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1885 Southern-Pieper, Theses on Life in Faith
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1885 Southern District - essay by Franz Pieper: “Theses on Life in Faith”

OCR’d by BackToLuther July 22, 2015

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Lehrverhandlungen.

Vom Glauben wollen wir reden, aber vom Glauben in einer ganz bestimmten Hinsicht. Nicht von der Entstehung des Glaubens, oder wie ein Mensch zum Glauben komme; davon haben wir bei der ersten Synodalversammlung gehandelt, indem wir die Lehre von der Bekehrung besprachen. Auch wollen wir nicht vom Glauben reden, insofern ein Mensch nicht durch Werke, sondern allein durch den Glauben an das Evangelium gerechtfertigt wird; die Lehre von der Rechtfertigung war der Gegenstand der  


8                    Verhandlungen des Südlichen Districts

 

Lehrverhandlungen bei der zweiten Synodalversammlung. Wir wollen auch nicht vom Glauben reden, insofern der Glaube die Quelle der guten Werke ist; denn auch davon haben wir bereits bei der zweiten Synodalversammlung gesprochen. Wir wollen jetzt reden von dem Leben eines Christen im Glauben, insofern der Glaube nicht ein Sehen,. Begreifen, Fühlen u. s. w., sondern ein einfältiges Hangen am Worte Gottes ist. Ein Christ lebt gleichsam in zweierlei Welten: im natürlichen (bürgerlichen) und im geistlichen Leben. In dem ersteren geht es nach den natürlichen Sinnen, dem Sehen, Begreifen u. s. w., einher, weil die Dinge des natürlichen Lebens den natürlichen Sinnen und der natürlichen Vernunft unterworfen sind. Aber anders steht es mit dem geistlichen Leben. Dasselbe ist ein ganz anderes Gebiet. Das ganze geistliche Leben und alle Dinge, mit denen es zu schaffen hat, liegen über die natürlichen Sinne und die Vernunft hinaus. Darum gilt für dieses Leben auch ein ganz anderes Gesetz. Hier heißt es nicht Sehen, Begreifen, Fühlen u. s. w., sondern hier geht Alles im Glauben, im Glauben an Gottes geoffenbartes Wort, einher.

Es ist ein überaus wichtiger Gegenstand, dem wir uns zuwenden. Denn das ist gewiß: alles Abirren in Lehre und Leben kommt schließlich daher, daß man herausfällt aus dem Leben im Glauben, daß man in geistlichen Dingen nach den natürlichen Sinnen und der menschlichen Vernunft einhergehen will. Verstehen wir uns dagegen durch Gottes Gnade recht auf das Leben im Glauben, so werden wir vor Abfall sowohl in der Lehre als auch im Leben bewahrt bleiben. Darum ist es auch die Aufgabe des Predigtamts, das Leben im Glauben zu erwecken, zu erhalten und zu stärken. Geschieht dies recht durch den Dienst eines Predigers, dann tut er denen, welche ihn hören, die rechte Handreichung; dann erhebt er dieselben über alle Dinge der Erde und läßt sie über Sünde, Welt und Teufel triumphiren. Darum hat auch Luther gerade immer dieses Thema: „Das Christenleben ist ein Leben im Glauben des Wortes Gottes", getrieben — mochte er vor den Studenten seine Vorlesung halten oder auf der Kanzel stehen und dem Volke predigen. Man lese in Bezug auf diesen Punkt z. B. nur seine Auslegung des ersten Buches Mosis.

 

Thesen vom Leben im Glauben.

Thesis 1.

Glaube ist nicht ein Sehen, Begreifen, Fühlen 2c., sondern ein einfältiges Hangen am Worte Gottes. In solchem Glauben geht das ganze Christenleben auf Erden einher. Wird Beides nicht festgehalten, so ist Schiffbruch in Lehre und Leben die notwendige Folge, während andererseits wahr ist: je besser es mit dem Glauben steht, desto


der Synode von Missouri, Ohio u. a. St. 1885.,                    9

 

besser steht es auch mit dem Christenleben. Durch den Glauben hat und vermag der Christ Alles; ohne Glauben hat und vermag er nichts.

Hebr. 11, 1. Röm. 4, 18—22. Joh. 20, 29. 1 Joh. 3, 2. Röm. Z, 24. 2 Cor. 10, 5. Matth. 8,13. 9, 2. 15, 28. Marc. 9, 23. Matth. 14,28—31. Ies. 7, 9. Hebr. 11. 1 Joh. 5, 4. 2c.

Thesis 2.

Glaube ist nur da, wo geglaubt wird, daß Gott allein um Christi willen gnädig sei, mit andern Worten: wo die Gnade rein gelehrt wird. Pelagianismus, Synergismus 2c. sind der Todfeind des Glaubens.

Röm. 5, 1-11. 2 Joh. 9. Eph. 3, 12. 1 Joh. 2, 28. Ies. 7, 9. vgl. V. 10—14. Ps. 3, 5. i Joh. 5, 5. 2c.

Thesis 3.

Glaube ist nur da, wo GottesWort ist. Wo Gottes Wort aufhört, hört auch der Glaube auf. Was ohne Gottes Wort für Glauben gehalten und ausgegeben wird, ist Wahn und Aberglaube.

1 Petr. 4, 11. Spr. 30, 6. Ies. 8, 19. 20. Joh. 8, 30. 31. Röm. 10,17. Matth. 4, 5—7. 2c.

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Thesis 1.

Glaube ist nicht ein Sehen, Begreifen, Fühlen 2c., sondern ein einfältiges Hangen am Worte Gottes. In solchem Glauben geht das ganze Christenleben auf Erden einher. Wird Beides nicht festgehalten, so ist Schiffbruch in Lehre und Leben die notwendige Folge, während andererseits wahr ist: je besser es mit dem Glauben steht, desto besser steht es auch mit dem Chriftenleben. Durch den Glauben hat und vermag der Christ Alles; ohne Glauben hat und vermag er nichts.

Hebr. 11,1. Röm.4,18—22. Joh. 20, 29. IJoh. 3, 2. Röm. 8,24. 2Cor. 10, 5. Match. 8, 13. 9,2. 15,28. Marc. 9, 23. Matth. 14, 28—31. Ies. 7, 9. Hebr. 11. 1 Joh. 5, 4. 2c.

In unseren Thesen wird zunächst auf die Art und Natur des Glaubens hingewiesen und eingeschärft, daß zwischen Glaube einerseits und Sehen, Begreifen 2c. andererseits Wohl zu unterscheiden sei. Diese Unterscheidung lehrt uns die heilige Schrift selbst. Führen wir hier nur einige Schriftstellen an.

 


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Hedr. 11, 1. heißt es: „Es ist aber der Glaube eine gewisse Zuversicht deß, das man hoffet, und nicht zweifeln an dem, das man nicht siehet." Dies ist eine Stelle, in welcher, wie jedermann sieht die Art und Natur des Glaubens beschrieben und ausdrücklich ge! sagt wird, was der Glaube sei. Und hier heißt es: Gegenstand des Glaubens sei das, „das man hoffet" und „das man nicht siehet". Der Glaube ist also das Gegenteil vom Sehen.

Hierher gehört Röm. 4, 18—22. An dieser Stelle wird die Ar t des Glaubens an dem Beispiele Abrahams beschrieben. Abraham war die Verheißung geworden, daß aus ihm ein großes Geschlecht, und in diesem Geschlecht der kommen sollte, durch welchen alle Völker der Erde gesegnet werden sollten. Und dieser Verheißung glaubte Abraham. Worauf aber gründete sich dieser Glaube? Nicht aus etwas, das vor dem natürlichen Auge lag, und auf das Urteil der Vernunft, sondern einzig und allein auf das Wort der göttlichen Verheißung. Abraham „hat geglaubet auf Hoffnung, da nichts zu hoffen war". Wie ging es also zu bei dem Glauben Abrahams? Das sagt uns St. Paulus ganz ausdrücklich. Erstlich schloß Abraham sein natürliches Auge. „Er sah nicht an seinen eigenen Leib, welcher schon erstorben war, weil er fast hundertjährig war, auch nicht den erstorbenen Leib der Sarah." Dem gegenüber öffnete er aber das geistliche Auge, das Auge des Glaubens, und sah allein auf das Wort der Verheißung. „Er zweifelte nicht an der Verheißung Gottes durch Unglauben, sondern ward stark im Glauben, und gab Gott die Ehre und wußte auf's aller-gewiffeste, daß, was Gott verheißet, das kann er auch tun." Das ist Glaube: nicht sehen auf das, was vor dem natürlichen Auge liegt, sondern am Worte Gottes hangen.

Eine äußerst wichtige Stelle ist auch 1 Mos. 22, 1—12. Sie zeigt an dem Beispiele Abrahams, was Glaube sei, wenn sich zwei Worte Gottes zu widersprechen scheinen. Abraham hatte hier zwei Worte Gottes vor sich. Ihm war das Wort geworden: „In Isaak soll dir der Same genannt werden", 1 Mos. 21,. 12. Durch Isaak also sollte Abrahams Geschlecht gegründet werden. Nun aber erhält er 1 Mos. 22. den Befehl, Isaak zu opfern: „Nimm Isaak, deinen einigen Sohn, den du lieb hast, und gehe hin in das Land Morija und opfere ihn daselbst zum Brandopfer." Diese beiden Gottesworte widersprachen sich vor der menschlichen Vernunft. Die Vernunft mußte dafürhalten: wenn er dem letzten Worte gehorsam sein wollte, so konnte das erste nicht wahr werden. Was gewahren wir aber an Abraham? Er glaubte, das heißt, er hielt dafür, daß beide Worte Gottes wahr seien; er meinte, an keinem Worte Gottes etwas andern zu dürfen, wenn er auch nicht einsehe, wie sie neben einander bestehen könnten. Er überließ die „Vermittelung" Gott. Er will daher wirklich Isaak opfern und zückt schon das Messer. Dann tritt Gott dazwischen und spricht: „Lege deine Hand nicht an den Knaben.;' Aber erst.

 

 


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nachdem Gott Abraham geprüft hatte, ob er auch glaube, das heißt, Wider und über alles Begreifen an Gottes Wort festhalte. Auf diese Stelle 1 Mos. 22. weist auch unser lutherisches Bekenntniß hin, um einzuschärfen, daß der Glaube auch dann einfältig an Gottes Wort festhalte, wenn nach der Vernunft ein Wort Gottes einem andern zu widersprechen scheint. Concordienformel, Sol. Decl. VI, S. 656.

In solchem Glauben nun, der das Gegenteil von Sehen, Begreifen, Fühlen und Empfinden ist, geht das ganze Christenleben einher. Das ist ein Grundgesetz im Reiche Christi hier auf Erden. So will Christus es haben. Thomas wollte, Joh. 20., diese Ordnung verkehren. Er wollte dem Worte von der Auferstehung Christi, das ihm die Jünger nach Christi Willen verkündigten, nicht glauben. Er wollte vielmehr sehen, fühlen und tasten, daß der HErr auferstanden sei. Er sprach, V. 25.: „Es sei denn, daß ich in seinen Händen sehe die Nägelmale... will ich's nicht glauben." Der HErr, in sonderlicher Gnade und weil Thomas als Apostel auch ein Augenzeuge der Auferstehung werden sollte, ließ sich acht Tage später von Thomas sehen und betasten. Aber zugleich tadelt er auch Thomas, indem er spricht, V. 29.: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben." Es soll im Reiche Christi hier auf Erden nicht so zugehen, wie Thomas es haben wollte. Dagegen lobte der HErr den Glauben des Hauptmanns von Capernaum, Matth. 8. Dem Hauptmann erbot sich der HErr Hu persönlicher Erscheinung am Krankenbett. Er spricht: „Ich will kommen und ihn gesund machen." Der Hauptmann aber sprach: „HErr, ich bin nicht Werth, daß du unter mein Dach gehest, sondern sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund." Und diesen Glauben lobt der HErr, indem er spricht: „Wahrlich, solchen Glauben habe ich in Israel nicht gefunden." Mit dem, was der HErr in Bezug auf Thomas und den Hauptmann sagt, hat er auf's klarste die Regel ausgesprochen, welche in seinem Reiche hier auf Erden gelten soll: Es soll nicht im Sehen, Begreifen, sondern im einfältigen Glauben an das Wort einhergehen.

Luther zu Joh. 4, 50. (und der Mensch glaubte dem Worte, das JEsus zu ihm sagte): „Das ist erst ein rechter, starker Glaube, daß ein Herz kann glauben, was es nicht sieht und begreift, Wider alle Sinne und Vernunft, und hanget allein an dem Wort. Da scheinet nichts, so hat er sonst keinen Behelf nicht, denn daß er glaubt. In dem Glauben muß man alle Dinge aus den Augen tun, ohne das Wort Gottes. Wer sich etwas anders läßt in die Augen bilden, der ist schon verloren. Der Glaube hanget allein dem Worte bloß und lauter an, wendet die Augen nicht davon, sieht kein ander Ding an, weder sein Werk noch Verdienst." (St. Louiser Ausg. XI, 1766.)

Erstlich müssen wir in Bezug auf die Lehre gänzlich im Glauben wandeln. In Bezug auf die Lehre nämlich geht es keineswegs im Begreifen und Verstehen oder nach der Vernunft einher. Warum? Wir

 


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Menschen wissen von Natur oder nach der Vernunft wohl, daß ein Gott sei. Aber wir wissen nichts von dem seligmachenden Willen Gottes, was Gott eigentlich mit uns Sündern vorhabe. Es ist eitel Dunkel und Finsterniß um uns her. Alle Gedanken, die sich die Menschen hier selbst machen — auch die Gedanken der Weisesten — sind eitel Thorheit. Darum steht die Wahrheit hier gänzlich in Gottes Offenbaren. Und diese Offenbarung ist da. Aber welcher Art ist sie? Gott tritt nicht, unserm leiblichen Auge sichtbar, vor uns hin, sondern es hat ihm gefallen, sich uns im Wort zu offenbaren. Im Wort gibt er uns seinen seligmachenden Willen zu erkennen. Er läßt uns sein Antlitz leuchten, aber er hat sein Antlitz in's Wort verhüllt. Wir können Gott daher nicht mit leiblichen Augen und mit unserer Vernunft erkennen, sondern nur mit dem Organ, womit wir dies Wort auffassen, durch den Glauben. Das geoffenbarte Wort ist das einzige Licht des geistlichen Lebens und wir haben nur soviel Licht in uns, als wir durch den Glauben an das Wort in uns aufnehmen. Luther sagt: „Das Wort ist das Licht unsers Lebens, sonst haben wir nichts von der Herrlichkeit Gottes." Gott gibt sich uns in diesem Leben wirklich und wahrhaftig, aber gleichsam im Bilde, in einem von ihm selbst gemalten Bilde. Dieses Bild ist sein Wort, das er durch die Apostel und Propheten uns hat aufschreiben lassen. Dieses Bild im Wort hält er uns vor Augen, und wir können es einzig und allein durch den Glauben auffassen. Luther sagt: „Gott hat uns alles vorgelegt und gegeben durch sein liebes Evangelium, wie er sich auch selbst gemalet hat in das Bilde, welches ist das Wort des Lebens, wie es St. Johannes 1. Ep. 1, 1. nennet und sagt, daß wir ihn darin gesehen und gefühlt haben. Wo das Wort ist, will er sagen, da ist mein Herz und Wille, und wie du mich solltest von Angesicht sehen, so siehest du es in meinem Wort, da male dir ich mich selbst, wie ich wahrhaftig bin." (Erl. Ausg. 16, 201.)

