Das  Markusevangelium - Kreuzigung     

Entstehung des Evangeliums

Motivation/ Hintergründe 

Das Achtergewicht (Schwerpunkt)

Die Passionsgeschichte

Kreuzigung

Bild-Quelle: “Kreuzigung Christi “von Andrea Mantegna,  1431-1506. "",

                    https://www.kunst-fuer-alle.de/deutsch/kunst/kuenstler/kunstdruck/

Inhaltsübersicht:

Einleitendes / Die Vorbereitung (1 – 1.22)

    Johannes der Täufer (1,1 – 8); Jesus Taufe und Versuchung (1,9 – 13); Die ersten 4 Jünger (1,14 – 20)

Jesus Wirken in Vollmacht  (1,21 – 3,12)  

    Dämonenaustreibung (1,21 – 28); Heilung der Schwiegermutter Simons (1,29 – 34); Jesus heilende Lehre

     und die Heilung eines Aussätzigen (1,35 – 45); Heilung eines Gelähmten (2,1 – 12); Berufung des Zöllners

     Levi (2,13 – 17); Die Fasten-Frage (2,18 – 22); 1. Streit über den Sabbat zur Feldarbeit (2,23 – 28);

     2. Streit über den Sabbat zu Heilungen (3,1 – 6); Die 12 Jünger und Heilungen am See (3,7 -19)

Jesus vollmächtiger Lehrer und Wundertäter (3,20 – 6,6)

     Jesus und das Böse (3,20 – 35); Die Seepredigt in Gleichnissen - - - vom Sämann und vom Senfkorn (4,1 –

     34); Jesus Macht über den Sturm (4,35 – 41); Heilung des Besessenen (5,1 – 20); Heilung der blutflüssigen

     Frau (5,21 – 43); Jesu in Nazareth (6,1- 6)  

Wunder & Auseinandersetzungen   (6,7 – 8,26)

     Aussendung und Anweisungen an die Jünger (6,7-13); Die Enthauptung des Johannes, dem Täufer

     (6,14 – 29); Speisung der Fünftausend (6,30 – 44); Das Wandeln von Jesu auf dem See (6,45 – 56);

     Warnung vor Menschensatzungen und Kennzeichnung der wahren Unreinheit (7,1 - 23); Jesus und die

     kanaanäische Frau (7,24 – 30); Heilung eines Taubstummen (7,31 – 37); Speisung der Viertausend

     (8,1 – 9); Zeichenforderung der Pharisäer (8,10 – 13); Warnung vor den Pharisäern und vor Herodes

     (8,14 – 21); Heilung eines Blinden (8,22 – 26)  

Epiphanias - Die Offenbarung    (8,27  -  10,52)  

     Messias-Bekenntnis des Petrus (8,27 – 30); Erste Leidensankündigung Jesu (8,30 – 33); Über die

     Leidensnachfolge der Jünger (8,34 - 9,1); Verklärung der Jünger (9,2 -13); Heilung des fallsüchtigen

     Knaben (9,14 – 29); Zweite Leidensankündigung Jesu (9,30 – 32); Wider dem Ehrgeiz und Unduldsamkeit

     (9,33 – 50); Über Ehe und Ehescheidungen (10,1 -12); Jesus segnet die Kinder (10,13 -16); Der reiche

     Jüngling (10,17 -27); Vom Lohn der Nachfolge (10,28 -31); Dritte Leidensankündigung Jesu (10,32 -34);

     Bitte der Zebedäus Söhne (10,35 – 45); Heilung des blinden Bartimäus (10,46 -52)

 Die Zuspitzung, Jesus in Jerusalem  (11,1 – 13,37)

    Der Messias kommt in die Stadt (11,1 – 11); Jesus und der Feigenbaum (11,12 - 26); Streit im Tempel

     (11,27 – 33); Gleichnis von den treulosen Weingärtnern (12,1 - 12); Die heuchlerische List der Gelehrten

     (12,13 – 40); Die Prophezeiung (13,1 – 37)

 Die Passionsgeschichte (14,1 – 15,47)

     Verschwörung der Pharisäer, Salbung Jesus und der Verrat von Judas (14,1 – 11);  Das letzte Abendmahl

     (14,12 – 25); Jesus Verhaftung (14,26 – 52); Die Anklage der Hohepriester (14,53 – 65); Petrus leugnet

     Jesus zu kennen (14,66 -72); Pilatus bestätigt Urteil vom Hohen Rat (15,1 -15); Verspottung und Pein

     (15,16 - 19); Die Kreuzigung (15,20 –26); Erneute Verspottung (15,27 – 32); Jesus Tod und die Frauen

     am Kreuz (15,33 – 41); Grablegung von Jesus (15,42 – 47); Die Auferstehung und die Frauen (16,1 - 8);

     Das Erscheinen Jesu und seine Himmelfahrt (16,9 – 20)  

     

Entstehung des Evangeliums

Vermutlich waren die Verfasser Judenchristen und keine Augenzeugen des Lebenden

Jesus. Sie hatte nur ungenaue geographische Kenntnisse von Palästina, die durch die Textstellen 5,1; 5,18; 6,45 und 7,31 belegt werden. Die Adressaten sind Heidenchristen,

da ihnen die jüdischen Bräuche erklärt (z.B.: 2,18 & 7,3-4) und aramäische Worte erst

übersetzt werden müssen (z.B.: 5,14 & 7,34). Die Adressaten könnten Gläubige in der

Nähe von Galiläa gewesen sein, zumal das Evangelium dort eine herausgehobene Rolle spielt. Zugleich könnte es auch der Abfassungsort sein. Die betonte Rolle Galiläas lässt zumindest den Abfassungsort in der Nähe von Galiläa vermuten. Möglich wäre auch

Syrien, aber auf jeden Fall außerhalb Palästinas.

