Dec 6, 2023
Climate Lab - Impact Story
Matratzenkreislauf
Der Impact: 1 Mio Matratzen werden jedes Jahr in Österreich verbrannt - Mit zirkulären Matratzen soll sich das ändern - und Rohstoffe sowie 200.000t CO2 eingespart werden.
Hard Facts |
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Durchschnittliche Zusammensetzung österreichischer Matratzen[2]:
Treibhausgaspotential (THG in CO2-eq.) nach Matratzentyp1:
Kontakt
Markus Palzer-Khomenko (Climate Lab, Communication Manager): markus.palzer-khomenko@climatelab.at, 0664 364 77 53
Fotos und Grafiken
Bilder und Fotos finden sie hier sowie auf Nachfrage
Abschlussbericht und Umsetzungsplan
Weitere Links
Involvierte Unternehmen und Organisationen
Zirkuläre Matratzen
In Österreich werden jährlich 1 Mio Matratzen verbrannt. Das soll sich ändern. Climate Lab hat gemeinsam mit dem Bundesministerium für Klimaschutz Produzenten, Händler und Entsorger an einen Tisch geholt, um gemeinsam Lösungen für einen geschlossenen Matratzenkreislauf in Österreich zu finden.
Wenn es um Klimaschutz geht, sind Matratzen sicher nicht das erste Thema, das einem in den Sinn kommt. Das liegt daran, dass man die Größenordnung des Problems unterschätzt. Nicht nur in den eigenen 4 Wänden, auch in Hotels, Krankenhäusern, beim Bundesheer oder in Gefängnissen gibt es Matratzen, die auch noch deutlich häufiger gewechselt werden. So fallen allein in Österreich jedes Jahr 1 Mio Matratzen an. In der gesamten EU sind es gar 30 Mio Stück. Dabei entstehen in Österreich nicht nur jährlich 200.000 Tonnen CO2, sondern es gehen auch Rohstoffe verloren, die genutzt werden könnten.
Damit sich in Österreich etwas ändert, wurde im Climate Lab im Auftrag des Bundesministerium für Klimaschutz ein Programm zur Etablierung eines Matratzenkreislaufs in Österreich durchgeführt. Dazu wurden in einer Reihe von Industry Circles, Workshops und Einzelgesprächen Vertreter:innen der Branche und Expert:innen für Produktion, Vertrieb, Sammlung, Entsorgung und Wiederaufbereitung eingeladen und über mehrere Monate hinweg miteinbezogen. Dabei wurden aktuelle Herausforderungen und Handlungsoptionen für die Unternehmen und Behörden in Österreich identifiziert.
Umweltbelastung durch Rohstoffgewinnung
Wirft man einen genaueren Blick auf die Emissionen durch Matratzen, stellt man überrascht fest: Nicht die Verbrennung, sondern vielmehr die Rohstoffgewinnung ist für den überwiegenden Teil, nämlich 80-90% der Emissionen verantwortlich. Das zeigt den großen Wert, den die Materialien in den Matratzen besitzen. Matratzen sind damit eigentlich viel zu schade, um sie der “thermischen Verwertung” zuzuführen. Alternativen sind mechanisches und chemisches Recycling für Matratzenkerne und Textilbezug.
Zwischenlösung Downcycling
Bereits heute lassen sich Federkernmatratzen und insbesondere die darin enthaltenen Stahlfedern gut wiederverwenden. Anders ist die Situation bei Polyurethanschaum (PUR) und Latex-Matratzen. Für mechanisch recycelten Polyurethanschaum gibt es viele mögliche Anwendungen: Stallmatten, Unterboden für Teppiche, Anwendungen in Sporthallen, schallisolierendem Material oder Fußmatten in Autos. Sogar als Schutzschicht beim Transport von Glas sind diese Schaumstoffe gefragt. All das darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich dabei um Downcycling handelt. Mit anderen Worten: Die Qualität des Rohstoffes nimmt immer weiter ab und am Ende steht irgendwann doch die Entsorgung. Das spart zwar Primärrohstoffe, aber ein echter Matratzenkreislauf lässt sich so nicht etablieren.
Mischmaterialien als Problem
Eine besondere Herausforderung beim Recycling sind Mischmaterialien, sprich unterschiedliche Materialien, die im Zuge der Herstellung eng miteinander verbunden wurden und nur schwer wieder zu trennen sind. Im Fall der Matratzen ist es teilweise gut möglich, den Kern vom Rest zu trennen. Die übrigen Textilien sind jedoch oft gemischte Stoffe, die sich kaum weiter auftrennen lassen. Leider wird die Verwertung am Lebensende des Produktes nach wie vor viel zu selten mitgedacht. Immerhin, erste Pilotversuche zum Recycling von textilen Mischmaterialien gibt es bereits.