Und was uns nun Gott in seinem Wort zu unserer Seligkeit offenbart, ist von solcher Beschaffenheit, daß es über all unser Begreifen und Verstehen geht. Gott untergibt sich mit dem. was er uns zur Seligkeit offenbart, nicht „dem menschlichen Verstand und Sinnen", wie Luther sagt. Die einzige Weise, es zu fassen, ist daher der einfältige kindliche Glaube an das offenbarende Wort. Das muß sich daher jeder Christ merken. Der beschriebenen Art sind alle Artikel des christlichen Glaubens, auf welchen unser Heil ruht. Der Artikel von der heiligen Dreieinigkeit, daß Gott einer sei dem Wesen nach, „ohne Teil und ohne Stück", und daß da doch wahrhaftig drei unterschiedliche Personen seien; der Artikel von der Menschwerdung des Sohnes Gottes, daß der ewige Sohn Gottes, der Schöpfer aller Dinge, ein wahrer Mensch geworden und gestorben ist; der Artikel von Christi stellvertretender Gesetzeserfüllung und von seinem stellvertretenden Leiden und Sterben, daß Gott, ohne seiner Gerechtigkeit zu nahe zu treten, die Sünde der schuldigen Welt auf den un-

 


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schuldigen Christus legte und an ihm strafte; der Artikel von der Rechtfertigung, daß Gott nun, ohne wiederum seiner Gerechtigkeit zu nahe zu treten, die in sich schuldigen Menschen für unschuldig erklärt um Christi willen' der Artikel von den Gnadenmitteln, daß Gott z. B. durch die Taufe, durch eine Handvoll Wassers, wie Luther oft sagt, uns wahrhaftig von Sünden wascht und wiedergebiert; der Artikel von unserer ewigen Erwählung, daß Gott uns, die wir von Natur nicht besser sind als die Welt, zur Seligkeit erwählt hat und dabei doch der Gott, der alle Menschen ernstlich selig machen will, bleibt; der Artikel von unserer Auferstehung, daß der Leib der Christen, der zu Staub und Moder geworden und dessen einzelne Bestandteile vielleicht weit zerstreut sind, im Nu wieder ganz und lebendig werden soll u. s. w. — das alles sind Dinge, die weit, weit über alles menschliche Begreifen und Verstehen hinaus gehen. Hier muß geglaubt werden. Christen fragen daher in geistlichen Dingen nicht: Was sagt die Vernunft? sondern: Was sagt das Wort Gottes? Sie nehmen in geistlichen Dingen die Vernunft gefangen unter den Gehorsam Christi, 2 Cor. 10, 5. Sie glauben und trauen dem Wort wider alles eigene Meinen und Verstehen. Halten wir dies nicht fest, so müssen wir Schiffbruch erleiden und in allerlei Irrtum versinken. Treten wir aus dem Glauben, lassen wir uns beikommen, was Gott in seinem Worte sagt, mit unserer Vernunft begreifen, ausmessen und reimen zu wollen, so kommen wir gar von der Wahrheit. Nur durch einfältige Annahme dessen, was das Wort sagt, kann man die seligmachende Wahrheit haben und bei derselben verbleiben. Es gibt keinen andern Weg noch Steg, im rechten Geleise zu bleiben. Darum müssen aber auch alle Christen diese Lection vom Glauben lernen ; sie kann Niemand erspart werden. Alle Christen müssen sich von vornherein daran gewöhnen, wie die Sachen der christlichen Lehre gehandhabt werden. Sie müssen sich gegenwärtig halten: im Reiche Christi auf Erden hat der Glaube statt, nicht das Begreifen und Reimen nach der Vernunft. Sie müssen in jedem gegebenen Fall mit Luther sprechen : „Wir sind nicht in einer Tabern, wir sind in der christlichen Kirche, da müssen wir glauben, nicht was die Vernunft recht dünkt, oder was mir oder dir wohlgefällt, sondern was die Schrift uns vorsagt." Wenn daher dem Christen etwas vorkommt aus der Schrift, das seine Vernunft stößt und sich nach der Vernunft nicht reimen will, so wird ihn das nicht so sehr befremden. Er weiß, in geistlichen Dingen muß geglaubt werden. Aber, O HErr Gott, wer achtet dessen! Kein Christ wäre im letzten Lehrstreit verführt worden, wenn man sich gegenwärtig gehalten hätte: Was uns Gottes Wort sagt, ist in einfältigem Glauben zu ergreifen und nicht mit der Vernunft auszumessen. Das war nämlich schließlich das einzige Argument unserer Widersacher: Es reimt sich nicht nach der Vernunft, daß Gott in den Erwählten nichts, auch nicht ihr gutes „Verhalten", angesehen haben soll. Hätte man hiev bei bedacht : „wir sind nicht in einer Tabern, wir sind in der christlicher

 


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Kirche, da müssen wir glauben" 2c., so hätte sich kein Christ auch nur einen Augenblick irre machen lassen. Das ist wahrhaftig der einzige Punkt, der zu dieser Zeit uns von unsern Gegnern hierzulande und in Deutschland trennt: sie treten in Bezug auf die christliche Lehre aus dem Glauben heraus; sie wollen aus dem Glauben ein Begreifen nach der Vernunfl machen; wir dagegen wollen durch Gottes Gnade beim Glauben bleiben. — Dieser Punkt trennt die lutherische Kirche überhaupt von allen falschen Lehrern. Das Grundübel bei den falschen Lehrern ist: sie fallen mit der Vernunft drein. Die Schwärmer z. B. bestreiten unsere Lehre vom heiligen Abendmahl, weil es ihnen ungereimt vorkommt, daß Christus uns unter dem Brod und Wein seinen wahren Leib und sein wahres Blut gebe. Die heilige Taufe wollen sie nicht ein Bad der Wiedergeburt und ein Gnadenmittel sein lassen, weil es sie thöricht dünkt, daß eine Handvoll Wassers, wie sie sagen, Vergebung der Sünden und ein neues Leben wirke. Sie sehen nur an, was vor dem natürlichen Auge liegt. Sie sehen nicht, daß bei dieser „Handvoll Wassers" ein Wort Gottes, ein Wort der Verheißung ist.

Es ist ganz merkwürdig, daß Luthers letzte Predigt zu Wittenberg eine Warnung vor dem Mißbrauch der menschlichen Vernunft ist. Er ruft da warnend aus: Denkt nicht, daß ihr die reine Lehre erhalten werdet, wenn ihr nicht festhaltet, daß die Vernunft in Sachen des Glaubens getödtet werden müsse. Es gilt, im einfältigen Hangen an Gottes Wort einherzugehen. Wenn dies nicht geschieht, so wird es einen größeren Abfall geben, als im Pabsttum. — Man hat diese Warnung vergessen und der Abfall ist gekommen. Die Zeit des Rationalismus hat alle Artikel des Glaubens dem Götzen „Vernunft" geopfert. Auch die neuere „gläubige" Theologie ist ihren eigentlichen Grundsätzen nach Vernunftreligion. Wollen daher treue Prediger, so viel an ihrem Teile ist, ihre Zuhörer gegen den Abfall wappnen und sicher stellen, so müssen sie immerfort die in dem Reiche Christi geltende Ordnung einschärfen: In Bezug auf die christliche Lehre hat der Glaube statt, nicht das Begreifen und Verstehen nach der Vernunft.

Alles bisher Gesagte findet seine Bestätigung in den folgenden Worten Luthers: „Also weiset er (Christus) uns allenthalben in die Schrift. Warum das? Darum, daß du könnest bewahren den christlichen Glauben. Denn alle unsere Artikel im Glauben sind sehr schwer und hoch, die kein Mensch ohne des Heiligen Geistes Gnade und Eingeben fassen kann. Ich zeuge und rede davon als einer, der nicht ein wenig erfahren hat; und willst du es auch nur ein wenig erfahren, so nimm einen Artikel aus dem Glauben, welchen du willst, von der Menschwerdung 2c., von der Auferstehung 2c., so wirst du der keinen erhalten, wenn du ihn mit der Vernunft fassest. Es ist mir wohl selbst begegnet, wenn ich das Wort habe fahren lassen, daß ich Gott, Christum und alles mit einander verloren habe. So gehet es nun also: Wer die Taufe leugnet und den Leib und das Blut

 

 


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Christi im Sacr.ament, der leugnet gewißlich auch, daß Christus Gott und Mensch sei. Denn rechne du es aus: es ist ja viel leichter zu fassen und glauben, daß das Brod und der Wein der Leib und das Blut Christi sei, denn daß Gott, der natürlich unsterblich ist, Mensch möge werden. Der-halben ist es nichts anders, denn ein Hochmuth des Teufels, der es also aufbläset, daß sie sich dünken lassen, sie können's, und verachten also die heilige Schrift und das Wort Gottes. Es ist auch kein leichterer Weg, alle Artikel des Glaubens zu verlieren, denn außer der Schrift daran zu gedenken. Kannst du doch nicht fassen, was Gott ist, und wenn du gleich dasselbige gefasset hast, so wirst du doch das nicht fassen noch ersinnen mögen, wie der, der Gott ist, sich in eines Jungfräuleins Leib verbirgt, und geboren wird, wie ein andrer Mensch. Also haben auch die Heiden stark geschlossen: Was meinet ihr, Gott, der unsterblich von Natur ist, sollte der ein Mensch werden und sterben? Das reimt sich nicht. Es reimt sich freilich nicht! Darum verlieret man's auch, wenn man daran gedenket ohne das Wort, denn es istzu hoch, es läßt sich nicht in meinen Kopf fassen, in deinen noch viel weniger. So gibt uns Christus, unser lieber HErr, den Rath: Willst du diese Artikel erhalten, daß du nicht drum kommest, wohlan, so bleib im Wort, wo nicht, so kannst du der keinen erhalten. So ist es unsern Schwärmern widerfahren ; die sprechen gar herrlich: Christus ist auferstanden von den Todten und aufgefahren gen Himmel; meinst du nun, daß er sei in einem Stücke Brodes auf dem Altar oder in einem Trunk Weins? Also haben sie die Worte lassen fallen und denken der Sache nach ohne Wort. Wenn das gälte, ich wollte es auch wohl können; 1) dennoch achten sie es für groß und sprechen, wie ich denn einen gehöret habe: Du wirst mich des nimmermehr bereden, daß ich glaube, daß ein Stück Brods der Leib Christi sei. Ei, eine große Kunst ist das! Wenn ich das Wort will fahren lassen, so wollte ich's wohl besser vorgenommen haben, denn sie; aber es stehet im Iesaia: ,Wenn ihr nicht glauben werdet, so werdet ihr nicht bleiben', Ies. 8, 9. Und es gehet gewißlich also. Ich habe es mehr denn einmal erfahren, daß mich der Teufel nicht leichter kann Herumrücken, denn wenn ich nicht gerüstet bin mit dem Wort. Er hat mich wohl dahin gebracht, daß ich nicht habe gewußt, ob ein Gott oder Christus sei, und hat mir also genommen, das ich sonst gewiß wußte. Also gehet es, wenn das Herz ohne Wort und Glauben ist. Und geschieht dir eben recht: willst du in deinen Kopf fassen, das er in das Wort gefaßt hat, das du doch verstehen kannst und das das freundlichste und lieblichste Ding an einem Menschen ist? so

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1) Luther sagt einmal, wenn er alles, was ihm über geistliche Dinge eingefallen ist, in die Welt hätte hinausschreiben wollen, so wären ihm alle Druckereien in der Welt zu wenig gewesen.

 


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halte dich nur an das Wort, und lasse ihn darnach denke», ob es möglich sei oder nicht. Denn was ist der Rotten und Schwärmer Wesen anders, denn daß sie uns ihre Gedanken vorbläuen? Ei, Lieber, wenn das gälte, kann ich's auch Wohl. Aber laß du deinen Geifer fahren unk unserem HErrn Gott sein Wort ungestraft. Ich habe einmal von einem gehört, der sprach: Ich wollte gern wissen, ob mich eine Hand voll Masters könnte selig machen? Also denken sie dem Dinge nach ohne dasWortChristi: .Gehet hin und prediget 2c. Wer glaubet und getauft wird, der wird selig'. Die Worte treten sie mit Füßen und sagen: Master kann ja den Geist nicht waschen. Ei, Lieber, wo kommen die Worte her, von Gott oder aus der Vernunft? Aus der Vernunft? Was willst du denn drauf pochen in den Sachen, die die Vernunft nicht kann noch mag fasten? Also hat es dem Ar io ergangen und alle Ketzern, daß sie in ihre Vernunft ohne Gottes Wort sind geschlagen; da sind sie denn dahin gangen. Gleich also ist dem Pabst mit den Seinen auch geschehen. Der hat die Worte: .Christus ist für unsere Sünde gestorben' lasten fahren und gedacht: I ch habe gesündigt, so muß ich wahrlich auch bezahlen oder dafür genugtun. So gehet es einher, schlechts die Schrift verloren; da muß denn folgen: Stiften, Messen, Seelenmessen und der Jahrmarkt. ... Dies alles, meine Freunde, sage ich darum, daß ihr es gewöhnet und lernet, daß ihr euers Glaubens Artikel schlechts mit der Schrift beweiset und vertheidiget; wie ihr denn sehet, daß ihm Christus hier auch also tut. Denn er hat's ja also beschlossen und verheißen: Wer sich an das Wort hält, der soll bleiben und sonst nicht. Das habe ich erfahren. Wenn ich mit der heiligen Schrift und mit dem Wort bin umgangen, da hat mir der Teufel wohl Friede gelasten; denn er fliehet das Wort, nicht anders denn einen feurigen Backofen; wenn er aber vermerkt, daß das Herz ohne Glauben und Wort gar leer stehet, da treibt er seine Kunst. ... Wenn man nun dieselbigen" (nämlich die Sprüche, welche Christi Menschheit lehren) „fahren löstet, so ist alsbald das auch mit verloren und entfallen, daß Christus Gott sei. Denn das wird man alsbald schließen: Meinest du auch, daß mehr denn Ein Gott sei? Darum können die Türken und die Juden den Namen Christi nicht leiden, heißen uns schlecht iäololatrss, das ist. Leute, die einen sondern Abgott anbeten. Denn, sprechen sie, es ist nur Eine Welt, so muß auch nur Ein Gott sein. Und ich will's euch zusagen: sind wir nicht wohl dawider gerüstet, so wäre es um ein Leichtes geschehen, daß wir alle Türken würden. Denn es hat wahrlich einen Schein: Es ist nur Ein Gott; so schickt es sich ja nicht, daß neben dem einigen Gott Christus auch Gott sei. Also der Vernunft nach wollen wir fein unsers HErrn Gottes Meister sein und ihn lehren, was sich reime und was sich nicht reime. Reimt es sich nicht, ei, Lieber, so tue den Artikel aus. Also auch: es reimt sich nicht, daß man die Kinder mit dem Tauswasser begieße: tue den Artikel aus. Mit der Weise wollten

 


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wir wohl einen rechten Glauben zurichten. Also hat der Türke alle Artikel gemacht, daß man sie fassen kann; 1) wie unsere Schwärmer mit dem Sacrament auch tun und sagen: Es lautet seltsam, daß in dem Brod Christi Fleisch und in dem Wein Christi Blut sein soll. Ei, Lieber! wo sind wir denn daheim? Der Vernunft nach sind wir in den Sachen gleich klug als eine Kuh; wenn's deß gälte, so wollte ich's wohl baß können denn du. Wir find hier nicht in einer Tabern, wir find in der christlichen Kirche, da müssen wir glauben, nicht was die Vernunft recht dünkt oder was mir oder dir wohlgefallt, sondern was die Schrift uns vor-sagt.... Wenn man nun also bei dem Wort bleibt, so lästet sich der Teufel nirgends sehen; alsbald man aber von dem Wort kommt und die Gedanken kommen, daß einer weiß, was Gott ist, was ein Mensch ist, so ist einer schon gefangen; denn es ist einer nicht daheim, !er ist in des Teufels Tabern. Wenn einer aber dem Wort nach siehet und spricht: Wie dies oder jenes möglich ist, das soll ich nicht wissen, ist mir auch nicht befohlen, solches auszumessen; ich tue nur dasBuch auf und lese, was er davon redet, das andre darf ich nicht wissen. Also kann einer bei dem reinen Wort und Glauben bleiben. Aber die jetzt mit dem Sacrament, haben nicht genug daran, müssen sich damit bekümmern, wie sich das Brod und ein Leib und Gott zusammen reimen, wie die Juden auch tun. Denn es ist eine närrische Predigt, daß Gott deiner Jungfrau in den Armen, an Brüsten soll liegen. Aber, Lieber, willst du es nicht glauben, wer fragt darnach?" (Ueber das Ev. am Ostermontag. Luc. 24, 13—35. Zu Coburg 1530 gehalten. E. A. 18, 109 ff.)

Es wurde noch hinzugefügt: Was wir vom Glauben gehört haben, bezieht sich natürlich, wie auch bemerkt wurde, nur auf die geistlichen, göttlichen, ewigen Dinge ; nicht auf die weltlichen, bürgerlichen Dinge, die unseren Sinnen und der Vernunft unterworfen sind. Wenn Jemand denken oder sagen würde: Ich höre, daß das ganze Christenleben im Glauben einhergehen muß, also darf ich auch in bürgerlicher Arbeit keine Vernunft gebrauchen, der wäre ein Thor. Für die irdischen Dinge, das bürgerliche Leben, hat mir Gott die Vernunft gegeben. Hier soll ich die Vernunft nicht verachten, sondern als eine der herrlichsten Gaben Gottes schätzen und gebrauchen. Sobald wir uns in geistlichen Dingen bewegen, sobald wir mit Herz und Gewissen dahin kommen, zu fragen: „Was muß ich tun, daß ich selig werde?", da kann die Vernunfl nicht raten und helfen. Da haben wir nichts als Gottes Wort. Und wir sollen hier an Gottes Wort im Glauben hangen und festhalten, sollte auch unsere Vernunft tausendmal Nein sagen.

Bleiben wir in Bezug auf die Lehre im einfältigen Glauben an das Wort der Schrift, so haben wir alle geistliche Weisheit und Erkenntniß,

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1) Man achte auf dieses Characteristicum der falschen Lehre!

 


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die Menschen von Gott und göttlichen Dingen in diesem Leben haben können. Die nach der Vernunft in Sachen der Seligkeit einherwandeln wollen, finden diese Erkenntniß lückenhaft. Wir entgegnen: Wir wissen selbst sehr Wohl, daß diese Erkenntniß, nach der Vernunft beurteilt, lückenhaft ist. Aber Gott will es auch für dieses Leben bei einer „lückenhaften" Erkenntniß bewendet wissen. Der Apostel Paulus sagt 1 Cor. 13, 12.: „Jetzt" — nämlich in diesem Leben — „erkenne ich's stückweise", „dann aber" — also erst in jenem Leben — „werde ich's erkennen, gleichwie ich erkannt bin." Die in diesem Leben mehr wissen wollen, als das Wort offenbart, also nicht bloß im Glauben an das Wort in Bezug auf die Lehre wandeln wollen, fallen notwendig in Irrtum, weil ja der natürliche Mensch aus sich selbst nichts von geistlichen Dingen weiß, und beten ihre eigene Weisheit als göttliche Weisheit an; sie wandeln damit im Wahn und Aberglauben. Doch über diesen Punkt werden wir in Thesis 3. noch weiter reden.

