1873 Western District essay, Walther- Only Lutheran Church Gives God All Glory; OCR'd by BackToLuther, August 16, 2015.
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Verhandlungen der Synode.
Als Gegenstand der eigentlichen Lehrverhandlungen nahm die Synode die schon im „Lutheraner" veröffentlichten
Thesen
zur Besprechung auf. Es folgen dieselben allhier mit dm von der Synode dazu gemachten Erklärungen und Bemerkungen.
Daß nur durch die Lehre der lutherischen Kirche Gott allein alle Ehre gegeben werde, ein unwidersprechlicher Beweis, daß die Lehre derselben die allein wahre sei.
Die Aufgabe, die hier gestellt ist, besteht darin, daß bewiesen werde, daß die lutherische Religion die allein wahre seif und dieses wird daran- bewiesen, daß in allen ihren Lehrm Gott allein alle Ehre gegeben wird. Wmn wir nämlich erst überlegen, was eine Religion ist, sodann, was eine sichtbare Kirche ist, und die Hauptlehren der lutherischen Kirche in Betracht ziehm, so wird es offenbar sein, daß die Lehre dieser Kirche die allein wahre sei, da sie in allen diesen Lehren Gott allein alle Ehre gibt.
Thesis I.
Da die Religion die Art und Weise der Verehrung Gottes ist, so ist nur diejmige die wahre Religion, welche in allen ihren Lehrm Gott allein alle Ehre gibt.
Es gibt verschiedene Lehren in der Welt; die Religion aber hat eS mit dem Berhältniß des Menschen zu Gott zu thun; sie redet davon, in welchem Berhältniß der Mensch zu Gott stehe. Die Naturlehre z. B. handelt von der Beschaffenheit der Natur; die Lehre von der Medictn handelt von der Beschaffenheit der Leibeskrankheiten und den Mitteln zur Heilung derselben; fragt man aber irgend einen Menschen, was die Religion sei, so wird immer die Antwort erfolgen r Sie handelt von dem Berhältniß des Menschen zu Gott.
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Diese- wird vorher erinnert, weil das Wort „Religion" selbst in der Bibel nicht vorkommt. Das Wort aber, welches dafür in der Schrift gebraucht wird, ist „Gottesdienst". Paulus spricht Apostg. 26.: „Denn ich bin ein Pharisäer gewesen, welche ist die strengste Secte unser- Gottesdienstes (im Griechischen: ö^-reia), d. H., dir Pharisäersecte ist die strengste in der jüdischen Religion. Hier haben wir den Schriftgrund dafür, daß die Religion davon handele, welches der Menschen Berhältniß zu Gott sein müsse.
Zum Beweise dieser Thesis dienen folgende Sprüche der heiligen Schrift:
Jes. 42, 8.: „Ich, der HErr, das ist mein Name; und will meine Ehre keinem ändern geben, noch meinen Ruhm den Götzen." Gott will also allein die Ehre haben. Er will nur verehrt sein, wen« man ihm allein alle Ehre gibt; und soweit daher einer einem Menschen die Ehre gibt, nimmt er, soviel an ihm liegt, Gott seine Ehre und stößt ihn von seinem Thron.
Röm. 1, 21.25.: „Dieweil sie wußten, daß ein Gott ist, und daben ihn nicht gepreisetals einen Gott, noch gedanket, sondern sind in ihrem Dichten eitel worden, und ihr unverständiges Herz ist verfinstert... Die Gottes Wahrheit haben verwandelt in die Lüge und haben geehret und gedtenet dem Geschöpfe mehr, denn dem Schöpfer, derdagelobetistinEwtg-keit." Paulus bezeugt uns hier, daß der erste Abfall von der Religion bei den Heiden darin bestanden habe, daß sie Gott nicht gepriesen, ihm nicht gedanket, ihm nicht alle Ehre gegeben haben, sondern dem Geschöpfe. Auch der erste Abfall im Paradiese von der wahren Religion bestand darin, daß die Menschen Gott gleich sein wollten und ihm so seine Ehre raubtm.
Joh. 7,18.; „Wer von ihm selbst redet, der sucht seine eigene Ehre; wer aber suchet die Ehre deß, der ihn gesandt hat, dertst wahrhaftig, und ist keine Ungerechtigkeit an ihm." Derjenige ist also nach der Schrift ein Stifter der falschen Religion, der zwar vorgibt, von Gott gesendet zu sein, aber eine solche Religion stiftet, durch welche Gott nicht geehret wird. Welch' eine verfluchte Religion ist e- daher, wenn et» Mensch durch irgend eine Lehre seiner Religion sich selbst die Ehre gibt. Diesem Spruche, was wohl zu beachten ist, gehen die Worte vorher: „So jemand will deß Willen thun, der wird inne werde«, ob diese Lehre von Gott sei", und dann heißt eS: „oder ob ich von mir selbst rede."
Joh. 8, 48.: „JEsuS antwortete: Ich habe keinen Teufel, sondern ich ehre meinen Bater, und ihr unehret mich." Damit beweiftt Christus, daß er nichts mit dem Teufel zu thun habe und daß seine Religion die wahre sei; denn: er ehret seinen Bater. Darin liegt viel: Wenn du eine Lehre hast, die nicht Gott ehrt, so ist sie eine verfluchte Teufelslehre; wenn du auf Frömmigkeit dringst und dabei Menschenehre suchst, so ist solche Lehre als Teufelslehre mit Füßen zu treten. Es will nämlich Christus mit diesem Spruche sagen: Wie kann ich den Teufel
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haben und eine Ten felslehre führen? Denn wer den Vater mit seiner Lehre ehret, dessen Lehre ist gewiß richtig; hingegen, diejenige Lehre, welche Gott nicht ehrt und ihm seine Ehre nimmt, ist vom Teufel. — Daß die christliche Religion die wahre Religion sei, sehen wir aus dem Lobgesang der heiligen Engel bei der Geburt Christi.
Luc. 2, 14.; „Ehre sei Gott in der Höbe"; denn bier wird erklärt, daß durch Christum Gott die Ehre gegeben werde, die Ehre, die Adam ihm geraubt hat. Also daran wird eine Religion geprüft, ob sie die wahre sei, daß sie dem Menschen alle Ehre nimmt und Gott alle Ehre gibt.
Röm.3,27.: „Wo bleibt nun derRuhm? Eristaus. Durch welches Gesetz? Durch der Werke Gesetz? Nicht also, sondern durch des Glaubens Gesetz." Nachdem nämlich Paulus die christliche Herzlehre von der Rechtfertigung dargelegt hat, so fragt er: Wo bleibt nun der Ruhm oder die Ehre des Menschen? und antwortet: Er ist aus durch des Glaubens Gesetz. Denn des Glaubens Gesetz oder, was dasselbe ist, das Evangelium, die Religion Christi, nimmt dem Menschen allen Ruhm und gibt ihn Gott. Darum spricht er von dem Vater aller Gläubigen
Röm. 4, 2V.r „Denn er zweifelte nicht an der Verheißung Gottes durch Unglauben, sondern ward stark im Glauben und gab Gott die Ehre." Wo auf Werke getrieben wird, da wird Gott gelästert und geschändet: darum sind alle Religionen außer der christlichen nichts, als lauter Schändung Gottes. Alle anderen Religionen sagen uns: Wenn du in den Himmel kommen willst, so mußt du fromm und gut sein, Gutes thun, heilig werden u. s. w. Solche Religion bringen wir alle mit auf die Welt, uns gefällt sie, wie wir von Natur beschaffen sind, und der alte Adam sagt Ja dazu. Aber es ist des Teufels Lüge. Freilich sollte Adam im Stande der Unschuld im Gutesthun selig sein, aber diese Seligkeit sollte er sich nicht erst erwerben. Es hieß damals nicht: Wenn du mir dienst, treu bleibst, dann sollst du dadurch selig werden und in den Himmel kommen, sondern es war ihm die vollkommene Gerechtigkeit und Heiligkeit schon angeschaffen, er besaß damit schon die Seligkeit, wie sie aus Gottes Hand gekommen. Er konnte aber diese Seligkeit verlieren, und hat sie verloren. So steht es jetzt auch. Gott will uns durch» den Glauben an JEsum Christum gerecht und selig machen; in der christlichen Religion liegt die Seligkeit selbst. Das ist zugleich auch ein Beweis, daß die christliche Religis« die wahre sei, da sie in Betreff des Seligwerdens Gott allein alle Ehre gibt. Sie baut die Seligkeit nicht auf des Menschen Thun, sondern auf Christum, indem die Menschen nichts sind und sich Alles von Gott schenken lassen. Gott wird dann groß! Dann wird Gott Alles in Allem. — Gott hat uns ohne un-gemacht und uns das zeitliche Leben gegeben; sollen wir aber das ewige Leben haben, so sprechen wir: Wir müssen es uns selbst erwerben, und wollen Gott uns das ewige Leben nicht machen lassen. Wie Gott uns aber das
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leibliche Leben ohne unser Zuthun gibt, gerade so gehen wir aus Gotte- Hand hervor ins ewige Leben. Und wenn wir einst im ewigen Leben sein werden, dann werden wir nichts zu rühmen Haben, als Gottes Erbarmen. Darum ist diejenige nur die wahre Religion jetzt nach dem Fall, welche Gott allein die Ehre und dem Menschen nur Schande gibt.
