1881 Missouri convention essay, Walther- Position of Synod on Election Dispute; OCR'd by BackToLuther, August 16, 2015.
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Bericht
über die
Verhandlungen der Allgemeinen deutschen ev.-luth. Synode von Missouri, Ohio u. a. Staaten
bei ihrer
achtzehnten Versammlung als Dritte Delegatensynode
zu Fort Wayne. Ind..
vom 11ten bis 21sten Mai 1881.
I.N.J.
Nach geschehener Anzeige im „Lutheraner" trat die Allgemeine Synode, als Dritte Delegatensynode, zu der von ihr selbst im Jahre 1878 bestimmten Zeit, nämlich am Mittwoch, den 11. Mai, zu Fort Wayne, Ind., zusammen und hielt ihre Sitzungen in der evangelisch-lutherischen St. Paulus-Kirche der Herren Pastoren vr. W. Sihler und H. Sauer.
Am Vormittag des 11. Mai — 10 Uhr — wurde die^Synodalver-sammlung in der Kirche genannter Herren Pastoren mit einem Gottesdienste eröffnet, bei welchem Herr Prof. A. Crämer über Matth. 24, 11—13. predigte.
Es wurden im Ganzen 17 Sitzungen gehalten, 9 Vor- und 8 Nachmittags. Die Abhaltungszeit derselben wurde so bestimmt, daß sie Vormittags von 8^ bis 11H und Nachmittags von 2H bis 5H Uhr währten. Außerdem hielten die Laiendelegaten zwei Extra-Versammlungen.
Jede Sitzung wurde mit Gesang, Verlesung eines Psalms aus dem Altenburger Bibelwerk und Gebet durch den von der Synode bestellten Ca-plan, Pastor W. Achenbach, eröffnet und durch den Präses mit dem Gebet des heiligen Vater-Unsers geschlossen.
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Verhandlungen der Synode.
1. Die Stellung der Synode, als solcher, in dem in ihrer eigenen Mitte grgenwartig schwebenden Gnadenwahlslehrftreit.
Wie jedermann weiß, ist innerhalb der Synodalconferenz ein heftiger Streit über die Lehre von der Gnadenwahl ausgebrochen. Selbst in unserer Mitte stehen Glieder einer und derselben Synode sich bekämpfend gegenüber. Angesichts dieser betrübenden Thatsache ist es die unabweisbare Pflicht der gegenwärtig versammelten Synode, als solche, ihre Stellung zu der Lehre von der Gnadenwahl und damit zugleich auch in dem vorhandenen Gnaden-wahlslehrstreit öffentlich zu erkennen zu geben. Darauf werden wir allerdings verzichten müssen, die Lehre selbst in den gegenwärtigen Sitzungen eingehend zu behandeln. Es fehlt uns durchaus die für eine derartige Verhandlung nöthige Zeit. Doch ist das Nöthige bereits früher geschehen Und wird auch jetzt noch Gelegenheit dazu gegeben durch die geschehene Anordnung einer nach Schluß der Synode abzuhaltenden mehrtägigen Pastoral-conferenz. Was der Synode geboten erscheint, ist dies, daß sie sich zu der Lehre bekenne, die in ihren Publikationen bisher vorgetragen und ver-theidigt worden ist.
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Dagegen wurde geltend gemacht, daß man nicht von allen Synodalen — namentlich habe man die Laiendelegaten im Auge — die nöthige Klarheit und in Folge deß eine fröhliche Zustimmung zu der von uns geführten Lehre von der Gttadenwahl erwarten dürfe; es wäre darum gewiß vorzuziehen, ein öffentliches Bekenntnis auf spätere Zeit zu verschieben, zumal die bevorstehende Conferenz ohne Zweifel noch manchem dazu dienen wird, ihm zur völligen Klarheit zu verhelfen. Es handelt sich ja doch nicht bloß um solche unter uns, die für ihre Personen davon überzeugt sind, daß die Lehre, welche in unseren Publikationen vorgetragen wird, die allein richtige, die gegentheilige Lehre daher eine falsche und irrige ist; sondern es handelt sich auch um solche Glieder der Synode, welche, der nöthigen Klarheit ermangelnd, bis jetzt noch eine neutrale Stellung einnehmen, welche heute noch nicht gewiß wissen, wo die rechte Lehre geführt wird, und denen es scheint, wie der ejne der streitenden Theile sich ans Wort und Bekenntnis halte, so thue es auch der andere Theil. Jeder von beiden führe aus Wort und Bekenntnis nicht zu verachtende gute und starke Gründe an. Dazu sind auch diejenigen unter uns, welche meinten, öffentlich gegen die in unseren Publicationen vorgetragene Lehre schreiben zu müssen, der Aufforderung zum Schweigen in der Hoffnung nachgekommen, daß endlich die ersehnte Einigkeit auch werde zu Stande gebracht werden. Nun sollte man doch allen diesen noch Zeit geben, sich ein Urtheil bilden zu können, auf welcher Seite sich die rechte Auffassung des 11. Artikels der Concordien-formel findet, zumal noch keiner von diesen erklärt hat, er wolle nicht länger mehr mit sich handeln lassen. Selbst diejenigen unter uns sind zu ferneren Verhandlungen bereit, welche meinen, klar darüber zu sein, daß in den Publicationen der Synode eine falsche Lehre von der Gnadenwahl vorgetragen werde, und daß nur die von den Gegnern geführte Lehre die allein richtige nach Gottes Wort und Bekenntnis sei. — Ferner gesetzt den Fall, die Synode hielte für ihre Pflicht, die Synodalgemeinschaft mit denen aufzuheben, die sie öffentlich falscher Lehre beschuldigen: welche Stellung wird dann die Synode zu solchen ihrer Glieder einnehmen, die zwar noch nicht von der Richtigkeit der Lehre, wie sie in den Publicationen der Synode öffentlich vorgetragen wird, völlig überzeugt sind, aber doch hoffen lassen, daß sie noch zu dieser Ueberzeugung gelangen werden; die aber, so lange letzteres noch nicht geschehen ist, solche wegen der Lehre von der Gnadenwahl Getrennte auch noch als Brüder meinen anerkennen zu muffen?