Zum andern ist festzuhalten, daß auch das innere geistliche Leben der Christen, das Leben vor Gott, im Glauben einhergehen müsse. — Im Christen ist ja neben dem natürlichen auch das geistliche Leben, welches durch die Wiedergeburt oder Bekehrung in ihn gepflanzt ist. Durch dieses geistliche Leben ist der Christ im Gnadenreich; das Gnadenreich mündet dann später im Ehrenreich. — Welcher Art ist nun dieses Leben im Gnadenreich ? Es geht imGlauben daher. Es sind lauter gewaltige Realitäten, mit denen das geistliche Leben zu tun hat, aber sie sind dem leiblichen Auge unsichtbar. Dadurch unterscheidet sich das Gnadenreick vom Ehrenreich. Das Ehrenreich ist das Reich des Schauens, Fuhlens, Empfindens 2c.; das Gnadenreich ist das Gegenteil. Der HErr gibt sich uns hier im Gnadenreich dar so wirklich und wahrhaftig, wie in jenem Leben, aber nicht zum Genuß im Schauen, sondern zum Genuß im Glauben.

1 Joh. 3, 2.: „Wir sind nun Gottes Kinder, und ist noch nicht erschienen, was wir sein werden. Wir wissen aber, wenn es erscheinen wird, daß wir ihm gleich sein werden, denn wir werden ihn sehen, wie er ist." Wir sind „nun", d. H. jetzt schon, in diesem Leben, durch die Bekehrung „Gottes Kinder", Gott ist wahrhaftig unser Vater, auch ist das ewige Leben schon unser eigen geworden; aber es ist noch nicht „erschienen", es ist noch verdeckt. Es ist noch durch einen Vorhang verhüllt. Es geht noch im Glauben daher.

Röm. 8,24.: „Wir sind Wohl selig, doch in der Hoffnung. Die Hoffnung aber, die man siehet, ist nicht Hoffnung; denn wie kann man das hoffen, das man siehet?" „Wir sind selig", d. H. wir sind wahrhaftig aus der Welt, die verloren geht, herausgeristen und in das himmlische Erbe gesetzt; aber nun fügt der Apostel eine Beschrä«kung hinzu, damit ja Niemand sich eine falsche Vorstellung von dem SeMsein in diesem Leben mache und ungeduldig werde und murre, und sagt: „doch in der Hoffnung", und

 


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erklärt die Hoffnung dahin, daß das, was wir durch Hoffnung haben, nicht gesehen werde. Darin bestehe gerade die Art der Hoffnung.

Weisen wir an einzelnen Stücken näher nach, wie das geistliche Leben im Glauben dahergehe. Wir sind dessen gewiß: wir haben einen gewaltigen, allmächtigen HErrn und Heiland; wir wandeln vor ihm, wir rufen ihn an, aber wir sehen ihn nicht, sondern wir glauben an ihn. Deshalb heißt es auch 1 Petr. 1, 8. von den Christen, daß sie an den glauben und den lieben, den sie nicht sehen. — Uns ist von unserem HErrn und Heiland ein großes Heer starker Beschützer bestellt („Sind sie nicht allzumal dienstbare Geister, ausgesandt zum Dienst, um derer willen, die ererben sollen die Seligkeit?"); wir wissen, daß der Engel Heer sich um uns lagert; aber dieses Heer ist unserm leiblichen Auge unsichtbar. Nur selten geschieht es, daß Jemand einmal die Augen geöffnet werden, wie dem Knaben Elisa's, welchem auf Elisa's Gebet die Augen geöffnet wurden- daß er sähe, und siehe, da war der Berg voll feuriger Roste und Wagen um Elisa her. 2 Kön. 6, 17. — Wir halten dafür, daß wir gerecht seien vor Gott, vollkommen gerecht (1 Cor. 6,11.: „Ihr seid abgewaschen" 2c.). Das ist unser Trost, der Grund unseres geistlichen Lebens. Aber was sehen wir denn mit unserem leiblichen Auge und was fühlen wir? Wir sehen und fühlen, daß wir Sünder sind und nicht gerecht. Unsere Gerechtigkeit, die wahrhaftig da ist, sehen wir'nur im Glauben an das Wort des Evangeliums, welches uns um Christi willen gerecht spricht. — Wir haben wirklich das Leben schon in dieser Sterblichkeit („wir sind vom Tode zum Leben hindurchgedrungen"). Aber was sehen wir mit unsern Augen? was liegt vor uns nach unserer Vernunft und Erfahrung? Krankheit, Tod, Moder, Asche. — Der Apostel sagt, unser Wandel, unser Bürgerrecht sei im Himmel, dort sei unsere eigentliche Heimath; aber wir sehen noch nichts davon, wandeln auf Erden, wie alle anderen Menschen auch. — Wir wissen, daß Gott um der Auserwählten willen alles tut, was er tut, daß sich um sie die ganze Weltregierung dreht; aber das wissen wir nur im Glauben an das Wort Gottes. Etwas ganz Anderes liegt vor unsern Augen; da sieht es aus, als ob gerade für die Christen kein Raum auf der Erde wäre. — Wir haben Friede und Freude, durch Gottes Gnade können wir uns geistlich freuen; aber der Grund unserer Freude ist vollkommen vor unsern natürlichen Augen verborgen. Es ist, wie es im Liede heißt:

Die Sonne, die mir lachet,

Ist mein HErr JEsus Christ.

Das, was mich singen machet.

Ist, was im Himmel ist.

Wir wissen, daß Gott in allem seinem Thun es nur gut mit uns meine. Aber das läßt sich mit der Vernunft durchaus nicht wahrnehmen. Die Vernunfl urteilt vielmehr, wie Pred. 9, 2. 3. geschrieben steht : „Es begegnet» einem wie dem andern, dem Gerechten wie dem Gottlosen, dem

 


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Guten und Reinen, wie dem Unreinen; dem, der opfert, wie dem, der nicht opfert. Wie es dem Guten gehet, so gehet es auch dem Sünder; wie es dem Meineidigen gehet, so gehet's auch dem, der den Eid fürchtet. Es ist ein böses Ding unter allem, das unter der Sonne geschieht, daß es einem gehet, wie dem andern."

So geht das geistliche Leben nur im Glauben daher. Und wird das nicht festgehalten,, so muß das Leben erlöschen oder doch immer krank sein. Darum ist dies auch eine Lection, die jeder Christ lernen und jeder treue Prediger immerfort einschärfen muß.

Führen wir dies in Bezug auf einige Hauptpunkte noch etwas weiter aus.

Zunächst in Bezug auf die Rechtfertigung, oder die Frage der Christen: Ist Gott mir gnädig? vergibt er mir meine Sünden? Der Christ hört, daß Gott um. Christi willen gnädig sei, die Sünden vergeben, recht-fertigen wolle. Hält er nun aber nicht fest, daß man durch den einfältigen Glauben an das Wort des Evangeliums der Vergebung der Sünden oder der Rechtfertigung gewiß werden solle, urteilt er vielmehr nach dem, was er an sich sieht und bei sich fühlt, so ist die notwendige Folge ein fortwährendes Zweifeln oder gar Verzweiflung. Er weiß eigentlich nichts mit den Gnadenmitteln anzufangen; er beraubt sich alles Segens beim Gebrauch derselben. Empfindet er beim Lesen des Wortes Gottes oder beim Hören der Predigt eine innerliche Bewegung, so weiß er das Wort und die Predigt. Im andern Falle ist ihm das gelesene und gepredigte Wort ein zweifelhaftes Gnadenmittel. Geht er zum Sacrament, und hat er dabei ein Gefühl der Gnade, so hält er sich für gesegnet; sonst achtet er den Abendmahlsgang für verloren. Mit seiner Taufe weiß er erst recht nichts anzufangen. Diese liegt ihm 20,30,40 Jahre zurück, und weil er nicht auf das Verheißungswort bei der Taufe schaut, so achtet er die Gnade, die ihm da zugesagt ist, für längst verloren. So wird fast fortwährend peinigender Zweifel in seinem Herzen sein, und das je mehr, je ernster er es mit der Frage nach der Seligkeit nimmt; denn mit dem Gefühl wird es auch je weniger werden, je mehr er alles auf das Gefühl stellt; er schneidet dem Gefühl die Wurzel ab. Es ist wahr: der Heilige Geist wirkt bisweilen auch ein Gefühl der Gnade im Herzen, ein auch in Gefühl und Empfindung eintretendes Zeugniß, daß ich Gottes Kind bin; aber solches Zeugniß schließt sich an den gläubigen Gebrauch der Gnadenmittel an. Je mehr dem nackten Verheißungsworte geglaubt wird, desto mehr wird gelegentlich auch ein Gefühl der Gnade da sein. Nicht-glauben-, sondern Empfindenwollen bindet Gott gleichsam die Hände. Wie sollte es dagegen bei dieser Frage „vergibt mir Gott die Sünde?" zugehen? Ich sollte hier zunächst gar nicht sehen, fühlen und empfinden wollen. Weshalb nicht? Ist denn die Gnade Gottes irgendwie abhängig von dem, was ich bei mir sehe, fühle und empfinde, überhaupt von irgend etwas, was an und in mir ist? Durchaus

 


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micht! Die Zusage der Gnade in Wort und Sacrament steht auf dem, was mein Heiland vor 1900 Jahren für mich mit Leiden, Blut und Tod erworben hat. Darum kann und soll ich auch bei der Frage, ob mich Gott recht-fertige, getrost die Augen gegen alles verschließen, was ich bei mir sehe, fühle und empfinde, und glauben, daß mir die Sünden vergeben werden, wie das Wort und die Sacramente zusagen. O, daß wir uns doch nicht selbst so viel im Lichte ständen! Daß wir doch auch diesen Teil des dritten Artikels: „Ich glaube eine Vergebung der Sünden" bei uns immer mehr in Uebung bringen könnten! Alle Krankheit im geistlichen Leben ist zurückzuführen auf Schwäche im Glauben an das Wort des Evangeliums. Es ist ja wahr: diese Predigt, daß die Vergebung der Sünden auf das Wort des Evangeliums hin geglaubt werden solle und nicht auf dem Gefühl stehe, wird wohl von den Sichern gemißbraucht. Aber trotzdem muß diese Predigt immerfort erschallen, sie ist das Evangelium. Die Kinder Gottes bedürfen dieser Predigt, wie des täglichen Brodes. Es gibt keine andere Art und Weise, die Kinder Gottes der Gnade gewiß zu machen, diejenigen, welche des Trostes bedürfen, wirklich zu trösten. Sodann ist's ja auch dieser Glaube allein, welcher die Augen verschließt gegen alle eigene Unwürdigkeit und sich blindlings auf das Wort der Verheißung wirft, der Gott die Ehre gibt. Heißt es dock auch von Abraham Röm. 4, 20.: „Er zweifelte nicht an der Verheißung Gottes durch Unglauben, sondern ward stark im Glauben und gab Gott die Ehre." Mit der Verbannung des Zweifels also und dem einfachen Glauben der Verheißung gegenüber gab Abraham Gott die Ehre. Er gab Gott die Ehre dadurch, daß er nicht anfah seinen eignen ; Leib, der schon erstorben war, auch nicht den erstorbenen Leib der Sarah. Sv müssen auch wir im Artikel von der Rechtfertigung, bei der Frage von der Vergebung der Sünden, nicht ansehen das, was an uns sich findet, un-! fere gänzliche Untüchtigkeit und Unwürdigkeit, sondern wir müssen einzig und allein sehen auf die Verheißung Gottes, welcher uns Vergebung zusagt. Dann geben wir Gott wirklich die Ehre, daß er nach seiner Verheißung aus Gnaden um Christi willen die Sünde vergebe. Sodann müssen wir uns auch um unserer eigenen Notdurft willen durch Gottes Gnade daran gewöhnen, unsere Rechtfertigung auf Gottes Wort hin zu glauben. Gott gibt ja auch Augenblicke und Stunden, wo wir, ohne uns besonders Gottes Wort zu vergegenwärtigen, der Gnade Gottes gewiß sind; das sind Stunden, in denen geistliche Freude unser Herz beherrscht. Und wer hätte nicht schon bei sich gedacht und gewünscht: O, könnte ich in meinem letzten Stünd-lein in einem solchen Zustande sein! Wie wäre dann das Sterben so leicht und schön! Indessen, Gott gießt nicht immer solche Freude in unser Herz und die Erfahrung lehrt, daß sonderlich auf dem Sterbebette nicht selten noch oft sehr dunkle Stunden kommen, wo Gott sich zu verbergen scheint. Da gilt es nun nicht zu verzagen, indem wir festhalten: Im Glauben geht es einher, nicht im Fühlen und Empfinden. Wir haben das Wort, welches

 


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uns die Vergebung zusagt; darauf sollen wir uns im Glauben verlassen, darauf hin es wagen und selig einschlafen.

Luther: „Das Vertrauen im Herzen" (der Glaube) „ist eine recht große Kühnheit, daß einer sich einzubilden untersteht, er habe einen gnädigen Gott, den er doch im Herzen fühlt, daß er über seine Sünde erzürnt sei, wie denn die Natur nicht anders kann." (St. L. Ausg. XII, 1920.) — Luther nennt hier den Glauben eine „recht große Kühnheit". Es gilt, durch denselben das natürliche Gefühl zu verleugnen, Gott für gnädig zu halten, obwohl man im Herzen nur Zorn empfindet.

Luther: „Der Glaube ist nichts anderes, denn ein Grundfest der Dinge, die uns von Gott verheißen sind, dadurch Gott und alles, das sich menschlichem Verstand und Sinnen nicht unterwirft, erkannt wird... . Auf solchem Glauben soll der Mensch so fest und tief stehen, daß ihn kein Teufel, kein Mensch, kein Engel, noch sein eigen Gewissen soll abwenden ewiglich, sonderlich im Sterben soll sich der Mensch ganz auf Christum, sein heiliges Wort, seine Zusage erwägen." (E. A. 22, 135 f.) — Hier ist besonders wichtig, daß der Christ auch durch sein eigenes Gewissen sich nicht von der Gnade Gottes in Christo abwenden lassen soll. Mag nicht nur der Teufel und die Welt, sondern auch sein eigenes Gewissen ihm immerfort zurufen: Du bist ein verdammter Mensch: er soll wissen, die Sache steht nicht auf dem Zeugniß des Gewissens, sondern auf dem Zeugniß des Wortes Gottes. Und das Wort Gottes sagt: „Das Blut JEsu Christi, des Sohnes Gottes, macht uns rein von allen Sünden." Gegen das Zeugniß des Gewissens dem Worte trauen, das heißt glauben.

Luther: Darum ist dies Stück des Evangeliums das höchste und wohl zu merken, daß wir müssen Gott die Ehre geben, daß er gütig und gnädig sei, ob er gleich selbst sich anders stellt und sagt, und alle Sinne und alles Fühlen anders gedächten. Denn damit wird das Fühlen getödtet und geht der alte Mensch unter, auf daß lauter Glauben in Gottes Güte und kein Fühlen in uns bleibe." (St. L. Ausg. XI. 471.)

Luther: „Ein Christ soll ja seiner Sachen gewiß sein, und weil er Christum hat, so hat er's alles, daß er billig soll alle Stunden in Sprüngen gehen, aber solches alles nach dem Geist und dem Glauben in Christo, damit er angefangen hat auf diesem Wege zu gehen, denn nach dem Fleisch und leiblichen Fühlen ist es noch zugedeckt und gar verborgen. Denn (wie gesagt) menschliche Vernunft und Sinne können nichts weniger verstehen noch begreifen, denn daß dies sollte ein Weg sein, da sie nichts siehet noch fühlet, daran sie sich halten könne, sondern schlecht über und außer ihrem Fühlen und Verstehen sich so bloß dahin begeben und wagen als in eine große Wildniß oder weites Meer, da sie keinen Aufenthalt bei sich selbst findet. Darum muß hie der Glaube sein, der das

 


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Wort ergreife und sich daran halten könne und getrost auf den Mann dahinfahre, obgleich der alte Adam darüber zu scheitern gehet." (Jen. Ausg.

7, 59d.)