Diese Thesis ist gestellt worden, indem man von den Atheisten abgesehen hat, welche sprechen: „Es gibt keinen Gott: darum brauchen wir ihn nicht zu verehren." Wer aber glaubt: Es gibt einen allerhöchsten Gott, von dem Alles kommt, der gibt die Thesis zu. Wir sehen ab von denen, welche sprechen: „Thue recht, scheue niemand"; denn sie haben die Hauptsache ausgelassen. Wenn es keinen Gott gäbe, so hätten sie recht; aber da es einen Gott gibt, so muß man ihn über alle Dinge fürchten, lieben und vertrauen. Ein solcher spricht wohl: „Ich gehe nicht in die Kirche!" aber ihm ist zu antworten: Du vernachlässigest die größte Pflicht, nämlich die gegen Gott, und wenn du einmal in die Ewigkeit führest und Gott dich fragt: Was hast du geglaubt? und du sprichst: Mein Grundsatz war: Thue recht, scheue niemand, so wird es heißen: Du hast aber nicht recht gethan, und wirst ewiglich versinken müssen im Abgrund der Hölle.
Daß die christliche Religion die wahre sei, weil sie Gott allein alle Ehre gibt, das sehen wir auch aus den Worten Pauli: „Ihr esset nun, oder trinket, oder was ihr thut, so thut es alles zu Gottes Ehre", 1 Cor. 1V, 31. Der eigentliche Zweck, warum der Mensch da ist, ist, daß er Gott die Ehre gebe. Der nächste Zweck ist freilich, daß er seinem Nächsten diene; aber hiervon soll das Ziel die Ehre Gottes sein. Das Herz des Menschen, nach dem Falle, ist so gestnnet, daß es spricht: Wie kommt es, daß Gott so sehr darauf dringt, daß ihm alle Ehre gegeben werde, da er eine solche Forderung, wenn sie von den Menschen gestellt wird, an ihnen straft? Diese Gesinnung hat aber ihren Grund in dein sündlichen Verderben des Menschen. Die Menschen suchen nach dem Fall Hie Ehre, die ihnen nicht gebührt. Dieses straft Gott an ihnen, weil sie sich dadurch zu Gott machen. Gott aber gebührt die Ehre, sie kommt ihm mit Recht zu, er gebietet, ihm die Ehre zu geben, nach seiner Gerechtigkeit, Heiligkeit, Wahrheit; er muß dies thun, weil es sonst mit seinem Wesen streiten würde, eine solche Forderung nicht zu stellen. Es wäre auch wider unsere Seligkeit; denn kein Mensch kann ein seliger Mensch sein, wenn er nicht Gott die Ehre gibt. Daß dem so jei, sehen wir auch aus dem schon unter der Thesis angeführten Spruch Jes. 42.: „Ich, der HErr. das ist mein Name", d. i., ich, Jehovah; welcher Name das göttliche Wesen bezeichnet. Und eine Uebersetzung und Erklärung dieses Namens findet sich Offb. 1,8.: „Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende, spricht der HErr, der da ist, und der da war, und der da kommt, der Allmächtige."
Auch liegt ein Beweis für die Wahrheit der christlichen Religion darin, daß der Hauptgottesdienst bei den Christen im Beten, Loben und Dan-
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ken besteht, daß sie Gott im ewigen Leben loben und preisen werden und daß die Engel bet Christi Geburt Gott loben.
Bon den Atheisten wird in der Thesis keine Notiz genommen, weil sie sprechen: „Wir beweisen, daß es keinen Gott gibt, ihr hingegen, daß es einen gibt: so bleiben wir gleichberechtigt." Aus solcher Rede erhellt, daß sie nicht einmal das noch haben, was die Heiden haben. Wir können keine solche Berechtigung zugeben; denn wer das nicht weiß, daß es einen Gott gibt, der hat das nicht mehr, was ihn zum Menschen macht.
Wir könnten auch aus der Vernunft beweisen, daß es einen Gott gibt; jetzt aber ist es unsere Absicht, nur mit denen zu dtsputiren, welche das Dasein eines Gottes zugeben; denn wer dies zugibt, der erkennt zugleich an, daß er eine Religion haben muß.
Alle heidnische, philosophische, muhamedanische, mormontsche Religionen sind falsche, weil nach ihnen allen der Mensch Dieses oder Jenes thun muß, um die Seligkeit zu erwerben; nur die christliche Religion sagt das Gegen-theil, ist aller ändern Religion in der Welt entgegen und hat die menschliche Natur zu ihrer Feindin. Denn diese ist im Verstände blind, im Willen ein Feind Gottes und nach ihren Begierden ein Rebell gegen Gott. Der Mensch hört es gern, wenn gesagt wird: Von Natur bist du gut, der Kern ist gut, du mußt nach Grundsätzen handeln, dem Nebenmenschen helfen und ihn lieben, um vor Gott fromm zu werden. Das glauben wir Christen nicht. Blos die Heuchler glauben, daß sie z. B. in die Kirche gehen, um fromm zu sein. Wir gehen aber in die Kirche, nicht eigentlich, um Gqtt zu dienen, sondern damit er uns da diene; nicht um Gerechtigkeit zu machen, sondern um sie von Gott zu empfangen. Bor Vierthalbhundert Jahren ist dieses Licht wieder durch das theure Rüstzeug vr. M. Luther aufgekommen, und wo man dieses Licht hinwegnimmt, da nimmt man ein Stück des Christenthums hinweg.
Die Secten sprechen: „Wir geben Gott die Ehre; du mußt aber deine Seligkeit schaffen, beten, kämpfen, ringen", und uns verachten sie, die wir schlafend in den Himmel eingehen. Aber ihr "xlvr/', welches sie rufen, ist eine eigene xlor^. An römischen Kirchen stehen auch die Worte: Soli vso xloris, (zu deutsch: Gott allein die Ehre), aber gerade das Entgegengesetzte von dem, was die Ehre Gottes fördert, wird in der römischen Kirche gelehrt.
Die hierbei aufgeworfene Frage, ob das Christenthum als Ganzes nur über alle Vernunft gehe oder ob es wider die Vernunft sei, wurde dahin beantwortet: Das Christenthum, als Ganzes, ist wider die Vernunft seit dem Fall. Es empört dasselbe jeden Menschen, den der Heilige Geist nicht erleuchtet, daß er erkennt, er habe nichts zu thun. um selig zu werden, und solle keine Ehre dabei haben. Das Christenthum umfaßt zwar auch Stücke, welche der Vernunft nicht zuwider sir^d, aber das Charakteristische des Christenthüms ist der menschlichen Vernunft immer eine Thorhett.
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Hieronymus Kromayer (f 1670) schreibt: „Der Endzweck der Religion ist Gotte - Ehre. Denn diese ist nicht nur das Ziel aller christlichen Handlungen, 1 Cor. 10, 31., sondern auch die Spitze des GlaubenS und der Religion, wornach man, als dem Probierstein, die Lehrsätze aller Religionen prüft» kann;, so daß diejenige Religion, welche die Ehre Gottes des Vaters und seines Sohnes JEsu Christi, der mit demselben gleiches Wesens und Eines Thrones ist, und die^Ehre des Heiligen Geistes durch ihre Verkehrungen (ovrruxtolis) erschüttert, nicht für eine wahre, reine und unverfälschte zu halten ist. Denn die wahre Religion bezieht alles auf die Ehre Gottes als ihren letzten Endzweck. Als daher zwischen Christo und den Juden ein scharfer Streit über die Wahrheit der Lehre und Religion entstanden war, welcher von beiden Thetlen sich dieselbe mit Recht zuschreibe, da berief sich Christus unter Anderm auf diese Eigenschaft seiner Lehre, daß sie auf die Ehre des himmlischen Vaters gerichtet sei, welche die jüdischen Erdichtungen erschüttern. Joh. 8, 49." (Sorutüüum reli^ionum. lüps. 1673. S. 327. f.)
Thesis H.*)
Da eine sichtbare Kirche eine Versammlung von Menschen ist, die „zu Einer Lehre und Religion sich bekennen", so ist nur diejenige die wahre, welche durch alle ihre Lehren Gott allein die Ehre gibt.
