1868-Northern- Hügli-Walther present, 24 theses, good works, free will, election, justification; OCR'd by BackToLuther, August 16, 2015.
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Als Hauptgegenstand der Verhandlungen lag der Synode eine Arbeit des Past. I. A. Hügli vor:
24 Thesen über die Lehre von den guten Werken auf Grund -er Lehre vom freien Willen, von der Gnadenwahl und von der Rechtfertigung.
Es konnten jedoch nur die fünf ersten besprochen werden; diese fünf werden daher nur mitgetheilt und zwar in der Fassung, in der sie schließlich von der Synode angenommey worden sind.
Erste These.
„Der Mensch ist nach dem Sündenfall durch die Sünde von Natur so verderbt, daß er aus eigener Kraft kein wahrhaft gutes Werk thun kann." *
Beweis: „Die heil. Schrift bezeugt 1) daß der Mensch das Ebenbild Gottes, nach dem er erschaffen war, verloren habe, 1 Mos. 2, 17. vgl. mit Eph. 4, 24. Kol. 3, 10. 1 Mos. 5, 1. 3.; — 2) daß er geistlich todt sei, Kol. 2, 13. Eph. 2, 1. 5.; 3) daß die Fortpflanzung durch die natürliche Geburt, so wie die ganze Natur des Menschen sündig und verderbt sei,Joh. 3, 6. vgl. Luther's Antwort an Erasmus, daß der freie Wille nichts sei,
Walch XVIII, 2372, § 514—523 — „Wohlan so habe du in ihnen ist."
(Milwaukie Ausg. S. 217—221); ferner: Pf. 51, 7. Eph. 2, 3. — 4) daß alles Thun des Menschen nur böse sei, 1 Mos. 6, 5., 8, 21. vgl. Luther am angeführten Ort W. XVIII, 2353, § 487—498. „Weiter kommt die
Diatribe wider den freien Willen." (Milw. Ausg. S. 204—209); — 5) daß der natürliche Mensch nichts gutes thue, Tit. 1,16. — 6) das lehrt auch die Erfahrung. Vgl. Concordienbuch, N. D. Ausg. S. 532: daß nämlich kräftig und thätig ist. Auf den Einwand, Gott habe den Menschen Gebote gegeben, also müßten sie auch etwas vermögen, antwortet Luther l. c. W. XVIII, 2212, § 270—279: „Der andere Spruch es fehlet eurem Gutdünken weit." (Milw. Ausg. S. 113117); ferner ebendaselbst W. S. 2225, § 289—292: „Nun siehe die Sprüche .was wir thun sollen." — (Milw. Ausg. S. 121. 122)." *)
Hiezu wurde bemerkt:
Aus diesen sechs Beweisen folgt unwiderleglich, daß der natürliche Mensch
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*) Anmerk- Die citirten Stellen sollten nachgeschlagen und gelesen werden.
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kein wahrhaft gutes Werk thun kann. Von Menschen, die nicht wiedergeboren sind, kann man keine guten Werke verlangen; wer diese Erlangt, thut nichts anderes, als daß er Trauben von den Dornen und Feigen von den Disteln lesen will.
Es wurde darauf aufmerksam gemacht, daß Luther in einer der verlesenen Stellen die Größe des menschlichen Verderbens auch daraus nachweist, daß alle, die beharrlich und allezeit das Evangelium verwerfen, nur ärger werden, wenn sie dies Evangelium hören, das doch eine Kraft Gottes ist zur Seligkeit. Solche wollen ihren Götzen sich nicht nehmen lassen; das Evangelium aber stößt ihn vom Thron; daher Haffen sie dasselbe. Groß ist die Feindschaft des natürlichen Menschen gegen das Gesetz Gottes, aber noch größer ist die Feindschaft gegen das Evangelium bei denen, die verloren gehen, denen es ein Geruch des Todes zum Tode ist. Wird doch sonst ein Mensch gerührt, wenn ihm Liebe bewiesen wird; aber diese werden mit Haß und Feindschaft erfüllt, wenn Gott, das höchste Gut, ihnen eitel Güte und Gnade im Evangelio verkündigt.
Luther will in der angeführten Stelle beweisen, daß der Mensch keinen freien Willen habe, daß er dem lieben Gott nicht entgegenkommen, die Gnade nicht annehmen könne, sondern in der Bekehrung sich ganz passiv verhalte; daß, wenn der Mensch etwas thue, er nur widerstehen könne, nur einen knechtischen Willen habe, daß der freie Wille nichts sei, nichts als ein Titel ohne Würde.. Auf Seiten des Menschen ist nichts als satanische Feindschaft. Auch daS schwächste „Ja", das der Mensch spricht, ist ein Werk des heil. Geistes.
Diese Lehre wird von den meisten Theologen der neuen Zeit geleugnet, wenn auch nicht immer auf grobe Weise; sie halten sie für einen überwundenen Standpunkt. Sie sagen zwar, der Mensch könne sich nicht selbst selig machen, aber sie behaupten doch zugleich, daß, wenn der Mensch selig werde, dies daher komme, daß er sich dafür entschieden habe; die letzte Entscheidung gehe doch vom Menschen aus. Wie sich der Mensch beim Sündenfall gegen Gott entschieden habe, so muffe er sich nun wieder, soll dies ausgeglichen werden, für Gott entscheiden; diese Entscheidung des Menschen fei der Glaube. Wenn Einige selig, Andere nicht selig werden, könne man sich dies nicht anders erklären, als dadurch, daß sich eben jene dafür, diese dagegen entschieden hätten. Daher denn auch-die Gnadenwahl auf diese Entscheidung des Menschen sich gründe. Gott habe vor-ausgssehen, welche sich für ihn und welche sich gegen ihn entscheiden würden, und jene erwählt, diese verworfen.
Durch diese gräuliche Lehre wird dem HErrn Christo alle Ehre genommen, als der nur milhelfe, während der Mensch die eigentliche Entscheidung geben müsse.
Man sage nicht, das sei nur eine Lehre für die Theologen und nicht für das Volk, welches dieselbe mißbrauchen würde, wenn es höre, daß der Mensch nichts thun könne zur Seligkeit. Die wahren Kinder Gottes mißbrauchen sie nicht und nehmen sie mit Freuden an. Diese Lehre muß fleißig getrieben werden. Es kann ja keiner ein Christ werden, wenn er nicht erkennt, daß er ein armer Sünder ist und nichts thun kann zu seiner Seligkeit, daß alles an ihm verflucht ist, was nickt der heil. Geist in ihm gewirkt hat.
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Obgleich die verschiedenen protestantischen Gemeinschaften die Lehre von der Erbsünde in tttssi «bekennen und sagen, daß der Mensch geistlich todt sei und wiedergeboren werden müsse; so lehrt doch keine von ihnen recht davon und in ihrer Praxis verleugnen sie, was sie in tttssi bekennen. Sie reden nämlich nur immer davon, daß der Mensch auch etwas thun könne, jagen die Leute in eigenes Wirken hinein. Zwar gedenken sie auch des HErrn Christi mit ihrem Munde, aber sie verleugnen ihn doch zugleich damit, daß sie sagen, der Mensch könne auch etwas thun. Sie machen damit den HErrn Christum nur zu einem Nothhelfer, der da anShelfen müsse, wo eS dem Menschen fehle. Kann es eine erschrecklichere Lehre geben? Gehörte der Mensch nicht mit Haut und Haaren in den höllischen Abgrund, könnte et sich selbst aus dem Verderben helfen, wozu hätte Gott seinen Sohn gesandt?