Es wurde noch weiter bemerkt: daß das ganze Christenleben im Glauben stehe, in dem Glauben, der sich allein auf Gottes Wort gründet. Das ist ganz besonders wichtig in solchen Zeiten, wo Gott der HErr mit seinem ausgesprochenen Wort scheinbar in Widerspruch tritt, d. H., wo er uns ganz anders erscheint, als er uns in seinem eignen Wort vorgemalt ist; wo er sich, so zu sagen, verstellt. Wenn man da nicht lernt, sich auf das Wort zu stellen und darauf zu bleiben, so wird nran ganz schreckliche Stunden durchzumachen haben und Wohl gar am Glauben Schiffbruch leiden. Gott versucht ja seine Kinder, um ihren Glauben zu stärken. Wie wir uns in solchen Zeiten auf Gottes Wort gründen sollen, das zeigt sehr schön die Geschichte von dem cananäischen Weib. Wie hat sich ihr gegenüber Christus so ganz anders verhalten, als sie von ihm gehört hatte! Er hat sich ja so gestellt, als wollte er nichts von ihr wissen, und als gehe ihre Bitte ihyr nicht zu Herzen. Erstlich hatte er sich verborgen, wollte Niemand wissen lassen, wo er sei, obwohl er wußte, daß dieses Weib Hülfe von ihm begehren werde. Und als sie ihn dann anrief, achtete er gar nicht auf ihren Notruf. Wie muß ihre Vernunft ihr da gesagt haben: Du hast dich getäuscht; dieser JEsus ist ein ganz anderer, als'du von ihm gehört hast; du mußt sehen, wie du sonst Hülfe erlangst. Aber sie hält das Wort fest, daß JEsus der Heiland und für die gekommen sei, welche im Elend sind. Und als dann JEsus endlich zum Reden, aber zunächst nur mit seinen Jüngern, sich herbei läßt, welch harte Worte spricht er da aus: „Ich bin nicht gesandt, denn nur zu den verlorenen Schafen von dem Hause Israels", als wollte er sagen: Du bist ein heidnisches Weib, du hast gar keinen Teil an mir; wie kannst du Hülfe von mir begehren? Aber wie verhält sich das Weib bei diesem furchtbaren Stoß? Sie fällt vor ihm nieder und spricht: „HErr, hilf mir!", als wollte sie sagen : Darauf kann ich mich nicht einlassen; ich weiß, du bist gekommen für die Armen und Elenden; das sagt dein Wort und das halte ich fest. Sie wirft sich ihm Vor die Füße; der HErr kann nicht weiter, er muß sich mit ihr einlassen oder sie ganz von sich stoßen. Und nun kommt noch ein härterer Schlag : „Es ist nicht fein, daß man den Kindern ihr Brod nehme und werfe es vor die Hunde." Wiederum ein schreckliches Wort! Der HErr hält ihr da ihre ganze sündliche Natur vor; er vergleicht sie mit einem Hunde. Und das Weib? Sie bleibt beim Wort, das sie von JEsu gehört hat. Sie gibt ihm zwar recht und spricht: Ja, HErr, ich bin ein sündliches, verdammungswürdiges Geschöpf. Aber das schließt mich nicht von deiner Hülfe aus. Denn es „essen die Hündlein von den Brosamlein, die von ihrer Herren Tische fallen". Das Weib läßt sich also durchaus nicht irre machen, sondern hält fest am Wort von JEsu. Und das lobt nun der HErr, nachdem er sie genugsam versucht hat, und

 


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spricht: „O Weib, dein Glaube ist groß! Dir geschehe, wie du willst." So muß auch ein jeder Christ sich am Wort halten. Wie hat sich Gott oft vor David und anderen Heiligen verborgen, wie klagen und jammern sie so oft! aber immer wieder fassen sie das Wort. Wir müssen auch in diesem Stück werden, wie die Kindlein. Ein Kindlein läßt sich nicht so leicht erschrecken, wenn der Vater sich einmal verstellt. Es wird ihn erst verwundert ansehen, aber ihn bald freundlich anlachen.

Wir sollen Gottes Sinn und Herz gegen uns nur nach dem geoffen« barten Wort beurteilen. Gottes Handlungen mit uns und auch mit der Welt sind uns eine Schrift, die an sich unleserlich ist; wir verstehen sie nur im Zusammenhalt mit dem Wort und durch das Wort. Weil wir aber Gottes Handeln außerhalb des Wortes gar nicht verstehen können, so sollen wir daraus auch nicht Gottes Herz und Sinn gegen uns abnehmen wollen, sondern uns einzig und allein richten nach Gottes Wort. Gottes Wort ist der einzig Helle Punkt in der Finsterniß dieses Lebens.

Im Glauben an das Wort muß das Christenleben auch in der äußeren Trübsal einhergehen. Unglück ist Unglück. Das Unglück der Christen sieht, mit dem natürlichen Auge angesehen, gerade so aus, wie das der Welt. Die Christen erleiden den Verlust ihrer irdischen Güter, wie die Unchristen, und äußerlich angesehen, sieht ein armer Christ gerade so aus, wie ein armer Unchrist. Auch die Christen werden jahrelang auf das Siechbette geworfen, und diese Thatsache, äußerlich angesehen, ist gerade so traurig und trostlos, als wenn den Kindern dieser Welt dasselbe widerfährt. Auch die Christen werden vom Tode dahingerafft, ihr Leib wird zu Staub und Asche, und das sieht bei ihnen äußerlich gerade so hoffnungslos aus, wie bei den Unchristen. Nach dem zu urteilen. was vor Augen liegt, ist hier kein Unterschied. Aber nun gibt es etwas, das verschafft allen diesen Dingen ein ganz anderes Gesicht für die Christen. Ueber diesen dunkeln Thatsachen erscheint, nicht zwar dem natürlichen Auge, Wohl aber dem Auge des Glaubens sichtbar ein Helles Licht, Gottes Wort. Neben Trübsal, Krankheit, Tod, Verwesung steht das deutende Wort Gottes. Das sieht der Glaube an und im Lichte des Wortes sieht alles auf einmal ganz anders aus. Was die Trübsal betrifft, so heißt es Offenb. 3,19.: „Welche ich lieb habe, die strafe und züchtige ich." 1 Cor. 11, 32.: „Wenn wir" (Christen) „gerichtet werden, so werden wir von dem HErrn gezüchtiget, auf daß wir nicht sammt der Welt verdammet werden." Hebr. 11, 7.: „So ihr die Züchtigung erduldet, so erbeut sich euch Gott als Kindern." Da sieht der Christ durch das bei seiner Trübsal stehende Wort, daß seine Trübsal ihm wahrhaftig ein Zeichen der Liebe Gottes und ein Zeichen seiner zukünftigen ewigen Herrlichkeit sei. Eine so tröstliche Sprache redet die Trübsal durch das deutende Wort Gottes für den Glauben. Was dem natürlichen Auge eine Ursache des Zagens ist, das ist für den Glauben eine Ursache der Freude. Was den Unglauben zur Verzweiflung bringt, macht

 


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den Glauben jauchzen. Und der Tod? Er ist drohend und finster, das Entsetzlichste, was es für das natürliche Auge geben kann. Da hilft nichts, was die Unglücklichen, um sich den Tod weniger erschrecklich zu machen, vornehmen, wenn sie z. B. auf kostbaren Grabsteinen einen schönen Engel in Marmor darstellen, der seine Hände segnend über die Gräber ausbreitet. Nein, so vertreibt man des Todes Bitterkeit nicht! Aber es gibt etwas, das bringt Licht in dieses Dunkel, das Wort Gottes. Wenn Christus spricht: „Ich bin die Auferstehung und das Leben; wer an mich glaubet, der wird leben, ob er gleich stürbe", so wird der Tod durch dieses Wort in sein Gegenteil, in das Leben, verwandelt. Der Glaube sieht durch dieses Wort mitten im Tode lauter Leben.

Alle Christen müssen sich in diesem Glauben üben, wenn sie in der Trübsal und angesichts des Todes nicht Schiffbruch leiden wollen; und alle Prediger müssen diesen Glauben an das Wort immerfort einschärfen. Dem Teufel gilt es schließlich gleich, mit welchem Strick er uns erwürgt. Aus unser natürliches Herz machen Trübsal und Tod denselben Eindruck, Wie auf die Kinder dieser Welt. Unser Herz wird ungeberdig, zittert und zagt; es wird ebenso dunkel um uns her. Da gibt es keine andere Rettung als in das Wort kriechen, wie Luther sagt, das natürliche Auge verschließen und fragen : Was sagt Gottes Wort? wie deutet Gott mir Krankheit, Tod 2c.? Hier liegt das Gehermniß des Christenglücks auf Erden. Was vor Augen liegt, macht uns nicht viel Freude; aber im Glauben an das Wort haben wir überaus herrliche Schätze vor Augen. Und was man Unglück nennt, kann den Christen nicht gar unglücklich machen. Durch den Glauben an das Wort ist er, und er allein, dem Unglück gewachsen. Aber nur insofern er im Glauben wandelte

Luther: „Lasset uns den Patriarchen Jakob hören, der vom Tode wie vom Schlaf redet. Denn, wenn du ihn fragen wirst : Lieber Jakob, wie,' daß du vor dem Tode nicht erschrickst? so antwortet er: Ich werde zwar sterben und in das Grab gelegt werden, aber Gott lebet, der uns das Land verheißen hat, darein er euch führen wird; mich aber wird er in ein ander Leben, das viel besser ist, setzen ; denn er hat es verheißen. Darum ist alle sein Leben in dieser Verheißung verschlungen gewesen : Gott hat verheißen, er wolle mir gnädig sein, so auch, daß von mir der Messias soll geboren werden. Derhalben wird er auch das Land und den Ort geben, 1>a dieser Messias geboren werde. In dem Glauben und Vertrauen will ich sterben und im Frieden entschlafen." (St. L. Ausg. II, 1903.) Derselbe: „Solche große Kraft hat der Glaube, daß er, wenn wir gestorben, wiederum lebendig macht: und zwar in derselben Stunde, da wir anfangen zu glauben und das Wort zu ergreifen, heben wir auch an, ein ewiges Leben zu leben. Denn das Wort des HErrn bleibet ewig, und Gott, der mit uns redet, ist ewig und wird auch ewig bei

 

 


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Luther weist in der Auslegung der Genesis oft auf die Märtyrer hin. Wie dieselben auch in der erschrecklichsten Marter durch den Glauben nicht mehr den Tod gefühlt, sondern nur noch das Leben geschaut haben. Sie zogen ihre Augen ab von dem, was vor Augen lag; sie sahen nur das Wort an, welches mit seiner Verheißung Marter und Tod verdeckte.

Luther schreibt: „Die wir glauben, haben diesen Anfang, daß, ob wir auch jetzt den Tod fühlen, wir uns doch vor ihm nicht fürchten, wie die Andern, die vom bösen Gewissen geplagt werden, auch bleich werden und erschrecken, wenn sie nur den Tod nennen hören. Aber die gottseligen und heiligen Märtyrer verachten und verspotten den Tod. Wie St. Agnes, da sie hingerissen ward in den Kerker und gepeiniget werden sollte, gesagt: Es wäre ihr nicht anders zu Muth, denn als würde sie zum Tanz geführt. Lieber, woher mag doch das Mägdlein solchen großen Muth gehabt haben, daß sie sich so gar nicht gefürchtet noch erschrocken ist. sondern ist fröhlich und guter Dinge, als setzte man sie zu Tische, da man ihr sehr gütlich tun wollte? Es ist zwar nicht eine epikurische Verachtung des Todes gewesen, sondern rechte Weisheit und rechter Verstand, daraus sie hat schließen können und dafür halten, daß ihr das Leben ganz nahe wäre. Darum hat sie des Teufels und Todes gespottet und ihrer gleichsam gelacht; denn der Tod war in ihr verschlungen durch das Leben." (St. L. Ausg. I, 1902 f.)

So können auch wir dekl Tod überwinden und den Schrecken vor der Todesstunde verlieren, wenn wir uns durch Gottes Gnade gewöhnen, den Tod nicht bloß mit dem natürlichen Auge anzusehen, sondern im Glauben an das Wort Gottes, welches dieses dunkle Thal Helle macht und uns durch den Tod das ewige Leben sehen läßt. Es gibt kein anderes Mittel, den Tod zu überwinden, und keine andere rechte Bereitung auf die Todesstunde.

Im Glauben muß das Leben der Christen auch den Reizungen und Lockungen der Welt gegenüber einhergehen. Der Apostel Johannes sagt ja: „Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat." 1 Joh. 5, 3. Der Apostel sagt also damit, daß durch den Glauben die Welt mit allen ihren Reizungen und Lockungen besiegt, unschädlich gemacht, zu unseren Füßen liege. Durch den Glauben kann ich gegen die Lockungen und Drohungen der Welt Augen und Ohren so verschließen, als wären die Lockungen und Drohungen gar nicht da. Da liegt vor meinen Augen das Gut der Welt, und nach meinem natürlichen Menschen möchte ich mein Herz dran hängen. Aber durch den Glauben höre ich auf, das, was vor mir liegt, bloß mit meinen natürlichen Augen anzusehen und mit der Vernunft zu beurteilen. Ich nehme Gottes Wort dazu, und da steht dann von dem Gut dieser Welt, daß es vergeht, am jüngsten Tage sammt der Welt verbrennt. Dagegen sagt mir Gottes Wort: Du, als Christ, hast den Himmel und die ewige Seligkeit, du sollst ewig Gott schauen. Ich sehe im Glauben an, was mir Gottes Wort von meinem geistlichen und ewigen Erbteil sagt, und da kommt mir das Gut dieser Welt vor wie Dreck. Die

 


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Lockungen der Welt zu ihrer Lust machen nach unserm natürlichen Menschen einen großen Eindruck auf uns. Wir wissen das aus Erfahrung, weil wir ja von Natur von derselben Art sind, wie die Weltkinder. Aber wir nehmen das Wort Gottes vor Augen, z. B.: „Die Welt vergeht mit ihrer Lust" und das andere, welches uns Freude, „unaussprechlich herrliche Freude" verheißt, 1 Petr. 1, 8.: sobald wir im Glauben den Blick hierauf gerichtet halten, liegt uns die Lust der Welt zu Füßen, erscheint uns, was die Welt bietet, wie eine Bettelsuppe. — So ist's auch mit den Drohungen dieser Welt, mit denen sie uns von Christo und seinem Wort abziehen will. Dieselben machen einen gewaltigen Eindruck auf uns nach dem natürlichen Menschen. Das haben auch die Großen im Reiche Gottes erfahren; wie haben sie gezittert, wenn sie bloß mit natürlichem Auge die Gefahr ansahen! Wie hat z. B. Melanchthon 1530 zu Augsburg gezagt, als er auf dem Reichstage den Kaiser und alle seine Großen ansah! Da schrieb er an Luther, das Evangelium werde mit Stumpf und Stiel in Deutschland ausgerottet werden. Aber diese Drohungen bewegen uns nur so lange, als wir mit unsern natürlichen Augen und unserer Vernunft dreinschauen. Sobald wir aber das Wort in's Auge fassen und im Glauben die Lage der Dinge ansehen, da wird der große Goliath mit seinem schrecklichen Spieß und mit seinem entsetzlich großen Maul zu einem armseligen Zwerglein, das mit einem Strohhalm gegen uns anrennt. Es steht das Wort Gottes da, daß der HErr, der zur Rechten Gottes sitzt, unser Heiland, Welt und Kirche regiere. Luther sagt daher oft, wenn Christus falle, so wolle er mit fallen; so lange aber Christus noch auf dem Thron säße, wolle er auch wohl bleiben. Das Wort Gottes, sagt Luther, wird zu einem solchen Geschrei in unsern Ohren, daß wir alles Toben der Feinde dagegen nicht mehr hören.

Luther schreibt: „Mit dem Teufel und Exempel muß sich der Glaube einlegen und schlagen ; da ist's denn eine Kunst, daß man Ohren und Augen zustopfe, und in die Ohren und Augen das fasse, das man weder höret noch siehet, und spreche: Es ist wahr, Türke, Pabst, Könige und Fürsten sind groß; aber ich weiß einen Größeren. Und wenn man gleich noch drei Welt voll Türken, und drei voll Päbste wären, was wäre es denn gegen Gott zu rechnen? Daraus kannst du darnach fein also schließen: Wohlan, das sagt der Türke und Pabst; das aber sagt Gott; so weiß ich nun, sind dort viel unzählige Menschen, so sind hier viel unzählige Engel; und der Haufe auf Erden ist nichts gegen jenen zu rechnen, der Himmel ist voll Engel, die sagen alle, du seist ein Christ; so saget's Gott selber. Was ist nun die Welt? Welt hin, Welt her; ich glaube dem Türken und Pabst nichts, ich muß einen haben, der größer denn Türke, Pabst, Kaiser, König. Mit solchen Gedanken wird das Wort fein groß, stark und mächtig, wenn man darauf siehet, wer der ist, der es geredet hat, und das andere Teil. Türke, Pabst, und wer sie sein, die sich dawider legen, werden eitel Stäublein,

 


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daß das Herz weder Türken noch Pabst mehr siehet, und verachtet all ihre Gewalt, die sie wider das Wort vorzunehmen gebrauchen. — Auf die Weise muß man von allen andern Artikeln des Glaubens gedenken und reden; und dann wird man erst ein Christ, wenn das Herz also gewiß kann schließen, daß es also sei, es sei Gottes Wort. Wenn man das hat, so hebt das Herz an und spricht: Ist das Gottes Wort oder ein Artikel des Glaubens? Wohlan, was dawiderredet, es sei Türke, Kaiser oder Pabst, so tue ich, als hörte ich's nicht. So wird denn aus dem Wort Gottes ein solch Geschrei, daß keine Glocke, Büchsen noch Donner so gewaltig und mächtig lautet. Sagt man denn von Mahomet; spricht das Herz: Ich weiß von Mahomet nichts. Sagt man: ob wir denn alle Verstorbene verdammen wollen? spricht das Herz: Ich weiß von denselbigen nichts. Also fortan: Ich glaube an den, und weiß allein von dem, der gegen Himmel und Erden unermeßlich und unendlich ist. Also wird denn ein Wort, das Gott redet, größer und lichter denn zehen oder zwanzig Sonnen. So heißt nun das auch ein rechter Christ, wenn einer in seinem Herzen gewiß ist: das sagt Gott; und glaubet, daß er vor Gott der sei, welcher er in seinem Stande unter den Leuten ist; was sich aber dawiderlegt, da muß man fechten und schlagen, und also siegen, denn der Glaube kann nicht unterliegen." (Erl. Ausg. Bd. 18, S. 126. 127.)