In der ersten Thesis haben wir gehört, von welcher Beschaffenheit die wahre Religion sein müsse. Was folgt nun daraus? Daraus folgt, daß nur diejentF Kirche die wahre sein könne, welche in allen Lehren Gott allein die Ehre gibt, weil eben die Kirche nichts anderes ist, als eine Versammlung von Menschen, die „zu Einer Lehre und Religion sich bekennen". Diese Worte: „zu Einer Lehre und Religion sich bekennen", sind aus dem Concordienbuch genommen. Auch der Katechismus von Dietrich antwortet auf die Frage: Was sind Symbole? also: „Solche Bücher, Hie im Namen der Kirchen, so zu Einer Lehre und Religion sich bekennen, gestellt, approbirt und angenommen^ sind." Es bedarf dies wohl keiner weitläufigen Auseinandersetzung; denn diese 2te Thesis folgt aus der ersten. Niemand wird leugnen, daß die sichtbare Kirche allezeit eine Versammlung von Menschen war, die zu Einer Lehre und Religion sich bekennen; denn die Kirche unterscheidet sich vom Staate dadurch, daß sie durch die Religion verbunden ist, während der Staat durch die Bedürfnisse dieses Lebens verbunden ist. Der Staat hat zu sorgen für da- Berhältniß des Menschen zum Menschen, die Kirche aber für das Berhältniß des Menschen
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*) Bon hier an sind die Lehrverhandlungen von Herrn vr. Dümling stenographisch nachgeschrieben und dem stehenden Sekretär theils mündlich, theilS schriftlich überliefert worden.
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zum lieben Gott, also für die Religion. Das sehen wir denn klar und deutlich aus der heiligen Schrift.
Ps. 26, 8.: „HErr, ich habe lieb die Stätte deines Hau ses, und den Ort, da deine Ehre wohnet." Die Stätte des Gottesdienstes im Alten Testamente war doch, wie jeder Christ weiß, das Vorbild der Kirche. Der Salomonische Tempel und der, welcher hernach aufgerichtet wurde, nachdem dieser zerstört war, war das Vorbild der unsichtbaren Kirche Gottes im Neuen Testament und natürlich darum auch der sichtbaren Kirche; denn diese ist keine andere, als die unsichtbare, nur betrachtet in einem ändern Verhältnis«. Nennt aber der Heilige Geist nur den Tempel, da Gottes Ehre wohnt, eine Kirche, wie viel mehr muß im Neuen Testamente die Kirche derart sein oder die Versammlung von Menschen sein, unter welchen Gotte-Ehre wohnet! O eine köstliche Wahrheit, die wir uns tief ins Herz verschließen sollten! All unser Thun, all unser Wirken ist wider und nicht für die Kirche, wenn es nicht zu seinem Ziele die Ehre Gottes hat. Ach, die armen Schwärmer quälen sich ab und suchen auch ihre Leute dahin zu bringen* daß sie sich abquälen, um sich selbst Gottes Gnade, Gerechtigkeit und Seligkeit zu erwerben, und meinen, sie arbeiten für die Ehre Gottes. Das ist aber gegen die Ehre Gottes, für den Ruhm der Menschen, also: gegen die Kirche. Sie breiten nicht das Reich Gottes aus, sondern sie kämpfen dagegen. Wer aber Gott alle Ehre gibt und den Menschen dahinzubringen sucht, dasselbe zu thun; und wer erkennt, daß der Mensch weniger, denn nichts, ist; wer den Menschen dahinbringt, daß er vor Gott niederfällt und als ein armer sündhafter Bettler Alles aus Gottes Hand erbnttet und erwartet: der baut die Kirche; denn die Kirche ist der Ort, da Gottes Ehre wohnet. Das ist der Prüfstein: Wenn in unserer Synode die Ehre Gottes nicht wohnet, so ist sie nicht Gottes Kirche, und soviel sie Gottes Ehre schmälert, soviel hat sie greuliche Flecken an sich; jemehr sie aber dahtnkommt, Gott allein die Ehre zu geben, destomehr bekommt sie das Bild der wahren Kirche JEsu Christi. Da müssen wir uns freilich alle in den Staub werfen, wenn wir, namentlich wir Prediger, daran denken, wie wir in der besten Meinung doch soviel geredet und gethan haben, was nicht lediglich der Ehre Gottes gedienet hat. Wir haben Wunder gewähnt, wie ernst wir sind, und haben doch hie und da dem lieben Gott die Ehre abgebrochen und dem Menschen gegeben. Luther klagt auch darüber noch kurz vor seinem Tode, daß es ihm so schwer werde, das „durch den Glauben allein" ftstzuhalten, klar zu erkennen und anzuwenden. Was ist das anders, als die Klage: Es wird mir so schwer, Gott alle Ehre zu geben und dem Menschen alle Ehre zu nehmen?
Dadurch ist der Mensch gefallen, daß er sein wollte gleich wie Gott. Dadurch nur wird er wiedergeboren und bekehret, daß er an sich verzweifelt, nicht heuchlerisch, sondern es ist ihm wirklich so zu Mutbe, er ist ein zerbrochenes Gefäß, ja, er fühlt sich als einen, der werth wäre, daß Gott ihn
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zerschmetterte; er spricht aber : Gott, erbarme dich über mich! Nicht der ist wiedergeboren, der nach Art der Schwärmer hinkniet, betet und ringt, um so sich die Seligkeit zu erwerben, — das ist Teufelskomödie. Wohl ist der liebe Gott so barmherzig, daß er auch da sein Werk hat, aber er muß meistens erst in der Todesstunde helfen.. Der es unter den Schwärmern redlich meint, wirft dann Alles über Bord, wenn das Schiff in den Wellen versinkt^ er denkt dann nicht an die Onwp NeetinK, an das Beten und das Rutschen auf den Knieen; er denkt auch nicht: Dir kann es ja nicht fehlen, du kommst ja in den Himmel. Dies alles wirft er weg, und spricht: Es ist alles Dreck; wie ja auch Paulus spricht: Ich achte es alles für Dreck gegen die überschwängliche Erkenntniß JEsu Christi. So muß es mit uns allen werden, in anderer Weise kommt niemand in den Himmel. Was fragt Gott darnach, daß wir uns abgequält haben? Gar nichts. Gar nichts. Man bedenke doch, wie unter den Heiden die Leute sich mitunter abquälen. In welcher Enthaltsamkeit leben z. B. die Brahminen in Ostindien! Sie würden lieber sterben, als daß sie eine Fliege tödteten, geschweige denn, daß sie sollten Rindfleisch essen. In Hindustan werfen sich die Indier unter den bretträdrigen Wagen des Juggernaut, der, von vielen Ochsen gezogen, wie ein höllisches Ungeheuer dahergerollt kommt. Da wirft sich der arme Hindu davor hin und läßt sich, wie eine Schnecke, zerquetschen, und dabei denkt er: Nun geht'- in den Himmel! Was ist der schlechter, als ein Schwarmgeist, der sich im Staube wälzt und die Seligkeit damit erringen will? Er ist um nichts schlechter. Werden aber diese Herren zugeben, daß ein solcher in den Himmel kommt? Wohlan, so glaube auch nicht von dir, daß deine Werk-treiberei dich in den Himmel bringt. Man darf nicht denken, daß dadurch die Lehre des ernsten Christenthüms Schaden leidet; nein, wer ein armer Sünder ist ohne Ehre, der fängt erst an, recht eifrig zu werden. Diejenigen, welche die Lehre nur mit halben Ohren hören und darum den Glauben im Herzen wie den Schaum im Munde haben, bleiben gottlose Menschen. Ach, es ist darum doch nicht leicht, Gott die Ehre zu geben. Das kostet gar große Kämpfe, wenn der Mensch darin bleiben soll, daß er Gott allein die Ehre gibt. Daß er hier kämpft, ringt, bittet, das thut er nur, um sich selbst zu überwinden; denn es wäre nichts in der Welt so leicht, als in den Himmel zu kommen, wenn wir selbst nicht immer so dagegerz arbeiteten. Wir brauchen Gott nicht dazu zu bewegen, daß er uns die Sünde vergibt; denn Gott hat sie schon vergeben. Wir -rauchen ihn nicht zu versöhnen; denn er Ist mit uns schon versöhnt. Wir brauchen uns nicht zu erlösen; denn wir sind schon erlös't. Aber wir sind die Bösewichter, die überwunden werden müssen: unsere Feindschaft muß getilgt werden, unser Fleisch macht uns Noth. Daher kommt der Kampf und die Nothwendigkeit des Ringens, aber nicht daher, daß wir dadurch erst die Seligkeit uns erwerben müßten.
