Quellen:
Q1: Google Trends, Gendern, 1.8.2016 – 1.8.2021
Q2: Tagesspiegel, Hallervorden kritisiert Gendern als Vergewaltigung der Sprache
Q3: Welt (Andreas Rödder, Kristina Schröder), Gendern ist Gesinnungszwang
Q4: Anatol Stefanowitsch, Eine Frage der Moral, Duden Verlag
Q5: F.A.Z. (Thomas Petersen), Eine Mehrheit fühlt sich gegängelt
Q6: ZDF heute (Luisa Houben), Nervig oder notwendig?
Q7: Cicero (Christoph Ploß), Sprache soll einen, nicht spalten!
Q8: Theresa Redl, Anita Eerland, Ted J. M. Sanders, The processing of the Dutch masculine generic zijn ‘his’ across stereotype contexts: An eye-tracking study, 2018
Q9: Jane Oakhill, Alan Garnham, David Reynolds, Immediate activation of stereotypical
gender information, 2005
Q10: Julia Misersky, Asifa Majid, Tineke M. Snijders, Grammatical Gender in German Influences How Role-Nouns Are Interpreted: Evidence from ERPs, 2018
Q11: Alan Garnham, Ute Gabriel, Oriane Sarrasin, Pascal Gygax, Jane Oakhill, Gender Representation in Different Languages and Grammatical Marking on Pronouns: When Beauticians, Musicians, and Mechanics Remain Men, 2012
Q12: Pascal Gygax, Ute Gabriel, Oriane Sarrasin, Jane Oakhill, Alan Garnham, Generically intended, but specifically interpreted: When beauticians, musicians and mechanics are all men, 2008
Q13: Pascal Gygax, Ute Gabriel, Arik Lévy, Eva Pool, Marjorie Grivel,
Elena Pedrazzini, The masculine form and its competing interpretations in French: When linking grammatically masculine role names to female referents is difficult, 2012
Q14: Dagmar Stahlberg, Sabine Sczesny, Effekte des generischen Maskulinums und alternativer Sprachformenauf den gedanklichen Einbezug von Frauen, 2001
Q15: Friederike Braun, Anja Gottburgsen, Sabine Sczesny, Dagmar Stahlberg, Können Geophysiker Frauen sein? Generische Personenbezeichnungen im Deutschen, 1998
Q16: Josef Klein, Benachteiligung der Frau im generischen Maskulinum – eine feministische Schimäre oder psycholinguistische Realität?, 1988
Q17: Greville G. Corbett, World Atlas of Language Structures Online, Sex-based and Non-sex-based Gender Systems
Q18: Maarten De Backer, Ludovic de Cuypere, The interpretation of masculine personal nouns in German and Dutch: A comparative experimental study, 2012
Q19: Gisela Zifonun, Die demokratische Pflicht und das Sprachsystem: Erneute Diskussion um einen geschlechtergerechten Sprachgebrauch, 2018
Q20: Kanzlei Repgow, „Gendern“: Universitäre Vorgaben zur Verwendung geschlechtergerechter Sprache rechtlich nicht verpflichtend
Q21: Freie Presse (Ulf Vogler, Katharina Redanz),
Audianer_innen? - Mitarbeiter klagt gegen Gender-Pflicht bei Autobauer
Q22: Hessische Niedersächsische Allgemeine (Matthias Lohr), Uni Kassel: Weil sie nicht gendern – Schüler können schlechtere Noten erhalten
Q23: Wikipedia, Behördeninterne Weisungen zu geschlechtergerechter Sprache
Verkopfte Fußnoten:
VF1: Die Studie hat auch noch eine zweite Frage untersucht, die mit dem generischen Maskulinum nicht unmittelbar zu tun hat, die ich aber trotzdem ganz interessant fand, und deshalb hier kurz erwähne. Der erste Satz enthielt nicht immer nur geschlechtsneutrale Beschäftigungen wie Zähneputzen, sondern teilweise auch Beschäftigungen, die Geschlechtsstereotypen auslösen.