Luther schrieb nach Augsburg an den verzagten Melanchthon: „Deiner großen Sorge, von welcher Du verzehrt wirst, wie Du schreibst, bin ich von Herzen feind ; daß sie in Deinem Herzen so überhand nimmt, ist nicht der großen Sache, sondern unsers großen Unglaubens Schuld. Denn dieselbe Sache ist viel größer gewesen zur Zeit des Johannes Huß und vieler Andern, als zu unsern Zeiten. Und ob sie gleich groß wäre, so ist der auch groß, der sie angefangen hat und führt, denn sie ist nicht unser. Was kränkest Du Dich denn selbst so stets und ohn Unterlaß? Ist die Sache unrecht, so laß sie uns widerrufen; ist sie aber recht, warum machen wir Gott in so großen Verheißungen zum Lügner, so er uns heißt guter Dinge und zufrieden sein? Wirf, sagt er, deine Sorge auf den HErrn. Der HErr ist nahe allen betrübten Herzen, die ihn anrufen. Redet er solches in den Wind oder wirft ers vor die Thiere? Ich werde Wohl auch öfter erschreckt, aber nicht fortwährend. Deine Philosophie plaget Dich so, nicht Deine Theologie, jene, die auch Deinen Freund Joachim mit gleicher Sorge zu nagen scheint; gerade als könntet Ihr mit Eurer unnützen Sorge etwas ausrichten. Was kann der Teufel mehr tun, denn daß er uns erwürge? Was soll das also? Ich beschwöre Dich, der Du doch sonst in allen andern Sachen Dich wehrest, kämpfe auch wider Dich selbst. Deinen größten Feind, weil Du dem Teufel so viele Waffen Wider Dich selbst reichest. Christus ist für die Sünde gestorben einmal; aber für die Gerechtigkeit und Wahrheit wird er nicht sterben, sondern er lebet und regieret. Ist das wahr, was sorgen wir denn für die Wahrheit, wenn er regiert? Wird sie aber

 


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niedergeschlagen werden durch Gottes Zorn, so laßt uns mit ihr niedergeschlagen werden ; aber nicht durch uns selbst. Der unser Vater worden ist, der wird auch unserer Kinder Vater sein. Ich bitte wahrlich fleißig für Dich, und tut mir wehe, daß Du die Sorge so gierig, wie der Blutigel das Blut, in Dich saugest und mein Gebet so kraftlos machst. Ich zwar, so viel die Sache betrifft, (ob's aus Stumpfheit oder aus dem Geist hervorkomme, das weiß mein HErr Christus) bin nicht sonderlich bekümmert, ja ich habe eine bessere Hoffnung als zuvor. Gott kann die Todten auferwecken, er kann auch seine Sache, ob sie gleich fällt, erhalten; und wenn sie gefallen ist, wiederum aufrichten, und wenn sie stehet, fördern und fortsetzen. Sollen wir hierzu nicht tüchtig sein, so geschehe es durch Andere. Denn wenn wir durch seine Zusagungen nicht aufgerichtet werden, wer ist denn jetzt anders in der Welt, den sie angehen? Aber hiervon mehr ein andermal, Wiewohl ich nichts anderes tue als Wasser ins Meer tragen. — Christus tröste Euch Alle mit seinem Geist und stärke und lehre Euch, Amen. Werde ich hören, daß die Sache bei Euch will übel stehen, so werde ich's kaum lassen, ich werde zu Euch eilen, auf daß ich sehe, wie schrecklich des Teufels Zähne umher stehen, wie die Schrift sagt. Aus unsrer Einöde, am Montage

nach Johannis 1530."

Luther schrieb ebenfalls nach Augsburg an den Kanzler Brück: „Ich Hab nun etlichemal an meinen gnädigsten Herrn geschrieben, und an die Unsern, daß ich wohl denke, ich habe sein zu viel gemacht, sonderlich an meinen gnädigsten Herrn, als ob ich gleich zweifelte, daß Gottes Trost und Hülfe mehr und stärker bei Seiner kurfürstlichen Gnaden wären, denn bei mir. Ich hab's aber aus Anregung der Unsern gethan, deren etliche so wehmüthig und sorgfältig find, als hätte Gott unser vergessen; so er unser nicht kann vergessen, er müßte zuvor sein selbst vergessen. Es wäre denn, daß unsere Sache nicht seine Sache, und unsere Lehre nicht sein Wort wäre. Sonst, wo wir deß gewiß sind, und nicht zweifeln, daß es seine Sache und Wort ist, so ist auch gewiß unser Gebet erhöret, und die Hülfe schon beschlossen und zugerüstet, daß uns geholfen werde; das kann nicht fehlen. Denn er spricht: Kann auch ein Weib ihres Kindleins vergessen, daß sie sich nicht sollt erbarmen über ihres Leibes Frucht? Und ob sie desselbigen vergäße, so will ich doch dein nicht vergessen; siehe, ich habe dich auf meine Hand gezeichnet. — Ich habe neulich, zwei Wunder gesehen: Das erste, da ich zum Fenster hinaus sähe, die Sterne am Himmel und das ganze schöne Gewölb Gottes, und sähe doch nirgend keine Pfeiler, darauf der Meister solch Gewölb gesetzt hatte; noch fiel der Himmel nicht ein, und stehet auch solch Gewölb noch fest. Nun sind etliche, die suchen solche Pfeiler, und wollten sie gern greifen und fühlen. Weil sie denn das nicht vermögen, zappeln und zittern sie, als werde der Himmel gewißlich einfallen, aus keiner andern Ursachen, denn daß sie die Pfeiler nicht greifen noch sehen. Wenn sie dieselbigen greifen könnten, so stände der Himmel feste.

 

 


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— Das andere, ich sähe auch große, dicke Wolken über uns schweben, mit solcher Last, daß sie möchten einem großen Meer zu vergleichen sein; und sähe doch keinen Boden, darauf sie ruheten oder fußeten, noch keine Kufen, darein sie gefastet wären; noch fielen sie dennoch nicht auf uns, sondern grüßeten uns mit einem sauren Angesicht und flohen davon. Da sie vorüber waren, leuchtete hervor beide, der Boden und unser Dach, der sie gehalten hatte, der Regenbogen. Das war doch ein schwacher, dünner, geringer Boden und Dach, daß es auch in den Wolken verschwand, und mehr ein Schemen (als durch ein gemalet Glas zu scheinen pflegt) denn ein solcher gewaltiger Boden anzusehen war, daß einer auch des Bodens halber wohl so sehr verzweifeln sollte, als der großen Wasserlast. Dennoch fand sich's in der Thal, daß solcher ohnmächtiger (anzusehen) Schemen die Wasserlast trug und uns beschützte. Noch sind etliche, die des Wassers und der Wolken Dicke und schwere Last mehr ansehen, achten und fürchten, denn diesen dünnen, schmalen und leichten Schemen; denn sie wollten gern fühlen die Kraft solches Schemens; weil sie das nicht können, fürchten sie, die Wolken werden eine ewige Sündfluth anrichten."

Luther: „Hierzu (daß der Teufel, Tod und Sünde gewaltiglich unter Christi Füße gelegt sind) gehöret nun der Glaube, der sich des Königs annehme und diesen Christum also lerne ansehen und gewißlich dafür halten, daß er einen solchen HErrn an ihm habe, der da nicht für sich selbst droben im Himmel müßig sitzt, oder mit den Engeln Kurzweil treibt, sondern solch Regiment allenthalben kräftig führt, alle Herzen in der Hand hat und seine Christenheit wahrhaftig regieret und,führet, rettet, schützet und erhält und allen, so an ihn glauben und ihn anrufen, gewißlich solche Güter gibt, wie St. Paulus Eph. 4. aus dem 8. Psalm sagt: Daß er sei darum hinauf in die Höhe gefahren und sich zur Rechten Gottes gesetzt, daß er den Menschen solche göttliche Gaben gäbe. — Aber, wo solcher Glaube soll bestehen und erhalten werden, da muß man nicht sehen nach dem äußerlichen Schein und Wesen, noch der Vernunft Dünken oder unseres eigenen Herzens Fühlen folgen, sondern wie des Glaubens Art und Kunst Ebr. 11. beschrieben ist, daß er festhält und nicht zweifelt an dem, das er nicht siehet. Denn unserem Sehen und Fühlen nach scheinet's nichts überall (wie zuvor gesagt ist), daß Christus so gewaltiglich bei uns regiere, sondern vielmehr das Widerspiel sehen und fühlen wir, und ist nichts denn eitel Schwachheit und Unkraft vor Augen bei der Christenheit, als sei sie gar elend und verlassen, ohne Hülfe und Rettung, von der Welt verlassen und mit Füßen getreten, dazu vom Teufel mit der Sünde, Tods- und Höllenschrecken und Angst überfallen und bedrängt, ohne was sonst allerlei gemeine leibliche Unfälle, Gefahr und Not, mehr denn über andere Leute. Darum muß allhie solche Glaubenskunst und Meisterstück gehen, daß er wider solch Fühlen und Sinne kämpfe und fechte und an dem bloßen Wort halte, so er allhie höret, daß dieser Chri-

 


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stus (wiewohl unsichtbar) droben zur rechten Hand Gottes von Gott gesetzt ist und allda bleiben soll und will und über uns gewaltig regieren, doch vor der Welt beimlich und verborgen. Denn dieses Sekeb lemini (Setze dich zu meiner Rechten), weil es Gott selbst sagt, muß ja wahr sein und bleiben und wird es keine Creatur umstoßen, noch falsch machen, so wird 'n's auch selbst nicht verleugnen, es scheine, fühle und stelle sich alles, wie

es wolle." (Jenaer Ausg. Bd. 7, 310 d.)

Noch ein überaus wichtiger Punkt des Lebens im Glauben bleibt uns zu betrachten übrig : Jeder Christ muß auch in Bezug auf seinen irdischen Beruf im Glauben wandeln. Diesen Punkt schärft auch Luther unaufhörlich ein. Die Christen tun, den ehrlichen Beruf vorausgesetzt, äußerlich angesehen durchaus dieselben Werke, wie die Welt. „Man sieht sie vor Andern nichts Sonderlichs machen." Ein Bauer, ein Handwerker, ein Hausvater, eine Hausmutter, ein Knecht, eine Magd tun die Werke ihres irdischen Berufs. Als Christen aber wandeln sie in Bezug auf alle diese Werke im Glauben. Was heißt das? Das heißt: sie sehen alle diese Werke nicht bloß so an, wie sie vor den natürlichen Augen liegen und wie sie nach der Vernunft beurteilt werden, sondern sie sehen über ihrem Stande und Beruf und allen einzelnen Werken desselben noch ein Licht glänzen, welches nur der Glaube wahrnimmt; das ist das Wort Gottes, welches sich auf ihren Beruf bezieht. Nach diesem Worte glauben sie. daß Gott sie in ihren irdischen Beruf gesetzt habe, daß die Arbeit ihres Berufes nach Gottes Willen geschehe und Gott wohlgefalle. So gehen sie auch in ihrem irdischen Beruf als im Dienste Gottes einher, sie erfüllen ihren Beruf um Gottes willen. — Dieser Punkt ist von der äußersten Wichtigkeit. Denn nur soweit die Werke unseres Berufes in diesem Glauben geschehen, sind sie überhaupt Christenwerke.

Luther sagt: „Die Heiden richten nach den Werken; die Christen sollen richten nach dem Glauben. Ist der Glaube groß, so sind die Werke auch groß; ist er klein, so sind die Werke auch klein. Wie der Glaube ist, sind die Werke auch nicht anders." (E. A. 22, 137.)

Wenn das ein Christ nicht festhält, so kann er gar leicht Schiffbruch leiden, wie denn schon so Manche gerade an diesem Punkt zu Fäll gekommen sind. Es ist kein indifferentes Ding, wie die Werke des irdischen Berufs gethan werden. Mancher denkt zwar : „Als Christ muß ich freilich in die . Kirche gehen, Gottes Wort lesen, zum heiligen Abendmahl gehen u. s. w., aber mit der Verrichtung der Werke des irdischen Berufs hat das Christentum doch wenig zu tun." Das ist aber ein gefährlicher und ganz erschrecklicher Irrtum. Thue ich die Arbeit meines irdischen Berufs nicht in der Gesinnung und Ueberzeugung, daß mich Gott in meinen Beruf gestellt habe und ich ihm in demselben diene, tue ich meine Arbeit nicht im Glauben, so tue ich sie, wie Luther sagt, „um's Bauchs willen" und bin somit vor Gott ein nichtsnutziger Mensch.

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Luther schreibt: „Um's Bauchs willen tut die Welt alles, was sie tut; ist das nicht ein schändlicher Gott? Was ohne Glauben geschieht, da tut man alles, was man tut, auch an Gottes Wort, Tauf, Sacrament und Evangelio um's Bauch's willen."

Achten wir noch besonders auf die letzten Worte: „auch an Gottes Wort, Tauf, Sacrament und Evangelio." Das ist etwas für uns Lehrer und Prediger. Halten wir nicht dafür, daß Gott uns unser Amt aufgetragen habe, und tun wir die Werke desselben nicht als im Dienste Gottes, so tun wir diese höchsten Werke, als, Predigen, Ermahnen u. s. w., auch um des Bauchs willen und sind verfluchte Menschen. Ein jeder Christ soll daher immerfort das Wort ansehen, das gerade für seinen Beruf dasieht; dann wird er in Bezug auf seinen Beruf im Glauben wandeln. Im Lichte dieses Wortes wird ihm dann sein Beruf auch überaus wichtig, herrlich und köstlich erscheinen, wenn er gleich vor Menschen Augen noch so gering und verächtlich wäre. Wie oft sagt nicht Luther, wenn ein Knecht auf den Acker fährt, die Magd die Stube kehrt, die Hausfrau der Kinder wartet, so seien das vor Gott eitel köstliche Werke, wenn sie in der Gesinnung geschehen, daß Gott diese Werke von uns gethan haben wolle. O, daß wir das doch recht glauben könnten! Wie viele verdrossene Gesichter würden dann auch unter uns verschwinden! Die Erde würde uns ein wahres Paradies werden auch in Bezug auf den Wandel in unserem irdischen Beruf. Aber wir sind solche Thoren, daß wir es gar nicht lassen können, immer nur das anzusehen, was vor dem leiblichen Auge liegt. Und da ist denn dem Einen sein Beruf zu gering vor den Menschen, dem Andern ist er nicht lohnend genug, dem Dritten ist er zu schwer und lästig, und fast Jedermann gefällt sein Beruf nicht. Dies alles würde aber aufhören, wenn wir in unserm irdischen Beruf im Glauben wandelten. Wie würde auch alle Untreue im Beruf schwinden! Ja, Luther sagt, es sei unmöglich, daß Jemand in seinem Beruf sündige, solange er in Bezug auf denselben im Glauben wandele. Er schreibt : „Wenn ein Ehemann oder Eheweib das bei sich gewiß kann schließen: Ich glaube und bin ungezweifelt, daß mich Gott meinem Mann zu einem Weibe, meiner Frau zu einem Mann hat gegeben, deß müssen mir Sonne und Mond Zeugniß geben, und ist keine Creatur, die anders könnte sagen. Wenn nun das Herz also gewiß ist. so darfst du nicht sorgen, daß derselbige Ehemann zum Ehebrecher, oder sie zu einer Hure wird: denn das Herz kann bald wider alle böse Lust und Gedanken schließen: Das ist nicht dein Eheweib, darum laste sie zufrieden. Also treibet und wehret denn derselbige Glaube, daß einer nichts Unrechts tun kann. So ist's auch mit Knecht und Magd; der Knecht kann gewiß sagen: Ich bin des HErrn Knecht; Gott spricht selbst: Hans, du bist deß Knecht; dazu alle Engel sagen: ja, es ist wahr. Wenn das Herz so fein gewiß ist, so wird es ihn darnach wohl lehren, wie er seinem Herrn dienen soll und treu sein. Denn es ist unmöglich, daß das Herz einerlei Untreu lasse

 


