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1889 Southern, Pieper- Difference Between Orthodox -Heterodox
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1889 Southern/ Pieper  –  On the Difference Between Orthodox and Heterodox Churches.  – See see here for English translation.

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der Synode von Missouri, Ohio u. a. St. 1889.          9

 

Lehrverhandlungen.

Die Lehrverhandlungen, welche Herr Prof. Pieper zu leiten die Güte hatte, bewegten sich um das Thema: „Ueber den Unterschied von rechtgläubiger und irrgläubiger Kirche." Die Ausführung war etwa folgende:

Wir halten nach Gottes Wort ein Doppeltes fest, erstlich, daß Gott seine Kinder nicht nur in der rechtgläubigen Kirche hat, das heißt, in der sichtbaren Gemeinschaft, wo Gottes Wort in allen Stücken lauter und rein gepredigt wird, sondern daß auch da, wo Gottes Wort nicht in allen Stücken rein gelehrt, sondern die Wahrheit mit Irrthum vermischt wird, also in irrgläubigen Gemeinschaften, Kinder Gottes sich finden. Zum andern aber halten wir auch den großen Unterschied zwischen rechtgläubiger und irr-


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gläubiger Kirche fest. Welch ein großer Unterschied nach Gottes Wort zwischen rechtgläubiger und irrgläubiger Kirche bestehe, wird in den Thesen näher dargelegt werden. Auch wir vergessen diesen Unterschied nur zu leicht. Es kommt auch wohl unter uns vor, daß Leute, die an andre Plätze ziehen und daselbst keine rechtgläubige Kirche vorfinden, sich an irrgläubige Gemeinschaften anschließen. Woher kommt das? Man kann nicht immer sagen, daß diese Leute in ihrem Herzen schon von der rechten Lehre abgefallen seien. Aber sie haben den Unterschied zwischen rechtgläubiger und irrgläubiger Kirche vergessen. Durch ihren Anschluß an salschgläubige Kirchen begehen sie Sünde und setzen sie ihre Seelen in Gefahr. Auch schließen sich Lutheraner wohl an Sectenkirchen an, oder haben doch Lust, sich diesen anzuschließen, weil die Seelen z. B. schönere Kirchen haben, angesehenere Leute sind, und dergleichen. Warum? Diese Lutheraner halten nicht den zwischen recht- und irrgläubiger Kirche bestehenden Unterschied fest; sie sehen nicht die wunderbare Herrlichkeit einer rechtgläubigen Kirche. Selbst wir Pastoren und Lehrer der Kirche verlieren manchmal den Muth zur Arbeit innerhalb der lutherischen Kirche, wenn wir die größere Zahl und die äußerlich glänzenderen Verhältnisse der irrgläubigen Kirchen an-sehen. Das kommt auch daher, daß wir, anstatt nach Gottes Wort über rechtgläubige und irrgläubige Gemeinschaften zu urteilen, diese Dinge nach unserer Vernunft ansehen. Daher ist es sehr zeitgemäß, daß wir in diesen Sitzungen das Thema behandeln:

Ueber den Unterschied von rechtgläubiger und irrgläubiger Kirche.

Die hierüber aufgestellten Thesen lauten im Zusammenhang also:

I.

Eines jeden Menschen erste und vornehmste Sorge soll sein, daß er zur Gemeinschaft der Gläubigen, das ist, zur unsichtbaren Kirche gehöre.

II.

Die von Gott gewollte äußere Gestalt der Kirche ist die Rechtgläubigkeit derselben. Daß es auch irrgläubige Gemeinschaften gibt, ist von Gott nur zugelassen.

III.

Es ist daher nicht gleichgültig, welcher kirchlichen Gemeinschaft ein Christ sich anschließt, sondern er hat Gottes ernstliches Gebot, zwischen rechtgläubigen und irrgläubigen Kirchen genau zu unterscheiden und, unter Vermeidung aller kirchlichen Gemeinschaft mit den Irrgläubigen, sich nur zur rechtgläubigen Kirche zu halten.

 


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IV.

Auch wird nur in der rechtgläubigen Kirche Gott die Ehre gegeben, die er fordert, und recht für die Seelen gesorgt. Die Gemeinschaft mit irrgläubigen Kirchen streitet Wider Gottes Ehre und ist eine beständige Gefahr für die Seele.

V.

Wir sollen daher die Gliedschaft in der rechtgläubigen Kirche nicht nur für unsere Pflicht, sondern auch für die größte Gnade und höchste Ehre halten, selbst wenn die rechtgläubige Kirche äußerlich eine sehr geringe Gestalt trägt.

VI.

Die Gründe, welche man für den Anschluß an irrgläubige Gemeinschaften und für das Verbleiben in denselben geltend macht, klingen teilweise sehr fromm, sind aber, im Lichte des Wortes Gottes betrachtet, völlig nichtig und entstammen dem blinden, selbstklugen, eigenwilligen und vermessenen Fleische.

Thesis I.

Eines jeden Menschen erste und vornehmste Sorge soll sein, daß er zur Gemeinschaft der Gläubigen, das ist, zur unsichtbaren Kirche gehöre.

Alle Menschen liegen von Natur ihrer Sünde wegen unter Gottes Zorn und sind daher Kinder der ewigen Verdammniß. Ein schrecklicher Zustand! Ein Teil der Menschen ist aber diesem schrecklichen Zustand entnommen. Obwohl sie auch Sünder sind, so liegen sie doch nicht mehr unter dem Zorn Gottes, sondern haben Gottes Gnade. Und weil sie Gottes Gnade oder Vergebung der Sünden haben, so sind sie auch nicht mehr Kinder der Verdammniß, sondern Erben des ewigen Lebens. Wer sind diese glücklichen Menschen? Das sind diejenigen, welche an Christum glauben, mit einem Wort : die Gläubigen, die Glieder der christlichen Kirche.

Dies ist die Gemeinschaft, die Kirche, außer der es kein Heil gibt. Warum? Weil ohne den Glauben an Christum niemand selig wird, wie geschrieben steht : „Wer an den Sohn glaubet, der hat das ewige Leben; wer dem Sohn nicht glaubet, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibet über ihm." Joh. 3, 36. Ferner: „Wer an ihn (den Sohn Gottes) glaubet, der wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubet, der ist schon gerichtet." Joh. 3, 18.

Wer daher dem Zorn Gottes und dem ewigen Tode, dem er durch feine Sünde verfallen ist, entfliehen will, und der Gnade Gottes und der «wigen Seligkeit, die ihm durch den menschgewordenen Sohn Gottes er-

 


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worben sind, teilhaftig werden will, muß es seine erste und vornehmste Sorge sein lassen, daß er zu der Gemeinschaft der Gläubigen, zu der seligen Klasse von Menschen gehöre, die von Herzen an Christum als ihren Heiland glauben. Dieser Glaube wird von dem Heiligen Geist in den Herzen derer, die sich vor Gott als Sünder erkannt haben, durch das Evangelium, angezündet und erhalten.

Diese Gläubigen sind örtlich über die ganze Erde zerstreut; sie finden sich überall, wo der Same des Evangeliums ausgestreut wird. Sie sind sehr verschieden nach Bildung, Gesittung, Sprache und Gewohnheiten. Sie kennen einander nicht von Angesicht. Und dennoch stehen sie in der innigsten Verbindung mit einander, sie stehen einander näher, als die nächsten Verwandten, denn der Eine Heilige Geist wohnt in ihrer aller He^en. Alle haben denselben Glauben, nämlich daß sie aus Gottes Gnade in Christo selig werden; alle haben denselben Sinn, sie sind sämmtlich Christo untertan. Sie machen täglich dieselben Erfahrungen, nämlich, daß sie verlorne Sünder sind und daß Gott ihnen um Christi willen alle Sünden reichlich und täglich vergibt. Sie werden auch einst in der Ewigkeit alle dieselben Erfahrungen machen, ihr Teil wird nämlich sein Freude die Fülle und liebliches Wesen zur Rechten Gottes ewiglich. Das ist die wunderbare Gemeinschaft der christlichen Kirche. —Diese Kirche ist in diesem Leben unsichtbar. Warum? Weil wir das nicht sehen können, was einen Menschen zum Gliede der Kirche macht, nämlich den Glauben. Den kann nur Gott sehen, der die Herzen kennt. Sichtbar wird die Kirche einst in jenem Leben, wo die Glieder derselben nicht mehr im Glauben, sondern im Schauen wandeln, durch dieses Schauen Gottes verherrlicht sind und leuchten wie des Himmels Glanz.

Von dieser christlichen Kirche ist die Rede Matth. 16,18., wo es heißt: „Auf diesen Felsen (nämlich das Bekenntniß von Christo) will ich bauen meine Gemeinde (Kirche), und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen." Ferner Eph. 1, 22.: „Gott hat ihn (Christum) gesetzt zum Haupt der Gemeinde über alles, welche da ist sein Leib, nämlich die Fülle deß, der alles in allen erfüllet." Ebenso Eph. 2, 19—22. werden die Glieder dieser Kirche beschrieben als „Bürger mit den Heiligen und Gottes Hausgenossen, erbauet auf den Grund der Apostel und Propheten, da JEsus Christus der Eckstein ist, auf welchem der ganze Bau in einander gefüget wüchset, zu einem heiligen Tempel in dem HErrn".

Zur Seligkeit schlechthin nöthig ist nur die Gliedschaft in der unsichtbaren Kirche. Wir wollen im Folgenden von dem Unterschied der rechtgläubigen und irrgläubigen Kirche und im Zusammenhang damit auch von der Notwendigkeit des äußeren Anschlusses an die rechtgläubige Kirche handeln. Dieser aber ist nicht schlechthin nöthig, ja unter Umständen gar nicht möglich. Setzen wir den Fall, daß ein Mensch noch vor seinem Ende


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zum Glauben kommt, ohne daß es ihm möglich war, sich an eine sichtbare Kirche gliedlich anzuschließen, so benimmt ihm der Umstand, daß er nicht äußerlich gliedlich zu einer christlichen Gemeinde gehörte, nichts an seiner Seligkeit. Ferner kann der Fall eintreten, daß ein Christ an einem Ort wohnt, wo er keine rechtgläubige Kirche vorfindet. An eine irrgläubige Gemeinde sich anzuschließen, ist ihm in Gottes Wort verboten; den Ort aber zu verlassen, ist er durch die Liebe gehindert. Auch ein Gefangener kann in einer solchen Lage sein, daß er der Gemeinschaft mit einer rechtgläubigen christlichen Gemeinschaft entbehren muß; und doch hat er, wenn er im Glauben steht, Gottes Gnade und die Seligkeit. Die äußere Glied-fchaft in einer christlichen Gemeinde ist nicht nöthig, als ob erst durch diese der Glaube ein rechter, seligmachender Glaube würde, sondern sie ist unter Umständen nöthig als Bekenntniß des Glaubens.

Gerhard unterscheidet einen zwiefachen Zugang zur Kirche. Der eine ist der Beitritt zu einer sichtbaren christlichen Gemeinschaft durch das äußere Bekennen des Glaubens, der andere ist der Beitritt zur unsichtbaren Kirche. Dieser geschieht durch den Glauben an Christum und vollzieht sich in dem Augenblick, in welchem durch Wirkung des Heiligen Geistes der Glaube an Christum in dem Herzen eines Menschen aufleuchtet. Der letztere muß bei jedem Menschen geschehen, der selig werden will, der erstere nicht.

Ja, ohne den seligmachenden Glauben an Christum nützt alle äußere Gemeinschaft mit der Kirche, und zwar auch mit der rechtgläubigen Kirche, nichts. Vielmehr gehört man bei aller äußeren Gemeinschaft ohne Glauben nur zu den Heuchlern. Auch diejenigen, die äußerlich zur rechtgläubigen Kirche gehören, dafür eifern, mit ihrem Verstände streng die rechtgläubige von der irrgläubigen Gemeinschaft unterscheiden, sind, wenn sie nicht im wahren Glauben stehen, vor Gott ein Greuel und außerhalb der Kirche Christi im Reiche des Teufels. Das müssen wir auch immerfort predigen; daran müssen wir auch immerfort einander erinnern. Wie auch der Apostel Paulus den corinthischen Gemeindegliedern zuruft: „Versuchet euch selbst, ob ihr im Glauben seid." Und wenn wir im Folgenden darauf dringen, daß ein Christ sich von aller falschgläubigen Kirche fern — und nur zur rechtgläubigen Kirche halte, so hat das auch den Zweck, daß wir ja nicht am Glauben Schiffbruch leiden und so aus der Gemeinschaft der Kirche entfallen, außer welcher es keine Seligkeit gibt.

Von der einen unsichtbaren christlichen Kirche heißt es im 7. Artikel der Augsburgischen Confession: „Es wird auch gelehret, daß allezeit müsse Eine heilige christliche Kirche sein und bleiben, welche (ist) die Versammlung aller Gläubigen!"

Luther schreibt zum 118. Psalm (V, 1792): „Wer aber nicht rechtgläubig noch heilig und gerecht ist, der gehöret nicht in die heilige, christliche Kirche." Wer lebendigen Glauben hat, gehört zur Kirche, wer nicht, er mag sein, wer er will und wo er will, gehört nicht zur Kirche.

 


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Unser Bekenntniß warnt davor, daß man die Kirche ja nicht für eine weltliche Gesellschaft mit religiösen Ordnungen halte, so daß dann Alle, die sich an dieser Ordnung beteiligen, auch die Gottlosen, Glieder der Kirche wären: „Man muß je recht eigentlich wissen, wodurch wir Gliedmaß Christi werden und was uns macht zu lebendigen Gliedmaßen der Kirche. Denn so wir würden sagen, daß die Kirche allein ein äußerlich Polizei wäre, wie andere Regiment, darinnen Böse und Gute wären rc., so wird niemand daraus lernen noch verstehen, daß Christi Reich geistlich ist, wie es doch ist, darinnen Christus inwendig die Herzen regieret, stärket, tröstet und mancherlei geistliche Gaben austeilet." (Apologie, Art. VII und VIII, S. 154.)

Im Großen Katechismus heißt es in der Erklärung des dritten Artikels, sonderlich der Worte: „Ich glaube eine heilige christliche Kirche, die Gemeine der Heiligen": „Das ist aber die Meinung und Summa von diesem Zusatz: Ich gläube, daß da sei ein heiliges Häuflein und Gemeine auf Erden eitler Heiligen, unter Einem Haupte Christo, durch den Heiligen Geist zusammen berufen, in einem Glauben, Sinn und Verstand, mit mancherlei Gaben, doch emträchtig in der Liebe, ohne Rotten und Spaltung." (Müller S. 457.) In dieser Gemeinschaft der Heiligen gibt es nur einen Glauben und keine Spaltung. Alle Christen sind verbunden durch Einen Glauben und Eine Liebe. Wir geben nicht nur zu, daß es Kinder Gottes in den irrgläubigen Kirchengemeinschaften gibt, sondern wir behaupten auch, daß diese Kinder Gottes mit uns im Glauben einig seien. Sie sind mit uns einig in der Centrallehre des Christenthums, sie glauben nämlich, daß sie verloren in sich selbst, aber Kinder Gottes durch JEsum Christum seien. Darum heißt es hier : „In einem Glauben, Sinn und Verstand." Fragt man: wie ist das z. B. im Pabstthum möglich, so antwortet Luther, in der Pabstkirche sei neben der Taufe doch noch der Text der Evangelien geblieben. Wer nun das Wort von der Vergebung der Sünden um Christi willen im Glauben faßt und festhält, der gehört zu den Kindern Gottes. Wenn der Priester nachher mit der Predigt der papistischen Irrthümer kommt, so nimmt er dieselben nicht an.

In seiner Erklärung zum Galaterbrief sagt Luther: „Die Kirche ist allentalben in der Welt, wo nur das Evangelium und die Sacramente sind." Und kurz zuvor: „Derhalben so ist die Kirche allentalben heilig, auch an den Oertern, da gleich die Schwärmer und Rottengeister regieren, so ferne sie nur das Wort und Sacrament nicht allerdings verleugnen und verwerfen. Denn die diese Dinge ganz und gar verleugnen, sind keine Kirche mehr. Wo aber Wort und Sacrament wesentlich bleiben, da bleibet auch eine heilige Kirche." (Galaterbrief. VIII, 1588 ff.)

Joh. Gerhard sagt über die Notwendigkeit des Anschlusses an eine sichtbare Gemeinschaft: „Wenn eine solche Zeit kommt, daß der äußeye sichtbare Glanz der Kirche untergeht, dann ist es nicht schlechthin nöthig zur Seligkeit, daß man sich einer sichtbaren Ortsgemeinde anschließe, son-

 


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dern es genügt, daß man durch den wahren Glauben ein Glied der allgemeinen Kirche sei, denn von dieser ist es eigentlich zu verstehen, daß außerhalb der Kirche keine Seligkeit sei. (1^. de eoolesis. § 101.)

Behauptet man, es sei zur Seligkeit mehr nöthig als der Glaube an Christum, so wird die Centrallehre der Schrift, die Lehre von der Rechtfertigung aus Gnaden, geleugnet. Denn aus Gnaden gerecht und selig werden, was heißt das? Das heißt, durch kein von Menschen getanes Werk, es heiße, wie es wolle, gerecht und selig werden. Wer daher sagt, zur Seligkeit unbedingt nöthig sei der äußere Anschluß an eine sichtbare Kirchengemeinschaft, der sagt damit: nicht allein aus Gnaden durch den Glauben, sondern auch durch dies Werk wird der Mensch gerecht und selig. So bindet der Pabst die Seligkeit an die Zugehörigkeit zu seinem Reich. Aehnlich irren auch diejenigen, welche meinen, daß zur Seligkeit mehr nöthig sei als dies, daß man durch den Glauben zur Gemeinschaft der Heiligen gehört.