Die Abfassungszeit ist ebenso strittig, tendiert aber zum Ausgangsdatum, der Zerstörung Jerusalems und dem Ende des Jüdischen Krieges (Anno 66 -70). Im Kapitel 13 gibt es

eine Anspielung auf den Fall von Jerusalem und demzufolge müsste die Schrift nach dem

Jahr 70 entstanden sein. Wahrscheinlich ist aber die Urfassung des Evangeliums bereits

viel früher geschrieben worden. Denn Lukas benutzte das Markus-Evangelium schon und wenn Historiker die Apostelgeschichte richtig auf das Jahr 63 datiert haben, dann muss das Markus-Evangelium um das Jahr 60 vorhanden gewesen sein.

Historiker gehen davon aus, dass bereits um das Jahr 35 die ersten Jesus-Überlieferungen

niedergeschrieben wurden. Vermutlich war es dann Johannes Markus, der die Schriften

in einen Kontext brachte und das Ur-Evangelium formte.

Johannes Markus war ein Vetter von Barnabas, der in Antiochia (Syrien) predigte.

Er begleitete Paulus auf seiner 1. Missionsreise und verließ vor dem schwierigsten Teil der Reise die Missionare. Das nahm ihm Paulus sehr übel und wollte dann den unzuverlässigen Markus nicht wieder bei sich haben. Markus wurde dann ein treuer Begleiter von Petrus.

Auf den Reisen bemerkte Markus, wie unterschiedlich die Jesus-Überlieferungen erzählt

wurden und vergewisserte sich bei Petrus, welche Version die richtige war. Da Petrus

Jesus kannte, war deren Meinung ausschlaggebend. Während der Zeit mit Petrus fertigte

er vermutlich sein Evangelium an. Er verarbeitete die vorhandenen Schriften und schrieb

die mündlichen Überlieferungen nieder und brachte sie in eine biografische Form.

Wahrscheinlich ließ sich Markus in der Nähe von Antiochia (Barnabas) nieder und betreute dort (Galiläa) die Gemeinden und vollendete zwischen dem Jahr 50 und 60 sein Evangelium. Aufgrund dieser Leistung versöhnte sich auch Paulus wieder mit ihm.    

„Das Evangelium“ wurde für die Verkünder wichtig, um den Heidenchristen einheitlich

von Jesus zu erzählen und war Quelle, um den Glauben zu festigen. Durch die historischen Ereignisse wurde es notwendig, das Evangelium (70) zeitgemäß zu überarbeiten. In der

Region (Syrien, Galiläa) blieb das Evangelium dominierend und erst mit der Konfrontation der anderen Evangelien bekam das Werk einen Namenszusatz (2. Jh.) und wurde das „Evangelium nach Markus“ oder „Markus-Evangelium“ genannt. Übrigens, nannte sich

ursprünglich dieses Werk nur „Evangelium“. In Ehrerbietung zu Markus, nannten sich die Bücher nach Matthäus, Lukas und Johannes nicht Evangelien, sondern den Beinamen

erhielten sie ebenfalls später (2. Jh.).

Motivation/ Hintergründe 

Das Evangelium richtet sich in einer bestimmten geschichtlichen Situation an die Christen.

Die Christen hatte noch verschiedene Vorstellungen vom Christ-Sein, wodurch auch die

Verkünder (Priester), die Jesus-Überlieferungen interpretierten. Neben Verfälschungen und Irrlehren, waren die Gläubigen irritiert, wenn sie ihren Glauben mit anderen austauschten,

die eine ganz andere Sichtweise hatte.

Im Mittelpunkt der Missdeutungen standen folgende Sachverhalte:

1. Jesus, als großer Wundermann: Da Jesus in den Himmel aufgenommen wurde (göttlicher

    Mensch), glaubten sie die Krafttaten Gottes, durch Jesus erscheinen ablesen zu können.

    Daher versteht sich Jesus, als ein Wundermann. Wundergeschichten, Heilungs- und

    Erweckungserzählungen erhielten ein besonderes Gewicht und auch Beweiskraft für

    eine hellenistische Missdeutung.

2. Jesus, als Lehrer und Vorbild: Seine (göttlichen) Lehren wurden gesammelt und verklären

    zugleich den Blick auf Gottes heilschaffendes Handeln, in Jesus Leiden und Sterben.

3. Jesus, als himmlisches Gottwesen (mythische Person): Heidenchristen glaubten sich in

    der Gegenwart des Erhöhten (Gnosis) zu befinden, wo der irdische Jesus kaum eine Rolle

    spielte.

Schon im 1. Korintherbrief von Paulus wurden jene Missdeutungen thematisiert, aber sein

Brief war nur an die Korinther gerichtet. Die anderen Gemeinden kannten den Brief noch

nicht, der erst viel später (in Abschriften) seine Verbreitung fand. Nachdem Paulus von

den Römern enthauptet wurde, verschwand auch ein wichtiger Verkünder, der zu Lebzeiten erfolgreich gegen die Irrlehren ankämpfte. 

Die Motivation für eine umfassende Schrift war gegeben und auch notwendig geworden.

Johannes Markus wollte deshalb auf die Verfälschungen und Missdeutungen reagieren,

ohne zu polemisieren (eine Streitschrift verfassen).