Chemisches Recycling als Lösung
Im Falle von PUR- und Latex-Matratzen kommen wir für einen echten Matratzenkreislauf an chemischem Recycling letztlich nicht vorbei. Chemische Verbindungen werden getrennt und wieder in ursprüngliche Bestandteile, wie Polymere oder sogar Monomere, zerlegt. Dadurch werden Ausgangsmaterialien geschaffen, die die gleiche Qualität aufweisen wie Primärrohstoffe. Geringe Verluste im Prozess sind dabei unvermeidlich und müssen ersetzt werden, aber das ist letztlich nur ein Bruchteil dessen, was für die Herstellung aus 100% Primärrohstoff nötig wäre. Auch für das chemische Recycling gilt: Monomaterialien und leichte Trennbarkeit der Komponenten machen das Leben einfacher.
Matratzen im Kreislauf, geht das überhaupt?
Der Blick in andere Länder macht sicher: Ja das geht. In den Niederlanden hat der Hersteller Auping eine 100% kreislauffähige Matratze entwickelt. Die Entwicklung hat bereits vor ca. 10 Jahren begonnen. 2018 entwickelten sie die Matratze “Evolve”, deren Materialien (Stahl und Polyester) ohne Qualitätsverlust zu 100% recycelt und wiederverwendet werden können. Den Erfolg ermöglichte unter anderem ein Systems der erweiterten Herstellerverantwortung (extended producer responsibility oder kurz EPR-System), wonach bereits dieses Jahr 55% der Matratzen recycelt werden sollen. Für 2028 sind 75% anvisiert. Auch in Belgien ist ein vergleichbares, vielversprechendes System bereits im Einsatz. 75% Recycling sollen hier bis 2030 erreicht werden. Weitere Erfolgsgeschichten mit EPR-Systemen kommen aus den USA. In Connecticut stieg die Recyclingrate im Jahr der Einführung von 8,7% auf 63,5%!
Wie funktioniert ein Extended Producer Responsibility (EPR) System?
Ein EPR-System bietet den notwendigen rechtlichen Rahmen, um Matratzen getrennt zu sammeln und aufzubereiten, ohne die Unternehmen in der Wertschöpfungskette in Ihrer Innovationskraft zu hindern. Es stellt die Finanzierung der verschiedenen Teilschritte eines Matratzenkreislaufs wie etwa Sammlung, Sortierung und Wiederaufbereitung sicher und schafft Anreize, kreislauffähige Matratzen auf den Markt zu bringen und die Recyclingquote zu erhöhen. Denn Nachhaltigkeit und Klimaneutralität müssen sich auch lohnen.
Schweizer Matratzenallianz als Vorbild
Auch das Lieblingsvorbild der Österreicher:innen, die Schweiz, zeigt vor, wie es gehen kann. Dort hat man sich in der ‘Schweizer Matratzenallianz’ zusammengetan, um einen sinnvolleren Umgang mit Matratzen zu finden. Esther Hidber, Geschäftsführerin der Allianz hat dieses Modell beim Industry Circle, der Auftaktveranstaltung im Climate Lab, den österreichischen Vertreter:innen der Branche vorgestellt. Ausschlaggebend für die Gründung der Allianz war die Initiative “Make Furniture Circular” aus dem Jahr 2021. Die Ziele sind einfach:
Ähnliche Impulse erhoffen sich die österreichischen Branchenvertreter:innen nun auch durch das laufende Programm im Climate Lab.
Innovation aus Österreich
Auch hierzulande tut sich was! Das Wiener Startup ‘MATR’ hat nicht nur eine kreislauffähige Matratze im Angebot, sondern bietet Matratzen auch als Service an. Anstatt Matratzen zu kaufen, kann man sie auch mieten und zurückgeben, sobald man sie nicht mehr braucht (oder will). Hier erhascht man schon einen ersten Blick auf die Zukunft. “Product as a Service” wird ein wichtiger Bestandteil einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft sein.
Der Salzburger Hersteller Elastica hat mit der Matratze ‘Loop’ ebenfalls einen zirkulären Lösungsansatz entwickelt, der sich bereits an der Eco-Design-Verordnung orientiert. Der Bezug besteht aus recyclingfähigem Monomaterial und der Kern enthält Schaumstoffen und ist frei von Klebeverbindungen. Am Ende der Lebensdauer nimmt Elastica die Matratze wieder zurück, um sie dann mechanisch zu recyceln. Auch ein digitaler Produktpass mittels RFID-Chip ist bereits in die Matratze integriert und der passende Betteinsatz ist einfach zerlegbar und kann auch repariert werden.
Das österreichische Unternehmen Neveon wiederum forscht gemeinsam mit BASF an der Weiterentwicklung des chemischen Recyclings und der Skalierung der Technologie für den industriellen Maßstab. Dabei wurden in ersten Pilotversuchen und Tests vielversprechende Ergebnisse erzielt. Bis zu einer industriellen Anwendung ist aber noch ein wenig Geduld gefragt.