Diese erste These, wurde noch bemerkt, ist von der höchsten Wichtigkeit. Wenn die nickrt recht beherzigt wird, wird alles andre nichts nützen. Ja, dann wird man alles, was folgt, zum Schaden anwenden. Wir haben dafür schreckliche Beispiele. Auf dem Colloquium in Buffalo wurde den Grabauern vorgehalten, daß sie immer die unbedingte Notwendigkeit der Zugehörigkeit zur rechtgläubigen Kirche proclamirten, was auch zugegeben wurde, vr. Walther sagte, um die Sache klar zu machen, zu einem Buf-faloer Colloquenten: Wenn ich recht gehört habe, kommen Sie aus der unirten Kirche und behaupten, schon in dieser zum Glauben gekommen zu sein. Der Angeredete bejahte das. Nun, fuhr vr. Walther fort, wenn Sie damals gestorben wären, so wären Sie doch selig geworden, nicht wahr? Die Antwort lautete: „Nein." Ganz schrecklich! Demnach hülfe der Glaube an Christum nichts, bevor man nicht den äußern Anschluß an die rechtgläubige Kirche vollzogen hätte.

Thesis II.

Die von Gott gewollte äußere Gestalt der Kirche ist die Rechtgläubigkeit derselben. Daß es auch irrgläubige Gemeinschaften gibt, ist von Gott nur zugelassen.

Ist ein Mensch ein Christ geworden, und nimmt ihn Gott nicht alsbald von der Erde in den Himmel, so soll er nicht etwa allein stehen bleiben wollen, sondern auch die äußere Gemeinschaft anderer Christen suchen. Das ist Gottes Wille. Blicken wir in die Zeit der Apostel. Ueberall, wo diese predigten, traten die durch die Predigt der Apostel zum Glauben Gekommenen zu einer äußeren Gemeinschaft zusammen. Und diese Gemeinschaften, welche an den einzelnen Orten entstanden, nennt die heilige Schrift auch Kirchen oder Gemeinden. So redet Paulus 1 Cor. 16, 19. von

 


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den „Gemeinden in Asien", 2 Cor. 8, 1. von den „Gemeinden in Macedo-nien". 1 Cor. 1,2. von der „Gemeinde Gottes in Corinth", Apost. 8,1. von der „Gemeinde zu Jerusalem", ja Röm. 16, 5. von einer „Gemeinde in dem Hause" der Priscilla und des Aquila. Dies sind die sogenannten Ortsgemeinden. Diese sind nicht Etwas neben oder außer der allgemeinen christlichen Kirche, sondern diese Ortsgemeinden, unter Hinzunahme der einzelnen gläubigen Seelen, die von aller äußern Gemeinschaft mit Andern abgeschnitten sind, bilden die allgemeine christliche Kirche. Diese Ortsgemeinden sind Christi Stiftung und jeder Ortsgemeinde hat Christus alle geistlichen Güter und Rechte gegeben, wie wir deutlich z. B. aus Matth. 18, 17—20. ersehen : „Sage es der Gemeinde. Höret er die Gemeinde nicht, so halte ihn als einen Heiden und Zöllner. Wahrlich, ich sage euch, was ihr auf Erden binden werdet, soll auch im Himmel gebunden sein, und was ihr auf Erden lösen werdet, soll auch im Himmel los sein. Weiter sage ich euch: Wo zween unter euch eins werden auf Erden, warum es ist, daß sie bitten wollen, das soll ihnen widerfahren von meinem Vater im Himmel. Denn wo zween oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen." Hier ist nicht die allgemeine christliche Kirche gemeint, denn die kann man nie versammeln, sondern die Ortsgemeinde, wie Christus ausdrücklich sagt : „Wo zween oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen." Zu einer solchen Ortsgemeinde soll sich jeder Christ, wenn er Gelegenheit dazu hat, halten. In Bezug auf die Ortsgemeinde heißt es Hebr. 10, 25. ganz ausdrücklich : „Lasset uns nicht verlassen unsere Versammlung, wie etliche pflegen." Von der Gemeinschaft in der Ortsgemeinde heißt es lobend Apost. 2, 42.: „Sie blieben aber beständig in der Apostel Lehre und in der Ge -meinschaft." Und Vers 44.: „Alle aber, die gläubig waren worden, waren bei einander." Der Christ versündigt sich überaus schwer, der sich nicht an eine christliche Gemeinde anschließt, obwohl er Gelegenheit dazu hat, denn dieser Anschluß ist Gottes Wille. Wer sich nicht an eine christliche Gemeinschaft anschließen will, obwohl er könnte, widerstrebt Gottes Willen. Dem wird nach eingehender und anhaltender Belehrung schließlich gesagt werden müssen: Es ist alles Lüge, wenn du sagst, du habest den Glauben. Ja, es kann der Nichtanschluß an eine christliche Gemeinde unter Umständen ebenso klar den Unglauben offenbaren, wie wenn einer ein Trunkenbold, ein Ehebrecher und dergleichen ist.

Also Gott will es haben, daß ein Christ sich an eine christliche Gemeinde anschließt. Sehen wir nun aber die Gemeinden, welche sich christlich nennen, an, so stimmen nicht alle im Glauben überein. So tritt denn an den Christen die Frage heran, zu welcher sichtbaren Gemeinschaft er sich halten solle, oder, wenn er bereits innerhalb einer Gemeinschaft steht, wie das oft der Fall ist, ob er in dieser Gemeinschaft bleiben solle, oder eine andere aufzusuchen habe. Ein Christ soll und will sich ja in allen Dingen

 


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nach Gottes Willen richten. Um diese Frage zu beantworten, stellen wir daher nach Gottes Wort den allgemeinen Satz auf:

„Die von Gott gewollte äußere Gestalt der Kirche ist die Rechtgläubigkeit derselben. Daß es auch irrgläubige Gemeinschaften gibt, ist von Gott nur zu ge lassen."

Gott will nur eine rechtgläubige Kirche haben, oder, was dasselbe ist, Gott will, daß alle Christen nur zu einer rechtgläubigen Kirche sich halten. Daß dem so sei, wird heutzutage geradezu geleugnet. Daher kommt es auch, daß auch Lutheraner von Sectenkirchen als „Schwesterkirchen" reden. Man meint, wie Gott Menschen aus allen Nationen selig machen wolle, so wolle er auch verschiedene Kirchen mit verschiedenem Glauben haben. Auch gibt es Scheingründe, durch welche die Wahrheit unserer These in Frage gestellt wird, z. B. den: Gibt es in den irrgläubigen Kirchen, wie ihr selbst zugesteht, wahre Kinder Gottes, so kann es nicht wahr sein, daß nur die Rechtgläubigkeit der Kirche Gott wohlgefällig sei. Aber für die Wahrheit unserer Thesis zeugt die ganze heilige Schrift. Stellen wir hier nur einige Gründe zusammen.

Daß Gott nur eine rechtgläubige Kirche haben wolle, erhellt schon aus der Thatsache, daß Gott uns die heilige Schrift gegeben und in derselben alle Artikel der christlichen Lehre offenbart hat. So gewiß nun Gott alle Lehren zu dem Zweck geoffenbart hat, daß sie im Glauben angenommen werden, ja unter Androhung seines Zorns verboten hat, etwas dazu oder davon zu thun, so gewiß will Gott auch nur eine rechtgläubige Kirche. Denn eine rechtgläubige Kirche ist eine solche, welche alle in der heiligen Schrift geoffenbarten Lehren glaubt und bekennt. Unsere Thesis beweisen ferner alle Schriftstellen, in welchen gesagt ist, daß alle Christen, welcher Nation sie auch sein mögen, nur einen, den in Gottes Wort geoffenbarten, Glauben haben sollen. So heißt es in der bekannten Stelle 1 Cor. 1, 10.: „Ich ermahne euch aber, lieben Brüder, durch den Namen unseres HErrn JEsu Christi, daß ihr allzumal einerlei Rede führet, und lasset nicht Spaltungen unter euch sein, sondern haltet fest an einander in Einem Sinn und in einerlei Meinung." Unter den Christen finden sich sonst viele Verschiedenheiten in den Dingen, die in das natürliche Leben gehören, in Bildung, Lebensweise u. s. w. Die Christen mögen auch ihre Gottesdienste äußerlich verschieden gestalten. Aber in Einem Stück soll sich bei den Christen, sie seien weiß oder schwarz, gelehrt oder ungelehrt, keine Verschiedenheit, sondern vollkommenste Gleichheit finden, nämlich im Glauben, in der Lehre. Dahin gehört auch Eph. 4, 3 —6.: „Seid fleißig zu halten die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens. Ein Leib und Ein Geist, wie ihr auch berufen seid auf einerlei Hoffnung eures Berufs. Ein HErr, Ein Glaube, Eine Taufe, Ein Gott und Vater (unser) aller, der da ist über euch alle, und durch euch alle, und in euch allen." So gewiß hiernach alle Christen nur den einen in der Schrift geoffenbarten

 


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Glauben haben sollen, so gewiß will Gott nur die Rechtgläubigkeit der Kirche. Eph. 4, 11—14. sagt der Apostel, daß Christus etliche zu Aposteln gesetzt hat, etliche zu Propheten u. s. w. Zu welchem Zweck? Damit alle hinankommen zu einerlei Glauben und Bekenntniß des Sohnes Gottes.

Daß die von Gott gewollte äußere Gestalt der Kirche die Rechtgläubigkeit derselben sei, erhellt auch aus dem Auftrag, welchen das von Gott geordnete Predigtamt hat. Denn aller Befehl Gottes in der Schrift, sein-Wort zu predigen, bezieht sich nur auf die Predigt des reinen Worts, Wenn der HErr Christus spricht: „Gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium aller Creatur" (Marc. 16, 15.), so setzt er noch ausdrücklich hinzu: „Und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe." (Matth. 28, 20.) Jer. 23, 28. spricht der HErr zu den Predigern: „Wer mein Wort hat, der predige mein Wort recht. Wie reimen sich Stroh und Weizen zusammen? spricht der HErr." Das Lob eines rechten Predigers, nach der Schrift ist daher das, daß er Gottes Wort recht, das ist, ohne Beimischung seiner eigenen Gedanken predigt. St. Paulus bekennt von sich, selbst 2 Cor. 2, 17.: „Wir sind nicht wie etlicher viele, die Gottes Wort verfälschen." Die Prediger aber, welche von Gottes Wort abweichen, die Wahrheit mit Irrthum vermischen, werden in der Schrift mit Gottes, Zorn bedroht. So heißt es Jer. 23, 31. 32.: „Siehe, ich will an die Propheten, spricht der HErr, die ihr eigen Wort führen und sprechen: Er hat'L gesagt. Siehe, ich will an die, so falsche Träume weissagen, spricht der HErr, und predigen dieselben, und verführen mein Volk mit ihren Lügen und losen Theidingen, so ich sie doch nicht gesandt und ihnen nichts befohlen habe, und sie auch diesem Volk nichts nütze sind, spricht der HErr."

Daß Gott die Rechtgläubigkeit der Kirche wolle, geht auch hervor aus der Beschreibung, welche die Schrift uns von den Christen gibt. Christus sagt von ihnen: „Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir" (Joh. 10,27.). Es gehört also nach der Schrift zum Wesen eines Christen, daß er allein Christi Stimme höre, ntit seinem Glauben lediglich an Gottes Wort hange. Insofern Christen von Christi Wort abweichen, folgen sie einem Andern und verleugnen Christum. Von der Gemeinde in Jerusalem wird daher lobend gesagt: „Sie aber blieben beständig in der Apostel Lehre." (Apost. 2, 42.)

Weiter werden alle Christen ausdrücklich ermahnt, sich vor falschen Propheten sorgfältig zu hüten. „Sehet euch vor vor den falschen Propheten", ruft ihnen Christus zu Matth. 7, 15. Und St. Johannes schärft ihnen ein 2 Joh. 10.: „So jemand zu euch kommt und bringet diese Lehre — nämlich die Lehre Christi — nicht, den nehmet nicht zu Hause und grüßet ihn auch nicht", nämlich als einen Glaubensbruder. Ja, ein solcher Ernst ist es Gott mit der Rechtgläubigkeit der Kirche, dast er im alten Testament, wo er mit leiblichen Strafen in der Kirche um-,

 


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ging, seinen Gläubigen gebot, die falschen Propheten, welche von seinen Geboten abführten, zu steinigen, und wenn der falsche Prophet auch der nächste Verwandte war. So heißt es in der merkwürdigen Stelle 5 Mos. 13, 6. ff.: „Wenn dich dein Bruder, deiner Mutter Sohn, oder dein Sohn, oder deine Tochter, oder das Weib in deinen Armen, oder dein Freund, der dir ist wie dein Herz, überreden würde heimlich und sagen: Laß uns gehen und anderen Göttern dienen, die du nicht kennst, noch deine Väter, die unter den Völkern um euch her sind, sie seien dir nahe oder fern, von einem Ende der Erde bis an das andere; so bewillige nicht, und gehorche ihm nicht. Auch soll dein Auge seiner nicht schonen, und sollst dich seiner nicht erbarmen, noch ihn verbergen; sondern sollst ihn erwürgen. Deine Hand soll die erste über ihm sein, daß man ihn tödte; und darnach die Hand des ganzen Volks. Man soll ihn zu Tode steinigen." So hatte Gott geordnet im alten Testament. Im neuen Testament ist diese leibliche Strafe ausdrücklich aufgehoben. Aber mit dieser Ordnung im alten Testament hat Gott gezeigt, ein wie großer Ernst es ihm mit der Rechtgläubigkeit der Kirche sei. Analog dieser Ordnung spricht Paulus Gal. I, 9. über Alle, die halsstarrig Gottes Wort verfälschen, den Fluch aus.

Daß Gott nur eine rechtgläubige Kirche haben wolle, geht auch hervor aus den Namen, welche in der heiligen Schrift der Kirche gegeben werden. Sie heißt 1 Tim. 3,15. „das Haus Gottes" — ein geistliches Haus, das Gott sich gebaut hat, und in dem Gott allein Hausherr ist. Wie sonst in einem Hause, in dem es recht steht, des Hausherrn Wort gilt, so soll auch in der Kirche, in Gottes Haus, allein Gottes Wort gelten, und zwar in seinem ganzen Umfang. Die Prediger haben daher allein Gottes Wort zu predigen. Wer Gottes Wort beiseite setzt, setzt Gott als Hausherrn ab. Die Prediger, als Haushalter in Gottes geistlichem Hause, haben ihre Treue damit zu beweisen, daß sie nicht eigene Weisheit, sondern das lautere Wort Gottes predigen. Es heißt daher 1 Petr. 4,11.: „So jemand redet, daß er's rede als Gottes Wort." Die Kirche heißt ferner Gottes und Christi Reich, Joh. 18, 36. Wie es in dem Reiche eines irdischen Königs nach dessen Wort geht, so soll auch in dem geistlichen Reiche, dem Reiche Christi, allein Christi Wort gelten. Denn Christus hat sein Wort zum Reichsgesetz gemacht. Er spricht Joh. 8, 31. 32.: „So ihr bleiben werdet an meiner Rede, so seid ihr meine rechten Jünger, und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen." Jes. 8, 20. lesen wir die bekannten Worte: „Nach dem Gesetz und Zeugniß. Werden sie das nicht sagen, so werden sie die Morgenröthe nicht haben." Die Kirche heißt ferner die Braut Christi. Sie soll daher auch allein Christo anhangen. Das geschieht zuerst und vornehmlich dadurch, daß sie allein auf Christi Wort hört und im Glauben allein an seinem Wort hängt und durch nichts davon sich abbringen läßt. Insofern sie auf das Wort eines Anderen hört, wird sie Christo untreu, daher denn die israelitische Kirche, in-

 


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sofern sie von Gott abgefallen war, häufig eine Ehebrecherin genannt wird. Deshalb wird auch die Kirche im 45. Psalm, V. 11. und 12., ermahnt: „Höre, Tochter, schaue drauf, und neige deine Ohren, vergiß deines Volkes und deines Vaters Haus; so wird der König Lust an deiner Schöne haben; denn er ist dein Herr, und sollst ihn anbeten." Und St. Paulus warnt die Corinther, 2 Cor. 11, 2. 3., so vor falschen Lehren, daß er sie erinnert, wie die Kirche als Braut Christi sich nicht von Gottes Wort abführen lassen und so beflecken dürfe. Kurz, wohin man sieht in der Schrift und von welcher Seite man auch die Kirche betrachten möge, immer springt in die Augen: die von Gott gewollte äußere Gestalt der Kirche ist die Rechtgläubigkeit derselben. Diese Wahrheit muß recht in uns leben. Dann haben wir das rechte Fundament zur Beurteilung recht- und irrgläubiger Kirchengemeinschaften.