Er sammelte zunächst die Überlieferungen, die schon in einigen Gemeinden erprobt wurden (als Predigt oder Lesung). Er schrieb die mündlichen Überlieferungen auf und klärte die unterschiedlichen Versionen mit der Autorität von Petrus. Da Petrus Jesus persönlich kannte, konnte Markus die Passion von Jesus ausführlich beschreiben.

Mit dem Komplex der Passionsgeschichte, konnte Markus individueller auf Irrlehren und Missdeutungen reagieren, indem er Jesus irdisches Handeln darstellt. In den Geschichten

und Sprüchen über Jesus wird Glaube greifbar und grenzt sich ab von Denkfehlern.

Ein anderer Ansatz waren für ihn die verschiedenen Ausdrucksformen und Aspekte des Glaubens, die er in seinem Evangelium integrierte. Somit finden sich in seiner Schrift die unterschiedlichen Bezeichnungen für Jesus, wie Menschensohn, Sohn Gottes, Davids Sohn,

Christus, Messias, Kyrios, Herr und anderes. Markus und auch die späteren Redaktoren versuchten diesbezüglich keine Vereinheitlichung vorzunehmen und damit wird klar, dass

die Verfasser weitgehend Originale integriert haben. Sicherlich wollten sie insofern eine Interpretation vermeiden, um nicht individuelle Sichtweisen zu verbauen und dann war es wichtig wertvolle Traditionen zu bewahren, die in vielen Gemeinden verankert waren.

Es war notwendig, den Glauben zu stärken und deshalb wurde auch manches Zugeständnis

zu einer fehlerhaften Deutung respektiert, sofern sie tief im Gemeindeleben verankert war.

Das Achtergewicht (Schwerpunkt)

Das älteste Evangelium legt sein Schwergewicht auf den Schlussteil, dem Zeugnis von Jesus Christus in seinem Leiden, seinem Sterben und seiner Auferstehung (Kapitel 14 - Kapitel 16, 8 🡪, die folgenden Verse 9 bis 20, sind spätere Einfügungen laut theologischer Forschung). Das Evangelium wird deswegen auch „Passionsgeschichte mit ausführlicher Einleitung“

genannt. Die Passionsgeschichte (Passion = lat. Leiden, Leidensweg) wurde von den

Christen zum Osterzeugnis erklärt. Die Ostergeschichte ist somit die Leidensgeschichte

von Jesus Christus und Ostern ist die entsprechende Gedenkfeier.

Das Wort vom Kreuz hat bei Markus eine zentrale Bedeutung:

Der Kreuzestod Jesu ist die notwendige Voraussetzung für das Heil der Menschen.

Schon bei Paulus dreht sich bei seinen Schriften alles um den Tod und die Auferweckung Jesu. Das führte aber zu Missverständnissen, die das Markusevangelium vermeiden wollte.

Markus entschloss sich nicht nur die Passionsgeschichte zu schildern, sondern gab ihr eine ausführliche Einleitung, Vorgeschichte. Für Markus hat der Kreuzestod eine wichtige Vorgeschichte und damit können Tod und Auferstehung nicht losgelöst von seinem Wirken stehen. Die Botschaft assoziiert: Jesus ganzer Weg ist Gottes Weg zu den Menschen,

darum darf der irdische Jesus nicht aus dem Blickfeld geraten. Es bestand die Gefahr, dass Gottes Heil-Schaffendes Wirken, in seiner losgelösten Geschichte, zu einer geschichtslosen Heilslehre oder zum Mythos verfällt. Daher betrachtet Markus die Passionsgeschichte rückwärts und konstruiert einen geschichtlichen Weg Jesu.

Dieser Weg beginnt bei Johannes dem Täufer und mündet in die Passion. Anzumerken ist, dass es bislang keine Lebensgeschichte von Jesus gab, sondern Markus hat sie erschaffen,

anhand der einzelnen Jesusüberlieferungen. Markus sammelte Überlieferungen, Sprüche

und Erfahrungen und fügte sie sinnvoll ineinander. Für das Evangelium spielen die Geburt, die Kindheit und die Jugendjahre keine Rolle. Wichtig war Markus das relevante Handeln

von Jesus, das zu seiner Passion führte.

Die Passionsgeschichte 

Die Passionsgeschichte im engeren Sinne beinhalten die Kapitel 14,1 bis Kapitel 15,47

und gilt als älteste Erzählüberlieferung, die Markus höchstwahrscheinlich kannte.

Die Passionsgeschichten dienten in erster Linie dem gottesdienstlichen Gebrauch, beispielsweise als Liturgie bei der Feier zum Abendmahl oder zum Ostergottesdienst.

Sie wurden für Gebetsstunden, Predigten und das Erstellen von Losungen benutzt.

Folgende Komplexe bilden den Kern der Passionsgeschichten Jesu:

Verrat des Judas   //  Gefangennahme Jesus  //  Verhör durch Pilatus //  Verspottung  

Kreuzigung         //   Grablegung                  // Auferweckung

Die Überlieferungskomplexe wurden als fortlaufende Erzählung gestaltet. Das führte jedoch

zu  Missverständnissen, da einige Forscher an den relativen Angaben den Ort und die Zeit

von Jesus Leben ablesen wollten. Es entstand der Eindruck, dass es sich bei den Passions- geschichten, um einen chronologisch, getreuen Tatsachenbericht der Ereignisse handelte.