Darauf wurde Folgendes entgegnet: Es wird die allgemeine Synode nicht umhin können, in diesen gegenwärtigen Sitzungen sich auszusprechen, wie sie, als solche, zu der im Streit befindlichen Lehre von der Gnadenwahl steht; denn sie hat die unabweisbare Pflicht, die einzelnen Districtssynoden zu berathen betreffs der Stellung, die diese denen gegenüber einzunehmen haben, welche die in unsern Publicationen geführte Lehre als eine falsche und irrige, gottlose und calvinistische brandmarken und ver-
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ketzern. Dazu ist es auch die höchste Zeit, dem Verderben, das durch Verbreitung der gegentheiligen Lehre in unserer Mitte angerichtet wird, zu steuern und zu wehren. Unsere Lehre ist ja keine andere, als die der Schrift und unserer lieben lutherischen Kirche zur Zeit der Reformation und der Concordienformel. Zu dieser Lehre unserer Kirche haben wir uns je und je bekannt und bekennen uns zu derselben auch noch heute ohne Rückhalt. — Nun ist zwar auch von unsern Gegnern der Versuch gemacht worden, den
11. Artikel der Concordienformel ihrer Lehre zu Grunde zu legen, aber mit welchem Recht, sieht ja ein jeder, der da weiß, daß unsere Gegner nicht etwa nur die beiden alleinigen Ursachen der Erwählung, nämlich Gottes Barmherzigkeit und Christi Verdienst, wie diese die Concordienformel mit Ausschluß alles anderen geltend macht, als solche anerkennen, sondern noch eine dritte Ursache, nämlich den beharrlichen Glauben, hinzufügen. Wer sich nun diese und andere wider Gottes Wort und Bekenntnis gehende Lehren zu eigen gemacht hat und sie in unsern Gemeinden ausbreitet, der kann nicht mehr länger mit uns Hand in Hand gehen. Wir können und dürfen es nicht dulden, daß selbst von Pastoren innerhalb unserer Synodalgemeinschaft auf uns, als auf calvinistische Seelenverführer, nicht nur versteckt, sondern auch offenbar hingewiesen wird. Diesem Zustande muß ein Ende gemacht werden. Alle Welt weiß, daß jetzt in unserer Mitte zwei im tiefsten Grunde verschiedene Lehren von der Gnadenwahl vorgetragen werden. So stand es schon zur Zeit der allgemeinen Pastoralconferenz zu Chicago, und es ist seitdem nicht anders geworden. Dergleichen aber bei uns zu sehen, ist allen Leuten ein ungewohntes Ding. Allgemein ist daher die Erwartung, daß die gegenwärtig versammelte Synode als solche bekennt. Welche von beiden Lehren allein Geltung haben soll in ihrer Mitte. - Wir haben daher aus vielen Ursachen die Pflicht, ohne Zögern der Kirche und der Welt kund zu thun: diese und nur diese Lehre allein ist Lehre der Synode; eine andere Lehre dulden wir unter uns nicht. Wer sich nicht mit uns zu der von uns bekannten Lehre bekennen kann und will, der kann auch nicht zu uns gehören wollen und wir nicht zu ihm. Ueberdies könnte wahrlich auch bis heute ein jeder unter uns zur Klarheit gekommen sein, welche Lehre nach Schrift und Bekenntnis die rechte, und welche die falsche sei. Wer jetzt hierin noch nicht klar ist, schreibe die Schuld sich selbst zu. Uns kann das, daß dieser oder jener immer noch nicht hierin klar sieht, kein Grund dafür sein, das öffentliche Bekenntnis zu der reinen Lehre des Artikels von der Gnadenwahl noch länger hinauszuschieben. Die Synode kann unmöglich einen solchen Dualismus, d. H. eine solche Zwiespältigkeit in der Lehre, noch-drei Jahre, nach welcher Zeit sie, die Synode, sich erst wieder versammelt, ertragen. Auch die allgemeine Stimmung in unserer Mitte drängt auf Entscheidung. Schon auf der im Herbst vorigen Jahres zu Chicago abgehaltenen Pastoralconferenz erklärten sich mit Ausnahme nur einiger weniger alle Versammelten für überzeugt, daß allein die Lehre,
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die in unsern Publicationen vorgetragen und vertheidigt werde, schrift- und bekenntnißgemäß sei, und daher auch nur sie allein unter uns Geltung haben dürfe. Unsere Gegner sahen ja aufs deutlichste, daß es sich nicht darum handelte, uns etwa unsrerseits mit ihrer Lehre auszugleichen, sondern vielmehr ihrerseits sich so zu erklären, daß wir die Ueberzeugung gewönnen, sie seien noch nicht von Schrift und Bekenntnis abgefallen. Wir forderten von ihnen das Versprechen, nicht fernerhin öffentlich gegen unsere Lehre zu schreiben, keineswegs aber machten wir uns verbindlich, unsre Lehre zu verschweigen. Wohl sind wir noch heute bereit, mit solchen Gliedern unserer Synode, die da gestehen, es fehle ihnen in diesem oder jenem Stück der Lehre an der noch nöthigen Klarheit, um uns schon jetzt in allem beistimmen zu können, auch noch fernerhin zu handeln, aber nicht sind wir bereit, ruhig über uns den Vorwurf des Kryptocalvinismus ergehen zu lassen und stumm zuzusehen, wie unsere Gemeinden von den Gegnern beunruhigt, zerrüttet und zerstört werden. Wer hiezu auch nur mithilft, muß es sich gefallen lassen, daß er als unser Feind betrachtet und behandelt wird. Solche unserer Gegner hätten übrigens schon längst ihren Austritt aus dem Verbände unserer Synode erklären sollen. Wir wollen keinerlei Unionismus. Wie wir von jeher alle und jede auch nur äußerliche Einigkeit mit solchen, die Wohl den Namen „lutherisch" trugen, aber nicht die Lehre der lutherischen Kirche führten, verworfen und gemieden haben, so werden wir es auch fernerhin mit Gottes Gnade thun. Unser Princip aufzugeben, sind wir nicht gewillt. Wir sind noch nicht so tief gefallen, zu erklären: Uns genügt ein Bekenntnis zum Bekenntnis im Allgemeinen, mag dabei immerhin die Auffassung desselben in diesem oder jenem Artikel eine verschiedene sein. Man erwarte nicht von uns, erst dann einzuschreiten, wenn das Bekenntnis, als solches, geradezu verworfen wird. Letzteres zu thun, wird man sich Wohl hüten. Man wird statt dessen vielleicht so handeln, wie einst die Kryptocalvinisten thaten, die gleich den treuen Lutheranern sich zu den Bekenntnissen der lutherischen Kirche bekannten, sich mit dem Munde auf die Augsburgische Confession, deren Apologie, Luther's kleinen Katechismus und andere Bekenntnißschriften beriefen, daneben aber alles dieses nach ihrem verkehrten Sinn umdeuteten. Aber was sagten damals die treuen Lutheraner zu solchen Leuten? Dies: Nicht Lutheraner, sondern Feinde der lutherischen Kirche seid ihr. Sie wiesen ihnen das auch schlagend nach, und als das nichts fruchtete, machten sie mit ihnen kurzen Proceß und kündigten ihnen das Hausrecht auf. In diese Fußstapfen unserer Väter zu treten, sind auch wir, da sich unter uns etwas Aehnliches, wie zu unserer Väter Zeiten, ereignet hat, ernstlich gesonnen. Auch wir sagen jedem, der eine andere Lehre unter uns führt, trotzdem er sich auf das Bekenntnis der lutherischen Kirche beruft, offen und ehrlich: Wir gehören nicht zusammen und müssen daher getrennte Wege gehen. Damit ist nicht gesagt, daß wir unsere Gegner verketzern und verdammen. Wir thun das ja auch nicht
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Unirten und Reformirten gegenüber. Wir sagen nur dies damit: Wir können nicht mehr zusammen gehen. So können wir auch nicht mehr mit einander beten. Denn ihr werdet um unsere und wir werden um eure Bekehrung beten. Solches Zusammenbeten aber ist ein Greuel vor Gott. Könnt ihr nach eurem Gewissen nicht glauben, was wir glauben, so vermögen wir das nicht zu ändern — denn Schenkung des Glaubens stehet in keines Menschen Macht — aber das können, wollen und müssen wir, .daß wir euch erklären: Unsere Wege gehen fortan auseinander.