Der Jesuit Xaver, der Generalheuchler, der dem Antichrist von dem ersten Tage seines Jesuitismus bis zu seinem Tode gedient hat und sich die
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Seligkeit auch hat erwerben wollen, nahm sich vor, der Welt zu zeigen, was man thun könnte und sollte, um in den Himmel zu kommen. Er ging in die Hospitäler zu den ekelerregenden Kranken und saugte mit eigenem Munde den Eiter aus ihren Geschwüren. Dann sah er sich um, ob eS die Leute gesehen hätten, und diese dachten : „Das ist die Heiligkeit selber." Nimmt uns Gott etwa in den Himmel, weil wir solchen Eiter einsaugen? Das sind Teufelsmärtyrer! — Im fünften Jahrhundert thaten die Styliten, die Säulenheiligen, ganz erschrecklich heilig. In den Himmel fliegen konnten sie nicht und die Erde war ihnen zu schlecht. Darum errichteten sie große Säulen. Einer, ein syrischer Mönch, Namens Simeon, ließ sich eine vierzig Fuß hohe Säule Herrichten. Dahinauf ging er, dreißig Jahre lang saß er oben, ließ sich beregnen und beschneien, wartete auf Essen, welches ihm die Leute brachten, wusch und kämmte sich nicht, und meinte, Gott sollte ihn, ein solch verrücktes Geschöpf, wegen dieser Komödie in den Himmel nehmen. Er bedachte nicht, daß, wenn Gott gekommen wäre, er gesagt haben würde: „Was machst du denn da oben? Du sollst unten sein und den Menschen dienen. Warum habe ich das Holz gemacht? Doch zum Häuser bauen? Warum lebst du ohne Obdach? Marsch, herunter, du böser Bube!" Dieser war nicht vierzig Fuß dem Himmel näher, sondern vierzig Fuß tiefer auf der Treppe zur Hölle.
Aber es hält auch bei uns schwer, daß wir das recht glauben. Wenn unsere armen Deutschen nach Amerika kommen und sehen, wie die Secten ein so frommes Aeußere haben, so schön beten, weinen, seufzen, so meinen sie, da-müffe die wahre Kirche sein; denn in Deutschland haben sie freilich vielfach Prediger gesehen, die Bauchpfaffen waren und denen die Hauptsache war, was sie einnahmen, ihre Zehnten, der Zins, überhaupt alles, was an der Pfarre dran und drum hing, und die nur über die Preise des Getreides, der Schweine u. dergl. sprachen. Es ist darum nicht zu verwundern, daß die armen Leute, wenn sie das so fromme Aeußere eines Schwärmers sehen, meinen: „Das ist ein ganz anderer Mann, der will die Leute selig machen da ist die wahre Kirche." Wehe dem, der keinen Ernst beweis't! Daß einer aber solchen großen Eifer zeigt und sich darin verzehrt, das beweis't noch gar nicht, daß er ein rechter Prophet ist. Daneben kann er doch dem lieben Gott alle Ehre nehmen. Dann ist er verloren, selbst wenn er dreißig Jahre lang alle Tage sich halb todt gepredigt hätte. Er hätte sein Wasser in ein durch-löchertes Faß gegossen. Seinen Lohn hat ein solcher schon auf Erden dahin. Und welches ist dieser? Der, daß die Leute sagten: Das ist ein heiliger Mann!
Gottes Gebot verlangt es, daß wir erkennen, er sei unser Gott. Daist das erste Gebot. Wer durch diese Thür nicht in das Reich Gottes eingeht, der kommt nicht hinein. Es ist alles Heuchelei und elende Komödie, wenn man die ändern Gebote erfüllen will und erfüllt nicht das erste. Daher hat Luther in seinem klaren göttlichen Verstand des Wortes Gottes in
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jedem Gebot das erste wiederholt: „Wir sollen Gott fürchten und lieben", damit wir nicht vergessen, daß das zweite bis zehnte Gebot sich nicht ohne das erste erfüllen lassen. Wir müssen dahin kommen, daß wir Gott alle Ehre geben, ihn zu unserm Gott machen. Darum steht an der Spitze aller Gebote: „Ich bin der HErr, dein Gott." Daher sagt auch Luther so vielfach: „Im ersten Gebot liegt das ganze Evangelium, der ganze Glaube", weil wir jetzt nach dem Sündenfaü allein durch den Glauben Gott wieder zu unserm Gott machen. Alle Morallehre nimmt dem lieben Gott seine Ehre, aber der Glaube gibt sie ihm; und das sind nur gute Werke, wenn ich sie thue, weil ich denke: Sollte ich meinem Gott nicht dienen? Wer aber dächte: Ich muß Gott dienen, damit ich in den Himmel komme, der würde die neun letzten Gebote halten wollen, während er das erste wegläßt. Gott weiß sehr wohl, warum er dieses Gebot zum ersten gemacht hat. Durch diese Thür müssen wir hindurchgehen, sonst sind wir von Gott verworfen.
Offb. 14, 6. 7.: „Und ich sähe einen Engel fliegen mitten durch den Himmel, der hatte ein ewig Evangelium, zu verkündigen denen, die auf Erden sitzen und wohnen, undallen Heiden und Geschlechtern und Sprachen und Völkern, und sprach mit großer Stimme: Fürchtet Gott und gebet ihm die Ehre." Wir Lutheraner sind fest überzeugt, daß diese Weissagung auf Luther und die Reformation zielt. Weil es aber eine Weissagung ist, können wir natürlich nicht absolut verlangen, daß es Andere glauben. Ss gehört dies nicht zu den Artikeln des Glaubens. Aber jedermann muß unzugeben: Darin soll einmal die Erneuerung der Kirche bestehen, daß et« Engel, ein Bote Gottes, kommt, der sagen wird: Fürchtet Gott und gebet ihm die Ehre! Darauf kommt es also an, daß wir ihm alle Ehre geben, so ist die Reformation geschehen. Das liegt in dieser Weissagung. Das kann niemand leugnen.
Joh. 5, 44.: „Wie könnet ihr glauben, die ihr Ehre von einander nehmet? Und die Ehre, die von Gott allein ist, suchet ihr nicht." Der Heiland erkennt also den nicht für einen Gläubigen an, der Ehre von Ändern nimmt, weil der Glaube nichts anderes ist, als: Gott allein alle Ehre geben. Denn nicht saure und süße Gefühle, wozu die Schwärmer den Glauben machen, sind der Glaube, sondern nur das ist der Glaube, daß ich Gott allein alle Ehre gebe, d. H., daß ich Alles von Gott nehme, mir aneigne, wie auch Joh. 1. gesagt wird: „Wie viele ihn aber Aufnahmen." Aufnehmen ist das gleichbedeutende Wort für glauben. Wenn der Mensch so weit ist, daß er nichts thun will, um damit den lieben Gott zu seinem Schuldner zu machen, sondern daß er selbst der Schuldner in Ewigkeit sein und Alles von Gott nehmen will, so gibt er Gott die Ehre und ist allein ein wahrer Christ.
Wenn es Phil. 2, 12. heißt: „Schaffet, daß ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern", so fährt der Heilige Geist fort und gibt den Grund an.
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Da sollte man meinen, es würde folgen: Denn der Mensch muß seine Bekehrung wollen und vollbringen; aber der Heilige Geist fährt anders fort, nämlich: „Denn Gott ists, der in euch wirket beide das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen." Das Schafft« unserer Seligkeit von unserer Seite ist ein solches, daß wir mit unserm Schaffen immer tiefer in den Koth kommen.
Luther schreibt: „Christen gebühret nichts, als die Ehre Gottes zu predigen und zu bekennen, das ist: unsere Unmöglichkeit und Gottes Möglichkeit (Matth. 19, 26.), wie Christus hier sagt", („Wer kann denn selig werden?" rufen die Apostel aus; aber JEsus antwortet: „Bei den Menschen ist's unmöglich; aber bei Gott sind alle Dinge möglich." Der wahre Christ muß erkennen, daß es ihm allezeit unmöglich wäre, die Seligkeit zu schaffen, daß aber bei Gott alle Dinge möglich sind. Wenn ein Mensch das glaubt, so tst ihm geholfen. Sobald ich's dem lieben Gott zutraue, daß er mir die Seligkeit gebe, so hat er sie mir schon gegeben. Gott ist ein Meer, welches immer üderfließt; er sucht nur einen leeren Platz.) „und", fährt Luther fort, „alle Aergernisse aus dem Wege zu thun, so den freien Willen heben oder aufblähen können." (XVIII., 1328.) Die ganze Pflicht des Menschen tst also nach Luther, bis an den Tod mit sich selbst und mit Ändern dafür kämpfen, daß nur ja der freie Wille, als der böse Höllenhund, der uns nicht in den Himmel lassen will, nicht wieder hervorkomme. Nichts soll vom freien Willen mehr in unserm Munde und in unserm Herzen sein, sondern Gott allein hat den freien Willen und wir sollen uns von ihm geben lassen, was er uns zugedacht hat.