In der Lehre von ber Bekehrung ist zwischen den Methodisten und Papisten kein Unterschied. Die Methodisten sagen nicht zu dem erschrockenen Sünder: es steht geschrieben, glaube nur! — sondern sie sagen vielmehr: du darfst nicht glauben, bis es so und so mit dir steht. Wäre dies wahr, dann würden wir ja die Seligkeit selbst erwerben.
In Bezug auf die verschiedenen Wirkungen des Gesetzes und Evangeliums wurde bemerkt: So lange das Gesetz wirkt, wird die Sünde größer, die Feindschaft gegen Gott bitterer. Das Evangelium nimmt Haß und Feindschaft hinweg. Die Reue, die das Gesetz wirkt, wird dann erst eine Reue zur Seligkeit wenn der Glaube des Evangeliums dazu kommt; sonst ist's eine verdammte Reue. Das Gesetz richtet Zorn an, d. H., es wirkt, daß der Mensch Gott immer feinder wird und erkennt, daß er nun um so mehr unter Gottes Zorn und Fluch sich befindet.
Kein Mensch kann sich selbst Reue geben; es ist ein schändlicher Ausdruck der Römischen: „Reue wirken". — Gottes Geist wirkt Reue durch's Gesetz; soll aber die Reue eine Reue zur Seligkeit sein, so müssen die Wirkungen des Gesetzes mit den Wirkungen des Evangeliums verbunden werden. Die Wirkungen des Gesetzes für sich führen zum Tode. Reue ohne Glauben ist verdammlich, wie die des Kain und Judas. Das Gesetz wirkt Reue, nicht daS Evangelium. Aber obwohl das Evangelium keine Reue wirkt, so macht sie doch die Reue, die das Gesetz wirkt, heilsam. Keiner kann die Sünde aufrichtig hassen, wenn er nicht glaubt. Es ist thöricht, einem das Evangelium nicht sagen wollen, bis er bekennt, daß er seine Sünde bereut. Es ist darum erschrecklich, in einer Predigt blos Gesetz zu predigen, ohne daS Evangelium folgen zu lassen.
Bereuen ist nichts anderes, als wünschen, es wäre etwas anders, es wäre etwas nicht geschehen. Wenn von Gott in der Schrift gesagt wird: „es reuete ihn", so wird ihm damit nicht eine GemüthSbewegung zutzeschrieben, sondern nur gesagt, daß er «twas ändern will; bei den Menschen ist Reue nicht ohne Bewegung des Gemüths. Wenn Unbußfertige, die die Traurigkeit der Welt haben, etwas reut, so ist bei ihnen ein anderer Grund solcher Reue, als bei denen, die die göttliche Traurigkeit haben. Der Unterschied der Reue bei beiden liegt nicht im Wesen, sondern im Grunde; der Bußfertige hat Reue, der Unbußfertige mag auch solche haben, ja vielleicht noch eine größere; aber bei beiden
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ist der Grund verschieden. Der Unbußfertige fürchtet zeitliche Schande und Hölle, den Bußfertigen kränkt und schmerzt eS, daß er Gott, seinen Wohlthäter, so lange Jahre beleidigt hat.
Ein natürlicher Mensch hat kein Verlangen nach der Gnade Christi. Er mag wohl wünschen, daß Gott ihn nicht strafen, aber nicht, daß ihm Gott gnädig sein wolle; er will wohl nicht in die Hölle, aber er will auch nicht in de» Himmel, wie ihn das Wort Gottes den Anserwählten verheißt.
Ein natürlicher Mensch kann sein Süudenelend nicht erkennen, nicht ohne die Predigt des Gesetzes, und auch dadurch nicht allein. Den» das heißt noch nicht die Sünde recht erkannt haben, wenn «an sagt, daß man ein Sünder sei, aber doch auch zugleich behauptet, noch seine «gute Seite" zu haben. Die Pharisäer kannten daS Gesetz und doch blieben sie ohne rechte Erkenntniß ihrer Sünden, sie wurden immer blinder. Solche verstecken ihre Herzen gegen die Stimme des Gesetzes; zu der natürlichen Ohnmacht kommt noch ruchloses Widerstreben.
Bei der weltlichen Reue ist noch Liebe zur Sünde.. Das kommt daher, daß der Mensch verschiedene Triebe hat, die einander entgegenflehen. So kann ein Mensch wohl wünschen, daß das, was ans die Sünde folgt, nicht sein möge, aber doch zugleich den Trieb zur Sünde und die Lust daran habe».
Die Reue des natürlichen Menschen kommt aus eigener Liebe: er will die Strafe abgewendet sehen; die Reue zur Seligkeit entspringt aus der Liebe Gottes. Demjenigen, der nur durch das Gesetz gewirkte Reue hat, ist es gleich, ob Gott ihm gnädig ist «der nicht, .wenn er nur in den Himmel kommt, de».er sich denkt; er erkennt nicht, daß die Gnade Gottes der Himmel ist. Aber bei wahrhaft Bußfertigen ist es anders, sie verlangen nur Lottes Gnade, wenn sie auch mit Gott in der Hölle sein müßte», und sprechen mit Affaph: „Wenn ich nur Dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde", Ps. 73, 25. Vgl. das Lied: „Schatz über alle Schätze."
Wenn auch in Büchern heidnischer Schriftsteller sich merkwürdige Aeußerun-gen finde», aus denen man ersieht, daß sie einigermaßen gefühlt haben, es stehe nicht recht mit dem Menschen, so haben sie doch keineswegs eine reckte Erkennt-uiß von dem menschlichen Verderben gehabt. Kann doch ein Mensch, der nicht vom heil. Geist erleuchtet ist, nicht einmal aus der Bibel sein erbsündliches Verderben erkennen. Erst, wenn der Mensch wiedergebore» wird, erkennt er, daß nichts Gutes an ihm ist. Auch die Heiligsten werden ohne Heuchelei bekennen, daß sie die größten Sünder sind. Ein gläubiger Christ allein weiß, daß alles, was er thut, der Hölle werth ist, daß alles, was an ihm Gutes ist, Gottes Werk ist.
Die beiden zuletzt angeführten Stellen a»S Luther's Schrift „daß der freie Wille nichts sei" wurden als besonders wichtig bezeichnet gegen die Methodisten, welche daS als Hauptbeweis für ihre Lehre von der Vollkommenheit der Christen anföhres, daß Gott ja vom Menschen Vollkommenheit fordere, daß darum der Mensch auch diese Vollkommenheit erweise» könne, da Gott dieselbe nicht umsonst fordere.
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Zweite These.