Hiermit ist auch zugleich allen denen geantwortet, die da sagen: So lange wir noch nicht klar in dieser Lehre sind, so lange werden wir auch diejenigen, welche die gegentheilige Lehre führen, für unsere Brüder halten. Meinen die, welche so reden, es ernstlich, und wollen sie dabei ehrliche Leute sein und bleiben, so ist auch ihnen der Weg gewiesen; so bleibt auch für sie, wenn sie wirklich Solche, die uns vor der ganzen Welt falscher Lehre beschuldigen, für ihre Brüder halten, nichts anderes übrig, als aus der Synode auszutreten. Was nun aber gar unsere eigentlichen erklärten Gegner selbst betrifft, so sollten diese uns eigentlich selbst zurufen: Ihr könnt und dürft uns unter euch nicht dulden! Thut ihr es dennoch, so ist es wahrlich mit euerem Eifern um die reine Lehre nicht weit her. Es würde auch in der That eine Unionisterei sein, wie sie schlimmer in keiner der unirten Kirchengemeinschaften gefunden wird. Letztere führen zwar unter einander sehr verschiedene Lehren, üben aber dabei, weil ihnen die Wahrheit nicht ernstlich am Herzen liegt, gegenseitige Duldung. Einer verwirft ves Ändern Lehre nicht. Sie wollen trotz alledem doch Brüder sein. Anders aber bei uns. Wie wir der Gegner Lehre als eine Wider Gottes Wort und Bekenntnis geführte verurtheilen, so thun auch sie ein Gleiches mit der von uns vorgetragenen Lehre. Wohl nehmen wir gerne an, daß es auf Seiten der Gegner mit einem irrenden Gewissen geschieht. Aber das ändert die Sache nicht. Allerdings befindet sich ein Mensch mit irrendem Gewissen in einem entsetzlichen Zustande. Thut er nach seinem Gewissen, so sündigt er ; denn wer falsche Lehre führt, versündigt sich auf's schwerste. Handelt er wider das Gewissen, so sündigt er gleichfalls, eben weil er gegen seine Ueberzeugung handelt. Allein es kann und darf uns das doch nicht hindern, zu thun, was nach dem Worte Gottes unsere Pflicht ist. — Was würden Wohl unsere Väter zu der Zeit, da soeben unserer Kirche die Concordienformel geschenkt worden war, einem solchen geantwortet haben, der zwar sich nicht geweigert hätte, letztere zu unterschreiben, aber zugleich mit der Erklärung aufgetreten wäre, die Kryptocalvinisten für seine lieben Brüder anerkennen zu müssen? Ohne Zweifel dies, daß er überhaupt zum Predigtamte ungeschickt, oder doch nicht fähig sei, dasselbe in der lutherischen Kirche zu verwalten. Sie kannten in solchen Fällen keine weichliche Schonung, selbst dann nicht, wenn das Gewissen hierbei in Betracht kam. Auch diejenigen schlossen sie aus ihrer Gemeinschaft aus, die in irrendem
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Gewissen handelten. — Wir würden auch, wenn wir hier schonen wollten, doch nicht lange mit einander Haushalten. Bald genug würde unsere Synode zu Trümmern gehen. — Daß es endlich dahin gekommen ist, uns in dieser Weise erklären zu müssen, haben wir nicht verschuldet. Wir haben den Streit nicht angefangen. Ja, wir haben ein ganzes Jahr lang uns gehütet, Personen zu nennen, während Lügen und Verleumdungen aller Art sich über unsere Personen ergossen. Wir müssen es auch entschieden zurückweisen, von unserer früheren Lehrstellung gewichen zu sein. Ließen wir die Lehre von der Gnadenwahl, wie sie von den späteren Dogmatikern dargestellt wurde, unangefochten, so geschah es deshalb, weil wir überzeugt waren, und es noch sind, daß, obschon die Art und Weise ihrer Darstellung zum Theil eine verkehrte war, sie doch im Grunde sich zu derselben Lehre von der Gnadenwahl bekannten, zu welcher auch wir uns bekennen. Wir verketzern jene alten Dogmatiker, sowie Alle, die wirklich auf demselben Standpunkt stehen, noch bis heute keinesweges.
Auch von gegnerischer Seite wurde bezeugt, daß es freilich nicht länger mehr so wie bisher fortgehen könne, daß die Synode allerdings in der Noth-wendigkeit sei, bestimmte Stellung in dieser Sache zu nehmen, wozu sie von den eigenen Gemeinden selbst gedrängt werde, und daß der Wunsch der Gemeinden befriedigt werden müsse, widrigenfalls letztere an ihrer Synode irre werden würden. — Darauf wurde ferner, da ja hier eine Abstimmung stattfinden muß, der falsche Verstand abgewehrt, als solle unter uns erst durch Abstimmung entschieden werden, welches rechte und welches falsche Lehre sei — was ja aus Gottes Wort und in Uebereinstimmung damit aus unseren Bekenntnissen längst feststeht. Es solle vielmehr eine solche Abstimmung nur unser Bekenntnis zu der rechten und reinen Lehre sein, und uns kund thun, wer zu uns gehöre und wer nicht. Dabei werde sich denn ferner auch Herausstellen, ob jener, die die in unseren Publicationen vorgetragene Lehre verwerfen, nur eine geringe Zahl sei, die dann in Folge deß unser Haus verlassen würden, oder ob wir, die wir die rechte Lehre von der Gnadenwahl bekennen, uns in der Minderheit befinden, in Folge deß wir dann aus unserem bisherigen Synodalhause auszuziehen hätten. Zu letzterem seien wir auch sofort bereit, denn lieber, als das ganze Eigenthum der Synode, sei uns die reine Lehre, und theurer, als alles Irdische, sei uns unser Glaube. Darauf wurde endlich beschlossen, daß sämmtliche Präsides der Synode, als Hüter und Wächter über die Reinheit der Lehre, in Gemeinschaft mit den Professoren der theologischen Facultäten zusammentreten und einige Sätze, resp. Gegensätze, über die Lehre von der Gnadenwahl aufstellen und der Synode für weitere Verhandlungen in dieser Angelegenheit unterbreiten sollten.
Als die Synode die Besprechung in der nächsten Sitzung wieder ausgenommen hatte, wurde vom Vorsitzer der von der Synode beauftragten Personen folgende Erklärung abgegeben: Man habe sich nicht entschließen
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können, neue Sätze über die Lehre der Schrift und unseres Bekenntnisses von der Gnadenwahl zu entwerfen und der Synode vorzulegen, und zwar aus folgenden drei Gründen. Erstlich fürchte man, die Fassung der Sätze könne leicht Veranlassung bieten zu weitläufigen Disputationen über einzelne Ausdrücke, wozu uns durchaus die nöthige Zeit fehle. Zweitens möchte dabei vielleicht eingewendet werden, die Sätze seien an sich betrachtet schon recht, aber in denselben stehe nicht, was die Missourisynode von der Gnadenwahl eigentlich lehre. Drittens könnte etwa gesagt werden, es sei wohl klar zu erkennen, daß in diesen Sätzen die bisher geführte Lehre von der Gnadenwahl vorgetragen werde, aber man müsse doch erst auch wissen, ob die Lehre, die hier aufgestellt sei, auch von den Gemeinden gebilligt werde. Letztere sollten also erst gefragt werden, wie sie zu dieser Lehre stehen, und so lange, bis das geschehen sei, müsse man die weitere Besprechung dieser Angelegenheit hinausschieben. Aus diesen Ursachen also habe man für das Beste gehalten, nichts Eigenes zu liefern, sondern der Synode zu empfehlen, jene 13 Sätze, welche von No. 2 bis No. 9 im 36. Jahrgang des „Lutheraner" sich verzeichnet finden, zum Ausdruck ihres Bekenntnisses in der Lehre von der Gnadenwahl zu machen. Diese Sätze enthalten ja die reine Lehre des göttlichen Wortes von der Gnadenwahl, wie dieselbe Ausdruck im Bekenntnis unserer Kirche gefunden habe. Diese Sätze seien ferner in allen unseren Gemeinden bekannt und ohne Zweifel auch von jedem Laiendelegaten gelesen worden. Kurz und bündig sei in ihnen alles dasjenige zusammengefaßt, was unsere Synode nach Schrift und Bekenntnis von der Gnadenwahl lehre.
Hierauf beschloß die Synode, daß sämmtliche 13 Sätze vorgelesen werden sollten, damit ein jeder sich den Inhalt derselben noch einmal klar vergegenwärtige. Sie lauten, wie folgt:
1. Wir glauben, lehren und bekennen, daß Gott die ganze Welt von Ewigkeit geliebt, alle Menschen zur Seligkeit, keinen zur Verdammnis geschaffen habe und aller Menschen Seligkeit ernstlich wolle; und verwerfen und verdammen daher die dem entgegenstehende calvinische Lehre von ganzem Herzen.
2. Wir glauben, lehren und bekennen, daß der Sohn Gottes für alle Menschen in die Welt gekommen sei, aller Menschen Sünde getragen und gebüßt und alle Menschen, keinen ausgenommen, vollkommen erlös't habe; und verwerfen und verdammen daher die dem entgegenstehende calvinische
Lehre von ganzem Herzen.
3. Wir glauben, lehren und bekennen, daß Gott alle Menschen durch die Gnadenmittel ernstlich, das ist, mit der Absicht beruft, daß sie durch dieselben zur Buße und zum Glauben kommen, auch in demselben bis an das Ende erhalten und also endlich selig werden, zu welchem Ende ihnen Gott durch die Gnadenmittel die durch Christi Genugthuung erworbene Seligkeit und die Kraft, dieselbe im Glauben zu ergreifen, anbietet; und verwerfen
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und verdammen daher die dem entgegenstehende calvinische Lehre von ganzem Herzen.