Das ist aber nicht der Fall, da die Überlieferungen lediglich in einen logischen Kontext gebracht wurden. Hauptaugenmerk der Geschichte sollte sein, dass sich der Leser angesprochen fühlt und die Botschaft heraushört. Wichtig ist die Erkenntnis, was Jesus Leiden, Sterben und Auferweckung für ihn und alle Menschen bedeutet. Markus versucht sowohl seine, als auch die Erkenntnisse der nachösterlichen Gemeinde zum Ausdruck zu bringen. Sie sind zugleich Zeugnis ihres Glaubens und als Christus-Predigt zu verstehen. Markus gestaltete daher Glaubensaussagen und würzte sie mit historischen Erinnerungen,

um das wahrhaftige Leben Jesus als Mensch zu untermauern. Die Erkenntnis aus der vorgefundenen Überlieferung lässt die These zu:

Jesus Leiden war letztendlich nicht durch Missverständnisse und Ablehnung seiner

Zeit verursacht. Es war vielmehr Gottes Wille, dass Jesus diesen Weg gehen musste.

Diesen Gedanken versuchte Markus hervorzuheben und wird besonders deutlich, indem

was er hinzufügte und wie er es anordnete.

Beispiele:

1. Die wiederholten Todesbeschlüsse der Tempelhierarchie: 3,6  // 11,18  // 12,12 

2. Die Leidensweissagungen in passiver Form: 8,31  // 9,12- 31 // 10,33 & 34  // 14,41

3. Die auffallenden Anspielungen auf das Alte Testament und direkte Zitate aus dem AT

   14,1 & 2  - sie halten einen Rat über ihn, um ihn zu töten (Psalm 31,14)

   14, 18     -  der vertraute Freund, der mitaß, wird zum Feind (Psalm 41,10)

   14, 34     -  die Seele ist betrübt zum Tode           (Psalm 43,5)

Verkündigungsanliegen: 

Bei Markus steht die Passionsgeschichte im Mittelpunkt. Aus den von ihm hinzugefügten Fersen ergeben sich zwei Denklinien: Todesbeschlüsse und göttliches Muss.

1. Todesbeschlüsse, der führenden jüdischen Theologen: In Kapitel 3,1- 6 sind solche

    Todesbeschlüsse zu hören, im Anschluss an einem Streitgespräch in der Synagoge. Hier

    setzt Markus das erste Signal und es folgt ein weiteres in Kapitel 11,18 - der Austreibung

    des Wechslers aus dem Tempel. 12,12 ist das dritte Signal, im Gleichnis vom bösen

    Weingärtner, womit Jesus den jüdischen Oberen einen Spiegel vorhält. In den 3 Versen

    bringt Markus zum Ausdruck, was ihm angesichts der Passion wichtig erscheint: die

    Jerusalemer Theologen sind für den Tod Jesu mitverantwortlich, weil sie ihn nicht als

    Bevollmächtigten von Gott anerkennen und ihn somit für einen Gotteslästerer hielten.

2. Göttliche Muss = Leidensweissagungen: Die aufgeführten Sätze zeigen an, was mit

    Jesus geschehen wird. Sie sind passiv formuliert und bedeutet verschlüsselt, dass auf

    den handelnden Gott hingewiesen wird. Daraus ergibt sich eine Grundbotschaft: Gott

    wird seinen Sohn den Hohepriester und den Schriftgelehrten ausliefern, denn Gott hat

    sein Leiden und Sterben beschlossen und lieferte ihn selbst, bedacht in die Hände seiner

    Feinde. Die Sprüche vom Leiden und Sterben, sind sehr alte Überlieferungen die Markus  

    aufgreift, in einen Zusammenhang stellt und sie auf den irdischen Jesus bezieht. Mit den

    Sprüchen unterstreicht Markus, dass Jesus Leiden und Sterben von Gott gewollt war.

Anmerkung: Historisch wurde später zu sehr der 1. Aspekt (Todesbeschlüsse) betont, wodurch die Judenverfolgung gerechtfertigt wurde. Der 2. Aspekt (Göttliche Muss) hebt

das jedoch auch, worauf sich nur eine Botschaft an die Juden ergibt: „Hört nicht auf jene,

die meinen (glauben), mein Wort zu verkünden. Mit Jesu setze ich einen neuen Bund und

ihr seid eingeladen, auch jene, die noch verblendet sind!“

Im Zusammenhang mit den Leidensweissagungen, tauchen immer wieder alttestamentliche Texte auf, die allerdings nicht als solche gekennzeichnet wurden. Es finden sich Texte aus den Psalmen (primär Psalm 22) und dem Buch Jesaja 53. Mit den Verbindungen zum Alten Testament wollte Markus aufzeigen, dass Jesus Weg schon im AT vorgezeichnet (vorher- gesagt) war, zudem sollen die Vermerke Jesus Anspruch als Gottes Sohn bekräftigen.

Jesus Kreuzigung

( Kapitel 15, Vers  20b bis 41 )

Die Überlieferung aus der Passionsgeschichte, erhielt seine Endgestalt in der Beziehung zu Psalm 22 und Jesaja 53 (AT). Beide Schriften berichten über die Sünden des Volkes und

das Gott einen Retter (Messias) schicken wird, der die Sünden auf sich nehmen wird und

die Menschen durch seinen Tod befreit. Die nachösterliche Gemeinde hatte die alttestament- lichen Texte in der Bibel entdeckt, unter deren Licht sich die Passionsgeschichte besser verstehen lässt. Die Kreuzigungsgeschichte unterteilen wir zunächst in vier Abschnitte.

1. Der Weg zum Kreuz und die Kreuzigung  (15, 20b - 26)

Jesus wird hinausgeführt, das heißt, vor den Mauern der Stadt, denn Gotteslästerer haben keinen Platz in der Stadt und in der Gemeinschaft. Das jüdische Gesetz verkündet seit

alters her, dass Gotteslästerer aus dem Lager der Israeliten ausgestoßen sind (Lev. 24,14).