„Hiernach ist die Lehre falsch, daß der Mensch nach dem Sündcnfall in geistlichen Dingen noch einen freien Willen habe, sei es nun, daß diese Lehre auftritt entweder
1) im Pelagianismus; das ist die falsche Meinung, daß der Sündenfall der ersten Menschen blos ihnen selbst, nicht aber auch ihren Nachkommen geschadet habe und daß dadurch die menschliche Natur unverderbt geblieben sei; oder
2) im Semipelagianismus; das ist die falsche Lehrweise, daß der Mensch wohl den Anfang zur Bekehrung machen, sie aber ohne Gottes Beihülft nicht hinausführen könne; oder
3) im Synergismus; das ist die falsche Meinung, daß zwar die zuvorkommende Gnade in dem zu bekehrenden Menschen den Anfang mache, der eigene Wille desselben aber dem beitreten könne."
1. Pelagius *) schreibt: "malum »obiscum non orilur, seä aZsitur a nobi8." „Das Uebel entsteht nicht mit uns, sondern wird von uns begangen." (1. äe lib. arb.) Dagegen vgl. Rom. 5, 12.
2. Cassianus †) schreibt: „Es ist nicht zu bezweifeln, daß in der Seele aller Saame der Tugend von Natur sei eingepflanzt durch die Güte des Schöpfers, »ber wenn derselbe nicht durch die Beihülfe Gottes aufgeweckt wird, so kann er nicht zur Vollkommenheit Herauwachsen." (Coll. 13, 12.) Dagegen vergleiche die Stellen zu These 1, die vom geistlichen Tode handeln.
3. Melanchthon ‡) schreibt: „Es wirken zusammen bei der Bekehrung diese Ursachen: das Wort Gottes, der heilige Geist, den der Vater und der Sohn senden, damit er unsere Herzen entzünde, und unser Wille, der da belstimmt und nicht widerstrebt dem Worte Gottes." (Lxana. Orck.). Vgl. dagegen die Stellen zu These 1.
Geistliche Dinge sind solche, die den Sinnen und der Vernunft nicht unterworfen sind und welche in Gott, der ein Geist ist, verborgen liegen, obgleich sie auch durch die Offenbarung von ihm dargeboten werden mögen; oder solche, die den Sinnen und ber Vernunft gewissermaßen nnterworfen sind, die aber auf eine geistliche Weise behandelt werden müssen, (iöaier 6omx. II, 2. § 13). Was die Lehre vom freien Willen betrifft, so faßt dieser Begriff nach Chemnitz (I-oe. ttt. 1, 2. p. 284) zweierlei in sich: 1) den Verstand und 2) den Willen des Menschen. Daß nun aber der Verstand in geistlichen Dingen von Natur ganz blind ist, lehren folgende Stellen: 1 Kor. 2, 14. Eph. 5, 8.; daß aber auch der Wille verkehrt ist von Natur, lehrt u. a. Rom. 8, 7.
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*) Anmrrk. Pelagius war ein britischer Mönch und fing etwa nm das Jahr 410, da er nach Rom kam, an. seine Irrlehren auszubreiten. Seine Anhänger nennt man Pelagianer-
† ) Anmerk. CassianuS, der an der Spitze der Semipelagianer, d. i., der Halbpcla« gianer, stand, war Abt von Massilia und starb 432.
‡) Anmerk. Melanchthon wich in späteren Jahren von der reinen Lehre vom freien Willen ab, die er selbst in der Augsburgischen Confessio» bekannt hatte. Die es hierin mit ihm hielten, heißen Synergisten, weil sie den natürlichen Kräften des freien Willens in dem Werke der Bekehrung «ne Mitwirkung (SFnsrxvis.) Utit dem heil. Geiste Mschrieben.
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Vgl. Concordienbuch S. 548. „Darnach herkam." Luther am angeführten Ort W. XVIII. S. 2409, § 565-582. „Denn da Paulus............. im tiefsten Grunde des Herzens." (Milw. Ausg. S. 240—248.)
Bemerkungen:
Diese zweite These liegt zwar schon in der ersten, wird aber hier besonders hervorgehoben, weil die Lehre, daß der Mensch in geistlichen Dingen keinen freien Willen hat, so wichtig ist.
Bei dem angeführten Spruch Eph. 5,8. wurde darauf aufmerksam gemacht, daß der Apostel darin einen hohen Grad der Verderbniß des menschlichen Verstandes ausdrücke, indem er nicht spricht: „ihr wäret weiland finster", sondern: „ihr wäret weiland Finsterniß".
In äußerlichen, weltlichen Dingen hat der Mensch einigermaßen noch einen freien Willen, aber nicht in geistlichen Dingen.
Ein unbekehrter Mensck mag wohl in die Kirche gehen, kraft seines freien Willens, die Predigt hören oder nicht, aber er wird nicht in die Kirche gehen, um da seine Seele erbauen zu lassen, er wird Gottes Wort nicht lesen, um Christum zu erkennen, Gnade zu finden. Das äußerliche Gehen in die Kirche steht einigermaßen in seiner Gewalt. In Folge solcher Handlungen, die er aus seinen natürlichen Kräften thut, mag er wohl zu Gottes Gnade kommen, aber dieses ist nicht sein, sondern Gottes Werk. Gott kommt dem Menschen mit seiner Gnade zuvor. Nicht der Mensch sucht Gott, sondern Gsstt sucht den Menschen. Die zuvorkommende Gnade ist aber eine äußerliche, nicht eine innerliche. Es ist eine gefährliche Irrlehre der Neugläubigen, daß sie alle diejenigen als Erweckte und als unter der vorlaufenden Gnade Stehende bezeichnen, die noch nicht einen gewissen Grad der Zerknirschtheit oder der Zuversicht erlangt haben; während doch'jedes Wollen Gottes Gnadeuwerk ist. Wer das erste Fünklein in seinem Herzen hat, hat die ganze Gnade. Ein solcher ist bereits ein vollkommenes Kind Gottes. Es ist erschrecklich, zu einem solchen zu sagen-Dn bist zwar erweckt, aber nicht bekehrt; lebendig, aber noch kein Kind Gottes-du bist eine Werkstätte Gottes, aber du hast noch keine Gnade; die Gnade hat erst bei dir angefangen, aber du hast sie noch nicht. Viele sind durch solche Lehre schon in Verzweiflung oder der Welt wieder in die Arme getrieben worden. Gleich verwerflich ist auch die Classisikation der geistlichen Seelenzustände. Nack-Gottes Wort gibt es nur zweierlei Clafsen Menschen: Bekehrte und Unbekehrte^ Begnadigte und Verworfene.
Wenn Luther von der besten Kraft des freien Willens redet,, so will er damit sagen, daß auch diejenigen blind und Gottes Feinde sind, welche ihr ganzes Leben dazu angewandt und sich bemüht haben, zu lernen, was Wahrheit und Recht sei, wie z. B. die alten heidnischen Philosophen. Diese Lehre ist jetzt in unserer Zeit verachtet. Man hat aufgehört, das Christenthum in Gegensatz zu dem, was die ganze Welt für Wahrheit und Recht hält, zu stellen' man verbindet Christenthum und Welt; das Christenthum erkennt die Welt an^ damit dasselbe von ihr wieder anerkannt werde. Wo die Kirche nicht Ernst macht mit der Bibellehre, wird sie bald verschlungen werden von der Finsternin der letzten Zeit.