Luther kommt immer wieder darauf zurück, daß in der Kirche nur die rechte Lehre erschallen, die Kirche also rechtgläubig sein solle. Er schreibt zu 1 Petr. 4,11.: „So jemand redet, daß er's rede als Gottes Wort: das ist eine sehr nöthige Lehre in der Kirche, und wo sie wäre bisher gehalten worden, so wäre die Welt nicht mit des Antichrists Lügen und Verführung erfüllet. ... Denn es ist nicht also in der Christenheit getan, wie in der Welt Regiment und den Sachen, so äußerlich Ding und Gut betreffen, da die Menschen, nachdem sie es verstehen und ihre Vernunft lehret, mögen regieren, Gesetz und Recht stellen und denselben nach gebieten, strafen, nehmen und geben; sondern es ist hie ein geistlich Regiment der Gewissen für Gott, und was da geredet, gelehret, geheißen oder getan wird, das muß also gehen, daß man wisse, daß es für Gott gilt und bestehet, ja, daß es vor ihm her gehet und fleußt, damit man könne sagen: das hat Gott selbst gered't oder getan. Denn in diesem Hause, da er regieret und wohnet, da soll und will er auch, als der rechte Hausherr, alles miteinander selbst reden und thun, ob er wohl des Menschen Mund und Hand dazu brauchet. Darum muß hie am ersten und für allen Dingen in der Lehre, beide von Predigern und Zuhörern, darnach gesehen werden, daß man klar und gewiß Zeugniß habe, daß solche Lehre sei eigentlich das rechte Gottes Wort, vom Himmel offenbaret den heiligen ersten Vätern, Propheten und Aposteln, und von Christo selbst bestätigt und befohlen zu lehren. Denn es ist mit nichts zu leiden, daß man also mit der Lehre wollt umgehen, wie es einem Jeden gelüstet, oder ihn gut und fein däuchte, und sich reimen wollte nach menschlichem Verstand und Vernunft, oder mit der Schrift und Gottes Wort spielen und gäukeln, daß sich's müßte deuten, lenken, dehnen und flicken lassen, wie sich's leiden wollte um der Leute oder Friedens und Einigkeit willen; denn damit wäre kein gewisser noch beständiger Grund, darauf sich die Gewissen verlassen möchten." In der Kirche soll nur Gottes Wort erschallen. Insofern Menschenwort erschallt, ist die Kirche gar keine Kirche.

 


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Luther schreibt zu der obengenannten Stelle „So jemand redet, daß er's rede als Gottes Wort": „Will jemand predigen, so schweige er seiner Worte, und lasse sie in weltlichem und Hausregiment gelten; all-hie in der Kirche soll er nichts reden, denn dieses reichen Hauswirths Wort: sonst ist es nicht die wahre Kirche. Darum soll es heißen: Gott redet. Muß es doch also gehen auf dieser Welt. So ein Fürst will regieren, so muß seine Stimme in seinem Lande und Hause klingen. So nun das in diesem elenden Leben geschieht, viel mehr sollen wir Gottes Wort klingen lassen in der Kirche und im ewigen Leben. Alle Untertanen und Regimente müssen gehorsam sein ihres Herrn Wort. Es heißt aäministratio. Darum führt ein Prediger Gottes Haushaltung vermöge und kraft seines Befehls und Amts, und darf nichts anderes sagen, denn was Gott sagt und gebietet. Und ob man gleich auch viel Geschwätzes macht außerhalb Gottes Wort: noch ist die Kirche in dem Plaudern nicht, und sollten sie toll und thöricht werden; sie schreien nur Kirche, Kirche, man soll den Pabst und die Bischöfe hören." (Pred. am 1. Pfingsttage. XII, 1413 ff.) Insofern in der Kirche nicht Gottes Wort, sondern Menschenwort erschallt, ist die Kirche nicht mehr Gottes, sondern des Teufels Haus. Es ist eine schreckliche Verunreinigung des Hauses Gottes, wo Gottes Wort in der Kirche nicht rein gepredigt wird, und Gott will solche Verunreinigung seines Hauses ernstlich strafen.

Luther schreibt a. a. O. weiter: „Derowegen müssen wir auf Chri -stum sehen und ihn hören, wie er die wahre christliche Kirche beschreibt wider derselbigen falsch Geschrei. Denn man soll und muß Christo und den Aposteln mehr glauben, daß man rede Gottes Wort, und thun, wie St. Petrus und allhier der HErr Christus spricht: Wer da hält mein Wort, da ist meine Wohnung. Da ist der Bauherr: Mein Wort muß darin bleiben, oder soll nicht mein Haus sein. Unsere Papisten wollen's bester machen, mögen derwegen in der Gefahr stehen. Christus spricht: Mir wollen Wohnung bei ihm machen' und wirkt allda der Heilige Geist. Es muß ein Volk sein, das mich liebt und meine Gebote Hallen. Das will er kurzum haben. ... Sonst im weltlichen Regiment höret der Christ ein anderes, wie man die Bösen strafen und die Frommen schützen soll, und von der Haushaltung. Aber allhier in der christlichen Kirche soll es also sein ein Haus, da allein Gottes Wort schalle." Im weltlichen Regiment ist es anders. Die Bürger verschiedener Reiche können den verschiedensten Gesetzen gehorchen. Jeder Bürger richtet sich aber nach dem Lande, in dem er wohnt. Befindet er sich in Amerika, so richtet er sich nach dem amerikanischen Gesetz; ist er in China, so lebt er nach dem chinesischen Gesetz. Nicht so ist es in der Kirche. Wie es nur eine Kirche, ein Reich Christi auf der ganzen Erde gibt, so gibt es auch für alle Bürger dieses Reiches, ob sie Amerikaner oder Chinesen sind, nur ein Reichsgesetz, das Wort Christi, wie es in der Schrift geoffenbaret ist.

 


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Luther sagt daher auch, dtzß man vergeblich „Kirche, Kirche" schreie, wenn doch Gottes Wort gar nicht gepredigt werde.

Wenn Luther auf diesen Gegenstand zu reden kommt, kann er sich gar nicht genugthun. Es möge daher noch eine andere Stelle angeführt werden: „Hieraus kannst du nun antworten den Schreiern und Speier», die nichts denn .Kirche, Kirche' im Maule haben. So sage mir es nun, lieber Papist, was ist denn die Kirche? Antwort: der Pabst und seine Cardinäle. Ei, höre doch, du Oelgötze,.wo steht es doch geschrieben in Gottes Wort, daß Vater Pabst und Bruder Cardinal die wahre Kirche Gottes sei? Vielleicht daher, dieweil es der schöne Vogel Papagei mit der schwarzen Dohle also geschwätzt haben? Christus sagt dir und mir viel ein anderes, nämlich, das ist meine Kirche, wo mein Wort lauter und unverfälscht gepredigt und gehalten wird. Daher warnt St. Paulus, daß wir sollen fliehen und meiden, so uns von Gottes Wort abführen wollen. Denn wer den Tempel Gottes, der wir sind, enteiligt, den soll Gott wieder schänden, 1 Cor. 3, 17. Nun also spricht auch St. Petrus 1. Ep. 4, 11.: Hüte dich! willst du predigen, so sollst du nichts anderes predigen denn Gottes Wort, oder du wirst Gott seine Kirche entweihen." (A. a. O.)

Nun gibt es aber tatsächlich viele irrgläubige Kirchen, das heißt, solche Gemeinschaften, welche nicht in allen Stücken bei der von Gott ge-offenbarten Wahrheit blieben. Daß es solche Gemeinschaften geben werde, ist in der Schrift geweissagt. Es darf uns also die Thatsache nicht befremden. St. Paulus spricht zu den Nettesten von Ephesus: „Das weiß ich, daß nach meinem Abschied werden unter euch kommen greuliche Wölfe, die der Heerde nicht verschonen werden. Auch aus euch selbst werden aufstehen Männer, die da verkehrte Lehre reden, die Jünger an sich zu ziehen." (Apost. 20, 28. 29.) Und diesen Männern, welche verkehrte Lehre reden, wird es gelingen, sich einen Anhang zu verschaffen. 1 Cor. 11, 19. sagt der Apostel geradezu: „Es müssen Rotten" — das heißt, Parteien, die falsche Lehre führen — „unter euch sein."

Nun fragen wir : Wie steht Gottes Wille zu diesen irrgläubigen Gemeinschaften? Sonderlich in unserer Zeit, wie schon angedeutet, spricht man allgemein aus, es sei dem Willen Gottes gemäß, daß es verschiedene Kirchen mit verschiedenem Glauben gebe. Die verschiedenen Bekenntnisse seien die notwendige Folge davon, daß Gott verschieden veranlagte Personen und verschieden veranlagte Völker in die Kirche führe. Es seien daher verschiedene Richtungen in der Kirche gleichberechtigt. Von uns sagt man, es sei eine Ueberforderung, wenn wir behaupten, daß alle Christen denselben Glauben haben sollten. So allgemein verbreitet diese Ansicht ist, so verkehrt ist sie. So gewiß Gott nur eine Lehre in der heiligen Schrift geoffenbart hat, und so gewiß er allen Christen gebietet, diese eine Lehre anzunehmen, und jede Abweichung von derselben ver-

 


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bietet, so gewiß ist es nicht der wohlgefällige Wille Gottes, daß es irrgläubige Kircheugemeinschaften gibt. Daß es solche Gemeinschaften gibt, ist von Gott nicht gewollt, sondern nur zugelaffe«. Gottes Vorsehung hat mit der Existenz irrgläubiger Gemeinschaften nicht mehr zu thun, als mit jeder anderen Sünde. Dem steht nicht entgegen, daß es in irrgläubigen Gemeinschaften noch liebe Kinder Gottes gibt. Gott macht eben aus den irrgläubigen Kirchen, so zu sagen, das Beste, was er kann. Auch in diesen Gemeinschaften werden ihm Kinder geboren, sofern in denselben noch Stücke seines Worts gepredigt werden, aber Gott will nicht ihre Existenz als irrgläubige Gemeinschaften oder sofern sie von seinem Wort abweichen. Das müssen wir auf Grund des Wortes Gottes recht festalten. Wir müssen darauf achten, was die irrgläubigen Gemeinschaften als solche find, nämlich Gemeinschaften, die falsche Lehre auf ihre Fahne geschrieben und damit eine Sondergemeinschaft aufgerichtet haben. Die Reformirten z. B. haben eine besondere Gemeinschaft gegründet, indem sie falsche Lehre betreffs der Taufe und des Abendmahls auf ihre Fahne geschrieben haben, nämlich, daß die Taufe nicht sei das Bad der Wiedergeburt und daß im Abendmahl nicht der wahre Leib und das wahre Blut Christi sei. Daß eine solche Gemeinschaft besteht, ist nur Gottes Zulassung.

Aber warum läßt denn Gott irrgläubige Gemeinschaften kommen? Darauf gibt Gottes Wort Antwort. Nicht als ob er, wie rechtgläubige, so auch irrgläubige Gemeinschaften der Abwechselung wegen in dem Garten seiner Kirche haben wolle, sondern damit die Christen sich von den irrgläubigen Gemeinschaften fern halten. Wohl heißt es 1 Cor. 11, 19.: „Es müssen Rotten unter euch sein", aber nun wird nicht forlgefahren: So will Gott es in der Kirche haben, und es steht euch nun frei, euch zu irgend einer Pattei zu halten, sondern: „Auf daß die, so rechtschaffen sind, offenbar unter euch werden." Gott läßt also die Entstehung von Secten auch zu dem Zweck zu, um die Seinen zu prüfen, ob sie es aufrichtig und ehrlich meinen mit seinem Wort, ob sie nämlich auch dann an seinem Wort festhatten, wenn ihnen vielleicht unter recht verführerischen Umständen zu-gemuthet wird, von seinem Wort abzuweichen und der Irrlehre anzuhangen. Dasselbe ersehen wir aus 5 Mos. 13, 3. Da heißt es in Bezug auf einen falschen Propheten, wenn er auch mit Zeichen und Wundern kommt: „Du sollst nicht gehorchen den Worten solches Propheten oder Träumers; denn der HErr, euer Gott, versucht euch, daß er erfahre, ob ihr ihn von ganzem Herzen und von ganzer Seele lieb habt." Es sind also Prüfungszeiten für die Christen, wenn Gott falsche Propheten kommen läßt. Gott versucht dann den Gehorsam seiner Christen. Denn Gottes Wille ist es nicht, daß die Christen zu den falschen Propheten treten, sondern daß sie sich von denselben fernhalten, der Stimme ihres Hirten allein folgen, und so als Schäflein Christi sich beweisen, wie Luther sagt in seiner Schrift Wider Hans Worst: „Wenn's kommt, daß man der Lehre

 


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uneins wird, da scheidet sich's von einander und findet sich's, wer die rechten Christen sind, nämlich die Gottes Wort haben, rein und fein." (E. A. 26, 38.)

Derselbe: „Das sind nicht Worte eines zornigen Richters, sondern sind väterliche Worte. Als wollte er sagen: Ich habe dir mein Wort gegeben, daß du dasselbige mit gutem, friedlichem Herzen annehmest, und dich daran hallest; ich will aber falsche Apostel senden, und will versuchen, ob du mich und mein Wort auch mit Ernst wollest meinen und lieb haben." (W. I. 2299.)

Bei der Abhandlung dieser These wurde die Frage erörtert, ob es verkehrt sei, wenn gewissen Leuten eine bestimmte Zeit gesetzt würde, innerhalb welcher sie sich der Gemeinde anschließen sollten. Es gebe Leute, die zwanzig, dreißig Jahre zum Sacrament kommen, ohne in die Gemeinde ausgenommen zu sein. Darauf wurde geantwortet: Wenn sich Leute fänden, die den Anschluß an eine Gemeinde ungebührlich lange aufschieben, so sei es kaum das rechte Mittel, daß man ihnen einen Termin stelle, er sei kurz oder lang. Man müsse in Erfahrung bringen, was einem Zögernden eigentlich vom Anschluß an die Gemeinde abhalte, und ihn darnach behandeln. Sind es Vorurteile, die ihn abhalten, so suche man ihm diese zu nehmen; ist es Trägheit, so suche man ihn zu locken; ist es Geiz, so zeige man ihm, welch ein schrecklich Ding das ist. Zögern Leute mit ihrem Anschluß, weil sie meinen, sie verurteilten damit ihre Verwandten, welche sich in irrgläubigen Gemeinschaften befinden, so gebe man auch hier die nöthige Belehrung aus Gottes Wort. Bald werden sie, durch Gottes Gnade, mit der größten Freudigkeit kommen. Es wird dieser Punkt in dm meisten Fällen gar nicht so große Schwierigkeiten machen, wenn man sich innerhalb der von Gottes Wort festgesetzten Schranken hält, wenn man nicht gesetzlich drängt, sondern belehrt und reizt, den Leuten z. B. das große Privilegium vorstellt, gliedlich zu einer christlichen Gemeinde zu gehören; man zeige auch, wie das, was Christus von der Kirche ausgerichtet haben will, nur dann ausgerichtet werden kann, wenn sich Christen zusammen-schaaren.

Die meisten Fälle, welche Schwierigkeit machen, werden solche sein, wo der Grund des Nichtanschlusses Lauigkeit ist. Wie ist da zu handeln? Es ist die Medizin anzuwenden, die Gottes Wort an die Hand gibt. Man suche die Lauigkeit durch Belehrung und Ermahnung aus Gottes Wort zu heben und in Eifer zu verwandeln. Was die Zulassung oder Nichtzulassung zum heiligen Abendmahl betrifft, so muß als Regel feststehen bleiben: Ob jemand zum Abendmahl zugelaffen werden soll oder nicht, hängt nicht davon ab, ob einer schon gliedlich zur Gemeinde gehört oder nicht, sondern davon, ob man der Liebe nach annehmen muß, daß der Betreffende ein Kind Gottes ist. Macht jemand dadurch, daß er zögert, sich der Gemeinde anzuschließen, sein Christenthum verdächtig, so habe ich ihn zu prüfen. Kann

 


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ich nach angestellter Prüfung nicht mehr der Liebe nach annehmen, daß er ein Christ ist, so muß ich ihn zurückweisen; aber sein Nichtangeschloffensein an die Gemeinde kam mir nur insofern in Bettacht, als es den Unglauben des vom heiligen Abendmahl Zurückgewiesenen offenbarte.

Auf die Frage, warum man von einem übertretenden Reformirten z. B. nicht nur fordere, daß er gläubig sei, speciell auch unsere Lehre vom heiligen Abendmahl glaube, sondern auch, daß er ein Bekenntniß ablege, wurde geantwortet, weil Gottes Wort uns verbietet, mit Irrgläubigen kirchliche Gemeinschaft zu halten. Wer bisher bekanntermaßen Glied in einer irrgläubigen Gemeinschaft war, wird mit Recht so lange für einen Irrgläubigen gehalten, bis er öffentlich erklärt hat oder erklären läßt, daß er die irrige Lehre erkannt habe und der rechten Lehre beifalle. Doch solle man auch hier sich vorsehen, daß man mit der Forderung einer bestimmten Form des Bekenntnisses nicht zu weit gehe.

Thesis III.*)

Es ist daher nicht gleichgültig, welcher kirchlichen Gemeinschaft ein Christ sich anschließt, sondern er hat Gottes ernstliches Gebot, zwischen rechtgläubigen und irrgläubigen Kirchen genau zu unterscheiden und, unter Permeidung aller kirchlichen Gemeinschaft mit den Irrgläubigen, sich nur zur rechtgläubigen Kirche zu halten.

Steht es, wie wir in der zweiten Thesis gesehen haben, so, daß Gott nur rechtgläubige Kirchen haben will, und ist der Umstand, daß es irrgläubige Kirchen gibt, nur auf die göttliche Zulassung zurückzuführen, so ist es, wie es nun in der dritten Thesis weiter heißt, „nicht gleichgültig, welcher kirchlichen Gemeinschaft ein Christ sich anschließt".