4. Wir glauben, lehren und bekennen, daß kein Mensch darum verloren geht, weil ihn Gott nicht habe selig machen wollen, mit seiner Gnade an ihm vorübergegangen sei, und weil er ihm nicht auch die Gnade der Beständigkeit angeboten habe und ihm dieselbe nicht habe geben wollen, sondern daß alle Menschen, welche verloren gehen, aus eigener Schuld, nämlich um ihres Unglaubens willen verloren gehen, und weil sie dem Wort und der Gnade bis an das Ende halsstarrig widerstrebt haben, welcher „Verachtung des Wortes ist nicht die Ursache Gottes Vorsehung (vel xraesoientia vel prasäestioatio), sondern des Menschen Verkehrter Wille, der das Mittel und Werkzeug des Heiligen Geistes, so ihm Gott durch den Beruf vorträgt, von sich stößt und verkehret und dem Heiligen Geist, der durchs Wort kräftig sein will und wirket, widerstrebet, wie Christus spricht : ,Wie oft habe ich dich versammeln wollen, und du hast nicht gewollt«, Matth. 23, 37/ (Concordienbuch S. 7! 3.) Daher verwerfen und verdammen wir die dem entgegenstehende calvinische Lehre von ganzem Herzen.
5. Wir glauben, lehren und bekennen, "daß der Gegenstand der Gnadenwahl oder Prädestination nur die wahrhaft Gläubigen sind, welche bis ans Ende oder noch am Ende ihres Lebens wahrhaft glauben; wir verwerfen und verdammen daher den Huberischen Jrrthum, daß die Erwählung nicht eine particulare, sondern eine allgemeine sei und alle Menschen betreffe.
6. Wir glauben, lehren und bekennen, daß der göttliche Rathschluß der Erwählung unveränderlich sei, und daß daher kein Auserwählter ein Verworfener werden und verloren gehen könne, sondern ein jeder Auserwählter gewißlich selig werde; und verwerfen und verdammen daher den dem entgegenstehenden Huberischen Jrrthum von ganzem Herzen.
7. Wir glauben, lehren und bekennen, daß es thöricht und seelengefährlich sei, entweder zu fleischlicher Sicherheit oder zur Verzweiflung führe, wenn man vermittelst Erforschung des ewigen göttlichen geheimen Rathschlusses seiner Gnadenwahl oder einstigen ewigen Seligkeit gewiß werden oder fein will, und verwerfen und verdammen die dem entgegenstehende Lehre als eine verderbliche Schwärmerei von ganzem Herzen.
8. Wir glauben, lehren und bekennen, daß ein gläubiger Christ seiner Erwählung aus Gottes geoffenbartem Willen gewiß zu werden suchen solle, und verwerfen und verdammen daher die dem entgegenstehende papistische Irrlehre, daß man nur durch eine neue unmittelbare Offenbarung seiner Erwählung oder Seligkeit gewiß werden und sein könne, von ganzem Herzen.
9. Wir glauben, lehren und bekennen: 1. daß die Gnadenwahl nicht meinem bloßen Vorherwissen Gottes, welche Menschen selig wer-
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den, bestehe; 2. daß die Gnadenwahl auch nicht der bloße Vorsatz Gottes sei, die Menschen zu erlösen und selig zu machen, daher dieselbe eine allgemeine sei und sich insgemein auf alle Menschen erstrecke;
3. daß die Gnadenwahl nicht die Zeitgläubigen betreffe (Luc. 8, 13.);
4. daß die Gnadenwahl nicht ein bloßer Rathschluß Gottes sei, alle diejenigen, welche bis an das Ende glauben würden, selig zu machen; wir verwerfen und verdammen daher die dem entgegenstehenden Irrlehren der Rationalisten, Huberianer und Arminianer von ganzem Herzen.
10. Wir glauben, lehren und bekennen, daß die Ursache, welche Gott bewogen hat, die Auserwählten zu erwählen, allein seine Gnade und das Verdienst JEsu Christi und nicht etwas von Gott in den Auserwählten vorausgesehenes Gutes, selbst nicht der von Gott in denselben voraus-geseheneGlaube sei, und verwerfen und verdammen daher die dieser Lehre entgegenstehenden Lehren der Pelagianer, Semipelagianer und Synergisten als gotteslästerliche, erschreckliche, das Evangelium und somit die ganze christliche Religion umstoßende Irrlehren.
11. Wir glauben, lehren und bekennen, daß die Gnadenwahl nicht das bloße göttliche Voraussehen oder Vorauswissen der Seligkeit der Auserwählten, sondern auch eine Ursache der Seligkeit derselben und alles dessen, was zu derselben gehört, sei, und verwerfen und verdammen daher -die dem entgegenstehenden Lehren der Arminianer, Socinianer und aller Synergisten von ganzem Herzen.
12. Wir glauben, lehren und bekennen, daß Gott in Betreff des Geheimnisses der Wahl „noch viel verschwiegen und verborgen, und allein seiner Weisheit und Erkenntnis Vorbehalten" hat, was kein Mensch erforschen kann noch soll, und verwerfen daher, wenn man auch dieses Nicht-Geoffenbarte ergrübeln und, was unserer Vernunft widersprechend zu sein scheint, mit seiner Vernunft zusammen reimen will; mag dies nun durch calvinische oder durch pelagianisch-synergistische Menschen-Lehren geschehen.
13. Wir glauben, lehren und bekennen, daß es nicht nur nicht unnütz oder gar gefährlich, sondern nöthig und heilsam sei, auch dem Christenvolke die geheimnißvolle Lehre von der Gnadenwahl, so weit sie in Gottes Wort klar geoffenbart ist, auch öffentlich vorzutragen, und halten wir es daher nicht mit denjenigen, welche dafür halten, daß diese Lehre entweder ganz zu verschweigen, oder doch nur unter den Gelehrten darüber zu dispu-tiren sei.
Nach Verlesung dieser 13 Sätze wurde noch die Frage erhoben: Welche Stellung wird die Synode zu solchen ihrer Glieder einnehmen, die zwar nicht durch ein Nein die Annahme dieser Sätze ablehnen wollen, aber auch nicht mit Ja stimmen können, weil ihr Gewissen ihnen nicht erlaubt, sich zu allem, was in diesen Sätzen enthalten ist, unbedingt zu bekennen? Darauf wurde geantwortet: Ist das Gewissen solcher Glieder noch gefangen in dem Wahne, in diesen Sätzen liege etwas verborgen, was mit dem
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Worte Gottes und dem Bekenntnis unserer Kirche nicht stimmt, so schonen wir solche Gewissen in der Hoffnung, daß durch Belehrung unsrerseits und durch fleißiges Forschen unter herzlichem Gebet ihrerseits sie durch Gottes Gnade gar bald zurecht kommen werden. Fern sei es von uns, solche gottselige Herzen zur sofortigen Entscheidung zu drängen, die noch im Kampfe mit sich selber stehen. Wir sind nicht gewillt, denen zu nahe zu treten, die gewifsenshalber noch nicht allem ihre Zustimmung geben können. Was wir wollen, ist dies, daß unter uns, in einer und derselben Synode, nicht fernerhin mehr zwei verschiedene Lehren von der Gnadenwahl geführt werden. Wer also nicht das Gegentheil glaubt und lehrt von dem, was wir lehren; wer unsere Lehre nicht für falsch und calvinistisch erklärt, den tragen wir, meint er auch, noch nicht so reden zu können, wie wir reden. Wir halten noch niemand allein darum für einen Jrrlehrer, weil er glaubt, mit den Dogmatikern der spätern Zeit den zweiten Lehrtropus (Lehrweise) fest-halten zu müssen. Wir können ganz wohl ferner verhandeln mit denen, die da sagen: „Diese 13 Sätze anerkennen wir von ganzem Herzen ; aber ihr habt nicht überall, wo ihr die Lehre von der Gnadenwahl getrieben, so vorsichtig wie hier geredet. In anderen Schriften finden sich Ausdrücke, die wir beanstanden müssen. Aber deswegen schelten wir euch nicht Cal-vinisten und Kryptocalvinisten, billigen es auch nicht, daß andere solches thun, denn ihr habt ja doch nichts anders treiben wollen, als die rechte und reine Lehre von der Gnadenwahl." So zu reden verübeln wir niemandem. Denn wir leugnen keineswegs, daß hie und da. namentlich als diese Lehre noch nicht unter uns streitig war, Ausdrücke gefallen sind, die nicht hätten fallen sollen. Aber: wer „auch in keinem Wort fehlet, der ist ein vollkommener Mann". Wer daher noch nicht in allem uns beistimmen kann, der soll sich nicht fürchten, daß wir ihn entweder vergewaltigen oder verächtlich behandeln werden; er soll vielmehr in aller Liebe, Geduld und Langmuth von uns getragen werden; vorausgesetzt, daß er frei von unionistischer Gesinnung ist. Er erwarte aber nicht, daß wir ihn auch dann noch tragen sollen, wenn er's zugleich mit unsern Feinden hält, die in offenbarem Gegensätze zu uns stehen und unsere Lehre heimlich und öffentlich als eine calvinistische brandmarken.