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Man spricht nicht gern davon, daß jene Heiden Sokrates, Plato ü. a., die sich so sehr bemüht haben, Wahrheit zu finden, zu den Verlorenen zu zählen seien; weil man doch, wenn man sie selig priese, zu sehr dem Evangelium in's Angesicht schlagen würde. Man hat darum die Lehre vom Hades ersonnen, in welchem solche sich noch .bekehren sollen. Wer keine Gnadenwahl glaubt, kann nicht dafür halten, daß die, welche nicht glauben, verdammt werden, daß die Seligkeit ein Werk der freien Gnade und Erbarmung Gottes ist; muß sich ärgern, daß solche Leute in die Hölle kommen sollen.
Betreffend Synergismus, wurde bemerkt, daß Viele, die Lutheraner sein wollen, in demselben stecken, ohne daß sie es wissen und wollen, indem sie in Predigten und sonst dem Menschen eine Selbstentscheidung des Willens zuschreiben und sagen, daß der Mensch, wenn die Gnade an ihn kommt und ihn kräftig anfaßt, sich entscheiden müsse und könne. Freilich werden die Menschen aufgefordert: Thut Buße! Bekehret euch! aber damit ist nickt gesagt, daß sie dies können. Dies wurde deutlich gemacht durch das Wort Christi, das er am Grabe Lazari sprach: „Lazare, komm heraus!" Lazarus hatte keine Kraft, aufzustehen, obgleich Christus zu ihm sagte: „stehe auf!" Aber in demselben Augenblick, da Christus diese Worte zu ihm sprach, und durch diese Worte bekam er diese Kraft; was von diesen Worten Christi gilt, das gilt nun auch von jedem ändern Wort des HErrn, das die Prediger verkünden. Durch dies Wort kommt Kraft und Leben und nimmt zu, wenn der Mensch nicht muthwillig widerstrebt. Ein Mensch widerstrebt aber muthwillig, wenn er bewußt der Kraft, die ihn frei machen will, nicht folgen will. „Wer da hat, dem wird gegeben, daß er die Fülle habe, wer aber nicht hat, dem wird auch genommen, das er hat", Matth. 13,12.
Dritte These.
„Die sogenannten gnten Werke der Unwiedergeborenen sind nnr in dem Sinne gut zu nennen, sofern sie äußerlich einigermaßen mit dem Gesetze Gottes Übereinkommen, und insofern belohnt sie auch Gott aus großer Güte mit zeitlichen Gütern. Aber wahrhaft gute Werke sind sie nicht; denn 1) das bezeugt Gottes Wort ausdrücklich, Nom. 14, 23. Matth. 12, 33. 2) so hat sich die Person, die diese Werke thut, auch noch nicht mit Gott aussöhnen lassen und steht somit noch unter Gottes Zorn, Joh. 3,36. 3) sie kommen aus einem unreinen Herzen, Tit. 1 ,15. 4) der Zweck, den sie haben, ist ein falscher".
Daß die Unwiedergeborenen äußerlich einigermaßen gute Werke thun können, lehrt 1) Gottes Wort, Röm. 2,14., 2) die Erfahrung.
Vgl. Concordienbuch S. 30. S. 566. Luther zu Gal. 2, 16.: „Nun kommen groß werden"; Luther's Auslegung des 101. Psalmes, Erl. Ausg. 39, 330—334. „Zwar gethan habe".
Luther bei Walch XVIII, 2374, § 517—523. „Sollten die an Ihnen ist." (Milw. Ausg. S. 218.)
Angustinus: „Die Römer haben nach dem Eifer ihrer Disciplin zu Lohn erhalten ein blühendes Reich über die ganze Erde, glückliche Erfolge, rc."
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Quenstedt: „Obgleich also einige Handlungen der Unwiedergeborenen an sich und nach der Substanz des Aktes nicht fehlerhaft (vitiosi) sind, so werden sie doch zufällig fehlerhaft, nämlich, weil ihnen die Erfordernisse der guten Werke vor Gott fehlen; daher werden jene Handlungen der Unwiedergeborenen Sünde genannt nicht in Bezug auf die Substanz des Aktes selbst, der dem Gesetze Gottes zn entsprechen scheint, sondern in Rücksicht auf die bewirkende
Ursache, das Wesen und den Zweck Wenn daher von Augustin
Luther u. A. gesagt wird, daß selbst die tugendhaften Handlungen der Unwieder-geborenen Sünde seien, so geschieht das nicht in Rücksicht auf die Materie, oder in Bezug auf ihre Substanz, auch nicht insofern sie nach der Erkenntniß von Gutem und Bösem, das in diesem Leben übrig ist, unternommen werden und geschehen (denn wir gestehen zu, daß sie auf diese Weise gut sind), sondern in Rücksicht auf die bewirkende Ursa che, das Wesen und den Zwe ck." (Ittool. IV, 8. 2, H. 1. x. 312.)
Bemerkungen der Synode:
Werke der Unwiedergeborenen werden gut genannt, als bloße Handlungen betrachtet, ohne auf ihren Grund, Absicht rc. zu sehen; sie sind bürgerlich, nicht geistlich gut; sie mögen in menschlichem Gerichte gut genannt werden sind aber nicht gnt vor Gott, sie sind nicht moralisch gut.
Betreffend den Lohn dieser Werke, wurde gesagt, daß derselbe nicht geleugnet werden könne. Gott läßt sich nichts umsonst thun. Das Wort Lohn darf aber nicht im strengen Sinn genommen werden, als verdienten sie diesen Lohn; sie erlangen ihn aus Güte. Gott ist Niemand etwas schuldig; er hat sich nicht dazu verbunden; aber er thut es zuweilen. Gott wollte gern alle Menschen selig haben, er ist die Liebe; die Unwiedergeborenen wollen seine Liebe nicht wollen das ewige Leben nicht, so giebt er ihnen doch oft zeitliche Güter. Er thut es auch um der Erhaltung der Welt willen, daß in ihr äußere Zucht bleibe; um sie dazu zu bewegen, gibt er ihnen zeitlichen Segen; den geistlichen und ewigen wollen sie ja nicht. Der Spruch Röm. 4, 4. („dem aber, der mit Werken umgeht, wird der Lohn nicht aus Gnaden zugerechnet, sondern aus Pflicht") ist als nach der Gesinnung der Werkgerechten geredet zu verstehen; diese schreiben dem lieben Gott ihre Werke an; danach will Gott auch mit ihnen verfahren, er will sie bezahlen; das ewige Leben aber bekommmen sie nicht.
Vierte These.
„Soll der Mensch wahrhaft gute, Gott wohlgefällige Werke zu thun vermögen, so muß er vor allen Dingen durch den heil. Geist vermittelst des Wortes Gottes und der heil. Sacramente wiedergeboren sein."