Joh. Gerhard schreibt: „Eine jede Gemeinschaft, welche falsche« Lehren anhangt und dieselben halsstarrrig vertheidigt, die Gottes Ehre angreifen, ist keine wahre Kirche, mag sie denselben immerhin mit verdrehten und übel verstandenen Schriftstellen elnm guten Schein geben." (Disputation, tttsvl. ^evao 1655. S. 3.) Was man lehrt, mag einen Noch so gutm Schein haben; sobald dadurch die Ehre Gottes angegriffen wird, ist die Kirche falsch. Darum find gegenwärtig alle Kirchen, außer unserer lutherischen, falsch. Damit ist nicht gesagt, daß alle Gemeinschaften, welche sich lutherisch nennen, wahre Kirchen sind, sondern nur diejenigen sind es, welche mit Luther Gott allein alle Ehre geben und dem Menschen alle Ehre nehmen.
Man bedenke auch, wie Gottes Ehre durch die geringste falsche Lehre geschmälert wird. Wenn ein König vor seinen versammelten Unterthane« mehrere Behauptungen thäte, und der eine würde sagen: „Das glaube ich nicht", der andere: „Jene- glaube ich nicht", es würde ihnen nicht wohl gehen; wenn aber der Mensch, dieser Sündenwurm, Gott zum Lügner macht und sagt: „Das steht zwar in der Bibel, ich kann es aber nicht glauben", das soll eine Kleinigkeit sein. Es ist aber ein Greuel. Man darf ein Wort in der heiligen Schrift nur dann anders nehmen, als es lautet, wenn die Schrift selbst dazu nöthigt. Wenn der Heiland sagt: „Saget Herodes dem
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Fuchs", so sagt uns die Schrift selber, daß das Wort „Fuchs" hier nicht im eigentlichen Sinne zu nehmen ist; denn Herodes war kein vierfüßiges Thier, das nach den Hühnern geht, sondern ein König. Hier nöthigt uns die Schrift selber, das Wort „Fuchs" anders zu nehmen, als es lautet. Wie machen eS aber die Calvinisten? Der Heiland sagt im heiligen Abendmahl: „Das ist mein Leib; das ist mein Blut." Die Calvinisten sagen, das könne man nicht nehmen, wie eS lautet. Warum denn nicht? Sie erklären die Worte nicht durch die Bibel, sondern sprechen nur: „Nun, wer kann denn da-glauben?" Daraus leuchtet denn hervor, daß sie Gottes Wort nicht glauben wollen. Sie sagen: „Die Vernunft leidet eS nicht." Da- heißt aber nicht, Gott die Ehre geben, sondern Gott schänden! Und wir sollten hier ruhig zusehen? uns mit ihnen vereinigen? mit ihnen das Wort Gottes verwerfen? Nie und nimmermehr!
In Betreff dieses Punktes versündigen flch die Jowaer schrecklich, indem sie zugestehen, daß unsere lutherische Lehre vom Sonntag allerdings aus GotteS Wort genommen sei, dieselbe aber dennoch für eine solche erklären, von der man abgehen dürfe. Sie wollen uns zwar damit trösten, sie sei ja nur die einzige, die sie ausnehmen; aber Luther sagt mit Recht: Wer Gott in einem Wort verleugnet, der hat ihn ganz verleugnet. Bei ihnen soll die Kirche in ganz römischer Weise über die Lehre entscheiden.
Thesis III.
Nur durch die Lehre der lutherischen Kirche wird Gott allein alle Ehre gegeben; es erhellt dies unter anderem aus ihrer Lehre:
1. vom Worte GotteS;
2. von der Ursache der Sünde, des Todes, der Hölle und Ber-dammntß;
3. von der göttlichen Vorsehung;
4. von dem allgemeinen Gnadenwillen Gottes;
5. von der Versöhnung und Erlösung des menschlichen Geschlechtes;
6. von der Rechtfertigung des Sünders allein aus Gnaden durch den Glauben an JEsum Christum ohne Verdienst der Werke;
7. von der Nothwendigkeit der Wiedergeburt und Heiligung;
8. von der Stiftung, Giltigkeit, Kraft und UnverLnderlichkeit der Gnadenmittel;
9. von der Bekehrung;
10. von der Anrufung und Anbetung Gottes;
11. von dem Gehorsam gegen Menschen in Sachen des Glaubens und Gewissens;
12. von der Gnadenwahl.
Erstlich heißt es in dieser Thesis: Nur durch die Lehre der lutherischen Kirche wird Gott allein alle Ehre gegeben. Ehe wir durch eine Reihe von
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Lehren die Beweise htefür aufsuchen, mögen erst einige Zeugnisse dafür mtt-getheilt werden, daß auch unsere Alten sich dessen lebendig bewußt gewesen find, nicht nur, daß die Kirche diese Eigenschaft haben müsse, sondern daß die evangelisch-lutherische Kirche diese Eigenschaft wirklich habe.
Luther schreibt hierüber: „Wenn die Papisten gleich lange rühmen und schreien: Väter, Väter! Kirche, Kirche! rc., weil sie aber das Evangelium nicht allein nicht predigen, sondern noch dazu verfolgen und lästern und allein ihren Pracht erhalten wollen, und gar nichts weder nach Christi Wohlthat und Ehre, noch nach der armen Seelen Seligkeit fragen: hilft sie ihr Rühmen gleich so wenig, so wenig die falschen Apostel ihr Rühmen half. Wiederum so weiß ich dennoch das fürwahr, daß wir ja nicht den Menschen zu gefallen predigen, sondern Gott, das ist, daß wir alles gar allein Gott zuschreiben, und von Herzen gerne wollten, daß alle Welt erkennete die unaussprechliche Gnade und Wohlthat, die uns der barmherzige Vater in Christo JEsu, unserm HErrn, erzeiget hat. Dahin gehet all unser Lehren, Predigen und Schreiben, und eben darüber, daß wir Gott alle Ehre undPreiS geben, und der Welt nichts gut lassen sein, wird uns die Welt feind. Ich weiß mich- noch wohl zu erinnern, was Dr. Staupitz, welcher der Augustiner Vicartus war, im Anfang, da das Evangelium aufging, zu mir sagte: ,Das tröstet mich am meisten«, sprach er, ,daß diese Lehre des Evangeltt, das nun wieder an Tag kommt, alle Ehre und Preis allein Gott gibt und den Menschen nichts; nun ist's aber je am Tage und offenbar, daß man unserm HErrn Gott nimmermehr zu viel Ehre, Gütigkeit rc. zumesse« kann.« Also tröstete er mich dazumal, und ist auch die Wahrheit, daß die Lehre des Evangelii den Menschen alle Ehre, Weisheit, Gerechtigkeitxrbzeucht und sie dem einigen und rechten Schöpfer zuschreibet, als der aus nichts alles machet. Nun ists aber viel sicherer, daß man unserm HErrn Gott zu viel zuschreibe (wiewohl man ihm nimmermehr zu viel zuschreiben kann), denn daß man den Menschen zu viel zuschreiben sollte. Denn da kann ich doch je getrost und fröhlich sagen: Laß es gleich so sein, daß die Kirche, St. Augustinus sammt ändern Lehrern, item, daß St. Petrus, Apollo, ja, auch dazu ein Engel vom Himmel Hera- anders lehret, so ist doch meine Lehre der Art, daß sie den einigen Gott allein rein erkennen und demselben recht dienen lehret und alle Menschen in ihrer Weisheit und Gerechtigkeit verdammet. Da kann ich ja nicht irren noch sündigen, denn ich gebe denen beiden, nämlich Gott und Menschen, einem jeden, das ihm von Rechts wegen gebühret und eignet." (Zu Gal. 1,11. 12. VIII., 1678. f.)
Man bedenke wohl: Wenn uns die Secten und die falschen Lutheraner nicht deswegen feind werden, weil wir Gott allein die Ehre geben, so ist unsere Schmach nichts. Das muß die Schmach sein, daß wir Gott allein die Ehre geben; wie schon die alten Väter gesagt haben: Den Märtyrer macht nicht die Pein, sondern die Ursache der Pein. So sage» wir auch: Nicht des-
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wegen bist du ein guter Lutheraner, weil die Gegner dich als einen Lutheraner schimpfen, sondern deswegen, weil sie dich um der Dinge willen schmähen, durch welche du Gott allein alle Ehre gibst und dem Menschen alle Ehre nimmst. Darin bestand auch die Schmach Luthers. „Ach", sagten die Feinde, „der macht alle guten Werke zu Schanden, ist ein Feind der Frömmigkeit, sagt, Gott thue Alles." Luther erwtederte: „Ach, das thut mir so gut, dann steht es noch richtig bei mir; denn darauf kommt es ja an."
