6.2. Weitere Ur-Geschichten
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Turmbau zu Babel – von Pieter Bruegel d. Ä. (1563); Bildquelle: www.zeno.org
Dieser Abschnitt beinhaltet die weiteren Texte in der Genesis bis
zu den Vätergeschichten (ab Kapitel 12)
Im Wortlaut ermordet Kain seinen Bruder Abel aus Neid, weil die Opfergabe Abels von Gott mehr angesehen wurde. Da Kain seine Tat vor Gott nicht eingesteht und leugnet, verflucht ihn Gott. Daraufhin wird Kain seine Tat bewusst und bereut sie. Gott gibt ihm eine zweite Chance und mildert seine Strafe, für die er letztendlich selbst verantwortlich ist.
Schließlich gebietet Gott, dass niemand Kain für seine Untat richten (töten) darf.
Ab Vers 14 wird dargestellt, wie rasant sich Kains Nachkommen entwickeln. Sie bauen Städte, beherrschen die Schmiedekunst (Fortschritt) und fördern die Musik (Kultur).
Doch in ihrem egoistischen Streben würdigen sie sich selbst, erkennen nicht Gottes Tun
und verließen somit den Glauben. Entgegen dazu bekam Eva einen weiteren Sohn Seth, dessen Sohn Enoch wieder zum wahrhaftigen Glauben fand und Gott ehrte und seine
Taten würdigte.
Dazu muss man folgendes Wissen:
1. Es handelt sich hier überwiegend um einen jahwistischen Text (um 1.000 v. Chr.),
demzufolge ist die Geschichte mythologisch geprägt. Begriffe und Namen besitzen eine
Mehrdeutigkeit und der Text kombiniert menschliche und historische Bezüge (Aussagen).
2. Alle Namen haben einen übertragenen Sinn. Wichtig hierbei sind die Namen: Abel =
sinngemäß - der „Vergängliche“ (Kurzlebige); Seth = der „Ersetzende“ (Nachfolger für
Abel); Kain = der „Schmiedende“ (sowohl als Sinnbild für den Fortschritt, als auch in
der Bedeutung einen Plan schmieden). Henoch ist ein Nachfahre Kains, aber auch der
Name der ersten Stadt der Menschheit (laut Bibel). Möglicherweise könnte damit die
erste Stadt der Sumerer gemeint sein (Uruk).
3. Brudermord galt (bei vielen Völkern heute noch) in den vorderasiatischen Kulturen als
unverzeihliche Todsünde, die nur mit dem Tod des Mörders zu sühnen war.
Die israelische Kultur begann dahingehend umzudenken, indem sie das Mordmotiv dabei
berücksichtigte. Somit wird verständlich, warum Gott den Fluch über Kain milderte, weil
Kain Reue zeigte und Gott eine gewisse Mitschuld trug.
4. Gott hat Abels Gottesopfer mehr gewürdigt, als das von Kain. Dadurch fühlte sich Kain
abgewertet und ließ sich von seinem Neid leiten, statt auf Gottes beruhigenden Worte zu
hören. „Wenn du fromm bist, so kannst du frei den Blick erheben.“ Man muss also nicht
der Beste sein oder nach Einzigartigkeit streben, daher muss sich keiner dafür schämen
nichts Besonderes vollbracht zu haben oder einen geringen Stand zu haben. Wichtiger ist
es im Glauben zu stehen und dem Neid und der Missgunst zu widerstehen.
Die mythologische Aussage
Eine der größten Gefährdung der Menschheit liegt in seinen egoistischen Trieben. Neid
und Missgunst sind dabei die Faktoren, die Unrecht zwischen den Menschen bewirken.
In ihrem Streben entfernen sie sich daher von Gott, statt den Glauben in Bescheidenheit
zu leben.
Es kann halt nicht jeder der Beste sein oder eine bedeutende Stellung haben, also sollte
man in sich gehen, sich erkennen und seinem Stand bzw. seiner Fähigkeit entsprechen.
Wird man jedoch sündig, in Wort und Tat, so sollte man zu seinem Handeln stehen
(bekennen), damit die Strafe gemildert und dem reuigen Sünder eine neue Chance gegeben werden kann. Es genügt nicht seelenlos Gott zu würdigen, so wie es Kain tat und deshalb
sein Opfer nicht gewürdigt wurde. Wer mechanisch (Riten, Sitten) den Glauben umsetzt
und nicht den Glauben lebt, der entfernt sich von Gott.