1) Nachdem in den vorhergehenden Thesen dargethan ist, daß der Mensch aus eigener Kraft kein wahrhaft gutes Werk thun kann, so folgt nun von selbst, daß, soll er dessen fähig werden, eine Umänderung mit ihm Vorgehen muß, und das wird keine andere sein, als die von Joh. 3, 5. beschrieben wird. 2) Dies lehrt die heil. Schrift auch an allen den Stellen, wo sie redet von einer ge i st-lichen Auferstehung, Eph. 5, 14. Joh. 5, 25. Luc. 15, 32., von einer Lebendigmachung, Eph. 2, 5. 6., Röm. 6,13., von einer neuen
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Schöpfung, 2 Kor. 5, 17. Gal. 6, 15. Eph. 2, 10. (Balduin sagt zu Gal. 6, 15., der Apostel brauche das Wort „schaffen", um das Principium unserer Wiedergeburt anzudeuten, daß dies nämlich nicht die Kräfte unserer Natur, sondern einzig und allein Gott sei; denn schaffen sei ein Werk, das allein Gott zu-konune.) Ferner redet die Schrift davon in allen den Stellen, wo sie handelt von dem Anziehen des neuen Menschen, Eph. 4, 24., von einer Bekehrung, von der Buße, Apost. 12, 18. rc.
Luther's Auslegung des Evangelium Johannis (C. 3, 3.). Erl. Ausg. 46. S. 257—264. Predigt in der Kirchenpostille über das Evangelium am 1. Adv. Erl. A. 10, 36—39. „Diese glauben an Christo."
Hiezu wurde bemerkt:
Es ist ein großer Jrrthum, wenn man meint, die Lehre von der Noth-wendigkeit der Wiedergeburt sei allein den Schwärmern eigen, nicht der lutherischen Kirche; ferner, wenn man meint, die Taufe sei die Wiedergeburt, alle Getaufte seien Wiedergeborene, hätten auch Kraft, gute Werke zu thun, hätten einen freien Willen. Dieser Jrrthum gehe besonders in Deutschland im Schwange. Man stellt die Wiedergeburt hin als nichts weiter, denn ein durch die Taufe herbeigeführtes neues Verhältniß der Getauften zu Gott, als ein unerklärliches Etwas, das durch die Taufe in der Seele gewirkt wird, das sich nicht verliert, wenn der Mensch auch in Todsünden fällt. Man behauptet, daß der durch die Taufe Wiedergeborene inuner ein solcher bleibe. Aber nach der heil. Schrift müssen wir glauben, daß in der Wiedergeburt nicht blos das Verhältniß des Menschen zu Gott, sondern sein Herz, Sinn, Mnth und alle Kräfte geändert werden, daß die Wiedergeburt nicht blos etwas Moralisches, sondern etwas Physisches sei im theologischen Sinne. Dieses Schaffen Gottes ist eine Summe ueuer geistlicher, himmlischer Kräfte, welche in der Schrift „Geist" genannt werden, weil sie vom heil. Geist gewirkt werden. „Was vom Geist geboren wird, das ist Geist". Joh. 3, 6. „Und euer Geist ganz, stimmt der Seele und Leib, rc." 1 Thess. 5, 23.
Wir müssen an der Lehre festhalten, daß nicht alle Getauften wiedergeboren werden; sind ja doch Viele, die dem heil. Geist widerstreben. Die Taufe ist das Bad und Mittel der Wiedergeburt. Aber solche, die da muthwillig widerstreben, sind damit Schuld, daß dies Mittel seinen Zweck nicht erreichen kann. Ein Jude, der in seinem Unglauben bleibt und sich nur um des Pathengeldes willen taufen läßt, wird gewiß nicht wiedergeboren; obgleich die Taufe das Bad der Wiedergeburt bleibt; so wenig derjenige, der das bekehrende Wort Gottes hört, aber nicht annimmt, bekehrt ist. Und sowie wir sagen müssen, daß nicht alle Getaufte Wiedergeborene sind, so müssen wir auch sagen, daß Einer auch wiedergeboren sein könne, der nicht getauft worden ist; denn das Wort des Evangeliums hat ja auch wiedergsbärende Kraft.
Den Sacramenten darf durchaus nicht eine magisch wirkende Kraft, eine Wirkung ohne Glauben, ex opsrs operaw, zugeschrieben werden.
Die Lehre, daß in den Ungläubigen, die getauft worden sind, durch die Taufe Etwas gewirkt werde, das auch immer bei ihnen bleibt, also, daß man einen solchen noch als ein Glied am Leibe Christi ansehen müsse, — ist nicht ver-
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schieden von der Lehre der Papisten von dem unauslöschlichen Zeichen, welches nach ihrer Meinung durch die Taufe, durch ihre Firmelung und Priesterweihe anfgedrückt werde und selbst in der Hölle sichtbar bleibe.
Wie wir gegenüber den Schwärmern daran festhalten müssen, daß die Taufe das Bad und Mittel der Wiedergeburt sei, so müssen wir uns auch, um ihnen keine Veranlassung zur Lästerung unserer Lehre zu geben, vor Ausdrücken hüten, wie: die Taufe ist die Wiedergeburt; wiewohl solche Ausdrücke gut gedeutet werden können, so kann doch auch das hineingelegt werden, daß, wer getauft sei, er mag leben, wie er wolle, wiedergeboren sei. Wir glauben, daß alle Kinder wiedergeboren werden, sie widerstreben dein heil. Geist nicht muthwillig. Wer aus seiner Taufgnade gefallen ist, muß abermals wiedergeboren werden. Der Apostel sagt von den abgefallenen Galatern: „welche ich abermal mit Aengsten gebäre", Gal. 4, 19. Hiernach ist die Lehre falsch, daß die Wiedergeburt blos einmal in der Taufe geschehen und nicht wiederholt werden könne.
Eine Frage, betreffend die Seligkeit der Kinder der Heiden und Ungläubigen wurde also beantwortet: Von den Kindern der Heiden haben wir keine Verheißung, wir überlassen sie der Barmherzigkeit Gottes, .wir verdammen sie nickt, preisen sie aber auch nicht selig. Die innerhalb der Christenheit geborenen Kinder, auch die von ungläubigen Eltern geborenen, sind als der Kirche von Gott gegeben anzusehen; daher die Verheißung sie auch angeht. — „Was gehen mich die draußen an, daß ich sie sollte richten". 1 Kor. 5, 12. Wir haben kein Recht zu entscheiden, was Gott nach seiner freien Gnade thun kann.