Wie gnädig und freundlich ist doch unser Gott gegen unsere Synode, sie so geführt zu haben, daß wir auf diesen Gegenstand einmal näher einzugehe» Veranlassung erhalten haben. Das ist der springende Punkt, wenn wir un-wollen Lutheraner nennen, daß wir Gott alle Ehre geben und dem Menschen alle Ehre nehmen. Darum wurde Paulus auch so verlästert. Ueberall sagten die falschen Apostel: „Ach, der Paulus weiß nur vom Glauben zu reden, wir sind andere Leute. Wir sagen: Heilig, heilig muß man sein und das Gesetz Mosis halten, das ist eine Religion; aber der elende Paulus ruft immer und immer nur: Christus, Glaube, Gnade.«' So verführten diese heillosen falschen Propheten ganze Gemeinden. Wenn denn Paulus wieder htnkam, da sah er, daß sie alle von Christo und seiner Gnade abgefallen waren. Sie schämten sich des Evangeliums, sie schämten sich des Gekreuztg-ten; sie schämten sich nämlich zu sagen: Wir sind verlorene und verdammte Sünder, wir leben blos von Gnade. Ja, sprechen die Weltktnder über die Christen, das sind so die armen Sünder, die mögen ein schönes Leben führen! Aber lassen wir nur die Welt uns so schmähen und schelten. Das ist unsere größte Ehre. Wenn aber die Welt ansängt zu sagen: „Man muß Respect haben, die sind fromm", so ist das ein sehr bedenkliches Lob. Wenn sie un-aber deswegen feind ist, weil wir auf die Gnade dringen und immer sagen: Verlaß dich nur auf's Wort, verlaß dich nur auf's heilige Abendmahl; wenn sie uns deswegen als elende Menschen verachten, da sollen wir sagen: Wohlan, das tst die rechte Ehre, da wird ja Gott geehrt, uns mögen sie in den Koth treten ; wenn sie nur sagen: „Das ist wahr: Vom lieben Gott wissen sie viel zu reden." Wetter wollen wir auch nichts gelten.
Als Luther zuerst den Glauben predigte, entstand eine greuliche Unruhe und dem Dr. Staupitz wurde es ängstlich zu Muthe. Aber das war sein Trost, wie im obigen Zeugniß von Luther gesagt ist, daß er wußte, durch diese Lehre werde Gott alle Ehre gegeben. Da, meinte er, kann man schon etwawagen; Gott nimmt sich wohl selbst der Sache an, da eS sich um seine Ehre handelt. Wenn Melanchthon sagte: „Ja, um Gottes willen, was soll jetzt werden? Der Kaiser hat ein so schreckliches Edict erlassen"; da sagte Luther: „Das geht mich nichts an, das ist Gottes Sache. Will er sich vom Throne stoßen lassen, so kann ich ihn nicht darauf halten." Dann ließ er den Kaiser zürnen und den Pabst den Bannstrahl werfen und den Pöbel wüthen und toben. Er legte sich tn's Bett und schlief ruhig. „Ich habe ja meine Ehre", spricht er, „nicht zu retten; diese habe ich nicht gesucht. Wenn also eine
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Schande daraus wird, mag sie der liebe Gott sich selber zuschretben." So muß man reden können, nur keine Menschelei! Kein Wunder, daß die Untrten bei einer bestimmten Lehre nicht bleiben wollen; denn sie sind von keiner Lehre fest überzeugt. Sie wären ja Narren, wollten sie um eine Lehre kämpfen, von der sie nicht wissen, ob sie wahr ist. „Ach, haltet nur Ruhe««, ftrechen sie, „und seid friedlich, in der Ewigkeit wird man schon sehen, wer ^ können fteilich ruhig bleiben; wer aber weiß, daß eine
Lehre Gottes Wort ist, der fängt mit der ganzen Welt Krieg an. Und dann
^ Gott mag die Sache vollends ausmachen. Gott ist kem Schreiner, Schuhmacher und dergl.; er ist ein Schöpfer, und ein Schöpfer kann gar nichts brauchen, wenn er etwas machen will. Er haben; dann kann er etwas machen. Nicht nur vor 6000 Jahren, sondern auch heute macht es Gott noch so. Sobald der Mensch sagt: „Ich will etwas thun««, so sagt Gott: Ich kann nichts brauchen; kein Material, nichts, nichts, das ist mein Stoff. Gott rst akles in allem, und wir sind blos ein Ding, welches aus nichts geworden ist, d. i., wir sind nichts, außer in Gott. Der Apostel sagt darum: „In ihm leben, weben und sind wir." Es habe doch niemand um Gottes willen Angst, wenn er lutherische Lehren sieht, z. B. von der Bekehrung und der Gnadenwahl, in denen dem lieben Gott alles zugesprochen wird, wenn er nur weiß, daß dann Gott alle Ehre gegeben und dem Menschen alle Ehre genommen wird. Dies ist der Prüfstein.
Auch Gerhard schreibt- „Daß dieses'Urtheil Stäup,hen« nicht an« Vorliebe, sondern -n« der One«- der Wahrheit h-r»org--°ff.» sei, die« offenbart die Sach, selbst.» («onkmio o»tl>. 1dl. «7.) Gerhard berichtet auch zugleich, daß Kaiser Ferdinand!, wiederholt gesagt habe: „An den Lut^ran-r» gefalle ihm zweierlei, erstlich, daß fie in allem ihrem Thun Gott die Ehre geben, und zum ander», daß ste in ihre» Kirchen »on der Obrigkeit ehrenvoll halten und predigen.«« (A. a. O.)
Hoe von Hoenegg (f 1645) schreibt: „Da im Pabstthum die Gott
allein gebührende Ehre Anderen gegeben worden ist, daher wollte und sollte
Luther auch Gottes Ehre retten, indem er mit großer Stimme sprach: Gebet
Gott die Ehre! (Offb. 14.) ... Und das ist durch das Amt unseres Luther
geschehen, welcher nicht mit dem Schwert, sondern mit dem Wort, nicht
durch Verfolgung, sondern durch Predigen die Gott schuldige Ehre und
die Art und Weise ihn zu verehren in die Kirche wieder zurückgebracht
hat.«« (OomwsMnr. in 3oü. ^poenl^psio. Dips, et k'rLneok. 1671. k I ivl. 540.)'
Joh. Christoph Köcher führt als den löten Beweis dafür, „daß die evangelisch-lutherische Religion eine wahre, vollkommene und seligmachende Religion sei". Folgendes an: „weil sie die Ehre des allerhöchsten Hauptendzweck hat und diese vermittelst ihrer sämmt-lichen Glaubenslehren und Sittenregeln erhebt, bekannt macht und aus-
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breitet." (Ueberzeugende Belehrung von der Wahrheit rc. der evang.-luth. Religion. Jena 1755. S. 252.)
Hieronymus Kromayer schreibt: „Keine Religion hat eine so große Kraft, wie die lutherische, indem sie nicht nur alles auf Gottes Ehre bezieht, sondern auch allein das Gewissen beruhigen und einen lebendigmachenden Trost geben kann. Was das Er ste re betrifft, so könnte dies an allen Glaubensartikeln nachgewiesen werden, wenn man dieselben alle einzeln der Reihe nach durchgehen wollte. So geben wir im Artikel von der heiligen Schrift Gott die Ehre der Güte, daß er uns in derselben den ganzen Rath von unserer Seligkeit geoffenbart habe, und die Ehre der Weisheit, daß er die schwierigsten Gegenstände in derselben deutlich vorgelegt habe. Im Artikel von Christo, die Ehre der Barmherzigkeit, daß er sich unser aller erbarmt und ein bewunderungswürdiges Mittel zur Wiederherstellung des Heils in seinem Sohne verliehen habe. Im Artikel von der Schöpfung und dem Ebenbilde Gottes die Ehre der Macht und Heiligkeit, daß er den Menschen gerecht, heilig und aufrichtig nach seinem Gletchniß geschaffen habe. Im Artikel vom freien Willen die Ehre der Gnade, daß er in der Bekehrung des Menschen allein sowohl das Wollen als auch das Vollbringen gebe. In der Lehre vom Gesetz und der Rechtfertigung dieselbe, daß er, da niemand das Gesetz vollkommen erfüllen kann, uns durch den Glauben rechtfertige; welche Lehre, wie sie alle Ehre im Menschen aufhebt, Eph. 2, 8. 9., so dieselbe allein Gott gibt, Röm. 4, 2." (Korut. relix. p. 334.)
Wie schrecklich Gott eS rächt, wenn man ihm in irgend welcher Lehre die Ehre raubt oder nicht geben will, dies wird durch folgende traurige» warnende Beispiele erhärtet. Auf der im Jahre 1869 zu St. Charles, Mo., abgehaltenen St. Louis DistrtctS-Pastoralconferenz war einer gegenwärtig, der flch mit Händen und Füßen gegen die lutherische Lehre von der Gnadenwahl gewehrt und sich bei der Abstimmung nicht betheiligt hat. Nicht lange nachher fiel er ab zum Pabstthum. Der Methodist Na st behauptet zur vollkommenen Heiligung hindurchgedrungen zu sein, und zum Beweise hiefür führt er an, er habe das Rauchen aufgegeben. Ist es nicht, als führe sie der Teufel am Narrenseil? Aber so muß es gehen: Wer die wahre Heiligkeit verläßt, der muß auf solch läppisches Zeug fallen und denken: Nun bin ich ein gemachter Heiliger.