Je weiter nun die kulturelle und technische Entwicklung voranschreitet (Entwicklung), je größer ist die Gefahr für die Zivilisation sich von Gott zu entfernen und sich selbst als Gott
zu fühlen oder sich imaginäre Götzen zu erschaffen.
Die historische Aussage
Im Text ist Abel ein Schafhirte und symbolisiert damit die Nomaden. Nach seinem Tod folgt ihm Seth und über Enosch bildet sich wieder ein Viehzüchter. Diese Nomaden bezeichnen somit den Ursprung der israelischen Stämme, die als gottesfürchtig charakterisiert werden.
Kain dagegen ist Ackerbauer, symbolisiert daher den kulturellen Aufstieg in Mesopotamien. Städtebau und Eisenschmiede sind typische Kennzeichen einer Hochkultur. Demzufolge stehen Kains Nachfahren für die vorsintflutlichen Kulturen, speziell der mesopotamischen
Kulturen seit den Sumerern und der zeitgemäßen Anspielung auf die Kanaanäer.
In deren Entwicklungsstreben lag immer die Gefahr sich von Gott zu entfernen und sich selbst als Götter aufzuführen oder Gott nur sporadisch zu ehren.
Trotz positiver Entwicklungen, wie der Musikkultur durch Jubal, stieg zugleich die Sünden- last, die in ihrem egoistischen Streben Gottes Wege ignorierten und sich stattdessen eigene Götzen (Götter) schafften.
In Lamech‘s Lied klingt die Sündenlast an, indem er erkennt, dass Kains Sünden 7 Mal gerächt werden sollten, aber seine Sünden (Lamech) 77-mal. Das heißt, die Summe der Verfehlungen sind bis zur Flut um ein Vielfaches angestiegen. Die jahwistischen Schriftgelehrten werfen damit den früheren Kulturreichen vor, sich von Gott entfernt zu haben, auch wenn und vor allem weil sie sich beachtlich entwickelt haben, aber zugleich
von einem arroganten Egoismus vergiftet wurden. Damit deklassieren die Schriftgelehrten die alten Kulturreiche und werten ideell das israelische Volk auf. Sie unterstreichen dabei, dass jene angebeteten Götter der Kulturreiche keine realen Götter sind, sondern definierbare (erfundene) Götzen, deren Kult im Sinne der Herrschenden stehen.
In den folgenden Texten wird dieser Gedanke weitergeführt und unterstreicht die Ansicht, dass es nur einen Gott gibt und der hat sich das Volk Israel als Gottesvolk ausgesucht.
Auf der Basis des entstandenen Königreichs prophezeiten die Schriftgelehrten jener Zeit,
dass Gott sein Volk Israel über die gesamte bekannte Welt herrschen lässt.
Wenn man jedoch den Text genauer analysiert, werden spätere Textkorrekturen deutlich,
weil die Geschichte anders verlief und Israel nicht über die Welt herrschte, sondern zur Zeit der Priesterschrift kein eigenes Reich mehr besaß.
Die biblische Genealogie umfasst die direkte Hauptlinie von Adam bis Noah und listet die bedeutendsten Personen auf. Es werden also keine Verzweigungen aufgeführt, die für einen Stammbaum typisch wären, sondern weitere Nachfahren bleiben namenlos („zeugte Söhne und Töchter“). Im eingefügten priesterlichen Text wurde versucht, die Bedeutung von Noah herauszustellen. So wurde Adams Sohn Kain nicht erwähnt, dafür aber der gottesfürchtige Seth, in deren Linie später Henoch und Lamech folgten.
Anders als im jahwistischen Text (Gen 4), wird hier Henoch („er wandelte mit Gott“) als besonders gottesfürchtig hervorgehoben. In Kapitel 4 ist jedoch Enosch gott-ergeben und Henoch ist ein direkter Nachfahre des „verfluchten“ Brudermörder Kain.
Das Problem ist hierbei die versteckte Wortsymbolik, die verschiedenartig auslegbar ist.
Im Wandel der hebräischen Sprache ist mit Enosch und Henoch offenbar dieselbe Person gemeint. Henoch bedeutet so viel, wie der Hingebende, der sich Gott Zuwendende.