Fahrplan in den Kreisverkehr
Wie also schaffen wir es, auch in Österreich den Weg zum Kreislauf zu finden? Der Umsetzungsplan, der am Ende des Climate Lab Programms steht, gibt die Richtung vor. Darin wird ein ganzes Bündel von nächsten Schritten und Pilotprojekten aufgeführt, die aus Sicht der involvierten Unternehmen, Behörden und Expert:innen geeignet sind, um den Kreislauf zu schließen. Zu den wichtigsten Empfehlungen und vorhaben zählen:
Die Verlängerung der Lebensdauer von Matratzen ist neben der Kreislauffähigkeit ein weiterer Hebel, um Ressourcen und Energie zu sparen. In Wien betreibt MatWash eine Anlage zur Matratzenreinigung. Anstatt die alte Matratze zu entsorgen, kann sie hier gereinigt werden - für hygienische Matratzen bis ins hohe Matratzenalter.
Welche dieser Maßnahmen bis zu welchem Zeitpunkt zur Umsetzung kommen, liegt nun in den Händen der österreichischen Matratzenbranche und der zuständigen Behörden.
Über Climate Lab
Was Climate Lab besonders macht
Wir sind der Turbo für die Klimawende! Die Herausforderungen der Klimawende sind oft sehr komplex. Es braucht viele unterschiedliche Akteure und viel Kommunikation, um wirksame Lösungen zur Umsetzung zu bringen. Climate Lab bringt Stakeholder aus Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung, Gesellschaft sowie Start-ups und Scale-ups zusammen an einen Tisch und bereitet den Weg zur gemeinsamen Lösungsfindung. Climate Lab ist somit ein Katalysator für Klimalösungen und Kreislaufwirtschaft.
Wer wir sind
Das Climate Lab ist ein Ort für Lösungen für Klimawende und Kreislaufwirtschaft. Wir begleiten und unterstützen Unternehmenspartner bei Projekten auf dem Weg zur Klimaneutralität und Nachhaltigkeit, betreuen eine Community aus Start-ups und Scale-ups, die unser Coworking und Netzwerk Angebot nutzen, entwickeln und pflegen ein Netzwerk aus Organisationen und Behörden, die sich für Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft einsetzen und betreiben die Climate Stage als Veranstaltungsort.
Was wir tun
Climate Lab findet Lösungen für Klimawende und Kreislaufwirtschaft. Unsere Schwerpunkte liegen auf den Sektoren mit dem größten Potenzial zur Verringerung der globalen Treibhausgasemissionen und für den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft. Dazu zählen Mobilität, Energie, Bauen sowie Kreislaufwirtschaft. Um diese Ziele zu erreichen, gehen wir Partnerschaften mit großen Unternehmen und österreichischen Marktführern ein, um gemeinsam in sogenannten Multi-Partner-Programmen (MPP’s) Lösungskonzepte für die Problemstellungen der Wirtschaft auf dem Weg zur Klimaneutralität und Nachhaltigkeit zu finden. Das besondere ist der Sektor-übergreifende Ansatz, der den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichsten Akteuren erlaubt. Damit ist es möglich, auch komplexe Probleme anzugehen, deren Lösung die Mitarbeit unterschiedlichster Stakeholder erfordert.
Climate Lab Community
Unsere Community setzt sich aus unseren Unternehmenspartnern, Öksystempartnern aus Verwaltung und Zivilgesellschaft und aus den Start-ups und Scale-ups, die den Coworking Space des Climate Lab nutzen, zusammen. Mit Community-Events stärken wir den Austausch und die Zusammenarbeit in unserer Community und schaffen ein starkes Wir-Gefühl. Wir sind überzeugt, dass die Klimawende nur gemeinsam gelingen kann.
Die Hybrid Climate Stage
Für Veranstaltungen zu Klimaneutralität und Kreislaufwirtschaft gibt es im Climate Lab ein ganzes Stockwerk - unsere hybride Climate Stage. Die Climate Stage ist ideal für Events mit 10 - 50 Besuchern. Die dynamische Raumteilung sorgt für die passende Raumgröße und erlaubt bis zu 6 Breakout-rooms zur selben Zeit. Die moderne Ausstattung mit Kameras, Bildschirmen und Tonanlage ermöglicht Aufzeichnungen, Livestreams und Konferenzschaltungen.
Ab Herbst 2023 werden wir zum Träger des österreichischen Umweltzeichens und damit zur “Green Location” und einem idealen Veranstaltungsort für zertifizierte “Green Meetings” und “Green Events”.
Unsere Geschichte
Climate Lab wurde 2021 durch den Klima- und Energiefonds und das Klimaschutzministerium (BMK) gemeinsam mit der Wien Energie, EIT Climate-KIC und Impact Hub initiiert. Die Räumlichkeiten im Hundertwasserturm in der Spittelau wurden am 29. September 2022 eröffnet. Am 15. Februar 2023 wurde Climate Lab auch zum österreichischen Zentrum für Kreislaufwirtschaft. Gemeinsam mit unseren Gründungspartnern teilen wir die Überzeugung, dass die auf dem Weg zur Klimaneutralität notwendigen Lösungen sich nur in neuen Partnerschaften entwickeln lassen. Quer über Branchen und Sektoren müssen wir zusammenarbeiten, wie nie zuvor.
[1] Cordella, M., Wolf, O. (2013): Revision of the EU Ecolabel Criteria for Bed
[2] World Bank: The World Mattress Industry