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1891 Southern, Pieper Doctrine Church for Individual Christians, Congregations, Whole Church Bodies
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1891  Southern District, Franz Pieper: “Importance of Right Doctrine of the Church, Individual Christians, Congregations, and Whole Church Bodies”

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Verhandlungen des Südlichen Districts (7.) der Synode von Missouri, Ohio u. a. St. 1891.

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Lehrverhandlungen.

Den Lehrverhandlungen, welche gepflogen wurden, lagen Thesen zu Grunde, welche von Herrn Prof. F. Pieper verfaßt waren und von diesem auch gütigst ausgeführt wurden. Das Referat stellte im Wesentlichen Folgendes vor Augen.

Unsere Synode hat schon in der ersten Zeit ihres Bestehens einen schweren Lehrkampf in Bezug auf die Lehre von der Kirche geführt. Es handelte sich um die Fragen, was die Kirche sei, mit welchen Rechten Christus seine Kirche ausgestattet habe, in welchem Verhältniß das Predigtamt zur Kirche stehe, wie es in der christlichen Kirche im Unterschiede von den Reichen dieser Welt zugehen solle u. s. w. Die nun zumeist schon entschlafenen Väter unserer Synode haben sich nicht geweigert, diesen Lehrkampf aufzunehmen, wiewohl sie sich lieber im Frieden erbaut hätten, und den Kampf gegen Leute führen mußten, mit welchen sie lieber Hand in Hand gearbeitet hätten. Aber sie waren in ihrem Gewissen aus Gottes Wort überzeugt, daß sie den Kampf führen mußten. Und ihre Ueberzeugung war die richtige. Handelte es sich doch um Fragen, welche von der größten Bedeutung sind sowohl für die einzelnen Christen, welche mit Ernst nach ihrer Seelen Seligkeit fragen, als auch für die christlichen Gemeinden und größeren kirchlichen Gemeinschaften, welche sich im Ernst darum bekümmern, wie es in einer christlichen Gemeinde und Gemeinschaft zugehen folle. Von der Wichtigkeit der rechten Lehre von der Kirche für die einzelnen Christen, die christlichen Gemeinschaften und ganze kirchliche Körperschaften wollen wir in diesen Synodalsitzungen etwas ausführlicher handeln.

Welches ist denn die rechte Lehre von der Kirche? Ueber diese Lehre lassen sich ganze Bücher schreiben, und damit ist dem Gegenstand nicht zu viel Wichtigkeit beigelegt. Wiederum ist die Lehre von der Kirche — wie alle anderen Lehren des Wortes Gottes — so klar und einfach, daß sie sich in einige wenige Sätze zusammenfassen läßt. Man kann sie zusammenfassen in die beiden Sätze: 1. Die Kirche ist die Gemeinde der Gläubigen. 2. Diese Gemeinde der Gläubigen ist von Christo mit allen geistlichen Rechten und Pflichten, die es in der Kirche gibt, betraut worden. Wer diese beiden Sätze festhält, kann in der Lehre von der Kirche nicht mehr irre gehen. Von diesen beiden Sätzen aus wollen wir zu erkennen suchen:

 


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Die Wichtigkeit der rechten Lehre von der Kirche für die einzelnen Christen, die christlichen Gemeinden und ganze kirchliche Körperschaften.

Thesis I.

Ist die Kirche die Gemeine der Gläubigen, so daß keine Gottlosen und Heuchler, mögen sie auch in der äußeren Gemeinschaft der Kirche sich befinden, zur Kirche gehören, so liegt in dieser Wahrheit

1. für die einzelnen Personen, welche in dem äußeren Verband der Kirche stehen, die Mahnung zu täglicher Prüfung, ob sie auch innerlich durch den Glauben Christo angehören, sowie zu sorgfältiger Meidung alles dessen, wodurch der Glaube verloren werden kann. In derselben Wahrheit liegt aber auch für den Einzelnen der süße Trost, daß ihn nichts von der Kirche und ihren herrlichen Verheißungen scheiden könne, wenn in seinem Herzen der Glaube an Christum ist.

2. für die christlichen Gemeinden liegt in dieser Wahrheit unter Anderem Folgendes: a) nur Solche als Glieder aufzunehmen, die man der Liebe nach für Christen halten kann; aber auch Niemand die Aufnahme zu versagen, in Bezug auf welchen jenes der Fall ist, d) ihren Bestand und ihre Ausbreitung nur auf solche Mittel zu gründen, durch welche der Glaube an Christum erzeugt und erhalten wird.

3. der kirchliche Körper (Synode), in welchem diese Wahrheit lebt, wird nicht durch menschliche Maßregeln, durch Nachlassen von Gottes Wort, durch Zuhülfenahme des weltlichen Armes des Staates 2c., sondern durch die Sorge für die Ausbreitung und Erhaltung des reinen Evangeliums das Reich Gottes zu bauen suchen.

Thesis II.

Ist die Gemeinde der Gläubigen, nicht bloß ein besonderer Stand in der Kirche, mit allen geistlichen Rechten und Pflichten von Christo betraut worden, so erkennen im Hinblick auf die den Gläubigen gegebenen Rechte

1. die einzelnen Christen die wunderbare Herrlichkeit des Christenstandes und halten sie sorgfältig über den Rechten desselben. Insonderheit halten sie über dem Recht, nach Gottes Wort über die Lehre zu urteilen, von aller Menschenherrschaft frei und Christo allein untertan zu sein, wie sie selbst auch, nicht begehren, über ihre Brüder zu herrschen 2c.

2. Die Gemeinde übt ihr Recht, rechte Lehrer zu berufen und falsche Lehrer zu meiden, sie selbst ordnet die sogenannten Mitteldinge, wie auch sie diese Mitteldinge nicht ihren einzelnen Gliedern als gewissensverbindlich auferlegt 2c.

 


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3. Für eine Synode ergibt sich aus dem Satze, daß die Gläubigen die Inhaber aller geistlichen Rechte sind, daß sie (die Synode) sich sorgfältig hütet, die Rechte der Gemeinden zu kränken, und diesen gegenüber nur ein beratender Körper sein will.

Weil aber auch alle geistlichen Pflichten ursprünglich auf den Gläubigen ruhen, so sind auch

alle Gläubigen bestrebt, diese Pflichten zu erfüllen. Sie, die Gläubigen, sind es, welche dafür zu sorgen haben, daß das Wort Gottes reichlich und rein unter ihnen wohne; für falsche Lehre sind sie verantwortlich. Sie müssen darnach trachten, in der geistlichen Erkenntniß zu wachsen, um nach Gottes Wort über Lehre und Leben urteilen zu können. Sie müssen für alle Angelegenheiten der Gemeinde und des Reiches Gottes die eifrigste Teilnahme zeigen. Ihnen liegt die Ausbreitung des Reiches Gottes durch die Predigt des Evangeliüms ob; sie haben für Geld, Lehranstalten, Schüler u. s. w. zu sorgen. Die einzelnen Christen und Gemeinden sollten willig sein, sich mit ändern Christen und Gemeinden zu verbinden, um ihre geistlichen Pflichten desto besser ausüben zu können.

I.

Die christliche Kirche ist die Gemeinde der Gläubigen. Oder noch kürzer: Die Kirche sind die Gläubigen, die Christen. Zu der christlichen Kirche gehören weder offenbar Gottlose noch auch Heuchler, wenn sie auch äußerlich in der Gemeinschaft der Kirche sich befinden oder gar Aemter in derselben bekleiden. Nicht durch die äußere Verbindung mit Christen und nicht durch das äußere Umgehen mit Dingen, die sich bei und an der Kirche finden, sondern durch die innere Verbindung des Herzens mit Christo, welche durch den Glauben an Christum als den Sünderheiland hergestellt wird, ist ein Mensch-ein Glied der Kirche. Wem der Glaube an Christum fehlt, der steht außerhalb der christlichen Kirche.

Das ist klare Lehre des Wortes Gottes. Die christliche Kirche wird in der Schrift Christi Leib genannt (Eph. 1, 22. 23.), der von Christo, als dem Haupt, mit geistlichem Leben erfüllt und regiert wird. Aber nur die Gläubigen sind mit Christo als Glieder Eines Leibes verbunden. Wer Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein. — Die Kirche heißt in der Schrift Gottes Haus und Tempel, 1 Tim. 3, 15. 1 Cor. 3, 16. Nun aber wohnt Gott in den Menschen nur durch den Glauben an Christum. Eph. 3, 17. Gott zieht in die Menschenherzen ein, wenn er durch das Evangelium zu ihnen kommt und die Menschen das Evangelium im Glauben annehmen. Joh. 14, 23. — Die Kirche ist die Gesammtheit der Kinder Gottes in der Welt. Joh. 11, 51. 52. Kinder Gottes aber sind die Menschen allein durch den Glauben an Christum JEsum. Gal. 3, 26. —


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Die Kirche ist erbauet auf den Grund der Apostel und Propheten, da JEsus Christus der Eckstein ist. Aber auf Christi Wort und Christum ist ein Mensch nur dann erbaut, wenn er im Glauben auf Christum und sein Wort sich stützt. Kurz, die Kirche sind die Gläubigen.

Das ist auch die einhellige Lehre unserer Kirche in ihrem Bekenntniß. Unsere Kirche bekennt im 8. Artikel der Augsburgischen Confession, daß "die christliche Kirche eigentlich nichts anderes ist, denn die Versammlung aller Gläubigen und Heiligen". Und in den Schmalkaldischen Artikeln: "Es weiß, Gott Lob, ein Kind von sieben Jahren, was die Kirche sei, nämlich die heiligen Gläubigen und die Schäflein, die ihres Hirten Stimme hören. Denn also beten die Kinder: ,Ich glaube eine heilige christliche Kirche? " (Teil III. Art. 12.) Von den Gottlosen und Heuchlern, welche äußerlich der Gemeinschaft der Gläubigen beigemischt sind, sagt die Apologie: "In welchen Christus durch seinen Geist nichts wirket, die sein nicht Gliedmaß Christi." (Müller, S. 152.)

Die Kirche also ist — so lehrt Gottes Wort und so bezeugt unser Bekenntniß — die Gemeinde der Gläubigen. Und außerhalb der Gemeinde der Gläubigen gibt es keine Vergebung der Sünden und keine Gotteskind-fchaft, denn wir haben Vergebung der Sünden und die Gotteskindschaft nur durch den Glauben an Christum JEsum. Außerhalb der Gemeinde der Gläubigen gibt es auch keine Seligkeit, denn nur wer an den Sohn glaubt, hat das ewige Leben; wer aber dem Sohn nicht glaubt, der wird das ewige Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibet über ihm. Joh. 3, 36.

Was ergibt sich nun hieraus für den Einzelnen, welcher im äußern Verbände der Kirche steht? Erstens eine gewaltige Mahnung; die Mahnung nämlich, sich zu prüfen, ob er auch im Glauben stehe, ob sich auch das bei ihm finde, was einen Menschen zu einem wirklichen Glied der Kirche macht, der Glaube an Christum. Der Mensch ist ja geneigt, sich zu betrügen, besonders vuch in dem Punkte sich zu betrügen, daß er meint, er gehöre zur Kirche, es stehe recht mit ihm, weil er sich äußerlich zu den Christen hält, sich in der äußeren Gliedschaft mit einer christlichen Gemeinde befindet, am Gottesdienst teilnimmt, einst getauft ist, das Abendmahl genießt und in allen Stücken sich äußerlich wie ein Christ hält. Und doch hilft ihm das alles nichts, wenn er nicht ein bekehrter Christ ist. Es gibt kein Surrogat für die Bekehrung oder den Glauben an Christum. Ohne diesen mag sich Einer anstellen, wie er will, es ist alles umsonst. Mag jemand in der vordersten Reihe bei der Arbeit, beim Kampfe, beim Predigen und Lehren stehen, mag jemand Präses oder Professor oder Pastor oder Lehrer oder Vorsteher oder ein sogenanntes prominentes Gemeindeglied sein — ist nicht der Glaube an Christum in seinem Herzen, so ist er kein Glied der Kirche. Ein solcher arbeitet an dem Bau der Kirche, ohne selbst zur Kirche zu gehören. Die Gnade Gottes und die

 


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Seligkeit wird eben nicht durch Werke erworben, auch nicht durch Werke, welche in der Kirche getan werden. Die Gnade und Seligkeit ist allein durch Christum erworben, und teilhaftig wird man ihrer allein durch den Glauben an Christum. Zu denen, die nicht im Glauben Gottes Gnade angenommen haben, wird Christus, auch wenn sie äußerlich viel getan haben, sagen: "Weichet von mir; ich habe euch noch nie erkannt."

In unserm Dietrichschen Katechismus wird daher auf die 304. Frage: "Welches ist der rechte Gebrauch der Lehre von der Kirche?" geantwortet: 3. "wenn wir zusehen, wie wir nicht allein zu der äußerlichen (welches alle Heuchler, Schein- und Maulchristen zu tun pflegen), sondern auch zu der innerlichen Gemeinschaft der Heiligen uns halten, alle böse Gemeinschaft fliehen und meiden, und mit allem Fleiß dahin trachten, wie wir in dieser Gemeinde der Heiligen beständig bis an unser Ende und also in Ewigkeit verbleiben mögen."