Möglicherweise wollten die Priester, dem Stammbaum Kains (Gen 4), die gottesfürchtige
Line Seth dagegen setzen, deren Linien sich bei Henoch kreuzte und beide Stammbäume
mit Lamech endgültig zur verderbten Menschheit führte. Erst Noah, ist der Letzte und
der Einzige, der von Gott als vertrauenswürdig (gottesfürchtig) erachtet wird.
Für die Priester war es wichtig einen Stammbaum zu entwerfen, der im übertragenen Sinn
alle Völker der bekannten Welt (Sumerer, Assyrer, Ägypter) damit einschließt, um Gottes Anspruch auf die Welt zu unterstreichen. Alle Menschen sind Gottes Schöpfung, die sich
vor der Sintflut durch ihr böses Tun von Gott entfernten. Die priesterliche Genealogie zeigt dabei die Stammbaumlinie an, wodurch die Sintflut verhindert werden könnte. Aber mit
Lamech erreicht auch diese hoffnungsvolle Linie den Höhepunkt der Sünde.
Als Nachweis für die Sündenlast bedient sich die Priesterschrift der Zahlensymbolik.
Geamatrisch drücken die Alterszahlen das Verhältnis zu Gott aus und charakterisieren die Namen zusätzlich. Zudem werden absichtlich hohe Altersangaben (Methusalem 969 Jahre) verwendet, um die einstmalige Nähe der Menschen zu Gott darzustellen. Die beinahe die Unsterblichkeit symbolisiert und die möglich gewesene Rückkehr ins Paradies.
Die Zahlen haben somit eine Mehrfachdeutung (s. „5. Zeichen-Zahlen-Symbolik“), die von den Gelehrten unterschiedlich interpretiert wurden und werden. Wichtig ist, dass die Zahlen keine realen Altersangaben von Personen sind und auch keine Epoche (geistige Nachfolger) bezeichnen. Die Zahlen haben in ihrem Kern vor allem eine symbolische Aussage.
Die Genealogie spiegelt mit ihrer Symbolik einen Entwicklungsweg der Menschen wieder und macht den Anspruch Gottes auf die Welt deutlich.
Die Passage von den Gottessöhnen schloss sich ursprünglich am Kapitel 4 an und offenbart in knappen Worten den Gipfel der Sündhaftigkeit. Durch die eingeschobene Genealogie verschärft sich der Text von den Gottessöhnen in seiner Aussage.
Da Henoch (Enosch) mit Gott wandelte, fühlten sich deren Nachfahren in Gottes Gunst und führten sich selbstherrlich als langlebige Götter auf. Sie nahmen sich verwerfliche Rechte heraus („nahmen sich Frauen, welche sie wollten“) und Gott strafte sie, indem er das Lebensalter der Menschen auf 120 Jahre senkte. Doch die Menschen waren davon nicht belehrt und das Geschlecht Lamech brachte weiter das Bösartige auf die Welt, lediglich Lamechs Sohn Noah war eine Ausnahme.
Aber die anderen Nachkommen spielten sich als Gottessöhne auf und schufen Riesen, die über andere Menschen herrschten. Gottessöhne meinen letztendlich die falschen Priester,
die ihren eigenen Gott (vorstellen) schufen und sich selbst göttlich darstellten.
Riesen sind dagegen die weltlichen Herrscher, die durch die Priester ihren Stand errangen.
Im übertragenen Sinne sind damit die menschenverachtenden alten Hochkulturen gemeint.
Und alle berühmten Helden der Vorzeit waren verblendet von den Götzen, wo in Wahrheit Gott den Helden half. Es klingt hier bereits an, dass die Großreiche der Gegenwart, weiter vom alten Geist verblendet waren.
Weil Assyrer, Ägypter usw. aus der Sintflut nichts gelernt haben und weiterhin die Götzen anbeteten, konnten sie niemals zu Gottes Volk werden. Götzen ist hierbei die Bezeichnung für falsche Götter, die nach jüdischer Ansicht nicht existieren oder von den Herrschenden erschaffen wurden. Nur ihr Gott ist der einzig wahre Gott, der sein ausgesuchtes Volk
(Israel, Judäa) über die Welt herrschen lassen wird.
Aber noch muss das Volk dafür die Reife erwerben.