Das Ausstoßen dient dem Zweck, dass der Gotteslästerer dort zu Tode kommt.

Mit der römischen Herrschaft galten Ausgestoßene gleichzeitig Straftäter, die vor den Toren der Stadt gekreuzigt wurden. Der Verurteilte musste dabei sein Kreuz (Querbalken), vom

Ort der Verurteilung (Burg Antonia auf dem Tempelplatz) bis zum Kreuzigungsort selbst tragen. Dieser Akt war eine zusätzliche Demütigung und Strafe für den Verurteilten.

Nicht selten wurde der Straftäter auf ihren langen Marsch vom Volk gegeißelt, wurde mit

Schmutz beworfen, angespuckt oder mit Worten beleidigend verhöhnt (Spießrutenlauf).

In der Jesus Passion sind es drei Verurteilte und da Jesus, unter der Last zusammenbricht,

wird jemand aus dem Volk beordert den Querbalken von Jesus zu tragen. Jene Szene symbolisiert zum einen die unübliche Pein, die Jesu erduldet haben musste, dass er zu schwach war, sein Kreuz selbst zu tragen. Zum anderen, wird der Aspekt des Auf-Sich-

Nehmens deutlich, im Sinne von: „Wer mir folgen will, der nehme sein Kreuz auf sich“.

Aber zu jener aktiven, schweren Arbeit muss man gezwungen werden, sie ist kein helden- haften Entschluss oder von einer Verherrlichung geprägt. Der Träger, der das Kreuz von

Jesus tragen muss, wird hier namentlich mit seinen beiden Söhnen genannt.

Vermutlich waren sie sogar den Lesern des Markusevangeliums bekannt. Vermutlich kamen sie aus Cyrenaica (Nordafrika) und waren als Diaspora-Juden zufällig Augenzeugen. Zumindest spielte die Gemeinde in Cyrenaica (oder Cyrene) immer wieder eine Rolle im Neuen Testament, auch hatten sie in Jerusalem eine eigene kyremäische Synagoge.

Der Hügel Golgatha war der Kreuzigungsort, der von der Form her einer Schädeldecke

glich. Jesus wird am Ort der Kreuzigung ein Myrrhe Trank gereicht, dass einer jüdisch /römischen Sitte entsprach. Menschen, die am Kreuz qualvoll sterben sollten, wollte man

mit dem Trank betäuben, damit sie ihr Leiden besser ertragen. Der eigentliche Sinn zielte

auf ein längeres Leiden als zusätzliche Strafe und zur Abschreckung.

Jesus aber lehnte das Getränk ab. Im vollen Bewusstsein durchlitt er deshalb die Qualen,

ein Akzent, der sich an Psalm 22 anlehnt: „Er ließ sich nicht betäuben, er hat mit wachen Sinnen auf sich genommen, wohl wissend, was er tat.“

Der eigentliche Akt der Kreuzigung, der in der kulturgeschichtlichen Malerei, Musik und Literatur reichhaltig gestaltet wurde, findet bei Markus nur drei Worte, ohne jeglichen

Pathos, „Sie kreuzigten ihn.“ Für den Erzähler und den Leser, von jener Zeit, war der Kreuzigungstod allgegenwärtig und brauchte keine Details.

Exkurs – Kreuzigung: 

Die Hinrichtungsart der Kreuzigung, die vermutlich schon bei den Persern verwendet

wurde, übernahmen die Römer vom Volk der Punier. In den Evangelien wird Kreuzigung stark thematisiert und die Strafaktion ausführlich geschildert, dennoch muss bei der Form

der Durchführung differenziert werden.

In alter Zeit unterschied sich die Art der Hinrichtung im Aufhängen oder Aufspießen an

einen einfachen Pfahl und nicht immer wurden lebende Verurteilte aufgehängt bzw. aufgespießt. Es genügte zur Abschreckung auch ein toter Körper.

Die Römer perfektionierten die Strafe durch ein Anheften an ein zusammengesetztes Kreuz. Das Kreuz besaß die Form des Buchstaben „T“ oder „+“. Einer Kreuzigung ging stets eine Folterung voraus (zur Wahrheitsfindung). Der Verurteilte musste nackt sein Kreuz selbst

zum Hinrichtungsplatz tragen, dazu waren die ausgestreckten Arme des Verurteilten am Querholz angeheftet. Angeheftet hieß, der Verurteilte wurde in der Regel an den Balken gebunden. In besonderen Fällen wurde der Verurteilte zusätzlich an den Unterarmen oder

an den Händen am Holz angenagelt. Am Richtplatz wurde der Querbalken (mit dem Verurteilten) an den mitgebrachten Hauptmast befestigt bzw. in die entsprechende Nut eingepasst. Der Mast wurde dann in ein vorbereitetes Loch geführt und das Ganze mit

zwei Seilen angehoben und im Boden versenkt und befestigt. Manchmal waren die Hauptmasten schon vorinstalliert, sodass die Verurteilten mit Stützgabeln in die entsprechende Nut gehoben wurden. Um das Leiden zu verlängern, wurde an den Füßen

ein Holzklotz angebracht, damit der Verurteilte die Schmerzen an den Armen zwischen- zeitlich kompensieren konnte. Der erwähnte Myrrhe-Trank sollte auch eine vorzeitige Besinnungslosigkeit aufgrund der Schmerzen verhindern.

