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AB 4 Herr Keuner und die Flut.docx
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AB 4                                                                 Baustein Parabeln Klasse 10

Text: Herr Keuner und die Flut

Herr Keuner ging durch ein Tal, als er plötzlich bemerkte, dass seine Füße im Wasser gingen. Da erkannte er, dass sein Tal in Wirklichkeit ein Meeresarm war und dass die Zeit der Flut herannahte. Er blieb sofort stehen, um sich nach einem Kahn umzusehen, und solange er auf einen Kahn hoffte, blieb er stehen. Als aber kein Kahn in Sicht kam, gab er diese Hoffnung auf und hoffte, dass sein Wasser nicht mehr steigen möchte. Erst als ihm das Wasser bis ans Kinn ging, gab er auch diese Hoffnung auf und schwamm. Er hatte erkannt, dass er selber ein Kahn war. 

(aus: Bertolt Brecht, Geschichten vom Herrn Keuner, Suhrkamp taschenbuch)

Musterlösung

Einleitungssatz und Inhaltsangabe

Die Parabel „Herr Keuner und die Flut“, welche zum Teil der Sammlung der lehrhaften Keunergeschichten, verfasst von Bertolt Brecht im Zeitraum von 1926-1935, gehört, geht es darum, dass der Mensch aktiv und eigenständig seine Probleme lösen und sich nicht auf fremde Hilfe verlassen soll. In dieser Parabel wandert Herr Keuner durch ein vermeintlich sicheres Tal. Als er erkennt, dass es sich nicht um ein Tal sondern um einen Meeresarm handelt, ist er noch nicht in wirklicher Gefahr, sondern steht erst mit den Füßen im Wasser. Doch er hält sofort Ausschau nach einem Kahn, der ihn retten soll und wartet, statt zu handeln. Als er erkennt, dass kein Kahn kommen wird, um ihn zu retten, klammert er sich an die Hoffnung, dass trotz der Flut das Wasser nicht mehr steigen könnte und wartet weiter. Erst als er fast untergeht, also das Wasser ihm bis zum Kinn steht, erkennt er, dass auch diese Hoffnung sinnlos ist und fängt an zu schwimmen, um sich selbst zu retten. Die Erkenntnis, dass er selber die Rettung ist, also der rettende Kahn, kommt ihm gerade noch rechtzeitig.

Hauptteil

Die Parabel besteht aus neun Zeilen und lässt sich in drei Sinnabschnitte einteilen. Während der Anfang in die Situation einführt (Z. 1-3), werden in dem darauffolgenden Teil die Gedanken von Herrn Keuner thematisiert (Z.4-8). Am Ende der Parabel wird schließlich der Schwerpunkt auf die Lösung und die damit verbundene Botschaft der Parabel gelegt (Z.8-9). 

Es gibt einen Wendepunkt: Als Herr Keuner merkt, dass das Wasser ihm bis zum Kinn steigt beginnt er zu schwimmen (Z.8). Er wechselt von einer wartenden passiven in eine aktive, selbstbestimmte Haltung und gewinnt daraus eine Erkenntnis.

Herr Keuner ist die einzige Person, die in dieser Parabel vorkommt. Es gibt keine andere Person, mit welcher er interagieren könnte, somit liegt der Fokus allein auf dieser Person. Dies wird noch durch die Erzählform und das Erzählverhalten verstärkt. Die Geschichte wird von einem auktorialen Er-Erzähler erzählt. Man erfährt von Herr Keuners Gefühlen und Gedanken. Auffällig ist, dass Herr Keuner von einer hoffnungsvollen, passiven (Z.4 und 5) in eine aktive Haltung (Z. 8 und 9) wechselt

Bertolt Brecht verzichtet in dieser Parabel auf eine komplizierte Sprache und lange verschachtelte Sätze. Die Sprache ist einfach gehalten und somit gut zu verstehen. Sie ist in einem parataktischen Stil geschrieben. Jedoch werden einige Wiederholungen in diesem kurzen Text verwendet, um bestimmte Aussagen zu unterstreichen und hervorzuheben:

„Herr Keuner ging“ (Z. 1)  und „in Wasser gingen“ (Z.1 und 2), „Er blieb sofort stehen“ (Z.3) und „blieb er stehen“(Z.4), „auf einen Kahn hoffte“ (Z.4) und „gab er diese Hoffnung auf“ (Z.8)

Da es sich bei diesem Text um eine Parabel handelt, werden viele sprachliche Bilder auf der Bildebene verwendet, die es zu entschlüsseln gilt: 

Die Parabel beginnt damit, dass Herr Keuner in einem unbestimmten Tal ist (Z.1). In dem nächsten Satz wird es aber zu seinem Tal (Z.2). Das Tal steht für das eigene Leben, bzw. für einen Abschnitt des Lebens. Dass das Tal zu einem Meeresarm wird (Z.2), deutet darauf hin, dass man manchmal den Eindruck hat, dass das eigene Leben unberührt von äußeren Widerständen oder von dem Leben der anderen Menschen verläuft. Vor allem aber können sich die Lebensumstände ganz plötzlich ändern, man ist auf einmal in Gefahr – ohne es zu merken und niemand ist in dem Moment da, um zu helfen. Dann gilt es, das Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen und schnell zu reagieren. Es folgt die Flut (Z.3), die Bedrohung oder das Problem, welches es zu lösen gilt. Die Steigerung der Gefahr durch das steigende Wasser (Z. 8) ist eine, mit welchem Brecht eine anwachsende Bedrohung darstellt. Der Kahn, auf den zunächst gehofft wird, ist eine mögliche Hilfestellung oder Rettung. Dass Herr Keuner darauf wartet, zeigt, dass es sich hier um einen fremden Kahn, also Hilfe von außen handelt. Die Hoffnung, dass das Wasser nicht mehr steigt (Z.8) kann auf die Hoffnung übertragen werden, dass das Problem sich von alleine löst. Die Erkenntnis, dass er selber der Kahn ist, zeigt, dass er selber seine Rettung ist. Herr Keuner steht somit für die Menschen an sich. Jeder ist sein eigener Herr Keuner, der in seinem Tal wandert und sich unvermittelt vor einem Problem stehen sieht.

Schlussteil

Brecht wollte mit dieser Parabel die Menschen zu mehr Selbstverantwortung erziehen. Warum soll der Mensch warten, bis ihm sprichwörtlich das Wasser bis zum Hals steht, wenn er selbst seine Rettung sein kann? Im Leben stehen wir oft vor Problemen, die wir lösen müssen. Wir sollten auf unsere eigenen Fähigkeiten und Talente vertrauen. Die Parabel hat die Intention, den Menschen wachzurütteln, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Hier wird die passive Haltung kritisiert, denn sie bringt Herrn Keuner in Lebensgefahr.

Meiner Meinung nach können wir die Lehre der Parabel auf unser Leben beziehen und mutiger und selbstbewusster werden. Andererseits ist es auch in Ordnung, Hilfe anzunehmen, wenn diese denn angeboten wird. Wir sollten uns nur nicht gänzlich darauf verlassen, denn vielleicht steckt die Lösung ja schon in uns selbst!