Ist die Kirche die Gemeinde der Gläubigen, kommt alles darauf an, daß ein Mensch im Glauben stehe und im Glauben bleibe, fo wird der, welcher in dieser Erkenntniß steht, alle von Gott gegebenen Mittel gebrauchen, um im Glauben zu bleiben, und alles meiden, wodurch der Glaube verloren werden kann. Aus der Erkenntniß, daß die Kirche die Gemeinde der Gläubigen ist, folgt also zunächst fleißiger Gebrauch der Gnadenmittel. Der Glaube wird lediglich durch Gottes Wort gewirkt und erhalten. Wer also in der Gemeinde der Gläubigen bleiben will, wird fleißig mit Gottes Wort umgehen. Sein tägliches Gebet zu Gott wird sein, daß Gott ihn bei seinem Wort erhalten und durch das Wort in ihm wirken wolle. Ebenso wird der Christ aber auch alles meiden, wodurch der Glaube verloren werden kann. Dahin gehört erstlich die kirchliche Gemeinschaft mit den Irrgläubigen, die Gemeinschaft mit denen, welche Gottes Wort fälschen. Es ist wahr, es gibt auch in den irrgläubigen Gemeinschaften, in welchen noch Hauptstücke der christlichen Wahrheit festgehalten werden, wahre Kinder Gottes. Daher sagen Manche, es komme nicht viel darauf an, welcher der bestehenden Kirchengemeinschaften man angehöre, man könne sich ohne Schaden auch zu den Secten halten. Aber das ist geistlicher Unverstand. Einmal ist in Gottes Wort die Zugehörigkeit zu irrgläubigen Gemeinschaften rund und klar verboten. "Ich ermahne euch aber, lieben Brüder", heißt es Röm. 16, 17., "daß ihr auffehet auf die, die da Zertrennung und Aergerniß anrichten, neben der Lehre, die ihr gelernet habt, und weichet von denselbigen." Also zu denen, die Irrlehre auf ihre Fahne geschrieben haben, soll ein Christ nicht gehören, sondern von denselben weichen. Sodann: jeder Irrtum ist seelengefährlich, bringt den Glauben an Christum in Gefahr. Demnach wird jeder Christ, der seine Seele in seinen Händen trägt, sich sorgsam vor der kirchlichen Gemeinschaft der Irrgläubigen hüten. Ein jeder, der glaubt, daß die Kirche die Gemeinde der Gläubigen ist.

 


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wird nur zur rechtgläubigen Kirche sich halten. — Ferner kann der Glaube nicht bei einem Leben der Sünde bestehen. So gewiß es ist, daß ein Mensch durch gute Werke oder gutes Verhalten sich den Glauben nicht geben und erhalten kann, so gewiß ist es, daß der Mensch durch seine eigenen bösen Werke oder böses Verhalten den Glauben verliert, aus der Gemeinde der Gläubigen herausfällt und der Gnade und der Seligkeit verlustig geht.

So bewirkt die Erkenntniß, daß die Kirche die Gemeinde der Gläubigen ist, fleißigen Gebrauch der Gnadenmittel, fleißiges Forschen in Gottes Wort, fleißigen Besuch der öffentlichen Gottesdienste, sorgsame Meidung alles dessen, was den Glauben gefährdet.

Aber auch Trost, überschwänglicher Trost liegt in der Wahrheit, daß die Kirche die Gemeinde der Gläubigen ist. Glaubt jemand an Christum, so gehört er zur Kirche, ist er ein wahres Glied am Leibe Christi, wenn er vordem auch ein großer Sünder war und auch nach seiner Bekehrung sein böses Fleisch ihm noch viel zu schaffen macht. Denn nicht durch unsere guten Werke, sondern durch den Glauben an das Evangelium, welches den Unwürdigen Gnade und Gotteskindschaft zusagt, sind wir Glieder der Gemeinde der Heiligen. — Ferner: Bei der Erkenntniß, was die Kirche sei, weiß ein Christ auch, daß er ein Glied am Leibe Christi bleibt, wenn ihn auch eine Gemeinschaft ungerechter Weise in den Bann getan haben sollte. Das war es, was z. B. Luther tröstete, als der Pabst über ihn den Bann verhängt hatte. — Ferner: bekehrt sich jemand noch auf dem Todtenbett, so soll er wissen, daß er zu der Gemeinde der Gläubigen getreten ist und an allen ihren Verheißungen Teil hat, obwohl kein äußerlicher Anschluß an eine christliche Gemeinde erfolgen konnte. Freilich ist es Gottes Wille, daß jeder, in dessen Herzen der Glaube an Christum angezündet worden ist, sich auch äußerlich der sichtbaren Gemeinschaft der Christen anschließe. Wer Christum erkannt hat, soll auch mit den Bekennern Christi Gemeinschaft pflegen und so Christum vor der Welt bekennen. Die innerlich durch den Glauben verbunden sind, sollen, wo es möglich ist, auch zu äußerer Gemeinschaft zusammentreten. Die äußere Versammlung der Christen hat Christus gewollt, derselben viele Werke befohlen (z. B. die Handhabung der Kirchenzucht, Matth. 18.) und viele herrliche Verheißungen gegeben. Matth. 18, 20.: "Wo zween oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen." Nach dieser äußeren Versammlung tragen auch die Gläubigen ein herzliches Verlangen. Ps. 26, 6. sagt David: "Ich halte mich, HErr, zu deinem Altar" u. s. w. Hebr. 10, 25. werden die gestraft, die sich der äußeren Gemeinschaft der Christen entziehen wollten. Von den ersten Christen in Jerusalem wird berichtet: "Sie blieben aber beständig in der Gemeinschaft und im Brodbrechen und im Gebet. Alle aber, die gläubig waren geworden, waren bei einander." Apost. 2. Kurz, der Christ würde sich schwer versündigen, der sich nicht auch äußerlich an eine rechtgläubige Ortsgemeinde anschließen wollte. Dabei

 


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bleibt feststehen, daß alles auf den Glauben, der im Herzen ist, ankommt. Hat also z. B. jemand auf dem Todtenbette keine Zeit mehr dazu, sich einer Ortsgemeinde äußerlich anzuschließen, so soll er nicht an Gottes Gnade und seiner Seligkeit zweifeln. Er ist zur christlichen Kirche getreten und aller ihrer Güter teilhaftig geworden in dem Augenblick, als er an Christum gläubig wurde. Gerhard sagt: "Mit der allgemeinen Kirche wird man verbunden, wenn man durch den wahren Glauben mit Christo, dem Haupt Derselben, verbunden wird." (Locus de eccl. § 84.) Der äußere Anschluß an die kirchliche Gemeinschaft ist ja nicht der Glaube, sondern ist ein Werk, welches freilich der Gläubige tun und wodurch er seinen Glauben beweisen und bekennen soll. Aber wie die Seligkeit von keinem Werk abhängig ist, sondern allein durch den Glauben erlangt wird, wie geschrieben steht: "So halten wir es nun, daß der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben", fo ist die Seligkeit auch nicht von dem Werk abhängig, daß jemand äußerlich zur kirchlichen Gemeinschaft tritt. Wollte jemand behaupten, ein Mensch könne nicht selig werden, wenn er sich nicht zuvor einer christlichen Gemeinde äußerlich angeschloffen hat, der würde den Grundartikel der christlichen Religion, die Lehre von der Rechtfertigung, umstoßen. Ja, es könnte eine Zeit geben, wo ein Christ sich gar nicht an eine sichtbare kirchliche Gemeinschaft anschließen könnte, wenn nämlich gar keine rechtgläubige sichtbare Kirche vorhanden wäre.

Daß ein mit Unrecht Gebannter nicht aufhört, ein Glied der Kirche zu sein, darüber sagt Gerhard: "Ein mit Unrecht Gebannter wird der äußeren Gemeinschaft und Verbindung mit einer sichtbaren Teilkirche beraubt, indeß wird er der innerlichen Gemeinschaft und Verbindung mit der allgemeinen und unsichtbaren Kirche nicht beraubt, und darum auch der Seligkeit nicht verlustig." (Locus de eccl. 8 84.)

Ueber den Fall, daß ein Christ sich gar nicht einer sichtbaren kirchlichen Gemeinschaft anschließen könnte, schreibt Gerhard: "Wenn eine solche Zeit einfällt, daß der äußere Glanz der sichtbaren Kirche aufhört, dann ist es nicht schlechthin zur Seligkeit nötig, daß jemand sich an eine sichtbare und Teilkirche anschließe, sondern es reicht hin, daß jemand durch wahren Glauben ein Glied der allgemeinen Kirche sei, denn von ihr ist es eigentlich zu verstehen, daß außer der Kirche kein Heil sei." (Locus de eccl. 8 101.)

Derselbe sagt: "Man muß unterscheiden zwischen einem doppelten Zugang zur Kirche. Der erste ist der räumliche und vor Augen geschehende Zugang zu einer Teilkirche durch das äußere Bekenntniß des Glaubens; der andere ein geistlicher und verborgener zur allgemeinen Kirche durch die innerliche Beistimmung des Herzens. Wenn auch jener zur Zeit der Verfolgung und der überhand nehmenden Verfälschung nicht Statt hat, so hat doch dieser in der Kirche immer Statt." (Oosus äs sssl. 8 84.)

Im Anschluß hieran wurde noch eine Reihe von Einzelnfragen besprochen. Wie ist es mit dem kirchlichen Begräbniß solcher zu halten,

 


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welche zwar bisher nicht zur Gemeinde gehörten, aber noch auf dem Todten-bette zu einer rechtschaffenen Bekehrung kommen? Es wurde ein besonderer Fall erwähnt: Ein Mann, der kein notorischer Sünder gewesen war, kam auf dem Todtenbett zur lebendigen Erkenntniß seiner Sünden, bekannte seinen Glauben und ließ sich noch das Abendmahl reichen. Als er gestorben war, wurde er von dem Pastor von der Kirche aus begraben. Darüber waren einige Gemeindeglieder unwillig. Der Mann, sagten sie, habe gar kein Recht, von der Kirche aus begraben zu werden. Dieft Leute hatteiz nicht die rechte Erkenntniß. Wir wollen nicht vergessen: wer den Himmel hat, dem sollte auch das Privilegium, in geweihten Räumen auf der Bahre zu liegen, eingeräumt werden. -

Ueber das Dringen auf Anschluß an eine Gemeinde wurde noch bemerkt : Es ist wahr, Christus will die äußere Gemeinschaft der Christen. Ein Christ tut nicht seine Pflicht, wenn er sich der sichtbaren Gemeinde nicht anschließt. Also tut eine Gemeinde ganz recht, wenn sie einem, der im Glauben mit ihr eins ist, es auf das Gewissen legt, sich ihr anzuschließen. Nur soll eine Gemeinde sich vorsehen, daß sie einen solchen, während sie ihn mit der einen Hand zieht, nicht mit der ändern zurückhält. Das tut sie, wenn sie allerlei unnötige menschliche Regeln und Gesetze in die Constitution setzt. Auch soll eine Gemeinde darauf achten, wie es in ihren Versammlungen hergeht. Wenn da immer nur über Geldangelegenheiten gesprochen wird, so wird sich davon niemand besonders angezogen fühlen. In den Versammlungen soll es so hergehen, daß man belehrt und erbaut wird, und daß der Christ, welcher denselben beiwohnt, denkt: Nun bist du in dein rechtes Element gekommen. — Daß mehrere Gemeinden sich zu einer Synode zusammenschließen, ist in ihre christliche Freiheit gestellt. Eine Synode ist nicht göttlicher Ordnung. Wenn wir auch sagen, daß wir unsererseits die Verbindung von Gemeinden zu einer Synode unter unseren Umständen für nötig halten, um gewisse Pflichten, welche Christus den Christen aufgetragen hat, recht zu erfüllen, so muß den Gemeinden doch freigestellt bleiben, hierin zu handeln, wie sie wollen. Anders steht es mit dem Anschluß eines Christen an die Ortsgemeinde. Die Ortsgemeinde ist göttliche Stiftung. Daher ist jeder Christ im Gewissen gebunden, sich einer Ortsgemeinde anzuschließen. Die Christen sind aber noch keine vollkommenen Menschen, sie haben noch Gebrechen an sich. Es kommen daher Zeiten, wo diese Wahrheit sich ihnen verdunkelt und sie meinen, sie hätten solche Pflicht nicht. Da ist denn freundlich zu lehren und zu locken, um dem Bruder seinen Irrtum zu benehmen. Es wurde gefragt, ob einem, der schon längere Zeit Abendmahlsgast gewesen sei, und sich nicht dazu verstehen wolle, der Gemeinde beizutreten, nicht schließlich auch das Abendmahl zu verweigern sei. Darauf wurde geantwortet: So lange man annehmen kann und muß, daß der Betreffende nur aus Schwachheit seine Pflicht und Schuldigkeit nicht tut, nicht; stellt es sich aber heraus, daß ein solcher

 


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sich der Gemeinde nicht anschließen will, weil er innerlich nicht zur Gemeinde gehört, das heißt, nicht im Glauben steht, so ist er nicht zum Abendmahl zuzulasfen. — Auf die Frage, was denn eigentlich eine Ortsgemeinde sei, wurde geantwortet: Eine Ortsgemeinde ist eine Versammlung von Gläubigen an einem bestimmten Ort. Im Laufe der Besprechung wurde hierüber noch weiter gesagt: Auch zur Ortsgemeinde gehören nicht mehr als die Gläubigen. Es steht nicht so, daß zwar zur allgemeinen Kirche nur Gläubige gehören, zur Ortsgemeinde aber Gläubige und Ungläubige; nein, auch zu dieser — der Ortsgemeinde — gehören nur wahre Christen. Die Ungläubigen sind der Ortsgemeinde nur beigemischt, und zwar nur nach der äußeren Gemeinschaft. Dr. Walther deffnirt eine lutherische Ortsgemeinde so: "Eine evangelisch-lutherische Ortsgemeinde ist eine Versammlung gläubiger Christen an einem bestimmten Ort, bei welchen Gottes Wort dem Bekenntniß der evangelisch-lutherischen Kirche gemäßerem gepredigt und die heiligen Sacramente nach Christi Einsetzung laut des Evangelii gereicht werden." (Die rechte Gestalt 2c., S. 1.)

In Bezug auf die Ausübung des Stimmrechts in einer Gemeinde wurde bemerkt: Alle gläubigen Kinder, sowie auch alle Frauen, welche den Glauben im Herzen tragen, gehören zur Ortsgemeinde. Die Ausübung des Stimmrechts aber kommt natürlicher Weise dem Teil der Gemeinde zu, welchem die Regierung der Gemeinde, das Reden in der öffentlichen Versammlung 2c., zusteht, nämlich den mündigen männlichen Gemeindegliedern. Man darf jedoch einer Gemeinde nicht ohne Weiteres den Vorwurf machen, daß sie die Christen ihrer Christenrechte beraube, wenn sie nicht alsbald allen erwachsenen Gemeindegliedern Anteil an der Regierung der Gemeinde gewährt, sondern das Stimmrecht auf diejenigen beschränkt, welche bereits mit den Gemeindeverhältnissen etwas vertraut geworden sind. Es kann der Fall sein, daß eine Person im Uebrigen eine gute Erkenntniß hat, aber davon noch wenig oder nichts weiß, wie es in einer christlichen Gemeinde nach Gottes Wort zugehen soll. Doch soll eine Gemeinde sich wohl hüten, daß sie niemand ohne Not den Anteil an der Negierung verweigert.