Neben der klassischen Form der Kreuzigung, gab es jedoch keine festen Regeln und ließen

dem Henker viel Freiraum für das Umsetzen von sadistischen Horror-Fantasien.

In der Regel starben die Gekreuzigten nach wenigen Tagen (um die 3 Tage), doch der Leichnam blieb hängen, bis er verwest war oder zur Beute von Raubtieren (Vögel) wurde.

Das sollte zusätzlich der Abschreckung dienen. Manche liberalen Herrscher erlaubten auch

eine Bestattung der Verstorbenen am Kreuz.

Die Kreuzigung galt neben dem Löwenfraß (damnatio ad bestias = Menschen in der Arena, mit wilden Tieren kämpfen zu lassen), als grausamste Art der Hinrichtung im römischen Reich. Anfangs wurden jene Hinrichtungsarten ausnahmslos an rebellierende Sklaven praktiziert, aber auch an freigelassene Sklaven (Bürgerrecht), wenn sie sich ihrer Ehre

(Freilassung) nicht würdig erwiesen. Für Menschen mit vollen römischen Bürgerrechten

kam die Strafe zunächst nicht in Betracht. Später durften dann auch Schwerverbrecher, Hochverräter, Aufrührer (dazu zählten auch die Christen), fahnenflüchtige Soldaten oder Tempelräuber gekreuzigt werden.

In den römischen Provinzen besaßen die Statthalter sowieso die völlige Verfügungsgewalt

und sie legitimierten willkürlich die Bestrafungsarten, zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung (coercitio = Macht zur Bestrafung).

In Judäa praktizierten vor den Römern bereits die Juden die Kreuzigung, in der hellenistisch – hasmonäischen Ära, besonders gegenüber Hochverrätern. Herodes der Große, verbot dann

die Kreuzigungen und erst mit dem römischen Protektorat wurde die Hinrichtungsart wieder eingeführt. Unter den Prokuratoren war die Kreuzigung keine Seltenheit mehr und richtete sich vor allem gegen rebellische Juden. Weil das so war, sahen die Juden die Kreuzigung,

nie als ein Symbol ihres Leidens. Tafeln aus jener Zeit bezeugen die angebliche Schuld von Juden, die eine Hinrichtung nach sich zog. Jene Tafeln wurden den Verurteilten um den

Hals gehängt, bei ihrem Gang zum Richtplatz. Übrigens, nicht alle Verurteilten erlitten

den Kreuzestod, es gab auch andere Hinrichtungsarten, aber nach historischer Forschung, lautete das überwiegende Urteil Kreuzigung. Neben den physischen Qualen, gab es für die gläubigen Juden noch die psychischen Qualen. Die Kreuzigung ging einher mit einem kategorischen Ächtung durch die Gemeinschaft und dem Ausschluss vom Glauben. Ein Verurteilter war gesellschaftlich Tod, ein Schandfleck seiner Familie, dem Gottes Beistand entzogen wurde.

Physische und psychische Qualen erlitt Jesus Stunde um Stunde am Kreuz. Nach alter Sitte fällt dem Henker die letzte Bekleidung und Habe (Besitz) als Beute zu und basiert auf den

Psalm 22,19, in der Demütigung des „Gerechten“, wird die Beuteverteilung belegt.

In der Kreuzigungsgeschichte wird die dritte Stunde erwähnt und meint 9 Uhr morgens

(= die 3. Tagstunde, bis 6 Uhr ist Nacht). Die 6. Stunde ist damit 12 Uhr Mittags und die

9. Stunde ist nachmittags um 15 Uhr. Es werden genaue Zeitangaben gemacht, die stark an

einen apokalyptischen Fahrplan erinnern (die Zeit/ Tag, wann sich die Apokalypse erfüllen wird). Es ist der genaue Zeitpunkt, der beginnenden Gottesherrschaft und Gott ist präsent in dem Geschehen. Es ist eine Form, das göttliche Muss zu äußern und die Leser hören das Signal, hier beginnt das endzeitliche Geschehen, hier greift Gott in die Gegenwart ein.      

Zweimal wird im Text die Kreuzigung (V.24 & V. 25) erwähnt und zweimal wird ihm der Trunk gereicht (V.23& V.36) und zweimal schrie er (V.34 & V.37). Möglicherweise wurden hier zwei Berichte ineinander verarbeitet. Manche Forscher sehen in diesen Quellen einen stark apokalyptischen Einfluss (V. 25, 33, 34, 38).

Abschließend noch ein Wort zu den römischen Schuldtafeln, worauf als Verbrechen zu

lesen stand: König der Juden. Diese Bezeichnung haben Pilatus und die Soldaten festgelegt, als sie Jesus verhörten bzw. folterten. Mit den Worten fallen verächtliche Verhöhnung und tiefe Wahrheit zusammen. Jesus wurde hauptsächlich aufgrund falscher Behauptungen getötet, wobei die Römer die Königsbehauptung durch die Juden, als Beleidigung ihrer römischen Kaiser ansahen. Jesus hatte aber nie einen solchen Anspruch für sich erhoben,

er ist der geistige König der Glaubenden des Volkes Israel und nicht der weltliche König Israels und bietet aller Welt den Glauben an Gott an.

2. Die Verspottung des Gekreuzigten (15, 27  - 32)

Der Abschnitt der Passion unterstreicht Jesus' Verwerfung und wie sehr er verlassen war.

Da sind zunächst diejenigen, die mit ihm am Richtplatz hängen. Der eine ist Barabbas, ein politischer Anführer und der Andere, ein Räuber. Für alle sichtbar ist Jesus zum Übeltäter geworden, unwichtig welches Verbrechen Jesus begangen haben soll, er wird von der Gesellschaft verachtet.