In wenigen Zeilen wird hier die ursprüngliche Feindschaft zwischen Israel und Kanaan erklärt. Die drei Söhne Noahs repräsentieren dabei die Völkerentstehung in der bekannten Welt. Im mythologischen Stil berichtet der Text vom Weingenuss Noahs, der danach
(betrunken) halb entblößt in seinem Zelt lag. Der Sohn Ham sah ihn in seiner Peinlichkeit und hatte nicht besseres zu tun, als anderen davon (marktschreierisch) zu berichten.
Noahs Söhne Sem und Japheth gingen daraufhin ins Zelt und bedeckten Noahs Nacktheit
und verloren über den Zustand des Betrunkenen kein weiteres Wort.
Ham wurde wegen seines Tuns von Noah dazu verdammt, der Diener seiner Brüder zu sein.
Der historische Hintergrund bezieht sich auf die Konkurrenz/Anspruch zwischen Israel und Kanaan, auf den Lebensraum Jordanland. Die Söhne werden auf der Basis der Geschichte
zum Ursprung von Stammvölkern.
Ham (Hamiten) wird zum Stammvater aller Völker, denen Israel gegenüber feindlich
gesinnt ist, wie Kanaan, Ägypten, Babylon, Assyrien, Lybier.
Japheth wird als Stammvater der Kultur und Handelsvölker in Kleinasien und Europa gesehen, wie Griechenland, Karthago, Phönizier, Persien, die Philister, Troja, Lydien.
Sem (Semiten) steht als Stammvater für die semitischen Völker (Nomaden) Vorderasiens,
wie die Aramäer, die Hebräer, Araber, Äthiopien, dem Volk Elam (Iran).
In der mythologischen Aussage wird hier vor dem Alkohol gewarnt und die Bloßstellung
als elementare Sünde hervorgehoben. Der Wein hatte für die Kanaanäer eine hohe kultische Bedeutung und wurde als Rauschmittel missbraucht. Mit wenigen Worte wird dem Volk
Israel das Weintrinken erlaubt, aber vor blamablen Folgen gewarnt. Es wird zwischen den Zeilen empfohlen, bestenfalls einen Becher Wein zu besonderen Anlässen zu trinken.
Der besondere Schwerpunkt dreht sich allerdings um die entwürdigende Bloßstellung und meint jede Art des Vorführens einer Person, der sich in einer misslichen Lage befindet.
Damit ist sowohl das diffamieren, als auch das lächerlich machen gemeint.
Zum respektvollen Umgang zwischen den Menschen gehört es, bei aller Peinlichkeit die Persönlichkeit eines Menschen zu achten, statt ihn über seine Schwächen zu entwürdigen.
Leider finden diese Zeilen in der heutigen Zeit immer weniger Beachtung. Viele Medien (Zeitung, Radio, Fernsehen, Internet) treiben die Bloßstellung auf die Spitze und nennen es Spaß und Satire. Gedankenlos trampeln Comedy Künstler, Reporter und Moderatoren auf
den Gefühlen von Menschen herum oder bringen sie in peinliche Situationen. Es wird heute
nicht mehr darüber nachgedacht, wenn Spaß beleidigend wird, da die Menschen (Publikum, Zuhörer) sich gern am Missgeschick anderer ergötzen.
Die später eingefügte Völkertafel versucht alle Völker der bekannten Welt in eine logische
Kette zu bringen, die von Noahs Söhnen abstammen. Hiermit wird erneut betont, das alle
Menschen der Welt zu Gottes Schöpfung zählen, aber im Gegensatz zum Volk Israel haben
sich die anderen Völker mit ihren Götzen von Gott entfernt.
Japheth Nachkommen sind konkret, demnach alle Völker, die keinen direkten Einfluss auf das Jordanland hatten. So sind mit Madai, die Meder; mit Jawan (oder Jonier), die Griechen und mit Tarsis, die phönizischen Kulturen (Karthago, Philister) gemeint.
In direkter Konkurrenz um das Land befinden sich jedoch die Semiten und Hamiten.