In der Ausführung des zweiten Teils der ersten Thesis wurde bemerkt : Daß die Kirche die Gemeinde der Gläubigen sei, soll aber auch die christliche Gemeinde als solche nie vergessen. Sie soll es z. B. nicht vergessen bei der Aufnahme neuer Glieder. In dieser Erkenntniß wird sie weder zu wenig, noch zu viel von den Aufzunehmenden fordern. Erstlich nicht zu wenig. Ist die Kirche die Gemeinde der Gläubigen, gehören Gottlose und überhaupt Ungläubige nicht zur Kirche, so wird sie nur solche Personen in die Gemeinde aufnehmen, von welchen sie der Liebe nach annehmen kann, daß sie gläubige Christen sind. Es ist durchaus verkehrt, wenn eine Gemeinde nur einen möglichst großen Haufen in ihre äußere Gemeinschaft zu bringen sucht, wenn auch von dem allergrößten Teil dieses Haufens gewiß ist, daß man es mit ungläubigen Men-

 


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schen zu tun hat. Hier gilt nicht der Einwurf, daß die Kirche ja eine Missionsanstalt sei und die Aufgabe habe, die Ungläubigen zu gewinnen. Allerdings ist die Kirche Missionsanstalt; aber nach Außen hin, der Welt gegenüber, nicht nach Innen, oder ihren eigenen Gliedern gegenüber. Ihre eigenen Glieder sind solche Leute, die bereits für Christum gewonnen sind und nun andere zu gewinnen suchen. Achten wir darauf, wie die Apostel bei der Bildung von Gemeinden verfahren sind. Die Apostel predigten vor großen Massen, aber nicht die großen Massen organisirten sie zu Gemeinden, sondern nur die einzelnen Personen, welche das Evangelium annahmen und ihren Glauben bekannten. So ist die erste christliche Gemeinde in Jerusalem entstanden. So auch all die ändern apostolischen Gemeinden, deren Entstehung uns die heilige Schrift näher beschreibt. So müssen auch wir bei der Bildung von neuen Gemeinden und bei der Stärkung schon bestehender Gemeinden verfahren.

Von der Gemeinde zu Jerusalem heißt es : Alle aber, die gläubig waren worden, waren bei einander. Apost. 2, 44. Der Eintritt in die äußere Gemeinschaft der Kirche ist zugleich ein Ausgehen von den, Wesen der Welt. Petrus spricht am ersten Pfingsttage: "Lasset euch helfen von diesen unartigen Leuten", d. H., gehet aus von den Ungläubigen und Spöttern. Wenn uns von einem Wachstum der Gemeinde zu Jerusalem berichtet wird, z. B. von ihrem Wachsen von 3000 auf 5000. Apost. 4, 4., so heißt es: "Aber viel unter denen, die dem Wort zuhöreten, wurden gläubig, und ward die Zahl der Männer bei 5000." Das äußere Wachstum der Gemeinde geschieht aus dem Wort heraus, d. H., die durch das Wort innerlich Gewonnenen, werden dann äußerlich zu der Gemeinde hinzugefügt. Apost. 6, 7.: "Und das Wort Gottes nahm zu und die Zahl der Jünger ward sehr groß zu Jerusalem." Von der Versammlung der Gemeinde zu Jerusalem heißt es Apost. 6, 2.: "Da riefen die Zwölfe die Menge der Jünger zusammen." Jünger sind die Gläubigen. Ebenso ging es zu bei der Gründung der Gemeinde zu Samaria. Apost. 8, 12. heißt es von den Samaritern: "Da sie aber Philippi Predigten glaubten von dem Reich Gottes und von dem Namen JEsu Christi, ließen sich taufen beide Männer und Weiber." Nichts anderes wird uns von der Gründung der Gemeinde in Antiochia berichtet, welches die erste Gemeinde aus den Heiden war. Männer von Cypern und Kyrene "kamen gen Antiochia, und redeten auch zu den Griechen und predigten das Evangelium vom HErrn JEsu. Und die Hand des HErrn war mit ihnen, und eine große Zahl ward gläubig und bekehrete sich zum HErrn", Apost. 11, 20. 21. Wenn es Apost. 14, 23. von den Gliedern der Gemeinden, welche der Apostel Paulus auf seiner ersten Missionsreise gegründet hatte, heißt: "Und befahlen sie dem HErrn, an den sie gläubig worden waren", und Apost. 16, 5.: "Da wurden die Gemeinden im Glauben befestigt und nahmen zu an der Zahl täglich", so ist die Voraussetzung, daß die Ge-

 


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meinden aus Gläubigen bestehen. In Ephesus predigte der Apostel zunächst drei Monate lang vor der ganzen Versammlung, welche sich in der jüdischen Synagoge zusammen fand, dann aber schritt er zur Absonderung der Gläubiggewordenen. Apost. 19, 8. 9.: "Er ging aber in die Schule und predigte drei Monate lang, lehrete und beredete sie vom Reich Gottzs. Da aber etliche verstockt waren und nicht glaubten und übel redeten von dem Wege vor der Menge, wich er von ihnen und sonderte ab die Jünger." Wenn die Apostel ihre Briefe an die einzelnen Ortsgemeinden, z. B. an die Gemeinde in Rom, Corinth, Ephesus u. s. w., schrieben, so reden sie diese Gemeinden an als die "berufenen Heiligen", Röm. 1, 7.; "die Geheiligten in Christo JEsu, die anrufen den Namen unseres HErrn JEsu Christi", 1 Cor. 1, 1. Die Schwachen im Glauben sollen getragen, die offenbar Bösen aber von der Gemeinde ausgeschlossen, also noch viel weniger in dieselbe aufgenommen werden. Paulus sagt von der Localgemeinde zu Corinth: "Solche (offenbare Sünder) sind eurer etliche gewesen, aber ihr seid abgewaschen, ihr seid geheiligt, ihr seid gerecht worden durch den Namen des HErrn JEsu und durch den Geist unseres Gottes." (1 Cor. 6, 11.) Welt und christliche Gemeinden sollen auch ihrem Wandel nach streng von einander geschieden sein und nicht in einander übergehen. 1 Petr. 4, 4.: "Das befremdet sie, daß ihr nicht mit ihnen laufet in dasselbe wüste, unordentliche Wesen."

Nur so ist ein christliches Gemeindewesen möglich. Wir haben kein anderes Mittel, eine christliche Gemeinde zu regieren, als Gottes Wort. Von Gottes Wort aber lassen sich nur Christen regieren. Mit einem Haufen, in welchem die Gottlosen die Majorität bilden, läßt sich kein christliches Gemeindewesen führen. Eine Gemeinde, welche Glieder aufnimmt, ohne nach dem Glaubensstand zu fragen, wird sich unsägliche Not machen; es kann bei ihr bald eine grenzenlose Verwirrung entstehen; ja, es kann dahin kommen, daß dann die Christen von den Unchristen aus der soge-. nannten Gemeinde ausgeschlossen werden, sobald sie Gottes Wort Geltung verschaffen wollen.

Nur dann, wenn die christliche Gemeinde die Gemeinde der Gläubigen und Heiligen äußerlich darstellt, kann die Kirche ihren Missionsberuf erfüllen. Die Kirche soll ein Salz der Erde, ein Licht der Welt sein. Das ist sie nur dann in dem Sinne, wie sie es sein soll, wenn ihre Gemeinschaft von dem Wesen der Welt absticht, wenn die Welt einen Unterschied zwischen sich und der Kirche wahrnimmt. Der Welt soll klar und bestimmt vor Augen treten: die Christen sind Leute, welche das Evangelium von Christo für ihren größten Schatz halten und ein gottseliges Leben führen. Gewahrt die Welt, daß die Kirchenglieder auch das Evangelium verachten und mit ihr in dasselbe unordentliche Wesen laufen, dann wird sie in ihrem Unglauben und in ihrem Sündenleben bestärkt. Dann wird die Welt nicht durch die Gemeinde zu

 


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Christo geführt, sondern durch dieselbe von Christo fern gehalten. Hierher gehört das Wort des HErrn: "Wehe der Welt der Aergerniß halben; doch wehe dem, durch welchen Aergerniß kommt" (das erste Wehe ist ein Wehe des Bedauerns, das zweite ein Wehe des Zorns). Es ist das der Irrtum der meisten landeskirchlichen Pastoren in Deutschland, daß sie meinen, sie müßten auch die unkirchlichen Massen im äußern Verband der Kirche festzuhalten suchen. Auf diese Weise hoffen sie einen größeren christlichen Einfluß auf das Volk als Ganzes ausüben zu können. Sie wollen die Idee der "Volkskirche", wie sie sich ausdrücken, nicht fahren lassen. Aber was ist die Folge? Die Kirche hat fast gar keinen Einfluß mehr. Nicht die Kirche gewinnt die Welt, sondern die Welt gewinnt die Kirche. Die Welt spottet der Kirche, die in ihren eigenen (nämlich der Welt) Wegen wandelt. Will die Kirche den rechten Einfluß auf die Welt ausüben, so muß sie der Welt als die Gemeinde der Gläubigen gegenübertreten.

Dies Princip, nur solche Personen in die Gemeinde aufzunehmen, welche man der Liebe nach für Wiedergeborene halten muß, ist nicht ein donatistisches. Als donatistischer Irrtum ist im 8. Artikel der Augs-burqischen Confession die Lehre verworfen, daß da keine christliche Gemcmdc mehr sei, wo Gottlose und Heuchler der christlichen Gemeinde nach der äußeren Gemeinschaft beigemischt sind, und sonderlich auch die falsche Lehre ist verworfen, daß die Gnadenmittel nicht kräftig seien, wenn sic rvn ungläubigen Kirchendienern verwaltet werden. Das verwerfen auch wir. Gleichwohl halten wir mit dem 8. Artikel der Augsburgischen Confession fest, daß die christliche Kirche eigentlich nichts anderes ist, als die Versammlung der Gläubigen und Heiligen. Wir wissen, daß wir nicht alle Heuchkr von der christlichen Gemeinde fern halten werden, es werden auch immer solche zu uns kommen, die den Glauben an Christum nur äußerlich mit dem Munde bekennen, aber,nicht im Herzen haben, und wir wissen, daß unser Gemeinde deshalb nicht aufhört, eine christliche Gemeinde zu sein. Aber der Grundsatz, nach dem wir bei der Bildung neuer Gemeinden und bci dcr Aufnahme neuer Glieder in bestehenden Gemeinden verfahren müssen, ist der, nur solche Personen aufzunehmen, die wir der Liebe nach für wahrc Christen und Kinder Gottes halten müssen.

Dr. Walther sagt:*) "Man denkt, man solle froh sein, wenn sich die Leute wenigstens an eine Gemeinde, welche Gottes Wort und Saera-ment habe, anschlössen und in derselben blieben, damit sei schon ruet gewonnen. Damit seien solche Leute doch wenigstens unter den Einfluß des Evangeliums gebracht. Das ist auch die Ursache, warum selbst in unstrem alten Vaterland so viele es gut meinende Männer so fest an der verdcrbtcn Staats- und Landeskirche halten. Sie denken, weil alle Bürger eines Staates und Landes zur Kirche gehören, kämen noch immer Tausende

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*) nach einem dem Referenten vorliegenden Manuscript.

 


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mindestens zuweilen in die Kirche, die dieselbe sonst nie betreten haben wurden, und so werde noch mancher bekehrt, der sonst nie zum Glauben gekommen sein würde. — Aber wie irrt man sich! Werden auch manche wirklich darum, weil sie sich (äußerlich) in der Kirche befinden und daher Gottes Wort zuweilen hören, endlich gewonnen, so bedenkt man doch nicht, daß die Kirche so greulich verderbt ist und auch die offenbarsten Un-chnstcn dann geduldet werden, dadurch werden Taufende und aber Taufende tödlich geärgert, teils in der Kirche in ihrem unchristlichen Wesen bestärkt, teils außerhalb der Kirche mit Verachtung gegen die Kirche erfüllt und von derselben zurückgehalten. Jede Gemeinde soll ein Licht sein m dieser fmstern Welt, ein Sauerteig des ganzen todten Menschengeschlechts. ein Salz wider die Fäulniß der Erde. Die Welt soll an den christlichen Gemeinden sehen: So sollen die Menschen nicht nur glauben, sondern auch leben, wenn sie selig werden wollen. Eine Gemeinde, welche zwar Gottes Wort und Sacrament rein, aber keine Kirchenzucht hat, erfüllt ihre Mission, ihre Aufgabe nicht. Was sie durch die gute Predigt baut, das reißt sie zehnfach durch ihre Aergernisse im Leben nieder."