Die nachösterliche Gemeinde entdeckte in Jesaja 53,12 eine Parallele, die das Ereignis erklärbar macht. Die Vorübergehenden verhöhnen den Lästerer und sehen in der Kreuzigung

offenbar Gottes Strafe für die anmaßenden Worte Jesu. Bezüge zum Verspotten finden sich im Psalm 22, 8 & 9 und es ist zweifelhaft, ob die Verhöhnung Jesu eine historische Tatsache ist oder ein verschmelzender Einbau zum Alten Testament. Kernpunkt der Beschimpfung

ist, wenn Jesus wirklich Gottes Sohn wäre, dann könnte er doch seine göttliche Macht gebrauchen (ähnliches liest sich in der Versuchungsgeschichte bei Matthäus 4,5 -11, „Gebrauche deine Macht zu deiner Rettung“)!? Jesu ist aber gekommen, um die Menschen

zu retten, aber nicht sich selbst, somit will auch Gott sein Leiden als Zeichen. Die wirkliche Macht ist weder zur Selbsthilfe noch als Schauwunder gedacht, seine Kraft beschränkt sich

auf seinen Auftrag, am Kreuze sterben. Somit haben jene, die mit Jesu gekreuzigt wurden und die Spottenden, die vorbeigingen, welche Kraft von Jesus ausgeht.

Der Leser des Markus-Evangeliums sollte aber begreifen, dass derjenige, der hier hängt, seine Hingabe ganz allein trägt.

3. Der Tod des Jesu und seine Deutung  (15, 33 - 39)

Zur 6. Stunde (12 Uhr) beginnt eine Finsternis, wahrscheinlich eine Sonnenfinsternis.

Es stellt sich die Frage, was soll diese apokalyptisch angehauchte Aussage?

Schauen Sie sich dazu Amos 8, 8 -10 an. Markus scheint an jenes Prophetenwort anzuschließen. Die Natur trauert mit, wo himmelschreiendes Unrecht geschieht.

Die Textstelle Kapitel 13,24 und folgende, belegt ähnliche apokalyptische Vorstellungen

und sieht sie als Vorzeichen Gottes für sein Eingreifen, wodurch das Ende der Welt sichtbar wird. Es wird zum Ausdruck gebracht, dass Jesus Leiden Himmel und Erde in Bewegung bringt (eine historische Sonnenfinsternis in jener Region, zu jener Zeit ist nicht belegt).

Im weiteren Text lässt Markus, Jesus Gottverlassenheit hinaus schreien. Warum?

Weshalb zweifelt Jesus an seinem Vater (Gott)? Verständlich wird das, wenn man bedenkt, dass der menschliche Jesus an die Grenzen des Leidens gekommen ist. Jesus kam um den Menschen Gott nahe zu bringen, doch Jesus der Gott den Menschen nahe brachte, erreicht

ihn nicht mehr. Die damalige Gemeinde betrachtet es (übertragen) als notwendigen Weg Gottes mit seinen Gerechten, in aussichtslosen Lagen der Gottverlassenheit zu klagen. Wahrhaftiges Klagen offenbart einen Weg zu Gott. Man kann also sagen, dass Jesus die

letzte Stufe des verlorenen Menschseins durchläuft, gepaart mit Zweifel.

In den Versen 35 & 36 wird jener Trank erwähnt, dessen Bedeutung der Verse theologisch umstritten ist. Eventuell ist das noch ein letzter Spott, der Herumstehenden oder der unterstellte Ruf nach Elia, er sollte ein Wunder bewirken, als allerletzte Chance.

Mit dem Psalm 22, 2 - 4  wird der Hintergrund klarer, wie völlig unangemessen die Beteiligten reagieren (Essig Trank), Jesus bleibt als Leidender allein. Dieses Alleinsein

hebt Jesu noch einmal hervor, bevor er stirbt. Niemand wollte sein Ende verhindern.

Während auf dem Berg Golgatha die Stille eintritt, erfährt der Leser bereits die Deutung

des Todes. Der Vorhang des Tempels zerreißt (lt. Text), damit wird zum Ausdruck gebracht, dass Kult und Opfer keine Möglichkeit mehr sind, Gott zu dienen (Assoziation zur Tempel- zerstörung). Gott wohnt nicht mehr im Tempel, von nun an gilt nur noch, wer sich zu dem Gekreuzigten als Sohn Gottes bekennt. Wie der heidnische Hauptmann unter dem

Kreuz: „... dieser Mann ist wirklich Gottes Sohn gewesen“ (15, 39).

Der Sohn Gottes: 

Bei Markus begegnet uns der Titel (Gottes Sohn) in drei hervorgehobenen Punkten:

🡪 Bei der Taufe  (1,11): „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen.“

🡪 Bei der Verklärung (9,7): „Dies ist mein geliebter Sohn, höret auf ihn.“

🡪 Bei der Kreuzigung (15,39): „Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn.“

Die drei Texte stehen in einem inneren Zusammenhang, sie entsprechen den Ritualen bei

der Einsetzung ägyptischer Könige. Erst wird der Thronanwärter feierlich zum Sohn des Königs - von Gott adoptiert (= Taufe Jesu). Anschließend wird er als Gottkönig in seiner Würde vorgestellt (= Verklärung Jesu) und schließlich wird ihm die Weltherrschaft übertragen (= Bekenntnis des Hauptmanns, bei der Kreuzigung, der die Welt symbolisiert).

