späteren Jahren sollte ihn diese Indifferenz dazu treiben, seine Schaffenskraft zu unserer Verwirrung einzusetzen, und es besteht auch nach den ehrgeizigsten Anstrengungen der bisherigen Kommentatoren kein Grund zur Annahme, dass die geheimnisvolleren, weniger zugänglichen Prophezeiungen, die folgen sollten, entweder tiefgründigere Gedanken beabsichtigten oder Ausdruck eines gleichermaßen brillianten Geistes waren. Daher ist The Marriage of Heaven and Hell als der unverzichtbare Band der prophetischen Schriften Blakes zu betrachten, dem zu Recht Rang und Ruhm eingeräumt wird. In seiner Gedankenkraft, seiner Bedeutungsschwere und seiner Bildgewalt bleibt es in der ekstatischen Literatur, zu der es zählt, bis heute unerreicht.
Der Buchhändler Johnson druckte 1791 den ersten Band von Blakes French Revolution. Es wurde nie veröffentlicht, und möglicherweise wurden die sieben vorgesehenen Bücher, die zusammen das Gesamtwerk bilden sollten, deshalb nicht weiter verfolgt, weil die Ereignisse sich anders als vom Dichter erwartet entwickelten. In dem Buch schildert er symbolisch die Versammlung der bedeutendsten Persönlichkeiten vor dem Fall der Bastille, und diese historisch denkwürdigen Namen nehmen, ähnlich den mystischen Wesen in den prophetischen Büchern, eine Gestalt von titanischer Gewalt an.
Im darauf folgenden Jahr schrieb Blake das kurze Song of Liberty (Ein Lied der Freiheit). In zwanzig in rhythmischer Prosa verfassten Strophen fordert er Frankreich, Spanien und England dazu auf, ihr Haupt zu erheben und sich ihrer Ketten zu entledigen. Das Gesetz wird mit dem Ausruf „Das Reich ist nicht mehr! und nun sollen auch Löwe und Wolf ihr Ende finden“ in den Boden gestampft. Die Religion soll nicht mehr „. die Söhne der Freude verfluchen [...] Denn alles Leben ist heilig.“
Darin ist eine Neuformulierung des Blakes’schen Leitgedankens von der ewigen Freiheit der Imagination, sich eigene Formen zu erschaffen und aus eigenem Impuls heraus zu handeln, zu erkennen. Es ist wahrscheinlich keine Übertreibung, zu behaupten, dass alle seine Lektüre, alle seine Geschichten, alle seine Mythologien lediglich Ausdruck dieses Kampfes zwischen der Vorstellungskraft und den Grenzen, die ihr die Vernunft auferlegt, sind. Wären alle Menschen Dichter und Heilige, könnte Blakes Lehre von endgültiger und befriedigender Kraft sein. Blakes eigenes Leben beweist, dass er sich dadurch in äußeren Beziehungen nicht in die Irre führen ließ, und bleibt insofern eine bemerkenswerte Ausnahme, als sein Leben die Ordnung zu besitzen schien, die in seinen Werken - so herrlich sie in ihrer besten Form auch sein mögen - oftmals fehlte. Sein Leben begründet rechtfertigend seine Lehre. Seine Handlungen waren von einer Ordnung geprägt, die seine Werke nicht immer aufwiesen.
Blakes letztes Werk aus seiner Zeit in der Poland Street, Visions of the Daughters of Albion (Visionen der Töchter Albions), wird auch als „Blakes Buch der Liebe“ bezeichnet. Oothoon, die jungfräuliche Freude der Liebe, deren Umarmungen von den moralischen Zwängen, unter denen ihr Geliebter Theotormon leidet, zurückgewiesen wurden, ruft aus:
Who taught thee modesty, subtil modesty, child of night and sleep? And does my Theotormon seek this hypocrite modesty?
William Blake,
Illustration aus dem Buch Ahania, Druckgrafik 1, 1795.
Tiefdruckradierungen, farbig gedruckt, 28,8 x 23,2 cm.
Rosenwald Collection, Library of Congress, Washington, D.C.
William Blake,
Illustration aus dem Buch Ahania, Druckgrafik 2, 1795.
Tiefdruckradierungen, farbig gedruckt, 28,8 x 23,2 cm.
Rosenwald Collection, Library of Congress, Washington, D.C.
ORlT.tL
William Blake,
Illustration aus dem Buch Los, Druckgrafik 2, 1795.
Radierung mit farbigem Flachdruck, zusätzlich handbemalt, 13,5 x 9,7 cm. The British Museum, London.
But Oothoon is not so, a virgin fill’d with virgin fancies, Open to joy and to delight wherever beauty appears: If in the morning sun I find it, there my eyes are fix’d In happy copulation: if in evening mild, wearied with work, Sit on a bank and draw the pleasures of this freeborn joy.
Wer lehrte dich Sittsamkeit, leise Sittsamkeit, o Kind von Nacht und Schlaf? Und strebt mein Theotormon nach dieser heuchelnden Sittsamkeit?
Doch Oothoon ist nicht so, ist eine Jungfer voll jungfräulicher Phantasie. Der Freude, dem Enzücken geneigt, wo immer Schönheit sich zeigt.
Find ich sie im Morgenlicht, lenkt sich mein Blick auf sie. In glückvoller Vereinigung: find ich sie in der Abendsänfte, müde vom Tagwerk,
Sitz ich an einem Ufer und ergötze mich an diesen freigebor’nen Freuden.
Es folgt eine Stelle, die in ihrer Schönheit einer der Zeichnungen Blakes gleichkommt:
The moment of desire! The moment of desire! The virgin That pines for man shall awaken her womb to enormous joys.
In the secret shadows of her chamber. The youth shut up fromThe lustful joy shall forget to generate, and create an amorous image.
In the shadows of his curtains and in the folds of his silent pillow. Are not these the places of religion, the rewards of continence, The self-enjoyings of selfdenial? Why dost thou seek religion?
Is it because acts are not lovely that thou seekest solitude, Where the horrible darkness is impressed with reflections of desire?
Der Augenblick der Begierde! Der Augenblick der Begierde! Die Jungfer, die nach dem Manne sich verzehrt, erweckt ihren Schoße zu üppigen Freuden. In den heimlichen Schatten ihrer Kammer. Die Jugend, der solch lustvolle Freude versagt bleibt, wird vergessen zu zeugen und wird sich wollüstige Bilder schaffen.
In den Schatten seiner Vorhänge, in den Falten seines stummen Kissens. Sind dies nicht die Stätten der Religion, der Lohn der Enthaltsamkeit, die Selbstwonne der Selbstentsagungen? Wieso strebst du nach Religion?
Ist’s, weil die Taten nicht berückend sind, dass du nach Einsamkeit strebest, wo die schreckliche Finsternis erfüllt ist vom Widerschein der Begierden?
William Blake,
Illustration aus dem Buch Los, Druckgrafik 1, Titelbild, 1795.
Farbig gedruckter Monotyp, wahrscheinlich über geätzte Kontur hinaus, zusätzlich handbemalt, 13,7 x 99 cm.
The British Museum, London.
Blake, selbst kein Poet der Begierde, stand es frei, den Energien des Körpers eine ähnliche Freiheit zuzusprechen, die er zuvor bereits für die Seele in Anspruch genommen hatte. Nur allzu gerne will man Ellis Glauben schenken, wenn er so verlockend unterstellt, dass diese Vision „... als Teil der Bildung der streng puritanisch erzogenen Catherine Blake erdacht“ wurde.
Wenn Blakes konkrete Ideen sonderbar erscheinen, so liegt dies an der Tatsache, dass er selbst ein höchst tugendhafter Mann war, dessen Impulse nicht nach Zurückhaltung, sondern nach Ausdruck verlangten. Dieser Anspruch erscheint zwar gewaltig, doch erschließt sich mir, und dies ist eine schwere Prüfung, kein Nachweis in Blakes Leben, der belegt, dass er dessen nicht würdig wäre.
Lambeth
Die darauf folgenden sieben Jahre zwischen 1793 und 1800 waren die produktivste Zeit in Blakes Leben. Auch der kurze Lebensabschnitt in relativem Wohlstand fiel in diese Zeit, die durch Blakes eigenes Handeln ihr Ende fand, das ebenso sehr von imaginativer Weisheit zeugte wie von finanzieller Sorglosigkeit. Blake lebte und schrieb seine Sprichwörter und stellte das Diktum „Die Klugheit ist eine reiche, hässliche alte Jungfer, der die Unfähigkeit den Hof macht.“ Er verfasste in Lambeth nicht nur die Prophezeiungen America (1793, Amerika), Europe (1794, Europa, Eine Prophezeiung), das erste Book of Urizen (1794, Das Buch Urizen), den Song of Los (1795, Das Lied von Los) und Book of Ahania (1795, Das Buch Ahania) und begann zwei Jahre später mit seiner herrlichen Ausgabe von Four Zoas (Die Vier Zoas), sondern fertigte außerdem auch weiterhin Kupferstiche an.
Seine wichtigsten Bildwerke waren die illuminierte Ausgabe der Songs of Experience (1794) und seine Sammlung von 537 Zeichnungen für Youngs Night Thoughts (Nachtgedanken), eine Auftragsarbeit Blakes für den Buchhändler Edwards in der New Bond Street. Das Buch sollte in mehreren Teilen herausgegeben werden, doch nur der erste, dreiundvierzig Bilder enthaltende Teil erschien 1797. Zu den Kupferstichen seiner eigenen Zeichnungsentwürfe zählten Gates of Paradise (Die Pforten des Paradieses) „für Kinder“ oder, wie er später sagte, „für beide Geschlechter“. Die ersten begleitenden Paarreime, die Keys of the Gates (Schlüssel zum Paradies), spiegeln in Reimform die in den Buchgrafiken dargestellte Idee wider. Erneut werden wir erinnert:
Mutual forgiveness of each vice, Such are the Gates of Paradise, Against the Accuser’s chief desire, Who walk’d among the stones of fire.
Jehovah’s Finger wrote the Law;
Then wept; and rose in zeal and awe, And the dead corpse, from Sinai’s heat,
Buried beneath His Mercy-seat.
O Christians! Christians! tell me why
You rear it on your altars high?
Einander vergeben für all unsere Verirrungen,
Darin liegen die Pforten des Paradieses, Gegen des Verleumders teuerstes Begehren, Der wandelte zwischen Steinen aus Feuer.
Jehova schrieb mit seinem Finger das Gesetz;
Und weinte fortan; und erhob sich in Hingabe und Ehrfurcht, Und der tote Körper, von der Glut des Sinai,
Begraben am Fuße des Gnadenstuhls. O Christenheit!
Christenheit! Sagt, wieso
Errichtet Ihr ihn hoch oben auf Euren Altaren?
Es enthält sechzehn Platten. Nach der Änderung des Titels wurden gewisse Überarbeitungen vorgenommen. Die Platte für die Frontispize zeigt zwei Blätter. Auf dem oberen sitzt eine Raupe, auf dem unteren ein Kokon mit menschlichem Gesicht, der einem Säugling in Windeln ähnelt. Dadurch erklärt sich auch das Bild, das Blake vor seinem inneren Auge sah, als er das Reimpaar in den Auguries of Innocence (Weissagungen der Unschuld) schrieb, das, mit einer Änderung, auch in den ersten Zeilen der Keys of the Gates vorkommt:
The caterpillar on the leaf
Repeats to thee thy mother’s grief.
Die Raupe auf dem Blatt
Wiederholt dir deiner Mutter Kummer.
Sein Blick und seine Imagination legten das Bild nahe, für das seine Graphik die Erläuterung darstellt; seine Bildwerke geben oftmals Aufschluss auf sein Sinnen, und sein Ziel war es, seine Ideen zur Kunst zu erheben.
Durch Tatham erfahren wir mehr Persönliches über Blakes Leben in Lambeth. Das Haus besaß einen Garten mit einem Rebstock, und Blake achtete sorgsam darauf, dass die Reben nie zurückgeschnitten wurde. Sie wucherte vor Blattlaub und kleinen, bitteren Trauben und entwickelte sich mehr zu einer alles bedeckenden Laubenpflanze als zu einem Obststrauch. In der Nähe stand außerdem ein Gartenhäuschen. Hier sollte Thomas Butts33, ein enger Freund Blakes und der einzige ihm stete Förderer, eines Tages, wie er erzählte, gesehen haben, wie Blake und seine Frau unbekleidet wie Adam und Eva sitzend Stellen aus Paradise Lost in Rollenverteilung gelesen haben.
John Linnell34, der Blake in seinen späteren Jahren kannte, bezweifelte nachdrücklich den Wahrheitsgehalt dieser Anekdote, und Samuel Palmer, ebenfalls ein Anhänger des späten Blake, schrieb in einem seiner Briefe an L. R. Valpy: „Mir scheint, Butts hat in seiner Erinnerung seinen Besuch bei ‘Adam und Eva’ ausgeschmückt. Ich glaube ihm nicht. Es scheint mir ganz und gar nicht nach Blake.“
William Blake,
Der Geist eines Flohs, um 1819-1820.
Tempera veredelt mit Gold auf Mahagoni, 21,4 x 16,2 cm. Täte Gallery, London.
Johann Heinrich Füssli,
Göttliche Komödie. Inferno, Dante und Vergil auf dem Eis des Kozythos, 1774. Feder, Tinte und Aquarell, 39 x 27,4 cm.
Kunsthaus, Zürich.
William Blake,
Der Geist von Nelson geleitet Leviathan, um 1805-1809. Tempera auf Leinwand, 76,2 x 62,5 cm. Täte Gallery, London.
Diese Legende wurde jedoch immer schon gern erzählt. Sie galt zunächst als Beleg für Blakes Wahnsinn; inzwischen wird sie als Beispiel für das Phänomen zitiert, in welchem Maße Blakes Image als Exzentriker jede Legende über ihn, jede Äußerung von ihm noch verstärkt und so das vorgefasste Bild von seiner Persönlichkeit weiter nährt. Selbst wenn die Geschichte stimmt, wäre ihre Bedeutung nichtig. Sie erzählt lediglich von einem einzelnen Ereignis, und alle Menschen von großer Vorstellungskraft, die oft wie große Kinder sind, verspüren zuweilen den Drang, wunderliche Verhaltensexperimente durchzuführen, um, wie es auch Kinder tun, in eine Haut schlüpfen zu können, die sich deutlich von ihrer tatsächlichen, normalen Persönlichkeit unterscheidet.
Blake hätte sicher gelacht, wäre er selbst Zeuge einer solchen Szene geworden, doch seine Einbildungskraft könnte durchaus nahe legen, dass einer spontanen Laune nachgegeben werden sollte. Der Reiz daran ist die einmalige Unternehmung einer Sache, die, würde sie ständig gemacht werden, nur albern und stumpfsinnig wäre. Unbestreitbar ist jedoch, dass selbst Catherine Blakes Folgsamkeit gegenüber ihrem Ehemann damit auf eine starke Probe gestellt worden wäre, und da zwei zuverlässige Quellen an der Wahrheit der Geschichte zweifelten, stellt sie vor allem einen äußerst interessanten Prüfsten für unser eigenes Bild von Blakes Person dar.
Butts war nicht der einzige, der Blake in seinem Garten besuchte. Tatham erzählt von einer Anekdote, nach der die Blakes bei der Rückkehr von einem ihrer langen Spaziergänge feststellen mussten, dass jemand eine Platte „... im Wert von £ 60 und Kleidung im Wert von weiteren £ 40 gestohlen“ hatte. Das Wort „Platte“ wurde möglicherweise irrümlich anstelle von „Platten“ verwendet, also bearbeitetes und unbearbeitetes Kupfer, das für den Kupferstecher den genannten Wert hatte, sofern nicht, wie Ellis anmerkt, seine wohlhabenden Schüler, die er inzwischen unterrichtete, Blake ausgesprochen kostspielige Geschenke machten. Tatham erwähnt außerdem die Summe von £ 40, die Blake einem freidenkenden Schriftsteller geliehen hatte, der darüber klagte, dass trotz der zahlreichen philosophischen Schriften, die er verfasst hatte, seine Kinder ohne Abendessen hungrig zu Bett gehen mussten. Die Ehefrau des Schriftstellers drückte ihre Dankbarkeit in einem Besuch aus, den sie Catherine Blake einige Tage später abstattete, um sie nach ihrer Meinung zu einem „. ausgesprochen hinreißenden Kleid“ zu fragen, das sie trug.
Eine nicht weniger bezeichnende Anekdote erzählt von einem blassen jungen Mann, der jeden Tag mit einer Mappe voller Zeichnungen unter dem Arm an Blakes Haus vorbeiging. Blake machte sich mit ihm bekannt und nahm ihn, zutiest mitfühlend mit dessen Lage, freiwillig als Schüler auf und kümmerte sich bis zu seinem Tode um ihn. Ob es nun Blakes andere Schüler waren, die ihm die entwendete Platte geschenkt hatten, oder nicht, so waren sie, in Tathams Worten, doch „... von hohem Rang“ und so einflussreich, dass ihm die Stellung des königlichen Zeichenmeisters angeboten wurde. Die Annahme dieser Stellung hätte ihm ein Leben ohne finanzielle Sorgen sichern können, doch er war „entsetzt“ über die Aussicht, dass seine Kunst möglicherweise nur noch in Königshäusern hängen werde und entband gleichzeitig in einer wunderbar vornehmen Geste alle seine Schüler von ihrer Pflicht. Andernfalls, so fürchtete er, könnte seine Nichtannahme der angebotenen Stellung bei Hofe als unhöflich und undankbar verstanden werden, da er mit Revolutionären befreundet gewesen war.
Diese Entscheidung trieb ihn offenkundig fast augenblicklich in den finanziellen Ruin, denn schon 1798 wurden ihm keine Kupferstichaufträge mehr erteilt, die neben dem Unterricht seine einzige verlässliche Einnahmequelle waren. Selbstverständlich war das Unterrichten für Blake weitaus lukrativer, denn seine Kupferstiche waren nie gut bezahlt worden. Er fühlte sich aber zur Aufgabe seiner Haupteinnahmequelle gezwungen. In seiner Finanzkrise trat glücklicherweise Butts in sein Leben, der von 1799 an steter Förderer der Werke Blakes sein und bleiben sollte. Zu Recht würdigt ihn Samuel Palmer in einem weiteren Brief an Valpy als „... dieser bemerkenswerte Mensch, dieser wunderbare Schutzengel des britischen Genies.“ Er war in der Tat ein wunderbarer Schutzengel, denn über einen Zeitraum von mehr als zwanzig Jahren kaufte er nicht nur jede Arbeit, die Blake gerade anfertigte, sondern kaufte gegen einen geringen Preis auf regelmäßiger Basis und war bereit, jede Woche eine Zeichnung zu erwerben.
Von den vier Förderern Blakes - Mrs. Mathew, Thomas Butts, Hayley35 und Linnell - hatten nur Butts und Linnell Glauben und tiefstes Vertrauen an Blakes Genie und nahmen daher bereitwillig alles an, was dieses Genie zu geben hatte. Zum Lebensende des Künstlers war Butts Haus am Fitzroy Square zu einem Museum geworden, das vor unzähligen Beispielen seiner Zeichen- und Kupferstichkunst nahezu überquoll. In dem oben erwähnten Brief schrieb Samuel Palmer:
Blake äußerte oft den Wunsch, mich selbst zu Butts zu bringen, doch noch bevor es dazu kommen konnte, ‘... kam die blinde Wut’.“ Welch Spektakel, welch spektakulärer Mensch! Welch eine Schatzkammer als Haus! Welch selbst ernannter Prinz vereinte je unter seinem großen Dach einen solchen Reichtum kostbarer Gedanken! Ja, ein so unermesslicher Reichtum, selbst, wenn alles verschlingende Flammen und zerstörerische Hände nur noch einen kleinen Rest gelassen hätten.
Es ist ein wärmender Gedanke, dass Blake gerade in seiner größten Not den Schutzengel fand, der dieser Aufgabe gewachsen war.
Die passendsten Einleitungsworte zu den prophetischen Büchern, die Blake während seiner sieben Jahre in Lambeth fast
William Blake,
Der Barde, aus Gray, um 1809.
Tempera veredelt mit Gold auf Leinwand, 60 x 44,1 cm. Täte Gallery, London.
ZOl
William Blake,
Satan frohlockt über Eva, 1795.
Graphit, Stift, schwarze Tinte und Aquarell über Farbdruck, 42,5 x 53,2 cm. The J. Paul Getty Museum, Los Angeles.
William Blake,
Adam benennt die wilden Tiere, 1810.
Tempera auf Leinwand, 74,9 x 61,1 cm.
Glasgow Museums: The Stirling Maxwell Collection, Pollok House, Glasgow.
ausschließlich beschäftigen sollten, finden sich in den an die Leserschaft gerichteten Absätzen in der Einleitung zum später entstandenen Jerusalem. Über „... das Versmaß, in dem das Nachfolgende Gedicht geschrieben ist“ hat Blake folgendes zu sagen: Als ich diese Strophe erstmals vorgelesen hörte, hielt ich eine von den heutigen Fesseln der Reimdichtung befreite monotone Kadenz, wie sie etwa von Milton und Shakespeare, wie überhaupt von allen englischen Vertretern der Blankversdichtung, eingesetzt wurde, für einen notwendigen und unverzichtbaren Bestandteil der Dichtkunst. Doch bald schon merkte ich, dass eine solche Monotonie, wird sie erst einem wahren Redekünstler in den Mund gelegt, nicht nur schwerfällig und ungeschickt ist, sondern die Verse ebenso beschränkt wie der Reim selbst. Daher habe ich jeder Zeile unterschiedliche Gestalt verliehen, sowohl was Kadenzen als auch die Anzahl der Silben betrifft. Jedes Wort und jeder Buchstabe ist wohl durchdacht und an seinen richtigen Platz gesetzt - die herrlichen Maße sind den herrlichen Stellen vorbehalten, die sanften und ruhigen Maße den sanften und ruhigen Stellen und die prosaischen Maße den geringerwertigen Stellen; sie alle bedingen einander. Poesie in Fesseln zwingt auch den Menschen in Fesseln.
Zu seiner Mythologie nimmt Blake in demselben Gedicht ebenfalls Stellung:
„Ich muss ein eigenes System mir schaffen oder dem eines anderen untertan sein. Ich strenge weder Vernunft noch Vergleich an: Meine Sache ist es nur, zu schöpfen.“
Die erste Stelle lässt vermuten, dass er möglicherweise versucht hat, eine seiner Prophezeiungen in Blankvers zu schreiben, sich dies jedoch als zu schwierig erwies. Zwar enthalten die prophetischen Bücher, abgesehen von der Lyrik, durchaus Zeilen von großer Schönheit, doch kann man weder Blakes Behauptung, dass jedes Wort und jeder Buchstabe mit Bedacht gewählt wurde, noch dass das gesamte Werk eine unerschöpfliche Gestaltungsvielfalt biete, unbesehen zustimmen. Diese Werke stecken voller Monotonie und Wiederholungen und weisen alle typischen Fehler eines unvollständig durchdachten Werkes auf.
Man kann auch nicht die Meinung teilen, dass, sofern nur ein umfassender Leitfaden für die mythologischen Sinnbilder und Beziehungen in diesen Gedichten vorläge, alles plötzlich hinnehmbar erschiene. Die Form würde dadurch nur noch kraftloser. Keine bisher enträtselte Textstelle lässt sich von ihrer Kraft oder Schönheit mit den wunderbar klaren Texten, zu denen wir noch kommen, vergleichen, die überhaupt keiner Durchleuchtung bedürfen. Obgleich diese Seiten wohl nicht seine größten Meisterwerke darstellen, sind sie dennoch interessant.
Die Vorstellung, dass Blake als Künstler nicht nur schöpferisch tätig sein, sondern sich auch ein eigenes „System“ erschaffen muss, entstand in ihm vermutlich durch die eingehende Beschäftigung mit seinen Modellen. Das einzige Epos, das ihm vertraut war, war das von Milton; die einzige Literatur, mit der er aufgewachsen war, waren die Bibel und Swedenborgs Werke. Die einzige Kunst, die ihn in seinem Leben und schon als Jungen begleitet hatte, war die Kirchenkunst, und es bestand in ihm nie der geringste Zweifel, dass ein einziger Verstand allein zu schaffen vermochte, was erst durch die Traditionen mehrere Jahrhunderte zur Perfektion gebracht wurde - ein unmäßiges, übertriebenes Bestreben.
In seinen Schriften zu einer Sprachform gezwungen, erdachte er sich neue Bezeichnungen und strebte ohne Berücksichtigung des Narrativen danach, ein Epos zu schaffen. ‘Los’, die Vorstellungskraft, ist, rückwärts gelesen, ‘Sol’, also Sonne, doch im Falle der anderen Namen erschließt sich das Verständnis nur durch den Kontext. Blake, der die ’Göttliche Menschheit’ mit der Imagination, oder: Emanation, des Menschen und die Vernunft mit Urizen gleichsetzt, widmet dem Kampf zwischen diesen beiden ein Buch nach dem anderen. In Jerusalem schreibt er:
Each man is in his Spectre’s power
Until the arrival of that hour, When his Humanity awake, And cast his Spectre into the lake.
Jeder Mensch ist seines Phantomes Macht erlegen
Bis einst die Stunde ihm schlägt,
Da in ihm die Menschlichkeit erwacht,
Und sein Phantom in die Tiefen des Sees wirft.
Wir werden uns dieser Wirklichkeit durch direkte Vision gewahr, die uns als göttliche Gabe von der alles erschaffenden Urkraft alles Materiellen geschenkt wurde. Um unsere Verbindung mit ihr zu stärken, erschaffen wir durch die Kraft unserer Vorstellung Bilder nach ihrem Abbild. Es gibt also drei Welten: die Natur, die Übernatürlichkeit des Menschen und die Übermenschlichkeit der Kunst. Nach Blakes Meinung versagt diese Welt der Kunst in ihrem edelsten Nutzen, sobald sie sich dabei genügt, Abwandlungen ihrer minderwertigen Werke zu schaffen. Er sah den Sinn der Kunst darin, durch sie ohne das Hilfsmittel der Symbolik etwas Hehres, gar die Seele selbst, zu verwirklichen. Die Kunst muss auf die eigenen Mittel verzichten, wenn sie rein bleiben will.
Einem Mystiker, der nicht zugleich Künstler ist, sind Blakes Werke unmittelbar zugänglich, wenngleich er sich auch fragen mag, warum Blake die ihm eigene Imagination nicht genug war. Ein Künstler hingegen weiß um den erhebenden Unterschied zwischen Kunst und Mystizismus und fragt sich, warum Blake sich absichtlich ein zum Scheitern verurteiltes Ziel setzen sollte, indem er diese beiden zu vermischen suchte.
All seine prophetischen Bücher gehen in Variationen desselben Themas auf, nämlich dem Konflikt zwischen dem
William Blake,
Gott richtet Adam, 1795.
Farbig gedruckte Reliefradierung mit Tinte und Aquarell auf Papier, 43,2 x 53,5 cm. Täte Gallery, London.
William Blake,
Satan in seiner ursprünglichen Herrlichkeit, ‘Du warst perfekt bis man den Frevel in dir fand’, um 1805.
Stift, Tinte und Aquarell auf Papier, 42,9 x 33,9 cm.
Tate Gallery, London.
spirituellen oder imaginativen Impuls des Lebens und den Grenzen und Hindernissen, die diesem durch die mit Makeln behaftete Beschaffenheit des Menschen oder durch moralischen, gesetzlichen, gesellschaftlichen oder durch eine Religionsform geschaffenen Druck auferlegt werden. Blakes Absicht war es, diesen Konflikt in seiner Kunst zu lösen und diese so auf eine spirituelle Ebene zu heben und gesellschaftliche Zwänge zu überwinden.
In seinem Gesamtschaffen repräsentieren alle von Blake erdachten oder verwendeten Namen nicht Orte oder Personen, sondern abstrakte Ideen. In Visions of the Daughters of Albion schreibt Blake der Töchter „... seufzendes Sehnen gen Amerika“, und in America, der 1793 gestochenen Prophezeiung, ist es der rebellische Geist, der sich gegen die dem Verlangen auferlegten Schranken auflehnt.
Urthona scheint eine weitere Instanz von Los (Imagination) zu sein und Orc verkörpert das freie, ungezügelte Verlangen oder die unbändige Leidenschaft. Orc sieht in Amerika „... eine schreckliche Geburt“ stattfinden. Die beschriebene Revolution ist zugleich historisch und symbolisch, Amerika und Albion sind beide zugleich Land und Sinneshaltung. Washington, wie auch andere tatsächlich existierende Namen, sind bei Blake Symbolfiguren. Die Lobpreisung der Freiheit des Geistes erfolgt durch die Erzählung zeitgenössischer Ereignisse, obschon der Kampf im Himmel des menschlichen Geistes der eigentliche Konflikt ist und die historischen Ereignisse lediglich seinen Widerhall auf Erden darstellen.
An einer sehr interessanten Stelle erklärt uns Blake: wäre es Albions Engel gelungen, diese Rebellion zu unterdrücken, „... so wäre Amerika verloren gewesen, verschlungen vom Atlantik, und auf Erden wäre ein weiterer Teil der Unendlichkeit verschwunden.“ Die Rechtfertigung für diese Revolte verbirgt sich hinter den folgenden rhetorischen Fragen:
Must the generous tremble, and leave his joy to the idle, to the pestilence.
That mock him? Who commanded this? What God?
What angel?
To keep the gen’rous from experience till the ungenerous Are unrestrain’d performers of the energies of nature;
Till pity is become a trade, and generosity a science
That men get rich by.
Muss der Großzügige bang sein und seine Freude darbieten den Untätigen, den Übeln, die ihn verspotten? Wer trug diesen Befehl auf? Welcher Gott? Welcher Engel?
Die Großzügigen von der Erfahrung auszuschließen, bis die Ungroßzügigen ungehindert walten über die Energien der Natur;
William Blake,
Der Wirbelwind: Ezekiels Vision von Cherubim und Räder mit Augen, um 1803-1805.
Stift und Aquarell über Graphit auf Papier, 39,4 x 29,5 cm.
Museum of Fine Arts, Boston.
Bis Erbarmen ein Geschäft, Großzügigkeit eine Wissenschaft wird, aus denen man Geld schöpft. Die Wirkungen des Sieges beschreibt er in seiner typischen Art:
The doors of marriage are open, and the priests, in rustling scales, Rush into reptile coverts, hiding from the fires of Orc.
That play around the golden roofs in wreaths of fierce desire,
Leaving the females naked and glowing with the lusts of youth.
For the female spirits of the dead, pining in bonds of religion,
Run from their fetters; reddening, and in long-drawn arches sitting,
They feel the nerves of youth renew, and desires of ancient times
Over their pale limbs, as a vine when the tender grape appears.
Die Türen der Hochzeit stehen offen, und die Priester eilen, mit scheppernden Gewichten, in Schlangengruben, zum Versteck vor den Feuern des Orc.
Die um die gold’nen Dächer züngeln in Flammenkränzen der Begierde,
So dass die Frauen nackt vor jugendlicher Wollust glühen.
Denn die Geister der toten Frauen, schmachtend in den Ketten der Religion,
Entfliehen ihren Fesseln; errötend und in gedehnter Krümmung sitzend,
Spüren sie das Mark der Jugend in sich zurückkehren, und die Begierden aus lang vergangenen Tagen.
Über ihren blassen Gliedern, wie ein Rebstock beim Aufknospen der zarten Traube.
Die Welt der Konvention wird vernichtet, und Urizen „... vergehend in bitter vergossn’nen Tränen vor den unerbittlich stehenden Amerikanern“ werden zwölf Jahre -genau der Zeitraum, der zwischen dem Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg und der Französischen Revolution lag -gewährt, in der „... die Engel und die Schwachen“ über die Starken herrschen sollten, danach „... dann sollen sie ihr Ende finden“. Frankreich, Spanien und Italien erleben, wie die Unterdrücker von Albion nun „... vom eig’nen Übel gepeinigt“ werden, denn zu „... langsam schreiten sie voran, zu schließen die fünf Tore ihres gesetzgetrieb’nen Himmels“ vor den Sinnen und sind daher „... ohne Wehr gegen den Sturm des Orc“. Die „fünf Tore“ werden zerstört und die unerbittlichen Flammen lassen die Himmel und die Häuser der Menschen in ihrem Lodern hell erleuchten.
Viele erhofften sich, der spät erfolgte Krieg habe die Regenerierung der Welt eingeläutet; es ist daher kaum verwunderlich, dass jemand von so glühender Leidenschaft wie Blake hohe Erwartungen in die Revolutionen seiner Zeit setzte. Sein nächstes Werk, Europe ist weniger Prophezeiung als vielmehr ein Rückblick auf die Geschichte seit Anfang der christlichen Zeitrechnung im Licht der Revolution, die America bereits angekündigt hatte.
Hier tauchen neue, rätselhafte Namen auf, die sich jedoch in unübertrefflicher Schönheit zusammenfügen: „Den Fischen gleich, die fröhlich auf den Wellen springen, wenn der kalte Mond am frischen Tau sich stärkt.“ In diesen Zeilen liegt purer Zauber. Möglicherweise waren es Zeilen wie diese, von denen sich William Butler Yeats36 in seinen Werken inspirieren ließ. Wir erfahren, dass Enitharmon, die Emanation von Los und eine der Töchter Albions, achthundert Jahre geschlafen hatte. „Die Gedankenkraft bog sich die Unendlichkeit zu einer Schlange“ und weiter:
. der Mensch ward zum Engel, der Himmel zu einem mächtigen, stetig sich windenden Rund, Gott zum gekrönten Tyrann / Gott zum kronengeschmückten Tyrannen / Gott zum Tyrannen mit geschmeidgeschmücktem Haupte.
Diese Zeilen, in denen Blake seine Geschichtsauslegung ausdrückt, führen uns wieder seine Behauptung aus dem früheren Werk vor Augen, dass ohne das poetische Genie alle Gedanken „. immerzu stumpf denselben trüben Kreis beschreiten“ würden. In Europe blickt Blake nach England, dessen spirituelle Seite Albion ist, und erklärt seinen Zustand zum „. Triumph der Frau“.
Every house a den, every man bound: the shadows are fill’d / With spectres, and the windows wove over with curses of iron: / Over the doors “Thou shalt not”, and over the chimneys Fear is written.“
Jedes Haus ein Verlies, jeder Mensch in Ketten: die Schatten erfüllt / Von Schreckensgespenstern, die Fenster verdunkelt von eisernen Flüchen: / Über den Türen warnt das „Du sollst nicht“, und über den Kaminen hängt lähmend die Furcht.
Enitharmon erwacht aus ihrem achthundertjährigen Schlaf, singt ihren überglücklichen Kindern vor und bittet in ihren Liedern Orc: „. erfüll uns’re Berge mit deines roten Glanzes Freude“. Den Morgen bestaunend, erhebt er sich über die Weinberge Frankreichs, das Buch endet damit, dass Los seine Söhne herbeiruft, an seiner Seite den spirituellen Kampf zu bestreiten. In dem Vorwort der Linnell-Ausgabe der Prophezeiung heißt es, dass Europe Blake von einer Elfe diktiert worden sein soll, der er begegnete, als sie auf einer Tulpe saß.
Im ersten Book of Urizen offenbart Blake außerdem sein ultimatives Argument. Das Werk setzt sich aus einem kurzen Prolog und neun kurzen Kapiteln zusammen. Die Zeilen sind in höchstens neun Silben verfasst, und das Thema beschränkt sich
William Blake,
Illustration aus Das Buch Hiob, ‘Als die Morgensterne sangen’, um 1805-1810.
Stift, schwarze und graue Tinte, graue Lavierung und Aquarell über feiner Bleistiftzeichnung auf Papier, 28 x 18,5 cm. The Morgan Library & Museum, New York.
strenger auf die Systeme oder Wirkweisen von Urizen in ihrem unermüdlichen Bestreben, alle instinktive Energie durch Gesetze, Vorschriften und moralische Grundsätze unter ihr Joch zu stellen, zu fesseln und einzuschließen. Dagegen müssen sich immerzu die Kräfte der Ewigkeit stemmen.
In diesem Buch, das als Blakes Version der Genesis zu verstehen ist, wird Urizen mit dem natürlichen oder sterblichen Leben gleichgesetzt, und das sterbliche Dasein des gewöhnlichen Menschen findet sein Ende, nachdem er sein Leben in Unabhängigkeit von der ihn geschaffenen Urkraft verbracht hat. Blake erinnert uns daran, dass Adam im Paradies nicht dasselbe Wesen war wie der aus dem Paradies vertriebene Adam - der eine war ein göttliches Wesen von ewigem Leben, der andere das erste Wesen von Sterblichkeit. Die Verwendung des Begriffes ‘man’ (Mann; Mensch) löst mit seiner Doppeldeutigkeit Verwirrung aus, und die fremde Symbolik der Mystiker tritt nirgends so deutlich zutage wie in der andersartigen Betonung, die eingesetzt wird, um denselben Ideen Nachdruck zu verleihen.
In Blakes Buch steigt ein Schatten in die Ewigkeit empor, noch bevor die Erde oder der Tod existieren. Aus dem Wasser erhebt sich „... eine unermessliche Welt voll undurchdringlicher Wege“, die Ewigkeit wurde jäh entzweit und „... es blieben vergängliche Fragmente des Lebens“. Urizen baut sich Festungen gegen die tobenden Feuer der Ewigen Kräfte, die den von ihm erschaffenen schwarzen Erdkreis erblicken. Los übernimmt für sie die Aufgabe des Überwachers. Er beobachtet sowohl die sieben Veränderungen, die Urizen durchmacht, als auch die Verwandlungen von Gesetz und Vernunft in deren niemals enden wollenden Bemühen, das sich ihren Beschränkungen und Verboten entziehende Leben in Ketten zu fesseln. Das Erbarmen wird als „... das erste weibliche Wesen“ geschaffen und es wird ein Vorhang „... mit Namen Wissenschaft“ gewoben, der die Ewigen Kräfte von den Kindern der Zeit trennen soll. Selbst Los „... blickte nicht länger die Ewigkeit“.
Enitharmon, die Emanation des Los, gebiert das Kind Orc (das Verlangen), das die um es gelegten Ketten sprengt. Mit Orc schließlich erwachen die zuvor der Imagination leblos Verschlossenen nun zum Leben. Urizen ergründet den Abgrund der Vernunft mit den Mitteln der Wissenschaft, während Enitharmon, umschlossen von Prophezeiung und Poesie, „... ein gewaltiges Geschlecht“ spiritueller Verlangen gebiert. Urizens Kinder sind „... die Söhne und Töchter der Schwermut“, die er verzweifelt verflucht, als er erkennt, dass weder „... Fleisch noch Geist“ seine „... eisernen Gesetze“ zu befolgen vermögen und das Leben, vom Tode zehrend, durch diesen am Leben bleibt. Aus den Tränen der Vernunft wird das Erbarmen, „... ein kalter Schatten“ folgt ihm „... wie der Spinne Netz“, und dieses Netz wiederum ist das „... Netz der Religion“, die wiederum die Entsagung vom Verlangen ist. Unter diesem Netz schrumpfen die Sinne, so dass die Augen mit ihrem geschrumpften Vermögen nicht mehr fähig sind, „... die verwob’ne Heuchelei“ darin zu erkennen. Zum Ende der „... sechs Tage“ ist die geistige Welt so stark wie die materielle
And on the seventh day they rested
And they bless’d the seventh day, in sick hope,
And forgot their Eternal Life
Und am siebenten Tag ruhten sie
Und segneten den siebenten Tag, in schwacher Hoffnung.
Und vergaßen ihr ewiges Leben,
fast gar wie in einer Wildnis voller Sonntage. Das „... menschliche Herz“ wird „... an die Erde gekettet durch die Grenzen der Wahrnehmung“ und ihre Kinder weinten und errichteten
Tombs in the desolate places,
And form’d Laws of Prudence, and call’d them
The Eternal Laws of God.