Mit Hamiten (Ham) werden im Prinzip alle verhassten Völker benannt. Das betrifft alle
bekannten Völker Afrikas (Ägypten, Nubien/Sudan, Libyen), die Dynastien im Süden Mesopotamien (Akkad, Babylon) und Kanaan. Besonders hervorgehoben wird Nimrod und bezeichnet eine besonders grausame Dynastie von Babylon, deren Geist sich nach Assur verbreitete und später die Philister vergiftete. Historisch nicht immer korrekt, versuchen die
Priester (um 500 v. Chr.) Erklärungen zu finden. Mit ihrer Deutung erklären sie, warum die Philister mal Freund und mal Feind sind, obwohl die Ursachen dafür einen anderen Hintergrund haben (s. Geschichte).
Ebenso sind die Kanaanäer ursprünglich meistens ausgewanderte Aramäer gewesen und
sind demnach Semiten, aber die Völkertafel spricht ihnen diese Herkunft ab.
Letztendlich spielt die historische Stimmigkeit in diesem Text keine Rolle, sondern dient lediglich dazu, die Völker einzuordnen und die Bedeutung Israels als Gottesvolk zu heben. Mit Semiten (Sem) sind hierbei die Völker gemeint, die keinen verwerflichen Ruf hatten.
Speziell bedeutsam sind das Reich Elam und das Volk der Aramäer.
Elam war ein Kulturreich im heutigen Südwest-Iran und Aramäer war ein Sammelbegriff
für die Nomadenvölker im heutigen Raum Nordsyriens.
Nach neueren Erkenntnissen könnten die Aramäer auch südlich von Mesopotamien gelebt haben, bis sie von den Akkadern um 2.000 v.Chr. vertrieben worden sind. Ein Teil davon besiedelte daraufhin das Jordanland (Kanaan) und der Großteil wurde zunächst in die Wüste
(Arabien) getrieben, bis sie nach Nordsyrien wanderten. Möglicherweise haben sich bereits um 1.500 v.Chr. einige Nomadenstämme ebenfalls im Jordanland niedergelassen oder drangen als Vertriebene (durch Assyrer) von Norden ins Jordanland ein.
Auffällig ist, dass bei der Bezeichnung der Semiten nur wenige Völker benannt wurden und dafür Untergruppierungen der Aramäer erwähnt wurden. Möglicherweise wollten die Priester
symbolisch Gottes Gunst auf die aramäische Linie einschränken, wodurch Israels Bedeutung
hervorgehoben wurde. So gesehen fixiert sich das Wort Semiten auf die Völker mit einer aramäischen Abstammung, also den Völkern Israels. Geschichtswissenschaftlich bezeichnet jedoch das Wort Semiten alle Völker Vorderasiens, die ihren Ursprung in Mesopotamien hatten.
Zunächst wird die Geschichte von den Menschen in Babel erzählt, die einen Turm bauen wollten, um Gott nahe zu sein. Gott schickte daraufhin die Sprachverwirrung.
Ab Vers 10 folgt dann der Stammbaum von Sem bis Abram (Abraham).
Erneut mischten die Schriftgelehrten mythologische mit historischen Aussagen.
Mythologisch wird hier simpel erklärt, warum die Menschen unterschiedlich sprechen, wo
sie doch alle denselben Ursprung haben (Noahs Söhne). Darüber hinaus wird zugleich der unterschiedliche Sprachgebrauch angedeutet. Nicht nur die Sprachen der Völker sind verschieden, sondern innerhalb eines Volkes entwickeln soziale Schichten eine eigene Sprache, ihr spezifisches Sprachverständnis, heute Slang genannt.
Um sich vom Volk abzuheben prägte die herrschende Schicht beispielsweise ihre eigene
Sprache, wodurch Wörter entstanden, die das gemeine Volk kaum noch verstehen konnte.
In etwa so, wie wir heute von Fachchinesisch oder vom Beamtenlatein reden.
In dem Zusammenhang sollte betont werden, dass die Antike im Vergleich zu heute, nur
maximal 25% der Worte von heute kannten. Allein das Wort „Böse“ umfasst deshalb eine Vielzahl von Begriffen, die heute das Wort „Böse“ näher beschreiben. Damals fand man
dafür keine anderen Worte und brauchte sie auch nicht, da jeder eine eigene Vorstellung davon hatte. Aufgrund dessen versteht sich, dass alte Schriften sehr sparsame Texte haben und sich auf das Nötigste im Verständnis beschränken.
