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Nicht in unserem Namen
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Nicht in unserem Namen 

Claudia Roth ist beim jüdischen Musikwettbewerb „Jewrovision“ von Aktivisten orchestriert ausgebuht worden. Der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat die Staatsministerin, die er selbst eingeladen hatte, weder namentlich begrüßt, noch etwas getan, damit Roth ihre Rede störungsfrei halten konnte. Protest ist das eine, die niedergebrüllte Rede eines geladenen Gastes etwas anderes. Schuster verstieß nicht zuletzt gegen das wichtige Gebot im Judentum, den anderen nicht bloßzustellen (Halbanat Panim).

In Zeitungskommentaren werden „die Juden“ nun wieder auf eine Stimme reduziert, indem behauptet wird, ihre Sorgen über Antisemitismus im Kulturbetrieb würden von Claudia Roth nicht ernstgenommen.

Dem wollen wir deutlich widersprechen. Claudia Roths politische Biographie kündet unmissverständlich vom lebenslangen Engagement gegen Antisemitismus und Rassismus. Ohne mit allem, was sie tut, einverstanden zu sein: Ihr ist es unter anderem zu verdanken, dass die künftige Arbeit von Gedenkstätten und Institutionen, die sich mit der Geschichte der nationalsozialistischen Verbrechen befassen, abgesichert ist.

Bei allen berechtigten Sorgen um steigenden Antisemitismus, der auch in den digitalen Medien angeheizt wird, kann die Staatsministerin für Kultur und Medien in einer offenen Gesellschaft nicht für umstrittene Inhalte verantwortlich gemacht werden. Sie hat im Gegenteil die schwere Aufgabe, in diesem Spannungsfeld die demokratischen Normen und die Freiheit der Kunst im Auge zu behalten, weil Kunst zwar politisch ist, aber politische Eingriffe in die Kunst unterbleiben müssen. Kulturschaffende brauchen eine politische Umgebung, in der sie ungehindert arbeiten können. Viele Juden gestalten in Deutschland den Kulturbetrieb mit – es muss liberaler Konsens bleiben, dass Religionsgemeinschaften keinen Einfluss darauf nehmen.

Das Judentum lebt seit jeher von Vielstimmigkeit, Pluralismus und Debatte. Mehr als die Hälfte der in Deutschland lebenden Juden gehört keiner jüdischen Gemeinde an, sie verstehen sich als säkular oder lehnen die partikularistische Politik des Zentralrats ab. Aber wir alle müssen auf einer zivilisierten, respektvollen Debatte bestehen und können sie nicht nur von den anderen verlangen.

Michael Abraham, Adriana Altaras, Yael Attia, Daniel Barenboim, Omri Boehm, Candice Breitz, Micha Brumlik, Daniel Cohn-Bendit, Irene Dische, Esther Dischereit, Tomer Dotan-Dreyfus, Daniel Eliasson, Tomer Gardi, Lena Gorelik, Yuriy Gurzhy, Shai Hoffmann, Eva Illouz, Daniel Kahn, Alexa Karolinski, Barrie Kosky, Cilly Kugelmann, Sergey Lagodinsky, Yeva Lapsker, Igor Levit, Rachel Libeskind, Hanno Loewy, Roni Mann, Meron Mendel, Eva Menasse, Jerry Merose, Jerzy Montag, Michael K. Nathan, Michael Naumann, Susan Neiman, Oded Netivi, Julya Rabinowich, David Ranan, Miriam Rürup, Alon Sahar, Sasha Marianna Salzmann, Eran Schaerf, Julius Schoeps, Yael Sela, Or Shemesh, Mati Shemoelof, Sonia Simmenauer, Maja Sojref, Adina Stern, Amir Theilhaber, Paula Villa Braslavsky, Ofer Waldman, Marie Warburg, Claude Weinber, Albert Wiederspiel, Benjamin Zachariah, Mirjam Zadoff, Noam Zadoff, Moshe Zimmermann