Viele Christen meinen, es sei dies gleichgültig, und handeln daher auch demgemäß. Kommen sie an einen Ort, wo sie irgend eine protestantische Gemeinschaft vorfinden, so schließen sie sich an dieselbe an. Es gibt Leute, die nacheinander Reformirte, Baptisten, Methodisten, Presbyterianer, Congregationalisten waren, je nach dem Ort, an welchem sie wohnten. Und bei den Secten dürfen wir uns darüber nicht wundern, denn die sind ihrer Sonderlehren, weil sie in Gottes Wort nicht gegründet sind, nicht gewiß. Aber auch Solche, die Lutheraner sein wollen und bekennen, daß die Lehre, die sie aus dem lutherischen Katechismus gelernt haben, die rechte sei, tragen oft wenig Bedenken, sich irrgläubigen Gemeinden anzuschließen, und handeln daher ebenfalls so, als ob es gleichgültig sei, zu welcher kirchlichen Gemeinschaft ein Christ sich halte. Das ist aber ganz falsch.

*) Die Abhandlung über diese These ist von Herrn k. Reinhardt protokollirt.

 


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Gleichgültig wäre dies nur dann, wenn vor Gott kein Unterschied wäre zwischen rechtgläubigen und irrgläubigen Kirchen. Nun ist aber ein großer Unterschied da, wie wir ik der zweiten Thesis gesehen haben, — ein so großer Unterschied, daß Gott allein die rechtgläubige Kirche will, dagegen die irrgläubigen Gemeinschaften in seinem Wort deutlich verurteilt. So hat auch jeder Christ, der allein nach Gottes Willen sich halten will, die Pflicht, zwischen rechtgläubiger und irrgläubiger Kirche genau zu unterscheiden. Er hat, ehe er den Anschluß an eine Gemeinschaft vollzieht, die Frage sich zu beantworten: Ist die Gemeinschaft rechtgläubig oder nicht?

Das fordert Gott denn auch mit ausdrücklichen Worten von den Christen. „Ihr Lieben", heißt es 1 Joh. 4, 1., „glaubet nicht einem jeglichen Geist, sondern prüfet die Geister, ob sie aus Gott sind; denn es sind viel falscher Propheten ausgegangen in die Welt." Und der HErr Christus ruft allen Christen zu (Matth. 7, 15.): „Sehet euch vor vor den falschen Propheten." Die Christen also, welche zwischen rechten und falschen Propheten, und somit auch zwischen rechtgläubigen und irrgläubigen Gemeinschaften nicht unterscheiden wollen, sind einem ausdrücklichen Gebot Gottes ungehorsam.

Zu unserer Zeit macht man diesen Unterschied entweder gar nicht, oder doch nicht in rechter Weise. Nicht nur macht man es den Christen nicht zur Pflicht, zwischen rechtgläubigen und irrgläubigen Gemeinschaften zu unterscheiden, sondern man erklärt es sogar für eine christliche Tugend, wenn jemand die Lehrunterschiede nicht beachtet. Ja, man erklärt es für eine Anmaßung, wenn eine Gemeinschaft behaupte, daß sie in allen Artikeln des christlichen Glaubens die in Gottes Wort geoffenbarte Wahrheit habe. So spottet man in der Generalsynode, ja, selbst im Council über uns, weil wir einen strengen Unterschied zwischen rechtgläubigen und irrgläubigen Gemeinschaften machen. Die Secten reden freilich auch von „orthodoxen", das ist, rechtgläubigen Predigern und Gemeinschaften. Aber das sind nicht solche, welche alle Lehren des christlichen Glaubens festhalten, sondern solche, die in dem allgemeinen Umsturz noch wenigstens einige Hauptlehren bekennen. Orthodoxe Gemeinschaften nennen sie solche, die etwa noch glauben, daß die heilige Schrift Gottes Wort und daß Christus Gottes Sohn sei, sowie daß man durch die Bekehrung zu Gott und durch den Glauben an Christum selig werden könne, wenngleich sie daneben andere, klar in Gottes Wort geoffenbarte Lehren leugnen. Das heißt aber nimmermehr, zwischen rechtgläubiger und irrgläubiger Gemeinschaft recht unterscheiden. Wer nach Gottes Wort urteilt, kann nur die Lehrer und Gemeinschaften rechtgläubig nennen, welche dem Gebot Gottes gehorsam sind, zu seinem Wort nichts Hinzuthun und von demselben auch nichts abthun.

Fragt man daher, wonach ein Christ zwischen rechtgläubiger und irrgläubiger Kirche zu unterscheiden hat? so lautet die Antwort: nach dem Glauben, nach der Lehre. Nur darnach kann sicher geurteilt werden;

 


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nicht darnach, daß es in einer Gemeinde äußerlich christlich zugeht, oder der Prediger derselben den Eindruck eines frommen Mannes macht. Das alles kann ein Schafskleid sein, welches den Irrlehrer verbirgt, wie der HErr Christus spricht Matth. 7, 15.: „Sehet euch vor vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen." Auch nicht darnach darf man urteilen, daß man sich auf die Schrift beruft und Schrift im Munde führt, sondern die Christen haben darauf zu sehen, daß auch wirklich die Lehre der Schrift gebracht wird. Auch der Teufel führte bei der Versuchung Christi die Schrift im Munde. Ja, die Christen sollen selbst durch Zeichen und Wunder sich nicht bestechen lassen, denn diese Wunder können auch bloß scheinbare Wunder, Betrug und teuflisches Blendwerk sein. Darauf hat Gott seine Gläubigen schon im Alten Testament aufmerksam gemacht. Es heißt an der schon citirten Stelle 5 Mos. 13, 1—3.: „Wenn ein Prophet oder Träumer unter euch wird aufstehen, und gibt dir ein Zeichen oder Wunder, und das Zeichen oder Wunder kommt, davon er dir gesagt hat, und spricht: Laß uns andern Göttern folgen, die ihr nicht kennet, und ihnen dienen; so sollst du nicht gehorchen den Worten solches Propheten oder Träumers; denn der HErr, euer Gott, versucht euch, daß er erfahre, ob ihr ihn von ganzem Herzen und von ganzer Seele lieb habt." Eine ganz gewaltige Stelle dafür, daß wir bei Beurteilung von kirchlichen Gemeinschaften und Lehrern allein auf die Lehre sehen sollen, darauf, ob sie Gottes Wort rein und lauter lehren. Zeichen und Wunder sogar sind kein untrügliches Kennzeichen. Diese können bloß äußerlich wie Wunder aussehen, in Wirklichkeit aber Betrug oder teuflische Wirkung sein. Zeichen und Wunder sollen nur dann Eindruck auf uns machen, wenn sie von der rechten Lehre begleitet sind. Ist falsche Lehre da, so sollen wir den, der diese vorträgt, als einen falschen Propheten bezeichnen, auch wenn er uns noch so erstaunliche Dinge vormachte. Des Pabstes Zukunft geschieht nach 2Thess. 2. nach der Wirkung Satans mit allerlei lügenhaften Kräften und Zeichen und Wundern. Von der letzten Zeit sagt der HErr Christus Matth. 24, 24.: „Es werden falsche Christi und falsche Propheten aufstehen und große Zeichen und Wunder thun, daß verführet werden in den Irrthum (wo es möglich wäre) auch die Auserwählten." Die Christm haben also die Pflicht, auf Grund der Lehre zwischen rechtgläubiger und irrgläubiger Kirche zu unterscheiden.

Aber können sie das? Sicherlich! Denn der HErr Christus trägt ihnen auf, dies zu thun, und damit ist zugleich gesagt, daß sie durch Gottes Gnade es können. Viele meinen, nur die Pastoren seien im Stande, zwischen rechtgläubiger und irrgläubiger Gemeinschaft zu unterscheiden. Aber das ist ganz verkehrt. Gerade allen Christen, und nicht etwa nur den Pastoren, ruft der HErr Christus zu Matth. 7,15.: „Sehet euch vor vor den falschen Propheten." Und was Johannes sagt: „Ihr Lieben, glaubet nicht einem

 


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jeglichen Geist, sondern prüfet die Geister, ob sie von Gott sind; denn es sind viel falscher Propheten ausgegangen in die Welt" (1 Joh. 4, 1.), ist an dieselbe Adresse gerichtet. Der HErr Christus hat es so eingerichtet, daß alle seine lieben Christen, die Ungelehrten sowohl wie die Gelehrten, zwischen Wahrheit und Irrthum in geistlichen Dingen unterscheiden können. Er hat alle Lehren an durchaus klaren Stellen geoffenbart, an Stellen, zu denen Ungelehrtm wie Gelehrten der Zugang offen steht. Die heilige Schrift ist ein solches Zeugniß, welches auch die Albernen weise macht (Ps. 19, 8.). Wenn daher ein Christ sich einfältig an das Wort der Schrift hält, so kann er ganz wohl zwischen Wahrheit und Irrthum unterscheiden. Daß die Christen manchmal irre werden und meinen, sie wüßten nicht, welche Lehre recht sei, kommt nur daher, daß sie das Wort der Schrift außer Augen lassen, daß sie dies durch ihre blinde Vernunft entscheiden wollen und nicht mit Gottes Wort, welches alle Irrthümer widerlegt, sobald es auf den Plan gebracht wird. So stritt man z. B. in einer methodistischen Versammlung einst über die vollkommene Heiligung eines Christen schon in diesem Leben. Die Meisten behaupteten, daß ein Christ schon hier auf Erden ganz ohne Sünde sein könne. Da stand ein Mann auf und sagte, er habe schon seit Jahren keine Sünde mehr getan. Dagegen erhob sich ein Anderer und citirte, anstatt eine lange Gegenrede zu halten, einfach 1 Joh. 1, 7.: „So wir sagen, wir haben keine Sünde, so verführen wir uns selbst und die Wahrheit ist nicht in uns." Durch dies eine Wort wurden alle zum Schweigen gebracht. Der Irrthum war in aller Augen gerichtet durch das klare Wort Gottes. Und so steht es in Bezug auf jede Lehre. Der Christ, welcher seinen kleinen lutherischen Katechismus weiß, kann mit dieser Erkenntniß sich aller Irrlehren erwehren, denn die Irrlehrer verstoßen gerade gegen die Grundartikel der christlichen Lehre.

Gerhard schreibt: „Wie durch die Predigt des Wortes und die Verwaltung der Sacramente die Kirche von weltlichen Gemeinschaften, welche außerhalb der Kirche sind, sich unterscheidet, so unterscheidet sie sich durch die reine Predigt des Wortes und durch die rechtmäßige Verwaltung der Sacramente von den ketzerischen Gemeinschaften, welche in der Kirche sind." (I,. äs seolesis, § 131.)

Wir unterscheiden zwischen irrgläubigen Kirchen und gottlosen, ganz außerhalb der Kirche stehenden Haufen. Die letzteren find solche Gemeinschaften, die, wenn sie sich auch noch Kirche nennen, dennoch gar nichts vom seligmachenden Evangelium mehr lehren oder, wie es unsere Alten wohl ausdrückten, gar keine wesentlichen Stücke der geoffenbarten seligmachenden Wahrheit mehr haben, so daß in diesen Gemeinschaften, soweit ihre Lehre in Betracht kommt, kein Mensch zum seligmachenden Glauben kommen kann. Solche Gemeinschaften find in unserer Zeit die unitarischen. Diese lehren keinen dreieinigen Gott; infolge dessen auch

 


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nicht, daß JEsus Christus wahrhaftiger Gott sei und als wahrhaftiger Gott Mensch geworden sei, um durch sein stellvertretendes Leben, Leiden und derben die Menschen zu erlösen. So kann innerhalb dieser Gemeinschaft auch niemand zum Glauben an Christum als den Sünderheiland kommen; so verdient diese Gemeinschaft und ähnliche nicht mehr den Namen „christliche Gemeinschaft". Sie stehen ganz außerhalb der christlichen Kirche, wie auch im ersten Artikel der Apologie der Augsburgischen Confession von unserer Kirche bekannt wird. Mit diesen ganz unchristlichen Gemeinschaften stellen wir die irrgläubigen Gemeinschaften nicht auf gleiche Stufe. In diesen allen wird noch bekannt, daß Christus Gottes Sohn und zur Erlösung der Menschen gestorben sei, wenn daneben freilich auch viele Irrthümer gepredigt werden. Aber es können in diesen Gemeinschaften doch noch Seelen zum Glauben kommen. Wir handeln hier nun nicht von dem Unterschied zwischen rechtgläubiger Kirche und der Welt, sondern von dem Unterschied zwischen rechtgläubiger und irrgläubiger Kirche, das heißt, zwischen Gemeinschaften, die in allen Artikeln der Lehre die geoffenbarte Wahrheit bekennen, und solchen Gemeinschaften, die in einer Anzahl von Lehr-artikeln die Wahrheit verwerfen und den Irrthum bekennen.

Ein Christ kann und soll also zwischen rechtgläubigen und irrgläubigen Gemeinschaften unterscheiden. Nach dieser Erkenntniß soll er nun auch handeln. Er soll unter Vermeidung aller Gemeinschaft mit den Irrgläubigen sich nur zur rechtgläubigen Kirche halten. Dies sagt Gottes Wort an allen Stellen, an welchen die Christen ermahnt werden, falsche Propheten nicht zu hören, sondern dieselben zu fliehen. Denn dadurch, daß man sich zu irrgläubigen Gemeinden, hält, hört man ja deren Prediger, die falschen Propheten, und thut also das gerade Gegenteil von dem, was Christus in Bezug auf die falschen Lehrer zu thun befohlen hat. Hierher gehören also die angeführten Stellen Matth. 7, 15.: „Sehet euch vor vor den falschen Propheten", und 2 Joh. 10. 11.: „So jemand zu euch kommt und bringet diese Lehre" — die in Gottes Wort geoffenbarte, die Lehre Christi — „nicht, den nehmet nicht zu Hause und grüßet ihn auch nicht", nämlich als einen Glaubensbruder. Daß man kein Glied der irrgläubigen Gemeinschaft werden soll, steht auch Apost. 20, 30. 31. Für die Zeit, von welcher der Apostel sagt: „Auch aus euch selbst werden aufstehen Männer, die da verkehrte Lehren reden, die Jünger an sich zu ziehen", gibt er die Mahnung: „Darum seid wacker und denket daran, daß ich nicht ab-gelaffen habe, drei Jahre Tag und Nacht einm jeglichen mit Thränen zu ermahnen", das heißt, bleibet bei der rechten Lehre, die ich euch mit so großer Mühe und Sorgfalt in den letzten drei Jahren gelehrt habe, und haltet euch nicht zu denen, die da „verkehrte Lehren" reden. Dann heißt es ganz ausdrücklich 2 Cor. 6, 14—18.: „Ziehet nicht am fremden Joch mit den Ungläubigen. Denn was hat die Gerechtigkeit für Genieß mit der Ungerechtigkeit? was hat das Licht für Gemeinschaft mit der Finster-

 


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niß? wie stimmt Christus mit Belial? oder was für ein Teil hat der Gläubige mit dem Ungläubigen? was hat der Tempel Gottes für eine Gleiche mit den Götzen? Ihr aber seid der Tempel des lebendigen Gottes, wie denn Gott spricht: Ich will in ihnen wohnen und in ihnen wandeln und will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein. Darum gehet aus von ihnen und sondert euch ab, spricht der HErr, und rühret kein Unreines an; so will ich euch annehmen, und euer Vater sein, und ihr sollet meine Söhne und Töchter sein, spricht der allmächtige HErr." Man hat gegen die Verwendung dieser Stelle zum Beweis dafür, daß Gott die Gemeinschaft mit der irrgläubigen Kirche verboten habe, eingewendet, daß hier von Ungläubigen, nicht aber von Irrgläubigen die Rede sei. Aber irrgläubige Gemeinschaften sind, insofern sie irrgläubig sind, auch ungläubig. Sie sind ungläubig einer ganzen Reihe von Bibelstellen gegenüber. Und dazu thun sie noch die schreckliche Sünde, daß sie auf Grund ihrer Irrlehren in der christlichen Kirche Sondergemeinschaften aufgerichtet haben, dadurch die Christenheit zerreißen und die rechtgläubige Kirche bekämpfen. Wort für Wort paßt die Stelle 2 Cor. 6. auch auf die irrgläubigen Gemeinschaften, insofern sie solche sind. Es heißt: „Was hat die Gerechtigkeit für Genieß mit der Ungerechtigkeit?" Falsche Lehre predigen und falsche Lehre glauben ist aber die größte Ungerechtigkeit, die es gibt, ist Sünde Wider das erste Gebot. Das schärft auch Luther so oft ein. Er wiederholt immer: „Irrlehre ist Sünde gegen das erste Gebot." Wer Gottes Wort beiseite setzt, an Gottes Wort herumdeutelt, Gottes Wort seinen eigenen Sinn unterschiebt, der läßt Gott nicht seinen Gott sein, der handelt ungerecht. Gott sagt in seinem Wort oft: „Du sollst nicht stehlen." Aber ebenso klar und noch viel öfter steht in der Schrift: Du sollst nicht falsche Lehre glauben, du sollst nicht falsche Lehre predigen, du sollst nicht falsche Lehre hören. Wie nun der ein Ungerechter ist, welcher dem Gebote Gottes zuwider stiehlt, so ist vor allen Dingen auch der ein Ungerechter, der Gottes ebenso klarem Gebot gegenüber falsche Lehre predigt, annimmt oder fördert. Und zwar in irgend einem Quantum. LVenn Gott sagt, man solle nicht stehlen, so soll man auch nicht wenig stehlen. Dasselbe gilt von dem Hören und Predigen falscher Lehre. Auch hier macht man sich schon durch Verbreitung und Förderung auch nur Einer falschen Lehre der Ungerechtigkeit teilhaftig. Das erste Stück der christlichen Gerechtigkeit und des christlichen Wandels ist die gläubige Annahme des ganzen Wortes Gottes. Weiter heißt es: „Was hat das Licht für Gemeinschaft mit der Finsterniß?" Falsche Lehre aber ist Finsterniß, wie die rechte geoffenbarte Lehre das Licht ist in dieser Welt. „Wie stimmt Christus mit Belial?" Alle falsche Lehre ist ein Werk des Teufels. Sie ist Lüge in geistlichen Dingen wider Gott. Und der eigentliche Vater dieser Lüge ist der Teufel. Wer mit falscher Lehre zu thun hat, treibt Belials Werk. „Was hat der Tempel Gottes für eine Gleiche mit den Götzen?" Die Kirche ist der Tempel Gottes, und sie ist

 


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dieses gerade dadurch, daß Gottes Wort in ihr erschallt. Insofern in der Kirche Menschenlehre, Irrthum gepredigt wird, lehrt man einen andern Gott, als den wahrhaftigen, der sich in der Schrift geoffenbart hat, anbeten. Ja, insofern eine andere Lehre, als Gottes Wort, in der Kirche verkündigt wird, macht man wahrhaftig aus Gottes Haus einen Götzentempel. Daß das Ausgehen, von dem 2 Cor. 6. die Rede ist, sich gerade auch auf die Scheidung von den Irrgläubigen beziehe, steht Röm. 16, 17. 18., wo es heißt: „Ich ermahne aber euch, lieben Brüder, daß ihr aufsehet auf die, die da Zertrennung und Aergerniß anrichten, neben der Lehre, die ihr gelernt habt, und weichet von denselbigen."