Gräber an verlassenen Stätten
Und schrieben Gesetze der Klugheit und nannten sie
Die ewigen Gesetze Gottes.
Diese Kinder bleiben „... unter des Netzes Schatten“, doch die glücklicheren unter ihnen folgen Fuzon, einem Flammenwesen aus der Erde. „... Sie nannten es Ägypten“, der Name, den die Bibel auslegende Mystiker stets mit Natur, mit dem Fleische, mit Sterblichem verbinden.
Es lohnt sich, diese sich vorwiegend der Einzelfigur Urizen widmende Prophezeiung den frühen Prosawerken des Dichters gegenüber zu stellen, in der die Kritik an imaginationsloser Vernunft fortgesetzt wird. Wir sehen hier den Austausch von Prosa gegen eine ihr grundsätzlich nicht ebenbürtige Kadenz und den Austausch von Ideen gegen Bilder, und können uns dabei der Frage nicht erwehren, ob diese Änderungen tatsächlich von Nutzen waren. Zwar mögen die von Blake gewählten Begriffe eine symbolische Bedeutung haben, doch sobald diese durchschaut und das Ergebnis ergründet wurden, stellt sich zwingend die Frage, ob der Gedanke hierdurch einen besseren Ausdruck oder mehr Tiefe erlangte. Als einzige Antwort darauf kann nur entgegnet werden, dass das, was Swinburne als „... den flüchtigen endgültigen Eindruck von Kraft“ bezeichnete, eine wertvolle Eigenschaft ist, eine Eigenschaft jedoch, die nur allzu leicht für das geschätzt wird, was sie nicht offenbart.
Im Jahr 1795 entstand der Kupferstich von Song of Los (Das Lied von Los), und hier stellt sich uns derselbe visionäre Konflikt, diesmal vom entgegengesetzten Standpunkt aus. In dem Buch wird beschrieben, wie die Inspiration von Osten nach Westen zieht, und da alle Religionen zu Moralvorschriften verkommen, sahen sie „... Urizen, der seine Gesetze den Völkern brachte / Durch die Hände der Kinder des Los“.
Die philosophische Abstraktion entsteht im Osten, zieht weiter bis Griechenland, bis im Verlauf der Zeit Orc durch die Missgunst
William Blake, Laokoon, um 1826-1827 (Liniengravur),Tiefdruckradierung/Gravur handbemalt, c. 28,1 x 24,4 cm. Collection of Robert N. Essick, Altadena, Kalifornien.
William Blake,
Illustration aus Milton. Ein Gedicht, Druckgrafik 29, um 1804-1810/11. Reliefradierungen und schwarz-weiße Liniengravur mit Aquarell und grauer Lavierung, 23 x 14,8 cm.
New York Public Library, New York.
der von Menschenhand geschaffenen Reiche und Systeme in Ketten gelegt wird. Das Klagelied des menschlichen Leids begründet einen Grundsatz von Jesus. Danach wird Mahomet „... eine frei gefasste Bibel“ und den Völkern im Norden „... ein Buch mit den Grundsätzen des Krieges“ übergeben. In der Folge sollten „... Kirchen, Krankenhäuser, Schlösser [und] Paläste“ errichtet werden, bis wie ein Traum „... die Ewigkeit fortgewaschen und nichtig gemacht“ sein sollte. Die Natur selbst begann zu schrumpfen. Bis das Konzept der fünf Sinne geboren war, weinte Urizen und gab es in die Hände von Newton und Locke.
Die Könige Asiens, oder auch: die Geister der Verfolgung, beschwören Armut, Hungersnot und Pestilenz: „Dass das stolze Herz sinken möge, / Dass das lustvolle Aug’ sich schließen möge“. Urizen hört diesen Ausruf und „... Wolken der Verzweiflung“ hüllen Europa in Dunkelheit. Selbst Jerusalem, das Königreich des Geistes, liegt unter ihren Schatten. Aus der Dunkelheit Europas erhebt sich nun Orc wie eine Flammensäule. In diesem erschütternden Aufruhr „. erklingt der entzückte Schrei des Grabes“ und Urizen weint über das Erwachen der ihm nicht fassbaren Energie.
Die Bürgerdemokratie der Zünfte, also ein Gegenstück zur Aristokratie, ist die Gottesverehrung des Allgemeinen, Alltäglichen. Für die Minderheit, besonders für die in Amerika, geht von diesen Prophezeiungen William Blakes eine ermutigende Qualität aus.
Los, „. in Ketten gelegt“, wird nun gezwungen, Urizens Schatten zu bewachen. Los steht inmitten der weder Licht noch Wärme ausstrahlenden zweigeteilten Flammen des Verlangens, „... in weitem Massiv, bar jeder Regung“ und nimmt es hin. „Bis Ungeduld nicht länger ertrug / Die grausame Knechtung, und in Stücke, in Stücke riss dies weite Massiv / Mit einem Donnern so gewaltig, dass alles Gewaltige erschrak.“ Er zerstört sein eisernes Gefängnis und stürzt in die Tiefe des Irrtums, denn, wie Blake in einem seiner wunderbarsten Aphorismen sagt: „Wahrheit hat Grenzen, Irrtum keine.“ Während er fällt, erwachen in ihm „. sinnende Gedanken“ und „. die Wut verging“, während der Verstand sich ordnete und für sich einen Körper erschuf. Dies erfüllt, wie bei der ersten Schöpfung, die dunkle Leere mit Licht und ermöglicht es Los, das „. Rückgrat des Urizen“, also den Stachel der Vernunft, zu erkennen. Um diesem den Schrecken zu nehmen, macht sich Los einen Hammer und einen Amboss und schmiedet einen Ball aus Feuer oder die Flamme des Lebens.
In dem schwierigen Book of Ahania (1795, Das Buch Ahania), das als letztes der drei Prophezeiungen gestochen wurde, ruft Fuzon, die feurige Energie oder auch „. Sohn des stillen Glühens Urizens“, aus:
„Sind wir bestimmt etwa zu verehren diesen Dämon aus dem Rauche, dieses abstrakte Nichts, / Diesen vagen, / wolkenverschwommenen / dunstverschwommenen Gott, der auf dem Wasser thront, / Mal dem Aug’ sich enthüllend, mal sich ihm entziehend, o König der Schwermut?“ Sein Angriff auf Urizen spaltet diesen entzwei, und er greift seine „. abgespalt’ne Seele“
William Blake,
Illustration aus Milton. Ein Gedicht, Druckgrafik 33, um 1804-1810/11. Reliefradierungen und schwarz-weiße Liniengravur mit Aquarell und grauer Lavierung, 23 x 14,8 cm.
New York Public Library, New York.
Ahania, gibt ihr den Namen „Sünde“ und hält sie unter seiner Missgunst versteckt.
Ahania ist auch „... seine verborg’ne Lust“ und symbolisiert somit den pervertierten Instinkt, den viele Puritaner trotz ihrer unzähligen Vorschriften insgeheim im Herzen tragen. Sie stürzt in das Chaos dieser Systeme und wird dort die „... Mutter der Pestilenz“. Um Rache zu üben, spannt Urizen seinen Bogen mit einem Fels und richtet ihn auf seine Energie, Fuzon, der Urizen für tot gehalten hatte. Der Fels durchbohrt Fuzons Brust und fällt als Berg Sinai, als liebloser Berg des Gesetzes, zur Erde. Urizen trägt den Leichnam Fuzons zu „. einem fluchbelegten Baum“, der aus dem „. Geheimnis, das unter seiner Ferse verborgen lag“, erwuchs, und nagelt Fuzon an diesen Baum. Pestilenz und die gesamte „. Schreckensarmee Urizens“ verbreiten sich über den gesamten „. toten Leib am Baume“, um den herum die Stimme von Ahania erklingt, die den Abgrund beklagt, den Urizen zwischen seinen sündigen Energien, für die beide als Beispiel stehen, aufgerissen hat.
Dieses ist das letzte der kürzeren prophetischen Bücher, und bevor wir uns The Four Zoas oder Vala widmen, sollten wir innehalten, um zu fragen, welche Erkenntnisse aus ihnen gewonnen werden können. Ab dem Book of Thel bahnt sich das Übel des unklaren, geheimnisumrankten Mythos mit zunehmender Eindringlichkeit seinen Weg in Blakes Poesie. Die von ihm verwendete Bildsprache ist monoton, nahezu steril, die Ideen überlappen und wiederholen sich. Man sieht, wie der Geist des Verfassers sich im Kreis dreht, dem er dann durch Untergliederung seiner Symbole zu entkommen versucht.
Blake stellt die Entstehungsgeschichte des menschlichen Geistes durch zwei widerstreitende Grundsätze dar, die er in kleinere Abbilder ihrer selbst unterteilt, er vermag es jedoch nicht, mehr als nur den Kampf zwischen ihnen darzustellen. Zwar stimmt es, dass sich Blakes Prophezeiungen in den Zeitungsnachrichten oder im Privatleben eines Einzelnen vereinzelt wiederfinden. Es stimmt jedoch nicht, dass jedes Buch, nacheinander gelesen, uns einen tieferen Einblick in den spirituellen Konflikt verschafft, den es jeweils darstellt, oder dass Blakes Symbolik sich im Verhältnis zu ihrer Ausweitung selbst rechtfertigt.
Es ist schon oft behauptet worden, dass diese prophetischen Bücher weder im Bezug auf Schönheit noch auf Literatur einen Beitrag geleistet hätten; sie haben dem, was Blake in seiner Prosa deutlich verständlich machte, praktisch nichts hinzuzufügen. Sie zeigen uns einen Blake, der von seinen Ideen beherrscht wurde, statt sie zu beherrschen. Er verfolgte den Weg eines Systems, das zu schaffen nicht in seiner Natur lag, und so wird er von seinem poetischen Genie verlassen und beschreitet „. immerzu stumpf denselben trüben Kreis“. Urizen, dessen Bedeutung nach Blakes universellem Verständnis unterschätzt wurde, rächt sich in den prophetischen Büchern und entwickelt unzählige, sich wiederholende Anordnungen und Unterteilungen.
William Blake,
Illustration aus Milton. Ein Gedicht, ‘Das Gewand des Versprechens’, Druckgrafik 13, um 1804-1810/11. Reliefradierungen und schwarz-weiße Liniengravur mit Aquarell und grauer Lavierung, 23 x 14,8 cm.
New York Public Library, New York.
---
William Blake,
Illustration aus Milton. Ein Gedicht, ‘Zwei Figuren ...’, Druckgrafik 41, um 1804-1810/11. Reliefradierungen und schwarz-weiße Liniengravur mit Aquarell und grauer Lavierung, 23 x 14,8 cm.
New York Public Library, New York.
William Blake,
Illustration aus Milton. Ein Gedicht, Druckgrafik 15, um 1804-1810/11.
Reliefradierungen und schwarz-weiße Liniengravur mit Aquarell und grauer Lavierung, 23 x 14,8 cm. New York Public Library, New York.
William Blake,
Illustration aus Milton. Ein Gedicht, ‘Dann erkannten Los & Enitharmon, dass Satan Urizen war’, Druckgrafik 8, um 1804-1810/11.
Reliefradierungen und schwarz-weiße Liniengravur mit Aquarell und grauer Lavierung, 23 x 14,8 cm.
New York Public Library, New York.
Das auf 1797 datierte und mit Bearbeitungen zwischen 1795 bis 1804 entstandene The Four Zoas ist ein deutlich längeres Werk. Ursprünglich hieß es Vala, or the death and judgment of the Ancient Man: a dream of Nine Nights (Vala oder Tod und Verurteilung des Urmenschen: ein Traum aus neun Nächten). Die zweite Variante des Titels lautet The Four Zoas, the torments of love and jealousy in the Death and Judgment of Albion the Ancient Man (Die Vier Zoas, die Qualen von Liebe und Missgunst im Angesicht von Tod und Verurteilung Albions, des Urmenschen). Es gilt weithin als ein Quell, aus dem Blake schöpfte: Passagen daraus finden sich in Milton und Jerusalem (bei Felpham beide aus dem Jahr 1804 datierend), und scheint die übrigen Werke in sich zu vereinen. Es enthält einige simple Beschreibungen von ähnlicher pastoraler Qualität wie in Thel, etwa die oft zitierten Anfangszeilen:
„Und während die Saat in fiebriger Erwartung ihrer Blüten und Früchte harrt, / Blickt ihr zartes Seelchen beklommen in die klare Ferne, / Zu sehen, ob hungrige Winde dort draußen mit ihren unsichtbaren Zügen lauern.“
Doch diese Rückkehr zur Schönheit der Natur erfolgt nur selten, obgleich die Überarbeitungen zeigen, dass Blake biblische Namen in englische ändert. Die vier Zoas sind zweifellos, wie auch ihre Bezeichung vermuten lässt, die vier Bestien oder auch lebenden Grundsätze, und die Botschaft des Themas wird wie folgt dargelegt:
Four Mighty Ones are in every Man: a Perfect Unity Cannot exist but from the Universal Brotherhood of Eden, The Universal Man, to Whom be glory evermore. Amen.
[...] Los was the fourth immortal starry one. [...] Urthona was his name
In Eden [...] Daughter of Beulah, sing
His fall into Division and his Resurrection to Unity: His fall into Generation of decay and death, and his Regeneration by the Resurrection from the dead.
Vier Mächte trägt jeder Mensch in sich: eine perfekte Einheit
Kann nicht sein ohne die universelle brüderliche Zuneigung von Eden,
Den universellen Menschen, dem Ehre sei in Ewigkeit. Amen. [.] Los war das vierte unsterbliche Sternenwesen. [.] Urthona war sein Name
In Eden [.] Tochter des Beulah, sing Von seinem Fall in Spaltungen und seiner Auferstehung in der Einheit:
Von seinem Fall in der Entstehung von Verfall und Tod, und von seiner Wiedergeburt durch die Auferstehung von den Toten.
Blakes vorige Werke stellten das Thema bereits vor und machten uns damit vertraut. Es war sogar das wiederholte Thema seiner Prophezeiungen, auf die sich jedoch die verständlichen, zitierbaren Passagen aus The Four Zoas, wie etwa die Lieder oder die Wehklagen oder auch die wie ein Widerhall des Book of Proverbs scheinenden Strophen leider nicht direkt stützen. In dem Dickicht dieses Buches bilden sie weite Flächen offener Landschaft. Auch hier lässt sich wieder eine unklare, geheimnisumrankte Struktur beobachten, doch die mythopoetische Wucherkraft überdeckt sie.
Vom poetischen oder literarischen Standpunkt aus gesehen ist sie dem Leser weder abschreckend noch einladend. Blakes Vorstellung wird durch den von ihm geschaffenen Symbolismus versteift. Es ist nurmehr für diejenigen interessant, die seinen Mysthizismus studieren. Die Kommentatoren konnten ihm nicht mehr abgewinnen als die Erläuterung einer Geheimsprache, die zu rechtfertigen bisher weder hinreichende künstlerische noch intellektuelle Gründe vorgelegt werden konnten.
Man muss Blakes eigenen Maßstab anlegen, um zu bestätigen, dass die Idee der Ausführung nicht überlegen sein kann, und dass sein Mystizismus in den prophetischen Formen für den Laien nur die extravagante Äußerung eines faszinierenden Geistes ist.
Dies wird auch weiterhin unzählige Literatur hervorbringen, denn das Geheimnisvolle zieht die Aufmerksamkeit auf sich, die selbst in den kompliziertesten Gebieten das Unmissverständliche nicht nötig hat. Mit jedem Sinnbild, mit jedem Stil ist und bleibt das prosaische Jerusalem im Vergleich zu den „Versstrophen“ der prophetischen Werke das strahlende Juwel der mystischen Schriftwerke Blakes und verkörpert die höchsten Sphären seiner Gedankenkraft.
Blakes Vorstellungen von Kunst
Da das Thema dieses Buches Blake als Literat ist, müssen auch seine Vorstellungen von Kunst, mehr noch als der materielle Aspekt seiner Bilder, Aquarelle und Kupferstiche, in ihrer zentralen Bedeutung diskutiert werden. Nur durch die richtige Einstufung dieser Vorstellungen können diese auch im Kontext seines Zeitalters eingeordnet werden, denn das Motiv seiner künstlerischen und poetischen Theorien war der Protest gegen den nach wie vor dominanten Klassizismus des achtzehnten Jahrhunderts.
Bisher haben wir uns mit seinen Schriften bis in das Jahr 1797 hinein beschäftigt, in dem er mit der Übertragung und Illustrierung seiner wunderbaren Ausgabe von The Four Zoas begann. Im Jahr 1796 schuf er Zeichnungen für Burgers Leonora und arbeitete außerdem an den Kupferstichen zu Youngs Night Thoughts. Diese erschienen 1797, und bis Flaxman ihn im Jahr 1800 mit Hayley bekannt machte, dem schließlich ein Jahr später im September der Umzug von Lambeths Haus in das Felphams folgte, waren Blakes Dienste als Kupferstecher nicht mehr gefragt. Er war auf Butts als großzügigen Gönner angewiesen und hatte damit begonnen, Aquarellzeichnungen anzufertigen. Seine
3#
William Blake,
Illustration aus Milton. Ein Gedicht, ‘Und die göttliche Stimme wurde erhört...’, Druckgrafik 32, um 1804-1810/11. Reliefradierungen und schwarz-weiße Liniengravur mit Aquarell und grauer Lavierung, 23 x 14,8 cm.
New York Public Library, New York.
Vorstellung von Kunst ist überdies so wertvoll, da in ihr die Kritik an seinen Schwächen als Literat enthalten sind.
Bereits 1793 hatte Blake einen Katalog mit Werken veröffentlicht, die nun in seinem Haus ausgestellt und dort zu erwerben waren. Diese Ankündigung war jedoch nichts anderes als eine verteidigende Stellungnahme zu seiner Erfindung, dem illuminierten Druck. Um seinen Begriff von Kunst zu verstehen, müssen wir uns seinen Schriften zuwenden, etwa seinen Anmerkungen zu Reynolds Discourses (1808) und dem Descriptive Catalogue (Ausführlicher Katalog), den er zu der Ausstellung schrieb, bei der auch sein Zeichenentwurf zu Canterbury Pilgrims (Die Pilger von Canterbury) gezeigt wurde.
Dieses Manifest selbst war als Protestantwort zu einem Manifest Stothards gedacht, und obwohl Blake zu den darin angegriffenen Künstlern gehörte, ist es doch bezeichnend für ihn, dass seine wichtigsten Ideen und seine in beißender Direktheit ausgedrückten Meinungen durch seinen ständigen Widerspruch hervorgerufen wurden. Blake war kein systematischer Denker - er war ein höchst impulsiver Mann von genialem Geiste, überzeugt davon, dass Genie und Inspiration identisch seien.
Sein Beitrag zu seinem Zeitalter lag darin, dass er mit der ihm gegebenen lyrischen Wortgewalt bestimmte künstlerische Wahrheiten, denen zu seiner Zeit nicht genug Wert beigemessen wurde, Nachdruck verlieh. Sein Ausdruck ist in seiner Eloquenz so brillant, der vertretene Standpunkt in seiner Extravaganz so kühn, dass seine Worte fast zwangsläufig auf taube Ohren stoßen mussten. Es ist nicht einfach, gerechte Kritik an Aussagen zu üben, deren Sinn es nur war, die ihnen momentan entgegengestellten an Extravaganz zu übertreffen.
Seine dabei angewandte Methode, einen Mangel durch Überspitzung seiner Mangelhaftigkeit zu einer Tugend zu machen, war die von Blake dazu eingesetzte widersprüchliche Waffe. Seine einzige Absicht darin, dem Übermaß in einer Richtung gleichzukommen, war es, in der entgegengesetzten Richtung „... das Übermaß noch reicher überschäumen“ zu lassen. Daher tut es nicht not, seine Epigramme auf ihren Wahrheitsgehalt und ihre Genauigkeit zu überprüfen, als seien sie Urteile, denn ein Epigramm, das seine Bezeichnung wert ist, hat die Eigenschaft, jeden Kommentar darüber überflüssigzu machen. Das Gleichgewicht ist durch die Kunsttheorie gewährleistet, gegen die er sich auflehnte.
Blake war der erste moderne Künstler, der die Doktrin des Symbolismus für sich behauptete. Zu seiner Zeit hatte das Zeitalter der Romantik, deren großartigster Vertreter er bis heute ist, noch nicht begonnen. Nach wie vor waren in der Versdichtung Paarreime die Norm; Rationalismus nach wie vor die Tagesordnung in der Philosophie; Ironie und Skeptizismus nach wie vor die liebste Spielform des Intellekts; Autoriät und
William Blake,
Illustration aus Milton. Ein Gedicht, ‘Aus der Sonne tretend...’, Druckgrafik 43, um 1804-1810/11. Reliefradierungen und schwarz-weiße Liniengravur mit Aquarell und grauer Lavierung, 23 x 14,8 cm.
New York Public Library, New York.
Formalismus noch immer die Konvention der plastischen Kunst. In Malerei, Poesie und Religion wurde Enthusiasmus nach wie vor mit höchst misstrauischem Auge betrachtet. Farbe, das romantische Element der Malerei, war nur in warmen, dezenten Tönen wirklich erwünscht. Was auch nur im entferntesten Leuchtkraft besaß, ziemte sich nicht. So erklärte Sir George Beaumont37, ein Freund Wordsworths38, dass die Farbe einer alten Geige die Grundnote für die in Bildern verwendeten Farben sei, und selbst die Natur in Form zeitgenössischer Parks und Landschaftsgärten wurde zurechtgestutzt und im Zaum gehalten.
Der führende Vertreter dieser Kunst war Sir Joshua Reynolds. Seine Discourses (Akademische Reden über das Studium der Malerey) sind die Definition der zeitgenössischen künstlerischen Haltung. Ihnen ist umso mehr Bedeutung beizumessen, als es sich bei Sir Joshua Reynolds nicht um einen malenden Dozenten handelte, sondern um einen Künstler, der zufällig gleichzeitig der erste Präsident der Royal Academy of Arts in London war. Obwohl wir ihn als großen Meister der Farbe kennen, der die sanft glühende Harmonie der venezianischen Malerei nach England brachte, sind seine Discourses ein beharrliches Bestehen auf Fleiß, Form und diszipliniertem Regelgehorsam. Als Kolorist ließ er sich mehr von seinen Instinkten als von seinen Grundsätzen leiten, denn seine Bilder leuchten in einer Wärme, die sich in seinen Worten kaum widerspiegelt. Er war auch Portraitist, dessen Bilder den Stolz des Lebens und die Herrlichkeit des Materiellen betonen.
Blake war ein visionärer Künstler, für den die Inspiration, „... bloßer Enthusiasmus“, über allem anderen stand, und der überzeugt davon war, dass seine bevorzugten Meister, Dürer, Raphael und Michelangelo, der Inspiration ebenfalls die größte Bedeutung beigemessen hatten. Religiöse Themen waren nahezu der einzige Themenbereich, dem er sich widmete. Als Reynolds seinen Studenten also sagte: „Ich lege Ihnen dringend ans Herz, dass den jungen Studenten blinder Gehorsam gegenüber den Regeln der Kunst, die durch das praktische Beispiel der großen Meister aufgestellt wurden, abverlangt werde.“, regte sich in Blake sofort der Widerstand.
Als Reynolds sagte, der Student müsse „. sich scheuen, seinem eigenen Urteil zu trauen, sich scheuen, sich auf einen Weg zu verirren, auf dem sich keine Fußabdrücke eines früheren Meisters finden, um ihn zu leiten“, verkündete Blake, dass Reynolds die Wirkungskraft erfinderischen Genies mindere. Und als Reynolds schließlich gefasst sagte, „. bloßer Enthusiasmus führt nirgendwo hin“, ruft Blake, fast schmerzvoll aus: „. Bloßer Enthusiasmus ist alles in allem“.
Blakes Theorie wurzelt in seiner Erklärung, Musik, Malerei und Poesie seien „. die drei Kräfte im Menschen, die mit dem Paradies in Verbindung stehen“. Jedem Menschen steht die Ewigkeit so weit offen, wie es ihm seine Vorstellungskraft ermöglicht. Die Widerspiegelung der Natur und aller vergänglichen Dinge in der Kunst war das Werk inspirationsloser Menschen, die auf ihr Gedächtnis zurückgriffen, um die mangelnde Inspiration auszugleichen.
Dies macht Blake zum Wesley39 der Kunst. Religion war für ihn eine Form der Kunstausübung, und so bot er stets eine Kunstform für die andere an; leider machte er es jedoch dabei weder den Einen noch den Anderen recht, sondern stieß so gut wie jeden vor den Kopf. Wenn er sagt, das Alte und das Neue Testament seien die zwei großen Gesetzbücher der Kunst, sind weder Künstler noch Geistliche wirklich einverstanden. In seiner praktischen Umsetzung wies er all die Mängel und Schwächen auf, die mit seinen Qualitäten einhergehen, und seine praktische Umsetzung ist die wahre Messlatte für die Stärken und Schwächen seiner Ideen.
In seiner Public Address merkt er an, dass an seiner Arbeit kritisiert werde, er habe „. die Gabe des Einfalls, nicht jedoch die Gabe der Ausführung“. In dieser Form der Kritik ließ sich auf angenehme Weise ausdrücken, dass Blake, obwohl er durchaus in der Lage war, alles auszuführen, was ihm seine Einbildung als Einfall vorsetzte, in jeder Hinsicht von seiner Inspiration abhängig war und ungeachtet dessen, ob er gerade inspiriert war oder nicht, ohne Unterbrechung arbeitete.
Die Theorie und die Umsetzung litten bei ihm darunter, dass er sich keine Zeit zum Nachdenken, zur Reflexion gab und sich von der Überzeugung leiten ließ, dass alles, was er „... aus dem hitzigen Eifer seiner Laune heraus“ schuf, gerechtfertigt war. Mit tiefer Überzeugung von der Kraft der Inspiration also fragt Blake in seinem Descriptive Catalogue:
Soll die Malerei etwa auf den elenden Stumpfsinn der Anfertigung naturgetreuer Nachbildungen des rein Sterblichen und Vergänglichen reduziert werden, statt, wie die Poesie und Musik, die ihr angemessenen eigenen Höhen des Einfallsreichtums und der visionären Wahrnehmung zu erklimmen? Nein, das ist ganz und gar nicht ihr Sinn! Die Malerei entsteht und entfaltet sich, wie auch die Musik und die Poesie, allein durch unsterbliche Gedanken.
In all seinen Schriften findet sich wahrscheinlich keine umfassendere oder eloquentere Formulierung seiner fundamentalen Ideen als der an das Christentum gerichtete Prosatext aus dem Werk Jerusalem:
Kein anderes Christentum, kein anderes Evangelium ist mir bekannt als die Freiheit von Körper und Seele, den Göttlichen Künsten der Imagination nachzugehen - Imagination, gegen deren reale und ewige Welt dieses bedauerlich vergängliche Universum nur ein barer Schatten ist und in der wir in unseren ewigen, also unseren imaginativen Körpern leben sollen, wenn diese bedauerlich vergänglichen sterblichen Leiber einmal nicht länger sind.
Die Apostel selbst kannten nur dieses Evangelium.
William Blake,
Illustration aus Jerusalem, Druckgrafik 1, um 1804- um 1820. Reliefradierungen und schwarz-weiße Liniengravur mit Aquarell und grauer Lavierung, 34,5 x 27 cm.
Yale Center for British Art, New Haven, Connecticut.
William Blake,
Illustration aus Jerusalem, Druckgrafik 2, um 1804- um 1820. Reliefradierungen und schwarz-weiße Liniengravur mit Aquarell und grauer Lavierung, 34,5 x 27 cm.
Yale Center for British Art, New Haven, Connecticut.
c-2
William Blake,
Illustration aus Jerusalem, Druckgrafik 14, um 1804- um 1820. Reliefradierungen und schwarz-weiße Liniengravur mit Aquarell und grauer Lavierung, 34,5 x 27 cm.
Yale Center for British Art, New Haven, Connecticut.
Was waren all ihre spirituellen Gaben? Was ist der Göttliche Geist? Ist der Heilige Geist mehr als ein intellektueller Quell? Was sind die Früchte, die das Evangelium und seiner Bemühungen für uns tragen? Was ist das Talent, das nicht zu teilen Frevel wäre? Was sind die Schätze, die wir uns selbst anhäufen sollen? Ist es nicht das geistige Lernen und Leisten? Was sind all die Gaben des Evangeliums? Sind sie nicht alle geistige Gaben? Ist Gott ein Geist, der im Geiste und in der Wahrheit verehrt werden muss? Und sind die Gaben des Geistes dem Menschen nicht alles? Oh, Ihr religiösen Menschen, eine Schande unseres Geschlechts ein jeder unter euch, der behauptet, Kunst und Wissenschaft zu hassen! Ich beschwöre euch, im Namen Jesu! Was ist das Leben des Menschen, wenn nicht Kunst und Wissenschaft? Ist dies nicht greifbar und zugleich Bekundung der Gedanken?
Ein noch engeres Gleichnis zwischen Kunst und Religion wird in den Aphorismen bekräftigt, die um den Kupferstich Laocoon (etwa 1817, Laokoon) geschrieben sind. Hier schreibt Blake:
„Das Beten ist das Studium der Kunst; Lobpreisung ist die Ausübung der Kunst; das Fasten und alles Übrige sind jedes für sich der Kunst zugehörig.“ Schließlich fügt er noch an: „Dichter, Maler, Architekt, Musiker - wer, ob Mann, ob Frau, nicht Vertreter einer dieser Tätigkeiten ist, ist kein Christ, [...] Jesus, alle seine Apostel, alle seine Jünger waren Künstler.“
Selbst seine Grundvorstellung von der Zeichenkunst wird auf eine religiöse Idee übertragen. The Ghost of Abel (Der Geist des Abel), ein Kupferstich aus dem Jahr 1822, beginnt mit folgender Erklärung: „Die Natur hat keine Vorstellungen von den Dingen, wohl aber die Imagination. Die Natur trägt kein Lied in sich, wohl aber die Imagination. Die Natur hat kein übernatürliches Wesen und vergeht im Nichts: die Imagination ist die Ewigkeit.“ Im 1809 gedruckten Descriptive Catalogue haben Blakes Worte eher den Ton einer förmlichen Instruktion:
Die erste und erforderlichste Regel in der Kunst wie auch im Leben, lautet: Je klarer, schärfer und strenger die Umgrenzung, desto perfekter das Kunstwerk. Je weniger scharf und streng, desto größer das entstehende Zeugnis von schwacher Imagination, von Plagiat und Stümperhaftigkeit. [...] Das Fehlen einer solchen festen und abgrenzenden Form ist Beleg für das Fehlen einer Idee im Kopfe des Künstlers und für die Verlogenheit des Plagiats in all seinen Erscheinungsformen. Wie unterscheiden wir die Eiche von der Buche, wie das Pferd vom Rind, wenn nicht durch die abgrenzende Grundvorstellung davon? Wie unterscheiden wir ein Gesicht oder Benehmen von einem anderen, wenn nicht durch die
William Blake,
Illustration aus Jerusalem, Druckgrafik 28, um 1804- um 1820.
Reliefradierungen und schwarz-weiße Liniengravur mit Aquarell und grauer Lavierung, 34,5 x 27 cm.
Yale Center for British Art, New Haven, Connecticut.
William Blake,
Illustration aus Jerusalem, Druckgrafik 4, um 1804- um 1820. Reliefradierungen und schwarz-weiße Liniengravur mit Aquarell und grauer Lavierung, 34,5 x 27 cm.
Yale Center for British Art, New Haven, Connecticut.
abgrenzenden Grundvorstellungen und seine in der Zahl unendlichen Modulationen und Bewegungen? Was ist es, das Häuser baut und Gärten bepflanzt, wenn nicht das Begrenzte, Definierte, Greifbare? Was ist es, das die Aufrichtigkeit von der Schurkerei unterscheidet, wenn nicht die scharfe, strenge Grenze von Gewissheit und Rechtschaffenheit in Absicht und Handlung? Die Ausklammerung dieser Grenze bedeutet die Ausklammerung des Lebens selbst.
Konkretisierung intensiviert Vitalität - Blakes Aussage „... Überschwang ist Schönheit“ war Ausdruck seines Bemühens, „... in Zeiten des Mangels Maß und Gewicht entgegenzusetzen“.
Seine Ausbildung bei Basire hatte ihn gelehrt, dass das Zeichnen die Grundlage für alle Bildkunst ist, und in seiner etwa 1810 verfassten,jedoch nie gedruckten Public Address definiert Blake Malerei als „Zeichnen auf Leinwand“ und Kupferstiche als „Zeichnungen auf Kupfer“ - Definitionen, zu denen er durch die liberalere Schule von Schiavonetti40, Bartolozzi und Angelica Kauffmann41 bewegt wurde, die zu seiner Zeit gerade in Mode kam. Blakes eigene Malerei bestand hauptsächlich aus Aquarellen, die er manchmal auch als „Freskos“ bezeichnete. Ölfarben, die er für schmutzige, verwaschene Farben verantwortlich machte, waren ihm zuwider. Seine schönsten Werke in Farbe fallen vor allem wegen der Leuchtkraft ihrer Farbtöne auf. Rossetti sagte in der ihm eigenen eleganten Ausdrucksschönheit über einige der handkolorierten Drucke Blakes, der Betrachter
. wird mehr und mehr mit Freude erfüllt, je länger er das Bild betrachtet, und wird in dieser Zeit einige Dinge wieder entdecken, wie er sie einst kannte, nicht unter dem schweren Mantel bereits vergangener Tage: Dinge, die zu delikat, zu flüchtig sind für die Erinnerung oder für bereits vergessene Jahre; die kurz aufblitzende Ahnung des Frühlings im Licht der Wintersonne; die längst vergangenen langen Sonnenuntergänge; die lodernden Feuer über weit entfernten Hügeln.
In einem Schaffen, das, schöpft es sein Potenzial ganz aus, so erhebend sein kann - und bisweilen so geist- und ausdruckslos in Konzeption und Ausführung - kann noble Absicht kaum fehlen. Die in den herrlichen Zeichnungsentwürfen zu The Book of Job und den besten Zeichnungen zu den Werken Dantes, Miltons oder Vergils sowie in einzelnen Entwüfen wie The Ancient of Days, Nebuchadnezzar und The River of Life, festzustellende meisterhafte Konzeption ist überwältigend.
Beschäftigt man sich erst genauer mit ihnen, wird deutlich, dass Blakes Kraft eine größere Dimension besitzt als man ihr in der Regel zuspricht. Canterbury Pilgrims zeigt, was er in der äußeren Realität zu schaffen vermochte, während Last Judgment
William Blake,
Illustration aus Jerusalem, Druckgrafik 6, um 1804- um 1820. Reliefradierungen und schwarz-weiße Liniengravur mit Aquarell und grauer Lavierung, 34,5 x 27 cm.
Yale Center for British Art, New Haven, Connecticut.
(Das Jüngste Gericht) ein Beleg dafür ist, zu welch würdevoller Schönheit er auf ideeller Ebene er fähig war. Canterbury Pilgrims ist außerdem von besonderem Interesse, da es Blakes wichtigsten Versuch darstellte, diese beiden Welten in einem Werk miteinander zu vereinen. Die Motive seiner Bilder sind imaginative Konzepte, die in den zu ihrer Darstellung eingesetzten Figuren oder Landschaften eine Verwandlung bewirkt.
Das einzige Natursymbol, das er nie in Frage gestellt hat, war der menschliche Körper. Seine Poesie und die wunderbaren Blumen, Flammen und Flüsse in seinen Farbwerken zeugen von seiner instinktiven Liebe aller Natur und verleiteten ihn vielleicht zu der Befürchtung, er könne sich, wie bereits andere Künstler, irgendwann mit dem Dämmerschlaf der Natur zufrieden geben. Alles Leben, sagte Blake, ist ein Pilgerweg nach Canterbury, doch ohne die genaue Definition, die sein Gedicht durch Chaucers Konzeption erhielt, hätte er bei dem Versuch, einen universellen Traum zu verwirklichen, auch auf Irrwege geraten können. Da er auf den Formalismus seiner Zeit reagierte und sich stets dem Bestreben widmete, wie Yeats es ausdrückte, „... ein Literat der Imagination“ zu sein, müssen wir dem Maler zustimmen, der dem Verfasser des vorliegenden Buches gegenüber sagte, Musik sei das beste Medium, um den tobenden Stürmen in Blakes Verstand Ausdruck zu verleihen.
Wenn man seine eigenen, kritischen Dikta auf unser Kriterium anwendet, gelingt es, zwischen seinen Erfolgen und seinen Misserfolgen zu unterscheiden und zu bemerken, als beispielsweise seine Vorstellungskraft die wunderbare Konzeption von Jakobs Leiter als Wendeltreppe hervorbrachte, die Ausführung in keiner Weise hinter der Vorstellung zurückblieb. Auch die Canterbury Pilgrims sind, trotz ihrer ausgeprägten Präzision, Portraits ewiger Seelenzustände. In der Folge sind die Visionen eines religiösen Mystikers für die Welt sichtbar, und nun wird nicht mehr von der Welt erwartet, den Visionen desjenigen, der sie sieht, zu glauben, ohne sie je zuvor mit den Augen des sie Sehenden betrachtet zu haben.
Mit Hayley bei Felpham, 1800 bis 1803
In weltlicher Hinsicht war es, wie bereits beschrieben, in Lambeth schlecht um Blake bestellt, seitdem er sich entschieden hatte, die Stellung bei Hofe abzulehnen und sich von all seinen Schülern zu trennen. Mehrere seiner Schüler waren nachweislich finanziell gut gestellt, doch sollte es ein langjähriger Freund sein, der ihm schließlich zu Hilfe eilte. Blakes Freundschaft mit Flaxman, den er im Hause von Mrs. Mathew’s kennen gelernt hatte, überdauerte Flaxmans Abreise nach Italien und die sieben Jahre, die bis zu seiner Rückkehr 1794 vergingen. Nach Flaxmans Hochzeit im Jahr 1782, dem Jahr, in dem er und seine Frau ein Haus in der Wardour Street bezogen, verbrachten sie ihren Sommerurlaub
William Blake,
Illustration aus Jerusalem, Druckgrafik 11, um 1804- um 1820. Reliefradierungen und schwarz-weiße Liniengravur mit Aquarell und grauer Lavierung, 34,5 x 27 cm.
Yale Center for British Art, New Haven, Connecticut.
William Blake,
Illustration aus Jerusalem, Druckgrafik 8, um 1804- um 1820. Reliefradierungen und schwarz-weiße Liniengravur mit Aquarell und grauer Lavierung, 34,5 x 27 cm.
Yale Center for British Art, New Haven, Connecticut.
■
William Blake,
Illustration aus Jerusalem, Druckgrafik 81, um 1804- um 1820. Reliefradierungen und schwarz-weiße Liniengravur mit Aquarell und grauer Lavierung, 34,5 x 27 cm.
Yale Center for British Art, New Haven, Connecticut.
William Blake,
Illustration aus Jerusalem, Druckgrafik 32, um 1804- um 1820. Reliefradierungen und schwarz-weiße Liniengravur mit Aquarell und grauer Lavierung, 34,5 x 27 cm.
Yale Center for British Art, New Haven, Connecticut. gewöhnlich in Eartham in Sussex, wo auch der beliebte Dichter und Landadelige William Hayley42 lebte.