Markus bekundet damit, was die Gemeinde an Jesus hat. Jesus hat die Vollmacht erhalten, den Anbruch seines Reiches anzukündigen, indem er Gottes Kraft dorthin bringt, wo die Menschen der Ohnmacht und der Not ausgeliefert sind. Der gehorsame Sohn Gottes bringt die Liebe Gottes bis zu seinem Tode zu den Menschen. Das Bekenntnis wird den Heiden in den Mund gelegt und diejenigen, die es lesen, sind Heidenchristen!  

Im Markusevangelium ist der Titel „Sohn Gottes" mehr als eine Funktion angesagt und entspricht nicht seiner Natur als Mensch. Das Bekenntnis des Hauptmanns unter dem

Kreuz wirkt wie eine Statistenrolle, einer einzelnen Person, doch sie ist weitaus mehr.

Sie eröffnet dem Leser ein allgemeingültiges Bekenntnis. Jesus ist gestorben, nicht wie

ein leidender Gerechter im alten Israel starb, sondern er ist der Eine, der das Urleiden der Gottverlassenheit auf sich genommen hat. Es spielt keine Rolle, ob es den Hauptmann überhaupt historisch gab, sondern wichtig ist das Statement, das Bekenntnis.

 

4. Die Frauen am Kreuz  (Vers 40 - 41)

Es folgen zwei merkwürdige Verse, mit denen sich die Theologie sehr schwer tut. Es sind Frauen, die am Kreuz Jesus das letzte Geleit geben. Es sind Frauen, die ihn beim Sterben begleiten, die ihn begraben und seine Auferstehung erleben. Allen voran sind Maria Magdalena (auch Magdala), Maria von Jakobus und Salome Zebedäus, und alle sind sie Mütter. Es stellt sich die Frage, wo waren die Apostel Jesu? Jesus war von allen verlassen, hieß es, aber die Frauen standen ihm doch zur Seite? Woher und warum tauchen plötzlich Frauen auf, die selbst in den Paulus Schriften, zur Auferstehung, nicht erwähnt werden?

Bei Paulus werden nur Männer benannt, die die Auferstehung des Jesus Christus bezeugen. Warum stellt das Markusevangelium einen ganz neuen Sachverhalt dar?

Bis heute ist es eine theologisch sehr strittige Frage, der man gern aus dem Weg geht. Versuchen wir dennoch eine logische Erklärung. Die Adressaten vom Markusevangelium

sind Heidenchristen und von daher ist der Stand der Frau bei den Heiden eine ganz anderer als bei den Juden. Die Frauen in der heidnischen Welt lebten etwas freier und waren in der Gesellschaft anerkannter. Es wird vermutlich dem Umstand Rechnung getragen, dass es

vor allem Frauen sind, die sich zum christlichen Glauben bekennen. Es ist ein Glaube, der den Frauen eine gewisse Emanzipation bringt. Obwohl der christliche Glaube eine Unter- würfigkeit zur Männerwelt von der Frau verlangt, es wird ihnen eine wichtige Rolle im Glauben zuerkannt, indem sie die Bewahrer des Glaubens sind (gnostische Philosophie).

Im 1. Korintherbrief sagt Paulus deutlich, dass die Frauen wegen ihrer sündigen Natur

sich dem Mann unterzuordnen hat, aber dennoch durch ihre gelebte Gläubigkeit eine

wichtige Rolle spielen. In aufopferungsvoller Demut sollen sie den Glauben bewahren,

ihren Mann und die Familie stärken und trotz aller Anfeindungen am Glauben festhalten.

Im Rahmen dieser Rolle sind sie die Basis des gelebten Glaubens, da sie den Glauben in

ihrer Niedrigkeit erleben und verdienen dementsprechend eine würdige Anerkennung als

Hüter des Glaubens. Es sind besonders Mütter, die aufopferungsvoll der Familie dienen. Dabei kommt der grundlegende Aspekt zum Tragen, dass eine Mutter sich nie von ihrem Kind abwenden würde, ganz gleich was das Kind tat oder getan haben soll.

In dem Sinne wird im Text Maria Magdalena, als eine solche Mutter gewürdigt, die ihrem

Sohn auch in der (vermeintlichen) Schande beisteht. Sie wird begleitet von Müttern, die

Jesus und Maria nahe stehen, um ihm die letzte Ehre zu erweisen.

Frauen sind daher Zeugen des sterbenden Jesus, sie begraben ihn und sind auch erste Zeugen seiner Auferstehung.

Die Textpassage hebt nicht nur die Bedeutung der Frauen im Glauben, sondern unterstreicht

auch die Rolle von Maria im Glauben. In der Botschaft des Textes manifestiert sich die Ansicht, dass die Frauen ein gleichberechtigter Partner in der Gemeinschaft sind.

Gleichberechtigung wird hier allerdings daran gemessen, inwiefern die Frau ihre Rolle füllt.

In feministischen Kreisen der Neuzeit, wurde die Textpassage, als Beginn einer revolutio-

nären, gesellschaftlichen Umgestaltung gesehen: Frauen sind mit Jesus Auferstanden und

haben somit etwas Heiliges in sich, das nicht länger unterdrückt werden darf (Gleichberechtigung/ Emanzipation).

Abschließend soll ein Missverständnis geklärt werden. Es entsteht der Eindruck, dass Jesus

am Kreuz, die Frauen ignorierte, da er im Text zuvor beklagte, von allen verlassen zu sein.

Eher ist es so, dass Jesus sich der Treue der Frauen sicher sein konnte, aber enttäuscht von jenen war, für die er leidet und ihm nicht die letzte Ehre erweisen (Jünger).