Derselbe: "Eine höchst beklagenswerthe Folge davon, daß in unserm lieben alten Vaterland die Kirche nicht vom Staate unabhängig, sondern ein Staatskirche, nämlich mit dem Staat verschmolzen ist und von der weltlichen Obrigkeit regiert wird, ist u.a. diese, daß man daher meint, die Kirche sei eine Staatsanstalt, die den Zweck habe, die Menschen religiös und moralisch zu machen, daher denn die Obrigkeit auch dafür zu sorgen habe, daß sich fever Bürger zur Kirche seines Ortes halte, möge er nun fromm ovcr gottlos sein. — Es ist das eine großer und verderblicher Irrtum. Nach Gottes Wort selbst ist die Kirche nicht- eine Anstalt, eine Mlssionsstation. welche dazu errichtet wäre, diejenigen, welche sich darin bcsinden, erst zu bekehren, sondern vielmehr eine vom Heiligen Geist durchs Wort Gottes zusammen berufene und gesammelte Gemeinschaft von wahrhaft Gläubigen und Heiligen, das neue Himmelreich auf Erden, in welchem Christus als König herrscht und die Herzen regiert. — St. Paulus redet Idaher m seinem Brief an die Gemeinde zu Corinth dieselbe also an: ,Der Gememde zu Corinth, den Geheiligten in Christo JEsu, den berufenen Heiligen': die Gemeinde der Colosser redet er ferner also an: ,Den Heiligen zu Colossä und den gläubigen Brüdern in Christo'. Petrus mnnt die Gcnninven, an die er schreibt, ,die erwählten Fremdlinge nach der Vorsehung Gottes des Vaters durch die Heiligung des Geistes'. Der Apostel Judas endlich, um nur noch ein Beispiel anzuführen, nennt die Gemeinden, an die er schreibt, ,die Berufenen, die da geheiligt sind in Gott dem Vater und behalten in JEsu Christo'. Die Menschen sollen daher nicht in die sichtbare Kirche ausgenommen werden, um darin erst zur Buße, "zum Glauben und zür Bekehrung gebracht zu werden, sondern erst, wenn ein Mensch durch Bupe zum Glauben gekommen ist und sich von Herzen zu Gott

 


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bekehrt hat, erst dann soll er in die Gemeinschaft der wahren sichtbaren Kirche ausgenommen werden; denn, wie gesagt, die Kirche ist und soll sein eine Versammlung von wahrhaft Gläubigen und Heiligen, die da einig sind im Glauben und in der Liebe, Ein Herz und Eine Seele, Ein Leib und Ein Geist — Hiermit soll nun aber nicht das gesagt werden, daß nur das eine wahre Kirche wäre, in welcher nur bekehrte und wiedergeborene Christen sind. Ach nein! wenn dem so wäre, so gäbe es ja gar keine wahre Kirche, denn sie ist nirgends rein. — Aber das folgt daraus: In einer wahrhaft christlichen Gemeinde sollen diejenigen nicht geduldet werden, welche als Unchristen in Lehre und Leben offenbar werden. Von jedem, welcher sich in einer christlichen Gemeinde befindet, soll man wenigstens der Liebe nach glauben können, daß er ein wahrer rechtgläubiger Christ sei. Von allen, welche in Sünden leben, und sich nicht bessern wollen, sagt daher Christus: "Halte ihn für einen Heiden und Zöllner", und von denen, welche neben der rechten Lehre Trennung und Aergerniß anrichten, sagt Paulus: ,Weichet von denselbigen', und an einer ändern Stelle: ,Tut von euch selbst hinaus, wer da böse ist'; wie es denn auch in Nr. 6 unseres Gesangbuchs von der Kirche Gottes heißt:

Es ist sein Heiligtum und Haus:

Wer Sünde liebt, gehört hinaus."

Derselbe: "Es ist wahr, nach Gottes Wort ist die Kirche auf Erden nie ganz rein, sie hat vielmehr das Ansehen eines Ackers, auf welchem neben dem Weizen Unkraut steht, eines Hochzeitssaals, in welchem sich auch Gäste ohne ein hochzeitliches Kleid eingefunden haben, eines Netzes, in welchem neben guten auch faule Fische sich befinden, einer Tenne, auf welcher den guten Fruchtkörnern auch Spreu beigemischt ist, einer Heerde, in welcher unter die Schafe auch Böcke sich gemengt haben. — Hieraus machen nun manche den Schluß, als sei es auch Gottes Wille, daß in der Kirche nicht nur Christen, sondern auch Unchristen sich befinden, die Kirche sei eine Anstalt zur Bekehrung ihrer Glieder und es sei daher Unrecht, irgend einem Menschen die Aufnahme in die Kirche zu verweigern, irgend jemand vom heiligen Abendmahl zurückzuweisen oder gar aus der christlichen Gemeinde wieder auszuschließen; vielmehr solle jeder, wer nur komme und sich in die äußerliche Ordnung füge, ausgenommen und zum Tisch des HErrn zugelassen, niemand aber in den Bann getan werden. Dieser Schluß ist jedoch falsch. Wohl ist die Kirche auf Erden nie rein und unvermischt mit Unchristen gewesen, und sie wird es bis an den jüngsten Tag nicht werden. Aber Gott hat daran keineswegs ein Wohlgefallen. Gott will vielmehr, daß nur die sich äußerlich zur Kirche halten, welche auch innerlich durch wahren Glauben zu ihr gehören. Gott wird daher einst zu jedem falschen Christen sagen: ,Freund, wie bist du hereinkommen, und hast doch kein hochzeitlich Kleid an?' Und zu den Jüngern sprach Christus ausdrücklich:

 


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,Ihr sollt das Heiligtum nicht den Hunden geben, und eure Perlen sollt ihr nicht vor die Säue werfen? Mit einem Wort: Gott will, daß in seiner Kirche, d. H., in jeder christlichen Gemeinde, Kirchenzucht geübt werde in Lehre und Leben."

Aber die Wahrheit, daß die .Kirche die Gemeinde der Gläubigen ist, soll uns auch davor bewahren, daß wir nicht zu große Anforderungen an die Aufzunehmenden stellen. Wir sollen keinem in's Herz sehen wollen, sondern wir haben nach den Worten und Werken auf Grund des Wortes Gottes zu urteilen. Alle, welche mit uns den rechten Glauben bekennen wollen und das Bekenntniß ihres Mundes nicht durch ihren Wandel offenbar widerlegen, müssen wir der Liebe nach für unsere Glaubensbrüder halten und als solche aufnehmen. Dabei dürfen wir nicht vergessen, daß der Glaube neben vielen Schwächen in der Erkenntniß und neben vielen Gebrechen im Leben bestehen kann. So nennt der Apostel die Christen zu Corinth noch fleischlich, weil sie im Parteieifer sich an die einzelnen Personen ihrer Prediger hingen. 1 Cor. 3, 1. ff. Dieselben Corinther mußten von dem Apostel getadelt werden, daß sie mit einander vor den Heiden rechteten. 1 Cor. 6, 1. ff. Gebannte, an welchen wir die Kennzeichen rechtschaffener Buße sehen, müssen wir in die Gemeinde alsbald wieder aufnehmen; und zwar auch dann, wenn ihr Fall ein ganz schrecklicher war und zu besorgen ist, daß die Welt deshalb Schmach auf die Gemeinde häufen werde. Wen Christus ausgenommen hat, den muß auch die christliche Gemeinde aufnehmen, und wessen Christus sich nicht schämt, dessen soll auch die christliche Gemeinde sich nicht schämen. Wenn sie deshalb von der Welt und von blinden sogenannten Christen geschmäht wird, so soll sich die Gemeinde damit trösten, daß es ihr darin nur geht wie ihrem Heilande, der auch der Zöllner und Sünder Geselle genannt wurde, weil er die bußfertigen Zöllner und Sünder aufnahm.

Das eben Gesagte (wurde ergänzend erklärt) schließt natürlich nicht aus, daß man jemand, der oft gestraft ist und immer wieder zurückfüllt, eine sogenannte Probezeit stellen kann. Es geschieht dies aber nur deshalb, weil man noch Zweifel hegen muß, ob der Sünder zu einer rechtschaffenen Buße gekommen sei. Wo nicht deutliche Kennzeichen einer rechtschaffenen Buße vorhanden sind, da darf die Gemeinde nicht absolviren. So ist das Weinm bei Gewohnheitssäufern nicht immer ein Zeichen, daß sie innerlich wegen ihrer Sünde zerschlagen sind; das Weinen bei diesen Leuten ist oft nur ein Ausfluß der Charakterschwäche, welche sie sich mit ihrem Saufen zugezogen haben. Eine schreckliche Praxis aber ist es, die in der reformirten .Kirche sich findet, daß ein Gefallener, gleichviel, ob er bußfertig oder unbußfertig ist, auf gewisse Zeit von der Gemeinde ausgeschlossen wird. Noch schlimmer ist die Praxis in einer gewissen Mission, wo die Gefallenen nicht nur auf gewisse Zeit ausgeschlossen, sondern auch mit Geldstrafen belegt werden.

 


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Bei diesem Punkt wurden noch mehrere Einzelfragen besprochen. Soll man bei einer Person, die von Außen kommt und über die ein übles Gerücht geht, die Aufnahme in die Gemeinde nicht zeitweilig aufschieben? Allerdings! Wenn böse Gerüchte über das Vorleben einer Person im Schwange gehen, so ist die Gemeinde sogar verpflichtet, sich darüber zu vergewissern, ob diese Gerüchte auf Wahrheit beruhen oder nicht. Sonst wird jeder für gut gehalten, fo lange nicht das Gegenteil bewiesen ist. Die einfache Thatsache, daß jemand von Außen gekommen und sein Vorleben weniger bekannt ist, darf kein Vorurteil gegen ihn erwecken. -

Was ist unter Aufnahme in die Gemeinde zu verstehen? Dies, daß jemand gestattet wird, mit der Gemeinde das heilige Abendmahl zu empfangen, oder die Aufnahme in die Reihe der stimmfähigen Glieder? Abendmahlsgemeinschaft ist Kirchengemeinschaft. Wem gestattet ist, in einer bestimmten Gemeinde zum Abendmahl zu gehen, ist dadurch als ein Glaubensbruder anerkannt und eigentlich in die Gemeinde ausgenommen, wenn er auch das Stimmrecht noch nicht ausübt oder ausüben kann. Es wurde weiter darauf hingewiesen, es gebe Leute, welche in den Logen stecken und nicht herauszubringen sind, weil sie behaupten, sie sähen an den Logen nichts Unrechtes; sie glaubten an Christum als ihren Erlöser und nichts solle sie von ihm scheiden. Sie machen auch den Eindruck, als seien sie aufrichtige Christen; nur in diesem Punkt könne man nichts mit ihnen anfangen. Die hierauf erfolgende Aussprache ging dahin: man könne es einer Gemeinde sicherlich nicht zur Sünde machen, wenn sie den Leuten das Stimmrecht verweigert, die so schwach in der Erkenntniß sind, daß sie die Verbindung mit den Logen nicht als sündlich erkennen können. Auch sei man vorsichtig in Bezug auf die Zulassung zum heiligen Abendmahl. Wer z. B., nachdem ihm alles auseinandergesetzt ist, dennoch die Gebete an den Welt-baumeister, in welchen Christus verleugnet wird, mitmachen kann, von dem kann man nicht annehmen, daß er ein Christ sei. Es kann niemand sagen, daß er sich allein auf Christum verlasse, wenn er dabei doch an dem Gottesdienst der Logen teilnimmt. Das ist ein Widerspruch in sich selbst. Unsere Synode hat sich ja dahin ausgesprochen, daß es Fälle geben könne, in welchen man Logengliedern das Abendmahl nicht schlechthin verweigern dürfe. Da sind aber solche Fülle gemeint, in denen die Leute nicht an den Gottesdiensten der Logen teilnehmen, sondern denselben als einem Unterstützungsverein nur äußerlich angehören. Doch setzt die Synode auch hierbei voraus, daß man in solchen Fällen sehr sorgsam sei und die Pastoren als ernste Seelsorger sich erweisen. Sie sollen solche Rathschläge ja nicht als willkommene Schlupflöcher ansehen, durch welche sie sich dem ernsten Kampf wider die Logen entziehen. Specielle Regeln, wie sonderlich die Missionare mit den Logengliedern in allen einzelnen Füllen zu handeln haben, lassen sich nicht geben. Wenn der Missionar eine herzliche Liebe zu seinem Heilande und den von ihm erkauften Seelen hat, so wird er durch Gottes

 


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Gnade das Richtige treffen. Vor allen Dingen predige er klar Christum und zeige er den Unterschied zwischen der christlichen Religion und der Logenreligion. Eine ganz thörichte, verwerfliche Methode ist aber jedenfalls die, wenn ein Pastor denkt, er dürfe an einem neuen Platz, auch bei gegebener Veranlassung, über die Logen gar nichts sagen, oder, wenn er sich darüber ausspricht, dies doch so tut, daß die Leute auf den Gedanken kommen, er billige die Logen und es ließe sich in dieser Sache ein Compromiß machen. Er muß klar heraussagen, wie er zu den Logen steht, und diese Frage vor Organisation der Gemeinde,, sv viel als möglich, erledigen. Lieber diese Organisation aufschieben und lieber ganz klein anfangen, als die Leute über unsere Stellung zu den Logen im Unklaren lassen.

In der weiteren Ausführung des Referats wurde gesagt: Ist die Kirche die Gemeinde der Gläubigen, so muH dadurch auch das Verhalten der Gemeinde bestimmt werden, wenn es sich um die Erhaltung und Ausbreitung der Gemeinde handelt. Die Frage : Was dient der Erhaltung und Ausbreitung der Gemeinde? spitzt sich zu auf die Frage: Was erzeugt und erhält den Glauben? Was nicht den Glauben erzeugt und erhält, darauf verzichtet die Gemeinde als ein Mittel, ihren Bestand zu sichern und sich auszubreiten. Sie verzichtet erstlich auf allerlei zweifelhafte "sntsrtrün-rnsnts", die in unserm Lande als Mittel zum Bau der Gemeinde an der Tagesordnung sind. Durch sntertainwovts, bei welchen allerlei anstößige Dinge Vorkommen, wird nicht der Glaube an Christum erzeugt, sondern im Gegenteil gehindert. Dadurch kommen nämlich Leute sowohl innerhalb der Gemeinde, als auch außerhalb derselben auf den Gedanken, daß die Gemeinde eine Gesellschaft sei, welche zusammenkomme, sich zu "müssten.

Es wurde noch bemerkt: Es ist tzenau darauf zu achten, was über die Art und den Zweck von sntsrtainmsntg gesagt ist. Wenn eine Gemeinde 6Qttzrtaium6Qt8 veranstaltet, um sich dadurch zu bauen, so ist das ein Affenspiel. Bei manchen Sectengemeinden sind o^stsr-suppsrs und dergleichen Dinge schier die Gnadenmittel, durch welche' man die Kirche bauen will. Das ist gewiß Gott mißfällig. Doch ist das über sutsrtainmsLts Gesagte nicht so zu verstehen, als ob nicht innerhalb einer Gemeinde die jungen Leute gesellig zusammenkommen sollten. Freilich soll eine Gemeinde nichts erlauben, was unordentlich ist. Aber eine Gemeinde, welche verlangt, daß die jungen Leute sich ebenso ernst verhalten, wie die Alten, handelt verkehrt.