Der ‘Eremit von Eartham’, wie er sich selbst gern zu nennen pflegte, war zwar ein kultivierter, liebenswerter und wohlhabender, aber auch einsichtsloser Mann, an den man sich heute mit etwas zu großer Strenge erinnert, da er sich gerne mit Menschen abgab, die distinguierter waren als er selbst. Von seiner Geburt im Jahre 1745 an war Hayley vom Glück begleitet, und sein Wohlstand, der die krude Umkehrung des zeitgenössischen Urteils über ihn war, sorgte auf weltliche Weise für den Ausgleich so mancher Ungerechtigkeit. Hayley, der als Kind wohlhabender Eltern in Chichester geboren wurde und in Eton und Trinity Hall in Cambridge studiert hatte, verließ London im Alter von siebenundzwanzig Jahren und ließ sich am Familiensitze nieder, wo er sich ganz der Kunst und Literatur widmen wollte.
Nachdem er eine von Garrick abgelehnte Tragödie verfasst hatte und ein Miniaturgemälde wegen einer Augenkrankheit abbrechen musste, beschloss er, die Welt auf sein Dasein aufmerksam zu machen, indem er poetische Episteln an bedeutende Persönlichkeiten verfasste. Er erreichte sein Ziel 1780, als er sich als Adressaten dreier diese Episteln seinen Freund Romney43 sowie Gibbon44 auswählte. Sie wurden wohlwollend aufgenommen. Von diesem Erfolg fühlte sich Hayley bestärkt, seiner eigenen Inspiration zu trauen und verfasste sodann ein langes Gedicht über die Triumphs of Temper (Der Triumph der Sanftmut). Diese Verse, die „... dem Leben und Betragen zuträglich“ sein sollten, unterrichtete junge Damen, wie sie sich der lohnenden Himmelsgabe eines guten Ehegatten würdig machen könnten. Ein solches Musterstück sei, so erklärte der Dichter, am glaubhaftesten den Damen zu versprechen, die niemals die Contenance über die Irritabilität ihrer Eltern und Verwandten verlieren. Hayleys Vorhaben, in seiner Behandlung dieses Themas die unterschiedlichen Tugenden Dantes und Popes in seinem Werk zu vereinen, sollte sich als zu ehrgeizig erweisen, doch Eltern waren, kaum verwunderlich, allerorts höchst erfreut. The Triumph of Temper war in jedem Haus zu finden und erreichte bald zwölf Auflagen. Hayley gelang es, den Geschmack seiner Zeit widerzuspiegeln, da sein eigener diesem nicht überlegen war.
Nur diese Art des Erfolges war es, für die er geschaffen war. Dank seiner freundlichen Art und seiner angenehmen Konversationsgabe, seiner beachtlichen Bildung und seines höflichen Wesens war er allseits beliebt. Er war auch bereit, diese Qualitäten in den Dienst anderer Künstler zu stellen, die sich nicht so gut zu versorgen vermochten wie er selbst. Nach dem Tod Thomas Wartons45 1790 wurde Hayley von König Georg III. die Stelle des Hofdichters angeboten. Obwohl Hayley sich gerne mit Künstlern und Schriftstellern von bedeutendem Rufe in Verbindung bringen ließ und abgab, lehnte er diese Ehre ab.
Es war der innere Kreis, der mehr Anziehungskraft auf ihn ausübte als der äußere. Zwar respektierte er respektierliche Persönlichkeiten, machte jedoch den offiziellen Rang nie zum Maßstab für die Größe des Einzelnen. Bewunderung genügte ihm; Auszeichnungen waren keine Erfordernis für die Freundschaft William Hayleys. Er galt als Poet und Connaisseur und trägt wahrlich nicht die Schuld für die Verbreitung dieser Meinung über ihn. Als fachkundiger Laie auf diversen Gebieten der Kunst sowie als wohlhabendem Mann schien ihm die Rolle als Kunstmäzen wie auf den Leib geschrieben. Sucht ein solcher Mann sich seine Schützlinge sorgsam aus, wohnen jeder seiner Irrungen die unermesslichen Gaben des Genies bei, um sie zu verewigen.
Hayley machte 1792 die Bekanntschaft von Cowper46 und hatte die Ehre, Pitt (gemeint ist William Pitt d. J., englischer Premierminister; Anmerkung d. R.) zur Gewährung einer Pension für Cowper zu überzeugen Genau diese Art von Dienst war es, für die Hayley der ideale Mann war, und es war diese wohl bekannte Gutherzigkeit, die möglicherweise dazu führte, dass Flaxman im Jahr 1800 Blake und Hayley einander vorstellte. Zwischen Hayley und Flaxman hatte bereits eine lange Bekanntschaft bestanden. Nicht nur war Flaxman Ehrengast in Hayleys Haus in Eartham, sondern Alphonso, Hayleys junger Sohn, war Flaxman zudem als Schüler anvertraut worden.
Hayley widmete 1799 eine seiner inzwischen unvermeidlichen Episteln dem Bildhauer, die im folgenden Jahr mit drei Illustrationen erschien, für zwei davon war, zweifellos auf Flaxmans Empfehlung hin, Blake mit den Kupferstichen beauftragt worden. Nach Cowpers Tod 1800 konnte Hayley ohne jede Mühe dazu überredet werden, die Biographie seines Dichterfreundes zu verfassen, der dann Blake die Anfertigung der Kupferstiche zu den Illustrationen auftrug.
Alphonso, ein Junge von schwächlicher Disposition, der von Hayley gerne mit dem Beinamen „... mein junger Phidias“ bedacht worden war, litt unter einer Wirbelsäulenverkrümmung und starb nur zwei Wochen nach Cowper. Der erste Brief, den Hayley von Blake erhielt, ist eine rührende und für ihn charakteristische Beileidsbekundung. Dem Schreiben hatte er eine Zeichnung nach einem ursprünglich von Flaxman gefertigten Medaillonportrait des glücklosen jungen Mannes beigelegt. Blakes Beileidsschreiben endet mit diesen Worten:
Ich bin ein Engelsbegleiter. Möge es Ihnen gewährt sein, dies selbst Minute um Minute umso mehr zu sein; und Minute und um Minute stärker die Überzeugung in sich zu spüren, dass jeder Verlust im Reich der Sterblichkeit ein Gewinn im Reich der Unsterblichkeit ist. Aus den Ruinen der Zeit entstehen Prachtschlösser in der Ewigkeit.
Was sollte Hayley von diesem neuen Freund halten? Die Chronik von Hayleys Leben vor sich, sollte Southey später schreiben: „Alles an diesem Mann ist gut, bis auf seine Poesie.“ Seine Beziehung zu Blake ist der Nachwelt wohl bekannt. Kann
William Blake,
Illustration aus Jerusalem, Druckgrafik 35, um 1804- um 1820. Reliefradierungen und schwarz-weiße Liniengravur mit Aquarell und grauer Lavierung, 34,5 x 27 cm.
Yale Center for British Art, New Haven, Connecticut.
William Blake,
Illustration aus Jerusalem, Druckgrafik 94, um 1804- um 1820. Reliefradierungen und schwarz-weiße Liniengravur mit Aquarell und grauer Lavierung, 34,5 x 27 cm.
Yale Center for British Art, New Haven, Connecticut.
139
William Blake,
Illustration aus Jerusalem, Druckgrafik 97, um 1804- um 1820. Reliefradierungen und schwarz-weiße Liniengravur mit Aquarell und grauer Lavierung, 34,5 x 27 cm.
Yale Center for British Art, New Haven, Connecticut.
William Blake,
Illustration aus Jerusalem, Druckgrafik 100, um 1804- um 1820.
Reliefradierungen und schwarz-weiße Liniengravur mit Aquarell und grauer Lavierung, 34,5 x 27 cm.
Yale Center for British Art, New Haven, Connecticut. dem Nachfolgenden noch etwas angefügt werden, um Southeys Meinung zu widerlegen? Als Flaxman Blake mit Hayley bekannt machte, folgte er darin einer Empfehlung, die er viele Jahre zuvor bereits ausgesprochen hatte. Bei dieser früheren Gelegenheit hatte Flaxman Romney mit den Worten zitiert, Blakes historische Zeichnungen seien denen Michelangelos ebenbürtig.
Diese Empfehlung an Hayley hätte nicht taktvoller begleitet werden können: Im Mai 1800 verfasste Blake sein Beileidsschreiben, und Hayleys impulsive Antwort darauf erfolgte in Form des Vorschlags, Blake solle in Felpham leben, solange die Anfertigung der beabsichtigten Kupferstiche für Hayleys Biographie über Cowper im Gange war. Sein Umzug nach Sussex sollte, wie Gilchrist schrieb, Hayley außerdem die Möglichkeit geben, „... Blakes Glück zu wenden, indem er ihn seinen vielen Freunden vorstellte, die gute Beziehungen zu wichtigen Persönlichkeiten hatten.“ Der Plan fand bei allen Beteiligten Anklang und Thomas Butts, ein uneigennütziger Freund Blakes, war überzeugt, dass Blakes Wohlstand nun gesichert war.
Im September war alles arrangiert, und Blakes Erinnerungen an seine Kutschfahrt und die Aufregung, die diese Reise begleitete, hielt er in einem überaus unterhaltsamen Brief fest. Am Abend vor seinem Aufbruch schrieb er Flaxman einen Brief, der mit den Worten begann: „Ihnen verdanke ich all mein gegenwärtiges Glück.“ und mit dem viel zitierten Satz endete: „Als Flaxman nach Italien ging, schenkte mir das Schicksal für diese Zeit Fuseli, / und nun schenkte Flaxman seinen Freund, Hayley, mir zum Freunde.“
Auch Catherine Blake schrieb einen entzückenden Brief an Mrs. Flaxman, in dem sie ganz im Stile ihres Gatten, dessen Wesen sie so sehr in sich aufgesogen hatte, sagte: „Die Schwalben ziehen gerade an unserem Fenster vorbei und rufen uns. Oh, wie wunderbar ist es für uns, darüber zu sprechen, welch Vergnügen es sein wird, Euch eine Sommerlaube in Felpham zu bereiten!“ Dem Brief legte sie Zeilen Ihres Mannes bei. Sie künden von dem Geist, in dem ihm sein neuer Förderer erschien:
The bread of sweet thought and the wine of delight Feeds the village of Felpham by day and by night; And at his own door the blest Hermit does stand, Dispensing unceasing to all the whole land.
Das Brot süßer Gedanken und der Wein freudvoller Pracht Nähren das Städtchen Felpham bei Tag und bei Nacht; Und an seiner Haustür steht der selige Eremit mit offener Hand
Und beschenkt unaufhörlich das ganze weite Land.
An Hayley selbst schrieb der glückselige Poet: „Meine Gattin gleicht einer farbenschillernden Flamme, sobald sie den Namen Felpham hört. Meine Finger sprühen Funken der Erwartungsfreude über meine künftigen Arbeiten.“
Blakes Häuschen steht auch heute noch, kaum einen Steinwurf weit entfernt von der Küste, an seinem ursprünglichen Ort, der bis auf einige angrenzende Sommerhäuser fast unverändert blieb. Lassen wir ihn in seinen eigenen Worten seinen ersten Eindruck beschreiben:
„Wir sind sicher in unserem Häuschen angekommen“, schrieb er Flaxman bei seiner Ankunft,
und es ist weitaus wunderbarer, als ich es gehofft hatte, und weitaus komfortabler. Es ist das perfekte Beispiel für ein Cottage, und, wie ich finde, auch für einen Prunkpalast - ausgedehnt, ohne seine Proportionen zu verzerren, und mit Verzierungen geschmückt statt von Dachstreben gedrückt. Nichts kann erhabener sein als die Schlichtheit und Zweckmäßigkeit dieses Hauses. Von so unkomplizierter Schlichtheit ist es, dass es wie eine der Menschheit spontan entströmte Schöpfung erscheint, die allen Bedürfnissen des Menschen wohlwollend entgegenkommt.
Kein anderes menschenerbautes Haus könnte mich je mit solcher Freude erfüllen, und auch wird man mich, so glaube ich, niemals mehr davon überzeugen können, dass es an Schönheit oder Zweckmäßigkeit noch gewinnen könnte. Mr. Hayley empfing uns mit der gewohnten brüderlichen Zuneigung. Ich habe meine Arbeit hier wieder aufgenommen. Felpham ist der Beschäftigung des Geistes auf wunderbarste Weise zuträglich, denn es ist spiritueller als London. [...] Und so beginnt das Leben nun neu.
Mit glücklichem Herzen also, von dem auch ein zwei Tage später an Butts geschickter Brief zeugte, richteten sich die drei Blakes - seine Schwester zog ebenfalls mit ihnen nach Felpham -in ihrem Cottage am Meer ein. Blake zahlte dem Wirt und Grundherren des Fox Inn zwanzig Pfund pro Jahr für die Logis und war somit, bis auf seine Arbeiten, frei von jeglichen Verbindlichkeiten gegenüber seinem Förderer.
Schon von Beginn ihrer Bekanntschaft an ging Blakes Hochachtung gegenüber Hayley nie über das Persönliche hinaus. Zehn Tage später schrieb er einen poetischen Brief an Butts, der, wie er sagt, in keiner Weise jenen gleicht, die Felpham von seinem neuen Freund und Nachbarn erhält. Er war zu diesem Vergleich fast schon gezwungen, denn zu einer seiner ersten Aufgaben gehörte die Illustration einer Ballade, die Hayley in den Wochen zuvor komponiert hatte. Neben den noch nicht fertig gestellten Auftragswerken für Butts, die er aus London mitgebracht hatte, befasste sich Blake außerdem mit dem „. wunderbaren Studium“ der Dichterköpfe, die für einen Fries in Hayleys neuer Bibliothek in Felpham gedacht waren.
Einige dieser Studien befinden sich nun in der Manchester Art Gallery, allen voran die Studie von John Milton. Die neue Bibliothek in Felpham gehörte zu einem Cottage am Meer, das eine Dachkuppel besaß, die Hayley nach eigenem Entwurf bauen
ließ. Dorthin zog er sich aus finanziellen Gründen zurück; das große Haus in Eartham wurde vermietet. In diesem Cottage war Alphonso gestorben, und Hayley sollte bis zu seinem eigenen Tod 1820 dort bleiben. Der erste Winter und der darauf folgende Frühling waren für den arbeitseifrigen Blake, der seine Aufgaben bald schon um die Miniaturmalerei erweitern sollte, eine arbeitsintensive Zeit. Die Miniaturmalerei gehörte zu Hayleys liebsten Kunstformen und, da sie in der damaligen Zeit ausgesprochen en vogue war, beabsichtigte Hayley, Blake mit der Anfertigung der Miniaturgemälde seiner in der Nähe wohnenden Freunde zu beauftragen.
So fand Blake in Hayley einen ungewöhnlichen Landedelmann und entdeckte neues Glück in freier Natur, inmitten derer er nun zum ersten Mal in seinem Leben wohnte. Von seinen Fenstern im oberen Stockwerk konnte er über das Meer blicken; damals lag Bognor noch versteckt hinter zwei Windmühlen auf einem ins Meer hineinragenden Landvorsprung. Auf der Rückseite blickte Blakes Cottage landeinwärts auf die Downs, und Anspielungen, die sich in Blakes Briefen finden, lassen darauf hindeuten, dass das Schwimmen und Wandern -Beschäftigungen, die er seit jeher liebte - zu den Freuden seines neuen Lebens auf dem Land gehörten.
Unweit des Fox Inn, nahe der Dorfmitte, befand sich Hayleys Strandhäuschen. Dahinter schlängelten sich die Wege durch die Felder hindurch bis zum Fuße der Downs, und über die an Blakes Tür vorbeiführende Straße gelangte er in wenigen Minuten zum Meer. Wenn es nicht gerade Sommer ist, bietet das Flachland zwischen dem Dorf und den Downs keinerlei Reize, und die meisten seiner Träume und Visionen sollten Blake am Strand oder vom damaligen Küstenpfad aus auf das Meer hinausblickend erscheinen. Bis heute hat das Cottage nur einen schmalen Vorgarten, der, wie auch das Haus, rechtwinklig zur Straße blickt.
„In der vergangenen Nacht“, so berichtete er einer Dame, wanderte ich allein in meinem Garten umher; es lag eine wunderbare Ruhe in den Blüten und Zweigen und die Luft war von seltenem Zauber erfüllt. Ich vernahm ruhige, wunderbare Klänge, fand aber deren Quelle nicht. Schließlich sah ich, wie sich ein breites Blatt an einer Blume regte, und darunter entdeckte ich den Umzug verschiedener Wesen, die von derselben Größe und Farbe wie grüngraue Grashüpfer waren; sie trugen einen auf ein Rosenblatt gebetteten Leichnam, den sie mit Liedern begruben, und verschwanden alsdann. Es war die Beerdigung einer Elfe.
Menschliche Gesellschaft fand sich in Hayley und dessen landsässigen Freunden, die für ihn bei Miniaturportraits posierten oder ihm solche in Auftrag gaben. Blake schien seine Sache zur Zufriedenheit der Portraitierten gemacht zu haben, denn Hayley
William Blake,
Illustration aus Jerusalem, Druckgrafik 47, um 1804- um 1820.
Reliefradierungen und schwarz-weiße Liniengravur mit Aquarell und grauer Lavierung, 34,5 x 27 cm.
Yale Center for British Art, New Haven, Connecticut.
Johann Heinrich Füssli,
Nibelungen. Brunhilde beobachtet den von ihr gefesselt an der Decke aufgehängten Gunther, 1807
Bleistift, Tinte und Tuschelavierung, 48 x 31 cm.
Castle Museum and Art Gallery, Nottingham.
Jil J.Jrrrg. C&t IJW'Jrrc i
William Blake,
Illustration aus Jerusalem, Druckgrafik 46, um 1804- um 1820. Reliefradierungen und schwarz-weiße Liniengravur mit Aquarell und grauer Lavierung, 34,5 x 27 cm.
Yale Center for British Art, New Haven, Connecticut.
William Blake,
Illustration aus Jerusalem, Druckgrafik 37, um 1804- um 1820. Reliefradierungen und schwarz-weiße Liniengravur mit Aquarell und grauer Lavierung, 34,5 x 27 cm.
Yale Center for British Art, New Haven, Connecticut.
r
p/7/H
■.y-
kA* Zr*rjFf X yr
’.•.-’/><■
w XK«y^^r’< £• fiV» -frH’ZM’ ar~
I H-.'^rbC*’ - I •'.'. ..• rA ;»
6' ,<»W . ' • £#.■••*
I kCcz.’*^ U^Trv . r j/xKfinr^
"* J**: ■&*' fr~^,u
Of >’•-•■ *" c-’/\’.*T
- • £«xnfzc/??Y.tzn/<£_Z/>z*_ c'.< • • /,?.■•
WM'?< 2-‘ 9 \**-
rti Z’.^2.-
’.zjdJ?«. <■ fcu. •
>35— —r._..__ -u,---
. . rXrcJ/TJT
A ’ .•■ ' *■'T *'
William Blake,
Illustration aus Jerusalem, Druckgrafik 15, um 1804- um 1820. Reliefradierungen und schwarz-weiße Liniengravur mit Aquarell und grauer Lavierung, 34,5 x 27 cm.
Yale Center for British Art, New Haven, Connecticut.
merkte an, zweifellos repräsentativ für das allgemeine Urteil, Blake besäße „... ein wunderbares Talent für originelle Entwürfe“ und habe diese oftmals „... mit großer Freude“ ausgeführt.
Überdies unterrichtete Blake die Kinder von Lady Bathurst in Lavant und hätte für ein festes Honorar weiterhin bleiben können, wenn er nur damit einverstanden gewesen wäre, bedingungslos alles zu malen, was der Lady gerade in den Sinn kam. Sein guter Wille verflog jedoch, als sie ihn bat, ein Paar Handschuhe zu malen; dies scheint jedoch der einzige Auftrag zu sein, dem er sich verweigerte. In Hayleys Bibliothek wurden außerdem Gesellschaftsabende veranstaltet, bei denen der Gastgeber zu rezitieren pflegte und Blake bat, Griechisch zu lernen, um Hayleys Lesungen aus Homers Werken besser schätzen zu können. So vergingen Winter und Frühling in geschäftiger Zufriedenheit. Im Mai 1801 schrieb Blake an Butts:
Mr. Hayley handelt wahrhaft fürstlich. Ich könnte mich hier nicht wohler fühlen. Doch wünsche ich auch, meinen Pflichten zu genügen, besonders Ihnen gegenüber, die Sie mir zu meinem gegenwärtigen guten Stande verholfen haben. Ich verspreche, Ihnen niemals ein Bild zu schicken, das meiner gegenwärtigen Fertigkeit nicht gerecht wird. Bald schon werde ich Ihnen mehrere Bilder senden können. Derzeit gehe ich ganz in Miniaturmalerei auf. Das Miniaturportrait ist mir eine Göttin geworden, und meine Freunde in Sussex sagen, ich sei darin wahrlich brillant. Viele Aufträge wurden mir erteilt, und es werden stetig mehr.
Die Ballade Hayleys, für die Blake nach seiner Ankunft Illustrationen angefertigt hatte, war ein Bänkellied, das Hayley in dem ehrenwerten Wunsche schrieb, die Mutter von Little Tom the Sailor (Der kleine Matrose Tom) zu unterstützen, dessen Heldentum es pries. Der Verkauf diente ihrer finanziellen Unterstützung, und der Verkauf lief sehr gut. Hayley, davon recht angetan, beschloss also, seine Feder nun zum Wohle Blakes einzusetzen, und noch vor dem Jahre 1801 hatte er mehrere Balladen verfasst. Blake sollte wieder die Illustrationen übernehmen, und ein Buchhändler aus Chichester sollte sie zugunsten des Künstlers veröffentlichen.
Die beiden Männer waren inzwischen seit einem Jahr miteinander befreundet, doch Hayley blieb unermüdlich. Seine Überzeugung, dass seine Ballads on Anecdotes relating to Animals (Balladen, inspiriert von Anekdoten über Tiere) ausgerechnet dem Dichter und Künstler der Songs of Innocence als wohltätige Zumutung recht schmackhaft gemacht werden könnten, dass dieser vor Lebensmut sprühende Hausgast, dessen Aufträge „... stetig mehr“ wurden, nun die Rolle der armen Frau, einer Empfängerin der Barmherzigkeit, übernehmen sollte, zeugte von empörender Taktlosigkeit.
Und als ob die Musen ihrer Empörung Ausdruck verleihen wollten, war Hayley in der Tat nie weniger von Inspiration beseelt
William Blake,
Illustration aus Jerusalem, Druckgrafik 25, um 1804- um 1820.
Reliefradierungen und schwarz-weiße Liniengravur mit Aquarell und grauer Lavierung, 34,5 x 27 cm.
Yale Center for British Art, New Haven, Connecticut.
■IW-'
^^A
a5,17. r 'psz^n ’ tfr»Ar .-v^wi
> ß’ircrjjtm.'m yiisxrM yrif. a¥*
7 y.!W)
-jy? Aff&trm
la^a u^f f -2/c
&in tj-r>‘tj
fjTii.iof.
./r?/7if aw. 7/^
"Anxit/ ^ir/^A/riA^ 'xrt
j>j^ir?>sT ;
'uazf^iav.
^.*^3 | F’vTv | |
Ia a | ■I » P w |
als in diesen Werken, und Blake konnte sein Gesicht wahren, als sich das Projekt schließlich auch als finanzieller Misserfolg erwies. Nichtsdestotrotz unterhielt er auch weiterhin gute Beziehungen zu dem Mann, der ihn so sehr verehrte und, mit mehr Wahrheitsgehalt als ihm bewusst gewesen sein mag, ausführlich von Blakes „... unschätzbarer Geduld“ schrieb. Gegenwärtig waren sämtliche ’Triumphe der Sanftmut’ auf Blakes Seite, doch sollte er bei seinen Spaziergängen zu den Damen in Lavant weniger bedacht sein.
Es war etwa um diese Zeit, wie aus einem ein Jahr später verfassten Brief von Blake an Butts hervorgeht, als er gerade auf seinem Weg dorthin „... Ich ersann mich der Verse, die Hayley sang / Als der Schlag meines Herzens gegen meine Zunge erklang“ eine „... traurige Distel“ erblickte. Sie sollte der Mittelpunkt des inneren Konflikts werden, der ihn vereinnahmte. Von seiner Einbildungskraft sofort verwandelt, wurde sie zum Symbol für das Doppelleben, das er zu führen gezwungen war:
For double the vision my eyes do see,
And a double vision is always with me.
With my inward eye, ‘tis an old man grey;
With my outward, a thistle across my way.
Denn zwei Visionen sind’s, die sich vor meinem Auge ausbreiten,
Zwei Visionen, die mich fortwährend begleiten.
Vor meinem inn’ren Aug’ ist’s ein ergrauter alter Mann;
Vor meinem äuß’ren eine Distel am Wegesrand.
Die Distel führt ihm die Vorhaltungen von Los vor Augen. Er muss, so wird ihm gesagt, entscheiden zwischen seinem geistigen Freund, Butts, und Hayley, seinem unfreiwilligen Gegner. Der Unterschied zwischen ihnen war: Butts nahm jede Arbeit wortlos an, die Blake selbst wählte und schätzte; Hayley hingegen zwang ihm die eintönige Schinderei auf, die ihm widerstrebte, und verwarf Blakes persönliche Vorstellungen mit höflicher Ablehnung. Hayley wollte Blake verbissen helfen, indem er ihn mit nützlicher Beschäftigung versorgte. Nobler hingegen war das Bestreben Butts’, seinem Freund zu helfen. Mit Worten voller Anmut beschreibt Blake das Opfer, das Los ihm abverlangt:
My hands are labour’d day and night,
And ease comes never in my sight.
My wife has no indulgence given,
Except what comes to her from heaven.
We eat little, we drink less;
This earth breeds not our happiness.
Meine Hände schinden sich bei Nacht und bei Tage
Und nie kann ich die Hoffnung auf Linderung wagen.
Meinem Weib bleibt jede Freude verwehrt,
Die vom Himmel ihr nicht gewährt.
Wir haben wenig zu essen, gar weniger zu trinken;
Auf dieser Erde wird das Glück uns nie winken.
Der „Trotz“ gegen Los, erklärt er weiter, erfüllt alle Menschenseelen nur mit Leid, doch die „Pfeile des Gedankens“ durchdrangen seinen Geist, als die Flammen der sichtbaren Sonne, der unsichtbare Los, auf ihn stürzten. Das Geschenk dieses Augenblicks der Erleuchtung ist eine vierfache Vision, und obwohl er weiß, dass er die Gabe der Doppel-Vision immer behalten wird, endet sein Gedicht mit dem Gebet, Gotte möge ihn vor der Täuschungskraft des äußeren, physischen Auges bewahren.
Als er von seinem Spaziergang zurückkehrte, muss er Hayley wohl ungewöhnlich „munter“ erschienen sein, ein Wort, das einem seiner Briefe entnommen ist, den er wohl geschrieben hat, nachdem er Blake gut gelaunt ebenfalls von einem seiner Spaziergänge zurückkommen sah. Blake, der inzwischen Hayley bei der Abschrift seiner Cowper-Biographie half, stellt wiederum seine Meinung über seinen Förderer dar. Er spricht von Hayleys „. unermesslicher Arbeitswut“ und sucht diese zweifellos noch durch eine erzwungene Konzentration auf seine eigenen Aufgaben zu übertreffen:
Ich arbeite unentwegt. Ich erreiche nicht einmal halb so viel, wie ich mir vornehme, denn meine ungreifbare Torheit bringt mich oft von meiner Arbeit ab, trägt mich über unwirkliche Berge und Täler in ein Land der Abstraktion, in dem die Geister der Verstorbenen wandeln. Dem muss und werde ich Einhalt gebieten; ich kette mich mit ganzer Kraft mit meinen Füßen an die Welt der Pflicht und Demut.
Finden sich hierin nicht einige der Ratschläge Hayleys wieder? Fast genau ein Jahr war seit seiner Ankunft in Felpham vergangen, als diese Worte dem Dichter abgerungen wurden, der sich nie lange in Ketten legen ließ. So fuhr man also mit der Arbeit fort, und Blake und Haley verbrachten jeden Abend damit, Cowpers Übertragung der Ilias mit dem griechischen Original zu vergleichen. Dadurch verbrachte Blake sowohl seine Arbeitszeit als auch vor allem seine freien Stunden stets unter dem wachsamen Auge Hayleys, und dass ihre enge Verbindung zueinander davon offensichtlich ungetrübt blieb, ist ein eindrucksvolles Zeugnis des Wesens dieser beiden Männer.
Das Lamm und der Löwe legten sich nebeneinander nieder, denn der lammgleiche Hayley ahnte nicht, wer in seiner Grube lag. Das Schreiben von Epitaphen hielt Hayley beschäftigt. Er konnte nicht ahnen, dass die Nachwelt in den Blake in einem vertraulichen Gespräch zwei Jahre später entschlüpften Zeilen die seinen hineinlas. Der Dichter war ihm nach wie vor „. unser grandioser Blake“, und Hayley war sich überhaupt nicht darüber im Klaren, dass Blake ihm in der Epigrammkunst überlegen war. Dieses seltsame Paar brauchte sich weder abzutasten noch zu ergründen, denn Hayley war sich des Mannes neben ihm nie gewahr.
Die Arbeit an den Kupferstichen zur Biographie von Cowper wurde fortgeführt, es war von Genauigkeit und diszipliniertem
Johann Heinrich Füssli, Das Schweigen, um 1799-1801. Öl auf Leinwand, 63,5 x 51,5 cm.
Kunsthaus, Zürich.
William Blake,
Illustration aus Jerusalem, Druckgrafik 41, um 1804- um 1820. Reliefradierungen und schwarz-weiße Liniengravur mit Aquarell und grauer Lavierung, 34,5 x 27 cm.
Yale Center for British Art, New Haven, Connecticut.
WXJ&CT- -SVcAf. i/t Z)r:
- \iJ-^f£'tr6 C/t£i CbtieA-
f. cx>r£rzr*c& of ^e/JT
t. -T^T~ ..s/z'z/z Z
C> zzf. cAe
S’ dafK.- c/zt'tej
ry/C/IZz'. >V4ZX z/r<Z >4zz/ >
Z cartftot j/Ztz£-
Fleiß dominiert. Cowpers in The Task (Die Aufgabe) beschriebenen Feldhasen und das Wetterhaus sagen weit mehr aus, denn mit ihnen trat Blake endlich über die Grenzen in sein sonderliches und zauberhaftes Feld. Die Natur selbst gab ein Warnzeichen, dass das Gute sich seinem Ende näherte, denn Catherine Blake begann unter Rheuma zu leiden, und selbst Blake konnte sehen, dass es in dem Cottage zu feucht war. Zum Ende seines zweiten Winters schrieb Blake im Januar 1802 an Butts:
Als ich hierher kam, war ich zuversichtlicher, als ich es jetzt bin; doch der Grund lag in meiner Unwissenheit über viele Dinge, die seither geschahen, vornehmlich die gesundheitliche Unzuträglichkeit des Hauses. Dennoch bereue ich es nicht, gekommen zu sein, und dies hat tausend Gründe; und Mr. H. wird, das bezweifle ich nicht, letzhin alles unternehmen, um seinen und meinen Wunsch in die Tat umzusetzen, nämlich: mich aus meiner schwierigen Lebenslage zu befreien.
Dies ist jedoch kein leichtes Unterfangen für einen Mann, der, da er spirituelle Feinde von solch enormer Gewalt hat, nicht erwarten kann, insgeheim auch verborgene natürliche Feinde zu haben. [...] Unsere Ausgaben sind gering und unser Einkommen aus unermüdlicher Arbeit dafür derzeit mehr als ausreichend. [...] Doch nur Geduld! Sollten die großen Dinge auf sich warten lassen, dann deshalb, weil solche Dinge in der spirituellen und nicht in der natürlichen Welt entschieden werden; und sollte ich dazu bestimmt sein, so zweifle ich nicht daran, dass mir größere Dinge zuteil werden. [...] Doch was auch immer aus meinen Bemühungen wird, sähe ich sie lieber in Ihrem Gewächshaus (nicht, wie Sie es zu Unrecht nennen, Misthaufen) wohl aufbewahrt als in der kalten Galerie der Gegenwartsströmung. [.] Dass ich so unglücklich bin, hat seine Ursache in einer Quelle, die - sollte sie nur oberflächlich ergründet werden - mir in meiner materiellen Lage zum Nachteile gereichen würden. Ich bin gegenwärtig von der Kupferstecherei abhängig, und darin insbesondere von den Kupferstichen, die ich für Mr. H. zu machen habe. Meine Hände werden mit deutlichen Einwendungen, die bei jedem Versuch erhoben werden, etwas anderem nachzugehen als der tristen Schinderei des Alltagsgeschäfts, an ihn gebunden; und in allem schlagen mir einschüchternde Warnungen entgegen, dass, beschränkte ich mich nicht darauf, ich nicht leben könne. Dies ist mir stets eine Last. [...]
Was meinem Herzen teurer ist als alles andere -mehr noch als mein Leben, mehr noch als alles, was es dem äußeren Schein nach angenehmer macht - ist das Interesse für wahre Religion und Wissenschaft. Und sobald nur das Geringste zutage tritt, das dieses Interesse in mir weckt (und ganz besonders, wenn ich selbst als Soldat Christi jede Pflicht gegenüber meinem General vernachlässigen muss), bereitet mir dies größte Qualen. Ich fürchte, schäme oder sträube mich nicht, Ihnen zu sagen, was gesagt werden sollte, nämlich: dass ich bei Tag und bei Nacht der Weisung von Himmelsboten unterstehe. Doch die Natur dieser Dinge ist nicht, wie von vielen angenommen, frei von Kummer oder Widrigkeiten.
Butts hatte sich nach dem Grund für Blakes innere Unruhe erkundigt, und der Brief sollte bis zu seinem aussagekräftigen Schluss im Ganzen gelesen werden; er findet seinen Höhepunkt in dem Beschluss „... keinen weiteren Winter hier zu verbringen“. Lag es daran, dass Hayley sich dieser Anspannung, unter der Blake litt, zu keiner Zeit bewusst war, oder hatte er sich absichtlich nach besten Kräften bemüht, jede von ihm wahrgenommene Widerstandsregung im Keime zu ersticken?
Es lässt sich unmöglich vermeiden, den Aufgaben, die Hayley ihm auferlegte, die uneingennützige Unterstützung Butts’ vergleichend entgegenzustellen. In einem Postskriptum desselben Briefes dankt Blake Butts für den Vorschlag, zwei von Blakes Bildern auszustellen. Alle Warnungen Hayleys und seines Bekanntenkreises fachten die Energien, die sie zu unterdrücken versuchten, zweifellos noch an. In der Zwischenzeit berichtet Hayley, dass Blake „... zum Griechen sich wandelt“, und konnte Blake nun überreden, sich über die Einwände von Lady Hesketh gegen die „... einfachen und würdevollen Ornamente“ hinwegzusetzen, mit denen Hayley Cowpers Grab zu verzieren gedachte.
Auf einer Marmorplatte sollte eine aufrecht stehende Bibel unter The Task liegend zu sehen sein. Hayley hatte Flaxman den Entwurf dazu geschickt, und Blake soll diesen kopiert haben und damit einverstanden gewesen sein. Eine wichtige Änderung wurde jedoch an diesem Entwurf vorgenommen, bevor er schließlich zur Ausführung kam. Die Position der beiden Bücher wurde getauscht. The Task sollte nun unter der Bibel liegen, eine Feinheit, die Hayley „... achtlos“ übergangen hatte.
Im März 1802 war Life of Cowper vollendet und die Arbeit, für die Blake ursprünglich nach Felpham gekommen war, damit beendet. Im Sommer gingen Hayleys Balladen in zwei Quartformaten in die Presse, doch nicht einmal das Sommerklima konnte Blakes Gemüt erheitern. Sowohl er als auch seine Gattin litten unter Fieber, und sein Genesungsprozess machte ihn einmal mehr ganz von Hayley abhängig.
Im Herbst starb Romney, und Hayley beabsichtigte, mit Blakes Unterstützung eine weitere Biographie zu verfassen. Das Buch sollte jedoch niemals geschrieben werden, und es sind keine Briefe erhalten, aus denen hervorginge, wie Hayley Blake im darauf
*T*\-
folgenden Jahr weiter beschäftigte. Eine Brücke schlägt hier sein Briefwechsel mit Butts, dem Blake Mitte November, vermutlich mit seinen jüngsten Miniaturmalereien im Hinterkopf, schreibt:
Ich habe mich nun zwei Jahre lang eingehend dem Studium der Kunst gewidmet, die so eng mit der Kenntnis von Licht, Farbe und Schattierung verbunden ist, und bin nun überzeugt, dass sich entweder die Schönheit der verschiedenen Farbtöne gänzlich meinem Verständnis entzieht oder die Bilder, die ich für Sie gemalt habe, in jedem erdenklichen Aspekt aller Kunst seit den Raphaeliten ebenbürtig - und in einem gar überlegen - sind.
Ein Brief von Sir Joshua bekräftigte seine Überzeugung, dass „... die harmonische Einheit der Farben und lange Linienführung wahrhaft Großes hervorbringen.“ Butts erhält auf seine eigenen Einsichten eine noble Antwort:
Seien Sie sich gewiss, mein lieber Freund, dass diese Gemälde und Zeichnungen allein und nur allein durch das entstanden, was mir mein Kopf und Herz in Einklang auftrugen; und dass es mich mit Stolz erfüllt, ihre ausführende Hand zu sein, und mit Dankbarkeit, Sie zum Brotherren zu haben; und dass Sie mir der höchste, edelste meiner Freunde sind, den zu erfreuen ich gerne alles unternehme, denn von allen Menschen ermöglichten es nur Sie ganz allein mir, solche Werke zu schaffen.
Obschon Blake nun den dritten Winter in Felpham verbrachte, lässt sich ein anderer Ton vernehmen, als er sich persönlichen Belangen zuwendet. „Ich war und bin hier zutiefst unglücklich“, schrieb er, verbrannte jedoch die Briefe, in denen er Butts davon erzählte.
Die Portraitmalerei, die inzwischen den Großteil seiner Auftragsarbeiten ausmachte,
. ist in jeder Hinsicht das genaue Gegenteil der Zeichnerei und der historischen Gemälde. Hat man die tatsächliche Schöpfung der Natur nicht bei jedem Pinselstrich vor Augen, ist keine Portraitmalerei möglich; und hat man sie, in welchem Anteile auch immer, vor sich, ist keine Darstellung der Geschichte möglich. Dies war Michelangelos Ansicht, und es ist auch die meine.
Diese Erkenntnis, die für ihn seine fortwährende widerstrebende innere Unruhe im Angesicht der „... tristen Schinderei des Alltagsgeschäfts“ rechtfertigte und ihm Beweis war, dass er sein Talent zum falschen Zwecke einsetzte, brach wie ein Licht durch die Trübnis seines Gemüts. Mit seiner Abreise kehrte seine ihm angestammte Beschwingtheit wieder. Er war nun nicht mehr unglücklich, denn er schrieb:
Ich stehe nun wieder im Glanze des Lichts; heute, gestern und in alle Ewigkeit werde ich die Christenheit in Liebe und Verbundenheit umschließen und Ihn, das Abbild Gottes, liebend verehren; doch habe ich, fast einem Recken gleich, Gefahren und Dunkelheit durchqueren müssen. Ich habe sie bezwungen, und werde sie weiterhin bezwingen. Nichts vermag dem Tosen meines Weges zwischen Gottes Sternen und dem Abgrund der Verleumder und Beschuldiger zu widerstehen.
Mit diesen Worten, geschrieben am 22. November 1802, war die spirituelle Gestalt des „Eremiten von Eartham“ durch ihre menschliche Verhüllung hindurch nun endlich enttarnt.
Doch auch dieser Winter verging beinahe ganz so wie die vorigen und auch im folgenden März sitzt Blake wieder in Hayleys Bibliothek. Die Nachricht vom Tode des auch als „. der deutsche Milton“ bezeichneten Friedrich Gottlieb Klopstock47 bewegte Hayley dazu, den Messiah (Messias) aus dem Regal zu nehmen, um Blake seine Übertragung des dritten Gesangs zu diktieren. Hayleys Interesse für die deutsche Sprache lebte wieder auf, nachdem seine eigenen Werke in deutscher Fassung erschienen und dem geschmeichelten Dichter von den Übersetzern selbst übergeben worden waren.