Zu der Stelle 1 Thess. 5, 23.: „und euer Geist ganz sammt der Seele und Leib rc." wurde beantwortet: der Mensch besteht nicht aus drei Theilen: Geist, Seele und Leib. Das Wort „Geist", wenn es von Gläubigen gebraucht wird, wie in diesem Spruch, bezeichnet das, was vom heiligen Geist im Menschen geboren und geschaffen worden ist. Wird das Wort „Geist" von eineni natürlichen Menschen gebraucht, so ist es gleichbedeutend mit „Seele". Judas nennt in seiner Epistel die Ungläubigen „Fleischliche, die da keinen Geist haben". V. 19. Wird durch das Wort „Geist" das bezeichnet, was vom heil. Geist im Menschen geschaffen worden ist, dann ist es von dem Wort „Seele" unterschieden. Da auch das heil. Evangelium vom heil. Geist gegeben und gleichsam geschaffen worden ist, heißt es auch „Geist".
Auf die Frage, wie Glaube, Wiedergeburt und Rechtfertigung sich zu einander verhalten, wurde geantwortet: diese drei fallen der Zeit nach zusammen und sind nur begrifflich zu scheiden. Es muß der Mensch zuerst die Kraft zu glauben bekoiymen; dies geschieht durch die Wiedergeburt; hat er den Glauben bekommen, so setzt er seine Zuversicht ans den HErrn Christum; die Folge ist, daß er durch solchen Glauben gerechtfertigt wird. Wiedergeburt und Glauben gehen dem Begriff nach der Rechtfertigung voraus. Ein Todter kann nicht glauben. Aber in dem Moment der Wiedergeburt glaubt er; denn in der Wiedergeburt wird der Glaube geschenkt. In demselben Moment spricht ihn Gott aber auch gerecht und selig.
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Fünfte These.
„Die Gnadenwahl verhält sich zu dieser Umänderung des Menschen so, daß Gott vermöge seiner ewigen Wahl auch in der Zeit aus lauter Gnade um Christi willen kräftiglich wirket und schaffet, daß seine Auserwählten — das sind alle die, die er zum ewigen Leben zuvorvcrordnet hat — auch zu den Gnadcnmitteln kommen und bekehrt werden."
Siehe Lehre und Wehre II, 315, flg.
Beweis. 1) daß Gott die Hauptursacke der Erwählung sei, lehrt Eph. 1,3. 4.;
2) daß die innere antreibende Ursache Gottes Gnade sei, lehrt Röm. 9, 15.;
3) daß die äußere oder verdienstliche nichts in uns sei, geht u. a. ans 2 Tim. 1, 9. hervor; daß sie aber einig und allein Christi Verdienst sei, lehrt Eph. 1, 4. 5. 6.;
4) daß die Berufung und Heiligung bei den Auserwählten eine Frücht und Folge der Erwählnng ist, das geht a) daraus hervor, weil die Schrift bezeugt, daß alles, was Gott in der Zeit zur Beseliguug seiner Auserwählten thut, nur eine Folge seiner ewigen Wahl sei, Eph. 1, 4. (xaSS?), Röm. 8, 30. 2 Tim. 1, 9. Apost. 13, 48.; b) das folgt auch aus dem Begriff Erwählung selbst, wie dies Wort bei dieser Lehre gebraucht wird. Es schließt nämlich in sich 1) Gottes Liebe gegen die Auserwählten in Ewigkeit, 5 Mos. 7, 6—8.; 2) die Absonderung der Auserwählten von ändern Menschen, vgl. 5 Mos. 7, 6. 3 Mos. 20, 24. 1 Kön. 8, 53. Joh. 15, 19.; v) es wird auch von den Auserwählten gesagt, daß ihnen alle Dinge zum Besten dienen müssen. Röm. 8, 28.
Vgl. Concordienbuch S. 635: „Die ewige Wahl waren." S. 638:
„Und hat Seligkeit."
Luther, Walch XVIII, 2474, § 654—662: „Ich wollte Wunder
gethan." (Milw. Ausg. S. 283—287.)
Gerhard: „Durch keine Verdienste der.Menschen, durch keine Würdigkeit des menschlichen Geschlechts, auch nicht durch das Vorher sehen guter Werke oder des Glaubens ist Gott bewogen worden, daß er Einige zum ewigen Leben erwählte, sondern es ist dieses durchaus allein seiner unverdienten und unermeßlichen Gnade zuzuschreiben. Eph. 1, 6.: „Er hat uns erwählet zu Lobe seiner herrlichen Gnade." Röm. 11, 6.: „Ist es aber aus Gnaden, so ist es nicht aus Verdienst der Werke, sonst würde Gnade nickt Gnade sein." 2 Tim. 1, 9.: „Der uns hat selig gemacht und berufen mit einem heiligen Nus, üicht nach unfern Werken, sondern nach seinem Vorsatz und Gnade, die uns gegeben ist in Christo JEsu vor der Zeit der Welt." (I>oo. 6s elect. L repr. § 52.)
Derselbe: „Wir bekennen mit lauter Stimme, daß wir dafür halten, daß Gott nichts Gutes in dem zum ewigen Leben zu erwählenden Menschen gefunden habe und daß er weder auf gute Werke noch auf den Gebrauch des freien Willens, ja auch nicht aus den Glauben selbst so gesehen habe,
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daß er dadurch bewogen oder um deßwillen Einige erwählt habe; sondern wir sagen, daß einzig und allein Christi Verdienst dasjenige sei, dessen Würdigkeit Gott angesehen, und daß er aus bloßer Gnade den Rathschluß der Erwählung gefaßt habe." <D. e. § 161.)
Quenstedt: „Es hat uns Gott erwählet nicht nach unfern Werken, sondern aus lauter Gnade. Auch der Glaube selbst gehört nicht hierher, wenn er als eine Bedingung angesehen witd, mehr oder weniger würdig, sei es an und für sich oder vermöge einer Werthschätzung durch den Willen Gottes zu dem Glauben hinzugefügt. Nichts von allem dem hat Einfluß gehabt auf Gottes Wahl (cir-ouluin eleoüonis iu§rec>ia«.ur), sei es als eine bewegende oder als eine antreibende Ursache, daß er einen solchen Rathschluß faßte, sondern es ist einzig und allein seiner Gnade zuzuschreiben, wie der selige Hülsemann lehrt" (I. o. I*. III., o. 2. §. 1., p. 17.). Siehe Lehre und Wehre IX., 297—300.
Bemerkungen der Synode.
Der Unterschied zwischen der calvinistischen und lutherischen Lehre von der Gnadenwahl ist der: Die Lutheraner wollen nicht erklären, wie es komme, daß, da es alles an Gottes Erbarmen liege, bei Einigen Widerstreben und Tod weggenommen wird, Andere dagegen verloren gehen. Sie schlagen diese Frage nieder. Die Calvinisten aber beantworten sie und zwar so, daß sie sagen, Gott wolle solche, die verloren gehen, nicht selig machen, er habe von Ewigkeit einen unbedingten Nathschluß gefaßt, einige Menschen als Gegenstände seines Zornes, andere als Gegenstände seiner Gnade zu erschaffen. Dies ist eine lästerliche Lehre. So entschieden Luther die Wahl als eine Wahl der freien Gnade behauptet, so entschieden lehrt er, daß Gott wolle, daß Alle selig werden, daß Christus für Alle gestorben ist, daß der Ruf ernstlich gemeint sei. Gott läßt uns in seinen wunderbaren Rath nicht hineinsehen; er hat uns an seinen im Wort geoffenbar-ten Willen gewiesen. Wir dürfen aber nicht glauben, daß dieser geoffenbarte Wille dem geheimen Willen entgegen sei.