Es hieß in dem Referat weiter: In der Erkenntniß, daß die Kirche die Gemeinde der Gläubigen sei, gründet die Gemeinde ihren Bestand auch nicht auf menschliche Ordnungen. Eine Gemeinde muß ja gewisse menschliche Ordnungen machen. Wo mehrere Christen bei einander in einer Gemeinde wohnen, kann man ohne die Ordnung einer Anzahl Dinge gar nicht auskommen. Aber menschliche Ordnungen können den Glauben weder erzeugen, noch erhalten. Dies geschieht

 


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nur durch Gottes Wort. Die Gemeinde muß daher das Wort Christi unter sich reichlich wohnen lassen in aller Weisheit. Nun ist Gottes Wort bekanntlich zweierlei: Gesetz und Evangelium; beiderlei Wort soll auch die Gemeinde gebrauchen, aber in der rechten Verbindung und Scheidung. Das Gesetz, um damit den Schaden aufzudecken, das Evangelium, um den Schaden zu heilen. Eine Gemeinde soll vom Evangelium alles Heil erwarten. Nur das Evangelium ist glaubenerzeugend und glaubenerhaltend. Die Gemeinde hat daher dafür zu sorgen, daß das lautere Evangelium öffentlich und sonderlich bei ihr im Schw.ange gehe. Die Predigt des Gesetzes soll der Predigt des Evangeliums nur dienen. Auch die menschlichen Ordnungen haben nur insofern einen Werth, als sie dem Evangelio dienen. Sind sie dem Jmschwangegehen des Evangeliums nicht dienlich, oder doch nicht mehr dienlich, so sollen sie nicht aufgerichtet werden oder, wenn sie bestehen, wieder aufgehoben werden. Kurz, alles soll in der Gemeinde dem Evangelium oder, was dasselbe ist, dem Heil der Seelen dienen. Behält die Gemeinde im Auge, es sei ihre Aufgabe, die Gemeinde der Gläubigen zu bauen, Seelen im Glauben zu erhalten und vor dem Abfall vom Glauben zu bewahren, so wird sie durch Gottes Gnade in einzelnen Fällen das Richtige treffen.

Ein Hauptmittel, die Gemeinde der Gläubigen zu erbauen und zu erhalten, sind die christlichen Schulen. Satan hatte ein Sonderliches im Sinn, als er in jüngster Zeit durch die in einzelnen Staaten erlassenen Schulgesetze unsere christlichen Schulen antasten wollte. Unsere christlichen Schulen sind ein Hauptmittel, sowohl unsere eigenen Kinder im Glauben zu erhalten, als auch die Kinder solcher Eltern, die außerhalb der Gemeinde stehen, zum Glauben an Christum zu führen und so zu Gliedern in der christlichen Kirche zu machen. Die christsichen Schulen sind eines der größten Kleinode unserer Kirche. Darum soll nun auch die christliche Gemeinde, welche Gottes Reich bauen will, darauf sehen, 1.) daß sie christliche Schulen habe, 2.) daß dieselben auch ihren Zweck erfüllen, nämlich Stätten seien, in welchen der Glaube an den Heiland in die Herzen gepflanzt und in den Herzen erhalten wird. Es ist ja freilich wahr: weil wir es übernehmen und übernehmen müssen, die Kinder in unsern Schulen auch mit den nötigen Kenntnissen für das irdische Leben auszurüsten, so müssen wir uns anstrengen, auch in dieser Beziehung etwas Tüchtiges zu leisten. So sind die Kinder z. B. besonders auch im Englischen zu fördern. Aber es gilt nun, dabei nicht den eigentlichen Zweck unserer Schulen aus den Augen zu verlieren, nämlich, die Seelen der Kinder Christo, ihrem Heilande, zuzuführen und bei demselben zu erhalten. Dieser Zweck macht das Amt eines Gemeindeschullehrers so köstlich! Derselbe arbeitet an dem Bau der christlichen Kirche, welcher Bau nicht, wie andere, vermodern, sondern in alle Ewigkeit bestehen wird. Denken wir nicht, daß wir in unseren Schulen vergeblich arbeiten! Mag es uns auch manchmal erscheinen, als ob wir

 


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nichts oder doch nur wenig ausrichteten: der jüngste Tag wird den Segen unserer Schulen offenbar machen.

Wir können die Wichtigkeit unserer Schulen nicht genug betonen. Ohne die christliche Schule werden wir die Kirche der Reformation hier nicht erhalten. Woher kommt es, daß die lutherische Kirche in diesem Lande nicht weiter ausgebreitet ist? Sie hat doch früh Fuß gefaßt. Woher kommt es, daß sie nicht eine solche Ausbreitung gehabt hat, wie die Secten? Zum großen Teil auch daher, daß man es versäumt hat, die Kinder durch christliche Schulen in der reinen Lehre recht zu gründen. So schloß sich die Jugend bei der nächsten Gelegenheit den Secten an. Daß die Secten auch ohne Gemeindeschulen sich weit ausbreiten, erklärt sich daraus, daß die Secten von vorneherein von der Einigkeit im Glauben absehen.

Man redet ja wohl von einer Concurrenz unserer Schulen mit den xudlicr ssdools. Solches Concurriren ist gut, wenn es deshalb geschieht, um unsern Hauptzweck zu erreichen, nämlich, um möglichst viel Kinder in unsere Schulen zu bekommen und so unter den Schall des Evangeliums zu bringen. Verkehrt hingegen ist es, wenn einem Lehrer als Hauptziel vorschwebt, die Kinder möglichst weit im weltlichen Wissen zu bringen, und er darüber den Hauptzweck der christlichen Schule aus den Augen verliert.

Ein christlicher Lehrer soll auch wissen, daß er nicht nur in den Religionsstunden, sondern in allen Unterrichtsstunden christlicher Lehrer ist, und demgemäß mit den Kindern umgehen, daß sie lernen, wie sie auch in den äußeren, irdischen Dingen Gott, ihrem Heilande, dienen sollen.

Die Wahrheit, daß die Kirche die Gemeinde der Gläubigen sei, ist aber auch für uns, als größere kirchliche Gemeinschaft, als Synode, überaus wichtig. Was ist eine Synode? Eine Verbindung von christlichen Gemeinden. So soll auch die Synode als Ganzes nicht vergessen, daß nur durch das Evangelium Gottes Reich gebaut wird. Wir sollen unsere Zuversicht nicht darauf setzen, daß wir in unseren Synodalbeamten eine Anzahl Männer in der Synode haben, welche eine kirchliche Gemeinschaft trefflich zu leiten verstehen, auch nicht darauf, daß Gott unserer Synode in unseren Vätern eine Anzahl gelehrter Männer und großer Theologen gegeben hat. Alle Gelehrsamkeit und alle Gaben haben nur Werth, insofern sie dazu dienen, daß das reine Evangelium im Curs bleibt. Auch sollen wir die Kirche nicht dadurch zu bauen suchen, daß wir unsere Platform erweitern, das heißt, von Gottes Wort Nachlassen. Dadurch könnten wir wohl äußerlich größere Massen um uns sammeln. Aber der Kirche, welche da ist die Gemeinde der Gläubigen, wäre damit nicht gedient. Der Herr der Kirche will von seinem Wort nichts nachgelassen, sondern dasselbe bekannt haben. Und nicht durch Verschweigen, sondern durch Lehren des Wortes wird der Glaube erzeugt und erhalten. So sollen wir als Synode darauf unser Auge gerichtet haben, das reine Evangelium in Curs zu setzen und zu halten.  Dazu gehört vor allen Dingen,

 


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daß wir in möglichst großer Anzahl Prediger und Lehrer ausbilden. Leute, die das Evangelium rein und lauter lehren können und auch willig sind, sich im Dienst des Evangeliums zu verzehren.

Noch ein Punkt ist in's Auge zu fassen. Wenn wir festhalten, daß die Kixche die Gemeinde der Gläubigen ist, so verfallen wir auch nicht darauf, die äußere Gewalt des Staates zur Ausbreitung der Kirche in Anspruch zu nehmen. Auf dieses verkehrte Mittel ist man schon früh innerhalb der Christenheit verfallen. Auch in unserem Lande möchten es die meisten reformirten Secten in Anwendung bringen. Sie möchten es, daß ihre Religion zur Staatsreligion erhoben würde. Aber welche grenzenlose Thorheit ist es doch, die Kirche mit dem Arm des Staates bauen zu wollen! Man muß erst gänzlich vergessen haben, was die Kirche ist, nämlich, die Gemeinde der Gläubigen, ehe man darauf verfallen kann, die Kirche mit äußerm Machtmitteln bauen zu wollen. Denn, alle Cäsars, Napoleons und Zaren aller Reußen können mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln nicht eine Seele zum Glauben an Christum bringen oder diesen Glauben im Herzen stützen. Das wirkt allein der Heilige Geist durch das Wort des Evangeliums. Die Anwendung von weltlicher Gewalt kann der Kirche nur schaden. Es ist gar nicht auszusagen, welcher Schade dadurch angerichtet ist, daß man die Kirche mit dem Staat zusammengekoppelt hat. Das Staatskirchentum hat der Kirche mehr geschadet, als alle blutigen Verfolgungen. Unter Constantin genoß die Kirche große äußerliche Vorteile. Aber diese kamen der Kirche theuer zu stehen. Constantin mischte sich auch in die Lehrstreitigkeiten und schon dieser erste gutgesinnte christliche Kaiser wurde zum Verfolger der rechten Lehre; er vertrieb den Bischof Athanasius. Auch unsere lutherische Kirche hat durch die Vermischung von Kirche und Staat unaussprechlich gelitten. Lassen wir.uns warnen! Vermeiden wir auf's sorgfältigste jede Vermischung von Kirche und Staat! Verschmähen wir alle weltliche Macht und Gewalt zur Ausbreitung der Kirche! Luther sagt hierüber: "Wir sollen lernen, daß das Reich Christi darin besteht, daß ihm die Völker gehorchen in seinem Wort. Denn Christus hat es also beschlossen, daß er wolle gegenwärtig und kräftig sein durch sein Wort; wo dasselbe gehört wird, alsdann will A das Wort auch bekräftigen durch mitfolgende Zeichen, wie Ma2c. 16, 20. gesagt wird. Das hat er verheißen, und er hält es auch ohne Schwert, ohne Todtschlag, ohne Wunde, Blut und Krieg. Ich werde getauft und allein mit dem Wort unterrichtet, dazu auch absolvirt, ich gebrauche das Abendmahl des HErrn; aber mit dem Wort und durch das Wort ist dabei der Heilige Geist und die ganze heilige Dreifaltigkeit und wirkt also die Seligkeit der Menschen, wie die Worte von der Taufe lauten. Auf diese Weise malt Jakob hier (1 Mos. 49, 11. 12.) ab ein wunderbarlich Reich, und das den weltlichen Regimentern gar ungleich ist, welche durch Gesetz und äußerliche Wehr oder Waffen verwaltet werden und

 


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sind auch darum Reiche der Gebote, der Gesetze und äußerlichen Waffen. Dies ist aber ein Reich der Verheißung, da allein Gott gegenwärtig ist und wirket alles durch das Wort; denn also lehren alle Verheißungen und Propheten. Darum soll man immer fleißig merken den Unterschied der weltlichen Obrigkeit und des Kirchenregiments. Es sollen zwar die Waffen und weltlichen Könige dazu dienen, auf daß im Reiche Christi möge" (leiblicher) "Friede sein, das Evangelium zu lehren und auszubreiten. Aber dies Reich soll nicht durch Gesetze verwaltet oder regiert werden; denn die Gesetze machen keine Christen, sondern das Wort und die heiligen Sacramente, als Abendmahl und Taufe, die machen und bauen das Reich Christi." (Zu 1 Mos. 49, 11. 12. 2, 2000 f., St. L. Ausg.)

II.

Aus Gottes Wort erfahren wir nicht nur, daß die Gläubigen die Kirche seien, sondern auch, daß der Herr der Kirche, Christus, die Gläubigen mit allen geistlichen Rechten und Pflichten betraut hat. Christus hat die Gläubigen mit der Vergebung der Sünden, der Gotteskindschaft und dem Himmel beschenkt, aber mit der Gnade, der Gotteskindschaft und dem Himmel hat er ihnen auch alle geistlichen Güter und alle geistliche Gewalt gegeben. Nicht bloß etlichen Personen unter den Gläubigen, auch nicht einem bestimmten Stande, sondern alle Gläubigen hat er zu Inhabern der geistlichen Güter und Rechte gemacht. Alles, was es in der Kirche anzuordnen und zu tun gibt, sollen die Gläubigen anordnen und tun. Ihnen ist die Predigt des Evangeliums befohlen. Sie sollen nach Gottes Ordnung das öffentliche Predigtamt bestellen und überwachen. Sie sollen durch Verkündigung des Evangeliums den bußfertigen Sündern den Himmel aufschließen und durch Verkündigung des Gesetzes den unbußfertigen Sündekn den Himmel zufchließen. Sie sind nach Matth. 16, 15-19. Matth. 18, 18. Joh. 20, 22. 23. mit den Schlüsseln des Himmelreichs und damit mit allen kirchlichen Rechten und Gewalten betraut. 1 Cor. 3, 21. ff. heißt es: "Alles ist euer; es sei Paulus oder Apollo, es sei Kephas oder die Welt, es sei das Leben oder der Tod, es sei das Gegenwärtige oder das Zukünftige; alles ist euer. Ihr aber seid Christi." Hier ist klar gelehrt: alles, was selbst ein Paulus und Petrus hatte, waren nur Güter aus der Schatzkammer der gläubigen Christen oder der Kirche. Nichts ist ausgenommen, was die gläubigen Christen nicht durch den Glauben hätten. Nicht bloß der Gebrauch oder die Nutznießung der geistlichen Güter der Kirche, sondern die Güter und Rechte selbst gehören unmittelbar den Christen zu. Keine Creatur steht noch zwischen den Christen und Christo, alle von Christo erworbenen Güter gehören ihnen unmittelbar zu. Das ist es, was auch unsere Kirche in ihrem Bekenntniß

 


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bekennt. In den Schmalkaldischen Artikeln heißt es: "Das muß man je bekennen, daß die Schlüssel nicht einem Menschen allein, sondern der ganzen Kirchen gehören und gegeben sind, wie denn solches mit Hellen und gewissen Ursachen genugsam kann erwiesen werden. Denn gleichwie die Verheißung des Evangelii gewiß und ohne Mittel der ganzen Kirche zugehöret, also gehören die Schlüssel ohne Mittel der ganzen Kirche, weil die Schlüssel nichts anders sind denn das Amt, dadurch solche Verheißung jedermann, wer es begehrt, wird mitgeteilt." (Müller, S. 333.)