Es war jedoch nicht Hayleys Poesie, die Blakes Fügsamkeit schließlich überfordern sollte, sondern Hayleys Anwesenheit, seine Anordnungen und sein unerbittliches Bestehen auf unbedingter Ausführung stumpfsinniger Aufgaben. Sein überehrgeiziges Wohlwollen und seine höfliche Ablehnung gegenüber der Arbeit, von der Blake ganz und gar erfüllt war, gerieten zur Unterjochung, doch vermutlich erst mit der Aufforderung an Blake, besagte Handschuhe zu malen, rührte sich in ihm aktiver Widerstand. Es sollte der erste Auftrag sein, den er in seinem Leben je ablehnte. Das Maß war voll. Er musste Hayley verlassen oder seine eigenen Visionen opfern. Seine Entscheidung teilt er Butts, sich der Gratulationswünsche seines besten Freundes gewiss, in einem Brief mit. Am 25. April 1803 schreibt er Butts, er sei ihm zu Dank verpflichtet für die großmütige Hand, die sich stets bemühte, ihn aus der Dunkelheit der Verzweiflung ans Licht zu heben, „... wenngleich sie mich auch zu hoch empor hebt.“ Er schrieb:
Und nun, mein teurer Herr, gratulieren Sie mir zu meiner Rückkehr nach London, die ich mit der uneingeschränkten Zustimmung Mr. Hayleys und mit erwartungsvollem Herzen antrete Doch, ach! Nun muss ich Ihnen anvertrauen, was ich vielleicht keiner anderen Menschenseele anvertrauen sollte: dass ich mich in London allein und ungestört und frohen Mutes nun ganz meinen Visionen widmen kann, und mit meinen Freunden aus der Ewigkeit sprechen, Visionen sehen, Träume träumen, Prophezeiungen machen und in Parabeln sprechen kann - ganz unbeobachtet und unberührt von den Zweifeln anderer Sterblicher; Zweifel, die vielleicht durch die
William Blake,
Illustration aus Jerusalem, Druckgrafik 75, um 1804- um 1820. Reliefradierungen und schwarz-weiße Liniengravur mit Aquarell und grauer Lavierung, 34,5 x 27 cm.
Yale Center for British Art, New Haven, Connecticut.
Güte des Zweifelnden hervorgerufen werden. Doch Zweifel sind stets unheilvoll, ganz besonders, wenn es unsere Freunde sind, die uns anzweifeln.
Christus selbst war in diesem Punkt sehr klar: „Wer nicht mit mir ist, ist gegen mich.“ Es gibt keinen Zwischenweg und keinen Mittelweg; und wer meinem spirituellen Leben Feind ist und gleichzeitig vorgibt, der Freund meines materiellen Lebens zu sein, ist ein wahrer Feind. Doch kann ein Mensch meinem spirituellen Leben Freund sein, obgleich er scheinbar Feind meines materiellen Lebens ist - nur nicht umgekehrt.
Blake schreibt weiter, jeder „... der von meiner Rückkehr nach London hört, applaudiert mir und sagt, dies sei der einzig mögliche Weg, der im Interesse aller, für die meine Arbeit von Belang ist, zu begehen ist“, und wir erfahren mehr über die private Zeit in Felpham -wenige, vermutlich auf die Nacht begrenzte Stunden, - als er auf „... die spirituellen Handlungen aus meinem dreijährigen Schlummer am Ufer des Ozeans“ verweist. Sie finden sich in „... ein[em] lange[n] Gedicht“, Milton und möglicherweise auch Jerusalem, denen er seine Zeit gewidmet haben muss, wenn sie nicht gerade von Hayleys Arbeitsanweisungen oder Hayleys Gesellschaft oder dem ansässigen Landadel in Anspruch genommen wurde.
Hätte er sich als Antwort auf Hayleys Lesungen Passagen aus einem dieser Werke vorgenommen - die resultierende Szene zwischen dem wechselnden Vorleser und Zuhörer ließe sich nur allzu leicht vorstellen. Gerechterweise ist anzumerken, dass Hayley keinerlei Beschwerden äußerte, lediglich aufrichtiges und schmerzerfülltes, wenn auch schales Lob und in gewissen Maße auch wohlwollende Besorgnis um Blakes finanzielle Zukunft.
Als Blake im Vertrauen Butts berichtet, sein „. langes Gedicht“ sei vollendet, schreibt er: „Von Freude bin ich erfüllt und von Ehrfurcht: ’Zur Ehrfurcht und zum Wunder bin ich erschaffen’, zitiert er aus dem Gedicht und identifiziert sich damit mit der Figur seines neuesten Werkes. Er hatte sich offenbar bereits am Tag der Ankunft von Butts’ vorangehendem Brief an die Beantwortung gemacht und hatte kurz zuvor noch den 139. Psalm gelesen. Blake identifiziert sich mit dem Psalmendichter und sieht vor sich das Gesicht seines Gottvaters, der „. seinen Segen über all meinem Schaffen“ ausspricht, und aus seiner Begeisterung heraus, für die er sich bei seinem Freund entschuldigt, nimmt er die Kadenzen des Psalms an. Er schreibt, er wolle dem Herren singen, dass ihn auch die Drachen aus der Tiefe preisen, und auch jene, die in der Dunkelheit hausen und an den Küsten. Er zeichnet hier ein Bild von sich selbst. Wir sehen vor uns das Häuschen am Meer, den ergriffen im Psalm Lesenden, sein Niederlegen der Bibel, das leidenschaftliche Aufblitzen in seinen Augen ob des Gelesenen. Anfang Juli schreibt Blake in einem weiteren Brief:
William Blake,
Illustration aus Jerusalem, Druckgrafik 50, um 1804- um 1820. Reliefradierungen und schwarz-weiße Liniengravur mit Aquarell und grauer Lavierung, 34,5 x 27 cm.
Yale Center for British Art, New Haven, Connecticut.
Die Aussicht, wieder bei unseren Freunden zu sein, erfüllt uns mit unsagbarer Freude. So bin ich fest entschlossen, dass Mrs. Butts ein Portrait in herrlicher Nachahmung von Euch haben soll, so mir denn Hände und Augen gegeben bleiben; denn aus mir ist ein Meister der Nachahmung geworden, und ich bin darin bemerkenswert erfolgreich.
Was war aus all den Miniaturportraits geworden? Seine jüngsten Methoden in seiner Portraitmalerei belegen, was er erfahren hatte: Ein Portrait
... kann nicht gemalt werden, wenn nicht der oder das Portraitierte bei jedem Pinselstrich Modell sitzt, denn jede aus dem Gedächtnis abgerufene Ähnlichkeit ist zwangsläufig sehr, sehr fehlerhaft; doch die Natur und die Phantasie sind zwei unterschiedliche Dinge, die nie miteinander verschmolzen werden können und die zu verschmelzen niemand je versuchen sollte, denn dies wäre Idolatrie und zerstört die Seele.
Blake bekräftigt gegenüber Butts erneut, dass Mr. Hayley sich „... durchaus verträglich“ gegenüber ihrer Abreise zeige, möglicherweise, weil der Eremit von Eartham zu jener Zeit tief in seine Cowper-Projekte versunken war, deren Subskription weiterhin rege lief. Cowpers Anmerkungen zu Milton und Cowpers Übertragungen der in lateinischer und italienischer Sprache verfassten Gedichte Miltons sollten noch weiter „... mit Kupferstichen ausgeschmückt“ werden, die von Blake, Flaxman und Romney angefertigt werden sollten, und alles deutete darauf hin, dass Blake auch weiterhin für alle diese Ausgabe betreffenden Arbeiten verpflichtet werden sollte, die Hayley zur Illustration vorschlug. So eroberte sich Blake also seinen Freigeist zurück, entsagte einer seinen Geist knebelnden Gesellschaft und sollte doch zugleich seinen Brotberuf behalten. Diesen Kompromiss erreicht zu haben, ohne dabei seinen Förderer zu befremden, war Blakes eigener „Triumph der Sanftmut“. Erleichtert schrieb er Butts, nachdem alle Belange geklärt waren:
Ich hoffe, dass all unser Kummer der vergangenen drei Jahre sich nun zu unserem Wohle wandelt und durch meine Gunst vergessen und allein durch mein Verständnis in Erinnerung bleiben wird - als Mahnung an die Zukunft und als vortreffliche Allegorie an nachfolgende Generationen, die nun in einem exquisiten Gedicht ihre Vollendung gefunden hat.
Dieses Gedicht war es, das zu den Spannungen geführt hatte. Nachdem er das Gedicht gepriesen hatte als einer, der nur niedergeschrieben hatte, was ihm diktiert wurde, gestand Blake:
Ich mühe mich so gut als möglich, Mr. H. nichts von diesem Werk zu erzählen, da ihm meine Poesie so sehr zuwider ist wie jedes Kapitel der Bibel. Er weiß,
William Blake,
Illustration aus Jerusalem, Druckgrafik 78, um 1804- um 1820. Reliefradierungen und schwarz-weiße Liniengravur mit Aquarell und grauer Lavierung, 34,5 x 27 cm.
Yale Center for British Art, New Haven, Connecticut.
William Blake,
Illustration aus Jerusalem, Druckgrafik 57, um 1804- um 1820. Reliefradierungen und schwarz-weiße Liniengravur mit Aquarell und grauer Lavierung, 34,5 x 27 cm.
Yale Center for British Art, New Haven, Connecticut.
dass ich es geschrieben habe, denn ich habe es ihm gezeigt, und er hat es auf eigenen Wunsch hin auch in Teilen gelesen, und der verächtliche Ausdruck in seinem Gesicht war verächtlich genug, mich in meiner eigenen Meinung noch zu bestärken. Es ist jedoch nicht mein Ersinnen, mit meinen poetischen Anstrengungen durch übertriebene Sturheit die Gemüter zu erzürnen. Wenn jedoch alle Welt sein Angesicht mir entgegenstreckt, so habe ich den Auftrag, mein Angesicht hart zu machen ’wie einen Kieselstein’ (Ezechiel, 3:8) und ihrem Angesicht entgegenzustrecken, und meine Stirn ihrer Stirn.
Dies lässt die Vermutung zu, dass, wenn Hayley ihn mehr als üblich zur Verzweiflung trieb, Blake in der Bibel Trost suchte. Sie hatte, wie auch Swedenborg und sogar Milton, möglicherweise sogar einen eher unseligen Einfluss. Blake brauchte Poeten, die nicht apokalyptisch waren, und Chaucer beflügelte ihn zu höherer Schreibkunst, wie es auch die elisabethanischen Lyriker getan hatten. Hayleys Einfluss war jedoch verhänglicher, da er ihm, anders als Chaucer, nicht ergänzend entgegengestellt war, und damit genau die Idiosynkrasien bestätigte, die durch feinsinnigeres kritisches Mitgefühl vielleicht hätte geändert werden können. So aber erzürnte er auch den Künstler in Blake: „Was Mr. H. angeht“, schreibt er in dem Brief weiter,
.so erlaube ich mir die Freiheit zu nehmen, über dieses heikle Thema folgende Worte zu verlieren: Ich habe für Bräuche in der Poesie ebenso wenig Achtung wie vor solchen in der Malerei. Wenn also Dichter oder Maler jeweils ihre Ablehnung äußern (ich weiß jedoch, dass die meisten dies nicht tun werden), darf ich dem nicht die geringste Beachtung schenken. Doch Mr. H. findet an meinen Entwürfen ebenso wenig Gutes wie an meinen Gedichten, und ich war gezwungen, darauf zu bestehen, dass er mir, was beide anbetrifft, meinen eigenen freien Willen lassen möge. Denn ich bin fest entschlossen, mich nicht länger von seiner vornehmen Ignoranz und seiner höflichen Ablehnung bedrängen zu lassen. Ich kenne sowohl den Dichter als auch den Maler in mir sehr gut: seine gezierte Verachtung kann nichts bewirken, als mich zu noch stärkerer Entschlossenheit in der Ausübung beider Künste anzutreiben.
Es ist mir durch meine jüngste Sturheit sogar gelungen, seinen affektierten Hochmut zu Fall zu bringen, und er formt allmählich die Meinung, ich habe Genie - als ob Genie und Selbstsicherheit dasselbe wären! Doch seine kindischen Versuche, mich zu entmutigen, verdienen nichts als Gelächter.
Ich vertraue Euch dies an, da ich mir gewiss bin, Ihr werdet davon keinen schlechten Gebrauch machen. Es ist jedoch auch leider nur allzu wahr, dass, wäre ich nur von materiellen Dingen abhängig gewesen, dies meinen Verderb wie auch den meiner Gattin bedeutet hätte. Ich werde jeden Einzelnen im ganzen Land ob meiner Geduld und Beharrlichkeit im Angesicht einer nicht enden wollenden Flut von Angriffen und Verletzungen in Erstaunen versetzen; und ich versichere Ihnen, wenn ich bereits einen Monat nach meiner Ankunft hier nach London hätte zurückkehren können, so hätte ich dies getan.
Hier ist etwas Nachsicht geboten, da sich die Wut im Verfasser inzwischen angestaut hatte. Die älteren Briefe lassen darauf schließen, dass er über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten beherrscht und gelassen war und sich am Cottage, am Land und am Meer erfreute. Die schneidenden Epigramme, die er in seinem Notizbuch niederschrieb, waren nie für andere Augen als die eigenen bestimmt, und, da diese sich so unauslöschlich im Gedächtnis festsetzen, ist es nötig, der Frage nachzugehen, wie behutsam und diskret sein Verhalten, auch in seinen vertraulichen Briefen an seinen Freund Butts, tatsächlich war. Es ist möglich, dass das Beispiel der Kultiviertheit Hayleys hier eine große Rolle spielte und Blake, der für alle Einflüsse stets höchst empfänglich war, sich versucht fühlte, ihn an Galanterie noch zu übertreffen. Blake war nicht sofort nach London zurückgekehrt, wie er selbst erklärt:
... denn meine spirituellen Freunde trugen mir auf, meine Last still zu tragen, alles ohne jedes Klagen hinzunehmen und, schließlich, Hoffnung zu wahren, bis meine drei Jahre fast abgeleistet waren. Dies sollte dann der Zeitpunkt sein, da es mir anheim gestellt wurde, gegen früheres Verhalten zu protestieren und auf Gerechtigkeit und Wahrheit zu beharren; und ich habe dies so wirkungsvoll getan, dass mein Widersacher nun besiegt schweigt. Ich habe mir erzwungen, was mir in Freiheit hätte gegeben werden sollen: das mir zustehende Recht als Mensch und Künstler. Und sollte auch nur der geringste Versuch unternommen werden, mir dies zu verweigern, so bin ich unerbittlich und werde von jedem Bemühen, irgendwelche Entwürfe zu schaffen, augenblicklich ablassen, wenn mir nicht mein eigenes Urteil und Ermessen zugestanden wird, wie Sie, mein teurer Freund, es mir stets zugestanden haben; und dafür werde ich Sie in alle Ewigkeit ehren und achten.
Der Keil war nun zwischen die beiden Männer getrieben, doch, wie später zu sehen sein wird, hatte Blake kaum seinen Fuß aus
William Blake,
Illustration aus Jerusalem, Druckgrafik 87, um 1804- um 1820. Reliefradierungen und schwarz-weiße Liniengravur mit Aquarell und grauer Lavierung, 34,5 x 27 cm.
Yale Center for British Art, New Haven, Connecticut.
William Blake,
Illustration aus Jerusalem, Druckgrafik 84, um 1804- um 1820. Reliefradierungen und schwarz-weiße Liniengravur mit Aquarell und grauer Lavierung, 34,5 x 27 cm.
Yale Center for British Art, New Haven, Connecticut.
y£ufi^7t nr ever
«tti tAy Jvjz£ . X’ . <Z.iS£u%&sr mtrsf wistz.sk cizza (-f'etfosfe C7 /< v<*^ t.mfkarjn
\ViiJt fJt f. uitpl.
’our'Wt/u
tmr gurna&es & /,00/rt.^ cs XttAjirm
'lar/rwzt anxycrd ut great tß/'/'or t/t £. am^eüts
/Mwi /</e /&;•
az/r/r^i, t'r^.r^V./Arfr ^t^’yrru’nA, ______ ____vj
’er. 7?r Kt’/,d;>«ü T'Tuj Z/<Z-/f./ f> o/'c.V«■/<• ZV( •#• • * \
f' ^SV (r (Ar .Sp/wres '7-nff 7^^-^ J
. s/Jt. '/,jij, 'j: ck./z/) 6> 7iu7u^/ 7, .■'^.' t't .V ’/>- y«//-v W/7Wz;z-<? -
£ 4-<e /‘Z'.tf}/: £L M L‘rc/yrI'M'tcy z/t. ’f > v? xw<c> ^rvv uz vi < ,ylvot^ >.C?^ rr^rs v/ CVyzLfzrn «i g^-rnptjun
iydfn fJrc£rtrzuf^^e y 'ty^fn: of CaJtf^n uc .Avt^tCt-zn /ia ^7X//uZ /r/^. dk C/L c^</<y i/yVAcf -/jyö^cZLre*
^rvZ//^*. jP^fyAjFfe*r4 ♦
if <ezx'4rtx fon^AuC /ler/fi^tJrf/fL /&jruzsrr6: _i4 .xo/yjjtrj /j'o/ft .■Jtz' A*h’,X'_)z (//'cif *-•-\vja1fiatjn /rxn. tn Go' fi- */r.t,
'TapwzföfAS' nt/tfnrJ7t /1 nÄA A, ÄfZpwft^i.
'jz jDnu/j^ rVtzrtf tftrtr
&> c^'Le "J1/ ü/ (7dc>d iHe. j£
•/-«.»/»>/ fAeitikfi’f' ^7
■ '?f^<7t/ir t’ ~~>7ti7/
fSr/.V tAf fr'tvrr ^Tr',
’<2ra/'t? me <zf -fi/Sjtrfii ,‘ a jji^
/cjt fjo^Ojn. -Wu&l <Sx. ^.'/tott/^r^ /ri
Felpham gesetzt und sich aus Hayleys Fängen befreit, da war er nur allzu bereit, Hayleys gute Eigenschaften wieder zu loben.
Der Sommer des Jahres 1803 war fast schon da. Im Mai erklärte die englische Regierung Napoleon den Krieg. Hayley war in seiner Arbeit am dritten Band der Briefe von Cowper vertieft. Blake hatte gerade erst sechs Kupferstiche für Triumphs of Temper nach Entwürfen von Flaxmans Schwester Maria fertig gestellt und erhielt zu seiner großen Freude einen Auftrag für die Illuminierung von Milton und Jerusalem. Im August schien alles für seine endgültige Abreise nach London bereit, als der Frieden im Cottage jäh gestört wurde. Der Butts in zwei Briefen anvertraute Vorfall war das zweite Mal in Blakes Leben, dass er aktiv mit der öffentlichen Ordnung in Konflikt geriet. Einer der Gründe für die Großartigkeit seiner Briefe war, wie er Butts schreibt, seine Gewohnheit, grobe Entwürfe anzufertigen, die er dann bearbeitete, bevor er sie abschickte.
Offenbar war bei Blake ein Gärtner angestellt, der eines Tages, ohne vorher um Erlaubnis zu bitten, einen Dragoner namens John Scholfield mitbrachte, der ihm bei der Arbeit helfen sollte. Blake, überrascht, einen Fremden vorzufinden, bat den Mann höflich, zu gehen. Dieser „... gab eine unverschämte Antwort“ und weigerte sich, Blakes Aufforderung nachzugeben. Nach einem Wortwechsel begann der Mann schließlich, Blake zu bedrohen und zu beleidigen, woraufhin dieser ihn am Ellbogen packte und auf die Straße hinausschob. Daraufhin wurde der Mann überdramatisch und begann erneut mit seinen Drohungen und Beleidigungen. „.In vielleicht törichtem Verhalten“ schritt Blake zum Gartentor, wehrte die Schläge des Mannes ab, packte ihn erneut am Ellbogen und schob ihn bis zum Fox Inn vor sich her, wo er logierte.
Die laute Gegenwehr des Mannes weckte die Aufmerksamkeit mehrerer Nachbarn, darunter auch die anderer Soldaten. Sodann erschien Blakes Hausherr, der Wirt des Fox Inn, und drängte die Dragoner, in ihre Häuser zurückzugehen. Auch sie wurden beleidigend und stießen zunächst anscheinend leere Drohungen aus, bis schließlich gegen Blake ein Haftbefehl wegen Beleidigung und Verleumdung des Königs erlassen wurde.
Blake hatte mehrere Zeugen, die bestätigen konnten, dass die Soldaten, seit der Kriegserklärung im Mai eine privilegierte Gesellschaftsgruppe, ihn, als sie vor dem Fox Inn standen, nie der Verleumdung bezichtigt hatten. Doch bei seinem Erscheinen vor dem Gericht in Chichester nahm er nur den Gärtner mit, und so konnten die Behauptungen der Soldaten nicht widerlegt werden. Er wurde, da das Militär auf Anklageerhebung bestand, zu einer Gefängnisstrafe verurteilt und war gezwungen, für seine Freilassung die nötige Kaution aufzutreiben. Hayley zahlte £ 100, ein Drucker aus Chichester £ 50 und Blake selbst weitere £ 100, um nach Weihnachten bei den Quarter Sessions zu erscheinen.
„Mein Freund, Sie sehen also“, schrieb Blake,
ich kann nicht ohne Wirbel von hier fortgehen. Dieses Vorkommnis hat die Menschen in allen umliegenden Dörfern zutiefst verunsichert. Jeder fürchtet sich nun, mit Soldaten zu sprechen, ja gar, sie anzusehen. [...] Die Lage verhält sich sogar so, dass diese lächerliche Anschuldigung nun in aller Öffentlichkeit vor Gericht verhandelt werden muss.
Blake war niemand, der sich leicht einschüchtern ließ, Catherine Blake jedoch war „. zutiefst verängstigt“. Er hatte die rote Freiheitsmütze getragen, und dies könnte, sollte man sich dessen erinnern, bei großer öffentlicher Unruhe, zu einer ernsthaften Verschärfung der Situation führen.
Scholfield soll ein in Ungnade gefallener Feldwebel gewesen sein, und als das Gerichtsverfahren im darauf folgenden Januar in Chichester unter dem Vorsitz des radikalen Duke of Richmond begann, hatte sich Scholfield mit seinen Freunden eine lange Liste von Anklagepunkten ausgedacht. Sie erklärten, der Angeklagte habe, neben weiteren landesverräterischen Aussagen, unter anderem geäußert: „Verdammt seien die Soldaten des Königs. Sie sind allesamt Schurken. Sobald Bonaparte in unser Land einfällt, werden sich Mörder und Mörder gegenüberstehen und der Schwächste wird ins Verderben gerissen. Ihm werde ich zu Hilfe eilen!“
Hayley ließ dem Anwalt ein Verteidigungsschreiben zugunsten Blakes zukommen und erschien persönlich vor Gericht, um als Zeuge auszusagen. Einmal während Scholfields Vernehmung schrie Blake in einem solchen Ton „Lüge!“, dass das gesamte Gericht erschüttert wurde, und Gilchrist erwähnt einen alten Mann, der in jungen Jahren der Gerichtsverhandlung beigewohnt hatte, weil er unbedingt Hayley, diese große Persönlichkeit aus seinem Heimatstädtchen, einmal erleben wollte, doch das einzige, das ihm im Gedächtnis blieb, war das Feuer in Blakes Augen. Blake wurde freigesprochen und das Urteil bejubelt, denn der Gerichtssaal war voller Nachbarn aus dem Dorf, die kamen, um Hayley zu unterstützen und den Behauptungen des Soldaten durch ihr Zeugnis über Blakes sanftmütiges Wesen jeden Boden zu entziehen!
Zur Feier des Freispruchs plante Hayley einen Gesellschaftsabend. Getrübt wurde dies nur durch die Krankheit von Blakes Anwalt, Samuel Rose, die ihn noch im Gericht überwältigte und von der er sich nie erholen sollte. Hayleys Großmut sollte Blakes Wut endgültig begraben, und als er Butts davon berichtete, dass Hayley ihm beistehen werde, schloss er mit den Worten: „Verbrennt alles, was ich zuvor in solcher Verdrießlichkeit über meine Freunde geschrieben habe.“
William Blake,
Illustration aus Jerusalem, Druckgrafik 92, um 1804- um 1820. Reliefradierungen und schwarz-weiße Liniengravur mit Aquarell und grauer Lavierung, 34,5 x 27 cm.
Yale Center for British Art, New Haven, Connecticut.
William Blake,
Illustration aus Jerusalem, Druckgrafik 70, um 1804- um 1820. Reliefradierungen und schwarz-weiße Liniengravur mit Aquarell und grauer Lavierung, 34,5 x 27 cm.
Yale Center for British Art, New Haven, Connecticut.
Milton und Jerusalem
Gegen Ende September 1803 zogen Blake und seine Frau von Felpham in die South Molton Street 17, doch war Blake auch in den folgenden zwei Jahren noch mit Aufträgen für Hayley beschäftigt, dessen noble Dienste im Gerichtsverfahren sich nicht länger durch persönliche Konflikte verleugnen ließen. Die Distanz zwischen ihnen bestärkte den Frieden, den sie miteinander geschlossen hatten, und, bis auf Blakes Erscheinen vor Gericht, bestand auch so gut wie keine Wahrscheinlichkeit, dass sie sich je wieder begegnen würden.
Das Briefeschreiben war eine zutiefst mühselige Pflicht, und vergleichen wir Blakes betriebsame Höflichkeit mit seiner privat geäußerten Bemerkung: „Der Halunke soll von mir mit Danksagungen überschüttet werden, bis er und ich schließlich der Danksagungen und Komplimente überdrüssig sind“, lässt uns vermuten, dass der Schatten des Eremiten nach wie vor drückend auf ihm lag. Es ist verwunderlich, wie wenig sie der Arbeit des anderen beizutragen vermochten. Hayley gab Blake keinerlei Möglichkeiten, die diesem wert und teuer gewesen wären, und als Blake sich damit einverstanden erklärte, Hayleys spätere Veröffentlichungen durch seine Kupferstiche zu bereichern, ließ sich die Öffentlichkeit in keiner Weise von seinen Bildern beeindrucken. Der Aufstieg des künftigen Sterns der Romantik ließ Hayleys Licht nur noch stumpf und glanzlos erscheinen. Der Geschmack der Zeit hatte sich gewandelt. Blake war noch immer im Aufwind, und Hayley war weit hinter ihn zurückgefallen.
Wenden wir uns nun wieder dem Werk zu, dem Blake während der Zeit ihrer sonderbaren Verbindung seine Freizeit gewidmet hatte. Möglicherweise war es seine eigene Reaktion auf die triste Schinderei des Alltagsgeschäfts, auf Hayleys schale Dichtungen, auf die Überbetonung von konventioneller Kunst und Gesellschaft in vielerlei Form, die Blake zu einem Übermaß trieb, das dem ganz entgegenstand. Es sähe der Muse in ihrer ironischen Natur ähnlich, wenn Hayley für die Qualitäten verantwortlich wäre, die Milton auszeichnen. Klopstock war der einzige neue Dichter, auf den er in Felpham gestoßen war, und Blake war in seinen Neigungen und Vorlieben bereits nicht mehr zu beeinflussen.
Das „... lange Gedicht, das die spirituellen Handlungen aus meinem dreijährigen Schlummer am Ufer des Ozeans beschreibt“, von dem Blake im April 1803 Butts berichtet hatte, sollte schließlich umbenannt werden und hieß fortan: Jerusalem: die Emanation des Riesen Albion, 1804. Es wurde von W. Blake, South Molton Street, gedruckt. Genau wie Milton wurde auch dieses Werk vollendet oder zumindest gestochen und gedruckt, nachdem er nach London zurückgekehrt war. Exemplare beider Gedichte, die mit Wasserzeichen auf dem Papier datiert wurden, tauchen in den nachfolgenden sechzehn Jahren immer wieder vereinzelt auf.
Jerusalem ist ein großformatiger illuminierter Quartdruck und umfasst einhundert Seiten in Bild und Schrift. Beidem ist jeweils ein Teil der Seite zugeordnet. Die Einleitungsworte an den Leser umfassen auch die hier in diesem Buch bereits zuvor zitierte Rechtfertigung des Versmaßes. Wie in den übrigen prophetischen Büchern, ist die Prosa stellenweise in demselben Maße von Glanz und Feuer, wie die Dichtung so oft ohne Maß und von verschleierter Bedeutung ist. Obgleich man unmöglich der Überzeugung sein kann, Blakes Behauptung „... jedes Wort und jeder Buchstabe ist wohl durchdacht und an seinen richtigen Platz gesetzt“ sei wahr, so besteht doch kein Zweifel am Wahrheitsgehalt seiner Substanz. Seine Methode macht sich durch nichts verdient. Blake war kein systematischer Denker, und bei seinem Versuch, ein System zu schaffen, schuf er nur Chaos. Er strebte nach größerer Symbolkraft und mehr Systematik, als es seinen Vorgängern gelungen war, und er beschränkte sich unnötig selbst, indem er versuchte, beides zu schaffen. „Ich muss“, so hatte er einst voller Leidenschaft geschrieben, „. mir mein eigenes System schaffen oder dem eines anderen untertan sein“. Sein System musste in seiner Originalität also seiner Symbolik mindestens gleichkommen. Und doch besteht ein fundamentaler Unterschied zwischen den beiden Elementen, die Blake zu vereinen beabsichtigte. Symbole haben deshalb einen so hohen Stellenwert, weil sie mehr Bedeutung in sich aufnehmen als es jedes System vermag. Symbole sind für uns wichtig, weil sie nicht systematisch sind, und Systeme, weil sie mehr Ordnung in sich bergen als es Symbole können. Symbole können einem System nur dann ähnlich gemacht werden, wenn sie weithin bekannt und vertraut sind und ihnen im Laufe der Zeit eine traditionelle und überwiegend feste Bedeutung zugewiesen wurde. Die Absicht, die Vorteile zweier im Gegensatz zueinander stehenden
William Blake, Das Genie Shakespeare, 1809. Feder und Aquarell, 30,8 x 19,1 cm. The British Museum, London.
Prinzipien zu vereinen, endete damit, dass letztlich ihre Nachteile vereint wurden.
Die Folge daraus ist, dass sich alle Textinterpreten Blakes in ihren Anstrengungen fast ausschließlich auf seine Methode konzentrieren. Sobald sie ausreichend Textstellen entschlüsselt haben, wollen sie beweisen, dass diese Methode tatsächlich sinnvoll gewesen sei, aber im selben Augenblick verwerfen sie die Vorstellung, dieser Sinn hätte auf andere, traditionellere Weise besser ausgedrückt werden können. Weder die eingesetzten Zeilen noch die geschaffenen Symbole oder das System, das er zu schaffen versuchte, können in irgendeiner Weise als Vorbild dienen. Sie sind die Irrgänge seines Genies, nicht seine Früchte, und wären diese sein einziges Vermächtnis an die Nachwelt gewesen, fände sich niemand, der sie läse.
Die prophetischen Bücher entbehren gar jeder Grundlage, auf der eine Zusammenfassung erfolgen könnte. Doch werden die Anmerkungen und Kommentare zu diesen Werken sich auch weiterhin vervielfachen, denn wir alle tragen bis zu einem gewissen Grade in uns das Interesse eines aufmerksamen Geistes und den Drang, unserer Neugier nachzugeben. Diejenigen, denen die Entschlüsselung der Symbolik noch am ehesten gelungen ist, konnten jedoch nicht ausreichend nachweisen, dass das Ergebnis die Mühe rechtfertigt. Die Gedanken entwickeln sich nicht weiter. Die Maschinerie dreht sich im Kreise; die Epitheta wiederholen sich; die Namen ändern sich; die Symbolik ufert aus. Blake wird für den Leser fast so undurchsichtig, wie es ein Vertreter der schreibenden Zunft nur sein kann.
Keine Analyse, kein Querverweis, kein Gedankengang kann den unvoreingenommenen Literaturfreund oder -kenner davon überzeugen, dass Blakes Symbolsystem nicht willkürlich wäre. Wir erkennen die Authentizität des Motivs, die Vision strahlt durch das Gewirr hindurch; doch dass Blake diese auf solche Weise darstellte, begründete sich allein in seiner fehlgeleiteten Unberechenbarkeit. Die Schwächen treten hier stärker zutage als die Stärken. Das Verständnis wird erhellt oder erschwert, die Gefühle werden heraufbeschworen und niedergeschlagen - doch Gefühl und Verständnis lassen sich nie so lange oder so gut überzeugend miteinander verbinden, dass uns glaubhaft gemacht werden könnte, die Darlegung des Themas sei in der Weise, in der es dargelegt wurde, unvermeidlich gewesen. Dieses Kriterium ist der Einwand, dem sich jene Kommentatoren stellen müssen, die Blakes Prophezeiungen den gleichen Rang wie den größten mythischen Werken einräumen.
Zunächst Milton: Im Vorwort verschließen sich „... Homer und Ovid, Platon und Cicero [...] dem erhabenen Wesen der Bibel“, und es wird ein neues Zeitalter vorhergesagt, in dem aus den „Töchtern der Erinnerung“ die „Töchter der Inspiration“ werden, gar so, als sei die Tradition selbst nicht eine der wichtigsten Inspirationen für den Menschen! Sturge Moore bemerkte:
Blakes Bildung war nur dürftig, und durch sein Genie wird dieses Missverhältnis umso deutlicher; er war viel zu ungeduldig, als dass er die Kraft des Nichtwissens je hätte auf sich wirken lassen; die Kraft seines Verstandes ließ ihn allgemein anerkannte Feststellungen schnell verwerfen.
Im Anschluss daran folgt eine ergiebigere Passage, in der wir gemahnt werden: „. die Feldlager, die Gerichte, die Universitäten sind voller Söldner, die, wenn sie nur könnten, den Krieg des Geistes unterdrücken und den des Körpers ins Unendliche strecken würden.“ [...] „... wir dürfen weder nach griechischen noch nach römischen Vorbildern handeln“, so Blake, „wenn wir unseren eigenen Vorstellungen treu bleiben möchten, diesen ewigen Welten, in denen wir in unserem Herren Jesus für alle Zeit weiter leben.“
Zu Blakes Zeit war eine solche Reaktion wahrscheinlich unvermeidlich, doch brachte er dadurch - wie bereits sein Vorwort beweist - das Gleichgewicht durcheinander. Diese als Argument ausgesprochen mangelhafte Stimmung bringt jedoch die wunderbaren lyrischen Anfangszeilen „Und sind einst diese Füße in alter Zeit / Über die grünen Berge Englands gewandelt?“ hervor, die seither auf so vielen Titelseiten und in so vielen Schlussworten zitiert werden. In The Invocation (Die Beschwörung) erfahren wir mehr über die „. dunklen Mühlen Satans“, deren Siegeszug durch England bereits begonnen hatte. Sie sind als sichtbare Gestalt der Verehrung der Moral zu verstehen, die sämtliche Mystiker von [John] Bunyan48 bis Shelley als Negierung der Religion ansahen. Satan, der sich selbst Gesetze aus seiner eigenen Identität schuf, „. zwang andere, ihm in moralischer Dankbarkeit und Unterwerfung zu dienen, / ihn mit ’Gott’ zu rufen, / dass die Menschen / in seinen Synagogen Satan verehrten beim Unaussprechlichen Namen.“
Milton setzt seine Reise durch das Reich der Musen fort und beklagt all das, was auch Blake selbst dort zu beklagen hatte. Er erblickt Albion, weiß von der Blässe des Todes, im Schlaf des Todes liegend über dem Fels der Zeit. Er begegnet Los, „. herabgestürzt vom Busen der Ewigkeit“, und trifft auf Swedenborg, von Blake geistreich „. der gewaltigste unter den Menschen, der von den Kirchen verstoß’ne Samson“ genannt. Er spricht weiter von Wesley und Whitefield und verkündet, es könne kaum ein größeres Wunder geben als die Existenz dieser Enthusiasten im England des achtzehnten Jahrhunderts.
Charles Gardner hat versucht, den Einfluss dieser religiösen Romantiker auf Blakes Herz und Verstand zu rechtfertigen.
William Blake,
Der Fluss des Lebens, 1805.
Stift, Tinte und Aquarell auf Papier, 30,5 x 33,6 cm. Täte Gallery, London.
Hatten sie nicht „... alle Wonnen ihres Lebens dem ungezähmten Leid und Spott und Tod“ gewidmet? Ihre beiden Trompeter beschwören Albion, zu erwachen. Krieg, der Weinpresser von Los, wird, prophetisch anmutend, als „Druckpresse“ beschrieben, und um diese herum versammelt befinden sich: der Tausendfüßler, die vieläugige Spinne, der samtgewandete Maulwurf und die rastlose Spinne in ihrem finsteren Netz, diese glückliche goldene Weberin.
Darauf folgt die Beschreibung des Moments der poetischen Inspiration:
Every Time less than a pulsation of an artery
Is equal in its period and value to Six Thousand Years;
For in this period the Poet’s Work is done; and all the great
Events of Time start forth and are conceiv’d.
Jeder Augenblick, der so lang ist wie die Dauer
eines Pulsschlags,
Gleicht in seiner Dauer und seinem Wert sechstausend Jahren;
Denn in dieser Zeit erfolgt das Werk des Poeten;
und alle großen
Geschehnisse der Zeit beginnen und werden ersonnen.
Das Lied des Frühlings beflügelt ihn zu folgenden zauberhaften Zeilen:
Thou hearest the Nightingale begin the Song of Spring: The lark, sitting upon his earthy bed, just as the morn Appears, listens silent; then springing from the waving cornfield, loud
He leads the Choir of Day—trill! trill! trill! trill!
Mounting upon the wings of light into the great Expanse, Re-echoing against the lovely blue and shining heavenly shell;
His little throat labours with inspiration; every feather On throat and breast and wings vibrates with the effluence Divine;
All Nature listens silent to him, and the awful Sun Stands still upon the mountain looking on this little Bird With eyes of soft humility and wonder, love and awe.
Du lauschest der Nachtigall, die ihr Lied des
Frühlings beginnt:
Die Lerche auf ihrem Erdenbett lauscht, als der Morgen Erscheint, in stiller Andacht; und springt sodann vom wogenden Kornfeld auf und führt mit lauter Stimme Den Chor des Tages an - Zwitscher! Zwitscher! Zwitscher!
Sich auf den Flügeln des Lichtes erhebend in die
große Weite,
Im Echo singend gegen die liebliche blau strahlende Himmelshülle;
Ihr zierlicher Hals in Inspiration angestrengt, jede Feder
An Hals, an Brust, an Flügeln vibriert von dem göttlichen Strom;
Alle Natur lauscht ihr still, und die grelle Sonne
Harrt still über dem Berg und blickt auf diesen
kleinen Vogel
Mit Augen voll sanfter Demut und Staunen, voll Liebe und Ehrfurcht.
Die Blumen werden in ähnlicher Weise gepriesen, und Blake wird für seine instinktive Rückkehr zur natürlichen Schönheit belohnt, die sein bewusster Verstand verschmähte. Bald darauf werden wir erneut zum gewohnten Kontrast zwischen Imagination und Vernunft geführt, der in der folgenden Passage mit ungewöhnlicher Schönheit und Klarheit beschrieben wird:
I come in Self-annihilation and the grandeur of
Inspiration;
To cast off Rational Demonstration by Faith in
the Saviour,
To cast off the rotten rags of Memory by Inspiration,
To cast off Bacon, Locke, and Newton from Albion’s covering,
To take off his filthy garments and clothe him with Imagination;
To cast aside from Poetry all that is not Inspiration,
That it shall no longer dare to mock with the
aspersion of madness
Cast on the Inspired by the tame high finisher of
paltry Blots
Indefinite or paltry rhymes.