Man wirst ein: Da ihr selber zugebt, daß es auch in irrgläubigen Gemeinschaften noch liebe Kinder Gottes gibt, so trennt ihr euch durch Absonderung von den irrgläubigen Gemeinschaften auch von diesen Kindern Gottes, ja, ihr verdammt sie. Ist es da doch nicht bester, mit den Irrgläubigen Gemeinschaft zu pflegen? Wir antworten erstlich: Nein! Es kann nicht besser sein, weil Gott uns dies ausdrücklich verbietet. Sodann sondern wir uns auch nicht ab von den Kindern Gottes unter den Secten, sondern vondenSectenselbst. Die Secten aber sondern diese lieben Kinder Gottes von uns ab. Sie halten die, welche zu uns gehören — denn Kinder Gottes sind gewillt, das ganze Wort Gottes anzunehmen — unter sich gefangen, so daß diese ihre böse Sache äußerlich stützen müssen, während sie mit ihrem Herzen zu uns gehören. Diese Kinder Gottes würden sich nämlich sofort zu uns begeben, wenn sie besser unterrichtet würden. Auch den Kindern Gottes unter den Irrgläubigen zu gut geschieht es, daß wir diesen Kirchen die kirchliche Gemeinschaft verweigern. Dadurch machen Wir sie immerfort darauf aufmerksam, daß sie sich in einem falschen Lager befinden. Christen gehören nach Gottes Willen nicht in die Gesellschaft derer, die etlichen Lehren Christi offen widersprechen. Mancher tritt auch so aus dem falschen Lager in das rechte Lager über.

Es ist auch durchaus festzuhalten, daß wir keine Trennung in der Kirche anrichten, indem wir die Gemeinschaft mit den Irrgläubigen meiden. Nach Röm. 16, 17. richten diejenigen Zertrennung und Aergerniß in der Kirche an, welche Lehren neben der geoffenbarten Wahrheit führen. Die Sache steht also nach Gottes Wort so: Wer sich zu falschen Lehrern hält und dadurch deren Sache stärkt, arbeitet mit an der Zertrennung der Kirche. Wer aber falsche Lehrer und ihren Anhang meidet und keine Gemeinschaft mit ihnen macht, der ist in dem heiligen Werk begriffen, der Trennung innerhalb der Christenheit zu wehren. Aber leider ist es dem Teufel gelungen. hier die Begriffe und die Sprache zu fälschen. Die Zerstörer der Einigkeit nennt man Beförderer derselben und umgekehrt die Beförderer der Einigkeit Zerstörer derselben.

Was schließt nun die Vermeidung aller Gemeinschaft mit den Irrgläubigen in sich? Es schließt nicht in sich, daß man auch allen bürg er -

 


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lichen Verkehr mit Irrgläubigen meide. Es schließt auch nicht in sich, daß man nicht gelegentlich mit Irrgläubigen über geistliche Dinge reden sollte. Vielmehr sollen wir thun, wie St. Petrus ermahnt 1 Petr. 3, 15. 16.: „Seid aber allezeit bereit zur Verantwortung jedermann, der Grund fordert der Hoffnung, die in euch ist, und das mit Sanftmüthigkeit und Furcht, und habt ein gut Gewissen, auf daß die, so von euch afterreden als von Uebelthätern, zu Schanden werden, daß sie geschmähet haben euren guten Wandel in Christo." Auch aus unserem Verkehr mit ihnen sollen die Irrgläubigen merken, daß wir nicht zank- und verdammungssüchtige, sondern in der Furcht Gottes wandelnde, die Wahrheit liebende, friedfertige Leute sind, die nur deshalb so handeln, wie sie handeln, weil sie Gottes Wort fürchten. — Durch die in Gottes Wort verbotene Gemeinschaft mit den Irrgläubigen ist uns Alles verboten, wodurch wir dieses böse Werk der irrgläubigen Gemeinschaft stärken. Christen sollen also keine Glieder der irrgläubigen Gemeinschaften werden, und zwar unter keinen Umständen. Findet sich an einem Ort keine rechtgläubige Kirche, so muß der Christ sich mit dem Hausgottesdienst begnügen, denn Gott hat nirgends von diesem Wort entbunden: „Sehet auf die, die da Zertrennung und Aergerniß anrichten neben der Lehre, die ihr gelernet habt, und weichet von denselbigen." Diese von Gott gebotene Meldung der irrgläubigen Gemeinschaften schließt auch das ein, daß ein Christ unterkeinenUmständen zum Kirchbau der Seelen oder gar der Römischen beitrage, denn dadurch fördert er irrgläubige Gemeinschaften. Und zwar soll ein Christ, wenn er um einen solchen Beitrag angegangen wird, kurz und mit Ernst den Grund angeben, weshalb er seine Unterstützung verweigert. Er soll offen sagen, daß er die falsche Lehre, welche die irrgläubige Gemeinschaft führt, nach Gottes Wort verwerfen müsse und darum dieselbe nicht unter Dach und Fach bringen helfen könne. Man soll in solchen Fällen die einen Beitrag Begehrenden nicht damit abfertigen, daß man etwa sagt, man habe kein Geld rc. Dann denken jene, man sei nur zu geizig, ihnen etwas zu geben. Nein, hier ist es an der Zeit, freimüthig und offen seinen Glauben zu bekennen.

Hier wurden noch folgende Fragen besprochen:

1. „Was ist von der gelegentlichen Teilnahme eines Christen an dem Gottesdienst irrgläubiger Gemeinschaften zu halten?" Es ist nicht unter allen Umständen Sünde, solchem Gottesdienst einmal beizu-wohnen. Setzen wir den Fall, daß Lutheraner mit Irrgläubigen in einem Stadtrath sitzen. Stirbt nun ein Irrgläubiger aus dem Collegium, so kann der Lutheraner wohl an dem Leichenbegängniß teilnehmen, um dem Verstorbenen die bürgerliche Ehre zu erweisen. Er braucht sich auch nicht zu entfernen, wenn mit dem Leichenbegängniß ein irrgläubiger Gottesdienst verbunden ist. Nur darf er dabei über di< Rolle eines Zuschauers nicht hinausgehen. Dasselbe ist zu sagen von

 


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alle? gelegentlichen Gegenwart bei falschgläubigen Gottesdiensten. Man darf dort nicht seine Erbauung suchen oder sich stellen, als suche man dort seine Erbauung. Man darf also nicht mitsingen, mitbeten u. s. w., sondern man soll sich durchaus nur als Zuschauer verhalten. Von einer „Teilnahme" am Gottesdienst der Irrgläubigen kann also eigentlich gar nicht die Rede sein.

2. „Ist es erlaubt, mit Falschgläubigen zur Betreibung christlicher Liebeswerke sich zu verbinden?" Es ist in Gottes Wort nicht verboten, daß wir als Bürger mit Ungläubigen oder Irrgläubigen zusammen z. B. ein städtisches Hospital bauen. Wir lassen uns für städtische Hospitalbauten besteuern. Doch muß die Voraussetzung dabei die sem, daß das Hospital ein rein bürgerliches Institut sei. Wenn gesagt würde, ein Papist, ein Methodist oder ein anderer Sectenprediger solle als Seelsorger in demselben angestellt werden, wäre es Sünde, sich an einem solchen Hospitalbau zu beteiligen, weil man dadurch mit den Irrgläubigen, durch Förderung der Sache derselben, in verbotene Gemeinschaft treten würde. Wir können uns also als Bürger mit Irrgläubigen und Ungläubigen zur Ausführung von bürgerlichen Unternehmungen verbinden. Aber dies darf nicht geschehen, wenn es sich um kirchliche oder christliche Werke handelt, z. B. um Mission, und überhaupt um Werke der christlichen Liebe. Die christliche Liebe kommt aus dem christlichen Glauben. Mit wem wir nicht in Glaubensgemeinschaft stehen, mit dem können wir uns auch nicht zur Betreibung von christlichen Liebeswerken verbinden.

3. „Wie steht es mit der Uebernahme einer Pathenstelle in einer irrgläubigen Kirche?" Uebernahme einer Pathenstelle ist ein kirchliches Ding. Ein Christ soll sich also zur Uebernahme einer Pathenstelle in einer irrgläubigen Kirche nicht herbeilassen. Uebernimmt ein Christ z. B. eine Pathenstelle in der reformirten Kirche, so billigt er damit deren falsche Lehre von der Taufe. Auf die Frage, ob dies auch auf etwa zu übernehmende Pathenstellen innerhalb der Texas-Synode Anwendung fände, wurde bejahend geantwortet, weil die Texas-Synode mit Falschgläubigen Gemeinschaft hält. So lange sie sich von dieser nicht lossagt, ist auch sie als eine irrgläubige Gemeinschaft zu behandeln. Eine Ausnahme wäre natürlich zu machen, wenn jemand zwar äußerlich noch zu diesem Körper gehörte, aber in statu oonksssionis (im Stande des Bekenntnisses, Gegen-zeugnifses) gegen die von demselben gebilligten falschen Lehren wäre. Auf die weitere Frage, ob denn Irrgläubige Pathenstellen in unserer Kirche übernehmen könnten, wurde erwidert: Wenn ein Lutheraner einen Irrgläubigen bereits zum Pathen gebeten habe, so könne man einen Solchen Wohl als Zeugen bei unserer Taufe zugegen sein lassen. Doch sei zu bedenken, daß ein Solcher nicht eigentlich Taufpathe, sondern nur Taufzeuge sein könne, nämlich Zeuge dafür, daß die Taufe richtig vollzogen wurde. Tauf-

 


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pathe kann ein Irrgläubiger darum nicht sein, weil jemand, der nicht mit uns des rechten Glaubens ist, ja gar nicht die mit dem Pathenamt verbundenen Pflichten übernehmen kann. Werden aber gar Leute zu Pathen gewählt, welche unsere Lehre von dem Nutzen der Taufe verlachen, so heißt das nur Spott mit der Pathenschaft treiben. Haben also Leute einmal Irrgläubige zu Pathen gewählt, und läßt sich die Sache nicht wohl rückgängig machen, so betone man, daß die Irrgläubigen nur Tauszeu gen sein können. Immerhin bleibt das Herbeiziehen Irrgläubiger zur Pathenschaft ein Anstoß, der möglichst vermieden werden sollte. Der Prediger ermahne daher seine Gemeinde, nur rechtgläubige Lutheraner zu Pathen zu nehmen, die im Notfall auch die Kinder im lutherischen Katechismus unterweisen können. Auf die Frage schließlich, wie man der Thatsache, daß man die Irrgläubigen nicht als Pathen, sondern nur als Zeugen anerkenne, Ausdruck geben könne, lautete die Antwort, daß man die bei der Taufhandlung üblichen Fragen nicht an die Irrgläubigen, sondern nur an die rechtgläubigen Pathen zu richten habe.

Es wurde noch auf folgende Zeugnisse hingewiesen, durch welche das in Thesis III Ausgeführte bestätigt wird.

Nachdem unser Bekenntniß das Zugeständniß gemacht hat, daß die auch von ungläubigen Pastoren im Namen der Kirche verwalteten Sacramente kräftig seien, fährt es fort: „Doch soll man falsche Lehrer nicht annehmen oder hören, denn dieselbigen sind nicht mehr an Christi Statt, sondern sind Widerchristi. Und Christus hat von denen klar befohlen : Hütet euch für den falschen Propheten, und Paulus zu den Galatern : Wer euch ein ander Evangelium prediget, der sei verflucht." (Apol. Art. VII. und VIII. Müller, S. 162.)

SchmalkaldischeArtikel: „Paulus gebeut, daß man falsche Prediger meiden und als einen Greuel verfluchen soll. Und 2 Cor. 6. spricht er: Ziehet nicht am fremden Joch mit den Ungläubigen; denn was hat das Licht für Gemeinschaft mit der Finsterniß?" u. s. w. „Schwer ist es, daß man von so viel Landen und Leuten sich trennen und eine sondere Lehre führen will. Aber hie stehet Gottes Befehl, daß jedermann sich soll hüten und nicht mit denen einhellig sein, so Unrechte Lehre führen oder mit Wütherei zu erhalten gedenken." (Müller, S. 337.)

Ferner: „So gebeut Paulus, daß alle Bischöfe, so entweder selbst unrecht lehren oder Unrechte Lehre und falschen Gottesdienst vertheidigen, für sträfliche Leute sollen gehalten werden." (Schmalk. Art. Müller, S. 342.)

Luther sagt: „Wer seinen Seelsorger weiß, daß er Zwinglisch lehrt, den soll er meiden, und ehe sein Lebenlang das Sacrament entbehren, ehe er's von ihm empfahen sollte, ja, auch ehe darüber sterben und alles leiden." (Warnung für Zwinglischer Lehre. XVII, 2440.)

 


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Thesis IV.*)

Auch wird nur in der rechtgläubigen Kirche Gott die Ehre gegeben, die er fordert, und recht für die Seelen gesorgt. Die Gemeinschaft mit irrgläubigen Kirchen streitet wider Gottes Ehre und ist eine beständige Gefahr für die Seele.

Wir haben als Unterschied zwischen den rechtgläubigen und irrgläubigen Gemeinschaften den erkannt, daß die ersteren von Gott gewollt, die letzteren von ihm nur zugelassen sind (Thesis II), ferner, daß die Gemeinschaft mit der rechtgläubigen Kirche den Christen geboten, die Gemeinschaft mit irrgläubigen ihnen aber von Gott verbo ten ist. Wenn uns nicht mehr von dem Unterschied rc. zwischen rechtgläubigen und irrgläubigen Gemeinschaften gesagt wäre, so müßte uns das schon genügen. Aber mit diesem Unterschied hängen noch andere zusammen, auf welche wir in Thesis IV achten.

„Auch wird nur in der rechtgläubigen Kirche Gott die Ehre gegeben, die er fordert  Die Gemeinschaft mit irrgläubigen Kirchen streitet wider Gottes Ehre." Gottes in der heiligen Schrift geoffenbartes Wort ist Gottes Ehre. Wie Gott in seinem Wort sich uns Menschen geoffenbart hat, so will er von uns Menschen geehrt und angebetet sein. Wie die Menschen sich gegen Gottes Wort stellen, so stellen sie sich gegen Gott. Das dürfen wir nicht vergessen. Wir Menschen haben hier auf Erden Gott nur in seinem Wort. In jenem Leben werden wir Gott, wenn wir durch seine Gnade dahin gelaugt sind, schauen von Angesicht zu Angesicht. Wer hier auf Erden Gott sucht, der muß ihn in seinem Wort suchen; wer mit Gott umgehen will, der muß mit Gottes Wort umgehen; wer behauptet, daß er Gott liebe, der muß seine Liebe dadurch beweisen, daß er Gottes Wort liebt, wie der HErr Christus ausdrücklich sagt: „Wer mich liebet, der wird mein Wort halten." So sagen wir daher auch : Wer Gott ehren will, der muß ihn in seinem Wort ehren. Und was schließt das in sich? Er muß das ganze Wort Gottes als unverbrüchliche Wahrheit annehmen. Er muß Gottes Worte annehmen, wie sie lauten, und sich nicht herausnehmen, an denselben herumzudeuteln, weil der in dm Wortm offenbar ausgedrückte Sinn Wider seine Vernunft ist. Er darf auch nicht unter den in Gottes Wort geoffenbarten Lehren eine Auswahl treffen und die einen annehmen, die anderen aber verwerfm wollen. Das alles fordert Gottes Ebre.

Wenden wir das nun an auf den Unterschied zwischen rechtgläubigen und irrgläubigen Kirchen. In der rechtgläubigen Kirche wird das ganze

') Das Protokoll über diese These ist von Herrn k. Eckhardt geführt.

 

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Wort Gottes als unverbrüchliche Wahrheit geachtet, alle Worte Gottes werden angenommen, wie sie lauten, ohne an denselben herumzudeuteln; alle in der heiligen Schrift geoffenbarten Lehren werden geglaubt und bekannt. So wird Gott in der rechtgläubigen Kirche in allen seinen Worten geehrt; ihm wird selbst die Ehre gegeben, die er fordert. In den irrgläubigen Kirchen dagegen wird tat sächlich nicht das ganze Wort Gottes, das Gott in der heiligen Schrift geoffenbart hat, angenommen. Es wird an Gottes Wort herumgedeutelt, um einen Sinn herauszubekommen, der der menschlichen Vernunft genehm ist. Von den in der Schrift geoffenbarten Lehren werden die einen gänzlich geleugnet, andere werden verdreht; auch werden Lehren für göttliche ausgegeben, die gar nicht in Gottes Wort enthalten sind. So wird in irrgläubigen Gemeinschaften Gottes Ehre geschmälert, ja, geschändet.