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in sich kommen, wenn's also seines Berufs gewiß ist, und der Knecht sich also vergottet, wie St. Paulus lehret Eph. 3, 19.: .Daß ihr erfüllet werdet mit allerlei Gottes Fülle', daß einer gar voll Gottes werde. Sonst, wenn das Herz nicht so gewiß ist, und einer nicht also vergottet, daß er nicht denkt, daß er seines Thuns vor Gott gewiß ist, so gehet einer dahin und tut, was er will, ohne allen Ernst und Fleiß, und dazu auch mit einem bösen Gewissen. Darum, wenn eine Frau eine Ehebrecherin wird, ein Knecht seinem Herrn nicht fleißig dienet, isi's ein gewiß Zeichen, daß kein Glaube im Herzen, sondern nur ein schlechter, dazu ungewisser Wahn ist. Denn wo es ein rechter Glaube wäre, würde sie die Ehe nicht brechen, und der Knecht würde seinem Herrn mit anderm Fleiß dienen. Wie St. Johannes auch sagt, 1 Joh. 3, 9.: .Wer aus Gott geboren ist, der tut nicht Sünde; denn sein Same bleibet bei ihm, und kann nicht sündigen, deün er ist aus'Gott geboren.' Daher sehen wir, daß alle Sünden müssen aus dem Unglauben fließen, und das ist das erste, daß einer nicht gewiß dafür hält und glaubet, daß er ein Ehemann, sie ein Eheweib, ein Knecht, eine Magd, ein Sohn, eine Tochter sei, darnach fällt er dahin, daß er tut, was er will, und gar in Sünden lebet." . . . „Das ist denn der Christen eigene Kunst, daß sie dem Worte können glauben, und haben gewisse Herzen gegen Gott; das heißt allein ein rechter Glaube. Daß du aber einem etwas gewiß zusagest und hältst es ihm, und ein andrer dir wieder, das heißt kein Glaube. Der Glaube muß nur auf dem stehen : das hat Gott gesagt, deine Sünden sind dir geschenkt durch Christum. Darnach weiter: das hat Gott gesagt, daß du des Weibes Ehemann bist, und du des Mannes Eheweib, des Sohns, der Tochter, des Knechts, der Magd, Gott und alle Engel heißen mich des Herrn Knecht 2c. Wenn sich also einer drein schickt, der gehet fein hin, und weiß, daß er Gott einen Wohlgefallen tut, wenn er seinem Herrn mit Treue dienet, er schwinge Haber, oder fahre auf den Acker, oder tue sonst, was er wolle. Dieser geringen Werke darfst du keines Carthäusers, Pfaffen und Orden vergleichen; denn sie sind weit über alle Orden und Menschenwerk. Die solches verstehen, da werden feine Menschen draus, die in ihrem Stande wohl zufrieden sind, und tun alle Dinge mit Ernst, nicht schlecht in Wind hinweg, wie sonst jedermann tbut." . . . „Und was möchte es schaden, daß ein Knecht oder Magd, Herr oder Frau, wenn sie zu morgens aufstünden, mit ihm selbst ein heimlich Gespräch hielten, daß sich ein Knecht fein selbst fragte: Lieber, bist du auch des Herrn Knecht? Eine Magd: Lieber, brst du der Frauen Magd? Ja, ich bin's. Glaubest du es auch und hältst es für gewiß, und deß muß mir zeugen Gott selbst und alle seine Engel. Darnach könnte doch einer fein lustig an seine Arbeit gehen, irgend einen deutschen Psalm oder sonst ein Lied dazu singen, so würde es ihm den ganzen Tag desto schleuniger abgehen, was er vorhätte."

 


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Das sind goldene Worte. Es gilt also, die „Haustafel" immerfort im Glauben anzufchauen. Die „Haustafel" ist ein wichtiger Teil des Katechismus. Soll ein lustiger, fröhlicher Geist in unsere Gemeinden kommen in Bezug auf den Wandel im irdischen Beruf, so müssen wir sie immerfort lehren, die Werke des irdischen Berufs nicht bloß und wie sie vor dem natürlichen Auge liegen, sondern im Glauben an die „Haustafel" anzuschauen.

Hier wurde noch folgendes Beispiel angeführt: Gesetzt den Fall, in einer Waschstube wären zwei Mägde beschäftigt. Sie tun beide dieselbe Arbeit. Sie gebrauchen auch bei diesem ihrem Beruf das, was man in weltlichen Dingen anwenden soll, ihre Vernunft. Sie gießen nicht Dinte statt Wasser auf die Wäsche; sie wollen nicht im Regen, sondern im Sonnenschein die Wäsche trocknen. Darin ist das Thun beider Mägde ganz gleich. Aber weiter: Die eine Magd, während sie wäscht, denkt in ihrem Herzen: es ist doch empörend, ja, eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, daß ich mich hier so mit anderer Leute Sachen abquälen muß, während meine Frau geputzt in der Stube sitzen, lesen und spielen kann! Warum könnte ich es nicht auch so haben? Warum muß ich hier bei der sauren Arbeit stehen? u. s. w. Die andere Magd denkt vielleicht bei sich: Das ist heute aber eine große Wäsche! Das wird noch manchen Schweißtropfen kosten, bis ich mit der Arbeit fertig werde; meine Frau könnte mir auch vielleicht etwas Hilfe schaffen. Daß die Frau dies aber nicht tut, macht die Magd nicht bös und bitter, sie wirft ihre Arbeit nicht hin, und geht ihrer Wege, sondern sie sagt: Ich bin nun einmal nach Gottes Willen im Dienst, ich bin der Frauen Magd, so will ich auch mein Bestes tun und heute erst recht fleißig sein. Wenn sie so ihre Arbeit tut, so verrichtet sie bessere Werke und ist Gott in diesem Stand wohlgefälliger als alle Nonnen. Da sehen wir deutlich, wie diese beiden Mägde äußerlich ganz dieselbe Arbeit tun; die eine aber ist im Reiche des Teufels und in des Teufels Dienst, die andere steht im Glauben, und dient in ihrem Berufe Gott. Und das geht durch alle Berufe und Stände hindurch. Hier ist eine Probe des aufrichtigen Christentums. Was ist denn das vornehmste Zeichen, daß es mit einem recht steht? Etwa dies, daß man immer das Buch in der Hand hat, immer ernst drein schaut, äußerlich Gebete hersagt? Nein! Ein Buch in die Hand nehmen, ein Gebet herplappern, das kann auch ein Heuchler; aber ungesehen, unbeobachtet, in seiner täglichen Beschäftigung treu sein, das kann kein Heuchler, das tut nur ein Christ, der in seinem Beruf im Glauben wandelt. Gerade in unserm Beruf können wir Gott am meisten dienen, aber auch am meisten sündigen; ja, in unserm Beruf sündigen wir zehnmal mehr, als sonst in andern Dingen.

Wir haben bis jetzt gesehen, was der Glaube sei und wie im Glauben das ganze Christenleben einher gehe. Im Glauben haben wir Gewißheit der Gnade Gottes; im Glauben liegt Sünde, Welt und Teufel zu unsern

 


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Füßen; im Glauben gehen wir auch recht in unserm Beruf einher. Je bester es darum mit dem Glauben steht, desto bester steht es auch mit dem Christenleben.—Nun kommen wir zum letzten Stück unserer Thesis, welches von der Kraft des Glaubens handelt.

Es ist ganz merkwürdig, wie die Schrift vom Glauben redet. Wenn z. B. darüber berichtet wird, daß einem Kranken und Elenden geholfen fei, so wird dies hin und wieder nicht sowohl der Allmacht Gottes, als vielmehr dem Glauben des Menschen zugefchrieben. So spricht Christus Matth. 8, 13. zu dem Hauptmann von Kapernaum: „Gehe hin, dir geschehe, wie du geglaubt hast"; und Matth. 9,2. lautet es: „Da nun JEsus ihren Glauben sähe, sprach er zu dem Gichtbrüchigen: Sei getrost, mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben." Matth. 15, 28. spricht der HErr zum eananäischen Weibe: „O Weib, dein Glaube ist groß; dir geschehe, wie du willst." Marc. 9, 23. spricht Christus zu dem Vater des mondsüchtigen Knaben: „Wenn du könntest glauben; alle Dinge sind möglich Kern, der da glaubet." Wir sehen also: die Schrift schreibt dem Glauben gerade Allmacht zu; wie Gott selbst allmächtig ist, so ist auch der Glaube allmächtig. Luther sagt: „Der Glaube ist ein allmächtig Ding, wie der ewige Gott selbst." (St. L. Ausg. XI, 2303.) Wie können wir uns dies erklären? Nun, der Glaube vermag alles, weil er die Verheißung des allmächtigen und wahrhaftigen Gottes ergreift ; weil er selbst uichts tut, sondern Gott alles tun läßt. Der Glaube erlangt zunächst alles in geistlichen Dingen: die ganze Gnade Gottes, Gerechtigkeit, Himmel und Seligkeit. Warum? Christus, unser lieber HErr und Heiland, hat ein für allemal diese Dinge für uns vollständig erworben; die Vergebung der Sünden, der Himmel, die Seligkeit sind für Jeden bereits da. Und diesen Erwerb Christi bietet Gott uns durch das Wort, durch die Verheißung, dar; wir brauchen ihn nur anzunehmen. Das geschieht aber allein durch den Glauben. So sehen wir: der Glaube erhält alles in geistlichen Dingen, weil bereits alles erworben ist und im Wort des Evangeliums dargeboten wird. Und ebenso ist es in leiblichen Dingen. Auch in Bezug auf leibliche Dinge vermag der Glaube alles. Auch hier liegen ja die herrlichsten Verheißungen vor. Z. B.: „Trachtet am ersten nach dem Reiche Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches alles zufallen"; und abermals: „Ich will dich nicht verlassen noch versäumen." Das sind Gottesworte. Sobald sie im Glauben ergriffen werden, werden sie auch wahr. Eher müßte wahrlich Himmel und Erde untergehen, als daß ein gläubiger Christ hierin zu Schanden würde.

Luther: „Hilf Gott! wie ein überschwänglich reich und mächtig Ding ist's um den Glauben! Macht er doch den Menschen aller Ding zu einem Gott, dem nichts unmöglich ist, wie Christus Marc. 9, 23. sagt: ,Kann st du glauben? Alle Ding sind möglich dem, der da glaubt.' Daher

 


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sagt auch der 82. Psalm (V. 6.): ,Jhr seid Götter und allzumal Kinder des Allerhöchsten.'" (E. A. 10, 330.)

„Dem Glauben gibt Christus alle sein Recht und Gut, das er hat über Sünde, Tod und Gesetz, machet ihn gerecht, frei und selig." (E. A. 10, 330.)

„Alles, was der Glaube angibt und das Wort verheißt, das muß geschehen; denn Gott ist das Wort und das Wort ist Gott; wer das Wort hat, der hat eine göttliche Kraft." (St. L. Ausg. II, 286.)

„Siehe, also Hab ich oft gesagt : Ein Christenmensch hat durch seine Taufe und Glauben schon alle Dinge, und wird ihm gegeben alles auf einmal; ohne daß er's noch nicht aufgedeckt siehet, sondern im Glauben ihm behalten wird, um dieses Lebens willen, welches nicht ertragen möchte solcher Güter Offenbarung."

Als ein Beispiel der Kraft des Glaubens, der sich an Gottes Wort hält, wurde Petri Gang auf dem Meere angeführt, Matth. 14, 28—31. Hier wurden selbst die sogenannten Naturgesetze durch den Glauben aufgehoben. Petrus wandelt auf dem Wasser, wie auf festem Lande. Und das ging so lange gut, als Petrus Christi Wort „Komm her" im Glauben festhielt. Als aber ein besonders heftiger Windstoß kam und die Wellen sich hoch aufthürmten, da vergaß Petrus des HErrn Wort und er fing an zu sinken. Petrus sank nicht infolge der natürlichen Schwere seines Körpers, sondern infolge seines Unglaubens. Denn so gibt der HErr selbst die Ursache des Sinkens an: „O du Kleingläubiger, warum zweifeltest du!" O wahrlich, der Glaube, welcher sich auf ein bestimmtes Wort der Verheißung verläßt, vermag alles; der Unglaube vermag nichts. Vergl. Ies. 7, 9.: „Glaubet ihr nicht, so bleibet ihr nicht."

Luther: „Siehe, wie der Glaube des heiligen Patriarchen (Abraham) gestanden ist. Also haben wir gesagt, daß der Glaube eine gewisse Zuversicht ist der Dinge, die man nicht siehet, aber doch verheißen sind, dadurch man gewartet deß, das da wohl scheinet, als werde es nimmermehr kommen. Darum ist es ein blind und doch ein hell Erkenntniß, ein Licht mitten im Finstern, also, daß er auch solch Gut hat, das er nicht hat. das ist, das er nicht siehet, und jedermann sagen muß, er habe nichts. Als, daß ich's mit einem groben Exempel erkläre: Wenn sich ein armer Mann in ehelichen Stand begeben soll, und der Glaube nicht da ist, steht das Herz also: Was tue ich? Soll ich ein Weib nehmen und habe nichts, damit ich mich ernähre? Weil er nun nicht siehet, wo das Gut liegt, deß er sich ernähre, will er nicht hinan. Ist aber Glaube da, so spricht er: Ich will ehelich werden in Gottes Namen. Wo das Gut ist, das ich haben soll, oder wo ich's nehmen soll, weiß ich nicht, da sehe ich nicht nach, laste mir an dem genügen, das Christus sagt: »Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch

 


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solches alles zufallen.' Das faste ich und tröste mich's, eben als hätte ich, was ich haben sollte, und habe doch nichts. Siehe, das ist des Glaubens Art, daß er mit den Gütern handelt, die er nicht siehet noch fühlet, und gehet gerade damit um, als habe er sie in Händen, hat ckeinen andern Trost, denn daß er weiß, daß Gott nicht lügt noch trügt. Solches tut er in allerlei andern Stücken auch." (Jen. Ausg. 4, 74.)

Thesis 2.

Glaube ist nur da, wo geglaubt wird, daß Gott allein um Christi willen gnädig sei, mit andern Worten: wo die Gnade rein gelehrt wird. Pelagianismus, Synergismus re. sind der Todfeind des Glaubens.

Röm.5,1—11. 2 Joh. 9. Eph. 3,12. 1 Joh. 2, 28. Ies. 7, 9. vgl. V. 10—14. Ps. 3,5. 1 Joh. 5,5. 2c.

Wir haben in Thesis 1. gesehen, was der Glaube sei, welche Stellung er im Christenleben einnehme und was er vermöge. Damit haben wir eigentlich unser Thema besprochen. In Thesis 2. und 3. folgen nur noch einige Punkte, die in Erwägung gezogen werden müssen, wenn man in Bezug auf das in Thesis 1. Gesagte nicht irre gehen will. Wir fragen nämlich: Wer hat solchen Glauben? Wer lebt im Glauben? Wer ist ein so seliger Mensch, daß er im Glauben alles vermag, daß ihm die Welt und alle Feinde zu Füßen liegen, daß er schier allmächtig ist? Darauf antwortet unsere zweite Thesis: „Glaube ist nur da, wo geglaubt wird, daß Gott allein um Christi willen gnädig sei." Der in Thesis 1. beschriebene Glaube findet sich nur bei dem Menschen, welcher sich vor seinem Gott in den Staub wirft und spricht: Ich bin ein armer Sünder, eine solche Creatur, die in den Abgrund der Hölle geworfen werden sollte. Aber o du wunderbarer Gott, du hast also die Welt geliebet, daß du deinen eingeborenen Sohn gabst, auf ihn meine Sünde legtest, ihn am Kreuz sich verbluten ließest zur Bezahlung meiner Sünden, und nun bist du mir um dieses vergossenen Blutes willen gnädig und hast mich zu deinem lieben Kinde und Erben des ewigen Lebens angenommen. Nur wenn das Herz so steht, ist der Glaube in geistlichen und leiblichen Dingen da.

Das geht schon daraus hervor, daß der Glaube, von welchem wir unter Thesis 1. geredet haben, nur den Kindern Gottes oder den Christen geschrieben wird. Christen sind wir aber nur dadurch, daß wir dafür halten, wir haben um Christi willen einen gnädigen Gott.

Wir heben aber noch einige Stellen heraus, aus welchen hervorgeht, daß das Fundament alles Lebens im Glauben das Blut Christi sei. Man sehe Röm. 5, 1—11. an. In dieser Stelle wird dreierlei von den Christen


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ausgesagt: I) sie glauben, daß sie Frieden haben mit Gott; 2) sie glauben, daß sie sicherlich die ewige Herrlichkeit erlangen werden, welche Zuversicht auch die Trübsale nicht zu Schanden machen können; 3) die Christen halten dafür, daß Gott in allen Dingen ihr lieber Vater sei. Aber was wird nun als Fundament solches Glaubens, solcher Zuversicht angegeben? Die Liebe Gottes, welche sich darin offenbart hat, daß Gott seinen Sohn für uns Gottlose hat sterben lassen. Diese Liebe ist ick der Christen Herzen ausgegoffen, das heißt, von ihnen im Glauben erkannt. Wer nicht in der Erkenntniß dieser Liebe Gottes, welche er in Christo geoffenbart, steht, der traut Gott nichts Gutes zu, auch im Irdischen nicht. Bei dem ist kein Leben im Glauben.