Ich komme in Selbstaufgabe und in der Inspiration
Herrlichkeit,
Abzuwerfen die rationale Bezeugung durch den Glauben an den Erlöser,
Abzuwerfen die faulenden Fetzen der Erinnerung durch die Inspiration,
Abzuwerfen Bacon, Locke und Newton vom Mantel
Albions,
Abzulegen ihm die verdreckten Gewänder und ihn zu kleiden mit Imagination,
Abzustreifen der Poesie alles, was nicht Inspiration ist,
Dass sie nicht länger sich belustigt mit der verleumderischen Bezichtigung des Wahnsinns
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Inferno II, 59-69, 1824-1827.
Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, 52,5 x 37 cm.
Tate Gallery, London.
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Inferno III, 1-10, 1824-1827 Kreide, Bleistift, Stift, Tinte und Aquarell auf Papier, 52,7 x 37,4 cm Tate Gallery, London.
Die dem Inspirierten auferlegt wurde von dem zahmen, plastischen Pinselführer schäbiger Kleckse, Maßloser oder schäbiger Reime.
Es könnten noch weitere Passagen zitiert werden, doch die bereits angeführten Stellen sind ausreichender Beleg dafür, dass Milton, obschon erfreulicherweise frei von Einmischungen jeglicher Mythologie, lediglich eine Bekräftigung des inzwischen wohl bekannten Blake’schen Motivs ist. Die Wiederholung war die Nische geworden, in die er sich flüchtete.
Jerusalem beginnt mit einer in Prosa verfassten Passage, die von seinem Erwachen aus seinem „... dreijährigen Schlummer am Ufer des Ozeans“ erzählt und sein Lieblingscredo wiederholt: „Der Geist Jesu ist die Vergebung für alle Sünden: er, der rechtschaffen sein will, bevor er das Reich des Heilands, den Himmlischen Körper, betritt, wird es nie betreten.“ Es soll nicht behauptet werden, dass die Sünde, da der Mensch durch Erfahrung lernt und ein Mensch, der dessen nicht fähig ist, allgemein als ein Tölpel betrachtet wird, für die Errettung gefallener Wesen so notwendig ist wie die Reibung für ein sich drehendes Rad. In der Moral dreht sich wie im Morast das Rad ohne Fortschritt. Dieser prosaische Teil schließt mit der vorhin zitierten Verteidigung des Versmaßes, in dem die prophetischen Bücher verfasst wurden.
Das Gedicht selbst beginnt mit der Kritik an Gut und Böse, mit der sich Blake bereits in Marriage of Heaven and Hell befasst hatte. Dem folgt seine oft vorgetragene Verkündung, er müsse sich sein eigenes System schaffen oder dem eines anderen untertan sein. Das England seiner Zeit liegt unter der „. ehernen Geißel von Bacon und Locke“, und er richtet seine Worte in Kadenzen, die die Bibel und die Propheten als seine Modelle vermuten lassen, an Jerusalem. Er sagt uns: „Jerusalem trägt den Namen der Freiheit unter den Söhnen Albions“ und wir stoßen nach einer Prosastelle An die Juden auf eine lange Dichtung, die die verschiedenen Namen der Londoner Stadtbezirke und anschließend die der umliegenden Vororte strophenweise einwebt. Wenn wir von „... Jew’s Harp House und das Green Man, / Die Weiher, an deren Bade die Jungen sich ergötzen, / Die Weiden der Kühe bei Williams Farm / Erstrahlen im Glanze von Jerusalems Anblick.“) lesen, erinnern wir uns gern daran, dass Shelley zu dieser Zeit seine Papierboote in Hampstead auf dem Wasser umher schwimmen ließ. Das Buch wird durch eine Prosa-Rede An die Gottgläubigen - den Vierzeiler über das Gespenst der Vernunft, unter dessen Gewalt wir geboren werden, bis unsere Menschlichkeit sich erhebt, uns von ihr zu befreien - und das Gedicht, das mit der bekannten letzten Strophe, die mit den Worten „. denn eine Träne ist ein Kind des Verstandes“ beginnt, weiter aufgebrochen. Immer wieder greift es den Grundsatz des Vergebens von Sünden auf, zu dem Blake folgendes zu sagen hat:
Vergibt Jehova eine Schuld nur unter der Bedingung, dass sie durch Sühne beglichen werden muss? Vergibt er die Befleckung nur unter der Bedingung der Reinheit? Solche Schuld ist nie vergeben! Solche Befleckung ist nie vergeben! Solcher Natur ist die Vergebung der Götter, der moralischen Tugenden der Heiden, deren gütige Gnade die Grausamkeit ist.
Nach mehreren Seiten, die die Gedankenfolge nicht vermuten lassen, stoßen wir jedoch auf die grandiose Prosa-Rede An die Christen, die, selbst in Blakes gesamtem Schaffen, zu den glanzvollsten Beispielen der Eloquenz zählt. Erneut folgt die Erinnerung, dass „. die Verehrung Gottes bedeutet, Gottes Gaben in anderen Menschen zu ehren“. Blake schreibt: „Ich habe keine Freunde gewonnen, die ich nicht durch spirituelle Gaben, durch unerbittliche Prüfungen der Freundschaft und durch das brennende Feuer der Gedankengabe gewonnen habe.“
Fest entschlossen, sein Glaubenszeugnis von der Imagination bis an sein Ende fortzuführen, warnt er die Moralisten: „. Geht und streift die Heiligkeit ab und hüllt Euch in den Mantel des Verstandes“, und zum Ende hin schließlich: „. Stürbe Gott nicht für den Menschen, gäbe er sich nicht auf ewig ganz für den Menschen, könnte der Mensch nie sein; denn der Mensch ist Liebe und Gott ist Liebe; jede Zuwendung, die einem anderen erbracht wird, ist ein kleiner Tod im Gottesbild; auch kann der Mensch nicht sein ohne brüderliche Verbundenheit.
Es wird also deutlich, dass Jerusalem viel Großes hervorbringt und der Gedanke dahinter nicht in seiner Gänze oder in großen Teilen von der Symbolik, die Blake geschaffen hatte, versehrt wurde. Wie seine Gefährten jedoch folgt auch dieses Werk keiner geordneten Methode und ist viel mehr eine organische Rhapsodie über seine bevorzugten Themen als deren logische Fortführung.
Blake begann 1804 mit den Kupferstichen zu diesen beiden prophetischen Büchern. Das Jahr begann für ihn voller Verheißung, als er in dem zuvor erwähnten Gerichtsverfahren freigesprochen wurde. Hauptsächlich diese Kupferstiche schienen ihn bis zu dem Zerwürfnis über seine Entwürfen für Blairs The Grave (Das Grab) zu beschäftigen, denn bis auf seine Briefe an Hayley existieren keine Aufzeichnungen über andere Arbeiten. Diese gewaltige Aufgabe muss ihm wie ein Urlaub im Geiste vorgekommen sein, denn schließlich verwendete er den Großteil
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Inferno XVII, 72-77, 1824-1827. Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
Fogg Art Museum, The Harvard University Art Museums, Cambridge, Massachusetts.
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, ‘Cerberus’, Inferno VI, 12-35, 1824-1827.
Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift und schwarzer Kreide, c. 37 x 52,5 cm. National Gallery of Victoria, Melbourne.
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Inferno VI, 12-35, 1824-1827.
Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, 37,2 x 52,8 cm.
Tate Gallery, London.
seiner Zeit und seiner Energie auf ein Werk, das seinem eigenen Geiste und seiner eigenen Feder mit keinem anderen Ziel entsprungen war, als dem ihn antreibenden Impuls nachzugehen. Auch ist es, wie aus den noch existierenden Werken hervorgeht, bemerkenswert, wie sehr Blakes Imagination völlig in seiner Kunst aufging. In den darauf folgenden Jahren sollte er vorwiegend mit der Malerei und den dazugehörigen Schriftwerken beschäftigt sein.
Seine Freude darüber, wieder in London zu sein, glich der Freude, die er empfunden hatte, als er es damals verließ, um zum Meer zu reisen, und seine Schriften und Aufzeichnungen zeugen von dieser Freude. So sehr sprüht er gar vor Frohsinn, dass er Hayley in einem drei Tage nach der Gerichtsverhandlung verfassten Brief berichtet, sein Herz und seine Seele seien „... Ihnen, Felpham und seinen gütigen Menschen mehr und mehr in Zuneigung zugewandt“. Er berichtet dem beharrlichen Hayley, er fahre eifrig mit der Anfertigung der Kupferstiche fort und sehe vielversprechende Aussichten auf reiche Arbeit in der Zukunft und fährt fort: „Wenn Gott mir Gesundheit gewährt, werde ich mich in diesem wunderbaren Tanz des Lebens zweifellos als einer hervortun, an dem sich die himmlischen Betrachter ergötzen werden.“
Blake arbeitete außerdem an Aufträgen für die geplante Biographie von Romney. Möglicherweise dachte er an die freiwilligen und unfreiwilligen Kupfersticharbeiten, mit denen er nun beschäftigt war, als er Hayley schrieb, er „. liebe und verfluche abwechselnd die Kupferstecherei“. Auch dem kläglichen Rinnsal seiner Aufträge und dem reißenden Strom der Lobsagungen, die mit jeder Postkutsche hin- und herflossen, muss er mit gemischten Gefühlen gegenüber gestanden haben. Die Mühe, die Blake auf sich nahm, um Material für Hayleys neues biographisches Unterfangen zu sammeln, war außerordentlich. Diese Sammelarbeit für Hayley dauerte den gesamten Sommer des Jahres 1804 hindurch, und das einzige Gefühl, das Blake daraus blieb, war eine flüchtige Bewunderung für einen gewissen Mr. Spilsbury, der, wie er schreibt, „. würde er nur im Stillen und zur Erheiterung malen, ein weit vortrefflicherer Maler sein könnte, als er es je im Dienste der trockenen, modischen Kleckserei vermöchte, die ihm für das Opfer seiner Kunst und seines Genies einzig einige spärliche Groschen bietet.“
Selbst in diesen Briefen erkennen wir, wie sehr sich das Bild in Blakes Erinnerung durch seine Stimmung wandelte - in einem wohl bekannten Brief vom 23. Oktober, in dem er von seinem Besuch der Truchsessen-Galerie berichtet, schreibt er Hayley, er sei „. Felpham zu ewigem Dank verpflichtet für die drei Jahre ungestörter Ruhe und die Kraft, die ich aus dieser Zeit gewonnen habe.“ Tatsächlich jedoch hatten die Bewohner Felphams Blakes Mut fast erstickt. Zu erklären war dieser Wandel durch die Bilder, von denen er noch berauscht war, Bilder, die er zur Erklärung seiner resignierten Träume heranzog:
Ganz unverhofft war ich eines Tages, nach dem Besuch der Truchsessen-Galerie, wieder ganz erfüllt von dem Licht, das mich in meiner Jugend begleitete und das ganz genau zwanzig Jahre wie durch Tür und Fensterläden vor mir verschlossen blieb. Und so kann ich Euch nun mit voller Zuversicht versprechen, dass sich dieser gewandelte Zustand in den Kupferstichen auch dem äußeren Auge zeigen wird, die ich derzeit nach Romney anfertige, dessen spirituelle Unterstützung ganz wesentlich zu meiner Rückkehr in das Licht der Kunst beigetragen hat. [...] Mein lieber Herr, verzeihen Sie meinen Enthusiasmus, oder vielmehr: meine Tollheit, denn ich bin wahrhaft berauscht von den intellektuellen Visionen, die mich ergreifen, sobald ich Stift oder Stichel zur Hand nehme, so berauscht, wie ich es damals in meiner Jugend war, so berauscht, wie ich es seit zwanzig dunklen, doch immerhin profitablen, Jahren nicht mehr war.
Bei den Bildern, die Blake mit solch übersprudelnder Lebensfreude durchströmten, handelte es sich um eine von einem österreichischen Grafen ausgestellte Sammlung, die als Reste seines Vermögens gezeigt wurden, das er durch die Französische Revolution weitgehend verloren hatte. Danach hörte man niemals wieder von dieser Sammlung, und auch die Echtheit der Werke, die von diversen Meistern alter Schule stammen sollen, lässt sich bezweifeln. Er verspricht Hayley, seine neuen Illuminationen würden in seinen nächsten Kupferstichen, an denen er bereits arbeite, zu sehen sein. Sein Aquarell The River of Life (Der Fluss des Lebens) etwa wird dieser Phase zugeschrieben. Zudem war er wieder bei der Anfertigung von Werken gefragt, die eine breitere Masse ansprachen, und es ist ausgesprochen aufschlussreich, Blake in eigenen Worten erzählen zu lassen, welches Arrangement man getroffen hatte, bevor Probleme absehbar waren.
Am 27. November 1805 erzählt Blake Hayley folgendermaßen von seinen neuesten Aufträgen:
Mr. Cromek49, der Kupferstecher, trat mit dem Wunsch an mich heran, einige Entwürfe anzufertigen; er machte mir ein Angebot und sagte, er wolle mich für die Illustrationen zu The Grave, einem Gedicht von Robert Blair, engagieren. In der Folge fertigte ich etwa zwanzig Entwürfe an, die ihm so gut gefielen, dass er mich mit derselben Großzügigkeit, die er mir
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Inferno XIII, 1-45, 1824-1827.
Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, 372 x 52,7 cm.
National Gallery of Victoria, Melbourne.
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Inferno II, 139-141, 1824-1827 Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, 37,1 x 52,7 cm.
Birmingham Museums & Art Gallery, Birmingham, Vereinigtes Königreich.
auch bei meinen Zeichnungen entgegenbrachte, nun mit dem Kupferstich nach diesen Zeichnungen beauftragte.
Diese Worte sprechen für sich. Cromek jedoch, vermutlich in der Überzeugung, Blakes Entwürfe seien beliebter, wenn sie wenigstens im modernen, von Blake so verhassten Stil gestochen wurden, bereute seine seine Entscheidung. Mit der kühnen Ankündigung, „... Ihren Zeichnungen war das große Glück vergönnt, dass sich einer der vordersten Künstler Europas der Anfertigung des Kupferstichs angenommen hat“, übergab er Blakes Entwürfe an Schiavonetti. Mit diesem Schritt wurde Blake der lohnendste Teil des Auftrags versagt und er durch Vertragsverletzung zudem geschädigt.
Cromek, ein einstiger Schüler Bartolozzis, hatte zahlreiche Kupferstiche nach Entwürfen von Stothard angefertigt. In dem Wunsche, schneller zu Geld zu kommen, nahm er sich jedoch vor, selbst Kunsthändler zu werden. Da er kein Kapital hatte, musste er all seine Hoffnungen auf einen einzigen großen Erfolg setzen und entschied sich daher zum Auftakt für eine illustrierte Ausgabe von Blairs besagtem Gedicht. Er gab 1805 eine Broschüre heraus, die Blake als voraussichtlichen Zeichner und Kupferstichkünstler angab, was von Fuseli und elf Vertretern der Royal Academy unterstützt wurde.
Cromek war äußerst bewandert darin, sich den Weg für seine Unternehmungen zu ebnen. Er nahm jedes ihm zur Verfügung stehende Mittel wahr, die ihm zur Erlangung des ersehnten Erfolgs dienlich sein könnte. Das Buch erschien mit einem Vorwort, in dem Cromek allen Beteiligten außer Blake dankt, der nur in einer Randbemerkung als Portraitmotiv von Mr. Philips genannt wird. Selbst Fuseli, dessen Einleitungsworte sehr vorsichtig formuliert waren, nannte den „... Verfasser der moralischen Studien“, für die er seine Empfehlung aussprach, nie beim Namen. Ihre Technik und Ausführung, führt er an, „... verdienen unsere Anerkennung, bisweilen unser Erstaunen und nicht selten auch unsere Furchtsamkeit, wenn wir ihm bei seiner wagemutigen Wanderung am schmalen Rande der traditionellen Schaffenskunst zusehen.“ Diese Entwürfe waren die einzigen, die zu Blakes Lebenszeit je der Allgemeinheit bekannt waren.
Cromek, der Schiavionetti vermutlich in Bartolozzis Atelier kennen gelernt hatte, hatte Blake wohl kaum über sein Vorhaben unterrichtet, denn er besuchte ihn auch weiterhin, und bei einem dieser Besuche entdeckte er in Blakes Zimmer zufällig eine Zeichnung von Chaucers Canterbury Pilgrims. Cromek, auch hier wieder von einer Skizze gefangen genommen, die Erfolg zu versprechen schien, wenn sie von einem modernen Künstler gestochen würde, bat Blake um einen endgültigen Entwurf. Zu diesem Zeitpunkt war Blakes Misstrauen bereits geweckt, wenn
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Inferno XVIII, 101-133, 1824-1827.
Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
Tate Gallery, London.
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Inferno XVIII, 23-100, 1824-1827 Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
National Gallery of Victoria, Melbourne.
nicht sogar bestätigt. Er lehnte es ab, seinen Entwurf zu verkaufen, sofern das Honorar nicht auch die Kupferstiche des Entwurfs berücksichtigte, und war, obgleich nach wie vor ohne jede schriftliche Vereinbarung, davon überzeugt, dass dies die Einigung war.
Cromek allerdings wandte sich an Stothard, schlug ihm das Motiv vor und beauftragte ihn für ein Honorar von sechzig Guineen mit einem Gemälde dieses Motivs. Es geht nicht hervor, ob Stothard sich bewusst war, dass die Idee ursprünglich von Blake stammte, und noch viel weniger, ob er wusste, dass Blake bereits daran arbeitete oder einen Verdacht schöpfte, als er die Bilder in Stothards Atelier sah. Doch als Blake davon erfuhr, dass Stothards Arbeit an die Stelle seiner eigenen treten sollte, schäumte er freilich vor Wut auf Cromek und ging verständlicherweise davon aus, dass Stothard in diese Täuschung eingeweiht war. So beraubte Cromek Blake also eines Auftrags, zweier Ideen und eines alten Freundes, da sich die Freundschaft mit Stothard nie von diesem Bruch erholen sollte, obgleich Blake zwei Versuche unternahm, sich mit Stothard zu versöhnen.
Als Stothards Bild 1807 ausgestellt wurde, zog es all das Interesse auf sich, das sich Cromek erhofft und bereits in allen Farben für sich ausgemalt hatte. Mit einem beleidigenden Brief, den er zu jenem Zeitpunkt an Blake schrieb, sollte er die Situation noch weiter verschärfen:
Ihren Zeichnungen war das große Glück vergönnt, dass einer der vordersten Künstler Europas sich der Anfertigung des Kupferstichs angenommen hat, und die bereits vorgelegten Muster führten bereits jetzt zu Aufträgen für Sie, die Ihnen, wie ich wahrlich glaube, in einem anderen Fall nicht erteilt worden wären. Dies erfüllt mich mit Genugtuung, denn mein Ersinnen war es, sowohl für Ihr materielles Fortkommen zu sorgen als auch, Ihr Ansehen zu steigern, obgleich mir Ihr Verhalten in jüngster Zeit Grund dazu gegeben hat, ihrer gewagten Theorie, dass man ein Genie unbedingt darben lassen muss, um es handhaben und zu großen Dingen bewegen zu können, Glauben zu schenken. Diese Theorie wird sogar noch durchaus überzeugend von der Erinnerung an Ihr bestes Werk, die Illustrationen zu The Grave, unterstützt, die Sie anfertigten, als Sie und Catherine Blake in solcher Mittellosigkeit lebten, dass sie gezwungen waren, mit einer halben Guinee ihr wöchtliches Auskommen zu bestreiten.
Blake verlieh seiner Verachtung in den bekannten Epigrammen Ausdruck, in denen Cromek nun den Platz Hayleys auf dem
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Inferno XII, 12-28, 1824-1827. Aquarell, schwarze Tinte, Graphit und schwarze Kreide auf cremefarbenem antiken geripptem Papier, 371 x 52,3 cm. Fogg Art Museum, The Harvard University Art Museums, Cambridge, Massachusetts.
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Inferno IV, 89-95, 1824-1827 Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, 37,1 x 52,8 cm.
Tate Gallery, London.
Prügeltisch einnimmt. Er beschloss, einen Vergleich zu erzwingen und ein Gemälde und einen Kupferstich seines eigenen Entwurfs anzufertigen und auszustellen.
Als die Illustrationen zu Blair erschienen, waren in dem Band die Namen von fast sechshundert Subskribenten abgedruckt. Trotz dieses einzigen zeitgenössischen despektierlichen Berichts blieb es bis heute das einzige Werk Blakes, das im Ansatz einen Schimmer von Popularität erfuhr. Für Cromek und den Kupferstecher brachte es einen willkommenen Geldsegen, während Blake für seine Entwürfe mit zwanzig Guineen abgefertigt wurde. Der Kritiker des Examiner betrachtete sie als „... Beispiel der Unzucht“, doch erkannte man sie unter Zeitgenossen auch als Vereinigung einer wörtlichen und zugleich imaginativen Wiedergabe religiöser Wahrheiten. Die besten dieser Illustrationen sind Reunion of the Soul and Body (Wiedervereinigung von Körper und Seele) und The Day of Judgment (Der Tag des Jüngsten Gerichts). Der Unterschied zwischen den Entwürfen und dem Gedicht verhält sich wie der Unterschied zwischen der Bildhauerei und Sepulkralskulptur, die in dem Gedicht angedeutet werden.
Ein weiteres, fast zeitgleich erschienenes Buch und eine nach einem Entwurf von Blake von Cromek gestochenes Frontispiz zeigte A Father’s Memoirs of his Child (Erinnerungen eines Vaters an sein Kind) von B. H. Malkin. Das Frontispitz, dessen durch Blake angefertigter Kupferstich zugunsten dessen von Cromek abgelehnt wurde, zeigt das Wunderkind, das lesen und malen konnte, mehrere Sprachen beherrschte und Karten fiktiver Länder gezeichnet hatte und beklagenswerterweise mit noch nicht einmal ganz sieben Jahren starb.
Das Lob über Blakes Zeichnungen dieses Kindes wird von dem entzückten Vater selbst erwähnt, der Blake selbst als „... Wunderkind ohne formelle Bildung“ beschreibt. Blake erklärte, der Junge habe „... das wunderbarste aller Talente, eine starke Vorstellungskraft, klare Vorstellungen und eine unverrückbare Vision der Dinge vor seinem inneren Auge“ gehabt. Das Kind war 1802 gestorben, als Blake noch in Felpham lebte, und wahrscheinlich war es Cromek, der das Frontispiz gestochen und Blake mit dem Vater bekannt gemacht hatte. Es wäre interessant, zu erfahren, wie Malkin Kenntnis über Blakes Leben erhielt, dessen Beschreibung trotz der manchmal abschweifenden Art ausführlich und von unschätzbarem Wert für die Nachwelt ist.
Als Blake sich vornahm, selbst einem Künstlerkollegen zu helfen, war er dabei weit weniger halbherzig bei der Sache als seine eigenen Möchtegern-Freunde. Er schrieb an die Monthly Review am 1. Juli 1806 eine großmütige Verteidigung von Fuselis Gemälde Count Ugolin (Graf Ugolino), das bei seiner Ausstellung in der Royal Academy in der Besprechung des Bell’s Weekly Messenger angegriffen worden war.
Zwei Jahre später sollte Blake dort zum fünften und letzten Mal in seinem Leben mit eigenen Bildern ausgestellt werden. Bei den Gemälden handelte es sich um Christ in the Sepulchre guarded by Angels (Christus im Grabe bewacht von Engeln) und Jacob’s Dream (Jakobs Traum) mit seiner Darstellung der himmlischen Wendeltreppe. Im Jahr 1807 war er mit der Vergrößerung des Entwurfs von Last Judgment für die Gräfin von Egrement beschäftigt, das zu seinen reichsten Illustrationen zu Blair gehörte. An Ozias Humphry50, den Miniaturmaler, der ihm diesen Auftrag verschafft hatte, schrieb Blake mit einer ausführlichen Beschreibung des Werks. Im darauf folgenden Dezember dankte er George Cumberland für die im Auftrag eines Freundes erfolgte Bestellung „... einer vollständigen Sammlung sämtlicher je von Ihnen veröffentlichten Bücher mit gleicher Kolorierung wie die meinen“. Blake schrieb:
Es ist mir unmöglich, wieder meinen früher begangenen Weg zu beschreiten, ohne von meinem derzeitigen Kurs abzukommen. Neue Abweichungen, oder vielmehr: neue Freuden, nehmen mich im Geiste ganz ein. Neue Früchte meiner Arbeit locken mich so sehr, dass ich mich bereits Dingen verschrieben habe, die jede Wahrscheinlichkeit von Versprechungen ausschließen. Zu meiner Zufriedenheit kann ich Ihnen jedoch mitteilen, dass ich selbst nun mit dem Druck einer Beschreibung meiner diversen Erfindungen auf dem Gebiet der Kunst begonnen und für die ich bereits einen Verleger gefunden habe, so dass ich fest entschlossen bin, alles zu veröffentlichen, was ich zu drucken schaffe, ohne dabei die Aufteilung meiner Zeit durcheinander zu bringen, die in Zukunft unbedingt auf meine Gemälde und Zeichnungen verwendet werden muss.
Dieses Vorhaben kam zwar niemals zur Durchführung, doch wird der im Jahr darauf (1809) gedruckte Descriptive Catalogue erwähnt. Im Mai dieses Jahres druckte Blake eine Broschüre zu den Kupferstichen für Canterbury Pilgrims, die den folgenden erwähnenswerten Absatz enthält:
Es sei die Hoffnung geäußert, dass es die Öffentlichkeit dem Maler gestatten möge, seine eigenen Figuren und Ausdrucksformen (trotz mit kunstvoller List verbreiteter gegenteiliger Anspielungen) besser darstellen zu dürfen als jeder andere; dies wurde bereits ausreichend durch die Arbeiten unseres geliebten Hogarth bewiesen, der zeigte, dass kein anderer
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Inferno VII, 7-15, 1824-1827. Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, 52,7 x 371 cm. Tate Gallery, London.
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Kommödie, Inferno XI, 44-64, 1824-1827.
Stift und Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
National Gallery of Victoria, Melbourne.
Künstler die Absicht und den Geist des ursprünglichen Künstlers so einfangen kann wie der Maler selbst, insbesondere, da Mr. B. ein erfahrener, bekannter und allgemein geschätzter Kupferstecher ist.
Damit verteidigte sich Blake gegen die Behandlung, der er durch Cromek ausgesetzt war; die einzige Antwort, die er auf die Nachricht von Schiavonettis Beauftragung für den Kupferstich einer Platte von Stothards Gemälde Canterbury Pilgrimage geben konnte. Blake wurde möglicherweise durch eine Broschüre zu diesem Schritt verleitet, die Cromek der Ausgabe von Blair beigefügt hatte und in der er Subskriptionen für einen Kupferstich nach Stothards Gemälde empfahl, den Cromek bereits überall im Land ausgestellt hatte.
Blakes Gemälde wurde schließlich von Butts gekauft, und Blake beschloss, abzuwarten, ob seine Ausstellung ihm zu ähnlichem Vorteil gereichen könnte. Er besaß nicht im Entferntesten den scharfen Geschäftssinn Cromeks, und im Mai 1809 eröffnete er eine Ausstellung seiner Werke im Haus seines Bruders James, des Strumpfwarenhändlers in der Broad Street. Die Ausstellung in dieser abgeschiedenen Umgebung umfasste „Fresken“ und sieben Zeichnungen. Der Eintrittspreis betrug eine halbe Krone und schloss eine Beigabe des berühmten Descriptive Catalogue mit ein.
Die einzige Werbung für diese Veranstaltung bestand in dem Streit zwischen Stothard und ihm, und die Konkurrenz zwischen den beiden Künstlern mag dem ruhigen Häuschen durchaus einige weitere Besucher eingebracht haben. Einer dieser Besucher war Crabb Robinson, der Gilchrist erzählte, „... als ich den Raum betrat, war ich ganz allein.“ Er kaufte vier Exemplare des Descriptive Catalogue; eines davon schenkte er Charles Lamb. James Blake antwortete Crabb Robinson auf die Frage, ob er die Ausstellung ein zweites Mal besuchen dürfe: „Aber ja, freier Eintritt, so oft Sie nur wollen!“ Crabb Robinson, dem wir die vorzüglichsten Erzählungen von dieser Ausstellung verdanken, erinnert sich an die Feststellung Lambs, der ihm sagte, „. Blakes Beschreibung sei die exzellenteste Kritik von Chaucers Gedicht, die er je gelesen hatte“. In einem späteren Brief (datiert vom 15. Mai 1824) an Bernard Barton schrieb Lamb:
Seine Bilder, und eines ganz besonders, nämlich Canterbury Pilgrims (Stothards Gemälde weit überlegen) sind lobenswert und meisterhaft, zwar [sind sie] hart und trocken, zugleich aber auch anmutig. Er hat einen Katalog zu ihnen verfasst, der eine höchst geistreiche Kritik von Chaucers Werk umfasst, jedoch mystisch und voller Visionen ist. Seine Gedichte sind zuvor nur als Manuskripte erschienen. [.] Eines davon ist eine [.] herrliche
Ode an einen Tiger. Leider aber besitze ich das Buch nicht, denn sein Verfasser ist verschollen, ob in den Tiefen des Hades oder in einem Tollhaus - ich weiß es nicht. Doch betrachte ich ihn als einen der außergewöhnlichsten Persönlichkeiten unserer Zeit.
Obgleich nur sechzehn Werke ausgestellt waren, schreibt Crabb Robinson in seinem Tagebuch, sie füllten „. mehrere Räume eines einfachen Wohnhauses“ aus, und von den der Nachwelt nicht erhaltenen Werken schien Ancient Britons (Die alten Briten) das größte gewesen zu sein; die Figuren waren, in Blakes eigenen Worten, „. groß wie das Leben selbst“. Schon bald nach der Ausstellung war die Entfremdung zwischen Blake und seinem Bruder jedoch so groß, dass sie kaum noch miteinander sprachen, und doch wäre es Blake ohne seine Hilfe wahrscheinlich nicht gelungen, überhaupt eine Ausstellung zu organisieren.
Die Ausstellung war als Antwort auf Cromeks Wanderausstellung von Stothards Gemälde gedacht, deshalb war Blake auch entschlossen, sein eigenes Bild als Kupferstich anzufertigen und druckte zur Eröffnung der Ausstellung die Broschüre, aus der in diesem Buch bereits zitiert wurde.
Der Descriptive Catalogue zählt zu den bedeutendsten Prosawerken Blakes. Er enthält eine Beschreibung seiner eigenen Bilder, gewissermaßen einen Essay über Chaucer und eine Verteidigung der Florentinischen Schule gegenüber der Venezianischen; seine Anmerkungen und Beschreibungen der übrigen Werke sind die Quellen einiger seiner berühmtesten Feststellungen. In dieser Zusammenstellung predigte Blake Klarheit und Präzision, wobei mit Klarheit hier „. klare, nicht durch Öl getrübte Farben, und strenge, solide Züge ohne störende Schatten, die die Form nicht verbergen, sondern offenbaren sollten“ gemeint sind.
Nach einigen Anmerkungen zum Ursprung der Kunst greift Blake wieder einmal seinen liebsten Grundsatz auf: „Die griechischen Musen sind Töchter der Mnemosyne, oder auch: Erinnerung, und nicht die der Inspiration oder Imagination.“ Mit der wohl am besten als Essay zu bezeichnenden Schrift über Chaucer nähert sich Blake der geordnetesten, systematischsten Kritik, die er jemals entwickeln konnte. Auf der soliden Grundlage von Chaucers präzise gezeichneten Charakteren kann Blakes einfühlsame Imagination sicher aufbauen. Wie gerechtfertigt und zugleich wie charakteristisch für Blake ist die folgende Grundüberlegung:
Chaucer hat mit seinen Pilgern Figuren geschaffen, die jedes Zeitalter und jede Nation ausmachen: wie ein Zeitalter zu Ende geht, beginnt ein neues, in sterblichen Augen stets anders, doch für Unsterbliche stets gleich; denn wir erleben immer und immer wieder die
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, ‘Das Vestibül der Hölle, die Seelen versammeln sich, um den Acheron zu überqueren’, Inferno III, 32-40, 1824-1827.
Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
National Gallery of Victoria, Melbourne.
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Inferno VIII, 65-73, 1824-1827
Stift und Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
National Gallery of Victoria, Melbourne.
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, ‘Der Wirbelwind der Liebenden’, Inferno V, 1824-1827. Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift mit einigen Einritzungen, 37 x 52,3 cm. Birmingham Museums & Art Gallery, Birmingham, Vereinigtes Königreich.
Wiederholung derselben Figuren, sowohl in Pflanzen, Steinen und Tieren als auch in den Menschen; in identischer Existenz entsteht nichts Neues. Die Gegebenheiten variieren fortwährend: Substanz kann weder sich ändern noch vergehen. [...] Chaucer ist der größte poetische Beobachter der Menschheit. [...] Jedes Zeitalter ist ein Pilgern nach Canterbury.
Etwa in der Mitte des Essays beginnt Blake, seine eigene Methode zu verteidigen und Bild und Broschüre seines Rivalen zu kritisieren, die er beide fest entschlossen war zu übertreffen. Er legt sein sorgsames Studium des Gedichts mit federleichter Mühelosigkeit dar und demonstriert fast ohne jede Schwierigkeit, dass Stothard es entweder nicht verstanden oder nicht mit der gebotenen Sorgfalt gelesen hat. Er beschließt seinen Essay mit einer persönlichen Anmerkung: „Lange genug bin ich von diesen Leuten, die mir alles verdanken, was sie haben, verhöhnt worden; niemals wieder wird dies so sein.“
Und mit Bezug auf einen Kupferstich aus The Bard von Gray51 stellt Blake fest: „Poesie besteht in [sublimer] Konzeption“. Es folgt die berühmte Passage:
Geist und Vision sind nicht, wie die moderne Philosophie verlauten lässt, ein trüber Nebel oder gar ein Nichts: Sie sind, fernab all dessen, was das menschliche und vergängliche Auge fassen kann, geordnet und bis ins Kleinste artikuliert. Wer nicht stärker und besser die zu malenden Züge, stärker und besser das zu malende Licht imaginiert, als es sein vergängliches, menschliches Auge wahrzunehmen vermag, der imaginiert überhaupt nicht. Der Maler dieses Werkes erklärt hiermit, dass alle seine Vorstellungskräfte ihm weitaus vollendeter und minuziöser geordnet vor seinem inneren Auge erscheinen, als sein sterbliches Auge wahrzunehmen imstande ist.
Das Wort „alle“ ist zu stark gewählt. Blake hatte keine Toleranz für Nachgedanken und hätte, wie Rodin gegenüber Symons äußerte, seine Visionen, mit deren flüchtigem Aufblitzen in seinem Geiste er sich nur zu oft zufrieden gab, mehr als einmal betrachten sollen. In einem Kommentar zu einem Bild verweist Blake auf Swedenborg: „Die Werke dieses Visionärs sind der Aufmerksamkeit von Malern und Dichtern mehr als würdig: sie sind die Grundfeste für wahrhaft Großes.“ In einem nachfolgenden Kommentar greift er die „Dämonen“ Rubens, Tizian und Corregio an, und das berühmte Schlusswort über „. die erste und erforderlichste Regel in der Kunst, wie auch im Leben“ wurde zuvor bereits in einem Kapitel zitiert.
Als Kunstkritiker ist Blake ein dienliches Beispiel eines Autors, der nicht wirklich verstanden werden kann, wenn der Leser ihn nicht im Verhältnis zu seiner Zeit und seinem Hintergrund betrachtet. Die Gefahr lag bisher darin, dass er einen Kult auslösen und als Quelle der Autorität verstanden werden könnte. Er bietet mehr Inspiration als Führung, wenngleich seine weisen Worte mehr, als dies allgemein eingeräumt wird, dem famosen lyrischen Talent zu verdanken sind, das sie formulierte. Für ein Publikum, das sich bereits für seine Arbeit und Person interessierte, hätte dieser Katalog eine Sensation dargestellt. Für ein Publikum, das ihm gleichgültig oder ablehnend gegenüberstand, wie es in Blakes Fall nun einmal war, stellte es eher die Rechtfertigung für seine Nichtbeachtung dar.
Wir müssen den Descriptive Catalogue in Verbindung mit der nie gedruckten Public Address sehen. Sie wurde höchstwahrscheinlich 1810 geschrieben, in dem Jahr, in dem auch der Kupferstich zu Blakes Canterbury Pilgrims fertig gestellt war. Gilchrist erinnert daran, dass dieser Kupferstich bereits lange vor dem Stothards beendet und der völlig außer sich war, dass Blake ihm zuvorgekommen war.
Die wichtigste Behauptung in der Public Address lautet: „. Ein Kupferstich büßt durch den Verlust der Zeichnung zugleich an Ausdruck und Charakter ein“, und der Leser wird aufgefordert, zum Beleg dieser Aussage die Bilder von Strange,52 Woolett53 und Bartolozzi54mit „... den englischen Portraits der alten Meister“ zu vergleichen. Mit nobler Kühnheit behauptete Blake sogar, Stothard hätte nur durch Blakes eigene Kupferstiche zu Stothards Bild „... sein Ansehen als Zeichenkünstler“ gewonnen. Ein Großteil der Public Address widmet sich einer wütenden Verteidigung gegenüber seinen Gegnern, insbesondere gegen den anonymen Verfasser der Kritik im Examiner, der einzigen Zeitung, die Blakes Ausstellung überhaupt beachtet hatte. Die verächtlichen Verweise auf einen „. unglückseligen Verrückten“ mögen unkommentiert so stehen bleiben. Kurios ist, dass der Verfasser sich von den Schlussworten des Catalogue nicht rühren ließ, aus dem er wie folgt zitiert:
Wenn ein Mann auf seinem Felde ein Meister ist, kann sich ihm dies nicht seiner Kenntnis entziehen; und wird er nicht von jenen, die die Kunst zu fördern vorgeben, engagiert, so engagiert er sich selbst und lacht im Stillen über die Heucheleien der Unwissenden, während er Nacht für Nacht seinen Schuh, sobald er ihn abstreift, das Licht löscht und zu Bett geht, mit solchen Früchten der Mühen des Tages füllt, wie sie ihm die Welt nicht zu geben vermag, und Zeit und Geduld nur darauf warten, ihm alle erdenklichen Gaben der Welt zu bescheren.
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, ‘Geryon geleitet Dante und Vergil hinunter nach Malebolge’, Inferno XVI, 45-85, 1824-1827. Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
National Gallery of Victoria, Melbourne.