Aber da versichern uns gerade die Führer der irrgläubigen Gemeinschaften, daß sie Gottes Ehre über Alles stellen und Gott in allen Stücken ehren wollen. Halten wir diesen gegenüber fest, daß Gott in seinem Wort geehrt und verachtet wird. Daß sie Gott in allen Stücken ehren, müssen sie damit beweisen, daß sie in allen Lehren Gottes Wort gelten lassen, wie es lautet. Fallen sie Gottes Wort in allen Lehren zu, nun wohl! dann ehren sie Gott allerdings recht; dann hören sie auch auf, Irrgläubige zu sein. Bleiben sie aber dabei, an Gottes Wort herumzudeuteln, Gottes Wort zu verdrehen und hinter sich zu werfen, so sollen sie, trotz ihrer Versicherung des Gegenteils, uns nicht einreden, daß sie Gott die Ehre geben. Verhält es sich doch schon so mit der Ehre eines irdischen Königs. Daß seine Untertanen ihn ehren, haben sie damit zu beweisen, daß sie den von ihm erlassenen Gesetzen sich unterwerfen. Wenn sie um seine Erlasse sich nicht kümmern und dabei in Gegenwart des Königs mit schönen Phrasen als ganz loyale Untertanen sich geberden, so ist das Heuchelei. Christus nun ist der König in seiner Kirche, in seinem geistlichen Reiche. Sein ge-offenbartes Wort, die heilige Schrift, hat er zum Reichsgesetz gemacht. Er verlangt von seinen geistlichen Untertanen, daß sie sein Wort ganz annehmen. Wenn man nun an seinem Wort herumdeutelt und dasselbe teil-weise verwirft, so ist man in Rebellion gegen Christum als den alleinigen Herrscher in seinem Reich. Und wenn man dabei sehr ergeben und fromm thut, so ist das entweder große Unwissenheit oder pure Heuchelei.

Vergessen wir ja nicht, daß Gott in seinem Wort verehrt und verachtet wird. Wir sind nur zu leicht geneigt, diese Wahrheit aus den Augen zu verlieren und gewisse äußere, uns mehr in die Augen fallende Werke an die Spitze zu stellen unter den Werken, durch welche wir unser Christen« thum zu erweisen haben. Die Werke der Barmherzigkeit gegen Notleidende und Verlassene werden vor anderen als Zeichen einer aufrichtigen Frömmigkeit angesehen. Freilich auch diese Werke müssen sich an einem Christen finden. Wer sie nicht thut, obwohl Gott ihn gerade auch zu bie-

 


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sen Werken auffordett, der wird aus Christi Munde einst die Worte hören: Ich bin hungrig gewesen und ihr habt mich nicht gespeiset rc. Gehet von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer." Matth. 25. Aber das erste und vornehmste Werk, wodurch jemand sein Christenthum zu beweisen hat, ist und bleibt doch dies, daß er sich vor Gottes majestätischem Wort von Herzen fürchtet, dasselbe glaubt, demselben sich unterwirft, demselben nichts abbricht, sondern es ganz und voll bekennt. Der HErr spricht: Ich sehe an den Elenden und der zerbrochenen Geistes ist, und der sich fürchtet vor meinem Wort", Jes. 66, 2. „Wer mich liebet, der Wird mein Wort halten", Joh. 14, 23. Gottes Wort in demüthi-gem Glauben annehmen ist Gehorsam gegen das erste Gebot. So gewiß nun die erste Tafel der heiligen zehn Gebote vor der zweiten kommt, so gewiß ist auch das erste Stück der gottgefälligen Frömmigkeit die gläubige Annahme seines Wortes. Dieses erste Stück der Frömmigkeit ist auch die Grundlage für alle anderen guten Werke. Ohne eine herzliche Furcht vor Gottes Wort sind alle äußeren Werke, wenn sie den Menschen auch noch so sehr in die Augen stechen, vor Gott nichts Werth. Vergessen wir ja nicht, was Luther so oft sagt: Irrlehre, das Abgehen von Gottes Wort, ist Sünde Wider das erste Gebot. Insofern man von Gottes Wort sich losmacht, macht man sich von Gottes Autorität los, folgt man andern Göttern nach und enteiligt Gottes Namen.

Man wirft wohl ein, es sei so böse nicht gemeint von Seiten der irrgläubigen Gemeinschaften! Es ist allerdings nicht so böse gemeint von den Christen in diesen Gemeinschaften; sie bekennen aus Unwissenheit nicht das ganze Wort Gottes. Von den Sectenstiftern und Sectenführern ist es aber böse gemeint, und der Teufel, der Urheber aller Irrlehre, will Gott die Ehre und den Seelen die Seligkeit rauben. Spricht man aber: Man ist in den irrgläubigen Gemeinschaften nur gleichgültig gegen Gottes Wort, so ist zu erwidern: Gleichgültigkeit gegen Gottes Wort ist Unehrerbietigkeit gegen Gott. Ein Christ soll gegen Gottes Wort nicht gleichgültig sein, sondern Gottes Wort soll ihm höher stehen, als Alles in der Welt. Christus spricht: „Wer aber eins von diesen kleinsten Geboten auflöset und lehret die Leute also, der wird der Kleinste heißen im Himmelreich." Wir müssen mit Luther sprechen: „Mir ist es so zu Muthe, daß mir jedes Wort Gottes die Welt zu enge macht." Das heißt Gott recht ehren!

Luther schreibt hierüber: „Gott spricht, ihr (die Gottes Namen äußerlich im Munde führen) Gottesdienst sei abgöttisch und falsch. Ich höre zwar meinen Namen Wohl, spricht er, ich werde von ihnen genannt ein Schöpfer Himmels und der Erden, aber Alles wider das andere Gebot. Denn sie nennen mich nicht also von Herzen, ja, das noch mehr ist, sie verfälschen den Gottesdienst mit Menschengebolen. Sie fordern mich zum Rechte, und wollen mit Gott rechten, wie im Propheten Iesaia am 58. Cap.,

V.  2., stehet. Aber ich will nicht haben, daß man mir dienen soll mit sol-

 


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chem Dienst und Lehre, so die Menschen erwählt haben, sondern in der Furcht vor mir soll man mir dienen, das ist, daß du mein Wort mit Glauben annehmest, wie Iesaia am letzten Nchitel, V. 2., steht: ,Jch sehe an den Elenden, und der zerbrochenes Geistes ist, und der sich fürchtet vor meinem Wort'; solche Leute sollen mir dienen. Item Iesaia am 8. Cap., V. 13.: .Heiliget den HErrn Zebaoth. Den laßt eure Furcht und Schrecken sein, so wird er eine Heiligung sein.'" (St. Louiser Ausg. II, 721 zu 1 Mos. 31, 33—55.) Und (I, 1538): „Man soll aber Gott nirgend fürchten denn allein in seinem Wort, wie 2 Mos. 20, 3. 4. geschrieben steht: ,Du sollst keine fremden Götter anbeten; du sollst dir kein Bildniß noch irgend ein Gleichniß machen.' Wo sich Gott in seinem Wort offenbart, daselbst diene ihm, da beweise ihm Ehre; alsdann fürchtest du dich recht, wie man sich fürchten soll. Darum treten wir den Pabst, Rotten und Secten mit Füßen, fürchten uns vor ihnen nicht, noch ehren sie, welche außerhalb und wider Gottes Wort sonderliche Gottesdienste anrich-ten, verdammen aber dagegen die wahre Religion und rechte Lehre und nennen dieselbe Ketzerei: darum fürchten sie sich, da keine Furcht ist ; und da da man sich fürchten sollte, da fürchten sie sich gar nicht."

Weisen wir noch an dem Inhalt einiger Lehren nach, wie durch Verfälschung derselben Gottes Ehre geschmälert wird. Gottes Wort lehrt, daß Christus alle Menschen erlöst habe und daß Gott alle Menschen selig machen wolle. Um Gott recht zu ehren, haben wir demnach zu glauben, daß Gott den Tod keines einzigen Sünders wolle, sondern daß nach Gottes Willen jeder Sünder durch den Glauben an Christum zum Leben gelangen solle. Wie wird daher Gott verunehrt und ein falsches Bild von ihm entworfen durch die Irrlehre, daß Gott nur einen Teil der Menschen durch Christum erlöst habe und selig machen wolle! Nein, also sollen wir von Gott halten: Wie das Sonnenlicht allgemein ist und allen Menschen leuchtet, so ist auch in Christo allen Menschen ohne Ausnahme die göttliche Gnadensonne aufgegangen, die sie erleuchten soll zum geistlichen und ewigen Leben. Ferner lehrt Gottes Wort, daß die Menschen, welche die Seligkeit erlangen, allein aus Gottes Gnade in Christo bekehrt und selig werden, so daß kein Mensch sich vor dem andern rühmen kann, sondern Jeder bekennen muß: „Daß ich nun bin bekehrt, hast du allein verrichtet." Die Synergisten aber, das heißt, die Irrlehrer, welche behaupten, daß der Mensch durch sein eigenes Thun, durch sein gutes Verhalten rc. es bewirke, daß er vor einem andern bekehrt werde, lassen nicht Gott allein die Ehre für ihre Bekehrung und Seligkeit, sondern schreiben diese Ehre teilweise sich selbst zu. Die Reformirten und alle reformirten Secten leugnen die wahrhaftige Gegenwart des Leibes und Blutes Christi im Abendmahl. Dadurch schmälern sie die Ehre Gottes. Abgesehen davon, daß sie Christo nicht die Ehre anthun, ihm auf sein Wort zu glauben: wie herrlich strahlt Christi Liebe zu uns armen Sündern, wenn wir nach seinem Wort festhalten, daß er zur

 


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Versicherung der Vergebung unsrer Sünden uns sogar seinen Leib und Blut als Unterpfand darreiche! Wer das lebendig erkennt, der wird Gott im Herzen recht singen und spielen. Wer dagegen das Abendmahl für ein bloßes Gedächtnißmahl hält, in welchem weiter nichts als Brod und Wein da sei, in dessen Herz wird sich nicht ein solches Lob Gottes finden.

Weiterhin ist auch das ein Unterschied zwischen rechtgläubiger und irrgläubiger Kirche, daß nur in der rechtgläubigen für die Seelen recht gesorgt wird, während die Gemeinschaft mit den irrgläubigen Kirchen eine beständige Gefahr für die Seelen ist.

Keine Lehre der heiligen Schrift ist uns umsonst von Gott gegeben, sondern Gott hat mit jeder derselben unsere Seligkeit im Auge, dies, daß wir zum Glauben an Christum kommen, im Glauben erhalten und so durch Gottes Macht durch den Glauben bewahrt werden zur Seligkeit. So heißt es Joh. 20, 31., am Schluffe des Johannesevangeliums — und was von diesem Evangelium gilt, gilt von der ganzen heiligen Schrift —: „Diese (Dinge) sind geschrieben, daß ihr glaubet" rc. Wer daher ein Stück der geoffenbarten biblischen Lehre abschneidet, der schneidet ein Stück von dem ab, was ihn zum Glauben bringen und darin erhalten soll. Ferner heißt es 2 Tim. 2,16.: „Alle Schrift von Gott eingegeben ist nütze zur Lehre, zur Strafe, zur Besserung, zur Züchtigung in der Gerechtigkeit." Und Röm. 15, 4.: „Was zuvor geschrieben ist (nämlich die ganze Schrift des Alten Testaments), das ist uns zur Lehre geschrieben, auf daß wir durch Geduld und Trost der Schrift Hoffnung haben." Also alle in der Schrift geoffenbarten Lehren stehen in Beziehung zu unsrer Seligkeit. Sie dienen dazu, uns recht den Willen Gottes gegen uns Menschen zu offenbaren, daß wir Gott im Glauben als einen gnädigen Gott erkennen, daß wir in der Anfechtung reichlich Trost haben, in der Trübsal die christliche Geduld bewahren und die Hoffnung des ewigen Lebens festhalten. Wer nun von den in der Schrift geoffenbarten Lehren abthut oder dieselben verfälscht, der thut von der uns selig mach enden Lehre ab, thut ab von dem Trost, den wir armen Sünder so nöthig haben und den Gott uns zugedacht hat.

Vergegenwärtigen wir uns das an einigen Beispielen. Wer die Lehre verfälscht, daß wir allein aus Gnaden um Christi willen durch den Glauben an Christum Vergebung der Sünde und ewiges Leben haben, wer also ganz oder teilweise unsern Werken, unserm guten Verhalten die Erlangung der Gnade Gottes zuschreibt, der macht es uns unmöglich, daß wir der Gnade Gottes und unsrer Seligkeit gewiß seien. Denn wer ein aufgewachtes Gewissen hat und sich selbst ein wenig kennt, der muß mit Paulus bekennen, daß in ihm, das ist, in seinem Fleische, nichts Gutes wohne. Steht nun die Gnade und Seligkeit auch nur zum Teil auf unserer eigenen Würdigkeit, so können wir derselben nie gewiß werden, sondern müssen in Zweifel und Ungewißheit unser Lebenlang dahingehen.

 


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Die Lehre von der freien Gnade Gottes in Christo wird aber nicht nur vom Pabstthum geleugnet, sondern auch von allen Secten gefälscht. Wie seelenmörderisch die Werklehre sei, wie sie im Pabstthum geführt wird, können wir an Luther sehen. Trotz seines ehrbaren und strengen Lebens sank er immer tiefer in Zweifel an der Gnade Gottes, und er wäre an Leib und Seele gänzlich zu Grunde gegangen, wäre er nicht durch Gottes Gnade zu der Erkenntniß gekommen, daß die Vergebung der Sünde nicht auf unseren Werken, sondern ganz auf Gottes Barmherzigkeit in Christo stehe. Mit dieser Erkenntniß zog die Gewißheit der Gnade in sein Herz ein.

Aber auch bei den Secten wird meistens so gelehrt, daß die gnadenhungrigen Seelen keinen gewissen Trost haben können. Es ist die fast allgemeine Weise der Sectenprediger, den Trost des Evangeliums den Sündern erst dann zuzusprechen, wenn diese zuvor von Sünden ablassen und besser geworden sind, während doch ein wahrer Christ weiß: es kann nicht besser werden, so lange ein Mensch nicht die Gnade Gottes glaubt.

Ein Mensch, der seine Sünden erkennt, braucht viel Trost. Darum hat Gott in den von ihm geordneten Gnadenmitteln mannigfache Kanäle des Trostes geöffnet. Nicht nur durch die Predigt des Evangeliums gibt er uns Vergebung der Sünden, sondern auch durch die heilige Taufe und durch das heilige Abendmahl schenkt und versiegelt er jedem Sünder insonderheit die Vergebung der Sünden; wie denn geschrieben steht, daß wir getauft werden „zur Vergebung der Sünden" und daß uns Christus im heiligen Abendmahl den Leib, der für uns gegeben ist, und das Blut, das für uns vergossen ist, darreicht, also zur Versiegelung, daß wir durch Christi Leiden und Sterben Vergebung der Sünden haben. Ja, der HErr Christus hat auch noch die Absolution geordnet mit den Worten: „Welchen ihr die Sünden erlaffet, denen sind sie erlassen", so daß ein armer Sünder, wenn er die Absolution aus Menschenmund hört, gewiß sein kann, seine Sünden seien dadurch vergeben vor Gott im Himmel. Die Secten aber leugnen nun nicht nur diese Gnadenmittel, sondern sie bezeichnen es auch als eine Verführung zu fleischlicher Sicherheit, wenn man der Vergebung der Sünden aus der Taufe, dem heiligen Abendmahl und der Absolution gewiß werden wolle. So verstopfen sie die Kanäle, durch welche Christus den Seinen reichlich Trost zufließen lassen will.

Es ist ja wahr: wenn jemand auf Grund des gepredigten Evangeliums, ja, auf Grund auch nur Eines Spruches (z. B.: „Also hat Gott die Welt geliebt" rc., „Das Blut JEsu Christi" rc.) die Vergebung seiner Sünden glaubt, der hat wirklich Vergebung der Sünden, überhaupt alle durch Christum erworbenen geistlichen Güter, und kann selig sterben; sein Glaube, der sich auch nur auf Einen evangelischen Spruch gründet, hat göttlichen Grund. Deshalb werden auch Viele innerhalb der Sectengemeinschaften selig, obwohl sie, durch die Sectenlehre daran verhindert, von ihrer Taufe, dem heiligen Abendmahl und der Absolution nicht den rechten Gebrauch

 


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machen. Aber sie sollten dies thun. Christus will die Seinen reichlich versorgt haben. So wird in den irrgläubigen Gemeinschaften den armen Sündern der reiche Trost verkümmert, der ihnen von Christo bestimmt ist, und darum ist daselbst nicht der rechte Aufentaltsort für sie. Bei den Seelen sind die Seelen nicht recht versorgt.

Es ist freilich ein großer Unterschied zwischen Solchen, die in irrgläubigen Kirchen aufwachsen und aus Unwissenheit darin bleiben — sie können mit ihren unerkannten Sünden selig werden —, und Solchen, die die Wahrheit von Jugend auf gelernt haben, aber aus Menschengefälligkeit, Bequemlichkeit, oder gar weil sie in der rechtgläubigen Kirche gestraft werden, zur irrgläubigen Kirche übergehen. Diese begehen eine muthwillige Sünde, die ihnen ein Hinderniß zur Seligkeit wird. Daß auch in irrgläubigen Kirchen Menschen selig werden können, kann uns, die wir wissen, daß ein Christ nicht in irrgläubigen Gemeinschaften sich finden lassen soll, nicht zu gute kommen.