Ein Beispiel für stereotypisch männliche Beschäftigung im ersten Satz, aber einer Frau im zweiten Satz, wäre: „Jeder übte seine Fußballtricks. Auch Laura spielte schon seit Stunden mit dem Ball.“
Ein Beispiel für eine stereotypisch weibliche Beschäftigung im ersten Satz, aber einem Mann im zweiten Satz, wäre: „Jeder machte seine Yoga-Übungen. Auch Peter war mit einer Übung beschäftigt.“
In diesem Teil der Studie ging es also nicht um das generische Maskulinum in den beiden Satzpaaren, sondern einfach darum, dass man bei Fußballtricks rein von der Beschäftigung her eher an Männer und bei Yoga eher an Frauen denkt. Ergebnis der Studie insoweit: Bei typisch männlichen Beschäftigungen mach es für die Lese- und Verständnisgeschwindigkeit keinen Unterschied, ob im zweiten Satz ein Mann oder eine Frau steht. Bei typisch weiblichen Beschäftigungen ist die Lese- und Verständnisdauer aber deutlich erhöht, wenn im zweiten Satz ein Mann auftaucht. Mit anderen Worten: Unsere Gehirne kommen offenbar nicht ins Stolpern, wenn eine Frau einer stereotyp männlichen Tätigkeit nachgeht, aber schon, wenn ein Mann einer stereotyp weiblichen Tätigkeit nachgeht. Das wäre vor ein paar Jahrzehnten sicherlich noch anders gewesen, was die Frauen angeht, und es wird in ein paar Jahrzehnten vielleicht auch anders sein, was die Männer angeht, aber für den Augenblick kommen uns Frauen mit Männerhobbys offenbar normaler vor, als Männer mit Frauenhobbys.
VF2: Korrekturanmerkung: Die Frauenquote betrug bei dieser Studie „nur“ 65 Prozent, nicht 70 Prozent
VF3: Korrekturanmerkung: Der geschätzte Frauenanteil betrug für „Geophysiker“ 20 (nicht 31) und für „Geophysiker und Geophysikerinnen“ 30 (nicht 39) Prozent
VF4: Die Studienleiter haben dieses Problem gesehen und deshalb zunächst eine Pilot-Studie durchgeführt, um sicherzustellen, dass die Probanden die „Männer“ bzw. die „Frauen“, von denen im zweiten Satz die Rede ist, als Teilmenge von (und nicht als deckungsgleich mit) den Sozialarbeitern im ersten Satz verstehen würden. Das Design der Pilot-Studie ist auf S. 13 des Papers näher beschrieben. Im Gegensatz zur eigentlichen Studie, wo es im ersten Satz 36 unterschiedliche Akteursbezeichnungen gab (darunter die im Video erwähnten Sozialarbeiter), wurde die Pilotstudie jedoch nur mit einer Akteursbezeichnung im ersten Satz durchgeführt, und zwar mit der Akteursbezeichnung „Gruppe“, was dann zu Satzpaaren wie diesem führte: „Die Gruppe stieg aus dem Zug. Einige der Frauen trugen einen Mantel.“
Die deutschsprachigen Probanden der Pilot-Studie haben in 16% der Fälle geantwortet, dass das „Frauen“ bzw. „Männer“ im zweiten Satz mit der Gruppe im ersten Satz deckungsgleich sei. Selbst, wenn man unterstellt, dass in der Hauptstudie ebenfalls „nur“ 16% der Probanden diese Lesart zugrunde gelegt haben, würde das die Effektgröße des dort angeblich nachgewiesenen male bias bereits erheblich reduzieren. Tatsächlich dürfte dieses Problem in der Hauptstudie aber sogar noch sehr viel ausgeprägter sein, weil das in der Pilot-Studie verwendete Wort „Gruppe“ sehr viel stärker zu der im Studiendesign „gewünschten“ Lesart einlädt, als die später in der Hauptstudie verwendeten Bezeichnungen. Wenn eine reine Männergruppe aus dem Zug aussteigt, würde man dies typischerweise durch eine Formulierung wie „Die Gruppe von Männern, die Männergruppe o.ä. stieg aus dem Zug aus“ kenntlich machen. Ohne einen solchen Zusatz legt der Begriff „Gruppe“ also eine gemischtgeschlechtliche Lesart nahe – was dann zugleich bedeutet, dass die Frauen oder Männer im zweiten Satz (lediglich) eine Teilmenge der „Gruppe“ aus dem ersten Satz darstellen können. Dasselbe gilt aber nicht für die in der eigentlichen Studie verwendeten Akteursbezeichnungen im ersten Satz: Bei einer rein männlichen Gruppe von Sozialarbeitern würde man typischerweise gleichwohl nicht „Die männlichen Sozialarbeiter liefen durch den Bahnhof“ schreiben (bei einer rein weiblichen Gruppe von Sozialarbeitern aber sehr wohl „Die Sozialarbeiterinnen“). Die Pilot-Studie ist also nicht geeignet, den verfälschenden Faktor auszuschließen, den sie eigentlich ausschließen soll (und der sich selbst in der Pilot-Studie noch bei 16% der deutschsprachigen Probanden zeigte).
VF5: Mit freundlichem Gruß an Fabian Payr, aus dessen Buch „Von Menschen und Mensch*Innen“ das Beispiel entlehnt ist, und der zu dem Thema als Gast im Podcast Con & Pro zu hören sein wird.