Auf die Frage, wie es komme, daß in der Ueberschrift der Thesen gesagt wird, eS solle bewiesen werden, daß die Lehre der lutherischen Kirche die allein wahre sei, da in der zweiten Thesis gesagt wird: „so ist nur diejenige Kirche die wahre, welche durch alle ihre Lehren Gott allein die Ehre gibt««, wurde geantwortet: Der Sache nach ist es eins, ob bewiesen wird, daß die Lehre der lutherischen Kirche die allein wahre sei, oder daß die lutherische Kirche die allein wahre sichtbare Kirche sei.
Was nun 1. die Lehre vom Worte Gottes betrifft, so ist bekannt,
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daß die neueren, auch gläubig sein wollenden Theologen behaupten, die Lehre von der Eingebung der heiligen Schrift sei von der lutherischen Kirche, wie fie sich auSdrücken, noch nicht fixirt, d. i., noch nicht festgestellt; dieser Artikel schwebe noch. Im 17ten Jahrhundert, spricht man, wäre zwar ein System der Lehre von der Eingebung der heiligen Schrift zusammengesetzt, man sei aber da zu weit gegangen, es könne jetzt niemand mehr jene Lehre von der Inspiration der heiligen Schrift annehmen ; unserer Zeit sei es Vorbehalten, die rechte Lehre betreffs dieses Punktes aufzustellen; Luthern sei es nicht eingefallen, so von der heiligen Schrift zu lehren, wie z. B. ein Ouenstedt, ein Gerhard, ein Calov und andere Theologm des 17ten Jahrhunderts. Daran ist aber nur.so viel wahr: Allerdings hat Luther nicht ein wissenschaftliches System dieser Lehre hinterlaffen; aber man lese nur, wie er über die heilige Schrift redet, so wird man sehen, daß er ganz und gar denselben Glauben gehabt hat, den Gerhard und Ouenstedt und Calov und andere berühmte Theologen unserer Kirche bekennen. „Ja", spricht man, „in den symbolischen Büchern kommt die Lehre wenigstens nicht vor." Darum wollen die neueren Theologen für gut lutherische Theologen gelten, trotzdem sie nicht lehren, daß alle Schrift von Gott eingegeben ist. „Ja", sagen sie, „das Wort Gottes ist wohl in der Bibel, aber es ist auch manches darin, was nicht gerade noth-wendig zum Christenthum gehört; da können sich die heiligen Schreiber auch geirrt haben." Wenn dem so ist, dann muß der Mensch sich heraussuchen, was Gottes Wort ist, dann muß der Mensch über der Schrift stehen, er muß entscheiden. Denn wenn er entscheidet, steht er über Gott, wenigstens über seinem Wort. Es ist aber dies alles unwahr. So lehren wir in der
Apologie der Augsburgtschen Confesston: „Ts ist wahrlich Wunder, daß die Widersacher können so blind sein und so viel klarer Sprüche nicht ansehen, die da klas melden, daß wir durch den Glauben gerecht werden, und nicht aus den Werken. Wo denken doch die armen Leute hin? Meinen sie, daß die Schrift ohne Ursachen einerlei so oft mit klaren Worten erholet? Meinen sie, daß der Heilige Geist sein Wort nicht gewiß und bedächtl ich setze, oder nicht wisse, was er rede?" („Auw arbitrau-tur, sxoiclisss Lpiritu! Aanoto non »üiwaävsrtsoti kss vooes?" Meinen sie, dem Heiligen Geiste seien diese Worte unvermerkt entfahren?) Art. 9, toi. 41».
In diesen Worten der Apologie wird also gesagt, man solle wohl bedenken, wenn man in der Schrift ltes't, daß der Heilige Geist diese Schrift eingegeben und alles wohl „ bedächtlich " gesetzt habe. Hier bekennt unsere Kirche, daß jedes Wort, jede Wortfügung, jede Wiederholung irgend eines Wortes, jede Kürzung, die ganze Art und Weise zu reden ihren Ursprung in dem Heiligen Geiste haben, der alles, nicht nur die Wahrheiten, nicht nur den Sinn, nicht nur das „was", sondern auch das „wie" etngegeben hat, der die Worte ausgewählt hat, die nöthig waren, damit uns der Sinn Gottes auch wirklich recht geoffenbart würde. Daß das
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die Lehre der heiligen Schrift selber ist, weiß jeder Christ. Der Heiland sagt selbst zu den Aposteln, der Heilige Geist werde ihnen geben, „wie" und „was" fie predigen sollen. (Matth. 10, 19. 20.) Auch der Apostel redet ja „mit Worten, die der Heilige Geist lehret" (1 Cor. 2, 13.), und die Propheten ohne Ausnahme sagen, wenn sie zu schreiben anfangen: Der HErr redet! Und wenn im Neuen Testamente aus dem Alten Testamente citirt wird, so steht da: wie der Heilige Geist spricht (Maret 12,36., Ap. Gesch. 1,16., 28,25. u. a. m.), «nd der Apostel Paulus bezeugt, daß alle Schrift von Gott eingegeben ist. Er sagt nicht: das Wort Gottes, sondern: alle Schrift. Gerade wie es die heiligen Männer geschrieben haben, so hat es der Heilige Geist eingyeben. Daß dies unsere lutherische Kirche schon im 16ten Jahrhundert geglaubt und bekannt hat, das beweist unter Anderem die aus der Apologie angeführte Stelle, und wer sich auf die symbolischen Bücher verpflichten und ins Amt einsetzen läßt und diese Lehre nicht glaubt, der ist ein elender Schurke. Die Jowaer freilich helfen sich hierin damit, daß sie sagen, nur was in den symbolischen Büchern mit einer offen ausgesprochenen Absicht des Bekennen- enthalten ist, müsse verbindlich sein, das allein gehöre zum Bekenntniß; an dasjenige aber, was beiläufig darin vorkommt, sei niemand gebunden. Auf diese Weise freilich können sie den allergrößten Theil des Bekenntnisses über Bord werfen. Unsere lutherische Kirche hat aber auf ihr Bekenntniß verpflichtet, wie es von Anfang bis zu Ende lautet, und dahin gehört auch diese Stelle, die im Lateinischen lautet: „Nuna arbitrantur sxoiclisse Lxiritui Leuroto von »QiinLävsrtsllti Las voess?" (d. H. Meinen fie, dem Heiligen Geiste seien diese Worte unvermerkt entfahren?) Aber so könnte doch nicht geredet werden, wenn nicht gezeigt werden sollte, daß es der Heilige Geist selber ist, der da redet. Nicht Jesaias, nicht Moses, nicht Paulus sind es, die da reden, sondern der Heilige Geist ist es, der redet. Einem Menschen pafstrt es wohl, daß ihm einmal ein Ausdruck, der nicht ganz richtig ist, entfährt, aber dem Heiligen Geist widerfährt dies nicht. Kurz: Diese Stelle zeigt, daß die Lehre von der Inspiration der heiligen Schrift, wie sie im 17ten Jahrhundert von unfern alten Dogmatikern dargestellt worden ist, schon in den symbolischen Büchern liegt. Man hat deswegen keinen besonderen Artikel darüber aufgestellt, weil die Papisten diese Lehre damals durchaus nicht leugneten, und auch heute leugnen fie dieselbe nicht. Die AugSburgische Confesston sollte hauptsächlich erstlich diejenigen Lehren enthalten, durch welche die lutherische Kirche bewies, daß sie die alte katholische Kirche und keine neue sei, zum Ändern, diejenigen Lehren, welche von der damaligen Gegenwart geleugnet wurden; worin sie aber einig waren, das wurde nicht erst festgestellt. Das ist der Grund, warum wir keinen besonderen Artikel über die Inspiration der heiligen Schrift in der Augsburgtschen Confesston haben. . Aber die Lehre von der Inspiration ist in ihrer höchsten Strenge in der Apologie enthalten.
Luther, von welchem man sagt, er habe auch schon eine freiere Ansicht gehabt, als die späteren Theologen, schreibt also: „Ich bitte und warne treu-
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lich einen jeglichen frommen Christen, daß er sich nicht stoße an der einfältigen Rede und Geschichte, so ihm oft (im Alten Testament) begegnen wird, sondern zweifle nicht daran, wie schlecht es sich immer ansehen läßt, es seien eitel Wort, Werk, Gericht und Geschicht der hohen göttlichen Majestät, Macht und Weisheit." (Vorrede zum Alten Testament.) Das war Luthers Glaube: Jedes Wort der heiligen Schrift ist ein Wort der hohen Majestät Gottes. Vor seiner Vernunft erschien auch gar manches Wort im Alten Testament verächtlich, aber er schilt seine Vernunft blind und sagt: Gott soll mich behüten, daß ich dieses heilige Buch Gotte» nach meiner Vernunft beurtheile!