Joh. 2, 9.: „Wer Übertritt und bleibet nicht in der Lehre Christi, dev hat keinen Gott." Hier ist klar ausgesprochen: wer nicht dafür hält, daß Gott um Christi willen gnädig sei, der hat keine Zuversicht zu Gott. Der weiß wohl aus seinem Gewissen und durch das Zeugniß der Natur, daß ein Gott sei, aber er hat nicht die Zuversicht, daß er an Gott einen gnädigen Gott habe, einen Gott, der sich ihm als Vater erweist im Geistlichen und Leiblichen.

Eph. 3, 12. : „Durch welchen" (nämlich Christum JEsum, unfern HErrn) „wir haben Freudigkeit und Zugang in aller Zuversicht, durch den Glauben an ihn." Obwohl wir Christen Gott nicht sehen, so treten wir doch im Glauben, in aller Zuversicht, vor Gott hin und bitten ihn, wie Kinder ihren Vater, er wolle uns geben, was wir bedürfen. Aber solche Zuversicht haben wir nur durch den Glauben an Christum. Wäre der Glaube nicht da, daß Christus mit seinem Blut unsere Sünden getilgt habe, dann müßten wir dafür halten, Gott sei für uns Sünder ein verzehrend Feuer, und nicht ein gnädiger Vater.

1 Joh. 2, 28.: „Nun, Kindlein, bleibet bei ihm, auf daß, wenn ev offenbaret wird, daß wir Freudigkeit haben und nicht zu Schanden werden vor ihm, in seiner Zukunft." Wenn Christus am jüngsten Tage erscheinen wird in seiner Herrlichkeit, dann werden wir Christen nicht verzagen, sondern Freudigkeit haben, während alle Welt zittert und zagt. Aber solche Freudigkeit haben wir nur dann, wenn wir bei ihm bleiben, das heißt, im Glauben Christum als unfern Heiland festhalten.

Ies. 7, 1—9. gibt Gott der HErr Ahas und denen, die mit ihm waren, die Verheißung, daß die Syrer für dieses Mal Jerusalem nicht erobern sollten. Der Prophet fordert Ahas zum Glauben aus und fügt hinzu: „Glaubet ihr nicht, so bleibet ihr nicht." Nun aber wollte Gott Ahas noch ein besonderes Zeichen geben, daß er Juda aus dieser leiblichen Not erretten werde. Ahas selbst soll sich das Zeichen erbitten. Er will nicht, weil er ungläubig ist. Da kündigt Gott der HErr selbst sein Zeichen an: „Siehe, eine Jungfrau ist schwanger und wird einen Sohn gebären, den wird sie heißen Immanuel." Zum Zeichen also, das der HErr Israel für

 


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dies Mal erretten werde, wird die Erscheinung des Messias verkündigt. Die Gnade Gottes in Christo ist das Unterpfand für die Rettung aus leiblicher Not.

Gal. 2, 20. sagt Paulus: „Was ich jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich im Glauben des Sohnes Gottes, der mich geliebet hat, und sich selbst für mich dargegeben." Hier ist auch auf's klarste ausgesprochen: Der Glaube an den Sohn Gottes ist das Fundament, die Wurzel für das Leben im Glauben. Wer den Glauben an Christum abtun wollte, der würde damit das Leben im Glauben überhaupt abtun.

Ps. 3, 5 : „Ich rufe an mit meiner Stimme, so erhöret er mich von seinem heiligen Berge." Wir finden im Alten Testament öfter die Redeweise: Gott erhört „von seinem heiligen Berge" und die da beten, wenden sich zum heiligen Berge. Was soll das heißen? Auf Zion, im Tempel, im Allerheiligsten, durch den Gnadenstuhl offenbarte sich Gott als der gnädige Gott, als der Gott, der alle Sünde, welche das Gesetz aufdeckte und strafte, bedecke und vergebe. Wenn darum die Heiligen des Alten Testaments sagen, Gott erhöre von seinem heiligen Berge, so sagen sie damit: Gott erhört uns, weil er sich als einen gnädigen Gott geoffenbart hat. So finden wir auch im Alten Testament überall den Glauben ausgesprochen, daß Gott um des Messias willen gnädig sei, und die Gläubigen des Alten Testaments bitten auch in leiblichen Dingen im Glauben an den Messias.

1 Joh. 5, 5.: „Wer ist aber, der die Welt überwindet, ohne der da glaubet, daß JEsus Gottes Sohn ist?" Im Vorhergehenden wird von dem Glauben gesagt : „Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat." Ueber diese Kraft des Glaubens haben wir bereits gesprochen. Nun wird aber der Glaube, der solches vermag, näher beschrieben. Dieser sieghafte Glaube ist der, welcher dafür hält, daß JEsus Christus Gottes Sohn ist. Also nur, wer dafür hält, daß der ewige Sohn 'Gottes ein Mensch geworden ist, die Sünden der ganzen Welt getragen hat, am Kreuz gestorben und am dritten Tage wieder auferstanden ist von den Todten — nur wer das glaubt, der hat den sieghaften Glauben, der

die Welt überwindet.

Chemnitz sagt, die Meisten philosophirten vom Glauben ohne Christum. Er sagt damit, man rede viel von einem Vertrauen Gott gegenüber, ohne sich um das Fundament des Vertrauens, Christum, zu bekümmern. Ein solches „Vertrauen" sei aber kein Glaube, sondern ein Wahn. Hierher gehören erstlich die Juden und die Türken, welche wohl von Gott als einem gnädigen und gütigen Gott reden, aber nicht Christum als den Mittler zwischen Gott und den Menschen annehmen, sondern verwerfen. Mögen sie darum noch so viel reden vom Glauben an Gott, von Gottes Güte und Gnade, es ist doch kein Glaube und keine Zuversicht zu Gott da. Es fehlt dem Glauben das Fundament, Christus.

 


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Hierher gehören auch diejenigen, welche sich zu unserer Zeit mit Vorliebe „Protestanten" nennen. Diese reden ja auch noch von Christo; sie halten Christum aber für einen bloßen Menschen, der mit seinem Tugendleben uns ein Vorbild gelassen habe; sie glauben nicht, daß Christus wahrer Gott, der ewige Sohn Gottes sei, welcher in der Zeit menschliche Natur angenommen hat und dadurch der Heiland geworden ist, daß er an Stelle der Menschen den Tod erlitt und so die Menschen mit Gott versöhnte. Darum kann bei diesen sogenannten Protestanten kein Glaube sein. Ihre Rede von Gott als dem allgütigen Vater, der es mit den Sünden der Menschen nicht so genau nehme, ist ein Wahn. Zuversicht ist nur in dem Menschen, welcher mit dem zweiten Artikel dafür hält: Ich glaube, daß JEsus Christus, wahrhaftiger Gott vom Vater in Ewigkeit geboren, und auch wahrhaftiger Mensch von der Jungfrau Maria geboren, sei mein HErr, der mich verlornen und verdammten Menschen erlöset hat, erworben, gewonnen von allen Sünden, vom Tod und von der Gewalt des Teufels; nicht mit Gold oder Silber, sondern mit seinem heiligen theuren Blut und mit seinem unschuldigen Leiden und Sterben." Nur wer so sprechen kann, bei dem ist Glaube Gott gegenüber, weil Glaube an JEsum Christum da ist. Der wahre Glaube und das Leben im Glauben setzt die Wiedergeburt voraus. Wodurch aber wird ein Mensch wiedergeboren? Nicht durch die Wahrheit, daß Gott ein Geist ist, daß Gott die Welt erschaffen hat. Alles erhält und regiert, sondern durch die Wahrheit, daß JEsus Christus, Gottes eingeborner Sohn, in's Fleisch gekommen ist und zur Versöhnung der Menschen sein Blut vergossen hat. Durch diesen Glauben wird ein Mensch wiedergeboren und kann er ein Leben im Glauben führen. Auch von den modernen Protestanten gilt: sie haben keinen Gott, wie Johannes sagt: „Wer Übertritt und bleibet nicht in der Lehre Christi, der hat keinen Gott." Sie können nicht die Zuversicht haben, daß Gott ihnen gnädig sei, weil sie nicht glauben, daß Christus ihr Sündentilger sei. — Dasselbe ist auch zu sagen von Leuten, die innerhalb einer rechtgläubigen Gemeinde sind und sich äußerlich wie wahre Christen halten, dabei aber einen bloßen Maulglauben haben. Wenn jemand auch mit dem Munde die reine Lehre von dem Werk Christi bekennt, mit der Gemeinde zur Kirche geht, mit ihr betet, sich in allen Stücken wie ein Christ hält, wenn er aber noch unbekehrt ist, so hat er trotzdem noch keinen Glauben und so lebt er auch noch nicht im Glauben. Ein solcher hat ebensowenig einen Gott wie Juden, Türken und Heiden. Erst wenn der Heilige Geist ihn zu einem armen Sünder gemacht und sodann in seinem Herzen die Zuversicht erweckt hat, daß Gott ihm um Christi willen gnädig sei, hat er den Glauben. Das tritt auch in Erscheinung. Der Maulglaube hat keine Kraft, bringt kein gutes Werk hervor, sondern ist ein todtes Ding. Es zeigt sich, daß solche Maulchristen keinen Heller um Christi willen verachten können; und wenn sie auf das Sterbebette kommen, wird es auch offenbar, daß ihr Glaube

 


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nicht den Tod überwindet. Wenn sie nicht noch im letzten Augenblick bekehret werden, so fahren sie entweder in Stumpfheit oder in Verzweiflung dahin. Darum ist hier die Mahnung am Platze: Versuchet euch selbst,

ob ihr im Glauben seid 2c.

Luther: „Daher heißen wir auch allein Christen, daß wir an diesen Herrn, der da zugleich wahrer Gott und Mensch ist, glauben; nicht darum, daß wir allein glauben, daß uns Gott geschaffen, wie andere Creaturen; denn der Himmel ist auch Gottes Creatur, und demnach ebenso gut als wir, also auch Türken, Heiden, Juden, ja, der Teufel selbst, nach seiner englischen Natur: daß wir deshalben, daß wir von Gott geschaffen, nichts besser vor andern sind noch haben. Aber davon heißen und sind wir Christen, daß wir auch glauben an den Sohn Gottes, der da mit dem Vater wahrhaftiger, ewiger Gott, und doch auch natürlicher Mensch von der Jungfrau Marien geboren, daß er unser HErr und Erlöser würde, und also uns geoffenbaret und gegeben, daß wir an ihn glauben und ihn sammt dem Vater anrufen sollen. In diesem Artikel scheidet sich nun der Christen Glaube von aller andern Menschen Religion und Glauben: dieser macht die andern alle falsch und nichtig, und bleibt allein wahrhaftig und beständig. Denn obwohl Türken, Juden, sich auch Gottes Volk rühmen und sagen, sie glauben und beten an den einigen, ewigen, lebendigen Gott, der Himmel und Erden geschaffen 2c., und sich an uns Christen über die Maß hoch ärgern und für die größte Thorheit, ja, für den höchsten Greuel halten, daß wir mehr denn eine Person in dem ewigen, göttlichen Wesen setzen oder, wie sie sagen, mehr denn einen Gott anbeten, damit sie an uns doch öffentlich lügen; so irren und fehlen sie doch des rechten Gottes, und beten ihn nicht an." (E. A. 16, 211.)

Es kommt nicht etwa auf die Menge dessen an, das man als zur Religion gehörig glaubt oder vornimmt; nein, darauf kommt es an, daß du glaubst, daß JEsus Christus dich erlöst und versöhnt hat. Ist dieser Artikel nicht da, dann mag jemand vornehmen, was er will, es ist alles

falsch und nichtig.

Luther: „Also auch in allen anderen Anfechtungen: so ich soll widerstehen und überwinden, so muß dieser Glaube da sein, daß ich durch Christum Vergebung der Sünde und einen gnädigen Gott habe, der mir auch Hülfe und Stärke geben wolle, in solchem Kampf zu bestehen, daß mich Teufel, Tod, Welt und Fleisch nicht überwältige, daß ich also durch seine göttliche Kraft des Heiligen Geistes den Sieg erhalte, da ich sonst sammt allen Menschen viel zu schwach wäre; denn ohne den Glauben sind wir alle schon zuvor mit unserer alten Geburt unter des Teufels und der Sünde Gewalt und können nicht davon erlöset werden, denn durch diesen Glauben Christi. Und daß St. Johannes eben von diesem Glauben an Christum rede, zeigt er selbst mit klaren Worten und spricht: Mer ist aber, der die Welt überwindet, ohne der da glaubt, daß JEsus Christus Gottes Sohn

 


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ist?'. Das sagt er, eigentlich zu deuten, was rechter Glaube, davon die Schrift sagt, heiße und sei. Denn es sind mancherlei Glauben, so die Welt Glauben heißet. Die Juden, Türken, Papisten glauben auch, wie sie sagen, an Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat; aber daß dies nicht rechter Glaube sei, beweiset sich daraus, daß er nichts tut noch schaffet, weder streitet noch überwindet, sondern läßt sie alle, wie sie sind, in der alten Geburt und unter des Teufels und der Sünden Gewalt. Aber das heißt der rechte sieghafte Glaube, der da glaubet, daß JEsus Gottes Sohn sei.. . der nicht hin und her flattert noch gaffet nach seinen eigenen Gedanken, sondern Gott ergreifet in diesem Christo als seinen Sohn vom Himmel gesandt, durch welchen er seinen Willen und Herz offenbaret und von Sünden und Tod zu Gnaden und neuem ewigem Leben hilft, und eine solche Zuversicht und Vertrauen, so sich verläßt, nicht auf eigen Verdienst und Würdigkeit, sondern auf Christum, den Sohn Sottes." (E. A. 8, 231 f.)

Chemnitz: „Auch der Glaube, wenn er mit äußeren Dingen umgeht, so muß ihm dennoch, damit die Verbeißung gewiß und die Zuversicht der Erwartung fest sei, immer der Glaube voranleuchten, welcher sich auf die Verheißung der Gnade in Christo gründet. Wenn nämlich nicht der Glaube zuvor dafür hält, Gott sei versöhnt und gnädig, so kann kein Gebet aus ruhigem Gewissen und keine Erwartung dev Hilfe da sein. Wenn nämlich Unglück Zorn Gottes predigt und besonders wenn die Erhörung aufgeschoben wird, dann ist das Gewissen vor allem über diese Frage in Aengsten: ob Gott versöhnt sei. Diese Frage ist Anfang, Mittel und Ende bei der Bitte und der Erwartung der leiblichen Dinge, und dann kann der Glaube ruhig und geduldig warten, wenn er dafür hält, daß Gott versöhnt sei. Die Verschiedenheit der Dinge, mit Welchen der Glaube zu tun hat, hindert also nicht, daß immer das eigentliche und hauptsächliche Ding, auf welches der Glaube sieht, die Verheißung der Gnade sei. Es ist freilich ein Unterschied zwischen dem Glauben, Welcher Christum ergreift, der da ist des Gesetzes Ende zur Gerechtigkeit Jedem, der da glaubt, und den Uebungen des Glaubens, der es mit anderen Dingen zu tun hat; dennoch aber setzen jene Uebungen des Glaubens als Fundament dies voraus, daß Gott durch den Glauben mir versöhnt sei-und darauf gehen sie immer zurück, damit in diesen anderen Dingen der Glaube gewiß und die Verheißung fest sei. Diese Erklärung wird durch den Ausspruch des Apostels 2 Cor. 1, 20. bestätigt: ‘Alle Verheißungen sind Ja und Amen in ihm (Christo), Gott zu Lobe durch uns', das ist, die Verheißungen von den übrigen Dingen find uns dann erst gewiß, wenn wir durch den Glauben an Christum mit Gott versöhnt sind " (Loci II 666 f.)

Wenn Jemand die Zuversicht mangelt, daß Gott ihm die leiblichen Güter, die zum irdischen Leben nöthig sind, geben wolle, dann hat er alle

 


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Ursache zu prüfen, wie es mit seinem Christenglauben überhaupt, mit dem Glauben, daß Gott ihn, den verdammungswürdigen Sünder, durch Christum habe erlösen lassen, bestellt sei. Er wird dann bald merken, daß es hierin bei ihm sehr schwach stehe. Denn glaubt er wirklich, daß Gott es sich so viel habe kosten lassen, daß er seinen eingebornen Sohn für ihn dahingegeben habe, dann wird er sich auch bald zu der Zuversicht aufschwingen, daß Gott ihm, Wie hier schon einmal erwähnt worden ist, Kartoffeln geben werde. Ist ein Mangel da am Glauben in weltlichen Dingen, so ist sicher auch Mangel da am Glauben in geistlichen Dingen, an dem Glauben nämlich, daß Gott um Christi Willen mir gnädig sei.

Es gibt Leute, bei denen es so aussieht, als sei das eben Gesagte nicht wahr. Sie sprechen eine kindliche Zuversicht zu Gott im Leiblichen aus, und doch tritt bei ihnen der Glaube an das Blut Christi wenig zu Tage. Sie sind in rationalistischer Umgebung aufgewachsen. Sobald man aber näher zusieht, findet sich eins von beiden bei ihnen : Entweder sind sie wirkliche Rationalisten, Leute, die nichts von Christo und von Vergebung der Sünden um Christi willen wissen wollen ; da zeigt sich auch bald, daß das kindliche Vertrauen, welches sich in ihren Worten auszudrücken scheint, nur ein mehr sentimentales Gerede ist. Oder aber, wenn wirklich noch etwas von kindlichem Vertrauen auf Gott bei ihnen sich findet, so ist im Grunde des Herzens auch noch etwas von JEsu, von dem Heiland der Sünder. Der Vernunftglaube ist ihnen mehr so zugeflogen, als daß sie wirklich JEsu Feinde wären. Es bleibt fest stehen: Niemand hat in äußerlichen Dingen Glauben, der nicht auch den Glauben an JEsum Christum hat.