Betreffend die Aeußermig Luthers in seiner Vorrede zum Brief an die Römer, daß aus der ewigen Versetzung Gottes es ursprünglich herfließe, wer'glauben oder nicht glauben solle, wurde bemerkt, daß, wenn aus der Versetzung stieße, wer glauben soll, daraus auch gewißlich fließe, wer nicht glauben soll; daß aber damit nicht gesagt sein soll, daß Gott Solche nicht wolle selig machen.
In der Concordienformel wird der Unterschied calvinistischer und lutherischer Lehre deutlich gezeigt. — Wenn nach dem Zeugniß der Concordienformel die ewige Wahl aus Gnade die Ursache ist, die der Auserwählten Seligkeit und was zu derselben gehört, schaffet, wirket, hilft und befördert, so folgt daraus nicht, daß die Ursache, die die Verdammniß der Verworfenen schaffet, die ewige Wahl Gottes sei; das ist calvinistische Lehre. Die Ursache ist vielmehr der Gottlosen verkehrter Wille. S. Augsb. Conf. XIX.
Was die Concordienformel lehrt, daß es nämlich keine Prädestination zur Verdammniß, sondern nur eine zur Seligkeit gebe, kann deutlich aus den Worten des Grundtextes von Röm. 9, 22. 23. bewiesen werden. Von „den Gefäßen der Barmherzigkeit" heißt es: „Die er zuvor bereitet oder bestimmt hat zur Herrlichkeit (x xxxxxxxxxxxx xxx xxxxx), dagegen von den „Gefäßen des Zorns"
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nur: „die da zugerichtet sind zum Verderben" (xaT-^rs/^a «-Er«--). Von den Gefäßen des Zorns heißt es also nicht, Gott habe sie zugerichtet, auch nicht, sie seien zuvor zugerichtet, sondern nur, sie seien zubereitet zum Verderben.
Aus der Art und Weise, wie Jemand die Lehre von der Gnadenwahl vorträgt, kann man ersehen, ob er pelagianische Ideen hat oder nicht. (Siehe Lehre und Wehre I. e.) — Cs ist wohl zu merken, daß die Concordienformel die Lehre, nach welcher man dem Menschen das Geringste zuschreibt, eine lästerliche nennt. Jetzt gilt die Lehre, nach der man Alles in Gottes Erbarmen setzt, als eine unvernünftige.
Der Glaube ist nicht der Grund unserer Seligkeit, auch nicht die Wahl, sondern allein Christus. Die Wahl ist die Ursache, die da wirket unsere Seligkeit und was dazu gehöret. Der Glaube ist das ergreifende Mittel. Nicht deßwegen hat ein Bettler Etwas, weil er zugreift, sondern weil ihm gegeben wird. Der Geber gibt ihm nicht, weil er, der Bettler, ergreift, sondern er ergreift, weil ihm gegeben wird. Also hält es sich auch mit uns, die wir vor Gott Bettler sind. Gott gibt uns nickt, weil wir ergreifen, sondern wir ergreifen, weil er uns gibt.
Es wurde eingewendet, daß Eph. 1. gesagt werde, wir seien durch Christum erwählt, und daß damit der Glaube eingeschlossen werde, indeni ja Christus durch den Glauben ergriffen würde, und daß damit auch der Ausdruck der spätern Theotogen, "iutuitu üllsi, in Ansehung des Glaubens, habe Gott erwählt", gerechtfertigt werde. Dem wurde entgegnet: In Gott fallen keine Bedingungen; man setze aber solche in Gott, wenn man sage, er habe in Ansehung des Glaubens erwählt. Die Wahl ist darum nicht eine absolute. Gott hat uns in' Christo, d. i. um Christi willen, erwählt. Der Glaube kann die Ursache nicht sein. Wie kann das eine Ursache sein, daß Gott Etwas an uns gethan hat, etwas an uns thut? Liebt mau einen Bettler, weil man ihm eine Gabe gegeben hat? Wie kann uns Gott deßwegen selig machen wollen, weil er uns den Glauben geschenkt hat? Wir finden nirgends in der Schrift, daß Gott an dem Menschen etwas vorausgesehen, um welches willen er ihn selig macht. Röm. 8, 28. 29.
Es ist ein grober Mißverstand der Neuern, welche Luthern, Heshus, Flac-cius, Wigand und andere treue Schüler Luthers des Calvimsmus beschuldigen. Sie selbst, diese Neuern, huldigen meistens dem Pelagianismus und Semipela-gianismus. Man schreibt den Menschen einen freien Willen zu, wenn man lehrt, daß Gott sie erwählt habe, weil sie glauben werden. Gott sah die Menschen, einen wie den ändern, tief gesunken. Was ist die Ursache, daß diese glauben, jene nicht glauben? Wenn es nicht einzig und allein Gottes freies Erbarmen ist, daß sie glauben, dann müssen sie einen freien Willen gehabt haben, zu glauben.
Das ist nicht wunderbar, daß Menschen verdammt werden, denn sie haben alle die Verdammniß verdient, sondern das ist zu bewundern, daß, während Einige selig werden, Andere verdammt werden, daß bei Einigen Widerstreben und Tod weggenommen wird, bei Ändern nicht. Wir können das nicht begreifen. Wir müssen cs nur bewundern. Wir dürfen den geheimen, verborgenen Willen Gottes nicht mit den Calvinisten zu einem geoffenbarten machen wollen.
Auf die Frage, wiefern es Pelagianismus sei, wenn der Glaube als Mittelglied angesehen werde, so daß das Bewegende in der Erwählung nicht der Glaube
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an sich, sondern der durch den Glauben ergriffene Christ,is und sein Verdienst sei, wurde geantwortet: Damit setzt man doch eine Bedingung in Gott. Der Glaube ist wohl ein Mittelglied; aber, wenn man sagt, Gott habe in Ansehung des Glaubens erwählt, so ist der Glaube nicht Mittelglied, sondern Bedingung. Man mag noch so subtil unterscheiden, es wird doch dem Glauben eine gewisse Ursächlichkeit zugeschrieben. Wir finden aber nirgends in der Schrift gesagt, daß wir um des Glaubens willen selig werden. Der Glaube ist Mittel, nicht Ursache. Christus ist der Grund der Seligkeit, auch wenn er nicht im Glauben ergriffen wird.