Seitens der Gegner, das heißt, derjenigen unter uns, welche offen bekannten, daß sie davon überzeugt seien, unsere Lehre von der Gnqdenwahl sei falsch, sprach man sich darauf dahin aus, daß sie diesen Sätzen, wenn es um sie allein sich handeln würde, ihre Zustimmung wohl geben könnten. Aber diese 13 Sätze ständen nicht allein da. Sie ständen in Verbindung mit ändern Publicationen der Synode, welche zeigten, daß genannte Sätze anders verstanden werden sollten, als wie sie, die Gegner, sie nach ihrer Auffassung des 11. Artikels der Concordienformel verständen. Da fordere es denn die Ehrlichkeit zu bekennen, daß diese Sätze, im Zusammenhang mit ändern Publicationen betrachtet, nicht mit Gottes Wort und dem Bekennt-
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nis der Kirche übereinstimmten, und man sie daher nicht annehmen könne. Wir, fügte man hinzu, sind keine Synergisten, wir verwerfen die Meinung derer, die dafür halten, daß der Mensch auch etwas zu seiner Seligkeit thun könne, ganz entschieden. Alles, was zur Seligmachung des Menschen gehört, schreiben wir der göttlichen Gnade einzig und allein zu. Auch wir kennen nur zwei Ursachen der Erwählung, nämlich Gottes Barmherzigkeit und^Christi Verdienst, und verwerfen die Rede als eine verkehrte: Ursache der Wahl ist auch der Glaube. Ja, der eine oder andere unter uns beanstandet sogar auch die Redeweise: Die Wahl ist geschehen in Ansehung des Glaubens (intuitu ücksi); denn es ist nicht zu leugnen, daß diese Redeweise gar leicht Anlaß zu der falschen Meinung gibt, als habe Gott irgend etwas Gutes im Menschen gefunden, um deswillen er ihn erwählt habe. Wenn von uns gesagt worden ist, Gott habe den Glauben angesehen, so wollen wir nur darunter verstanden haben: Den im Glauben ergriffenen Christus hat Gott angesehen. Aber bei alledem können wir uns nicht der Furcht erwehren, daß durch die Lehre von der Wahl, wie sie auf der anderen Seite geführt wird, die Gnade Gottes eine Einschränkung erfährt. Diese Furcht hindert uns, unter anderem, uns insonderheit zu dem in ändern Publicationen oft wiederholten Satz zu bekennen — nämlich in dem daselbst gegebenen Sinn —, daß die ewige Wahl Gottes zur Seligkeit auch eine Wahl zum Glauben sei. In dem damit verbundenen Sinn halten wir diesen Satz für durchaus falsch und glauben vielmehr, daß von keiner Erwählung die Rede sein könne, bei welcher das im Glauben ergriffene Verdienst Christi außer Acht gelassen wird.
Hierauf wurde entgegnet: Wir verbinden mit den vorliegenden 13 Sätzen keinen ändern Sinn, als den, welchen der Wortlaut dieser Sätze selbst gibt. Wer in Wirklichkeit diese Sätze so annimmt, wie sie lauten, der ist mit uns im Glauben eins. Wir bekennen, daß in diesen Sätzen die Summa alles dessen niedergelegt ist, was wir in Bezug auf die ewige Wahl Gottes glauben. Damit sagen wir zugleich, daß wir uns zu nichts bekennen, was mit diesen Sätzen nicht stimmt, und fände sich solches auch in unseren eigenen Publicationen. Wir wissen von keinem heimlichen und verborgenen Sinn in diesen Sätzen. Der Sinn, welcher darin liegt, findet durch überall klare und deutliche Worte seinen ihm völlig angemessenen klaren Ausdruck. Wir glauben, lehren und bekennen nur das, was die Sätze ihrem ausdrücklichen Wortlaute nach sagen. Und dies darum, weil in ihnen die Lehre der heiligen Schrift und in Ueberein-stimmung damit die Lehre unseres Bekenntnisses enthalten ist. Wohl ist es wahr, daß wir auch die Ausdrucksweise späterer Lehrer unserer Kirche unter uns geduldet haben. Weil wir wußten, daß ihre Lehre von der Gnadenwahl keine falsche war, haben wir sie um dieser ihrer Ausdrucksweise willen niemals für falsche Lehrer erklärt. Aber wir haben es uns auch nie verhehlt, daß wir die Ausdrucksweise der späteren Dogmatiker,
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den sogenannten zweiten Lehrtropus, lieber fallen lassen sollten, und haben ihn nunmehr auch, genöthigt durch schmerzliche Erfahrungen, herrschender Weise fallen gelassen. Wir wollen nicht als Leute erscheinen, die zu dem schändlichen Mißbrauch, welcher namentlich heutiges Tages mit diesem Tropus getrieben wird, ihre Hand bieten durch Aufrechterhaltung desselben. Hätten uns unsere Gegner gesagt: wir können uns nicht entschließen, anders von der Gnadenwahl zu reden, als z. B. ein Joh. Gerhard von derselben redet, und hätten sie sich dann ferner auch wirklich so erklärt, wie dieser, so daß wir gesehen hätten, es handele sich nur um die Äusdrucksweise, in der Lehre selbst aber seien wir einig, so wäre Wohl Friede zwischen uns und unsern Gegnern geblieben. Aber was that man? Man siel über uns her und verketzerte uns nicht nur als Calvinisten, sondern sogar auch als Kryptocalvinisten, d. H. als Schurken, die, obschon sie innerlich gänzlich calvinistisch gesinnt seien, doch äußerlich als treue Lutheraner gelten wollen. Man gründete ein Blatt gegen uns und verbreitete es in unseren Gemeinden, aus welchem dann allerlei unlautere Geister, wenn sie von uns gestraft wurden, ihre Waffen nahmen und uns als zum Calvinismus Abgefallene von sich wiesen. Ueber ein Jahr lang ließen wir uns als Ketzer verschreien. In dieser ganzen Zeit redeten wir durchaus unpersönlich und beschränkten uns nur auf die Sache, auf die Darlegung der rechten Lehre von der Gnadenwahl. Es lag uns die Einigkeit unserer lieben Synodalgemeinschaft am Herzen. Wir waren nicht gesonnen, an der Zertrümmerung derselben irgendwie mitschuldig zu werden. Das war die Ursache unseres so langen Schweigens auf persönliche Angriffe. Erst seit zwei Monaten haben wir, von der äußersten Noth dazu getrieben, angefangen, uns ein wenig zu regen. Unsere Widersacher mißdeuteten unsere Geduld und wurden immer frecher. Anstatt es bußfertig zu bekennen, daß sie wenigstens mit dazu geholfen haben, daß wir in der ganzen Welt als Kryptocalvinisten verschrieen wurden, erklären sie, jene unsere öffentlichen Verleumder noch für ihre lieben Brüder achten und zugleich mit diesen uns wenigstens der Ansätze zum Calvinismus beschuldigen zu müssen. Daneben erbieten sie sich freilich, noch fernerhin mit sich handeln lassen zu wollen. Weshalb sollen sie auch nicht? Kommt es dabei auch zu keinem Abschluß, so bietet ihnen solches fernere Verhandeln doch eine Gelegenheit, noch diesen und jenen für ihre Sache zu gewinnen. Nein! wir wollen, können und dürfen das nicht mehr länger so gehen lassen!