Hieraus sollen die Christen zunächst die wunderbare Herrlichkeit ihres Christen st andes erkennen. Gott hat den Christenstand mit einer so wunderbaren Würde und Herrlichkeit bekleidet, daß unser Herz kaum hinan will, diese Würde und Herrlichkeit zu glauben. Sobald nämlich ein Mensch durch den Glauben an Christum ein Christ geworden ist, wird er, wiewohl er in sich noch ein verdammungswürdiger Sünder ist, seiner Sünden wegen nicht mehrvcrdammt. Der Urteilsspruch des göttlichen Gesetzes ist ihm gegenüber kraftlos. Aber noch mehr. Sobald ein Mensch ein Christ geworden ist, ist er geistlicherweise reichsunmittelbar, mit allen geistlichen Privilegien belehnt, er steht als Christ nur noch unter Gott. Er ist in geistlichen Dingen keinem Menschen, sondern nur noch Gott unterworfen. Kein Mensch darf ihm etwas gebieten, was Gott nicht geboten hat, und kein Mensch ihm etwas verbieten, was Gott nicht verboten hat. Und wenn ein Christ seinem irdischen Stande nach der geringste und ärmste Tagelöhner wäre, so ist er doch frei von aller Menschenautorität. Kein König und Kaiser darf ihm etwas wider seinen Willen auferlegen. Matth. 23. Das ist die Herrlichkeit des Christenstandes, die Christus allen Christen erworben und in der Rechtfertigung geschenkt hat. Diese Hoheit und Herrlichkeit sollen die Christen erkennen, den Christenstand hochschätzen und darin fröhlich und selig sein, es gehe äußerlich, wie es wolle.

So sollen die Christen nun auch sorgfältig über den Rechten des Christenstandes halten. Das ist nicht verwerflicher Hochmuth, sondern von Christo ihnen geboten. Sie würden sich versündigen, wenn sie fahren ließen, was Christus ihnen geschenkt hat. Zudem: Christenstand und Christenrechte hängen unzertrennlich zusammen. Wie sie mit einander gegeben werden, so müssen sie auch mit einander festgehalten werden. Wer Christenrechte preisgibt, kommt auch sofort in Gefahr, seinen Glauben zu verlieren, wie wir bald sehen werden.

Christen halten sorgfältig über ihrem Recht, über Lehre zu urteilen. Der Pabst spricht den Christen dies Recht ab. Er hat das Recht für sich allein in Anspruch genommen. Die Christen sollen auf sein Urteil warten und dies annehmen. Auch unter den Lutheranern hier in America hat es Leute gegeben, welche meinten, über Lehre zu urteilen komme allein dem Ministerium, den Pastoren, zu. Als bei Gelegenheit der hannoverschen Landessynode im Jahre 1885 ein sogenannter Laie die Lehre

 


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des Professor Ritschl, die dieser in seinem "Unterricht in der christlichen Religion" vorgetragen hatte, beurteilte, so nannte dies der Professor eine "bodenlose Anmaßung". Professor Ritschl ist ein geistlich ganz blinder Mensch. — Leider gibt es auch manche Christen, die sich ihres Rechtes, in Sachen der Lehre zu urteilen, begeben wollen, aber das ist gegen Gottes Ordnung und Gebot. Gottes Wort gibt allen Christen das Recht, über Lehre zu urteilen. Wenn der Apostel den Christen sagt 1 Joh. 4, 1.: "Ihr Lieben, glaubet nicht einem jeglichen Geist, sondern prüfet die Geister, ob sie aus Gott sind", so sagt er damit: ihr Christen sollt über die euch vorgetragene Lehre urteilen, ob sie recht oder unrecht sei. Mit diesem Recht betraut die Schrift die Christen ausdrücklich an all den Stellen, an welchen ihnen geboten wird, falsche Propheten und falsche Lehre zu meiden. Matth. 7,15.: "Sehet euch vor vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen." 1 Thess. 5, 21.: "Prüfet alles und das Gute behaltet." Matth. 24, 4. 5.: "Sehet zu, daß euch niemand verführe, denn es werden viel kommen unter meinem Namen und sagen: Ich bin Christus." Sollen sich die Christen vor falschen Lehrern hüten, so müssen sie die Lehre derselben nach Gottes Wort beurteilen. Und welche Übeln Folgen ergeben sich, wenn die Christen dies Christenrecht nicht gebrauchen! Dann kann der falschen Lehre gar nicht mehr gewehrt werden, wie auch unser Bekenntniß erinnert (Schmalk. Art. 2. Anhang). Das Pabsttum hätte nie entstehen können, wenn die Christen ihr Recht, über die Lehre zu urteilen, gebraucht hätten. Dies Recht folgt, wie Luther erinnert, auch schon aus der Natur der Sache: jeder Mensch glaubt auf seine eigene Gefahr hin falsch. Es könnte jemand sagen: Kann denn ein Christ über alle Lehren urteilen? Allerdings! Er kann das, weil alle Artikel der Lehre an klaren Stellen der Schrift geoffenbart sind. Es wird eingeworfen: Die Prediger wissen doch Vieles, was die ändern Christen nicht wissen. Es ist wahr, die Theologen haben historische, philosophische, philologische Kenntnisse, welche Andern abgehen, aber sie gewinnen damit nicht mehr Lehren, als der ungelehrte Christ in den klaren Schriftstellen hat. Jeder Artikel der christlichen Lehre ist irgendwo in der Schrift mit so klaren Worten geoffenbart, daß sie gar keiner Auslegung bedürfen. Ferner: man verlange auch von den Predigern und Lehrern der Kirche, daß sie deutlich reden. Wer vor der Gemeinde Gottes reden will, muß so reden, daß er.von der Gemeinde Gottes verstanden werden kann. Wer das nicht will oder kann, soll vor der Gemeinde Gottes schweigen. Eine Gemeinde darf nicht dulden, daß ihr Prediger in hohen Worten einherfährt. Es steht eines jeden Christen Seelen-Seligkeit auf dem Spiel. Wer sich von einem falschen Lehrer verführen und den rechten Glauben aus dem Herzen reißen läßt, geht dadurch verloren. Er kann, wenn Christus ihn am jüngsten Tag fragt: Warum bist du nicht bei meinem Wort geblieben? nicht sagen: Der und der Lehrer hat mich verführt. Christus wird ihm sagen: Habe ich dir nicht

 


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geboten, alle Lehrer nach meinem klaren Wort zu prüfen? Daß du verführt bist, ist deine eigene Schuld.

Gewaltig tritt Luther für das Christenrecht, über die Lehre zu urteilen, ein. Er sagt: "Ueber der Lehre zu erkennen und zu richten, gehöret vor alle und jede Christen, und zwar so, daß der verflucht ist, der solches Recht um ein Härlein kränket. Denn Christus selbst hat solch Recht in unüberwindlichen und vielen Sprüchen angeordnet, z. B. Matth. 7.: ,Sehet euch für vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen? Dies Wort sagt er ja gewiß wider die Lehrer zum Volk, und gebeut ihm, daß es ihre falsche Lehre meiden solle. Wie können sie aber dieselbe meiden, ohne sie zu erkennen, und wie erkennen, wo sie nicht Macht haben zu urteilen? Nun aber gibt er ihnen nicht allein Macht zu urteilen, sondern gebeut es ihnen auch; daß diese einzige Stelle genug sein kann wider aller Päbste, aller Väter, aller Concilien, aller Schulen Sprüche, die das Recht zu urteilen und zu schließen bloß den Bischöfen und Geistlichen zugesprochen, dem Volk aber, das ist, der Kirche, der Königin, es gottloser und kirchenräuberischer Weise geraubt haben. Denn da stehet Christus und sagt: Sehet euch vor vor den falschen Propheten. Damit stimmen fast alle Sylben der Propheten. . . . Denn wie ein jeder auf seine Gefahr recht oder falsch gläubet, so hat auch ein jeder billig dahin zu sorgen, daß er recht gläube, daß auch der gemeine Menschenverstand und die Notwendigkeit der Seligkeit es gibt, daß das Urteil über die Lehre notwendig bei dem Zuhörer sein müsse." (XIX, 424 ff.)

Weiter hieß es in dem Referat: Ein Christ hält über seinem Recht, von aller Menschenherrfchaft frei und Christo allein untertan zu sein. In den Worten: "Einer ist euer Meister, Christus, ihr aber seid alle Brüder", Matth. 23., hat Christus allen Christen einen geistlichen Freiheitsbrief ausgestellt. Alle Christen stehen als Christen unmittelbar unter Christo, ihrem Heiland. Nur ihm sind sie untergeben. Unter den Christen selbst gibt es keine Ueberordnung und Unterordnung. Alle Christen stehen neben einander. Was ihm Christus, sein Heiland, in seinem Wort gebietet, das nimmt der Christ an, dem unterwirft er sich, aber was Gottes Wort nicht vorschreibt, das sollen ihm, als Christen, auch alle Creaturen frei lassen. Weder Engel noch Mensch, weder Pabst noch Kaiser oder König, weder Pastor noch Gemeinde noch eine Summe von Gemeinden, noch irgend eine andere Creatur darf ihm etwas auferlegen, was Christus ihm nicht auferlegt hat. Im Reiche dieser Welt ist der Christ der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat, in allen Dingen untertan, wenn die Gebote der weltlichen Obrigkeit auch über Gottes Wort hinausgehen, wenn sie nur nicht wider Gottes Wort sind. Aber in der Kirche, als Christ, ist er nur Christo untertan, läßt er sich nur das gebieten, was in Gottes Wort steht. Da erkennt er keinerlei Gebote der Menschen an. Nicht nur die nicht, welche Gottes Wort direct widersprechen, sondern auch

 


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diejenigen nicht, welche über Gottes Wort hinausgehen. — Daß ein Christ so über seinem Recht, von aller Menschenherrschaft frei zu sein, hält, dafür hat er Gottes ausdrückliches Gebot: Gal. 5, 1. Matth. 23, 10. Sodann: ein Christ würde in Abgötterei fallen, wenn er sich als Christ von Menschen etwas gebieten ließe. Läßt man sich in geistlichen Dingen von dem Pabst etwas gebieten, so macht man den Pabst zu seinem Gott. Läßt man sich von einem König in geistlichen Dingen etwas befehlen, so macht man den König zu seinem Gott. Kurz, läßt man sich von irgend einem Menschen in geistlichen Dingen etwas vorschreiben, so begibt man sich in den Gehorsam der Menschen und wird dadurch von Christo abfällig. Ferner: Menschengeboten ist alsbald Thür und Thor aufgetan, sobald man den Grundsatz aufgibt, daß die Christen, als Christen, nur Christo Gehorsam schuldig sind. Dann kann auch der falschen Lehre nicht mehr gewehrt werden. Es müssen ja freilich mancherlei Ordnungen in einer christlichen Gemeinde getroffen werden, die nicht von Gottes Wort gemacht sind. Aber diese Ordnungen machen die Christen gemeinschaftlich. Und wenn man hier verschiedener Ansicht ist, so ordnet sich in Liebe die Minorität der Majorität unter, oder unter Umständen auch die Majorität der Minorität. So bleibt Freiheit und Eintracht unter den Christen. Es kann dann auch niemand sagen: "Es ist wider mein Gewissen, mich der Majorität zu unterwerfen", da ihm diese Dinge gar nicht auf's Gewissen gelegt werden'. — Für die Forderung, daß die Christen in geistlichen Dingen auch Menschengeboten unterworfen sein müssen, hat man allerlei Entschuldigungen und Beschönigungen in's Feld geführt. Man hat gesagt, es lasse sich so größere Einheit Herstellen und man komme praktisch weiter. Das sind thörichte Kirchenbaupläne, denen falsche Gedanken von der Kirche zu Grunde liegen. Vor allen Dingen gilt aber: Was der Sohn Gottes mit seinem Blute frei gemacht hat, sollen Menschen nicht wieder binden wollen.

Aber wie die einzelnen Christen über ihrem Recht halten, von aller Menschenherrschaft frei zu sein, so wollen sie auch nicht über ihre Glaubensbrüder herrschen. Ein Christ soll den Umstand, daß er schon länger in der Gemeinde ist, daß er eine bessere Erkenntniß hat, daß er reicher ist an irdischen Gütern, daß er angesehener ist vor der Welt, nicht geltend machen in dem Sinne, daß er nun mehr in der Gemeinde zu sagen haben wollte. Größere Gaben und größerer irdischer Besitz u. s. w. begründen keine Herrschaft in der Kirche, sondern verpflichten nur zu größerem Dienst. Einer, der reich an irdischen Gütern ist, hat das Recht und die Pflicht, nun viel mehr als andere von seinen Gütern in den Dienst der Kirche zu stellen. Einer, der reich an Erkenntniß ist, hat das Recht und die Pflicht, nun um so fleißiger die Gemeindeversammlungen zu besuchen und der Gemeinde mit seinem Rath zu dienen u. s. w. -

In Dingen, welche Gott weder geboten noch verboten hat, können die Christen sich auflegen, was sie wollen, aber nur sich selbst, nicht An-

 


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deren. So kann der Pabst sich selber Fasten auferlegen, aber daß er es Andern auferlegt, ist der Teufel. Zwei Christen können für sich eine bestimmte Ordnung aufrichten, aber sie dürfen diese Ordnung keinem Dritten wider dessen Willen auflegen. Das hieße die christliche Freiheit brechen.

Luther schreibt darüber: "Lieber, laß dir's nicht gering Ding sein, verbieten, da Gott nicht verbeut, christliche Freiheit brechen, die Christi Blut gekostet hat, die Gewissen mit Sünde beladen, da keine ist. Wer das tut und tun darf (das heißt, so kühn ist, sich herausnimmt), der darf auch alles Uebel tun, ja, er verleugnet schon damit alles, was Gott ist, lehret und tut sammt seinem Christo. Darum höre zu, mein Bruder: du weißest, daß wir bei der christlichen Freiheit, als bei einem jeglichen Artikel des Glaubens,-sollen Leib und Leben lassen und alle das tun, was man dawider verbeut, und alles das lassen, was man dawider gebeut, wie St. Paulus Gal. 5. lehret. Nicht daß dir's deines Gewissens halben not fei, sondern daß es not ist, die christliche Freiheit zu bekennen, und nicht erhallen und nicht gestatten, daß der Teufel da ein Gebot, Verbot, Sünde oder Gewissen mache, da Gott keine haben will. Wo du aber solche Sünde lässest machen, da ist kein Christus mehr, der sie wegnehme. Denn mit solchem Gewissen verleugnet man den rechten Christum, der alle Sünde wegnimmt. Darum siehest du, wie in diesen geringen Dingen nicht geringe Gefahr stehet, wenn man damit auf die Gewissen will. Wo man Gebot, Verbot, Sünde, gute Werke, Gewissen und Gefahr machen will, da Gott Freiheit haben will und nichts gebeut, noch verbeut, mußt du über solcher Freiheit feste halten, und immer das Widerspiel tun, bis du Freiheit erhaltest." (XX, 278 f.)