Im Turmbau zu Babel wird ein weiterer Aspekt herausgestellt, der auf die Überheblichkeit der Menschen zielt. Im Rahmen des Fortschritts neigt der Mensch dazu, sich anmaßend mit
Gott gleichzustellen („nun wird ihnen nichts mehr verwehrt werden können von allem, was sie sich vorgenommen haben“).
Die Dreierbeziehung Gott-Mensch-Natur droht auseinanderzubrechen, der Mensch bringt
die Schöpfung Gottes in Gefahr. Zudem klingt an, dass ein tödlicher Konflikt zwischen Herrschenden und Beherrschten entstehen wird. Die Stadt Babel würde sich als Zentrum
der Welt etablieren und die Herrscher könnten sich wieder als Gottessöhne darstellen und damit den wahren Geist Gottes unkenntlich machen. Damit dies alles nicht geschieht, beschließt Gott, den Turmbau zu sabotieren. Aber letztendlich ist es die Arroganz der Menschen selbst, dass sie sich beim Bau des Turms nicht mehr verstehen. Das entspricht
in etwa der heutigen Politik, wo man um Wort feilscht und deshalb nicht fähig ist, einen Beschluß zu fassen.
Historisch ist mit Babel natürlich Babylon gemeint. Nach der propagierten Ansicht ist
hierbei das Babylon der Exilzeit (um 500 v.Chr.) gemeint. Das erscheint aber unlogisch,
da der Turmbau zu Babel eine jahwistische Schrift ist und zu jener Zeit Babylon keine Supermacht war. Das aber spielt keine Rolle.
Unter König Hammurapi (1792 -1750) erlebte Babylon seinen großen Aufschwung, neben der politischen Macht wuchs die Stadt zum bedeutendsten Kulturzentrum seiner Zeit heran. Mit dem Codex des Hammurabi war eine beispielgebende Rechtsordnung entstanden. Allerdings wurden viele Straftaten mit der Todesstrafe geahndet. Babylon hatte damit den Ruf einer besonders grausamen Herrschaft und einer unmenschlichen Sklaverei, die den Luxus der Stadt ermöglichte. Als Kulturstadt besaß Babylon stets einen Sonderstatus, selbst später unter assyrischer und persischer Herrschaft. Erst mit den Griechen verlor die Stadt seine kulturelle Bedeutung und mit der Seleukiden-Herrschaft (um 320 v.Chr.) zerfiel die Stadt und wurde vermutlich durch die Parther zur Ruinenstadt. Der relevante Zeitraum für den Turmbau zu Babel, war vermutlich um 1126 -1104 v.Chr., als Nebukadnezar I. die Stadt Babylon wieder zu einer militärischen Macht führte. Die Gefahr war groß, dass Babylon
das Jordanland erobern könnte, aber die Assyrer stoppten die babylonische Expansion. Dennoch war Babylon der Inbegriff für Überheblichkeit, eine despotische Herrschaft und
einem grausamen Glaubenskult.
Mit diesem Image eignete sich die Stadt hervorragend dazu, Gottes Strafe darzustellen.
Es hat zwar nie einen wirklichen Turmbau in Babel gegeben, aber dagegen war die Stadt
wegen ihrer gigantischen und luxuriösen Bauwerke bekannt (z.B.: die hängenden Gärten). Mit der Geschichte wurde zugleich eine Botschaft verbunden. Den luxuriösen Aufstieg von Babylon hatten sie Gott zu verdanken, aber anstatt ihn entsprechend zu ehren, wendeten sie sich ab und schufen sich ihre eigenen Götzen.
In Form der Assyrer wurde Babylon für seinen Hochmut bestraft und auch den Assyrern
wird es nicht gelingen, eine alles beherrschende Macht zu werden. Im Tenor der Geschichte erklärt der Turmbau zu Babel, dass sich die Menschheit auf der Welt verteilen wird und es wird niemals eine welt-beherrschende Macht geben, es sei denn sie ist im Bunde mit Gott.
Mit dem Turmbau zu Babel endet die Urgeschichte im AT. Überleitend zur Vätergeschichte haben die Gelehrten im babylonischen Exil (um 500 v.Chr.) einen Stammbaum eingefügt.
Die Genealogie zeichnet die direkten Nachfahren von Sem bis Abram (Abraham) nach.
Wichtig hierbei ist, dass Terach mit seinem Sohn Abram und seinem Enkel Lot nach
Kanaan zogen, wodurch die Geschichte des Volkes Israel begann.