Wir halten mit unserer lieben Concordienformel nach Gottes Wort auch an dem Bekenntnis fest, daß Gott uns zum Glauben und zur Heiligung erwählt habe, können wirs auch nicht mit unserer Vernunft reimen, warum jener zum Glauben kommt, dieser aber nicht, obschon der erstere von Natur um kein Haar besser ist, denn der andere. Die Lösung dieses Geheimnisses sparen wir bis zum ewigen Leben. Das wissen wir aus der gnädigen Offenbarung Gottes gar Wohl, daß ein jeder die Schuld seiner Nicht-
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Erwählung sich selber zuzuschreiben hat. Nicht in Gott, sondern in dem Menschen selbst liegt die Ursache davon. So wissen wir auch dies, lehren und bekennen es auch, daß Gott auch den Verworfenen so viel Gnade gegeben hat, daß sie dadurch nicht nur hätten zum Glauben kommen, sondern auch in demselben beharren können. Was hierüber hinaus liegt, ist uns ein undurchdringliches Geheimniß. Es darf uns nicht befremden, daß dieser Artikel seine Geheimnisse hat. Andere Artikel unseres Glaubens haben sie-auch^ z. B. der Artikel von der heiligen Dreieinigkeit. Wo Gottes Offenbarung schweigt, da wollen auch wir den Finger auf den Mund legen, wie St. Paulus that, der, nachdem er die Lehre von der Gnadenwahl abgehandelt hatte und bei diesem Punkte angekommen war, abschloß mit dem Ausrufe: „O welch eine Tiefe des Neichthums beide der Weisheit und Erkenntnis Gottes! Wie gar unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforsch-lich seine Wege! Denn wer hat des HErrn Sinn erkannt? Oder wer ist sein Rathgeber gewesen? Oder wer hat ihm etwas zuvor gegeben, das ihm werde wieder vergolten? Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen."
So lehrt Gottes Wort von der Gnadenwahl. So lehren auch wir. Deß sind unter anderem auch diese vorliegenden 13 Sätze Zeugnis. Wer sie unbefangen lies't, der muß bekennen: Das ist Wahrheit und nichts als die lautere Wahrheit. Es gilt dies nicht allein von den ersten Sätzen, sondern auch ebenso von den letzteren, die den Haupttheil alles dessen enthalten, was den Begriff der Wahl bildet, nämlich daß die ewige Wahl Gottes eine Ursache ist unserer Seligkeit und alles, was dieselbe schafft, wirkt, hilft und befördert; also eine Ursache alles dessen ist, was einem Auserwählten hier auf Erden zum. Endzweck seiner unfehlbar zu erlangenden Seligkeit dient. Lies't ein Christ die Stelle Eph. 1.: Gelobet sei Gott und der Vater unsers HErrn JEsu Christi, der uns gesegnet hat mit allerlei geistlichem Segen in himmlischen Gütern durch Christum, wie er uns denn erwählet hat durch denselbigen, ehe der Welt Grund gelegt war, daß wir sollten sein heilig und unsträflich vor ihm in der Liebe u. s. w.: so bekommt er gewiß keinen ändern Eindruck, als den: Gott wolle von ihm haben, daß er allen geistlichen Segen, den er von Gott in der Zeit empfängt, auf die ewige Wahl Gottes als die Quelle dieses Segens zurückführe. Nimmt ein Christ vor sich die Stelle Rom. 8. und lies't er daselbst: Welche er zuvor versehen hat, die hat er auch verordnet. . . Welche er aber verordnet hat, die hat er auch berufen, welche er aber berufen hat, die hat er auch gerecht gemacht, welche er aber hat gerecht gemacht, die hat er auch herrlich gemacht : so sieht er gewiß sofort, Gott wolle, er solle seine Berufung, Rechtfertigung und Heiligung aus der ewigen Wahl Gottes herleiten. Alle theologischen Auseinandersetzungen, die betreffs dieses Punktes in unsern Publicationen erschienen sind, und die unsere Gegner insonderheit als solche bezeichnen zu müssen glauben, welche den Hauptirrthum in unserer Lehre von der Gnadenwahl
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enthalten, sind hauptsächlich zu dem Zwecke erfolgt, gerade diese so überaus klare Wahrheit des göttlichen Wortes gegenüber den maßlosen Angriffen der Gegner zu wahren. Zwar enthält unser Bekenntnis nicht gerade die Worte: Gott hat uns zum Glauben erwählt. Es sagt aber, daß Gott uns zur Bekehrung erwählt habe (Art. 11. Z 45.). Weil aber Bekehrung im Grunde nichts anders als Schenkung des Glaubens ist, so lehrt es damit, daß Gott uns auch zum Glauben erwählt. Ferner: Wer den Satz ehrlich annimmt: die Wahl ist eine Ursache des Glaubens, der wird sich auch nicht weigern, den Satz gelten zu lassen: Gottes ewige Wahl ist eine Wahl zum Glauben. Wohl kann man zwischen beiden Sätzen unterscheiden. Aber diese Unterscheidung kommt hier gar nicht in Betracht. Wer daher letzteren Satz nicht annehmen will, nimmt auch den ersteren nicht in Wahrheit an. Man hat auf jener Seite bemerkt, man sei „klar". Aber wie hat man diese Klarheit gewonnen? Dadurch, daß man in unserm Bekenntnis die Confusion zum Princip gemacht. Man nimmt von Vorneherein an, die Concordienformel rede von der Wahl in einem verschiedenen Sinn, ohne daß sie jemals angebe, in welchem Sinn sie gerade an der betreffenden Stelle von der Wahl rede. Je nach dem es dann paßt, verschanzt man sich bald hinter diesen bald hinter jenen, nicht von der Concordienformel gemachten, sondern selbst erdachten und ins Bekenntnis hineingetragenen Sinn.
Doch, jedermann sieht es zur Genüge, daß und inwiefern zwei ganz verschiedene Lehren von der Gnadenwahl in unserer Mitte geführt werden. Wir verwerfen und verdammen die gegnerische Lehre und unsere Gegner thun ein Gleiches mit der Lehre, die wir führen. Das kann nicht so bleiben. Wir müssen wissen, wer diejenigen sind, welche mit uns bekennen, daß die ewige Wahl Gottes unsere Seligkeit schafft und alles, was zu derselben gehört, also auch den Glauben, und welche diejenigen sind, die das leugnen und damit den Glauben, den sie nicht von der Wahl abhängig sein lassen wollen, vom Verhalten des Menschen abhängig sein lassen müssen, wie ja auch einer unserer auswärtigen Gegner uns gerade das als einen Hauptirrthum in unserer Lehre anrechnet, daß wir leugnen, Gott habe in seiner ewigen Wahl auf das Verhalten der Menschen gesehen, während ein anderer ganz ausdrücklich sagt: Gott habe des Menschen "Oonäuct" d. i. sein selbst eigenes Verhalten bei seiner Erwählung berücksichtigt. Und unsere Gegner in unserer eigenen Mitte? Sie billigen solche Reden! Nicht? Billigten sie dieselben wirklich nicht, so würden sie öffentlich dagegen auftreten und würden sich von solchen Bundesgenossen lossagen. Weil sie aber daran nicht einmal denken, so wenden wir mit Recht dies Sprüchwort auf sie an: Sage mir, mit wem du umgehest, und ich will dir sagen, wer du bist.
Nachdem hierauf die Frage an die Synode gerichtet worden war, ob sie nunmehr zur Abstimmung bereit sei, und man allerseits auf diese
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Frage mit Ja geantwortet hatte, wurde die folgende Frage an die Synode gestellt:
„Erkennt die Synode die in unsern Publicationen dargestellte Lehre von der Gnadenwahl, soweit sie summarisch in den vorgelesenen 13 Sätzen zusammengefaßt ist, für die Lehre der heiligen Schrift und des lutherischen Bekenntnisses?"
