37.
William Isaacs
Dialog als Kunst gemeinsam zu denken
Die neue Kommunikationskultur in Organisationen
EHP - Verlag Andreas Kohlhage, Bergisch Gladbach 2011, 34€
Durch Zufall bin ich auf dieses Buch gestoßen. Für die Gestaltung einer Paartherapie und für all diejenigen von uns, die im beraterischen Setting auch Gruppen leiten, finde ich dieses Buch mehr als hilfreich. Es macht deutlich, was notwendig ist, damit aus einzelnen Positionen mehr wird. Isaacs geht davon aus, dass wir in alltäglichen Gesprächen nicht in der Lage sind, einander richtig zuzuhören. Für ihn ist der Dialog die Möglichkeit, von der Verteidigung eigener Sichtweisen wegzukommen, hin zu einem gemeinsamen Verständnis. Die hier vorgestellten Praktiken des Dialogs vermitteln ein Gefühl der Ganzheit, zusammengenommen verleihen sie einem Gespräch Ausgeglichenheit, Elastizität, Stärke und Lebendigkeit. Wenn nur eine von diesen Haltungen fehlt, ist ein Gespräch weniger ganz, weniger effektiv, irgendwie wirkt es wie tot. Alle Prinzipien wirken zusammen, unterstreichen die Prinzipien der Partizipation, Kohärenz, Bewusstheit und Entfaltung.
Paare, die in die Beratung kommen, wünschen sich Unterstützung dabei, wieder miteinander ins Gespräch zu kommen. Wenn wir als Therapeut*innen mehr auf das achten, was sich vor unseren Augen abspielt als auf das, was wir hören, erleben wir nicht selten, dass die Beteiligten zur Polarisierung neigen, sich an eigenen Positionen festhalten und wichtige Informationen zur Lösung der Probleme zurückhalten. So allerdings kann das Miteinander eines Paares sich nicht verändern. Die Partner bemühen sich zwar ihr Wissen oder Ihre Meinung in Worte, das heißt in explizites Wissen zu fassen. Aber ihr implizites Wissen lässt sich eben nicht so einfach in explizites Wissen verwandeln. Denn implizites Wissen ist etwas völlig anderes und zeichnet sich eben zunächst dadurch aus, dass es keine Worte dafür gibt. Wie also einen Boden dafür bereiten, dass das implizite Wissen sich entfalten kann und so das Miteinander verändern? Oder ganz konkret: implizit suchen Paare eine Beratung auf, weil sie zusammenbleiben wollen, explizit beschreiben sie etwas, was sie an der Oberfläche erleben, wie sie verhindern, sich wirklich zu begegnen, zu synchronisieren. So bedeutet Dialog die Möglichkeit, von der Verteidigung eigener Sichtweisen wegzukommen, hin zu einem gemeinsamen Verständnis.
Ausführlich werden Beispiele für die verschiedenen Entwicklungen hin zu einer Dialogkultur beschrieben. Diese stammen ausschließlich aus der Arbeitswelt oder aus der Politik: Es geht um Auseinandersetzungen zwischen Gewerkschaftsvertretern und Arbeitgebern oder um Friedensbemühungen zwischen Israelis und Palästinensern. Vielleicht ist das die Ursache, dass mir dieses Buch noch nicht zuvor in die Hände gefallen ist. Im Folgenden meine Adaption für die Arbeit mit Paaren anhand der vier Kriterien, die einen Dialog als Kunst gemeinsam zu Denken auszeichnen.
Rezension von Dr. Rudolf Sanders