In diesem Stück sollen auch Pastoren sehr vorsichtig sein. Sie sollen sich vor der Beeinträchtigung der christlichen Freiheit als vor einer großen Sünde scheuen, wie es denn auch eine der größten Sünden ist. Ein Pastor soll in Mitteldingen auch nicht einen sogenannten moralischen Zwang ausüben. Eine Gemeinde soll den Eindruck von ihrem Pastor haben, daß er keinen Finger breit weicht, wenn Gottes Wort etwas gebietet, daß er aber der nachgiebigste Mensch von der Welt ist, sobald es sich um Dinge handelt, die in Gottes Wort nicht festgesetzt sind. Ein Pastor suche die Leute zu überzeugen, daß ein Ding gut und nützlich oder daß es schädlich ist. Hat man mit christlichen Gewissen zu tun, so ist das genug. Im ändern Falle nützt auch die größte Strenge nichts.

Die Gemeinde hält über ihrem Recht, rechte Lehrer zu berufen und falsche Lehrer zu meiden. Nicht etwa bloß die ganze Kirch e, d. i. die Gesammtheit aller Gläubigen auf Erden, auch nicht bloß die Kirche eines ganzen Landes, sondern jede Ortsgemeinde hat die Schlüsselgewalt. Denn die geistlichen Rechte kommen den Christen nicht zu, insofern ihrer viel, sondern insofern sie Gläubige sind. Das ist klare

 


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Lehre des Wortes Gottes. Nachdem der HErr Matth. 18. von der christlichen Gemeinde gesagt hat: "Wahrlich, ich sage euch, was ihr auf Erden binden werdet, soll auch im Himmel gebunden sein, und was ihr auf Erden lösen werdet, soll auch im Himmel los sein", fährt er fort: "Denn wo zween oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen." Er beschreibt damit die Gemeinde, welche alle Kirchengewalt hat, als Ortsgemeinde, die vielleicht nur aus zwei oder drei Gliedern besteht. — Dasselbe bekennt unser lutherisches Bekenntniß: "Ueber das muß man je bekennen, daß die Schlüffel nicht einem Menschen allein, sondern der ganzen Kirche gehören und gegeben sind. ... Und Christus spricht bei diesen Worten: ,Was ihr binden werdet' u. s. w., und deutet, wem er die Schlüssel gegeben, nämlich der Kirche: ,Wo zween oder drei versammelt sind in meinem Namen' u. s. w. (Schmalk. Art. Erster Anhang.) — Gehört nun jeder Ortsgemeinde die Schlüsselgewalt, so hat sie auch Recht, das Predigtamt zu bestellen oder Prediger zu berufen. Ihr steht es zu, zu bestimmen, wen sie zum Prediger haben wolle. Nicht die Synode, nicht einzelne Personen in der Kirche haben das Recht, den Gemeinden Prediger zu setzen. Freilich könnte die Gemeinde ihr Recht auf Andere übertragen und z. B. den Vorstand, den Synodalpräses oder sonst jemand die Berufung eines Predigers in ihrem Namen ausführen lassen. Auf diese Weise käme eine gütige Berufung zustande. Aber es ist nicht zu raten, daß die Gemeinde diese Weise indirecter Berufung einführt. Es könnte über dieser Weise in Vergessenheit geraten, daß der Gemeinde allein ursprünglich das Berufsrecht zukomme, wie es in Deutschland meist vergessen ist, wo nun Consistorien, Patrone u. s. w. den Gemeinden Prediger setzen, als ob das ihr und nicht der Gemeinde Recht wäre. Eine Gemeinde tut wohl, sich bei Berufsangelegenheiten beraten zu lassen. Aber die überaus wichtige Angelegenheit der Berufung selbst behalte sie in ihren eigenen Händen.

Wie die Gemeinde das Recht hat, rechte Lehrer zu berufen, so hat sie auch das Recht, falsche Lehrer zu meiden. In der Pabstkirche müssen sich die Leute zufrieden geben mit den Predigern, die ihnen vom Pabst durch die Bischöfe gesetzt werden. Ja, papistische Lehrer haben behauptet, die Christen seien verpflichtet, bei ihren "ordentlichen", das heißt, vom Bischof gesetzten Predigern zu bleiben, wenn diese auch falsch lehren sollten. Das ist antichristisch l Predigt ein Pastor falsche Lehre, so greift die Gemeinde mit Ermahnung ein. Nimmt der Pastor die Ermahnung an und hat die Gemeinde die Zuversicht, daß der Paster künftighin recht predigen werde, so behält sie ihn. Beharrt er bei falscher Lehre, so hat sie das Recht, ihn seines Amtes zu entsetzen. Sie hat Recht und Pflicht, zu verlangen, daß in ihrer Mitte nur rechte Lehre gepredigt werde. Sie verpflichtet daher ihren Pastor auch auf ihr Bekenntniß, d. H. auf die Lehre, welche sie als die Lehre der Schrift erkannt hat. In der Kirche soll nur Gottes Wort er-

 


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schallen. Das ist die Zierde der Kirche, der rechte Kirchenschmuck. Die Kirche ist dadurch Gottes Haus und Tempel, daß Gottes Wort in ihr erschallt. Insofern falsche Lehre in der Kirche gepredigt wird, verliert sie ihren Charakter als Kirche Gottes.

Die Gemeinde selbst macht die Ordnungen, welche zu guter Zucht und Erbauung der Kirche dienen, und läßt sich dieselben nicht von Menschen gebieten. Es gibt, wie schon bemerkt, mancherlei in der Gemeinde zu ordnen, was in Gottes Wort nicht bestimmt ist. Es ist z. B. vorgeschrieben in Gottes Wort, was gepredigt werden soll — nur Gottes Wort. Aber manche äußere Dinge, die bei der Predigt des Evangeliums zu ordnen sind, sind in Gottes Wort nicht festgesetzt; z. B. die Zeit, wann der Gottesdienst gehalten werden soll, die Gottesdienst-Ordnung u. s. w. hat Gott in seinem Wort nicht vorgeschrieben. Wer hat nun diese Dinge zu bestimmen? Nicht der Pastor, nicht ein Teil der Gemeinde, nicht die Synode, sondern die Christen, die Gemeinde selbst. Die Gemeinde wird sich, sonderlich vom Pastor, in diesen Dingen be-raten lassen. Sie wird sich in diesen Dingen auch gern mit den Schwestergemeinden möglichst gleichförmig halten, damit fremde Christen sich alsbald heimisch in ihr fühlen, und nicht der Schein der Uneinigkeit gegeben werde. Aber die Festsetzung dieser Dinge hat die Gemeinde. Die Gemeinde soll über ihrem Recht auch in diesen an sich kleinen Dingen halten, und der Pastor soll sich vor jeder eigenmächtigen Anordnung als vor einer großen Sünde scheuen. Freilich tut er nicht Sünde, wenn er diese Dinge ordnet im Auftrag der Gemeinde. Aber es ist im Allgemeinen nicht klug gehandelt, wenn sich der Pastor einen solchen Auftrag geben läßt. Er schärfe der Gemeinde bei dieser Gelegenheit das "Alles ist euer" ein und erziehe sie zu einem Verständniß ihrer Christenrechte überhaupt. Dann wird die Gemeinde auch bald ein reges Interesse an allen Gemeindesachen zeigen.

Aber auch die Gemeinde soll ihre kirchlichen Ordnungen den einzelnen Gliedern nicht als gewissensverbindlich auflegen. Sie muß anerkennen, daß ihre Ordnungen nicht Gottes Gebote sind. Sie muß einen klaren Unterschied machen zwischen dem, was Gott geboten hat, und dem, was sie als Ordnung festgesetzt hat. In Bezug auf Ersteres fordert sie unbedingte Unterwerfung, in Bezug auf Letzteres wendet sie sich an die Liebe der Einzelnen. Und weil Christen sich gern um der Liebe willen in einander schicken, so macht die Ordnung der Mitteldinge, bei der rechten Behandlung, keine Schwierigkeit. Sagt einmal jemand, es sei wider sein Gewissen, sich in Mitteldingen mit der Majorität gleichförmig zu halten, so belehrt man ihn in Geduld und Freundlichkeit eines Doppelten: 1.) daß diese Dinge in Gottes Wort freigelassen sind, 2.) daß auch die Gemeinde nicht um ihres Gebots willen von ihm die Annahme fordert, sondern an seine Liebe appellirt.

In Bezug auf die Ordnung der Mitteldinge wurde noch erwähnt: Wer

 


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sagen wollte: Was nicht in Gottes Wort geboten ist, darin will ich mich auch nicht mit Andern gleichförmig halten, wäre ein Narr. Ueberall, wo mehrere Personen zusammen wohnen, muß man gewisse Ordnungen haben. Einer muß sich in den Andern schicken. In einer Familie z.B. muß eine bestimmte Zeit für die Mahlzeiten festgesetzt werden. Wer das als eine ungehörige Beschränkung seiner persönlichen Freiheit bezeichnen wollte, wäre unsinnig. Wer sich gar nicht in Andere schicken will, unter dem Vorgeben, er müsse seine persönliche Freiheit in allen Stücken wahren, der gehe auf die Prairie, wo keine Seele um ihn ist. Da kann er seine Freiheit genießen. Wer aber unter ändern Menschen leben will, muß sich in Liebe in Andere schicken.

"Ist es recht, daß eine Gemeinde in ihrer Gemeindeordnung Dinge, die nicht in Gottes Wort geboten sind, als solche Paragraphen aufführt, die unveränderlich sind?" Alle in Gottes Wort nicht bestimmten Dinge sollten geändert werden können, denn es können Umstände eintreten, daß solche Dinge notwendig geändert werden müssen. Inder Concordienformel heißt es darüber: "Wir gläuben, lehren und bekennen, daß die Gemeinde jedes Orts und jeder Zeit, derselbigen Gelegenheit nach, guten Fug, Gewalt und Macht habe, dieselbigen (die Mitteldinge) ohne Leichtfertigkeit und Aergerniß ordentlicher und gebührlicher Weise zu ändern, zu mindern und zu mehren." (80I. Desl. Art. 10.)

In welchem Sinne eine christliche Gemeinde auf ihre Ordnungen hält, darüber spricht sich kurz und treffend Gerhard so aus: "Die wahre Kirche befiehlt nicht, Mitteldinge zu tun oder zu unterlassen, um ihres Befehls willen, sondern nur um der Ordnung und Wohlanständigkeit willen, daß Ordnung gehalten und Aergerniß gemieden werde; so lange daher dies nicht verletzt wird, läßt sie die Gewissen frei und macht ihnen weder einen Skrupel, noch legt sie ihnen eine Notwendigkeit auf." (Citirt von Walther, "Die ev.-luth. Kirche" 2c., S. 127.) Luther schreibt:" "Also soll man in allerlei ändern äußerlichen Satzungen der Dinge, so an ihnen selbst frei und nicht wider den Glauben noch die Liebe sind, den Unterscheid haben, daß man sie halte aus Liebe und Freiheit zu Willen den ändern, bei denen man ist, daß man sich mit jenen reime und füge. Wenn sie aber dringen, man müsse und solle es bei Gehorsam halten, als nötig zur Seligkeit, da soll man alles lassen und das Widerspiel tun."

Wie ist den Leuten zu antworten, welche behaupten, daß den Predigern das Recht zustehe, Ordnungen zu machen, und sich dabei auf die Worte der Augsb. Confession, Art. 28, berufen: "Die Bischöfe oder die Pfarrherrn mögen Ordnungen machen, damit es ordentlich in der Kirche zugehe"? Die Augsb. Confession gesteht dies "den Bischöfen oder Pfarrherrn" zu mit einer doppelten Einschränkung: 1.) sie sollen die Ordnungen nicht als gewissensverbindlich oder als nötig vor Gott darstellen, 2.) sie sollen sich mit solchen Ordnungen an die Liebe der christlichen Versammlung wenden und für dieselben nicht Gehorsam fordern um ihres (der


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Bischöfe) Gebots willen. Damit ist das richtige Princip durchaus festgehalten. S o konnte und wollte man sich in bestehende Ordnungen schicken. Die lutherische Kirche ist conservativ.

Eine Synode hütet sich, die Rechte der Gemeinde zu kränken. Jede Gemeinde hat in ihrem Kreise die höchste Gewalt, jede Gemeinde ist autonom. So darf nicht eine Verbindung von Gemeinden, also eine Synode, sich herausnehmen, über die einzelnen Gemeinden herrschen zu wollen. Sie zieht erstlich nicht die irdischen Güter der Gemeinden an sich, indem sie etwa verlangte, daß die Gemeinden ihr Eigentum der Synode überschreiben. Noch viel weniger raubt sie den Gemeinden ihre geistlichen Güter und Rechte. Wohl beräth eine Synode z. B. bei Predigerberufungen die Gemeinde durch ihre Synodalbeamten, aber sie fetzt der Gemeinde keine Prediger. Wohl schließt eine Synode einen Prediger, der als ein unverbesserlicher Irrlehrer offenbar geworden ist, von der Synodalgemeinschaft aus, aber sie erlaubt sich nicht, einen Prediger abzusetzen; das überläßt sie denen, welchen Gott dies Recht gegeben hat, den Gemeinden. Wohl faßt die Synode Beschlüsse, welche sie für den Bau des Reiches Gottes für heilsam erachtet; aber bindend für die einzelnen Gemeinden sind diese Beschlüsse erst dann, wenn die Gemeinden diese Beschlüsse zu den ihrigen gemacht haben.

Aus den Rechten, welche Christus seiner Kirche gegeben hat, ergeben sich nun auch Pflichten. Auch alles, was im Reiche Gottes getan werden soll, ist ursprünglich den Christen befohlen.