Diese Frage beantwortete die große Majorität der Synode mit einem lauten freudigen Ja! Nur eine verschwindend kleine Minorität antwortete mit Nein! Als nun Aufforderung an diese Minorität erging, jeder einzelne derselben möge sich erklären, in welchem Sinne er mit Nein gestimmt habe, gaben folgende Pastoren nachstehende Erklärungen ab:
Allwardt: „Ich habe nicht darum mit Nein gestimmt, weil ich die 13 Thesen verwerfe, sondern weil ich mir bewußt bin, daß ich einige derselben nicht in demselben Sinne unterschreiben kann, wie dies von der ändern Seite geschieht. Es ist in unsern Publicationen viel mehr über die Lehre von der Gnadenwahl veröffentlicht worden, als diese Thesen. Vieles davon halte ich für irrig. Die vorgelegte Frage aber lautet nicht auf die Thesen allein, sondern auf das Ganze, ,soweit es in den vorgelesenen 13 Sätzen zusammengefaßt ist.« Hierzu kommt, daß namentlich Thesis 10 und 11 Abschnitte aus dem Bekenntnis enthalten, deren Sinn jetzt unter uns streitig ist. Ich kann also die Thesen nicht in demselben Sinn unterschreiben, wie die Synode ; und die Ehrlichkeit erfordert, daß ich das sage. Um deßwillen habe ich mit Nein gestimmt."
H. Ernst: „Wenn ich mit Nein gestimmt habe, so habe ich damit nicht etwa sagen wollen, daß ich alle vorliegenden Sätze verwerfe. Zu den allermeisten derselben bekenne ich mich vielmehr mit der Ehrw. Synode von ganzem Herzen. Mein Nein galt vornehmlich Satz 10 und 11. Und auch diese kann ich dem Wortlaut nach annehmen und nehme ich an. Aber freilich muß ich bekennen, daß der Sinn, welchen ich mit dem Wortlaut letztgenannter Sätze verbinde, ein anderer ist, als der, welcher auf entgegengesetzter Seite damit verbunden wird. Auch ich glaube und bekenne, daß die Bewegursache der Wahl nicht etwas vorausgesehenes Gutes im Menschen, auch nicht der Glaube, sondern allein Gottes Gnade und Christi Verdienst sei; aber freilich letzteres nicht bloß insofern es von Christo erworben, sondern auch, insofern es dem Menschen durch den Glauben angeeignet ist. Auch ich bekenne mit der Concordienformel, daß die Wahl eine Ursache sei, ,so da unsere Seligkeit und was zu derselben gehöret, schaffet, wirket, hilft und befördert.« Unter dieser Wahl verstehe ich aber nicht nur die Auswahl bestimmter Personen und Verordnung derselben zum Glauben und zur Seligkeit, sondern zuerst und vor allem die Bereitung der Seligkeit insgemein, die Bestimmung des allgemeinen Heilsweges. Vornehmlich um dieses ersten Theiles der Wahl willen nenne ich dieselbe eine Ursache des Glaubens. — Diese meine Stellung zu kennzeichnen, stimmte ich mit Nein."
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Rohe: „Ich schließe mich der Erklärung des Herrn Pastor Ernst an und füge noch hinzu: Es ist hier von Herrn vr. Walther ausdrücklich erklärt worden, daß in diesen Sätzen die Lehre von einer particulären Wahl zur Buße, zum Glauben u. s. w. entschieden festgehalten werden soll, und das ist es, was ich nicht annehmen kann; denn ich finde diese Lehre nicht in der Schrift und nicht im Bekenntnis."
Dörmann: „Ich schließe mich der Erklärung der drei Pastoren an, welche vor mir geredet haben. Auch ich kann dem nicht beistimmen, daß die ewige Wahl Gottes (im engern Sinn) eine Wahl zur Berufung, zur Buße und zum Glauben sei."
Bühl: „Ich habe weder mit Ja noch mit Nein gestimmt. Diesen 13 Sätzen selbst, wie sie dastehen, kann ich meine volle Zustimmung geben, aber an sonstige Publicationen, die innerhalb der Synode bezüglich der Lehre von der Gnadenwahl erschienen sind, lasse ich mein Gewissen nicht binden, weil mir der ganze Streit über diese Lehre ein Aergerniß ist, und ich die beiderseitigen Beschimpfungen ,Calvinisten« und .Synergisten« als ein Unrecht strafen muß."
P. Eirich: „Drei Gründe sind es hauptsächlich, die mich bewogen haben, mit Nein zu stimmen: 1) Ich habe zwar früher die uns vorgelegten Sätze gelesen, aber ihr Inhalt ist mir augenblicklich nicht in dem Maße gegenwärtig, daß ich mich ohne Weiteres zu denselben bekennen könnte. 2) Es ist in diesen Sätzen eine Lehre fallen gelassen worden, zu welcher sich die angesehensten Lehrer unserer Kirche bekannt und sie vertheidigt haben, nämlich diese, daß die ewige Wahl Gottes geschehen sei in Ansehung des Glaubens. 3) Soweit mir der Inhalt vorliegender 13 Sätze gegenwärtig ist, halte ich keinen derselben, an und für sich betrachtet, für verwerflich. Aber ich bekenne mich nicht zu manchen dieser Sätze, insofern sie in Zusammenhang gebracht werden mit sonstigen Publicationen, die innerhalb der Synode erschienen sind, da in diesen sich „einzelne Sätze finden, die ich beanstanden muß."
Soweit die abgegebenen Erklärungen. — Auf die Frage, welches nun das fernere Verhalten der Synode gegen solche ihrer Glieder sein werde, welche die Synode falscher Lehre beschuldigen, wurde geantwortet: So lange sie nicht aufrichtige Buße darüber thun, daß sie, wenn sie etwa auch nicht selbst uns Calvinisten gescholten, doch dazu geholfen haben, daß es andere thaten, kann von einem Zusammenbleiben und -Gehen mit ihnen nicht die Rede sein, selbst dann nicht, wenn sie ihre Beschuldigungen, daß wir falsche Lehre führen, zurücknehmen. Eine solche Buße ist unerläßlich. Es haben nun die Districtssynoden, resp. deren Präsides, die Sache in die Hand zu nehmen und mit unsern Gegnern weiter zu handeln. Aufstellung von besonderen Regeln hierfür ist nicht nöthig. Wir haben für dergleichen Fälle bereits unter uns eine Regel, die noch immer sich als zureichend erwiesen / hat, nämlich diese: Wer immer einer Lehre, wie wir sie der Schrift und
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dem Bekenntnis gemäß führen, widerspricht und dieselbe für eine falsche erklärt, der ist in Zucht zu nehmen. Läßt er sich privatim nicht weisen, beharrt er vielmehr bei seinem Jrrthum, so muß nach vergeblichen Ermahnungen durch den Präses des Districts weitere Lehrzucht an ihm geübt und von Stufe zu Stufe damit weiter geschritten und er endlich als ein offenbar hartnäckiger Jrrlehrer von der Synodalgemeinschaft ausgeschlossen werden. Wohl sollte man von allen denen, welche unsere Lehre für falsch und calvinistisch, oder doch wenigstens für eine solche erklären, die Ansätze zum Calvinismus habe, erwarten, daß sie es dahin nicht kommen lassen würden, sondern zuvor schon selbst ihre Verbindung mit einer solchen, nach ihrer Ueberzeugung im schweren Jrrthum sich befindlichen, Synode lös'ten. Geschieht letzteres nicht, meinen sie, ruhig zuwarten zu können, bis mit ihnen gethan wird, was Gottes Wort mit allen denen zu thun gebietet, welche nicht bei der heilsamen Lehre bleiben, so müssen wir ihnen auch noch den Vorwurf machen, daß es ihnen mit ihrer Lehre doch kein rechter Ernst zu sein scheine, daß sie sich damit also selbst hinstellen als solche Leute, die die Kirche Gottes beunruhigt haben um nichts und wieder nichts. Mögen sie immerhin sich und Ändern einreden, die hier versammelte Synode sei nicht die Missourisynode, sondern nur ein Theil derselben; die Synode als solche habe darum noch gar nicht gesprochen, das würde erst dann der Fall sein, wenn sämmtliche Districtssynoden