Blakes Antwort auf diesen anonymen missgünstigen Kritiker war eine Kritik an den bekanntesten seiner angeblichen oder tatsächlichen Feinde, der er folgende Gedanken anschließt: „Kommerz kann den Verdienst des Einzelnen nicht ertragen“, und „Königreiche erstrahlen im Glanze, bis sie sich dem Kommerz zuwenden, der sie in alle vier Winde verteilt“. Und er bekräftigte: „Nicht die Kunst folgt und dient dem Königreich, sondern das Königreich ist es, das der Kunst dient und folgt.“ Dem folgt der so wunderbare Aphorismus, der selbst dem einsamsten aller Schreiberlinge das Herz zu heben vermag: „Welche Wahrheit ich auch kundtue, so tue ich dies nicht, um jene zu überzeugen, die sie nicht kennen, sondern um jenen Mut zuzusprechen, die sie kennen.“
Auch hier gibt er wieder seine Definition von der Malerei als „Zeichnen auf Leinwand“, und offensichtlich wollte er damit die Schule des Kupferstichs, aus der er stammte, verteidigen. Seine verbitterten persönlichen Kommentare verlieren den Stachel der Beleidigung, wenn er mit tiefster Aufrichtigkeit schreibt: „Zwar wurde dem Groll über die persönlichen Beleidigungen in dieser Public Address einiger Platz eingeräumt, doch weit mehr noch der Liebe zu meiner Kunst und der Verehrung für mein Land.“
Blake beklagt auch, dass der Malerei die der Bildhauerei eingeräumte Möglichkeit zu öffentlichen Arbeiten verwehrt wird und nennt die Malerei, ganz der Romantiker, der er war, die „... vorderste Kunst“. Er fasst das das Urteil seiner Zeitgenossen über sein Werk mit dem Vorwurf zusammen, er habe „... die Gabe des Einfalls, nicht jedoch die Gabe der Ausführung“ und erwidert darauf: „... Ich bin, wie andere auch, in Invention und Ausführung gleichermaßen gut.“
Die unter der Überschrift Eine Vision des Jüngsten Gerichts als Zusatz zu Blakes Bilderkatalog zusammengefassten Anmerkungen sind vor allem wegen dieser wunderbaren großen Behauptung erwähnenswert:
Der Mensch wird in das Reich des Himmels eingelassen, nicht, weil er seine Leidenschaften kontrolliert oder unterdrückt hat oder keine Leidenschaften in sich trägt, sondern weil er sein Verständnis von seinen Leidenschaften weiterentwickelt hat. Die Gaben des Himmels liegen nicht in der Verneinung der Leidenschaft, sondern in den Wirklichkeiten des Intellekts, dem jede Leidenschaft in ihrer ewigen Herrlichkeit entspringt. Ein Narr, sei er auch noch so heilig, wird nicht in das Reich des Himmels eingelassen. Heiligkeit ist nicht der Preis, der den Einlass in das Himmelreich bezahlt. Verwehrt bleibt der Eintritt all jenen, die - bar jeder eigenen Leidenschaft, weil auch bar jedes Intellekts - ihr Leben damit zubrachten, die Leidenschaften anderer durch die Kunst von Armut und
Grausamkeit aller Art zu unterdrücken und zu kontrollieren. [...] In der Hölle ist alles Selbstgerechtigkeit.
Zu seinem Werk Das Jüngste Gericht bemerkte er abschließend: „Was das physische Sehen anbetrifft, so stelle ich mein körperliches, vergängliches Auge nicht mehr in Frage, als ich es bei einem Fenster täte. Ich blicke durch es hindurch und nicht mit ihm.“
Blakes Erklärung „Malerei entsteht und entfaltet sich, wie auch die Poesie und die Musik, allein durch unsterbliche Gedanken“, sollten das Credo der neuen romantischen Bewegung werden; der Sinn seiner künstlerischen Manifeste war es, von persönlicher Inspiration zu künden. Sie sind weniger Kritik als die Verkündung eines Credos - ein Credo, das sich gegen eine akademische Tradition wandte. Er verteidigte die Sünde als eine Bekundung persönlicher Leidenschaft, und mit Verwunderung nehmen wir aus neuer Perspektive zur Kenntnis, dass das von Blake verkündete Zeitalter in eben derselben Haltung zu Ende ging. Die heftige Reaktion, die Blake anführte, erklärt die meisten seiner Schwächen und sollte dem Leser stets als versöhnlicher Umstand in Erinnerung bleiben, der diese Schwächen entschuldigt.
Inspiration galt wenig zu seiner Zeit, doch die Gleichsetzung von Inspiration mit Kunst, wie Blake sie predigte und praktizierte, ist wiederum überspitzte Idiosynkrasie und der Anspruch auf Endgültigkeit von Ideen, die sich manchmal auf nichts als Eigentümlichkeit und Ungeduld stützen. Selbst Symons räumt schließlich ein, Blakes Kunst „. ist das Protokoll einer Vision, die nie ganz gemeistert wurde“.
Mit dem Gemälde und den Kupferstichen der Canterbury Pilgrimage begann der letzte Abschnitt im Leben Blakes. Dieser Abschnitt lässt sich in zwei Phasen einteilen. Über die erste Phase, die mit der Bekanntmachung der Zusammenarbeit Blakes mit John Linnell endete, ist kaum etwas bekannt. Butts, der Käufer der Canterbury Pilgrimage, erwarb auch weiterhin Blakes Arbeiten, doch die Jahre waren von der Nichtbeachtung durch die Öffentlichkeit geprägt, und eine ganze Generation schien zu verschwinden, als nach und nach mehrere Freunde und frühere Bekanntschaften Blakes starben. Unter diesen Freunden und Bekannten waren der Buchhändler Johnson und Ozias Humphry. Auch der 1820 verstorbene Hayley verschwand ganz aus Blakes Leben. Hayley arbeitete an seinen Memoiren und hatte, da er bei der Recherche und den Kupferstichen für sein Buch nicht auf Blake angewiesen war, für seinen früheren Freund offensichtlich keine Verwendung mehr. Das Wort „Verwendung“ ist hier
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Inferno VIII, 30-64, 1824-1827 Aquarell, schwarze Tinte, Graphit und schwarze Kreide auf cremefarbenem antikem geripptem Papier; Rückseite: Graphit, 37 x 52,2 cm. Fogg Art Museum, The Harvard University Art Museums, Cambridge, Massachusetts.
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, ‘Minos’, Inferno V 1-24, 1824-1827.
Stift und Aquarell über Bleistift und schwarzer Kreide, c. 37 x 52,5 cm. National Gallery of Victoria, Melbourne.
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Inferno XIV, 58-68, 1824-1827.
Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
Fogg Art Museum, The Harvard University Art Museums, Cambridge, Massachusetts.
vermutlich tatsächlich gerechtfertigt, da Hayley zu dem Menschenschlag gehörte, der anderen nur dann gerne half, wenn diese ihm nützlich sein konnten, sonst war er jedoch weniger bereit, ihnen hilfreich zur Seite zu stehen und wahre Großzügigkeit zu zeigen.
Die gestochenen Auflagen von Milton und Jerusalem wurden zu jener Zeit in der South Molton Street herausgegeben, und auch Das ewige Evangelium wird dieser Phase zugeschrieben. Zahlreiche andere Manuskripte, die von Tatham entweder verbrannt wurden oder derer er sich anderweitig entledigt hatte, wurden vermutlich ebenfalls zu dieser Zeit komponiert, und Blakes unermüdliche Arbeitswut brachte überdies unzählige Aquarelle hervor. Seine Gattin erzählte, Blake sei ständig mit „... lesen, schreiben oder zeichnen“ beschäftigt und schien nicht mehr das Bedürfnis nach körperlicher Ertüchtigung zu verspüren. Von seiner früheren Gewohnheit, lange Spaziergänge zu unternehmen, hatte er abgelassen, und J. T. Smith berichtete: „Oft sollte er, nach langer Brüterei über einem bestimmten Thema, mitten in der Nacht aus seinem Bett aufspringen, um noch zwei Stunden oder gar noch länger zu schreiben.“
Neben seinen eigenen Arbeiten war Blake nach wie vor unter anderem mit Kupferstichen und der Arbeit an Flaxmans Entwürfen für Hesiods Werke und Tage beschäftigt. Er fertigte außerdem Kupferstiche als Illustration für die Artikel der Encyclopedia von Rees an, die angeblich von Flaxman stammten und sich mit Waffen und Bildhauerei beschäftigten. Eines seiner Illustrationsthemen für die letztgenannte Reihe war Laokoon. Um die in der Royal Academy aufbewahrte Statue selbst zeichnen zu können, besuchte Blake die Zeichenschule, wo Fuseli ihn inmitten der Schüler bei der Arbeit vorfand. „Sie hier, Mr. Blake?“, rief der Professor aus. „Wir sollten hier von Ihnen belehrt werden, und nicht Sie von uns.“ Blake erwiderte Fuselis herzliche Begrüßung gut gelaunt und freute sich daran, wieder im Lehrraum zu stehen.
Dies ist das einzige Licht, das wir in das Dunkel dieser unbekannten, 1818 zu Ende gehenden Phase bringen können, als George Cumberland of Bristol Blake mit John Linnell vertraut machte. Dieser war damals noch ein junger Künstler, der sein Brot mit Portraitmalerei verdiente, in seiner Freizeit jedoch ganz der Landschaftsmalerei verschrieben war. Linnell wandte sich anscheinend mit der Bitte an Blake, ihm beim Kupferstich für seine Portraits behilflich zu sein, und vollendete die Platten, die Blake für ihn begonnen hatte.
Linnell war zu jener Zeit sechsundzwanzig Jahre alt. Sein Vater, ein Schnitzer und Vergolder, hatte das frühreife Talent seines Sohnes unterstützt und ihn als Schüler zu Benjamin West geschickt. Dort verbrachte er ein Jahr bei John Varley, dem Aquarellisten, in dessen Haus er die Bekanntschaft von Shelley und Godwin machte. Aber er stellte Blake diesen beiden nicht vor, sondern machte ihn mit Varley bekannt, einem sonderbaren Zeitgenossen, dessen Interessen in der Kunst und in der Astrologie lagen. Die beiden Männer stellten viele Gemeinsamkeiten fest, und Linnell fertigte eine geistreiche Zeichnung an, die die beiden Männer im angeregten Zwiegespräch miteinander zeigte.
Linnell sollte sich in zweierlei Hinsicht als der selbstloseste Freund Blakes in dessen letzter Lebensphase erweisen. Er beauftragte ihn mit der doppelten Ausführung der Inventionen zum Buch Hiob, die Butts bestellt hatte, und zahlte Blake für jede Ausführung jeweils £ 150 und er stellte ihm mehrere junge Künstler vor, die sich um Blake scharten und zu einer kleinen Gefolgschaft von Verehrern wurden. Seine beiden Aufträge waren die umfangreichsten, die Blake je für eine einzelne Entwurfsserie erhalten hatte. Linnells Erfolg in der Portraitmalerei ermöglichte es ihm außerdem, für seine Landschaftsgemälde, für die er heute am besten bekannt ist, stattliche Preise zu verlangen. Im Herbst 1817 bezog Linnell ein Haus am Rathbone Place, der uns bereits als Wohnort der Mrs. Mathew bekannt ist, und zog im folgenden Jahr in die Cirencester Street am Fitzroy Square. In einigen von Arthur Symons zitierten autobiographischen Anmerkungen erinnert sich Linnell an seine erste Begegnung mit Blake:
Hier machte ich das erste Mal die Bekanntschaft von William Blake, dem ich in Begleitung des jüngeren Cumberland einen Besuch abstattete. Blake lebte zu jener Zeit in der South Molton Street nahe der Oxford Street im zweiten Stockwerk. Bald schon waren wir sehr miteinander vertraut und ich engagierte ihn, um mir beim Kupferstich für das Portrait des Baptistenpredigers Upton zu helfen, was er dankend annahm, da er kaum genug Arbeit gehabt hatte, um mit den ihm bezahlten Preisen sein Leben bestreiten zu können; alle Kunst war damals auf einem Tiefstand. [...] Bereits kurze Zeit später lernte ich Blakes Eigenheiten kennen und, obgleich ich angesichts der Kühnheit mancher seiner Behauptungen durchaus verblüfft war, konnte ich zu keiner Zeit den geringsten Anflug von Wahnsinn an ihm feststellen, denn ich stand ihm, anders als viele andere, nie verächtlich gegenüber, sondern bekam in meinem unbezähmbaren Verlangen, den in seinen aufwühlendsten Behauptungen liegenden möglichen Wahrheitsgehalt so weit wie möglich zu ergründen, meistens eine im erdenklich
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, ‘Der simonianische Papst’, 1824-1827.
Stift, Tinte und Aquarell auf Papier, 52,7 x 36,8 cm.
Tate Gallery, London.
BEI
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Inferno XXI, 46-56, 1824-1827.
Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
National Gallery of Victoria, Melbourne.
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Inferno XXII, 1-26, 1824-1827.
Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
Birmingham Museums & Art Gallery, Birmingham, Vereinigtes Königreich.
freundlichsten und versöhnlichsten Ton gehaltene, durchaus besonnene, sachliche Erklärung.
Dieser ausgesprochen wertvolle Einblick in Blakes Persönlichkeit stammt aus einem Brief von Linnells Sohn, John Linnell, den Symons wiederum von Sampson erhielt. Wir erfahren aus seinem Tagebuch, dass Linnell gemeinsam mit Blake mehrmals das British Museum und diverse weitere Gemäldegalerien besuchte und dabei Blake offensichtlich mit mehreren Kunden, darunter Sir Thomas Lawrence, bekannt machte.
Von diesen neuen Bekanntschaften war Varley, der bereits für die erschreckende Genauigkeit seiner Horoskope und Vorhersagen bekannt war, derjenige, der sich in seinem Geist und seiner Denkweise mit derjenigen Blakes in gewisser Weise eng verbunden fühlte. Gilchrist schrieb „... er empfand tiefe Leidenschaft für alles Wunderbare und liebte es, wenn das Zeugnis seiner Sinneswahrnehmung widerlegt wurde“. In ihm fand Blake einen aufmerksamen und mitfühlenden Zuhörer, der stets hoffte, ihm würden ebenfalls die Visionen erscheinen, die Blake zu beschreiben pflegte.
Da Varley jedoch die Fähigkeit, Visionen zu sehen, nicht besaß, bat er Blake, dessen eigene Visionen zu Papier zu bringen, und diese Bitte wiederum führte zu der Entstehung der visionary heads, der heute wohl jedem bekannten Köpfe von visionären Erscheinungen. Zu den berühmtesten zählen Der Erbauer der Pyramiden und Der Geist eines Flohs; Varley schlug Blake oft Motive vor, nur um ihm völlig gebannt bei der Zeichnung dieser unsichtbaren Modelle zusehen zu können. Es heißt, damit hätten die beiden von zehn Uhr in der Nacht bis in die frühen Morgenstunden damit zugebracht, da Varley seiner Begeisterung nie müde wurde, die er empfand, wenn Blake mit dem plötzlichen Ausruf „Da ist er ja!“ die ihm genannte Gestalt begrüßte.
Bei jedweder Kritik an diesen Portraits pflegte Blake zu antworten: „So stimmt’s nun mal; so hab ich’s gesehen“, und wir können uns sehr gut vorstellen, wie sehr Varley sich gewünscht hätte, diese Ähnlichkeit bestätigen oder widerlegen zu können. Alles, was ihm zu tun blieb, war, die Namen der Visionen und Tag und Uhrzeit ihrer Erscheinung niederzuschreiben. In einem typischen Eintrag ist zu lesen: „Richard Löwenherz, nach seinem erschienenen Geiste gezeichnet. W. Blake, 14. Okt. 1818, fünfzehn Minuten nach Mitternacht.“ Diese Köpfe sind von der gleichen unverfälschten Direktheit wie die Niederschriften Blakes. Sie belegen die visuelle Qualität seiner Einbildungskraft in dem jeweiligen Maße, in dem sie geweckt wurde.
Einige seiner größten Werke sollte Blake erst in seinen letzten Lebensjahren schaffen. Die Entwürfe zu Dr. Thorntons55 Ausgabe von Pastoralen von Vergil, eine Adaption für den Lehrunterricht, einer herrlichen Sammlung von siebzehn Holzstichen, fertigte er 1820 an; in dem Jahr begann er auch die Arbeit an seinem großartigen Gemälde Das Jüngste Gericht.
Erneut sollte Blakes Werk eine Entschuldigung vorausgeschoben werden. Dr. Thornton schrieb im Vorwort seiner Ausgabe: „Die Illustrationen dieser englischen Pastorale stammen von Blake, dem berühmten Illustrator von Youngs Night Thoughts und Blairs The Grave, von dem sowohl die Entwürfe als auch Kupferstiche stammen.“ Dies wird erwähnt, da die Illustrationen weniger von Kunstfertigkeit als von Genie zeugen und von namhaften Meistern der Malerei glühend bewundert werden.
Und hätte Linnell, dem Dr. Thornton die Holzstiche zeigte, sich nicht fürsprechend eingesetzt, hätte dieser sogar den Wünschen seiner Verleger nachgegeben und Blakes Entwürfe von einem Mitarbeiter neu stechen lassen. Dennoch zeigen sie einige der einfallsreichsten und liebenswürdigsten Übertragungen der Natur, die Blake uns hinterlassen hat. Auch zu Lebzeiten erhielt Blake höchstes Lob von den wenigen, die ihn überhaupt je lobten, und es ist eine reine Freude, die Wirkung, die diese Entwürfe auf einen jungen Künstler mit einer für den spirituellen Teil der Natur ebenso empfänglichen Einbildungskraft wie Blakes selbst, in diesem Zitat wiederzugeben:
Ich setzte mich mit Mr. Blakes Holzstichen zu Thorntons Vergil nieder und betrachtete sie. [...] Es sind Visionen der Ecken, Täler und Winkel des Paradieses; dargestellt mit den vorzüglichsten Nuancen intensiver Poesie. Ich studierte ihr Spiel von Licht und Schatten und fand dabei keinen Ausdruck, der dieses beschreiben könnte. Intensive Tiefe, Erhabenheit und lebhafte Leuchtkraft sind noch zu sachlich und ungenügend, um sie zu beschreiben. In allem liegt ein wunderbar mystischer, verträumter Schimmer, der die Seele im Innersten bewegt und entzündet, [.] so ganz anders, als das grelle Licht dieser Welt. Wie alle Arbeiten dieses wunderbaren Künstlers ziehen auch sie den Vorhang der Sterblichkeit beiseite und gewähren einen flüchtigen Blick auf die Ruhe, die noch vorhanden ist in dem Volk Gottes.
Mit diesen verzauberten Worten lernen wir den ersten jungen Anhänger Blakes kennen, der sich in seinen Bann ziehen ließ -Samuel Palmer56 war 1825 erst zwanzig Jahre alt, und in seinen Superlativen spiegelt sich das Feuer der Jugend. Als Palmer in seinem Notizbuch anmerkt: „Die Kunst ist das Maß der Natur“, so hören wir darin Blake selbst, und Palmers Arbeit ist ganz nach dem Geiste der Pastoralen Blakes - von reiner Farbe, intensivem Empfinden, naiver Unschuld und Schlichtheit, gleich der Poesie
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Inferno XX, 4-115, 1824-1827.
Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
National Gallery of Victoria, Melbourne.
HELLG^Ä?
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Inferno XXI, 118-124, 1824-1827.
Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
Fogg Art Museum, The Harvard University Art Museums, Cambridge, Massachusetts.
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Inferno XXII, 43-72, 1824-1827 Aquarell, schwarze Tinte, Graphit und schwarze Kreide auf cremefarbenem antikem geripptem Papier, 37,2 x 52,3 cm. Fogg Art Museum, The Harvard University Art Museums, Cambridge, Massachusetts.
William Blake, William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, ‘Die Diebe und die Schlangen’, Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, ‘Die Diebe und die Schlangen’,
Inferno XXIV, 82-96, 1824-1827. Inferno XXIV 95-124, 1824-1827.
Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift und schwarzer Kreide, c. 37 x 52,5 cm. Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
National Gallery of Victoria, Melbourne. National Gallery of Victoria, Melbourne.
der Natur, eine Kunst der Morgen- und Abenddämmerung, nie zu erdenfern. Palmer und seine Gefährten waren die Wegbereiter für die künftigen Präraffaeliten, eine wunderbare Brücke zu größeren Meistern, als sie es waren.
Der Kupferstich zu Jerusalem wurde ebenfalls im Jahr 1820 fertig gestellt. Zu dieser Zeit schien Blake in seinem ruhigen Heim zufrieden und am Höhepunkt seines künstlerischen Könnens angelangt. Während sich seine Vorstellungskraft in ihrer ganzen Stärke auf das Jüngste Gericht, das ihm stets das Thema aller Themen war, konzentrierte, fühlte er in sich die Unschuld seiner frühesten Tage wieder aufblühen. Er konnte sich wieder in Spielereien mit Modulierungen von Naturszenen verlieren, und es hat kaum je herrlichere Entwürfe für ein Schulbuch gegeben als in seiner Ausgabe von Thorntons Vergil, und dies ist umso bemerkenswerter, da Blake hier erstmals überhaupt mit Holz arbeitete. Diese Entwürfe sollten jedoch sein Abschied aus der South Molton Street sein, sein letztes großes Werk an dem Ort, der siebzehn Jahre lang sein Zuhause gewesen war.
Von Linnell erfahren wir, wie es dazu kam, dass er 1821 dieses Zuhause verlassen und schließlich zum wiederholten und letzten Male innerhalb Londons ein neues Heim beziehen musste. Nachdem sein Hausherr das Fox Inn aufgab und sich in Frankreich zur Ruhe setzte, zog Blake nach Fountain Court nahe The Strand, das zu jener Zeit neu bebaut wurde. Hier mietete Blake zwei Zimmer im ersten Stockwerk eines Haus, das Mr. Banes, der Schwager seiner Gattin, bewohnte. Blake fehlte Geld und Arbeit, denn Linnell erzählt, er habe zu jener Zeit seine Sammlung alter Kupferstiche an Colnaghi57 verkaufen müssen. Zwar war es zu spät, diese Sammlung zu retten, doch Linnell half Blake, und möglicherweise war es seine Hilfe, der Blake 1822 die finanzielle Beihilfe der Royal Academy in Höhe von £ 25 verdankte.
Blake verbrachte seine letzten sechs Lebensjahre in diesen zwei Zimmern in Fountain Court. Im vorderen Raum empfing er Freunde; der hintere Raum war Küche, Schlafzimmer und Arbeitsraum in einem. Das Fenster dieses Hinterraumes, vor dem Blake bei der Arbeit zu sitzen pflegte, blickte auf die Häuser am Fluss und das dahinter liegende Land hinaus, und, wann immer sein Kopf des Nachts voller Ideen war, schlich er aus dem Bett an seinen Tisch am Fenster. Crabb Robinson besuchte Blake und, so beengt die Verhältnisse hier auch waren, bemühte sich Samuel Palmer nach Kräften, die Geschichten von elender Armut zu widerlegen und erklärte, dass alles sauber und ordentlich war und seinen Platz hatte.
Blake, inzwischen ein alter Mann geworden, ging nicht mehr aus; man sagt, er habe die Wohnung in Fountain Court - bis auf seine Stippvisiten in einem Wirtshaus, um Schwarzbier zu kaufen - zwei Jahre hindurch nicht verlassen. Zu seinen Besuchern zählte Thomas Griffiths Wainewright, der Dilettant und Giftmörder; allerdings gibt es keine Aufzeichnungen darüber, ob Blake dessen Deportation ebenso voraussagte wie einst Rylands Hinrichtung, als er diesem als Junge begegnet war. Wainewright erwarb ein Exemplar der Songs of Innocence und erwähnte den Künstler anerkennend in einem seiner fröhlichen Zeitungsartikel. Blake soll eines von Wainewrights Bildern, die in der Royal Academy hingen, sehr bewundert haben. „Obgleich so viele andere, weitaus erinnerungswürdigere Augenblicke vergessen sind“, schrieb Palmer an Gilchrist, „führt mir das launenhafte Gedächtnis das Bild vor Augen, wie Blake betrachtend vor Wainewrights Bild stand; Blake, wie er in seinem schlichten, schwarzen Anzug und recht breitkrempigen, aber nicht quäkerhaften Hut so ruhig zwischen all den vornehm gekleideten, lauten, in Massen versammelten Menschen stand und ich dachte: ‘Ahntet ihr doch nur, wer unter euch weilt!’“
Heute ist jeder zutiefst dankbar für diese lebhafte Erinnerung an den Erfinder der herrlichen Entwürfe zu Das Buch Hiob, an dem er zu jener Zeit vermutlich gerade arbeitete. Es sollte der letzte von Butts erhaltene Auftrag sein. Die Entwürfe stellen Blakes ehrgeizigste und unantastbarste Bildserie dar. Seine Inspiration war unerschöpflich und seine Ausführung nie konsequenter. Eine Eigenschaft in einem der Entwürfe prägte sich unauslöschlich in der Erinnerung des Autors ein, als er diesen Entwurf zum ersten Mal sah. Es handelt sich um den Entwurf, der als Beiwerk zu folgenden Worten diente: „Mit Träumen schreckst du mich in meinem Bette und erfüllst durch Visionen mich mit Angst.“
Das Gefühl beklemmender Angst drückt die erhobenen Hände des Schlafenden nieder, der sich bemüht, die schweren Gestalten abzuwehren, die ihn mit einer Schreckensgewalt, die den bevorstehenden Albtraum selbst verkörpert, bedrängen. Überall wird die Wirkung der Bibel auf die Vorstellungskraft eines Kindes wiedergegeben, so wie auch die Gestalten Gottes, des Geistes, Hiobs und dessen Freunde. Die Entwürfe im Buch Hiob unterscheiden sich im Einzelnen sowie in ihrer Gesamtheit von vielen anderen Arbeiten Blakes durch ihre absolute Überzeugungskraft.
Blake fertigte eine Ausführung für Butts und eine doppelte Ausführung für Linnell an, der dafür jede Woche einen festen Betrag in Höhe von rund £ 3 zahlte und Blake somit einen regelmäßigen Verdienst sicherte. Linnell ließ sich am 23. März 1823 gar vertraglich binden. Dies war möglicherweise der erste Vertrag solcher Art, der ihm je zur Unterschrift vorgelegt oder angeboten wurde. Laut Vertragsbedingungen sollte Blake für die Entwürfe und das Urheberrecht £ 100 sowie weitere £ 100 aus
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, ‘Der stygische See und die grauenhaften, kämpfenden Sünder’, Inferno VII, 106-126, 1824-1827. Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
National Gallery of Victoria, Melbourne.
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, ‘Die Diebe und die Schlangen’, Inferno XXIV, 88-100, 1824-1827.
Kreide, Stift, Tinte und Aquarell auf Papier, 372 x 52,7 cm.
Tate Gallery, London.
hell<ää
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Inferno XXV, 38-62, 1824-1827.
Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
Fogg Art Museum, The Harvard University Art Museums, Cambridge, Massachusetts.
den Verkaufserlösen erhalten. Als diesejedoch auf sich warten ließen, zahlte Linnell in Raten weitere £ 50 an Blake, um die Entwürfe und unverkauften Kupferstiche in eigenen Händen behalten zu können.
Gilchrist deutet an, dass Linnell Blakes Stil dadurch beeinflusste, dass er ihn mit den Arbeiten von Kupferstechern vertraut machte, deren Stil weniger streng war als der Basires, und dass Blake nach Betrachtung einiger Arbeiten von Bosoni sogar in Frage stellte, ob Basire für ihn je der unantastbare Meister gewesen war. Gemessen an Inventionen zum Buch Hiob muss man zugeben, dass seine Schreibarbeiten hinter seinen Entwürfen zurückblieben. Es gibt kein poetisches Werk Blakes, dass der Hiob-Bildserie in ihrer erhabenen Konzeption und gestaltlichen Schönheit vergleichbar wäre. Zu oft ließ er sich von Idiosynkrasie leiten, und kein Einfluss vermochte dem Einhalt zu gebieten.
Blakes Lehre zum Kupferstecher war die einzige formelle Ausbildung, die er je erhalten hatte, und so ist sein Werk als Künstler seinem Werk als Autor überlegen. Als Illustrator zu Chaucer, Hiob und Vergil ist er fabelhaft. Bei den Illustrationen zu Blair ist er mal herrlich, mal hölzern. Das Jüngste Gericht ist eine Illustration in excelsis, ebenso seine besten Entwürfe, nämlich Der Schöpfer der Zeit, Nebukadnezar und Elias.
Die Ornamentumrahmungen seiner Seiten mit illuminiertem Druck zeigen für gewöhnlich Zauberwesen. Als er sich ganz seinen Inspirationen hingab, wuchs die daraus entstehende Arbeit entweder über sein gewohntes Niveau hinaus oder blieb dahinter zurück. Stets im Bestreben nach Erhabenheit und in der Hingabe an Seelenzustände als sein liebstes Thema, überrascht er uns durch die extremen Höhen oder Tiefen, die er - sogar an verschiedenen Stellen desselben Entwurfs - erreichte. Mit seiner Idealisierung der Idiosynkrasie ist er zugleich Inspiration und Warnung, doch nur durch die Erinnerung an den Formalismus, dem er sich widersetzte, stehen wir seiner mangelnden Beständigkeit mit Verständnis gegenüber.
Linnell beauftragte 1825 Blake mit der Anfertigung einer Serie von Entwürfen für Dante, und Blake stürzte sich mit dem gewohnten Enthusiasmus in die Arbeit - nicht nur, um zu zeichnen, sondern auch, um ausreichende Kenntnisse des Italienischen zu erwerben, um dem Gedicht Zeile für Zeile folgen und mit Carys58 Übertragung vergleichen zu können. Wie schon Butts zuvor, gab Linnell Blake kongeniale Arbeit und bezahlte ihn dafür regelmäßig - ein doppelter Dienst, den nur Butts und Linnell zu erbringen großzügig genug waren. Linnell war überdies ein guter Freund. Zu den Häusern, in denen er Blake als Gast vorstellte, gehörte das von Mrs. Aders, in dem regelmäßig Künstler und Literaten verkehrten. Dort machte Crabb Robinson die Bekanntschaft von Blake, und
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, ‘Die symbolische Figur für den Verlauf der menschlichen Geschichte, beschrieben von Vergil’, Inferno XIV, 94-119, 1824-1827. Stift, Tinte und Aquarell. National Gallery of Victoria, Melbourne.
William Blake, Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, ‘Vanni Fucci lästert Gott mit zwei Feigen’, Inferno XXV 1-15, 1824-1827.
Stift, Tinte und Aquarell. National Gallery of Victoria, Melbourne.
211
William Blake, William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Inferno XXV, 60-70, 1824-1827 Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Inferno XXV, 95-105, 1824-1827
Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm. Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
National Gallery of Victoria, Melbourne. National Gallery of Victoria, Melbourne.
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Inferno XXV, 106-131, 1824-1827.
Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
National Gallery of Victoria, Melbourne.
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, ‘Die Abtrünnigen und Sämänner in Zwietracht: Mahomet’, Inferno XXVIII, 19-42, 1824-1827 Stift und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
National Gallery of Victoria, Melbourne.
möglicherweise war es Robinson, den Lamb beim Vortrag von Blakes Gedicht Tiger rezitieren hörte. Linnell erinnert sich lebhaft an „... diesen beeindruckenden Vortrag“ und besuchte später mit Blake auch das Haus von Crabb Robinson sowie weitere vornehme Häuser.
Am Beginn von Jerusalem, das schließlich 1820 gestochen wurde, hatte Blake geschrieben: „Poesie in Fesseln zwingt auch den Menschen in Fesseln.“, und eines der Fragmente, die er über diese Phase der Nichtbeachtung schrieb, war das eloquente: „Ich bin verborgen.“. Möglicherweise suchte er eine Bestätigung für seine stolze, trotzige Haltung, als er sich mit den Evangelien beschäftigte, um in seinem nächsten Gedicht zu beweisen, dass Trotz und Unabhängigkeit die wahre Natur Christi, seines liebsten Sinnbilds, waren.
Wenn man versucht, eine Beschreibung für Blakes Religionsvorstellung zu finden, müssen wir Symons darin recht geben, dass er „. ein Häretiker aus der häretischen Schule Swedenborgs“ war. Das ewige Evangelium, das etwa 1810 geschrieben wurde und dem wir uns am Ende des Abschnitts über seine Lyrik eingehend widmeten, sollte daher nicht einfach als Versuch einer neuen und tiefer greifenden Divination seines Themas gelesen werden, sondern es sollte zumindest in Teilen als das Produkt seiner einsamsten Lebensphase, als extremes Beispiel seines Gestus der Selbstrechtfertigung verstanden werden. Ohne dieses Selbstvertrauen wäre er vielleicht zerbrochen, doch sobald der Anspruch auf Verbindlichkeit in seinen Äußerungen erhoben wird, deren überwältigende Kraft an sich bereits fesselnd ist, muss man sich dringend vor Augen führen, wann und unter welchen Umständen sie geschrieben wurden. Vom poetischen Standpunkt genügt sich der Everlasting Gospel selbst; vom interpretatorischen Standpunkt muss er in seiner Lehre gemessen werden.
Blake fertigte 1818 neue Kupferstiche zu Die Pforten des Paradieses an, und die paarreimigen Sprichwörter, die er unter seine Entwürfe setzte und die sich anfangs an Kinder, später dann - wie er selbst sagte - an beide Geschlechter richteten, sind in derselben Art geschrieben und drücken oft ähnliche Ideen aus. Am typischsten dafür ist die Nummer 9, auf dem ein Mann zu sehen ist, der auf Erden eine Leiter aufstellt, deren Spitze gegen den gekrümmten Mond gelehnt ist und auf der geschrieben steht: „Ich will! Ich will!“ Damit kommentiert Blake seine Schriftwerke selbst. Seine Wünsche waren seine Dogmen; er lehnte seine Leiter gegen den Mond.
Auch gewisse andere Schriftwerke Blakes fallen in diese Zeit und können problemlos zusammengefasst werden. Etwa um das Jahr 1819 las Blake, der sich durchaus bewusst war, dass ihn einige für verrückt hielten, Spurzheims Beobachtungen über den Wahnsinn. Er notierte zwei Anmerkungen in dem Buch; die interessantere von beiden beschreibt folgendes Szenario:
Cowper trat auf mich zu und sprach: Oh, wäre ich doch immer wahnsinnig. Ich werde nicht länger ruhen, bis ich es bin. Oh, wäre ich nur verborgen in Gottes Busen. Gesund sind Sie, und doch so verrückt wie jeder von uns — weit über uns allen — verrückt wie ein vor dem Unglauben Flüchtender — vor Bacon, Locke und Newton.
Mit Unglauben meinte Blake die Wissenschaft und alles Wissen, das auf dem Zeugnis der Sinne aufbaut. Er war ein typischer poetischer Vertreter dessen, was er selbst Intuition nannte. Persönlicher Enthusiasmus, da dieser lebendig ist, war die letzte Instanz für den Mann, der selbst sagte: „Was jetzt wahr ist, war einst nur Imagination“ und „Eine unerschütterliche Überzeugung daran, dass etwas so ist“, mache es erst dazu. Die Frage danach, ob Blake tatsächlich verrückt war, wurde allzu oft von jenen beantwortet, die sich entweder glühend für oder gegen ihn einsetzten. Wenn wir das Axiom von Dr. Charles Mercier, dem Nervenarzt, betrachten, dass Wahnsinn vorwiegend an einer Störung des Verhaltens erkannt wird, und wir das Wort „verrückt“ in seiner lockeren Benutzung durch Laien verstehen, kann Blake aber grundsätzlich von diesem Vorwurf freigesprochen werden.
Angesichts der zeit seines Lebens anhaltenden Schwierigkeiten und Entmutigungen führte er ein normales Leben - ein Leben, das von unermüdlichem Arbeitseifer geprägt war, ein Leben, das niemanden in dessen eigenem Leben behinderte und das er in kompromissloser Ehrbarkeit bewältigte - und starb in Armut, aber ohne Schulden. Dies setzt alle Eigenschaften von Selbstbeherrschung, Rücksichtnahme auf andere und Arbeitsamkeit voraus, die, wie Dr. Mercier beharrlich feststellt, der positive Nachweis eines wohl ausgewogenen Geistes sind. Blakes Verhalten hält dieser Prüfung stand. Keine seiner Handlungen kann ihm zu Lasten gelegt werden.
Doch wenn man sich einigen seinen Handlungen, einigen seiner Worte, einigen seiner Zeichnungen zuwendet und eine weniger fassbare Dimension betritt, so müssen gewisse Einschränkungen geltend gemacht werden. So erfahren wir beispielsweise von Palmer, wie Blake, „. erzürnt über die ausschließlich wissenschaftlich geprägte Unterhaltung im Haus eines Freundes, die sich schließlich der Weite des Alls zuwandte, aufschrie: ‘Unwahr ist’s. Erst gestern ging ich am Abend bis zum Ende des heidebehangenen Horizonts und berührte den Himmel mit meinem Finger.’”
Als Poet formulierte Blake all seine Ideen stets in Bildern. Er besaß eine dramatische Vorstellungskraft, doch es bestehen
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, ‘Odysseus und Diomedes eingehüllt in einer Flamme’, Inferno XXVI, 44-71, 1824-1827 Stift, Tinte, schwarze Kreide und Aquarell über Bleistift. National Gallery of Victoria, Melbourne.
kaum Zweifel, dass er die Grenzen des zweiten Gesichts kannte und wusste, wo die Imagination aufhört und die Wirklichkeit begann. Sein Verstand konnte zwischen der Distel vor ihm und dem ergrauten alten Mann, den diese in seiner Vorstellung verkörperte, sehr wohl unterscheiden. Seine Köpfe visionärer Erscheinungen müssen ebenfalls in diese Kategorie eingeordnet werden, doch seine Aussage „Ich kann ein Astloch in einem Stück Holz betrachten, bis es mich ängstigt“ ist kennzeichnend für eine Überkonzentration, und manche seiner Zeichnungen weisen Ähnlichkeit mit solchen aus Nervenanstalten auf.
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Blakes Verstand zwar Anzeichen einer Störung aufwies, jedoch niemals in dem Maße, dass dadurch sein Verhalten im Alltag beeinflusst gewesen wäre. Der Mediziner besteht hier auf einer fachlicheren, der Laie auf einer freieren Auslegung, und in der Folge entsteht Verwirrung, da beide denselben Begriff verwenden, um zwei ausgesprochen unterschiedliche Dimensionen eines Zustands zu beschreiben. Würde Blakes Geisteszustand vor Gericht als Präzedenzfall verhandelt, müsste ihn die Welt aus Gründen der Selbstverteidigung freisprechen, doch entzieht er sich streng genommen nicht gänzlich der Definition.
Blake war einsam und durch einen Mangel an formeller Bildung, der sich fast proportional zum unerschöpflichen Reichtum seines Talents verhielt, zugleich benachteiligt und ungerechterweise verkannt, sodass seine Lebensumstände in ihrer Gesamtheit zur Verstärkung seiner Idiosynkrasien beitrugen. Ein Mensch mit schwächerem Geist oder schwächerem Charakter hätte die Anstrengungen in Blakes langem, mühsamem Leben kaum überstanden. Wir können ihn nicht als verrückt bezeichnen, ohne einzuräumen, dass er sein Leben heldenhaft lebte, und wir können ihn nicht als Vorbild sehen, ohne die sehr beschränkten und sonderbaren Einflüsse in seiner Kindheit zu berücksichtigen -Einflüsse, die jede auch nur im Ansatz in ihm vorhandenen Besonderheiten förderten.
In dieser Phase fertigte Blake den Kupferstich seiner Zeichnung des Laokoon an. Die Worte, mit denen er diesen Stich titelte, geben seine weiter oben zitierte Definition wieder, nach der das Beten das Studium der Kunst sei. Von seinen gewagten Bemerkungen über Homer und Vergil ist eine besonders aufschlussreich: „Das Griechische ist die mathematische Form: Das Gotische ist die lebende Form.“ Blakes Geist war in seiner Exzentrik und Vitalität durchaus einer gotischen Fratze ähnlich, und die Gotik war schließlich die einzige Kunstrichtung, mit der er wahrhaft vertraut war. Der Geist des Abel, eine kurze „Offenbarung“, die er 1822 stach, enthielt die für ihn typische
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Inferno XXXI, 53-74, 1824-1827.
Aquarell, schwarze Tinte, Graphit und schwarze Kreide auf cremefarbenem antikem geripptem Papier; Rückseite: schwarze Kreide, 52,9 x 372 cm.
Fogg Art Museum, The Harvard University Art Museums, Cambridge, Massachusetts.
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Inferno XXX, 33-48, 1824-1827 Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
National Gallery of Victoria, Melbourne.
v3<
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Inferno XXVIII, 98-138, 1824-1827.
Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
Tate Gallery, London.
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Inferno XXIX, 72-118, 1824-1827.
Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
Fogg Art Museum, The Harvard University Art Museums, Cambridge, Massachusetts.
HELL &-A 31
Feststellung: „Die Natur hat keine Vorstellungen von den Dingen, wohl aber die Imagination.“
Die letzte Literatur, die Blake kennen lernen sollte, waren die Gedichte von Wordsworth, die er 1826, ein Jahr vor seinem Tode, las und kommentierte. Blake dürfte zunächst davon überrascht gewesen sein, dass ein legitimer Dichter die Natur fast in demselben Maße als Symbol einsetzte, wie es Blake mit Christus tat. In Wordsworth fand er einen Dichter, dessen Fertigkeiten er nicht in Frage stellte, der zugleich aber ausgerechnet die Entität idealisierend verehrte, die Blake zutiefst ablehnte.
Genau diese Art des Gegensatzes (durch einen ihm in anderer Hinsicht gleichgesinnten Künstler) war es, die Blake in jungen Jahren gebraucht hatte; doch Blake stieß zu einem Zeitpunkt auf Wordsworth, als es bereits zu spät war, um ihn von einigen seiner Theorien noch abbringen zu können. Es verhielt sich sogar so, dass Wordsworth ihn nun nur noch mehr dazu brachte, seine eigenen Dogmen zu bekräftigen. Er stellte Wordsworth’ Aufforderung nach Beobachtung und Empfindsamkeit in Frage und verkündete: „Nur eine Kraft ist es, durch die ein Poet sein kann: Imagination, die göttliche Vision.“ Blakes grundsätzliches Urteil lautete: „Ich sehe Wordsworth als den Menschen der Natur, der sich gegen den Menschen des Geistes fortwährend erhebt, und also ist er kein Poet.“
Während Wordsworth die Meinung vertrat, alles Natürliche wecke und verstärke die Imaginationskraft in der Kindheit und frühen Jugend, gestand Blake, der zwischen den gotischen Bauten der Westminster Abbey aufwuchs, „... alles Natürliche bewirkte und bewirkt noch jetzt in mir nichts als die Schwächung, Abtötung und Verdrängung meiner Vorstellungskraft. Wordsworth muss sich bewusst sein, dass alles, was er schreibt, in der Natur nicht vorkommt.“
Es ist interessant, dass ausgerechnet Blake, der ganz an die Kraft der Inspiration glaubte, seine ersten Modelle aus Kunstwerken bezogen hatte und Inspiration mit den Formen gleichsetzen sollte, die die Architekten der Gotik ihr verliehen hatten. Blakes frühe Gedichte sowie seine Zeichnungen von Pastoralszenen belegen, dass etwas mehr Bezug zur Natur ihm ein wertvoller Einfluss hätte sein können. Zeit seines Lebens las er nur, was ihn in seinen Intuitionen bestätigte, niemals das, was ihn darin berichtigte.
In der Folge entwickelte sich sein Geist nicht weiter und drehte sich so immer nur fortwährend im Kreise; es konnte keinen Fortschritt geben, da es keine Änderungen gab. Er ist das Beispiel eines Autoren, dessen Kritikfähigkeit im Dämmerzustand blieb und der das viele unterschiedliche Wissen, das ihm begegnete, als fast nutzlos und manchmal gar als schädlich ansah, da ihm ein vergleichendes Maß fehlte. Seine bedingungslose Haltung täuscht all jene, die daraus folgern, dass er die intellektuellen Werkzeuge, derer er sich bediente, vollends beherrschte. Blake sollte, ganz besonders in seinen Prosaschriften, viel mehr als Poet denn als Denker studiert werden.
Die Bildserie zu Hiob wurde im März 1826 für drei Guineen veröffentlicht. Genau ein Jahr zuvor war Fuseli im Alter von vierundachtzig Jahren gestorben, und der Tod dieses langjährigen Freundes führt nun weiter zu dem neuen Kreis von jungen Künstlern, den Blake durch Linnells Einfluss allmählich um sich scharte, während er sich in die Arbeit zu dem Werk stürzte, das ihn im Geiste ganz vereinnahmte.
Verehrung und Tod
Sechs Jahre nach seiner ersten Begegnung mit Blake zog John Linnell von seinem Haus in London nach North End in Hampstead, wo er sich 1824 mit seiner Familie in einem Haus mit Namen Wyldes oder Collins’s Farm niederließ. Linnell bewohnte in diesem Bauernhaus fünf Zimmer, und dort sollten er, seine Frau und seine Kinder Blake überreden, von London aus dorthin zu spazieren. Die freudigen Schreie der Kinder, die zur Begrüßung aus dem Haus und zu ihm rannten, trugen dazu bei, dass der alte Blake seine Antipathie gegenüber Hampstead ablegte, die er damit erklärte, dass das nördliche Klima ihm stets schlecht bekam. Samuel Palmer, der in der Broad Street lebte, begleitete Blake oft auf seinem Weg dorthin, und ein anderer, nicht weiter benannter Weggefährte erklärte, mit Blake zu spazieren sei „. als ob man mit dem Propheten Isaiah ginge“.
Blake trug den Kindern Linnells seine Lieder vor und erzählte ihnen von den Freunden, die ihn in seinen Visionen besuchten. Er spielte mit ihnen und blieb bis zum Ende eine der bedeutendsten Personen in ihrem Leben. „Dies ist der Himmel“, sagte Blake einem Freund, der ihn zum Fenster brachte, um einigen Kindern beim Spielen zuzusehen; als ihm einmal ein kleines Mädchen auf einer Gesellschaft vorgestellt wurde, strich Blake über ihr lockiges Haar und sagte: „Möge Gott dir, mein Kind, die Welt in der Schönheit zeigen, in der er sie auch mir zeigte.“ Jahre später sollte sie erzählen, wie eigenartig sie es fand, dass dieser alte Künstler in seiner schäbigen Kleidung die Welt so schön gefunden haben sollte wie sie, die hübsche Kleider und fröhliche Jugend besaß.
Mrs. Linnell spielte für gewöhnlich Klavier und sang dazu schottische Weisen, denen Blake mit feuchten Augen lauschte, oder er stand dabei einfach in der Tür und genoss den Sommerabend. Manchmal sang er alte Balladen oder seine eigenen Lieder zu eigenen Melodien. Im Winter wickelte Mrs. Linnell Blake in einen alten Schal und ihre damals erst sechs Jahre alte kleine Tochter erzählte Palmers Sohn und Biographen, wie
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Inferno XXXI, 17-43, 1824-1827.
Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
National Gallery of Victoria, Melbourne.
Blake für gewöhnlich vom Hausdiener mit einer Laterne durch Hampstead zur Hauptstraße geführt wurde. Palmer schrieb über seine erste Begegnung mit Blake:
Am Samstag, 9. Oktober 1824, stattete Linnell mir einen Besuch ab und ging mit mir zu Blake. Als wir bei ihm ankamen, lag er bewegungslos im Bett, da er sich am Fuß verletzt hatte. Dort saß er, trotz seiner siebenundsechzig Jahre keineswegs untätig, sondern in tiefstem Arbeitseifer, auf seinem von Büchern bedeckten Bett, wie ein Patriarch aus der Antike oder ein sterbender Michelangelo. Und genau da und dort zeichnete er auf den Blättern eines riesigen Buches die wunderbarsten Entwürfe für seinen Dante. Er sagte, zunächst habe er mit furchtsamem Zittern begonnen. Ich entgegnete ihm: ’Ach, Furcht und Zittern trage ich wohl in mir!’ ’Dann’, sagte er, ’haben Sie, was nötig ist.’ In meinem Geiste sehe ich seine Unterkunft wie eine Insel auf den Weiten des Meeres - denn von solch schlichter Erhabenheit war es, ob in der Form von Mr. und Catherine Blake oder der Form der Objekte an den Wänden, erfüllt.
Palmer bietet uns ebenfalls eine lebhafte Beschreibung von Blake im Alter:
Nie erblickte ich zuvor oder jemals wieder solche Augen: glänzend, niemals wandernd, klar und bestimmt, und doch aufmerksam; sie blitzten auf vor Genialität oder wurden weich und gütig vor Sanftmut. Auch konnten sie grausam sein. List und Lüge wurden von ihrem Blick zermürbt, ohne sie jemals zu beschäftigen. Er durchdrang sie und wandte sich ab. Nicht weniger ausdrucksvoll sein Mund; mit beweglichen Lippen, die vor Empfindung bebten. Noch heute denke ich daran, wie er bei einer Gelegenheit in einer Ausführung zu dem exquisiten Gleichnis des verlorenen Sohns dieses in Teilen wiedergab; doch bei den Worten ’Da er aber noch fern von dannen war, sah ihn sein Vater’ vermochte er nicht, fortzufahren; seine Stimme stockte und seine Wangen waren nass vor Tränen. [...] Er betrachtete alles durch das Auge der Kunst und hob sie über ihre eigentliche Ebene hinaus, vom Zeugen zum Richter hinauf.
Unter den Gästen waren auch gleich gesinnte Künstler wie Dr. Thornton und John Varley, die mit Blake oft über Astrologie diskutierten und dabei einen Zuhörer fanden, der die Einmischungen und Unterhaltungen so weit entfachte, wie er es wünschte. Doch Blake war überzeugt, dass Genie die Sterne bezwingen könne - eine Meinung, die er vielleicht mit einem tieferen Verständnis der Astrologie vertrat als sein Lehrmeister.
Ein etwas schwerer einzuordnendes Mitglied dieses Verehrerkreises war Francis Oliver Finch59, den mit Blake vor allem die Tatsache verband, dass beide nichts Sonderbares an Blake und seiner Art finden konnten und beide für die spirituelle Qualität seiner Kunst höchst empfänglich waren. Samuel Palmer beschrieb Finch rückblickend folgendermaßen: „Er besaß Imagination, jene Empfindung im Seeleninneren, die Eindrücke von Schönheit mit derselben Leichtigkeit und Gewissheit zu empfangen vermag, mit der wir den süßen Duft der Rose und der Heckenkirsche wahrnehmen.“ Finch, einst fünf Jahre lang ein Schüler Varleys, war Aquarellist, und Blake erschien ihm wie „. ein Mensch von einem, in seinem Einfallsreichtum wie auch in jeder anderen Hinsicht, nie zuvor gewesenen Schlag. Während die einen sich mühen, extreme Ansichten zu mildern, um die anderen in ihren Ansichten nicht zu empören, verhielt es sich bei ihm genau verkehrt herum.“
Blakes Faszination, die er zumindest in seiner Prosa ausübt, liegt bis heute darin begründet, dass er damit das Impulsive in jedem von uns anspricht, und die intellektuelle Freude, die wir durch seine Sprichwörter erfahren, ist vorwiegend die Freude der Überraschung. Er entfachte das Feuer in diesen jungen Männern, und dreißig Jahre später sollte Palmer an Gilchrist folgende Zeilen schreiben:
Wer Blake einmal kennen lernte, konnte ihn niemals mehr vergessen. Bis zuletzt war er Wunder und Inspiration zugleich. Er war die Verkörperung der Energie und verströmte einen Einfluss, der das Feuer in allem und jedem entfachte, eine Atmosphäre voller Ideale. Mit ihm auf dem Lande zu wandern, war, als nehme man die Seele des Schönen selbst in den materiellen Formen wahr; und die hohen, dunklen Gebäude, zwischen denen man durch das Fenster seines Arbeitszimmer einen Blick auf die Themse und die Küste von Surrey erhaschen konnte, erhielten durch die Präsenz des Mannes, der in ihrer Nähe hauste, eine gewisse Erhabenheit.
Die frühen Arbeiten und die Gesinnung all dieser Männer zeichnet eine familiäre Ähnlichkeit aus, schlichter Glückstaumel, eine innere Ahnung von der „Weltendämmerung“, die es so aussehen lässt, als sei Blakes imaginative Vision von der Natur aufgeblüht und hätte nun selbst ohne sein spirituelles Leuchtfeuer, von dem Wesley so bewegt war, die Künste zu beflügeln vermocht. Die Präraffaeliten, denen sie vorausgingen, verklärten das Mittelalter in demselben Maße, wie diese Männer die Natur verklärten; letztere Gruppe nannte sich selbst Die
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, ‘Antaeus setzt Dante und Vergil auf dem letzten Höllenkreis ab’, Inferno XXXI, 103-134, 1824-1827. Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift.
National Gallery of Victoria, Melbourne.
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Inferno XXXII, 22-64, 1824-1827. Aquarell, schwarze Tinte, Graphit und schwarze Kreide auf cremefarbenem antikem geripptem Papier, 37,1 x 52,3 cm. Fogg Art Museum, The Harvard University Art Museums, Cambridge, Massachusetts.
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Inferno XXXII, 77-89,1824-1827 Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
The British Museum, London.
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Inferno XXXII, 97-137 1824-1827 Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
National Gallery of Victoria, Melbourne.
Uralten und sahen in den uralten Beschäftigungen des Lebens auf dem Lande die Brücke, über die die Menschheit mit dem goldenen Zeitalter verbunden würde.
Der Kopf dieser Künstlergruppe, John Linnell, war eine interessante Persönlichkeit. Er war so fleißig, sonderlich und vielseitig, wie man es von einem Freund Blakes nur erwarten konnte. Wenn er nicht gerade an seinen Werken arbeitete, Portraits malte oder Unterricht gab, fand man ihn für gewöhnlich in seiner Mühle oder beim Teigkneten, da seine Familie ihr eigenes Brot backte und grundsätzlich kein Bäckerbrot aß. Seine großen, sehnigen Hände waren, wie Palmer beschreibt, die Hände eines Kämpfers, der sich seinen eigenen Weg eroberte, seine eigenen Meinungen verteidigte und keinen Widerstand gegen sich erduldete. Dürer und Michelangelo zählten zu seinen Lieblingsmeistern, und er ist der einzige Jünger Blakes, der ihn offenbar beeinflusst hatte. Linnell war zwar, anders als Blake, ein erfolgreicher Künstler, doch sein Leben war fast ebenso beschwerlich und voller Entbehrungen wie das Blakes.
Zum Kreis gehörte auch Edward Calvert60, den Palmer als Philosoph beschrieb und den die Welt als Maler und Holzstecher kannte. Eine schöne Anekdote erzählt, wie er unter einem Baum im Tal von Bickley saß und jedem geduldigen Passanten, der ihn zufällig hörte, aus den Eklogen Vergils vorlas. Calvert konnte es nicht ertragen, wenn Palmer verächtlich über die „... britischen Grenadiere“ sprach, und die beiden Freunde stritten drei Tage lang über deren kriegerische Rhetorik.
Calvert, Sohn eines Marineoffiziers, begann sich erstmals in der Kajüte eines Seekadetten eingehend mit Kunst zu beschäftigen, und verließ, nachdem einer seiner Freunde im Kampfe gefallen war, die Marine und nahm ein Studium an der Royal Academy auf. Ein bescheidenes Privateinkommen ermöglichte ihm ein Leben ohne Sorgen um sein tägliches Auskommen; er stellte sich Blake vor und war sodann in dessen Bann gezogen. Er war der einzige aus dem Kreise, der eine klassische akademische Ausbildung genossen hatte und auch der einzige, der je nach Griechenland gereist war. Dies sollte eine Wirkung auf ihn haben, die ihn in seinem Anspruch so penibel machten, dass er zahlreiche seiner Werke vernichtete, und sein Künstlergefährte George Richmond sagte, Calvert habe „... immer seine Hand nach dem ausgestreckt, was er nie erreichen konnte“.
Sein Bild Cyder Feast (Das Apfelweinfest) wurde ganz besonders von Palmer bewundert, und Blakes Entwürfe zu Vergil richteten sich an eine Sinneshaltung, die bereits nach Idylle strebte und auf eigene Weise dieselbe Richtung einschlug. Calvert, in dem Linnell Ähnlichkeiten mit den Propheten sah, folgte zeit seines sehr langen Lebens stets seinem eigenen Weg, ohne sich von anderen oder durch die Vernachlässigung seiner Werke beirren zu lassen.
Im letzten Lebensjahr Blakes zog Samuel Palmer in Richtung des Städtchens Shoreham, nahe Sevenoaks, und Blake und sein Kreis begleiteten ihn und seinen Vater, den Buchhändler. Sie veranstalteten ein Picknick in einem von acht Pferden gezogenen Kutschwagen; es war eine Reise in altehrwürdiger Atmosphäre, die die Imagination eines jeden von ihnen ansprach. Der Ausflug endete mit einer Jagd nach einem Geist in Shoreham Castle, doch wurde das vernommene Geräusch schließlich einer Schnecke zugeschrieben, die mit ihren Bewegungen leise gegen ein Fenster pochte.
Zu den weiteren Gästen Palmers zählte auch Frederick Tatham, dessen Vernichtung einiger Manuskripte Blakes bei manchem zuweilen seine aufrichtige Verehrung und großzügigen Dienste an seinem Freund vergessen lässt. Frederick Tathams Vater, ein Architekt, wurde über Linnell mit Blake bekannt gemacht, wodurch wiederum der junge Mann selbst zu dieser Gruppe stieß und sich ihr anschloss. Er spazierte oft mit Blake und ließ sich von dessen Visionen erzählen. Blake stand der Jugend immer offen gegenüber, und so konnten junge Männer ihm widersprechen, ohne ihn zu erzürnen.
Das jüngste Mitglied der Gruppe war George Richmond61, ein phantasievoller sechzehnjähriger Junge und ein williges Gefäß für den Einfluss Blakes, dem er erstmals in Linnells Haus in Hampstead begegnete. Richmonds Vater war Portraitmaler, und der junge Künstler malte wie zum Nachweis seiner treuen Gefolgschaft Bilder zu biblischen Themen, in denen deutlich der Einfluss Blakes zu erkennen ist. Jeder dieser Männer besaß jedoch seine eigene ausgeprägte Individualität, und Richmond drückte seine eben durch die Portraits aus, für die man ihn hauptsächlich kennt. In ihnen lässt sich sein erster Einfluss kaum nachweisen, doch es ist bekannt, dass er sich für die Oxford-Bewegung62 zu interessieren begann und Persönlichkeiten wie Kardinal Newman und Bischof Wilberforce Modell sitzen ließ. Sein Sohn, Sir William Richmond, der Ruskins Nachfolge als Slade-Professor der Künste in Oxford antrat, entwarf die Mosaike der St. Paul’s Cathedral. George Richmond war es, dem Blake riet, zu beten, wann immer ihn die Inspiration verließ, und Richmond war es auch, dem Blake erzählte, er könne ein Astloch in einem Stück Holz betrachten, bis es ihn ängstige.
Mit seinem Besuch in Shoreham verließ Blake London das letzte Mal. Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich und so besuchten ihn seine Freunde in seiner Unterkunft in Fountain Court, dem sie den Beinamen House of the Interpreter (das Haus des Sehers) gaben. Diese Besuche gingen von einem Vorhaben der Freunde aus, sich einmal im Monat bei einem der ihren zu Hause zu treffen, um Skizzen und Entwürfe
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Inferno XXXIV, 22-64, 1824-1827.
Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
The British Museum, London.
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Fegefeuer V 22-62, 1824-1827.
Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
Tate Gallery, London.
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Fegefeuer VII, 1-54, 1824-1827.
Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
The Royal Institution of Cornwall, Cornwall, Vereinigtes Königreich.
zu vergleichen. Sie waren bereit, die Freundschaft anderer Künstler zugunsten der Gesellschaft Blakes zu opfern, und hier denken wir erneut an die Präraffaelitische Bruderschaft, die sich, von der außenstehenden Kunstwelt entrückt, einander zuwandte.
Blake begann 1825 unter Fieberanfällen und Magenbeschwerden zu leiden, und seine letzten beiden Lebensjahre sind durch seine Briefe mit Linnell gut dokumentiert, in denen er oft erklären musste, weshalb es ihm nicht möglich sei, ihn in Hampstead zu besuchen. Auch Crabb Robinson gehörte zu jenen, die Blake besuchten, und in den Aufzeichnungen seiner Gespräche mit Blake ist auch die wunderbare Aussage über Voltaire enthalten, dass dieser dazu bestimmt gewesen sei, den inneren Sinn der Bibel freizulegen, und dass er zu Blake gesagt haben soll: „Ich lästerte dem Menschensohn, und dies wird mir vergeben werden; doch meine Feinde lästerten dem Heiligen Geist in mir, und dies wird ihnen nicht vergeben werden.“
Als Blakes Fieberanfälle immer häufiger und seine Besuche bei Linnell immer seltener wurden, bot Linnell im Sommer 1826 an, für Blake eine Unterkunft nahe seinem eigenen Haus, das nun eine stetig wachsende Familie füllte, zu mieten. Blake versprach, zu kommen, sobald das kalte Wetter, das in jenem Juli herrschte, vorüber sei, und schrieb:
Ich beabsichtige, außer den unverzichtbaren Kleidungsstücken, nur mein Buch mit den Zeichnungen zu Dante und eine darin eingeschlossene Kupferplatte mitzunehmen. Alles wird wunderbar in der Kutsche Platz finden, die zum momentanen Zeitpunkt, wie ich fürchte, allerdings eine Strapaze wäre, die ich nicht überstehen würde. Und so muss ich folglich verkünden, dass erst noch eine weitere Woche vergehen muss, bevor ich mich in das Unternehmen zu stürzen wage, dem ich so sehr entgegensehne: Sie und Ihre glückliche Familie wiederzusehen, und dies für einen längeren Zeitraum, als ich es in meinen gesunden Tagen je zu hoffen wagte.
Zwei Wochen später schreibt er: „Meine großen Schmerzen verbieten mir jeden klaren Gedanken“, und ist berunruhigt, da Linnell es erwog, seinen jüngsten Sohn William zu nennen. Blake protestierte, der Sohn solle Thomas genannt werden, nach einem Verwandten von Mrs. Linnell. Blakes Taufname wurde schließlich einem jüngeren Sohn gegeben, der, wie Thomas, Künstler wurde.
Am 1. August fuhr Blake in einem „Cabriolet“ (Korbwagen) nach Hampstead, um die Strapazen einer Reise im „Coach“ (mehrsitziger Stadtwagen) zu vermeiden In Hampstead arbeitete er weiter an den Zeichnungen zu Dante, und die jungen Männer sollten später beim Anblick einer Baumgruppe diesen Dante Wood (Dante-Wald) genannt haben.
Noch vor Ende Dezember starb Flaxman, und als Crabb Robinson Blake besuchte, um ihm sein Beileid zu bekunden, sagte dieser: „Ich habe geglaubt, ich würde vor ihm gehen“, und fügte dem, nach einer Pause, hinzu: „Ich halte den Tod für nichts anderes als das Verlassen eines Raumes, für den ein anderer betreten wird.“ Dies sollte Crabb Robinsons letzter Besuch sein und er entschied, nachdem er nun seine Neugier darüber befriedigt hatte, wie Blake mit dem Tod Flaxmans umging, „... häufige Besuche gereichten nun niemandem zum Vorteile“. Er schreibt weiter: „Ich war nicht bestrebt, meine Besuche häufig stattfinden zu lassen.“ Seine Aufzeichnungen sind, so weit sie in ihrem Umfang reichen, lebhafte und wahrheitsgetreue Beschreibungen, denn er war ein aufmerksamer Beobachter, der überdies einige Arbeiten Blakes kaufte, für die Blake ihn jedoch nur äußerst ungern bezahlen ließ.
Linnells gütige Großzügigkeit blieb unverändert, und im darauf folgenden Februar, als Blake krank und in so beklagenswertem Zustand war, dass es niemandem, der nicht seine Vitalität besaß, möglich gewesen wäre, zu arbeiten, bot Linnell ihm an, ihn und Catherine Blake am Cirencester Place unterzubringen, wo sie als Haushüter frei logieren könnten. Blakes Antwort ist eines Zitats würdig:
Immer und immer wieder dachte ich über den Umzug nach. Ich kann mir die schreckliche Angst vor einem solchen Schritt nicht aus dem Kopfe drängen. Je mehr ich darüber nachdenke, umso mehr beängstigt mich, wonach ich zuerst mich sehnte und was ich für wohl und hoffnungsbringend hielt. Sie werden den Grund dafür ganz richtig vermuten: Eigenheiten des Geistes, die mich, ganz in mir allein eingeschlossen, mich allein einnehmen müssen oder sonst unwiderbringlich entschwinden. Ich könnte Ihnen von Träumen und Visionen erzählen, die ich dazu habe. Ich habe göttlichen Beistand erbeten und erfleht; doch weiterhin bin ich von Furcht bedrückt und muss nun von dem Schritt ablassen, den zu tun ich hoffte, und noch immer hoffe, doch vergebens.
Es war taktvoll von Linnell, seinen Freund von den Mietkosten befreien zu wollen, da dieser jetzt nur noch schwerlich arbeiten konnte, um sein Brot zu verdienen, doch selbst in den letzten Stunden der Krankheit verwehrte Blakes Instinkt jeden Anschein, seine Unabhängigkeit aufzugeben. Er behauptete seinen „. stolzen, strengen, einsamen Weg“ bis zum Ende. Indes liefen die regelmäßigen Zahlungen von Linnell
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Fegefeuer II, 53-117 1824-1827.
Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
National Gallery of Victoria, Melbourne.
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Fegefeuer IV, 16-65, 1824-1827 Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
National Gallery of Victoria, Melbourne.
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Fegefeuer IX, 101-105, 1824-1827.
Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
The British Museum, London.
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Fegefeuer IX, 64-101, 1824-1827 Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
Birmingham Museums & Art Gallery, Birmingham, Vereinigtes Königreich.
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Fegefeuer X, 25-92, 1824-1827 Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
Fogg Art Museum, The Harvard University Art Museums, Cambridge, Massachusetts.
weiter, während die Entwürfe zu Dante nur langsam vorankamen. Von den einhundert Skizzen wurden letztlich nur sieben gestochen.
Auch George Cumberland erwarb ein Exemplar der Bildreihe zu Hiob und verschrieb sich der Aufgabe, einen weiteren Käufer zu finden. Blake stach für ihn auch einen Kartenteller mit seinem Namen, um den herum sich eine Schar von Geistergestalten rankte. Wie als Prophezeiung ist auch ein Engel mit einer Sichel in der Hand zu sehen, und am Tellerfuß fügte Blake seinem Namen noch sein Alter hinzu.
Im April 1827 schreibt Blake an Linnell: „Ich fahre mit meinem Leben fort, doch ohne jede Zukunftshoffnung zu wagen, und dies geht mit Ängsten und Zweifeln einher, die jede Aktivität im Keime ersticken und einem Künstler wie mir größten Schaden zufügen.“ Er ging noch immer ganz in seiner Arbeit auf und schrieb: „Zu viel liegt mir an Dante, um mich mit anderen Gedanken zu beschäftigen. Ich habe die sechs Platten korrigiert und den Entwurf der kämpfenden Teufel schlichter gestaltet; sie sind nun für den Stich bereit.“
Linnell mühte sich überdies, geeignete Personen für die Arbeit seines Freundes zu interessieren, darunter Ottley, der später auf Constable und Chantrey, den Gründer der Chantrey-Stiftung, zutrat. Er lehnte die Entwürfe zu Paradise Regained (Das wiedererlangte Paradies) ab, kaufte jedoch für £ 20 eine Ausgabe der Songs of Innocence. Sir Thomas Lawrence erwarb für £ 15 The Wise and Foolish Virgins (Die klugen und törichten Jungfrauen) sowie Dream of Queen Katherine (Der Traum von Königin Katherine), Duplikate jener einst für Butts angefertigten Exemplare. Blake legte außerdem letzte Hand an seinen vortrefflichen Entwurf des Last Judgment, den er, wie Smith berichtet, der Royal Academy geschickt hätte, wäre er im Jahr darauf noch am Leben gewesen.
Der letzte Briefwechsel mit Linnell schließt mit einer mit dem 3. Juli 1827 datierten und hier ungekürzt wiedergegeben Anmerkung von Blake, die eine Zusammenfassung der Beziehung der beiden Männer darstellt:
Sehr geehrter Herr, ich danke Ihnen für die zehn Pfund, die Sie mir zu diesem Zeitpunkt so gütig haben zukommen lassen. Meine Reise nach Hampstead vergangenen Sonntag verursachte einen Rückfall, der bis jetzt noch andauert. Ich muss feststellen, dass ich nicht so wohlauf bin, wie ich erwartet hatte; ich darf nicht länger mein bisheriges jugendhaftes Leben führen. Doch ich bin bereits auf dem Wege der Genesung und erlange hoffentlich bald wieder mein gewohntes Erscheinungsbild; denn ich sah ganz gelb aus und litt unter all den alten Symptomen.
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Fegefeuer IX, 106-127, 1824-1827.
Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
National Gallery of Victoria, Melbourne.
Nach wie vor arbeitete er vom Bett aus an den Zeichnungen zu Dante und fertigte für Tatham einen Farbentwurf zu The Ancient of Days (Der Schöpfer der Zeit) an. „Nach wiederholtem Feinschliff“, so erzählte Smith, „... und nach wiederholter Betrachtung aus der Ferne seiner ausgestreckten Hand, warf er es von sich und rief in freudig triumphierendem Ton aus: ’Nun, dies soll genügen! Ich weiß es nicht zu verbessern.’“ Es war immer schon eine seiner Lieblingsarbeiten gewesen. Der fünfundvierzigste Jahrestag seiner Hochzeit stand in einem Monat bevor, und als er seine Frau zufällig erblickte, griff er einmal mehr nach seinem Bleistift und rief aus: „Rühre dich nicht! Du warst mir stets ein Engel; ich will dich zeichnen“, was er sogleich tat.
Am 12. August schien das Ende nah, und Smith berichtet, Catherine Blake habe an seiner Seite gestanden, als er „... seinem Schöpfer Lieder erfand und sang“, woraufhin Blake entgegnete: „Meine Liebste, dies sind nicht meine Lieder. O nein! Es sind nicht meine”, und sagte weiter, der Tod werde ihn nicht davon abbringen, sich um sie zu kümmern. Als Antwort auf ihre Fragen sagte er, er wolle in Bunhill Fields beigesetzt werden und die Trauerfeier solle von der anglikanischen Kirche ausgerichtet werden. Gegen Abend verstummten seine Lieder und er starb, fast unmerklich, um sechs Uhr.
Ein Freund schrieb:
„Unmittelbar, bevor er starb, erhellte sich sein Gesicht, seine Augen leuchteten auf und er brach aus in Gesängen über die Dinge, die er im Himmel erblickte. Er starb wahrlich wie ein Heiliger, als einer, der von seinem Körper gelöst sich selbst aus der Ferne betrachtete.“ So sah auch Catherine Blake ihren William:
Am darauf folgenden Freitag, den 17. August, wurde er in Anwesenheit seiner Freunde, unter denen sich Calvert und Richmond befanden, beigesetzt. Tatham war neunzig Meilen gereist, nur um ihm das letzte Geleit zu geben. Das Grab war, da es kein gekauftes Grab war, unbenannt und einige Jahre später schon neu belegt, und so wurde die Nachwelt um die letzte Möglichkeit gebracht, Blake die Ehre zu erweisen.
Er hinterließ einige Freunde, keine Schulden und die Arbeiten, die er nicht verkaufen konnte. Einmal mehr kam Linnell den Blakes zur Hilfe: innerhalb eines Monats war Catherine Blake am Cirencester Place untergebracht, bis dieser vermietet wurde. Kaum ein Jahr verging, als sie schließlich bei Tatham als Haushälterin unterkam, der auch ein wachsames Auge auf sie hatte, als sie, bereits halbinvalide, in eine eigene Unterkunft in der Upper Charlotte Street zog. Die ab und an verkauften Zeichnungen Blakes sicherten ihr Auskommen, und so konnte sie gar das Geschenk von £ 100, das ihr Prinzessin Sophie machen wollte, mit der Begründung ablehnen, ihr mangele es nicht unmittelbar an Geld.
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Fegefeuer XII, 14-64,1824-1827.
Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
National Gallery of Victoria, Melbourne.
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Fegefeuer XXVII, 6-19, 1824-1827 Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
The British Museum, London.
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Fegefeuer XXVII, 34-42, 1824-1827.
Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
Tate Gallery, London.
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Fegefeuer XXVII, 87-109, 1824-1827
Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
National Gallery of Victoria, Melbourne.
Vier Jahre danach verstarb auch sie, und alle unverkauften Werke Blakes gingen in Tathams Besitz über. Sie beklagte, so weit bekannt ist, einzig, dass William Blake so wenig bei ihr war, wenngleich sie auch niemals im Fleische voneinander getrennt seien, da er auf immer in das Paradies fortgereist sei. Sie starb am 18. Oktober 1831 im Alter von neunundsechzig Jahren in den Armen von Mrs. Tatham und wurde neben ihrem Gatten beigesetzt.
Als einziges Familienmitglied Blakes lebte nun nur noch seine Schwester. Von ihrer Anwesenheit in Felpham abgesehen, spielte sie in Blakes Leben keine bedeutende Rolle. Sie soll ein hohes Alter erreicht haben und schließlich in bitterer Armut gestorben sein.
Obschon sich mehrere Käufer für Blakes Arbeiten bei seiner Witwe einfanden, gingen nach dem Tod Catherine Blakes zahlreiche Platten und Manuskripte in Tathams Besitz über. Tatham behauptete, Blake selbst habe sich auf dem Sterbebett an ihn als „... möglicher Verwalter“ von Catherine Blakes Angelegenheiten gewandt, und Catherine Blake habe ihm alle noch unverkauften Werke hinterlassen. Linnell erklärte, dass Tatham keinerlei Nachweise für diesen Nachlass vorweisen konnte. Die Angelegenheit war für Blakes Verehrer bedeutsam, da Tatham schließlich zum Irvingismus63 konvertierte und von religiösen Skrupeln bessesen war. Blakes übrigen Freunden war dies bekannt, und Edward Calvert, so berichtete sein Sohn, „... fürchtete ein schreckliches Ende der Geschichte und ging daher zu Tatham und beschwor ihn, alles noch einmal zu überdenken und die wertvollen Arbeiten des großen Mannes zu verschonen, doch ungeachtet dessen wurden, wie mir bekannt ist, alle Blöcke, Platten, Zeichnungen sowie Manuskripte vernichtet.“
Arthur Symons stellt diese Geschichte in dieser Form jedoch in Frage und zitiert als Beleg für die Vermutung, dass Tatham mehr Werke verkauft als zerstört habe, einen Brief von Tatham an W. M. Rossetti. In diesem Brief vom 6. November 1862 schrieb Tatham: „Ich habe dreißig Jahre lang mit dem Verkauf von Mr. Blakes Werken zugebracht.“ So besteht also immer noch eine gewisse Möglichkeit, dass einige der Werke -ob nun Entwürfe oder Beispiele der Epen und Tragödien, die Blake in einer seiner langen Ausführungen an Crabb Robinson erwähnte - wieder entdeckt werden. Mit Gewissheit lässt sich nur sagen, dass Tatham in jedem Fall für ihr Verschwinden verantwortlich war.
Blake und das Streben nach Erhabenem
Reflektiert man über das Leben und Werk dieses außergewöhnlichen Mannes, stellt man einen seltsamen Widerspruch fest. Sein Leben
war von Mut und Disziplin geprägt und entsprach ganz und gar der großen Persönlichkeit, die wir in ihm erkennen. Alle, die ihm nahe standen, bestätigen seine Schlichtheit, seine unkomplizierte Direktheit und sein nobles Wesen. Nicht eine einzige Tat, nicht ein einziges Wort gegenüber Feinden und Freunden gleichermaßen findet sich, das ihn in Verruf bringen könnte, und wir sind geneigt, Catherine Blakes Begriff vom Engel, der er gewesen sei, ohne jede rhetorische Übertreibung als „Heiliger“ zu übersetzen.
Betrachten wir seine Probleme, die sonderlichen Umstände, unter denen er aufwuchs, seine fortwährende Entmutigung durch die Welt, so müssen wir ihn bewundern und verehren. Wenden wir uns jedoch seinen Schriftwerken, und, in geringerem Ausmaße auch seinen Entwürfen zu, erschrickt uns der bestehende Widerspruch. Hier finden sich Triumph und Misslingen, Klarheit und Extravaganz, Form und Chaos in seltsamer Vermischung. Es ist kaum möglich, der Aussage zuzustimmen, dass er in seinen Werken ebenso ausgeglichen gewesen sei wie er es im Leben war, denn er gehört zu den wenigen großen Künstlern, deren Leben von mehr Harmonie geprägt war als ihr Werk.
Unsere Kenntnis über seine Lebensumstände trägt zur Erklärung dessen bei. Als Junge wurde Blake früh in der Kupferstecherei ausgebildet und verlor dabei nie die ihm innewohnende Inspiration durch die äußerst strenge Disziplin, an die sie sich halten musste. Sein Geist aber hatte nie Disziplin erfahren, sondern seine natürliche Energie wurde durch den maßlosen Swedenborgianismus seines Vaters noch genährt; die Bibel war seine einzige Lektüre, und die heretische Atmosphäre, in der er aufwuchs, bestärkte seinen Geist darin, ohne kritischen Blick sich allem zu bedienen, was er in jedem Buch und Kunstwerk, auf das er stieß, finden konnte.
In der Westminster Abbey schließlich wurde in seiner Jugendzeit seine Vorstellungskraft geschult, und es liegt mehr als nur Humor in der Aussage eines seiner Biographen, der Junge sei „. fast selbst schon zum gotischen Bauwerk geraten“. Wie gering auch unser Vertrauen darin sein mag, dass selbst die menschenfreundlichste Bildungsform einen Geist oder eine anschauliches Denken von nur gewöhnlichem Ausmaße weiter fördern kann, so ist doch ihre Bedeutung als Disiziplinierung eines vorhandenen außergewöhnlichen Geistes unbestreitbar.
Wir stellen fest, dass in der Regel die Kraft der Bildung gegenüber der Kraft des Charakters stärker überwiegt und eher dazu beiträgt, Talent zu behindern als zu fördern. In der Kenntnis um den Einfluss, den seine Ausbildung als Kupferstecher auf seine Werke hatte, können wir uns kaum der Feststellung entziehen, dass Blake just die Art von Verstand besaß, die durch humanistische Studien bereichert worden wäre,
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, ‘Beatrice im Wagen, Mathilda und Dante’, Fegefeuer XXX, 9-54, 1824-1827. Feder und Aquarell, 36,7 x 52 cm.
The British Museum, London.
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Fegefeuer IX, 50-63, 1824-1827.
Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
Tate Gallery, London.
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, ‘Beatrice spricht von ihrem Wagen zu Dante’, Fegefeuer XXX, 60-146, 1824-1827. Feder und Aquarell, 37, 2 x 52,7 cm.
Tate Gallery, London.
und dass die überspannt religiöse Atmosphäre, in der er aufwuchs, ihm abträglich war. Seine mutige Lebensführung beweist unumstößlich, dass er fähig war, seine Energien durch Erfahrung zu beherrschen; und dass seine Intelligenz von ebensolcher Diszipliniertheit wie sein Leben oder sein Stichel hätte sein können, hätte man ihm nur die nötige Bildung angedeihen lassen, scheint eine gerechtfertigte Schlussfolgerung daraus zu sein.
Unter den tatsächlichen Umständen jedoch war Blakes überschäumende Imagination, die von Beginn an isoliert handelte und ausschließlich exaltierten religiösen Ideen ausgesetzt war, von denen sie zehrte, sich selbst ausgesetzt und konnte ihren ungezügelten Willen zur einzigen Richtschnur für ihre Existenz nehmen. Wenn man sich dies vor Augen hält und sich daran erinnert, dass Blake zu den ausgewählt wenigen Künstlern zählte, die Meister in gleich zwei Künsten waren, kann man sich nur wundern, dass er überhaupt so viele große Werke schaffen konnte.