Wenn Luther bei der Erklärung der Geschichte von Petri Fischzug sagt, der Glaube fange bei irdischen Dingen an und schwinge sich zum Geistlichen empor, so will er damit nicht sagen, in Petrus sei vorher nicht der Glaube an die Vergebung der Sünden gewesen. Es handelte sich hier um eine Uebung des vorhandenen Glaubens in leiblichen Dingen, und der so geübte Glaube wurde dann wieder auf das geistliche Gebiet zurückgeführt. Angesichts der im Leiblichen geoffenbarten Güte Gottes spricht dann Petrus: Ich bin ein sündiger Mensch. Sonst schärft ja besonders Luther diesen scheinbar entgegengesetzten Gedanken ein: Wenn du nicht glaubst, daß Gott deinen Bauch versorgen werde, wie willst du glauben, er werde dich selig machen? Es findet hier auch eine Wechselwirkung statt. Gott mehrt den Glauben, indem er ihn sich auch an weltlichen Dingen üben läßt. Aber aller Uebung des Glaubens muß die Zuversicht im Herzen zu Grunde liegen: Ich habe einen gnädigen Gott um Christi willen. Ohne diese Grundstimmung ist überhaupt kein geistliches Leben, keine Wiedergeburt da.

Das Leben im Glauben wird aber nur dann recht dahergehen, wenn man nicht bloß von der Gnade Gottes in Christo redet, sondern diese Gnade

 


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auch wirklich rein lehrt; mit andern Worten: wenn ich dafür halte, daß Gott allein um Christi willen und aus keiner andern Ursache mir gnädig sei. Denn nur wo die Gnade rein gelehret wird, ohne Beimischung von Werken, da ist auch die Gewißheit der Gnade, eine wirkliche Zuversicht Gott gegenüber; nur da ist die Gesinnung des Herzens, in welcher ich mich alles Guten im Geistlichen und Leiblichen zu Gott versehe, gewiß dafür halte, daß Gott in allen Lagen des Lebens mit mir als seinem Kinde handeln wolle. Werden hingegen Menschenwerke irgend welcher Art zum Fundament der gnädigen Gesinnung Gottes gegen mich gemacht, so muß in mir sofort das Leben im Glauben getrübt werden, weil die Gewißheit der Gnade Gottes schwindet.

Hier erhellt die schreckliche Wirkung jeglicher pelagianischen und synergistischen Irrlehre. Wer neben Christi Verdienst irgendwie menschliches Werk oder Verhalten stellt, greift das ganze geistliche Leben der Christen an der Wurzel an. Auch in dem Lehrstreit, den unsere Kirche in den letzten Jahren durchzumachen hatte, Handelte es sich um keine Kleinigkeit, und es war nicht etwa ein Streit nur für die Theologen, sondern ein Streit, der jeden Christen auf das nächste anging: es handelte sich darum, ob die Christen ungetrübt ein Leben im Glauben führen können und sollen, oder nicht. Unsere Gegner lehren ja, daß der Mensch durch sein Verhalten sich die Gnade Gottes zuwenden könne. Ist es aber wahr, daß die Gnade Gottes auf meinem Verhalten steht, dann muß sie mir bald sehr ungewiß werden, und ich muß zweifeln, ob Gott mit mir im Leiblichen und Geistlichen als ein Vater handeln werde.

Luther stellt oft den Glauben der Papisten auf eine Stufe mit dem Glauben der Juden und Türken. Und mit Recht. Solche Papisten, welche wirklich des Pabsts Lehre annehmen, glauben ja, daß wir einen gnädigen Gott nicht allein um Christi willen haben, sondern daß der Grund der Gnade Gottes vornehmlich Menschenwerke seien. Die Gnade Gottes aber auf Menschenwerk stellen ist eben Türkenglaube. Der Christen Glaube spricht: Ich habe einen gnädigen Gott um Christi willen; und nur wo dieser Glaube ist, da ist im Herzen Zuversicht zu Gott. Wo aber der Papisten Werkglaube ist, da ist auch in leiblichen Dingen durchaus keine Zuversicht, sondern nur eine menschliche Einbildung, wie auch die Heiden sich wohl in menschlicher Meinung zu Gott versehen, er werde ihnen dieses oder jenes Gute zukommen lassen.

Wollen wir in unsern Gemeinden ein Leben im Glauben, wie es in Thesis 1. beschrieben ist, wecken, fördern und erhalten, so werden wir das durch nichts anderes erreichen können, als durch unermüdliche Predigt des reinen Evangeliums von der Gnade Gottes in Christo.

 


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Thesis 3.

Glaube ist nur da, wo Gottes Wort ist. Wö Gottes Wort aufhört, hört auch der Glaube auf. Was ohne Gottes Wort für Glauben gehalten und ausgegeben wird, ist Wahn und Aberglaube.

1 Petr. 4,11. Spr. 30,6. Ies. 8,19.20. Joh. 8,30. 31. Röm. 10,17. Matth. 4, 5—7. 2c.

Noch einen wichtigen Punkt haben wir in Bezug auf das Leben im Glauben zu erwägen, damit wir nicht irre gehen. Das haben auch diejenigen zu beherzigen, welche durch Gottes Gnade dafür halten, daß Gott allein um Christi willen gnädig sei. Wir können nicht glauben, was wir wollen, sondern nur das, was uns Gott in seinem Wort geoffenbart und zugesagt hat. Deshalb heißt es in Thesis 3.: „Glaube ist nur da, wo Gottes Wort ist." Der Glaube kann immer nur so weit gehen, wie Gottes Wort geht. Das sind die Grenzen, in welchen der Glaube eingeschlossen ist. Sobald er aber über diese Grenzen hinausgeht, also auf etwas, das nicht im Wort gesagt ist, sich wirft, hört er auf, Glaube zu sein, und wird er Aberglaube und Wahn.

In unserer Zeit will man ja überhaupt nicht den Glauben so sehr betonen. Man meint, das starke Betonen des Glaubens sei ein Gebrechen der alten Zeit gewesen. Man will jetzt mehr „die Liebe" zur Geltung bringen. Natürlich will man dabei auch „gläubig" sein. Doch was versteht man in unserer Zeit vielfach unter Glauben? Man stellt sich ihn als eine Art leeren Sack vor, den ein Jeder nach seinem eignen Belieben füllen könne. Der „Glaube" unserer unionistischen und indifferentistischen Zeit setzt sich ungefähr so zusammen: 10 Procent Annahme gewisser christlicher „Grundwahrheiten", 90 Procent sind dem Ermessen, „dem Gewissen", der „religiösen Freiheit" der Einzelnen zu überlassen. Wenn wir betonen, daß der Glaube sich genau an die Schrift halten müsse, nennt man uns „Buchstabengläubige". — Aber wir halten fest: In Bezug auf den Glauben ist Nichts, weder der größte noch der kleinste Glaubensartikel, der menschlichen Willkür überlassen. Der Glaube ist durchaus und ganz an Gottes Wort gebunden. Ich kann nur das glauben, was mir Gott in feinem Wort geoffenbart hat. Mache ich mir über geistliche Dinge Gedanken aus mir selbst, so ist das nicht Glaube, sondern Einbildung, Wahn. Der Glaube setzt als Unterlage, als Fundament, immer ein geoffenbartes Gotteswort

voraus.

1 Petr. 4, 11.: „So Jemand redet, daß er's rede als Gottes Wort.”  Soll aber in der Kirche nur Gottes Wort geredet werden, so soll natürlich auch in der Kirche nichts anderes als Gottes Wort geglaubt werden.

 

 


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Darum wird ja auch in der Schrift, z. B. Spr. 30, 6., so ernstlich verboten, etwas zu Gottes Wort hinzuzusetzen. Setzt Jemand doch etwas.zu Gottes Wort hinzu, so lügt er (vergleiche: „und werdest lügenhaft erfunden") und wer den Zusatz zu Gottes Wort glaubt, der glaubt Lügen.

Ies. 8, 19. 20. heißt es: „Wenn sie aber zu euch sagen: Ihr müsset die Wahrsager und Zeichendeuter fragen, die da schwätzen und disputiren, (so sprecht): Soll nicht ein Volk seinen Gott fragen? oder, soll man die Todten für die Lebendigen fragen? Ja, nach dem Gesetz und Zeugniß. Werden sie das nicht sagen, so werden sie die Morgenröthe nicht haben." Das irregehende Israel wollte mit seinem Glauben auch nicht an das allein, was Gott in seinem niedergeschriebenen Wort geoffenbart hatte und durch seme.Propheten redete, gebunden sein; es wollte noch mehr glauben. Es wendete sich an die Wahrsager und Zeichendeuter. Aber was sagt Gott dazu? „Soll nicht ein Volk feinen Gott fragen?" Israel, das Volk Gottes, soll mit seinem Glauben an das „Gesetz und Zeugniß" gebunden sein.

Joh. 8, 30. 31.: „Da er solches redete, glaubten Viele an ihn. Da sprach nun JEsus zu den Juden, die an ihn glaubten: So ihr bleiben werdet an meiner Rede, so seid ihr meine rechten Jünger." — Hier wird als eine besondere Eigenschaft der Jünger JEsu angegeben, daß sie bei JEsu Rede bleiben. Damit beweisen sie, daß sie JEsu Jünger sind, wenn sie nur das glauben, was er geredet hat.

Röm. 10, 17.: „So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Gottes." Durch die Predigt wird der Glaube, der wahre, göttliche Glaube, erzeugt. Aber was für eine Predigt ist das? Nicht eine beliebige, nicht eine solche, in welcher der Prediger vorbringt, was ihm einfällt, sondern eine Predigt, welche aus Gottes Wort kommt,' nur Gottes Wort zum Inhalt hat. Aus einer Predigt, die Menschenwort und Menschenweisheit zum Inhalt hat, kommt nur Aberglaube.

Führen wir dies noch an einigen Beispielen durch. Da ist ja der „Glaube" der sogenannten Protestanten. Sie glauben nicht, daß Christus Gottes Sohn sei und durch sein Leiden und Sterben die Menschen mit Gott versöhnt habe. Sie reden ja auch noch wohl von einer Versöhnung der Menschen mit Gott. Aber zu dieser Versöhnung achten sie das stellvertretende Leiden und Sterben Christi nicht für nöthig. Dieselbe komme vielmehr zustande, wenn der Mensch sich nach Kräften bessere und sich anstrenge, em ehrbares Leben zu führen. Diesen Glauben hat freilich die ganze Welt. Er ,st aber eitel Wahn, weil es für denselben kein Wort Gottes gibt. Wohl rft nach Gottes Wort Gott gnädig, barmherzig, die Liebe, aber in Christo, um Christi willen. Gott streicht unser ganzes Sündenregister durch, aber um des Blutes Christi willen. Darum, wer nicht eine Vergebung der Sünden um Christi willen glaubt, besten Glaube von einer Vergebung der Sünden ist ein Wahn.

 


der Synode von Missouri, Ohio u. a. St. 1885.                    47

 

Auch der Papisten Glaube von der Vergebung der Sünden ist ein Wahn. Sie meinen, Gott werde durch Menschenwerke bewogen, die Sünde zu vergeben.

Luther sagt, daß die Mönche allesammt ein falsches Bild von Gott im Herzen hätten; wenn man ihr Herz aufschnitte, würde man ein solches Bild darin finden: „Ach, ich bin ein Sünder und Gott zürnt mit mir und Wird mich zur Hölle verdammen. Wie soll ich tun, daß ich büße und Gott versöhne? Ich muß also beschoren gehen und einen hänfenen Strick um mich legen 2c., daß er mir gnädig sei." (E. A. 16, 203.)

. Solche Mönche, die sich von der Vergebung der Sünden ein ganz falsches Bild machen, gibt es auch unter uns. Freilich binden sie keinen Strick um den Leib, laufen nicht barfuß umher u. s. w., aber sie denken doch: Weil ich dies oder jenes tue, zur Kirche gehe, Almosen gebe, ehrbar lebe, wird Gott mich annehmen. Dieser Wahn von der Gnade Gottes und der Vergebung der Sünden steckt allen Menschen von Natur im Herzen. — Der rechte Glaube aber faßt aus Gottes Wort ein ganz anderes Bild von Gott, nämlich dieses: „Ich bin ein armer Sünder, das weißt du, mein lieber HErr; aber du hast dich mir lasten verloben durch deinen lieben Sohn JEsum Christum, daß du wollest mir gnädig sein, die Sünde vergeben und von keinem Zorn und Verdammniß wissen, und heißest mich solches glauben und nicht zweifeln." (Luther, a. a. O. S. 204.)

Man redet ja von einem Glauben der Papisten, Methodisten, Nefor-mirten u. s. w.; aber, genau geredet, sollte es eigentlich heißen: der Papisten, Methodisten und Reformirten Aberglaube. Denn, sofern diese von Gottes Wort abweichen, sofern ist auch kein Glaube, sondern menschliche Einbildung da. Wenn die Papisten z. B. meinen, daß der Pabst ein Gott auf Erden sei, der Stellvertreter Christi, dem man bei Verlust der Seligkeit unterthan sein müsse, so ist das Aberglaube. Denn sie haben kein Wort Gottes für diese Meinung. Ebenso steht es in Bezug auf ihre Werklehre. Wenn auch Millionen und aber Millionen Papisten in die Kirche und zur l Messe laufen in der Meinung, daß sie durch diese Werke Vergebung der Sünden empfahen, so glaubt das keiner von ihnen mit wahrem Glauben. Alle diese Millionen Menschen stecken im Aberglauben. — Ferner: wenn die Schwärmer und die reformirte Secte sagen, die heilige Taufe sei nicht das Bad der Wiedergeburt, sondern nur ein Zeichen derselben, so ist das Wahn. Warum? Es gibt kein Wort Gottes für ihre Meinung. Jm Gegen-Iheil, es heißt ausdrücklich da, die Taufe sei das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung des Heiligen Geistes. Wir können getrost sagen: Es hat nie ein Methodist oder Reformirter geglaubt, daß die Taufe ein Zeichen der geistlichen Veränderung sei. Kurz, wer in geistlichen Dingen etwas anderes glaubt, als Gottes Wort sagt, der glaubt überhaupt nicht. Wenn diese Wahrheit recht unter uns lebte, wie würden wir dann fort und fort fleißig in der Schrift forschen, um ja alle unsere Gedanken, die wir von

 


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geistlichen Dingen haben, auf Gottes Wort zu gründen! Auch alle unionistische und indifferentistische Gesinnung würde dann gründlich unter uns schwinden. Auch unter uns werden noch hin und wieder Reden laut wie diese: „Man lasse einen jeden bei seinem Glauben bleiben." Bedächte man aber, daß es in göttlichen Dingen nur einen Glauben geben kann, nämlich den, der sich auf Gottes Wort gründet, und daß alles, was kein Wort Gottes für sich hat, Aberglaube und Wahn sei, so würden solche Reden unter uns nicht mehr gehört werden.

Hierher gehört Luthers Aussprache über Matth. 4, 5—7. (St. L. Ausg. XI, 539 ff.), daß der Teufel die Menschen verführe, „daß sie auch glauben sollen, da Gott nicht geboten hat zu glauben, noch will, daß man glauben sollte". Luther schreibt ferner: „Gott kann nicht recht erkannt noch angebetet werden, denn von denen, die sein Wort haben, dadurch er sich selbst geoffenbaret hat; wie Christus spricht zu dem samaritanischen Fräulein, Joh. 4, 22.: ,Jhr wisset nicht, was ihr anbetet, wir aber wissen, was wir anbeten', denn ohne sein Wort kann man weder von seinem göttlichen Wesen, noch von seinem Willen nichts Ge-wisses sagen noch wissen; wie das auch die allerweisesten Heiden allezeit selbst bekannt haben, daß es so hoch, dunkel und tief verborgen Ding um Gott und sein Regiment sei, daß es Niemand ergründen noch verstehen könne; also, daß, je mehr menschliche Vernunft darnach trachtet und speculirt, je länger, je weiter sie davon kommt. Wie davon auch Johannes, Cap. 1, 18., sagt: ,Niemand hat Gott je gesehen; der eingeborne Sohn, der in des Vaters Schooß ist, der hat es uns verkündigt.'" (Erl. Ausg. Bd. 16, S. 211. 212.)

Wollen wir alle ein Leben im Glauben führen, dann gilt es immerfort Gottes Offenbarung, die heilige Schrift, zu lesen, zu hören und zu erwägen. Von dem größten Nutzen ist es auch, wenn ein Christ eine möglichst große Anzahl von Kernsprüchen seinem Gedächtnisse eingeprägt hat, so daß er, wo er geht und steht, mit seinen Gedanken über göttliche Dinge sich in Gottes Wort bewegen kann. Dann wird er auch um so gewisser sein, daß nicht ein menschlicher Wahn, sondern ein wahrer Glaube in seinem Herzen sei.