Was die Schädlichkeit der Verbindung von rechtlehrenden und falschlehrenden Gemeinschaften anlangt, so mag dieselbe durch ein Beispiel anschaulich gemacht werden. Drei benachbarte Bauern haben je einen Bach; der eine Bach hat klares, reines Wasser, der andere trübes, lehmiges, der dritte unreines Pfützenwasser. Man macht den Vorschlag, die drei Bäche zu vereinigen, um einen größeren, ansehnlicheren Fluß zu bilden. „Nein , spricht da der Besitzer des reinen Wassers, „ich will mein klares Wasser behalten; wünscht ihr auch klares Wasser, dann holt's bei mir, ich behalte doch noch genug." So soll auch die rechtlehrende Kirche die Union mit falschlehrenden Gemeinschaften zurückweisen, damit das Wasser des Lebens nicht mit todbringenden Bestandteilen versetzt werde.

Die Gefährlichkeit des Aufentalts in einer irrgläubigen Kirche springt auch noch von einem andern Punkte aus betrachtet klar in die Augen. Für einen Christen ist vor allen Dingen nöthig, daß ihm Gottes Wort fest unb unumstößlich gewiß bleibe. Deshalb betet David. Ps. 119, 38.: „Laß deinen Knecht dein Gebot festiglich für dein Wort halten." Wenn ein Sünder in Anfechtung und Todesnot ist, wenn die Bäche Belials ihn umrauschen und der Feind das Leben verklagt mit der Anklage: Du bist ein schändlicher Sünder und darum verdammt, so gibt es nur eine Rettung. Es müssen ihm Worte wie diese vorgehalten werden: „Das Blut JEsu Christi, des Sohnes Gottes, macht uns rein von aller Sünde." „Das ist je gewißlich wahr und ein theuer werthes Wort, daß Christus JEsus gekommen ist in die Welt, die Sünder selig zu machen." Nimmt ein Sünder diese Worte an, wie sie lauten, und hält er sie für feste und gewisse Worte, so ist er mitten im Tode getrost und das Herz wird im gewaltigsten Sturm der Anfechtung ruhig. In irrgläubigen Gemeinschaften wird aber dem Christen das Wort Gottes fortwährend ungewiß gemacht. Sie müssen nämlich, um ihre Irrlehren zu rechtfertigen, immer-.

 


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fort Gottes Wort verdrehen, von Gottes Wort absehen, wie es lautet, immerfort allerlei Künste mit Gottes Wort treiben. Einige Beispiele mögen das klar machen. Die da behaupten, daß die Taufe kein Gnadenmittel, kein Bad der Wiedergeburt sei, müssen immerfort die Worte der Schrift leugnen, Gal. 3,27.: „Denn wie viel euer getauft sind, die haben Christum angezogen." Ebenso Apost. 2, 38.: „Thut Buße, und lasse sich ein jeglicher taufen auf den Namen JEsu Christi zur Vergebung der Sünden, so werdet ihr empfahen die Gabe des Heiligen Geistes." Desgleichen Tit. 3, 5.: „Nicht um der Werke willen der Gerechtigkeit, die wir getan hatten, sondern nach seiner Barmherzigkeit machte er uns selig durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung des Heiligen Geistes." Wer die Gegenwart des wahren Leibes und Blutes Christi im Abendmahl leugnet, muß die Einsetzungsworte verdrehen, wo der HErr Christus von dem, was er seinen Christen zu essen gibt, sagt : „Das ist mein Leib", und von dem, was er ihnen zu trinken gibt: „Das ist mein Blut"; ebenso die Worte 1 Cor. 10,16.: „Der gesegnete Kelch, welchen wir segnen, ist der nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi? Das Brod, das wir brechen, ist das nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi?" Wer die Bekehrung und Seligkeit nicht allein von der Gnade Gottes, sondern auch vom Verhalten des Menschen abhängig macht, der muß durch Hunderte von Bibelstellen tatsächlich einen Strich machen, der muß einen Strich machen durch alle Stellen, die den geistlichen Tod, die durch und durch verderbte Natur der Menschen, ihre Feindschaft wider Gott rc. bezeugen: Eph. 2, 1. Col. 2, 13. f. 1 Mos. 8, 3. Joh. 3, 5. Röm. 8, 7. 1 Cor. 2,14.; ferner durch alle die Stellen, die die Wirkung des Glaubens allein der Gnade und Wirkung Gottes zuschreiben: Eph. 1,19. 20. Phil. 1, 29. Phil. 1, 3—5.; der muß einen Strich machen durch alle die Stellen, die da aussagen, daß wir allein durch den Glauben gerecht werden, Röm. 3, 28. 24. 1 Cor. 4, 7., und aus Gottes Macht bewahrt werden zur Seligkeit, 1 Petr. 1,5. Phil. 1, 6. So muß man in irrgläubigen Kirchen, um die Irrlehre zu vertheidigen, immerfort Gottes Wort verleugnen. Mit Recht sagt man: „Es kostet neun Lügen, um Eine behaupten zu können." Wer darum solche Künste mit Gottes Wort sich erlaubt, der mag wohl zu-sehen, ob ihm der Teufel in Todesnot nicht auch das klare Wort wankend mache: „Das Blut JEsu Christi, des Sohnes Gottes, macht uns rein von aller Sünde." Darum ist der Aufentalt in irrgläubigen Gemeinschaften ein für die Seele sehr gefährlicher Aufentalt. Man meide dieselben, damit man ein festes und gewisses Wort Gottes behalte. Wie die Zweihundert, die mit Absalom in ihrer Einfalt gingen, die Gefahr der Aufrührer teilen mußten, so müssen auch die Christen unter den Irrgläubigen die Gefahr teilen, welche falsche Lehre für die Seele mit sich bringt.

Man bedenke ferner: alle Lehren der Bibel hängen zusammen, bilden ein Ganzes. Ein Irrthum zieht andere nach sich. Zwingli's erster Irr-

 

 


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thum war die Leugnung der Gegenwart des wahren Leibes und Blutes Christi im Abendmahl. Um diese Irrlehre zu stützen, mußte er auch eine falsche Lehre von Christi Person, vom Himmel, von der rechten Hand Gottes rc. ersinnen. Wird ein Irrthum festgehalten, so fällt folgerichtig das ganze Wort Gottes dahin, und es ist nur Gottes Gnade, wenn dann nicht alle göttlichen Wahrheiten vom Teufel aus dem Herzen gerissen werden. Treffend antwortet Luther auf den Einwurf der Zwinglianer, daß sie nur in einem Stück irrten und man ihnen deshalb nicht die Bruderschaft verweigern solle: „ Mn wenig Sauerteig versäuert den ganzen Teig? (Gal. 5, 9.) Ist eine Warnung, die St. Paulus groß achtet, davon wir billig auch viel halten sollen, sonderlich zu unserer Zeit. Denn die Rotten, so da fürgeben, daß Christi Leib und Blut im Abendmahl nicht gegenwärtig find, verweisen und sprechen uns übel, daß wir zänkisch, hartsinnig und unfreundlich seien und um eines einigen Artikels willen vom Sacrament die christliche Liebe und Einigkeit der Kirchen trennen, meinen derhalben, wir sollten den Artikel (daran so viel nicht gelegen, daß man auch nicht allerdings gewiß sei, sintemal die Apostel ihn nicht genugsam, als wohl von-nöthen wäre, erkläret haben) so hoch und groß nicht achten, daß man um desselben willen beide die ganze christliche Lehre und gemeine Einigkeit so vieler christlichen Gemeinden darüber sollte zergehen lassen, sonderlich weil sie sonst in allen andern Artikeln der christlichen Lehre, welche nöthiger sind und mehr daran gelegen ist, mit uns allerdings eins wären. Mit solchem ihrem Argument, das wahrlich einen Schein hat und in des Pöbels Ohren wohlklingt, machen sie nicht allein, daß die, so ihnen anhangen, uns bitter feind werden, sondern bereden dadurch auch viele fromme Leute, daß sie uns ungewogen werden, und uns verdenken, als thäten wir es aus eitler Eigensinnigkeit oder sonst aus einem sonderlichen Grolle, daß wir's mit ihnen nicht halten wollen. Aber es sind eitel behende Tücke und Arglist des Teufels, damit er nichts anders suchet, denn daß er nicht allein diesen Artikel, sondern die ganze christliche Lehre umkehren und zerstören möchte. (Zu Gal. 5, 9.)

Das sind köstliche und beherzigenswerthe Worte auch für unsere Zelt. Es befremdet Viele, daß wir so fest über der reinen Lehre halten; man bezeichnet dies als Starrsinn oder Liebe zum Streit unsererseits; aber unser Gewissen ist in Gottes Wort gefangen. Wir halten erstlich fest: das erste Stück der Treue gegen Gott ist das einfältige, demüthige Bleiben bei seinem Wort; sodann: jedes Abweichen von Gottes Wort, jeder Irrthum ist seelengefährlich. Es liegt eine furchtbare, eine diabolische Gewalt im Irrthum, denn jeder Irrthum ist des Teufels Werk, und durch die Gemeinschaft mit dem Irrthum begibt man sich unter den Einfluß des Teufels. Die menschliche Vernunft ist hier ohnmächtig. Ein Beispiel ist das Pabst-thum. Obwohl man dessen Irrthümer auch schon mit dem Licht der Vernunft erkennen kann, so bietet doch die Vernunft keine Sicherheit Wider die


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Herführung zu demselben. Wir sehen es ja: auch weltkluge, vernünftige Leute werden vom Pabstthum verstrickt und gefangen, können sich aus dem Hauberbann desselben nicht losmachen. Wer nicht durch Gottes starke Hand daraus errettet wird, wird nimmer herauskommen. Hüten wir uns daher, daß wir durch Gemeinschaftmachen mit Irrgläubigen uns ja nicht leichtsinnig in Gefahr begeben und so die Seligkeit verlieren.

Thesis V.

Wir sollen daher die Gliedschaft in der rechtgläubigen Kirche «icht nur für unsere Pflicht, sondern auch für die größte Gnade lind höchste Ehre halten, selbst wenn die rechtgläubige Kirche äußerlich eine sehr geringe Gestalt trägt.

Diese Thesis ist eine einfache Folgerung aus dem Vorhergehenden. Hat Gott die Gemeinschaft mit der rechtgläubigen Kirche geboten — und das ist, wie wir gesehen haben, der Fall — so ist diese Gemeinschaft unsere Pflicht, und zwar eine Pflicht unter allen Umständen und eine Pflicht für jeden Christen. Gott hat unter keinen Umständen von der Haltung des ersten Gebotes dispensirt und hat zu keinem Christen gesagt: Du für deine Person kannst mit Irrlehrern kirchliche Gemeinschaft pflegen, als ob sie dnne Glaubensbrüder wären. Gott sagt vielmehr einfach: „Weichet von dmselbigen", das heißt, von Allen, die Zertrennung und Aergerniß anrichten neben der Lehre, die ihr gelernt habt. Wer demnach mit Irrgläubigen kirchliche Gemeinschaft hält, ist Gott ungehorsam.

Aber wir sollen die Gemeinschaft mit der rechtgläubigen Kirche nicht bloß als Pflicht ansehen in dem Sinne, daß sie ein bitteres Muß für uns wäre; schon deshalb nicht, weil ein wahrer Christ, der ja Gott als seinen lieben, gnädigen Vater erkannt hat, fröhlich ist, wenn er weiß, daß er in einem Stück den Willen Gottes thut. In den Werken, die Gott ihm befiehlt, wandelt ein Christ wie in einem Paradies, wie Luther sagt. So-dtznn wird, wie wir erkannt haben, nur innerhalb der rechtgläubigen Kirche Gott die Ehre gegeben, die er fordert, und recht für die Sünder gesorgt, daß sie das dem Menschen gesetzte Enhiel, die Seligkeit, erlangen. So sollen wir die Zugehörigkeit zur rechtgläubigen Kirche als ein überaus herrliches Vorrecht, als einen hohen Beweis der Gnade Gottes ansehen, wofür wir Gott nicht genug danken können. Denn nicht wir selbst haben uns dies Gut verschafft, sondern Gottes Gnade ist es, die uns in diese Kirche geführt hat. Dafür müssen wir, wenn wir es nur einigermaßen bedenken, Gott jeden Tag auf den Knieen danken, daß wir Glieder der Kirche der Reformation sind. Denken wir an die Christen, welche innerhalb der irrgläubigen Gemeinschaft sich befinden. Vergleichen wir

 


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unfern Zustand mit dem jener. Wie werden da die Seelen derer, die aufrichtig ihre Seligkeit suchen, aufgehalten und gequält, z. B. durch die falsche Lehre von den Kennzeichen des Christenstandes, durch die falsche Lehre, welche den Sündern die Gnade Gottes ungewiß macht! Aber wenn nun auch eine Seele zur Ruhe gekommen ist, indem Gott durch seine besondere Gnade es verhinderte, daß der Irrthum sich geltend machte, hingegen dafür sorgte, daß die in der irrgläubigen Gemeinschaft noch gepredigte Wahrheit in's Herz gedrückt wurde, so ist noch Etwas da, was nicht gering zu achten ist. Irrgläubige Gemeinschaften sind solche, die Zertrennung und Aergerniß in der Christenheit anrichten. Solche Christen, die sich in denselben befinden, stützen, ohne daß sie es wollen, jene in Gottes Wort so streng verurteilten bösen Werke. Die irrgläubigen Gemeinschaften als solche befinden sich in Rebellion gegen Gott, indem sie gewisse Stücke des Wortes Gottes nicht gelten lassen wollen. Die Christen nun, welche sich in denselben befinden, stärken, wiewohl unwissend, diese Rebellion gegen Gott. Endlich: Irrgläubige Gemeinschaften stehen auf fortwährendem Kriegsfuß mit der rechtgläubigen Kirche, mit der Kirche, die dem Willen Gottes gemäß alle Stücke der Wahrheit bekennt. Die Irrgläubigen schmähen und verfolgen diejenigen, welche bei Gottes Wort bleiben. Gewiß ein übles Werk! Denn Christus sagt, daß er das, was man seinen Bekennern anthut, ansehen wolle, als ihm selbst getan. Die Christen nun, welche sich innerhalb der irrgläubigen Gemeinschaften aufhalten, beteiligen sich an diesem bösen Werk und verfolgen Christum in seinen Bekennern der Wahrheit. Es ist z. B. ganz schrecklich, daß die lutherische Kirche, weil sie die rechte Lehre von Taufe und Abendmahl hat, als „katholisch" verschrieen wird. Diese Bekämpfung der rechtgläubigen Kirche ist nichts Geringes. Der Apostel Paulus hat auch einst vor seiner Bekehrung, in Unwissenheit, wie er selbst bekennt, die Bekenner der Wahrheit verfolgt. Aber als er zur Erkenntniß kam, hat ihn das sehr betrübt, ja geplagt bis an den Tod. Er sagt: „Ich bin nicht werth, daß ich ein Apostel heiße, darum, daß ich die Gemeine Gottes verfolgt habe", 1 Cor. 15, 9. Wir haben also wirklich alle Ursache, Gott täglich zu danken, auf den Knieen zu danken dafür, daß er uns in die rechtgläubige Kirche geführt und vor der irrgläubigen Kirche bewahrt hat. Wir müssen dies, daß wir in der rechtgläubigen Kirche uns befinden, nächst dem, daß wir überhaupt zum Glauben an Christum gekommen sind, für die größte Gnade halten.

Es wurde noch bemerkt : Daß es Gnade und nicht etwa Verdienst ist, daß wir in der rechtgläubigen Kirche uns befinden, sollte Jeder leicht einsehen können. Was hat er dazu getan, daß er von lutherischen Eltern geboren, in lutherischen Schulen erzogen und zur rechten Erkenntniß gelangt ist? Daß dies Gnade sei, wird Jeder einsehen, aber daß es die höchste Gnade ist, vielleicht nicht. Daß einer sich guter Gesundheit erfreut und dergleichen, ist ja auch Gnade; aber was ist alle Gnade in diesen

 


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weltlichen Dingen gegen die Gnade, daß wir als Glieder der wahren christlichen Kirche mit den geistlichen Gütern förmlich überschüttet und so in Bezug auf die Seele recht versorgt find! Falsche Christen allerdings lachen uns aus, wenn wir unsere Zugehörigkeit zur rechtgläubigen Kirche als die höchste Gnade rühmen; unsere Vernunft auch manchmal; aber es kommt eine Zeit, da nicht mehr darüber gelacht werden wird.