Wahrscheinlich wurden durch die praktischen Grenzen, die seinen äußeren, niemals gemäßigten Energien gesetzt waren, die sie unterdrückenden Kräfte auf seine imaginativen Fähigkeiten übertragen. Er verlor sich ganz in einer überspannten Idiosynkrasie der Gedanken, da ihm kaum eine andere Idiosynkrasie ermöglicht wurde. Es wäre nur recht und billig gewesen, Blake jede Chance zu geben - auch durch die Kritik ebenbürtiger oder gar gelehrterer Geister. Er hätte eine gute Bildung genießen sollen; er hätte reisen sollen. Wären ihm solche Möglichkeiten gewährt worden, hätte ein unabhängiger Geist wie er diese zweifellos voll ausgeschöpft.
Man stelle sich nur Blake mit den Möglichkeiten eines Shelley vor, Blake mit derselben Erziehung, die Shelley genossen hatte, und der Einfluss der äußeren Umstände tritt unleugbar zutage. Blake war dazu bestimmt, ein Mann zu sein, der nichts als sich selbst kannte, dessen Imagination mit dem grenzenlosen Reichtum der Seele überquoll, und der in seinen prägenden Jahren nichts von dem gelernt hatte, was gelehrt werden kann. Wie alle einsamen Geister musste er -ungerechterweise der reichen Nahrung, nach der seine Energie verlangte, beraubt - die Strafe für diese Entbehrung zahlen. Er wurde sich selbst zum Gesetz. Er glorifizierte die Idiosynkrasie. Er hob seine Beschränkungen zu intellektuellen Dogmen empor.
So ist seine geistige Agilität zu einem ganz wesentlichen Teile nichts anderes als die versteckte Rechtfertigung seiner eigenen Schwächen. Als einer, der von Natur aus ein Mann der Extreme war, verkündete er, Wahrheit existiere nur in Extremen; Kunst sei nichts als Inspiration; Überschwänglichkeit sei das Pendant der Schönheit; das Heilmittel für Übermaß sei es, das Übermaß noch
reicher überschäumen zu lassen. Als großer Romantiker, der in eine Zeit geboren wurde, als die klassische Tradition zum Formalismus verkam, war diese Trotzhaltung in großen Teilen unvermeidlich.
Beschäftigt man sich mit einem so dogmatischen Mann, ist eine kritische Behandlung seiner Person kaum möglich, sofern man sich nicht vor Augen führt, in welcher Beziehung er zu seiner Zeit stand, und die Reaktion seiner Zeit berücksichtigt, die er angekündigt hatte. Sein immenses lyrisches Talent, sich seiner Sprache zu bedienen, das in seiner Prosa ebenso beeindruckend offenkundig wird wie in seiner Dichtung, ist das wahre Verdienst seiner Schriftwerke. Blakes Stil ist immer überzeugend, sein Sinngehalt ist es nicht immer. In der Folge bleibt Blake also der inspirierendste und zugleich fragwürdigste aller Literaten.
In einer Gegenüberstellung mit seiner lyrischen Sprachgewalt erscheint jedes Maß der Literaturkritik gehaltlos. Es ist einfach, extreme Behauptungen zu akzeptieren, und äußerst mühsam, sie einzuordnen. Blake sollte als Inspiration und Visionär gefeiert werden, seine Verklärung als Denker wäre überspannt.
Der Grund für den hohen Status, zu dem er in der Kunstwelt emporstieg, ist einfach erklärt. Seine Person, sein Name und seine Arbeiten waren nur unter sehr wenigen seiner Zeitgenossen bekannt und verehrt. Diese „Jünger“ waren, wie wir festgestellt haben, selbst fähige Männer. Sie zeichneten ihre Erinnerungen auf, und seine Arbeiten wurden nach und nach begehrter, und allmählich bemühte man sich auch um ihre Erhaltung. Doch bis 1863, als sein Leben erstmals in einem Buch niedergeschrieben wurde, waren so gut wie keine seiner Arbeiten einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Es lässt sich fast schon sagen, dass bis fünfzig Jahre vor seinem Tode keines seiner Werke zugänglich war, gesammelt oder gedruckt wurde. Erst im 20. Jahrhundert wurden seine gesamten Schriften der Welt präsentiert, und seither wurden viele seiner Entwürfe als Bücher reproduziert. Anders formuliert lässt sich sagen, Blakes Werke wurden, nun fast schon von einer alles segnenden mythischen Aura umgeben, ähnlich begeistert aufgenommen, die sonst nur Neuentdeckungen zuteil wird.
Sein Ruhm ging ihrem Erscheinen voraus. Obgleich er nun schon vor fast zweihundert Jahren gestorben ist, war der Nachwelt noch nicht ausreichend Zeit gegeben, sich eine Meinung zu bilden. Erst heute sind wir tatsächlich auf dem Stand, auf dem uns der Tod eines großen Künstlers hinterlässt. Was dem Tod eines berühmten Künstlers für gewöhnlich folgt, ging im Fall von William Blake dem Tod voraus. Die öffentliche Haltung ihm gegenüber hat sich zu seinen Gunsten gewandelt und wird durch die Jahre der Vernachlässigung nur gestärkt. Es wird noch viele Jahre dauern, bis die Welt ihn ganz ergründet
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Fegefeuer XXXII, 129-157, 1824-1827.
Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
Birmingham Museums & Art Gallery, Birmingham, Vereinigtes Königreich.
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Paradies XIV, 96-109, 1824-1827.
Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
National Gallery of Victoria, Melbourne.
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Paradies XIX, 74-82, 1824-1827
Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
National Gallery of Victoria, Melbourne.
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Paradies XXVIII, 18-53, 1824-1827. Bleistiftzeichnungen mit Ergänzungen in Stift und Tinte oder sehr leichter Färbung, c. 37 x 52,5 cm.
The British Museum, London.
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Paradies XXX, 55-91, 1824-1827 Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
The British Museum, London.
hat. Und auch dann wird er höchstwahrscheinlich noch eine legendäre Figur bleiben, werden seine Schriften aufgrund ihrer Dunkelheit noch weitere Literatur hervorbringen. Der genaue Wert seiner Mythologie wird auch künftig unbestimmt bleiben, doch wird man vielleicht ihre Teilstücke verstehen lernen. In den prophetischen Büchern bietet sich Anhängern des Mystizismus, religiösen Geistern und Literaturkritikern ein reicher Jagdgrund. Nur ein System, das von einem unsystematischen Verstand hervorgebracht wird, kann dem Urteil der Kritik erfolgreich entgehen.
Nachdem sich uns der Einfluss erschlossen hat, den Idiosynkrasie, äußere Umstände und posthumer Ruhm auf sein Ansehen hatten, bleibt noch die Frage, wofür sein Genie steht. Der akademischen Tradition seiner Zeit stets mit vehementer Ablehnung abgewandt, ist er der Egoist der Kunst und ein Romantiker nach seinem Wesen. Blake glaubte an Energie, an Assertion, an die Subjektivität der Ideen und erklärte dies zum Grundsatz des Christentums. Er ist der Apostel der Ausnahme und strebte danach, die Verehrung der Ausnahme zu einem Glauben emporzuheben; er kultivierte alles Persönliche: alles andere, das sich auf anderes bezog, war ihm suspekt.
Eine vortreffliche Zusammenfassung seiner Religionsvorstellung und seiner Beziehung zu den Lehren des Christentums findet sich in Stuge Moores Buch Art and Life (Kunst und Leben). Was das Theologische betraf, schuf sich Blake eine Häresie des Heiligen Geistes, den er, wie ein verkehrter Arianer64, zur
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Paradies XXIV, 32-110, 1824-1827.
Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm. The Ashmolean Museum, Oxford, Vereinigtes Königreich.
Verkörperung der drei Personen der Dreifaltigkeit in einer Person erklärte. In der Kunst war ihm die Intensität das Maß für die künstlerische Leistung, und er hob die Vision, die imaginative Kraft, so weit empor, dass er sie wörtlich wiederzugeben versuchte, ohne jegliches Mittel einzusetzen, durch das eine Vision erst mitteilbar wird. So schuf er seine eigene Symbolik, bei der er seine eigenen Intuitionen zu einer Realitätsform wandelte.
Es war das Beispiel Swedenborgs, den er zu übertreffen suchte, das ihn schließlich dazu brachte, eine neue Mythologie zu schaffen, um den Fall des Menschen und die Wiedergeburt des Menschen durch die Imagination im Wesentlichen darzustellen. Dass ein Mystiker, dem die eigene Erfahrung genügt, zugleich auch Künstler sein sollte, ist die überraschende, von Blake verkörperte Einheit.
In seiner Kunst war er ein meisterhafter Illustrator mit vorwiegend religiösen Ideen, und von einem Zauber und einer Schlichtheit, die seine Naturmotive wie vortreffliche Transfigurationen erscheinen ließen. In seiner lyrischen Dichtung begegnet uns derselbe Zauber, der die einfachsten instinktiven Emotionen zu transfigurieren vermag, doch akzeptierte Blake in seiner Poesie traditionelle Formen und bewegte uns durch seine lebhaften Darstellungen religiöser Ideen, und nicht etwa durch neu erfundene Metren, im Innersten.
Blake war ein großer lyrischer Dichter und romantischer Künstler, der stets nach unerreichbaren Höhen strebte. Sein Griff
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Paradies XXIV, 20-31, 1824-1827.
Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
The British Museum, London.
i
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Paradies XXV, 15-102, 1824-1827.
Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
Tate Gallery, London.
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Paradies XXVI, 103-139, 1824-1827.
Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
National Gallery of Victoria, Melbourne.
nach diesen Höhen ist charakteristisch für eine bestimmte Kunstform - dies ist weder die klassische noch die romantische Kunst, sondern eine eigene Unterform des Romantischen: Es ist das Erhabene.
Vor diesem Begriff mögen wir zunächst zurückschrecken, da seine eigentliche Bedeutung inzwischen verloren ging und seine Verwendung nun vorwiegend im Ausdruck höchsten Lobes liegt. Bevor die Romantik die Denkweise der Zeit bestimmte, wurde das Wort ’erhaben’ jedoch in einem kritischeren Sinne gebraucht. Ehedem wurde es in seiner Bedeutung genau von der des Wortes ’schön’ abgegrenzt. Ein Gelehrter wird gern darüber Auskunft geben, dass es eigentlich eine typische Eigenschaft in der christlichen Denkweise ist. Es ist ein reizvoller Begriff, der beschreibt, was fasziniert und doch nicht fassbar ist, weil wir am Rande seiner Greifbarkeit stehen oder weil wir ein Bewusstsein oder eine Erinnerung verloren haben, die uns das Verständnis davon hätten näher bringen können. Es kann ein Ziel meinen, das wir vor Augen haben, oder eine Kraft, die ihren Zenith überschritten hat.
Diese Doppelbedeutung, die entweder das Inspirierende oder das Fehlerhafte, Unvollkommene meint, steckt in dem Sprichwort, das besagt, zwischen dem Erhabenen und dem Lächerlichen liege nur ein Schritt. Die Kunst, die sich also dem Aufstreben verschreibt, die den Geist über sich selbst hinausführt, drückt das Erhabene aus und ist also das Romantische in excelsis. Die Kunst, die sich mit dem Höchsten, dessen sie fähig ist, zufrieden gibt, die sich mit Perfektion zufrieden gibt, die die Gleichmut der Unruhe vorzieht, ist das Klassische. Die romantische Kunst richtet sich primär an die Emotionen.
Diese Unterscheidung ist wichtig für unser Verständnis von Blake. Fenelon65, der sowohl ein religiöser Mensch als auch ein interessanter Kritiker war, strebte nach dem Erhabenen „... von solcher Einfachheit, dass jedermann es verstehe“. Wäre es auch nur einem gelungen, dies zu erreichen, wäre dies das Ende des Begriffs vom Erhabenen gewesen, denn sein Wesensgehalt ist seine Unbestimmbarkeit. Das Erhabene ist also ein Begriff, mit dem ein angestrebtes Ziel oder eine erreichte Leistung beschrieben wird. Frühling und Herbst, Jugend und Alter, Sonnenaufgang und Sonnenuntergang sind alle jeweils Formen des Erhabenen. Architektur kann nobel oder erhaben sein, doch selbst die romantische Architektur erreicht nicht die Erhabenheit einer Ruine.
Dies ist die Qualität eines Satzes, und das Romantische auf ein erhabenes Niveau emporzuheben, wie Blake es tat, bedeutet die Erschaffung einer Literatur in Ruinen. Die gotische Architektur in christlichen Kathedralen wurde oft als erhaben bezeichnet, und ist doch auch, und gerechtfertigterweise, sowohl als starr erfrorene Mathematik sowie als starr erfrorene Musik bezeichnet worden. Das Bestreben, die Konflikte und Spannungen offen zu legen, die das Gebäude vergiften, wurde darin in eben dem Maße entdeckt wie das spirituelle Aufstreben, das der sensible Beobachter darin erkennt. Kreuzwölbungen sind oft mit einem sichtbaren Netz von Gravitationskräften verglichen worden, ebenso mit „... Fingern, die im Gebet sich verknoten“.
Ein Gebäude ist ein Monument der Wissenschaft wie auch des Empfindens. In der Literatur, genauer: in der erhabenen Literatur, findet man diese Disziplin nur selten. Man findet sie nicht in Blakes Literatur, und folglich brachte er so nur die Ruinen eines philsophischen Systems hervor. Mit der Entthronung Urizens, der seine Provinz an sich gerissen hatte, kapitulierte Blakes Geist vor seiner eigenen Wunderlichkeit. Er war bestrebt, das Sublime zur Norm des künstlerischen Bemühens zu erheben, und mit Erleichterung wendet man sich von seinen prophetischen Schriften seinen Entwürfen zu, denn nur in seiner Kunst kannten seine Hand und sein Verstand Disziplin.
Wer Blakes Schriften kritisch zu betrachten versucht, wird in ihm einen ausgezeichneten lyrischen Dichter, einen inspirierenden lyrischen Prosaiker, einen großen Meister eigener Aphorismen finden und sich, sofern für ihn keine besondere Faszination ausgeht, nicht angehalten fühlen, unnötig über den längeren Prophezeiungen zu grübeln. Ein solcher Leser wird feststellen, dass Blake seine Talente am besten auszuschöpfen vermag, wo er diszipliniert ist. Ein solcher Leser wird sich wieder den Entwürfen zu Hiob, zu The Last Judgment und den Illustrationen zu Vergil zuwenden und wird, neben diesen großen künstlerischen Errungenschaften, ferner die Flut zufälliger Entwürfe als Produkt eines lyrischen Koloristen akzeptieren, dessen Ton in seiner Reinheit und Leuchtkraft und dessen außerordentliche Phantasie nur von dem angemessen gewürdigt werden kann, der die Originale selbst erlebt hat, denn selbst in den originalgetreuesten Reproduktionen wird ihr Zauber nicht einmal zur Hälfte wiedergegeben.
Wenn wir unseren Blick von den unsteten Werken Blakes zu dem mutigen Leben des Mannes lenken, der sie schuf, ist unsere Schlussfolgerung eine bereits lange zuvor bekannte Unterscheidung: sein Leben war nobel, doch sein Werk war erhaben. Der Mann, der Künstler, der Mystiker und der lyrische Dichter üben eine komplexe Faszination aus, die es uns zuweilen einfacher, zuweilen schwerer macht, seinen zahlreichen Leistungen gerecht zu werden.
Wenn er fasziniert, inspiriert und uns doch unbefriedigt, vielleicht sogar enttäuscht, zurücklässt, so müssen wir uns doch immer daran erinnern, dass es eben diese Fähigkeit zu faszinieren und zu enttäuschen ist, die die erhabene Kunst von der klassischen Kunst trennt.
William Blake,
Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie, Paradies XXXI, 106-132, 1824-1827.
Stift, Tinte und Aquarell über Bleistift, c. 37 x 52,5 cm.
Tate Gallery, London.
1 James Blake — Catherine Blake: James, geboren am 10. Juli 1753; John, geboren am 12. Mai 1755; William, geboren am 28. November 1757; John, geboren am 30. März 1760; Richard (“Bob”), geboren am 19. Juni 1762; Catherine Elizabeth, geboren am 7. Januar 1764.
2 Emmanuel Swedenborg (1688 bis 1772) war ein schwedischer Denker und Theologe. Er hatte Träume und Visionen und erfuhr eine geistliche Erweckung.
3 Alexander Gilchrist (1828 bis 1861) war Blake’s Hauptbiograf mit seinem Buch Leben und Werk von William Blake, 1863.
4 Threepenny: eine Münze in Großbritannien, eingeführt 1551.
5 Edmund Spenser (c.1552 bis 1599) war ein preisgekrönter, englischer Dichter (offiziell von der Regierung ernannt). Er ist weithin bekannt für sein Gedicht The Faerie Queen, in dem er die Tudordynastie und Elisabeth I. rühmt.
6 John Donne (1572 bis -31. März 1631) war ein englischer Dichter unter Jakob I. und ein Symbol unter den metaphysischen Dichtern seiner Zeit. Er ist weithin bekannt für seine realistische, sinnliche und satirische Dichtung. Später wurde er für den Gebrauch und Missbrauch der Metapher kritisiert.
7 John Fletcher (1579 bis 1625) war ein Dramatiker unter Jakob I. Als enger Mitarbeiter Shakespeares wurde er als einer der populärsten Schreiber seiner Zeit und als Schlüsselfigur des Übergangs von der elisabethanischen Tradition zur Restauration angesehen.
8 Thomas Chatterton (20. November 1752 bis 24. August 1770) war ein englischer Dichter und Erfinder der pseudo-mittelalterlichen Dichtung. Obwohl er mit siebzehn Jahren Selbstmord beging, um dem Hungertod zu entgehen, gilt er unter den Romantikern als eine Ikone des verkannten Genies.
9 Thomas Rowley war Chatterton’s Pseudonym für Dichtung und Geschichte.
10 Ossian ist der Erzähler und vermutliche Autor eines Gedichtzyklus. 1760 beanspruchte der schottische Dichter James Macpherson die Übersetzung seiner Arbeiten von der Quellsprache ins Gälische.
11 James Basire (1730 bis 1802) war ein britischer Graveur und Zeichner. 1770 wurde er Mitglied der Royal Society of British Artists (Königliche Gesellschaft britischer Künstler). Er gravierte meist Portraits und historische Gegenstände.
12 Frederick Tatham (1805 bis 1878) war ein britischer Künstler und Teil der Shoreham Ancients, einer Gruppe von Künstlern, die Anhänger von William Blake waren. Er schrieb Blake’s Leben auf. Er kümmerte sich um Blake’s Frau Catherine, die ihm nach ihrem Tod Blake’s gesamte schriftliche Arbeiten hinterließ. Später zerstörte er einige von Blake’s Schriften, da er einer Sekte beitrat, die ihn glauben machte, dass die Arbeiten des Künstlers vom Teufel inspiriert seien..
13 William Wynne Ryland (1738 bis 1783) war ein englischer Graveur und ebenfalls ein Mitglied der eingetragenen Gesellschaft der Künstler.
14 Benjamin Heath Malkin (1769 bis 1842) war ein britischer Schriftsteller. Er pflegte eine enge Verbindung zu Blake, obwohl Historiker nicht bestimmen können, unter welchen Umständen die beiden sich trafen. Malkin erwähnt Blake in seinem Buch A Father’s Memoirs of his Child (Erinnerungen eines Vaters an sein Kind).
15 Richard Gough (1735 bis 1809) war ein englischer Antiquitätenhändler und eine führende Autorität für britische Topographie.
16 William Woollett (c.1735 bis 1785) war ein britischer Graveur. In seiner Zeit sehr bekannt, wurden seine Techniken und vor allem die “Wurmlinie” überall in Europa angewendet. Im Jahre 1775 wurde er zum ‘Graveur des Königs’ ernannt.
17 Johann Kaspar Lavater (1741 bis 1801) war ein Schweizer Dichter.
18 George Moore (1852 bis 1933) war ein irischer Romancier, Kunstkritiker und Dichter.
19 Algernon Charles Swinburne (1837 bis 1909) war ein englischer Dichter, berühmt für seine Vorliebe für provozierende Objekte.
20 Elizabeth Montagu (1718 bis 1800) war eine britische Sozialreformerin, Förderin der schönen Künste, Gastgeberin, Literaturkritikerin und Schriftstellerin.
21 Elizabeth Carter (1717 bis 1806), war eine Dichterin, Kennerin des Klassischen, Schriftstellerin und Übersetzerin.
22 Horace Walpole, 4th Graf von Orford (1717 bis 1797) war ein Kunsthistoriker, Schriftsteller und Politiker.
23 Laurence Sterne (1713 bis 1768) war ein in Irland geborener englischer Romancier und ein anglikanischer Geistlicher. Er ist berühmt für seine Arbeit The Life and Opinions of Tristram Shandy (Leben und Werk von Tristram Shandy). Dieser Roman handelt von Tristrams Erzählung seiner Lebensgeschichte. Jedoch ist er nicht imstande, irgendetwas einfach zu erzählen, so schweift er oft zu etwas vollkommen Unterschiedlichem ab. Diese scheinbar unlogische Struktur gibt der Erzählung einen absurden und humoristischen Ton.
24 Isaac Watts (1674 bis 1748) war einer der ersten englischen Hymnendichter und gilt sogar als Vater der englischen Hymnodie. Er ist für Hymnenlieder wie Our God, Our Help in Ages Past (Ps. 90) („Unser Gott, Unser Beistand in alter Zeit“) und Jesus Shall Reign (Ps. 72) („Jesus wird König sein“). Er schrieb auch religiöse Lieder, insbesondere für Kinder; diese wurden in der Sammlung Divine Songs for the Use of Children (1715; „Fromme Lieder für Kinder“) zusammengefasst.
25 John Bunyan (1628 bis 1688) war ein Schriftsteller und Prediger. Sein berühmtestes Werk ist Pilgrim’s Progress, eine christliche Allegorie.
26 Johann Kaspar Lavater (1741 bis 1801) war ein Schweizer Dichter und Physiognomiker. Er ist besonders für sein Buch Aphorisms on Man (1788; „Vermischte, unphysiognomische Regeln zur Selbst- und Menschenkenntniss“) bekannnt, eine Sammlung moralischer und psychologischer Regeln.
27 Emanuel Swedenborg, The Wisdom of Angels Concerning the Divine Providence („Die Weisheit der Engel betreffend die göttliche Vorsehung“), erste Auflage: Amsterdam, 1764.
28 Henry Fuseli - geboren als Johann Heinrich Füssli - (1741 bis 1825) war ein englischer Maler, Zeichner und Schriftsteller deutsch-schweizerischer Herkunft.
29 Joseph Johnson (1738 bis 1809) war ein Buchhändler und Publizist. In seinem Londoner Verlag veröffentlichte er radikale Denker wie Mary Wollstonecraft, Godwin und Joel Barlow.
30 A Vindication of the Rights of Woman: with Strictures on Political and Moral Subjects („Verteidigung für die Rechte der Frau: mit kritischen Bemerkungen über politische und moralische Gegenstände“) zählt zu einer der ersten Schriften über feministische Philosophie überhaupt.
31 Enquiry Concerning Political Justice and its Influence on Modern Morals and Manners („Untersuchung über politische Gerechtigkeit und ihren Einfluss auf Moral und Glückseligkeit“), erschienen 1793.
32 Thomas Paine (1737 bis 1809) war ein englischer politischer Aktivist, Schriftsteller und Erfinder. Er emigrierte nach der britischen Kolonie in Amerika just zur Zeit des amerikanischen Bürgerkrieges, zu dem er durch das 1776 geschriebene Pamphlet Common Sense (dt.: Gesunder Menschenverstand) seinen Teil beitrug. Einige Jahre später, 1791,schrieb er Rights of Man („Die Rechte des Menschen”), in dem er erklärt, die Bevölkerung habe das Recht, sich aufzulehnen, wenn die Regierung nicht als Hüter der Rechte und Unversehrtheit der Bevölkerung handelt.
33 Thomas Butts (1757 bis 1845) war ein Regierungsbeamter und einer der bedeutendsten Förderer Blakes, vermutlich zwischen ca. 1799 und ca. 1810 sowie zwischen ca. 1820 und ca. 1827.
34 John Linnell (1792 bis 1882) war ein englischer Maler. Er begann zunächst mit Portraitmalerei, wandte sich später jedoch der Landschaftsmalerei zu.
35 William Hayley (1745 bis 1820) war ein englischer Dichter und Kunstförderer.
36 William Butler Yeats (1865 bis 1939) war ein irischer Dichter und Dramatiker.
37 Sir George Howland Beaumont, 7. Baronet (175 bis 1827), war ein englischer Kunstmäzen und Amateurmaler. Er hinterließ der National Gallery of London mehrere Gemälde und trug so wesentlich zu ihrer Etablierung bei. Er war mit zahlreichen Malern befreundet, darunter auch mit Constable.
38 William Wordsworth (1770 bis 1850) war ein englischer Dichter, der, gemeinsam mit Samuel Taylor Coleridge, durch deren gemeinsames, 1798 erschienenes Werk Lyrical Ballads (Lyrische Balladen) entscheidend zur Entwicklung der Romantik in der englischen Literatur beigetragen hat.
39 John Wesley (1703 bis 1791) war ein christlicher Theologe und gründete die Methodistenbewegung.
40 Luigi Schiavonetti (1765 bis 1810) war ein italienischer Reproduktionskupferstecher und -radierer. Er ahmte die Kunst Bartolozzis nach und kopierte ihn sogar.
41 Angelica Katharina Kauffmann (1741 bis 1807) war eine schweizerisch-österreichische Malerin. Sie war eine enge Freundin von Sir Joshua Reynolds und Johann Wolfgang von Goethe.
42 William Hayley (1745 bis 1820) war ein englischer Schriftsteller.
43 George Romney (1734 bis 1802) war ein englischer Portraitmaler. Er galt als Hauptrivale von Sir Joshua Reynolds.
44 Edward Gibbon (1737 bis 1794) war ein englischer Historiker und Mitglied des britischen Unterhauses. Er ist vorwiegend für sein bedeutendstes Werk bekannt, The History of the Decline and Fall of the Roman Empire („Verfall und Untergang des Römischen Reiches“) (1776/1788).
45 Thomas Warton (1728 bis 1790) war ein englischer Literaturhistoriker und -kritiker. Ferner war er von 1785-1790 Hofdichter (Poet laureate) am englischen Königshaus.
46 William Cowper (1731 bis 1800) war ein englischer Poet und Hymnendichter.
47 Friedrich Gottlieb Klopstock (1724 bis 1803), deutscher Dichter. In seinen Gedichten sprach er sich stark für den deutschen Nationalstaatsgedanken und die Französische Revolution aus. Darüber hinaus bereicherte er die deutsche Sprache um einen neuen, hexametrischen Rhythmus und war der Wegbereiter der ihm folgenden Generation. Der Messias war sein Epos in 20 Gesängen; er war stark durch Miltons Lost Paradise beeinflusst. Gegenstand des Gedichts ist die Passion Christi von seinem Einzug in Jerusalem bis zu seiner Auferstehung.
48 John Bunyan war Sohn eines Kesselflickers und arbeitete als Schriftsteller und Baptistenprediger. 1644 wurde er Soldat im Bürgerkrieg, von dem er in Grace Abounding Zeugnis ablegt.
49 Robert Hartley Cromek (1770 bis 1812) war ein englischer Kupferstecher und Kunsthändler.
50 Ozias Humphry (auch: Humphrey) (1742 bis 1810) war ein Miniaturmaler. 1792 wurde er zum “Portrait Painter in Crayons to the King.” (Königlicher Pastell-Portraitmaler) ernannt.
51 Thomas Gray (1716 bis 1771) war ein englischer Dichter, der besonders für seine pindarischen Oden The Bard (Der Barde) und The Progress of Poesy bekannt ist. The Bard handelt von einem Poeten, der König Edward I. Plantagenet verfluchte und den Untergang seines Königreiches vorhersagte.
52 Sir Robert Strange (1721 bis 1792) war ein schottischer Maler, Kupferstecher, Zeichner und Kopist.
53 William Woollett (1735 bis 1785) war ein englischer Kupferstecher.
54 Francesco Bartolozzi (um 1725 oder 1727 bis 1815) war ein italienischer Kupferstecher, Maler und Zeichner.Er liebte das Reisen und lebte in Florenz, Venedig und Mailand, verbrachte jedoch den Großteil seines Lebens in London. Bartolozzi erfand die Punktiertechnik, eine neue Methode des Farbkupferstichs, bei der er zahlreiche unterschiedliche Techniken wie unter anderem Kaltnadel, Strichätzung, Radierung einsetzte.
55 Robert John Thornton (1768 bis 1837) was ein englischer Arzt und botanischer Schriftsteller.
56 Samuel Palmer (1805 bis 1881) war ein englischer Landschaftsmaler, Radierungskünstler, Schriftsteller und Druckgrafiker. Palmer war eine Schlüsselfigur der englischen Romantik. Sein Werk war deutlich geprägt von seiner Begegnung mit Blake.
57 Colnaghi Gallery of Art, gegründet 1760.
58 Henry Francis Cary (1772 bis 1844) war ein englischer Literat. Man kennt ihn besonders für seine Übertragung von Dantes Göttliche Komödie, die er 1814 auf eigene Kosten veröffentlichte.
59 Francis Oliver Finch (1802 bis 1862) war ein englischer Maler.
60 Edward Calvert (1799 bis 1883) war ein englischer Holzstecher und Maler.
61 George Richmond (1809 bis 1896) war ein englischer Maler.
62 Die Oxford-Bewegung (auch: Traktarianismus) war eine Bewegung, die die Rückbesinnung auf die Anglikanische Kirche als direkte Nachfolgerin der von den Aposteln gegründete Urkirche forderte.
63 Irvingismus bezeichnet den Glauben der 1835 gegründeten Katholisch-Apostolischen Kirche.
64 Der Begriff „Arianismus“ bezeichnet nichttrinitarische theologische Systeme.
65 Frangois de Salignac de La Mothe-Fenelon (1651 bis 1715) war ein französischer Theologe, Dichter und Schriftsteller.
Nachfolgend findet sich eine Liste wichtiger Nachschlagewerke:
Berger, P. William Blake: Poet and Mystic. Übersetzung: Daniel H. Conner. London: Chapman & Hall, 1914.
Binyon, Laurence. The Followers of William Blake. Mit Frontispiz und 79 Illustrationen. London: Halton & Truscott Smith, 1925.
Blake, William und Laurence Binyon. William Blake. Illustrations of The Book of Job. Mit einem Vorwort von Laurence Binyon. London: Meuthen, 1906, VOL. I.
Calvert, Samuel. A Memoir of Edward Calvert, artist, by his third son. London: S. Low & Co., 1893.
Damon, S. Foster. William Blake: His Philosophy and Symbols. London, Bombay and Sydney: Constable, 1924.
Ellis, Edwin John. The Real Blake. A Portrait Biography. London: Chatto & Windus, 1907.
Ellis, Edwin John, und William Butler Yeats, Hrsg. The Works of William Blake: Poetic, Symbolic, and Critical. Mit Lithographien der illustrierten „Prophetic Books” sowie biographischer Anekdoten und Interpretation. London: Bernard Quaritch, 1893, 3 Bände.
Figgis, Darrell. The Paintings of William Blake. Mit 100 Illustrationen. London: Ernest Benn, 1925.
Gardner, Charles. Vision and Vesture; a study of William Blake in Modern Thought. London: J. M. Dent & Sons, 1916.
Gilchrist, Alexander. The Life of William Blake, Hrsg. und Vorwort: W. Graham Robinson, Dover Publications, 1998.
Keynes, Geoffrey, Hrsg. The Writings of William Blake. London: The Nonesuch Press, 1925, 3 Bände.
Moore, T. Sturge. Art and Life. London: Methuen & Co, 1910.
Palmer, Albert Herbert. The Life and Letters of Samuel Palmer. London: Seeley & Co, 1892.
Russell, Archibald G. B., Hrsg. The Letters of William Blake, together with a Life by Frederick Tatham. London: Methuen, 1906.
Sampson, John, Hrsg. The Poetical Works of William Blake. Oxford: Clarendon Press, 1905.
Sampson, John, Hrsg. The Poetical Works of William Blake, einschließlich „Minor Prophetic Books” und ausgewählten Schriften aus „The Four Zoas”, „Milton”, und „Jerusalem”. Oxford University Press, 1913.
Selincourt, Basil De. William Blake. London: Duckworth, 1909.
Sloss, D. J. und J. P. R. Wallis, Hrsg. The Prophetic Writings of William Blake. Oxford: The Clarendon Press, 1926, 2 Bände.
Story, Alfred T. The Life of John Linnell. London: Richard Bentley & Son, 1892, 2 Bände.
Story, Alfred T. William Blake: His Life, Character, and Genius. London: Swan Sonnenschein, 1893.
Swinburne, Algernon Charles. William Blake: A Critical Essay. London: John Camden Hotten, 1868.
Swinburne, Algernon Charles. Neuauflage, London: Chatto & Windus, 1906.
Yeats, William Butler. „William Blake and the Imagination” und „William Blake and his Illustrations to the Divine Comedy” in Ideas of Good and Evil. London: A. H. Bullen, 1903.
Es existieren noch weitere Bände und Ausgaben; es genügt an dieser Stelle der Verweis auf die Bibliography of Blake, von Mr. Geoffrey Keynes, veröffentlicht durch Grolier Club of New York, 1921.
A/B
Druckgrafik 25 | 72 | Druckgrafik 2 | 17 |
Druckgrafik 26 ‘Das Ende des ersten Buchs Urizen’, | 67 | Druckgrafik 3 | 16 |
Europa, eine Prophezeiung | Druckgrafik 5 | 7 | |
Titelbild | 79 | Druckgrafik 6 | 18 |
Deckblatt | 76 | Druckgrafik 7 | 21 |
Druckgrafik 1 | 90 | Druckgrafik 10 | 18 |
Druckgrafik 2 | 91 | Druckgrafik 14 | 21 |
Druckgrafik 3 | 82 | Druckgrafik 17 | 22 |
Druckgrafik 4 | 84 | Druckgrafik 28 | 22 |
Druckgrafik 5 | 80 | Druckgrafik 29 | 23 |
Druckgrafik 6 | 87 | Das Lied von Los | |
Druckgrafik 7 | 88 | Abbildung A, Druckgrafik 1, Titelbild | 93 |
Druckgrafik 8 | 90 | Abbildung D, Druckgrafik 1, Titelbild | 92 |
Druckgrafik 10 | 81 | Druckgrafik 4 | 97 |
Druckgrafik 11 | 89 | Druckgrafik 5 | 95 |
Druckgrafik 13 | 91 | Druckgrafik 6 | 96 |
Druckgrafik 15 | 85 | ||
Der Fluss des Lebens | 171 | M/N | |
Der Geist eines Flohs | 102 | ||
Der Geist von Nelson geleitet Leviathan | 105 | Milton. Ein Gedicht | |
Das Genie Shakespeare | 168 | Druckgrafik 1 | 124 |
Glücklicher Tag oder Albions Tanz | 128 | Druckgrafik 8 ‘Dann erkannten Los & Enitharmon, | |
Göttliche Komödie: Inferno, Dante und Vergil auf dem Eis des Kozythus, | dass Satan Urizen war’, | 121 | |
Johann Heinrich Füssli | 104 | Druckgrafik 13 ‘Das Gewand des Versprechens’, | 119 |
Gott richtet Adam | 110 | Druckgrafik 15 | 20 |
Druckgrafik 29 | 118 | ||
J/K/L | Druckgrafik 32 ‘Und die göttliche Stimme wurde erhört . . .’, | 126 | |
Druckgrafik 33 | 118 | ||
Jerusalem | Druckgrafik 38 ‘Der Adler . . .’, | 125 | |
Druckgrafik 1 | 130 | Druckgrafik 41 ‘Zwei Figuren . . .’, | 119 |
Druckgrafik 2 | 131 | Druckgrafik 43 ‘Aus der Sonne tretend . . .’, | 127 |
Druckgrafik 4 | 134 | Druckgrafik 46 ‘Vorwärts zur großen Ernte . . . ’, | 122 |
Druckgrafik 6 | 134 | Die Nacht von Enitharmons Freude (auch: Hekate) | 11 |
Druckgrafik 8 | 135 | Newton | 12 |
Druckgrafik 11 | 135 | Nibelungen: Brunhilde beobachtet den von ihr gefesselt an der Decke | |
Druckgrafik 14 | 132 | aufgehängten Gunther, Johann Heinrich Füssli | 145 |
Druckgrafik 15 | 148 | ||
Druckgrafik 25 | 149 | P/R/S/T/V/W | |
Druckgrafik 26 | 156 | ||
Druckgrafik 28 | 133 | Prometheus, Johann Heinrich Füssli | 50 |
Druckgrafik 32 | 137 | Der Rütlischwur, Johann Heinrich Füssli | 52 |
Druckgrafik 35 | 139 | Satan frohlockt über Eva | 108 |
Druckgrafik 37 | 147 | Satan in seiner ursprünglichen Herrlichkeit, | |
Druckgrafik 39 | 143 | ‘Du warst perfekt bis man den Frevel in dir fand’ | 112 |
Druckgrafik 41 | 153 | Satan weckt die rebellischen Engel | 53 |
Druckgrafik 46 | 146 | Das Schweigen, Johann Heinrich Füssli | 152 |
Druckgrafik 47 | 144 | Die Töchter Albions | |
Druckgrafik 50 | 160 | Druckgrafik 1 | 34 |
Druckgrafik 51 | 157 | Druckgrafik 2 | 36 |
Druckgrafik 53 | 150 | Druckgrafik 3 | 35 |
Druckgrafik 57 | 161 | Druckgrafik 4 | 42 |
Druckgrafik 70 | 166 | Druckgrafik 7 | 38 |
Druckgrafik 75 | 160 | Druckgrafik 9 | 41 |
Druckgrafik 76 | 155 | Druckgrafik 10 | 41 |
Druckgrafik 78 | 161 | Druckgrafik 11 | 39 |
Druckgrafik 81 | 136 | Die Vermählung von Himmel und Hölle | |
Druckgrafik 84 | 164 | Titelbild | 24 |
Druckgrafik 87 | 163 | Druckgrafik 2 | 25 |
Druckgrafik 92 | 165 | Druckgrafik 3 | 29 |
Druckgrafik 94 | 139 | Druckgrafik 5 | 28 |
Druckgrafik 97 | 140 | Druckgrafik 10 | 27 |
Druckgrafik 99 | 158 | Druckgrafik 21 | 30 |
Druckgrafik 100 | 141 | Druckgrafik 24 | 33 |
Die Kreuzigung, ‘Siehe, deine Mutter’ | 9 | Der Wirbelwind: Ezekiels Vision von Cherubim und Räder mit Augen | 113 |
Laokoon | 117 | ||
Lieder der Unschuld und Erfahrung | |||
Druckgrafik 1 | 16 |
Als Hauptvertreter der romantischen Bewegung war der britische Künstler William Blake (1757-1827) gleichzeitig Dichter, Maler, Designer und Graphiker. Er illustrierte seine literarischen Werke selbst, und seine Texte entwickelten sich in Anlehnung an seine Stiche und fantastischen Zeichnungen zu wahrhaft strahlenden Manuskripten. Inspiriert von biblischen und prophetischen Themen (Proverbs ofHell, The Everlasting Gospel und The Gates ofParadise), kombiniert Blakes Kunst auf subtile Weise die Modernität seiner Epoche und der romantischen Revolution mit dem Klassizismus der von ihm untersuchten Themen.
Dieser begnadete, mit einer unvergleichlichen Originalität und Vorstellungskraft begabte Künstler bediente sich einer breiten Palette von Darstellungsmitteln, um die ihn verfolgenden Dämonen besser hervor zu locken und um den Leser oder Betrachter in eine tiefe Melancholie zu tauchen.
In dieser Monografie bringt Osbert Burdett Licht in die Kunst und das Leben dieses außergewöhnlichen Künstlers.