Die Gnadenwahl ist ja auch nur dann tröstlich, wenn keinerlei Ursache im Menschen gesetzt wird. Der Teufel würde die Gläubigen allesammt überwinden, wenn keine Gnadenwahl wäre. Nun aber werden wir aus Gottes Macht durch den Glauben bewahret zur Seligkeit, indem er den Glauben gibt, stärkt und erhält. Angefochtenen, die da zweifeln, ob sie auserwählt seien, und denken, daß sie zu denen gehören, die nur eine Zeit lang glauben, soll zu ihrem Tröste die reine Lehre von der Gnadenwahl auseinandergesetzt werden. Ihre Seligkeit ist ja untrüglich gewiß; es liegt nicht in ihnen, Gott ists, der sie erhält. Ihnen sollen die tröstlichen Sprüche gesagt werden: „Euch, die ihr aus Gottes Macht durch den Glauben bewahret werdet zur Seligkeit" (1 Petr. 1, 5.). „Wir wissen aber, daß denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, die uach dem Vorsatz berufen sind. Denn welche er zuvor versehen hat, die hat er auch verordnet" rc., Nom. 8, 28. ff. „Und bin desselbigen in guter Zuversicht, daß" rc., Phil. 1, 6.
Man nmß beim Unterricht mit der Lehre des Gesetzes und nicht mit der Lehre von der Gnadenwahl den Anfang machen. Die Lehre von der Gnadenwahl ist ja die Lehre von dem Wege, auf welchem der liebe Gott eine Anzahl Menschen zum ewigen Leben führen will. Damit sie auf diesen Weg kommen, muffen sie erst durch die Lehre des Gesetzes zu armen Sündern gemacht werden. Die Gnadenwahl verlangt also, daß mit dem Gesetze der Anfang gemacht werde. Es ist falsch, daß die Calvinisten im Heidelberger Katechismus mit der Gnadenwahl anfangen.
Es wurde hier aufmerksam gemacht auf den Mißbrauch, der besonders in Wisconsin mit der Lehre von der Gnadenwahl getrieben werde: man will mit den Calvinisten den verborgenen Willen Gottes offenbaren; man beruft sich dabei auf Luther, der aber das Gegeutheil gethan, vor dem Forschen des heimlichen Willens Gottes mit allem Ernst gewarnt und das tiefere Eingehen auf das Verhältniß der Gläubigen und Gottlosen bei der Wahl Gottes für starken Wein erklärt, der den Unerfahrnen gefährlich sei; man stellt die Wahl — zuwider der Concordienformel (U. p. 700, 9.) — als eine Musterung hin; man wendet diese Lehre, die Gott zum Trost seiner Gläubigen gegeben hat, an, die Seelen damit zu morden; man empfindet eine gewisse Wollust, die armen Seelen in die größten, schrecklichen Geheimnisse der göttlichen Majestät einzuführen.
Dagegen ist aber auch derjenige nicht lutherisch, der die Gnadenwahl plausibel darstelleil will, daß sie für leicht und einfach angesehen wird. Die reine Lehre von der Gnadenwahl ist derart, daß sich die Vernunft davor entsetzt und
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nicht anders urtheilt, als daß Gott ein schrecklicher Tyrann sei. Der Glaube spricht anders; er beugt sich vor der Majestät Gottes, betrachtet sie (die Wahl) als das größte Geheimmß des göttlichen Willens und wartet ans Aufschluß im ewigen Leben.
Es wurde gefragt, ob nickt Christus im Gleichniß von den Arbeitern im Weinberge uns an die Vernunft weise mit den Worten: „Ich thue Dir nicht Unrecht; bist Du nicht mit mir eins geworden um einen Groschen? Habe ich
nicht Macht" rc., Matth. 20, 13. f., und geantwortet: Die Worte handeln nicht von der Gnadenwahl; sie sind gerichtet gegen Solche, die da glauben, daß sie etwas verdienen können und mehr als die Ändern verdient hätten, da sie doch mit dem Hausvater eins geworden waren um einen Groschen; da dies gegen die Vernunft war, konnte der Hausvater mit Recht an die Vernunft appelliren.
Zu dem Zeugniß Quenstedt's wurde bemerkt, daß derselbe darin anführe, auch Hülsemann habe so gelehrt, und daß also diese Stelle nebst den Citaten aus Gerhard ein gewaltiges Zeugniß sei auch der spätern Theologen für die Wahrheit, daß Gott bei seiner Wahl Nichts im Menschen angesehen, sondern allein aus Gnade und Erbarmung erwählt habe, trotzdem sie um der Calvinisten willen der unglücklich gewählten Terminologie sich bedient, Gott habe erwählt irMitu üäsi, in Ansehung des Glaubens.
Die reine Lehre von der Gnadenwahl befähigt Prediger und Hörer, zu sehen, ob Jemand recht von der Rechtfertigung lehrt. Wer vom freien Willen nicht recht lehrt, lehrt auch nickt recht von der Rechtfertigung.
Wir können Gott nicht genug danken für das herrliche Zeugniß der Concordienformel und Luthers, besonders in seinem Buch äs servo ardürio, „daß der freie Wille Nichts sei".
Wehe dem, der dem HErrn Christo etwas nimmt und dem Menschen gibt. Es ist nichts lästerlicher und erschrecklicher, als dieser Jrrthum. Wir machen uns damit zu Gott.
Hier mußten die Verhandlungen über die Thesen abgebrochen werden.
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Luthers Buch de servo arbitrio, „daß der freie Wille nichts sei".
Das Committee, welchem die Durchsicht des Protokolls der vorjährigen Michigan-Pastoralconferenz zur Durchsicht übergeben war, machte auf das Urtheil der Conferenz aufmerksam, welches dieselbe über obiges Buch Luthers ausgesprochen. Die Synode stimmte demselben bei und beschloß, dasselbe in den Synodalbericht auszunehmen. Es heißt im Protokoll also: „Die Frage, ob Luther die Lehre vom freien Willen später anders geführt habe, als in frühern Jahren, wurde durchaus verneint und bemerkt, daß es so scheine, sonderlich wenn man sein Buch wider Erasmus mit seiner Auslegung der Genesis vergleicht. Aber es scheint nur so. Gerade in seinem "de servo arbitrio" (daß der freie Wille nichts sei) redet Luther mit dem höchsten Bedacht; Alles darin ist wohl erwogen; er selbst nennt sie seine beste Schrift. Der Unterschied, der den Sckein erregt, als habe Luther später anders gelehrt, ist dieser, daß Luther in der erstem Schrift
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dialektisch redet, in einer solchen Weise und mit solchen Worten, wie es gerade diesem Gegner gegenüber geschehen mußte. Luther, sowie Augustinus, haben es unter allen Theologen dem heil. Paulus am besten abgelernt, aufs schärfste in dieser Lehre zu unterscheiden, wie Paulus Röm. 9. davon handelt. Auch Christus selbst redet ähnlich, wenn er sagt: „Thue das, so wirst du leben!" „Nimm, was dein ist, und gehe hin"; „Habe ich nicht Macht, mit dem Meinen zu thun, was ich will?" Es gibt eben Gegner, denen man keine andre Antwort geben kann und gerade so reden muß. Während Luther in der Schrift wider Erasmus dialektisch redet, so redet er in seinen Predigten und Auslegungen zum Volk, also populär; er hat da den Zweck nicht, einen solchen Gegner zu überzeugen und von seinen Jrrthümern abzubringen, sondern das Volk zu lehren. Das ist es, was allein den Schein erregt, als habe Luther seine Lehre geändert; es ist aber nicht der Fall."