diese Angelegenheit behandelt hätten; ja sie, die kleine Minorität, sei im Grunde die rechte echte Missourisynode, die Majorität dagegen seien die von der Wahrheit abgefallenen Neu-Missourier, denen sie nicht zu weichen hätten: so ist das alles doch offenbar nichts als eitel Täuscherei und Trügerei. Wir sind hier versammelt im Aufträge sämmtlicher Synodalgemeinden. Jede unserer Gemeinden ist hier ausdrücklich vertreten, und zwar auch den Bekenntnisstand derselben vertreten wir hier. Das Gegentheil anzunehmen und zu behaupten hat niemand ein Recht, bis er es mit unleugbaren Thatsachen bewiesen hat. Nicht etwa einzelne Glieder der Synode, und zwar nur für ihre eigene Person, nein, die Synode selbst hat ihr Bekenntnis gethan. Und sollte sich späterhin etwa wirklich Herausstellen, daß das Bekenntnis dieses oder jenes Delegaten in dieser Sache nicht das dieser oder jener Gemeinde war, welche er mit vertrat, so ändert doch das an dem Thatbestande nichts, daß hier die Missourisynode als solche versammelt war und ihr Bekenntnis that. Sämmtliche Gemeinden unseres Synodalverbandes wußten auch, welches die Lehre der Synode von der Gnadenwahl sei. Bekenneten sich die Gemeinden nicht dazu, so würden sie durch ihre zuständigen Behörden schon eingeschritten sein und diejenigen, welche nach ihrer Ueberzeugung falsche Lehre öffentlich vortrügen und vertheidigten, aus ihrer Mitte entfernen, resp. von ihrem Lehramts absetzen. Denn falsche Lehrer können und wollen unsere Gemeinden an ihren Lehranstalten nicht dulden. Anstatt aber ihren Lehrern Schweigen aufzuerlegen, haben sich die Gemeinden nun auch vor
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aller Welt zu deren Veröffentlichungen bekannt. Im Ausland wie im Inland ist daher unter allen Verständigen nur eine Stimme darüber, daß die Lehre, wie sie in unfern Publikationen vorgetragen wird, die Lehre der Mifsourisynode als solcher ist. Wohl kann es ja freilich geschehen, daß eine Minorität die Wahrheit hat und bekennt, während die Majorität in den Jrrthum gerathen ist. Aber nun beweise man uns aus Gottes Wort und den Bekenntniffen unserer Kirche, daß dies jetzt bei uns der Fall sei. So lange wir auf dem Grunde der Schrift und des Bekenntnisses stehen, was daraus offenbar ist, daß wir den Inhalt beider einfältig annehmen, wie er lautet, wie wir denn solches, wie in ändern Lehren, also auch in der Lehre von der Gnadenwahl thun, so lange bleibe man uns mit dem Vorwurf fern, daß wir im Jrrthum seien. Unsere Gegner, die sich genöthigt sehen, allerlei Künste anzuwenden, um die vermeintliche Wahrheit ihrer Lehre aus Gottes Wort und dem Bekenntnis zu beweisen, haben am allerwenigsten Ursache, uns des Abfalls von der Wahrheit zu beschuldigen. Klar liegt es vor Jedermanns Augen, daß sie vielmehr von der Wahrheit abgewichen sind. Daher haben wir mit ihnen auch ebenso zu Verfahren, wie wir mit allen denen verfahren müssen, welche Artikel unseres christlichen Glaubens über den Haufen zu stürzen suchen. Damit, daß die Delegatensynode die einzelnen Distrikte, resp. deren Präsides, ermuntert, in dieser Angelegenheit (in der um besonderer Umstände willen mit Recht bis jetzt zugewartet worden ist) nunmehr zu thun, was ihres Amtes ist, hat sie, die Delegatensynode, ihrer Pflicht vollkommen Genüge gethan. Anders läge die Sache, wenn Districtspräsides vorhanden wären, die auf Seiten der Gegner ständen. Durch Gottes Gnade aber stehen diese, und zwar ohne Ausnahme, treu und fest wie Ein Mann auf der rechten Seite. Zu diesen Männern darf die Synode also das volle Vertrauen haben, daß sie als Hüter reiner Lehre, auch der von der Gnadenwahl, ihres Amtes so warten werden, wie es ihnen dem Worte Gottes gemäß gebührt.
Die Stellung der Synode als solcher im gegenwärtigen Gnaden-wahlslehrstreit zur Synodal-Conferenz.
Gewisse Glieder solcher Synoden, welche mit uns im Bruderbunde stehen, haben unsere Synode, oder doch einzelne Glieder derselben, öffentlich falscher Lehre, resp. des Abfalls zum Calvinismus beschuldigt. Damit haben nun zwar nicht jene Synoden, aber doch Glieder derselben für ihre Personen den Vertrag gebrochen, der unserer Vereinigung zu Grunde lag. Wollte man entgegnen, daß ja auch Glieder unserer Synode jenen Gegnern den Vorwurf falscher Lehre, ja des Pelagianismus und Synergismus gemacht hätten, und darum ein gleicher Bundesbruch auf unserer Seite vor-
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liege, so vergißt man, daß, wie es sich bei allen Verträgen von selbst versteht, der Vertrag unsererseits als aufgehoben betrachtet werden durfte und Mußte, als er von entgegengesetzter Seite gebrochen ward. Wie konnten und durften wir auch, da man fort und fort uns der schwersten Irrlehre zieh und daneben die Wahrheit verlästerte, auf die Dauer dazu schweigen? Es wäre das eine Untreue und eine vor Gott und der ganzen Christenheit unverantwortliche Lässigkeit gewesen. Wie hätten wir, ohne uns zu rühren, fast zwei Jahre lang, nämlich bis zur Wiederversammlung der Synodalconferenz, solche öffentlichen Beschuldigungen über uns ergehen lassen dürfen? Gerne hätten wir auf anderem Wege dem Uebel abgeholfen! Aber man gab uns ja freilich nicht die rechte Gelegenheit. Als bald nach der im Jahre 1879 zuletzt stattgehabten Versammlung der Synodalconferenz — (ein Jahr zuvor sch878^j lag der Synodalbericht des westlichen Distrikts vom Jahre 1877, auf Grund dessen der Kampf gegen uns von unfern Gegnern begonnen ward, zur Begutachtung vor der Synodalconferenz und wurde von dieser unter der Erklärung, daß der Inhalt desselben ein ganz vortrefflicher sei, angenommen) — plötzlich der öffentliche Angriff gegen uns erfolgte, ist der damalige Präses der Synodalconferenz nicht bloß einmal gebeten worden, den Friedensbruch zu rügen und zur Beilegung des Streites eine Extra-Sitzung zusammenzurufen. Aber umsonst. Als Grund gab er an, daß er nicht dafür halte, eine solche Macht überkommen zu haben. Was blieb uns denn da noch weiter übrig, als gegen die fort und Hort erneuerten öffentlichen Angriffe uns endlich auch öffentlich zu wehren?
Wohl niemand wird von uns erwarten, daß wir diejenigen, welche rins durch ihren sofortigen öffentlichen Angriff vor aller Welt als verstockte Ketzer behandelt haben, fernerhin für unsere Brüder anerkennen und mit ihnen auch künftighin in öffentlichen kirchlichen Zusammenkünften zusammensitzen. Das ist unmöglich, so lange nicht von ihrer Seite eine aufrichtige Buße erfolgt ist. Demgemäß hat nun die gegenwärtig versammelte Delegaten-Synode die Pflicht, bestimmte Erklärungen abzugeben, nach welchen sich unsere Delegaten, die von den einzelnen Districtssynoden als deren Vertreter erwählt worden sind, zu richten haben werden.
Beschlossen, daß die von den einzelnen Districten unserer Synode «rwählten Delegaten für die Synodalconferenz hiemit folgende Instructionen «rhalten:
„1. Ihr sitzt mit keiner Person in kirchlicher Berathung zusammen, die uns öffentlich des Calvinismus beschuldigt hat."
„2. Ihr erkennt keine Synode als Glied der Synodalconferenz an, die, als solche, gegen uns die Beschuldigung des Calvinismus erhebt."