Freilich, fuhr der Referent fort, auch die rechtgläubige Kirche ist nicht eine in jeder Hinsicht reine Kirche. Auch ihr sind Gottlose beigemischt. Auch in ihr gibt es Heuchler, gibt es Leute, die das Wort „reine Lehre" nur in den Mund nehmen und sich nur äußerlich wie Christen geberden, in ihrem Herzen aber ferne von Gott sind. Diese sind auch in der rechtgläubigen Kirche Gott ein Greuel und für die Kirche, wenn sie offenbar werden, ein Schandfleck. Auch die rechtschaffenen Glieder der rechtgläubigen Kirche sind und bleiben arme Sünder, die täglich das Vater-Unser und sonderlich auch die fünfte Bitte beten müssen. Aber trotzdem ist die rechtgläubige Kirche mit einer Herrlichkeit bekleidet, durch welche sie vor allen anderen'Gemeinschaften ausgezeichnet ist. Sie hat Gottes Wort rein und lauter. Sie hält die Wahrheit, welche Gott den Menschen in der heiligen Schrift geoffenbart hat, wider allen Irrthum fest. Sie bleibt, wie Christus es von der Kirche haben will, in allen Stücken bei Christi Rede. Sie darf, Gott zum Ruhme, an sich die Erfüllung des Wortes Christi rühmen: „So ihr bleiben werdet an meiner Rede, so seid ihr meine rechten Jünger." Von den garstigen Flecken, welche die irrgläubige Kirche vor Gott entstellen, ist sie frei : sie ist frei von falscher Lehre. Sie ist darum — das Wort im geistlichen Sinne genommen — die edle unter den sichtbaren kirchlichen Gemeinschaften. Zu ihr zu gehören sollen wir für die höchste Ehre — das Wort wiederum geistlich genommen — halten. Stößt man sich an dieser Rede? Nun, wohl, dann kennt man weder die Herrlichkeit der rechten Lehre, noch die Abscheulichkeit der Irrlehre vor Gott!

Freilich trägt nun die rechtgläubige Kirche äußerlich oft eine sehr gering e G e st a l t. Und das kann selbst für Christen, wenn sie nicht vor ihrem Fleisch auf der Hut sind, die Veranlassung werden, daß sie sich der lutherischen Kirche schämen und nach den äußerlich glänzenderdastehenden Sectenkirchen schielen. Aber, fragen wir, was ist die Ursache, daß die lutherische Kirche äußerlich oft so sehr die Knechtsgestalt trägt? Jst's nicht gerade ihre Treue gegen Gottes Wort? Jst's nicht der Umstand, daß. sie erstlich in der Lehre mit Gottes Wort Ernst macht,, daß sie, auf Gottes Befehl, zu den Irrthümern nicht stille schweigt, sondern dieselben straft, daß sie die göttliche Wahrheit nicht verräth, Wahrheit und Irrthum nicht als gleichberechtigt ansieht? Jst's nicht weiterhin auch der Umstand, daß. sie in Bezug aus das Leben mit Gottes Wort Ernst macht, daß sie Armen wie Reichen einschärft, daß von Ungerechtigkeit abzutreten haben Alle,.

 


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welche den Namen Christi nennen, und daß, wer mit der Welt wandelt, auch mit der Welt verloren gehe? Ja, das thut die rechtgläubige lutherische Kirche, und darum muß sie oft die Knechtsgestalt tragen. Wäre es da nicht schändlich, wenn wir uns dieser Kirche um ihrer äußeren Niedrigkeit willen, die ihr unter diesen Umständen eine Ehre ist, schämen und uns zu den irrgläubigen Kirchen halten wollten, weil diese äußerlich ansehnlicher sind und mehr bei der Welt gelten? Denn womit haben diese meistens die äußere Größe und das äußere Ansehen bei der Welt erkauft? Durch ihre Untreue gegen Gottes Wort. Sie verleugnen die Wahrheit, indem sie nicht auf die alleinige Geltung der göttlichen Wahrheit dringen, sondern allerlei Ansichten gelten lasten; sie buhlen mit der Weisheit der Welt und ihrem gottlosen Wesen. Vor einiger Zeit bekannte ein angesehener Presbyterianer-Prediger in St. Louis, wenn er in seiner Gemeinde Gottes Wort wollte geltend machen, wie das bei uns geschehe, so wäre in vier Wochen seine ganze Gemeinde auseinander. Die Secten verdanken ihre äußere Größe meistens dem Umstand, daß sie Kirche spielen, anstatt wirklich als Kirche Gottes sich zu benehmen. Weder bezeugen sie den Men> schen das Gesetz Gottes recht, noch erzeigen sie sich als treue Zeugen der Gnade Gottes. Das aber thut die lutherische Kirche. Sie ist durch Gottes Gnade eine treue, unbestechliche Zeugin Gottes hier auf Erden. Schämen wir uns daher nicht der äußeren Niedrigkeit der lutherischen Kirche, sonst schämen wir uns Christi selbst und seines heiligen Evangeliums! Auch der Herr Christus ging auf Erden in niedriger Gestalt, als ein armer Mensch, einher. Und doch sollten sich zu der Zeit Alle zu ihm halten. Wir verurteilen die Schriftgelehrten und Pharisäer und alle diejenigen in Israel, welche Christo nicht anhangen wollten wegen seiner äußerlich niedrigen Gestalt. Nun, sehen wir zu, daß wir nicht dieselbe Sünde begehen '. Was Christus lehrte, das lehrt die lutherische Kirche, und wie e r in den Tagen seines Fleisches, so trägt auch sie die Knechtsgestalt. So dürfen wir die Knechtsgestalt der rechtgläubigen Kirche uns nicht abhalten lasten, mit freudigem Bekenntniß zu ihr zu treten. Oder wir verleugnen in ihr Christum selbst. Lernen wir es, die lutherische Kirche immer mehr mit den rechten gei st lichen Augen ansehen: sie ist die schönste und herrlichste; sie ist nämlich mit Gottes reinem Wort geschmückt. Dieser Schmuck ist so köstlich, daß. wenn eine rechtgläubige Gemeinde auch aus lauter blutarmen Leuten, aus lauter Holzhackern bestände und in einem Stall sich versammelte (wie auch der Herr Christus hienieden im Stall auf Heu und Stroh gelegen hat), doch ein jeder Christ die Gemeinschaft mit dieser äußerlich so geringen Gemeinde der Gemeinschaft mit einer irrgläubigen Gemeinde weit, weit vorziehen sollte, selbst wenn die Glieder der letzteren lauter Bankpräsidenten wären und sich in einer aus lauter Marmorblöcken aebauten Kirche versammelten. Lasten wir uns ja durch unser Fleisch und die Reden Anderer die Herrlichkeit der rechtgläubigen Kirche

 


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nicht verdunkeln oder aus den Augen rücken. Man trifft auch innerhalb der lutherischen Kirche Leute, die ihre Kirche, obwohl sie sich noch zu derselben halten, doch nur als eine Art ssecmck-olass oburoli (Kirche zweiter Klaffe) ansehen, weil sie einen gewaltigen Respect vor dem äußeren Ansehen der Sectenkirchen haben. Die Lutheraner in der Generalsynode, und zum Teil auch die in dem Council, fühlen sich geehrt, wenn sie von den Secten-gemeinschaften auch als eine ebenbürtige „Denomination" behandelt werden. Ob die Secten uns anerkennen oder nicht: wir sollen uns nicht als eine seoonä-olass ekurok Vorkommen, uns nicht wie Pariahs in die Ecke drücken lasten, die erst um Verzeihung zu bitten hätten, daß sie sich erlauben, neben den Sectengemeinschaften zu existiren. Wir sollen und müssen uns dessen bewußt bleiben — das will Gott von uns haben —, daß allein wir als rechtgläubige Kirche für unsere Existenz einen ausdrücklichen oüarter (Freibrief) von Gott haben. Die Sectengemeinschaften existiren nur unter Gottes Zulassung. Darum soll unserer Kirche unser ganzes Herz angehören. Ihr soll man gerne angehören als Gemeindeglied, ihr, auch unter den äußerlich geringsten Verhältnissen, gerne dienen als Prediger und Lehrer und mit freudigem Muth und rastlosem Eifer für ihre Ausbreitung thätig sein. Daß die Kirche der Reformation auf unsere Nachkommen komme, soll unser eifrigstes Bestreben und unser tägliches Gebet sein.

Luther bekennt von sich und der ganzen nach ihm genannten Gemeinschaft: „(Es) kann das niemand leugnen, daß wir das Predigtamt und Gottes Wort rein und reichlich haben, fleißig lehren und treiben, ohne allen Zusatz neuer, eigener, menschlicher Lehre, gleichwie es Christus befohlen, die Apostel und ganze Christenheit getan. Wir erdichten nichts Neues, sondern halten und bleiben bei dem alten Gottes-Wort, wie es die alte Kirche gehabt: darum sind wir mit derselben die rechte alte Kirche, als einerlei Kirche, die einerlei Gottes-Wort lehret und gläubet. Darum lästern die Papisten abermal Christum selbst, die Apostel und ganze Christenheit, wenn sie uns Neue und Ketzer schelten. Denn sie finden nichts bei uns, denn allein das Alte der alten Kirche, daß wir derselben gleich und mit ihr einerlei Kirche sind." (Wider Hans Wurst. 1541. E. A. 26,14.)

Derselbe: „Die Unreinigkeit der Lehre, so nicht oder ohne Gottes Wort ist, ist so vergift böse Ding, daß wenn's auch St. Petrus, ja, ein Engel vom Himmel predigt, dennoch verflucht ist, Gal. 1,8. Darum falsche Lehrer und Täufer oder falscher Sacramente Meister können nicht sein noch bleiben in der Kirche, wie er Ps. 1. sagt, denn dieselbigen thun nicht allein Wider das Leben, welches die Kirche leiden muß, sonderlich wo es heimlich ist, sondern auch Wider die Lehre, welche öffentlich leuchten und scheinen muß, das Leben darnach zu richten." (E. A. 26, 37.)

 


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Thesis VI.

 

Die Gründe, welche man für den Anschluß an irrgläubige Gemeinschaften und für das Verbleiben in denselben geltend macht, klingen teilweise sehr fromm, find aber, im Lichte des Wortes Gottes betrachtet, völlig nichtig und entstammen dem blinden, selbstklugen, eigenwilligen und vermessenen Fleische.

Die Gründe, welche hier zu nennen wären, sind bei den Verhandlungen über die fünf ersten Thesen teilweise schon besprochen. Nur auf einige sei noch kurz hingewiesen. Die Gründe klingen zwar teilweise sehr fromm, sind aber, im Lichte des Wortes Gottes betrachtet, völlig nichtig. Zuweilen tragen sie ihren Ursprung, daß sie nämlich aus dem Fleische kommen, offen an der Stirn. So z. B., wenn man geltend macht, daß man aus Rücksicht auf sein Geschäft zu einer irrgläubigen Gemeinschaft sich halte. Darauf sagen wir einfach: Das heißt aus dem Glauben ein Gewerbe machen. Das heißt die Frage: „Was muß ich thun, daß ich selig werde?" jener andern unterordnen: „Was werden wir essen? was werden wir trinken? womit werden wir uns kleiden?" Andere sagen: Auf den Glauben kommt ja doch nichts an, die Hauptsache sind schließlich doch die Werke. Das ist ganz heidnisch geredet. Auf den Glauben kommt so viel an, daß wer an Christum glaubt, der wird nicht gerichtet ; wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet, denn er glaubt nicht an den Namen des ein-gebornen Sohnes Gottes. Und was die Werke betrifft, welche Gott Wohlgefallen und durch welche sich der Glaube erweisen soll, so ist unter denselben das erste Werk dies, daß man Gottes ganzes Wort festhalle und bekenne, also zur rechtgläubigen Kirche sich halte.

Schon ehrbarer klingt der Grund: „Meine Verwandten, ja, meine Familienglieder gehören zu einer irrgläubigen Kirche, so will ich dadurch, daß ich allein mich zur lutherischen Kirche halte, keine Störung und Unordnung in der Familie verursachen; dazu habe ich die Meinen zu lieb." Wenn du deine Verwandten ernstlich lieb hast, so bezeuge ihnen in aller Liebe und Geduld die biblische Wahrheit, damit sie in allen Stücken dem Worte Gottes die Ehre geben und von dem Irrthum abtreten. Du sollst nicht zu ihnen fallen, sondern sie sollen zu dir fallen — das ist Gottes Wille. Gelingt es dir aber nicht, so mußt du auf das große Glück verzichten, die Deinen auch kirchlich mit dir vereinigt zu sehen. Wahr ist es: es thut weh, nicht mit denen kirchliche Gemeinschaft haben zu können, die einem verwandtschaftlich so nahe stehen. Aber der HErr Christus hat auch diesen Fall schon bedacht und denselben ausdrücklich entschieden. Er sagt Matth. 10, 37. 38.: „Wer Vater oder Mutter mehr liebt denn mich, der ist mein nicht Werth. Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und folget

 


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mir nach, der ist mein nicht Werth." Und Matth. 19, 29.: „Wer verläßt Häuser, oder Brüder, oder Schwestern, oder Vater, oder Mutter, oder Weib, oder Kinder, oder Aecker um meines Namens willen, der wird's hundertfältig nehmen und das ewige Leben ererben." Gib also Acht zu solcher Zeit und in solcher Lage: der HErr, dein Gott, versucht dich, ob du ihn lieb hast, ob du den lieber als alles Andere hast, der der Heiland deiner Seele ist und sein Blut für dich vergossen hat.

Man sagt: „Ich will in der irrgläubigen Gemeinschaft bleiben, um in derselben Gutes wirken zu können, um nämlich zu verhüten, daß sie die Wahrheit nicht ganz verliere." Befindest du dich nun einmal in der irrgläubigen Gemeinschaft, so bezeuge derselben zunächst klar und entschieden die Wahrheit. Hört man dich, so ist es gut. Du kannst nach Umständen auch etwas warten, ob man der Wahrheit Raum gebe. Sobald es aber klar ist, daß man dies nicht thun wolle, so hast du dich von der Gemeinschaft, die den Irrthum festhält, abzusondern. Bleibst du dennoch, so stärkst du nicht mehr die Wahrheit, sondern den Irrthum. Es ist Blindheit, wenn du meinst, du seiest noch ein Wahrheitszeuge, wenn du mit offenbaren Irrlehrern in kirchlicher Gemeinschaft bleibst. Es ist ein vollkommener Widerspruch, ein Zeuge der Wahrheit und der Irrlehrer Geselle sein. Wie Luther sagt: Man „kann mit andern, so falsche Lehre führen oder derselben zugetan sind, nicht in Einem Stalle stehen, noch immerdar gute Worte dem Teufel und seinen Schuppen geben." (XVII, 1477.)

Weiter wird gesagt: Wenn man so genau zwischen rechtgläubiger und irrgläubiger Kirche unterscheidet und mit Irrgläubigen keine Gemeinschaft halten will, dann wird die Kirche fortwährend beunruhigt, und dieselbe hat mehr Schaden als Nutzen davon. So spricht das selbstkluge Fleisch. Der HErr Christus weiß sicherlich am besten, was seiner Kirche schadet und von Nutzen ist. Der aber sagt in Bezug auf die Falschgläubigen: „Solche meide." „Weichet von denselbigen." So thue du, wenn du ein Christ sein willst, nach des HErrn Wort und nimm dir nicht vor, nach deinen blinden Gedanken die Kirche regieren zu wollen. Uebrigens liegt dem Einwurf eine ganz falsche Vorstellung von der Kirche zu Grunde. Die Kirche ist die Gemeinde der Gläubigen, derer, die im Glauben an Christo als ihrem Heiland hangen. Der Kirche wird also genützt, wenn nur das gepredigt wird, was den Glauben wirkt und erhält, nämlich die lautere, in der Schrift geoffenbarte Wahrheit, und wenn alles fern gehalten wird, was den Glauben an Christum hindert, also falsche Lehre. Ja, wenn die Kirche nicht das geistliche Reich der an Christum Glaubenden, sondern eine äußere Polizei wäre, eine Einrichtung zur Versorgung von Pastoren, Superintendenten und anderen kirchlichen Oberen, oder auch eine Gesellschaft zur Unterstützung des Staates — dann müßte man ängstlich alles vermeiden, was den äußeren Frieden in der Kirche stören könnte ; dann müßte man den äußeren Frieden auch mit der Duldung von falscher Lehre erkaufen. Nun aber ist

 

 


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die christliche Kirche eine Stiftung Christi, durch die Verkündigung seines reinen Wortes Seelen selig zu machen.

Eine Anderer sagt: “Ich kann auch in den Gemeinschaften, die neben der Wahrheit Irrlehre führen, sehr wohl für meine Seele sorgen.  Was dort gegen Gottes Wort geredet wird, nehme ich nicht an.”  So spricht das vermessene Fleisch, so spricht nicht, wer seine Seele in seinen Händen trägt.  Traue dir nicht zu viel zu

!  Der Irrtum ist nicht ein so ungefährliches Ding.  In deinem Herzen ist der Zunder, wie zu allen Sünden, so auch zu jedem Irrtum.  Das beweist auch schon dein Einwurf.  Aus demselben geht schon hervor, daß du gar nicht mehr den rechten Abscheu vor der falschen Lehre hast.  Du bist schon halb gefallen.  Du selbst kannst übrigens gar nicht für deine Seele sorgen.  Das muß Gott tun.  Er will es tun, und er wird es tun.  Er wird dich behüten, daß du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest, auch im Geistlichen.  Das hat er verheißen.  Aber das hat er verheißen zu tun und das tut er, wenn du auf Gottes Wegen wandelst.  Wann tust du das?  Nun, wenn du bei Gottes Wort bleibst, wenn du die Gemeinschaft der Falschgläubigen meidest, wie er geboten hat.

Urteilen wir daher nach Gottes Wort und nicht nach unsern eigenen Gedanken, so steht uns fest: indem wir alle kirchliche Gemeinschaft mit Falschgläubigen meiden, so wandeln wir nach Gottes Willen und sorgen dabei am besten sowoh. fär die Kirche im Allgemeinen, als auch fär unsere Seele im Besonderen.  Gott gebe uns allezeit erleuchtete Augen unseres Verstandes, daß wir den Unterschied zwischen rechtgläubiger und irrgläubiger Kirche allezeit lebendig erkennen, und die rechte, heilige Liebe zur Wahrheit, daß wir auch allezeit nach dieser Erkenntniß handeln.