Ist nicht bloß einigen Personen in der Kirche Gottes Wort anvertraut, die es zum Besten der Gläubigen verwalten sollen, sondern ist das Wort Gottes unmittelbar den Gläubigen selbst anvertraut, fo sind gerade sie die Leute, welche dafür zu sorgen haben, daß das Wort Gottes reichlich und rein unter ihnen wohne. Erstlich muß jeder Christ für seine Person und in seinem Hause das Wort Christi brauchen, nach dem Befehl des Heilandes, Joh. 5, 39., und nach dem Beispiel der Beroenser, Apost. 17, 11. Welch ein Widerspruch in sich selbst wäre es, wenn die Christen, denen das Wort gegeben ist, als das ewige Brod des Lebens, dasselbe selbst nicht gebrauchen wollten! Sodann haben sie dafür zu sorgen, daß das Wort Gottes in der Gemeinde reichlich wohne, sowohl in christbrüderlichem Verkehr, als auch in der öffentlichen Predigt des Worts, Col. 3,16. In der Gemeinde hat Jeder an seinem Teil dafür zu sorgen, daß die öffentlichen Gottesdienste fleißig besucht werden. Was für ein Widerspruch in sich selbst ist es, wenn die Gemeindeglieder, welche selber nach Gottes Befehl das öffentliche Predigtamt auch gerade für sich bestellen, dasselbe nicht gebrauchen und die öffentlicheü Gottesdienste nur lässig besuchen! Sodann haben sie, die Gläubigen, dafür zu sorgen, daß das Wort Gottes rein unter ihnen wohne. Für falsche Lehre sind sie verantwortlich. Geht in einer Gemeinde falsche Lehre im Schwange, so kommt das auf die Rechnung

 


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der Gemeinde. Eine Gemeinde kann z. B. nicht sagen: Unser Prediger predigt falsche Lehre; uns geht das nichts an. Col. 4,17. heißt es in einer Ermahnung des Apostels an die Gemeinde: "Saget dem Archippus: Siehe auf das Amt, das du empfangen hast in dem HErrn, daß du das-selbige ausrichtest." Es ist kein Widerspruch, wenn einerseits der Prediger die Gemeinde, andererseits die Gemeinde den Prediger beaufsichtigen soll. Beides sagt Gottes Wort: ersteres Apost. 20, 28., letzteres Col. 4,17. Der Pwdiger beaufsichtigt die Gemeinde von Amts wegen, und die Gemeinde hat wiederum darauf zu sehen, daß der Prediger sein Amt an ihr recht ausrichte.

Zu der Sorge, daß Gottes Wort reichlich in der Gemeinde wohne, gehört auch die Sorge für christliche Schulen. Zunächst haben ja die Eltern die Pflicht, ihre Kinder aufzuziehen in der Zucht und Vermahnung zum HErrn. Aber weil es so steht, wie schon Luther erinnert, daß die meisten Eltern weder Zeit noch Geschick haben, den vollen Unterricht der Kinder zu übernehmen, sollen die Gemeinden mit allem Fleiß auf die Erhaltung der Schulen sehen. Ueber die Notwendigkeit der christlichen Schule haben wir schon früher ausführlicher gehandelt.

Liegen aber diese eben beschriebenen Pflichten allen Christen ob, so müssen sie darnach trachten, in der geistlichen Erkenntniß aus Gottes Wort zu wachsen. Soll jeder Mensch schon darnach trachten, sich in der Geschicklichkeit für seinen irdischen Beruf zu vervollkommnen, so soll er noch viel mehr bemüht sein, in der Geschicklichkeit zuzunehmen, welche zur Ausrichtung seines geistlichen Berufes erforderlich ist. Ein Christ nun soll über Lehre und Leben urteilen. Das hat Gott ihm befohlen. Er soll aber nicht nach seinen eigenen Gedanken urteilen, sondern lediglich nach Gottes Wort. So muß er mit Gottes Wort fleißig umgehen. Er darf sich seine irdischen Berufsgeschäfte daran nicht hindern lassen. Fleißig soll er seine Bibel brauchen, um mit Gottes Wort immer vertrauter zu werden. Je mehr er die Bibel liest, desto besser wird er sie auch verstehen. Er lasse auch die Bekenntnißschriften unserer Kirche nicht unbenutzt beiseite liegen. In seiner Familie treibe er den Katechismus. Er lese auch eine rechtgläubige kirchliche Zeitschrift, in welcher die kirchlichen Zeitfragen nach Gottes Wort behandelt werden.

Die einzelnen Christen müssen für alle Angelegenheiten der Gemeinde und des Reiches Gottes die eifrigste Teilnahme zeigen. Welch ein Widerspruch in sich selbst wäre es, wenn die Christen, denen Gott in seiner wunderbaren Gnade diese köstlichen Dinge zur Besorgung überlassen hat, dieselben nun nicht besorgen wollten, wenn ihnen ihre irdischen Berufssachen den Pflichten, welche sie in der Kirche haben, vorgingen! Die Christen müssen vor allen Dingen die Versammlungen fleißig besuchen, in welchen die Angelegenheiten des Reiches Gottes unter ihnen selbst beraten werden, das sind die Gemeindeversammlungen. Nicht eine Last, sondern eine Lust soll ihnen der Besuch dieser Versamm-

 


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lungen sein. Mit herzlicher Freude sollen sie da zur Ausübung ihrer Christen-rechte und Christenpflichten zusammen kommen. Christen müssen sich auch nicht dadurch von dem Besuch der Gemeindeversammlungen abhalten lassen, daß sich in denselben manchmal unliebsame Dinge ereignen. Weil die Christen noch das Fleisch an sich tragen, so wird sich dasselbe ja auch wohl manchmal in den Gemeindeversammlungen äußern. Aber das nehmen sie einander nicht so übel, weil sie wissen, daß sie alle in dem gleichen Spital krank liegen. Sie helfen einander zurecht mit sanftmüthigem Geist, weil sie geistlich sind. Die Gemeindeversammlungen sind eben so wichtig als die öffentlichen Gottesdienste. Aber auch für die Angelegenheiten der Kirche im Allgemeinen muß der Christ die lebendigste Teilnahme bekunden. Was könnte ihn in der Welt mehr interessiren als die Angelegenheiten seines geistlichen Vaterlandes, der christlichen Kirche! Als Paulus und Barnabas den älteren Gemeinden von der Gründung neuer christlicher Gemeinden unter den Heiden berichteten, da machten sie große Freude allen Brüdern, wie wir Apost. 15, 4. lesen. So soll es auch jetzt den Christen große Freude machen, wenn sie z. B. im "Lutheraner" von der Gründung neuer Gemeinden, von dem Gedeihen der Lehranstalten u. s. w. lesen.

Allen Gläubigen liegt die Ausbreitung des Reiches Gottes durch die Predigt des Evangeliums ob. Das Evangelium soll auf der ganzen Erde gepredigt werden. Das will Gott durch Menschen tun. Welche Menschen sind von Gott dazu bestellt ? Matth. 28, 19. heißt es: "Gehet hin und lehret alle Völker." Wer ist mit diesen Worten angeredet? Bloß die Apostel? Nein, denn V. 20. heißt es weiter: "Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende." Das ist nicht bloß von den Aposteln gesagt, denn sie haben nicht bis an's Ende der Welt gelebt. Aber von den Christen ist es gesagt, denn die Kirche bleibt bis an's Ende der Welt. So geht es aus dieser Stelle klar hervor, daß alle Christen ursprünglich mit der Predigt des Evangeliums beauftragt sind. Sobald jemand durch den Glauben ein Christ geworden ist, ist er unter die Zahl derjenigen ausgenommen, welche das Evangelium gerade auch in aller Welt zu predigen haben. Diese Predigt soll durch Leute geschehen, die dazu tüchtig sind. So ist es Sache der Christen, an ihrem Teil dafür zu sorgen, daß solche vorhanden seien. Sie haben dafür zu sorgen, daß Lehranstalten gegründet und erhalten werden. Sie haben — durch Gebet, durch fleißiges Umschauhalten nach tüchtigen Knaben u. s. w. — dafür zu sorgeü, daß Schüler auf die Anstalten gesendet werden. Sie haben auch für die irdischen Mitte! zu sorgen, welche hierzu erforderlich sind. Freilich sollen christliche Eltern selbst darauf bedacht sein, ihre Söhne in den Dienst der Kirche zu stellen. Sie werden auch gerne selbst, wenn sie die irdischen Mittel haben, die Kosten der Ausbildung bestreiten. Aber nichtsdestoweniger bleiben in dieser Beziehung alle Gläubigen verpflichtet. Es ist nicht ein Almosen, wenn die Gemeinden zur Erhaltung von Lehranstalten, für arme

 


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Studenten u. s. w., beisteuern, sondern damit erfüllen sie nur ihre Pflicht. Anders soll ein Christ dies nicht ansehen. Ein Christ gibt sich ja ganz Christo zu eigen. Wenn ein Mensch in die Gemeinschaft der Christen, der Kirche kommt, läßt er sein irdisches Gut nicht zurück, sondern bringt es mit und dient damit Christo, wo er Gelegenheit hat.

Es wurde noch bemerkt: Rechte und Pflichten hängen unzertrennlich zusammen. Keine Rechte ohne Pflichten, weder im Staat noch in der Kirche oder sonstwo. Theoretisch geben wir das alle zu; die praktische Ausführung läßt oft viel zu wünschen übrig. Die Rechte läßt man gerne zu sich reden, aber wenn an die Pflichten erinnert wird, wollen die Ohren nicht recht hören, das Gedächtniß wird schwach und namentlich will die Hand nicht recht in die Tasche. Es ist manchmal traurig! Man könnte versucht sein, von den Rechten ganz zu schweigen und nur von den Pflichten zu reden. Aber man thue das ja nicht. Nur dadurch kann man die Christen willig machen, Gott zu dienen und das träge Fleisch zu überwinden, daß man sie an die wunderbare Herrlichkeit des Christenstandes erinnert. Wersen wir nicht müde, einander zu lehren und in rechter Weise zu ermahnen! Es darf uns gar nicht befremden, daß wir dieselben Ermahnungen Jahr aus Jahr ein zu wiederholen haben, denn alle Christen haben noch das Fleisch an sich, welches unverbesserlich ist bis in die Grube. Kein Pastor soll denken: "Ich habe es nun meiner Gemeinde zehn-, ja zwanzigmal gesagt. Nun muß sie es endlich wissen und nie wieder vergessen." Nein, wie ein Pastor nicht aufhören darf mit Lehren, und wenn er fünfzig Jahre an einer Gemeinde gestanden hätte, so soll er auch des Ermahnens nicht überdrüssig werden. Und er sehe zu, daß die Ermahnung rechter Art sei. Er ermahne evangelisch, das heißt, "durch die Barmherzigkeit Gottes", welche den Christen widerfahren ist. Damit richtet man bei den Christen alles aus. Gesetzliches Treiben verschließt Herz und Hand. Wollen wir beim Ermahnen ungeduldig werden, so ist es gut, wenn wir auch in unser eigenes Herz sehen und erkennen, wie viel uns selber noch fehlt, wie viel Undankbarkeit gegen die Gnade Gottes sich auch noch bei uns findet.

Hiermit ist nicht gesagt, daß nicht der Geiz aus dem Gesetze Gottes ernstlich zu strafen sei. Man gebe der Sünde des Geizes den ihr nach der Schrift gebührenden Namen, nämlich daß der Geiz Götzendienst sei. Man predige unverclausulirt, daß die Geizigen keinen Teil haben am Reiche Gottes. Aber frei macht man einen Menschen vom Geiz und von den Anwandlungen des Geizes nur durch Evangelium, durch die Predigt von der Gnade Gottes in Christo. Das Feuer der Liebe Gottes, welche in Christo erschienen ist, schmelzt auch die vom Geiz harten Herzen. — "Kann jemand wegen Geiz in Kirchenzucht genommen und ausgeschloffen werden?" Allerdings, wenn der Geiz ganz offenbar ist. Aber Geiz nachzuweisen ist in den meisten Fällen überaus schwierig. In dem Falle freilich ist der Geiz

 


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erwiesen, wenn jemand zugibt, er könne wohl etwas für die Zwecke des Reiches Gottes hergeben, aber dennoch dies in irgend einer Form zu tun sich weigert.

Es wurde noch in Bezug auf die Gemeindeversammlungen bemerkt, daß einzelne Gemeindeglieder beharrlich die Gemeindeversammlungen versäumten. Diesem Uebelstande gegenüber sollen Pastor und Gemeindeglieder sich prüfen, ob sie die Säumigen recht belehren und ermahnen. Man muß den Säumigen Vorhalten, ein wie hohes, durch das Blut Christi erworbenes Vorrecht es sei, daß die christliche Gemeinde alle ihre Angelegenheiten selbst besorgen dürfe und wie schließlich ein christliches Gemeindewesen gar nicht aufrecht erhalten werden könne, wenn alle Gemeindeglieder so handeln, nämlich von den Gemeindeversammlungen fern bleiben wollten. Stellt sich freilich bei der Verhandlung über den Besuch der Gemeindeversammlungen heraus, daß der Betreffende von Gottes Wort überhaupt nichts wissen wolle, so weiß eine christliche Gemeinde, was sie von solchen zu halten und was sie mit solchen zu tun hat.

Die einzelnen Christen und Gemeinden, heißt es schließlich in der Thesis, sollten willig sein, sich mit ändern Christen und Gemeinden zu verbinden, um ihre geistlichen Pflichten desto besser ausüben zu können. Es ist gewiß, daß die einzelnen Gemeindm frei dastehen. Es ist kein göttliches Gebot da, daß Gemeinden sich zur Ausübung ihrer Pflichten gerade zu Synoden verbinden müssen. Die Werke aber, welche zur Ausbreitung des Reiches Gottes in aller Welt nötig sind, sind zum Teil solche, daß sie ein gemeinschaftliches Handeln von Christen und Gemeinden fordern und ohne dieses Zusammenwirken nicht recht ausgerichtet werden können. Einzelne Christen und Gemeinden können kaum Lehranstalten, Missionen u. s. w. erhalten. Unsere Synode nun ist ein Bund von Gemeinden, welcher den Zweck hat, die Werke gemeinschaftlich zu tun, welche einzelnen Christen und Gemeinden nicht wohl möglich sind. In solchen Bund einzutreten sollten daher die einzelnen Gemeinden sich nicht weigern, sondern sich der Gelegenheit freuen, mit so vielen Schwestergemeinden verbunden, wie ein großes Heer, das so überaus köstliche Werk des HErrn zu treiben.