Derselbe: „An einem Buchstaben, ja an einem einigen Tüttel der Schrift ist mehr und größer gelegen, denn an Himmel und Erde. Darum können wir es nicht leiden, daß man sie auch in dem Allergeringsten verrücken wollte." Zu Gal. 6, 10. VIII., 2661.) Mehr also ist an einem Buchstaben und einem einigen Tüttel der Schrift gelegen, als an Himmel und Erde. Unter einem Tüttel versteht man nämlich ein kleines Häkchen oder Tüpfelchen. Ein Tüttel wäre z. B. der Punkt über dem i oder das Ringelchen über dem u. Denn die hebräische und griechische Sprache hat auch außer den Schriftzeichen kleine Häkchen, und da sagt Luther, daß ein einziges solcher Häkchen in der Bibel wichtiger ist, als Himmel und Erde. Auf fie kommt nämlich oft unermeßlich viel an. Im vierten Jahrhundert z. B. handelte es sich in einem großen Streit zwischen den rechten und falschen Christen darum, ob Christus dem Vater oder nur sei. Da
fragte es sich, ob man ein kleines r (iot») in da- Wort 6^ooü«rcor hinein-brtngen oder weglaffen sollte, und im Griechischen ist ein - blos ein kleines Strichelchen. That man es hinein, so war viel geändert. Ohne « nämlich heißt das Wort «l^ooü«rro5 d. 1. auf deutsch: gleichen Wesens mit dem Vater, mit dem c aber ä^oeoü«rco? d. 1. ähnlichen Wesens mit dem Vater. Die gottlosen Arianer sagten «5^otav«no<r; nur das kleine Strichelchen, meinten fie, thut hinein, so sind wir zufrieden. Die ändern aber, die rechten Christen, sagten: Das Strichelchen soll nicht hineinkommen. Es haben auch ihrer viele wegen dieses Strichelchens ihren Kopf lassen müssen. Endlich schreibt
Luther: „Das sei ferne, daß ein einziger Buch stabe in Paulo sei, dem nicht Nachfolgen und den nicht halten solle die ganze allgemeine Kirche." (XIX., 22.) Die neueren Theologen sagen: Freilich gibt es viele Buchstaben, die Fehler, Gebrechen, Versehen enthalten, theils historische, theils astronomische, theils physikalische, theils mathematische, theils chronologische. Ueberall wollen fie Fehler finden, aber das Wort Gottes bleibt deswegen doch immer fest stehen. Es ist eine List des Teufels! Man kann nicht sagen, daß diese Männer sich bewußt wären, daß sie daganze Wort Gottes umstoßen, aber sie ahnen nicht, daß der Teufel hinter ihnen steckt und ihnen das eingtbt; denn wenn der Christ nicht sagen kann: „Jeder der Buchstaben ist Gottes Wort", so kann er auch in der Todesstunde
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vielleicht sagen: Es steht wohl da, daß wir durch den Glauben gerecht wer-den; es steht wohl da: Christus ist mein Leben; aber — es könnte auch anders sein. Wenn er da nicht weiß, daß er sich auf jedes Wort verlassen kann, so ist er verloren. So sagt auch
Gerhard: „Im Artikel von der heiligen Schrift geben wir (Lutheraner) Gott die Ehre der Güte, daß er uns in der Schrift allen seinen Rath von unserer Seligkeit geoffenbart habe, und die Ehre der Weisheit, daß er, als der Schöpfer des Sinnes und der Sprache, klar und deutlich geredet habe, daher wir auch die heiligen Schriften als die Decrete des allmächtigen Gottes und des Königs aller Könige verehren und die Majestät derselben preisen." (lüovlsss. o»tk. kol. 67. f.)
Also hauptsächlich durch zwei Wege beweisen wir Lutheraner, daß wir Gott auch in der Lehre von der heiligen Schrift alle Ehre geben. Erstlich nämlich sagen wir: Alles, was der Mensch zu seiner Seligkeit zu wissen braucht, das steht in der Schrift; wir brauchen nichts weiter. Zum Ändern sagen wir: Die heilige Schrift ist so beschaffen, daß jeder Mensch aus der Schrift selber alles nehmen kann, um seiner Seligkeit gewiß zu werden. Cr braucht keinen Pabst, kein Concilium, keine Kirche, keinen Pastor — kurzum, keinen Menschen. Er kann alles selber daraus nehmen. Da geben wir Gott die Ehre und sagen: Mein Gott, ich verlasse mich auf dich ganz allein, nicht weil mein Prediger so predigt, nicht wegen der Synode, sondern weil ich'S aus deinem lieben theuren Wort selbst erkannt habe. Ich bin nur von dir, dem großen Gott, abhängig. Sobald man aber die Deutlichkeit der Schrift leugnet, wie die Papisten und Schwärmer es thun, nimmt man Gott die Ehre, erklärt dem lieben Gott gegenüber: Da hast du, lieber Gott, den Men-schen eine Offenbarung gegeben, aus welcher fie nicht gescheut und klug werden. Wenn aber Gott sein Wort so gegeben hätte, daß die Menschen erst Gelehrte haben müßten, die es auslegten, wäre er kein weiser Gott; denn eine Offenbarung für die Menschen, die dem Menschen nichts offenbart, ist ein Unding.
ES folgen nun Zeugnisse, worin gezeigt wird, was hiergegen erstlich die Papisten und zum Ändern die Calvinisten lehren.
Gerhard schreibt: „Wer gegen die von der Obrigkeit ausgehängten öffentlichen Tafeln ehrenverletzend ist, von dem urtheilt man, daß er die Ehr« der Obrigkit selbst angretfe; in gleicher Weise urtheilt man von dem, welcher von den heiligen Schriften, jenen heiligen öffentlichen Tafeln der göttlichen Wahrheit, unehrerbietig denkt und redet, mit Recht, daß er die Ehre Gottes selbst verkleinere. Dieses thun aber die Päbstlichen auf vielfache Weise:
„1. Indem sie die Autorität der Schrift von der Autorität der Kirche allein abhängig machen"; (die Kirche soll also den Sinn aufschließen, sonst erforscht man ihn nie. Wie schrecklich! Der liebe Gott gäbe uns sein Wort und nur eine gewisse Anzahl von Menschen hätte den Schlüssel dazu. Diese nennen sie denn die Kirche. Diese sogenannte Kirche ist eine Gottes-räuberin, nimmt Gott die Ehre, daß er uns sein Wort gegeben hat, und daß
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wir ihm und nicht der Kirche diese Wohlthat verdanken. — Gerhard fährt fort):
„2. indem sie dem gewissen und unbeweglichen in den kanonischen Büchern vorgelegten Worte Gottes die apokryphischen Schriften, welche ungewisse und falsche Behauptungen enthalten, anflicken"; (die- ist sehr wichtig. Wir haben zwar auch die Apokryphen in unserm Bibelbuch, z. B. den Jesus Sirach, die Weisheit Salomonis, die Maccabäer u. s. w.; aber es steht gleich oben darüber, daß sie nicht der heiligen Schrift gleich zu achten, sondern nur gut zu lesen sind. Aus ihnen steht man, was die jüdische Kirche nach dem Auftreten der Propheten bis zur Zeit Christi geglaubt habe, was sonst die gemeinen Leute gar nicht wissen würden. Sie enthalten aber auch viel Falsches. Es steht darin, daß die Hexe von Endor den wirklichen Samuel aus dem Tode citirt habe, daß ein gewisser Rhazis mit seinem Selbstmord eine große Heldenthat vollbracht habe, daß Judas Maccabäus wohl und fein daran gethan habe, zwei tausend Drachmen zum Sündopfer gen Jerusalem zu schicken, und daß es eine gute und heilige Meinung gewesen, für die Todten zu beten, daß ihnen die Sünde vergeben würde. Natürlich, als die römischen Priester das von den 2000 Drachmen lasen, da dachten sie: Das ist eine gute Stelle, das dürfen wir nicht aus der Bibel streichen, und dabei schauten sie mit dem einen Auge auf die 2000 Drachmen, mit dem ändern auf das Fegfeuer. Im Buch Tobiä wird sodann auch die schändliche Zauberei gebilligt. Ob die Apokryphen gleich sehr viel Köstliches enthalten, so find das doch gar arge Krumpen. Die römische Kirche aber dringt so sehr auf die Annahme der Apokryphen, als auf die des Buches Jesaia oder des Psalters, weil sie daraus das Fegfeuer, ihre Zauberei bei ihrer Weihung und dergl. beweisen zu können meint; während doch jeder, der die Geschichte kennt, weiß, daß die Apokryphen von der Kirche des Alten Bundes nie anerkannt gewesen find. Wir haben von der jüdischen rechtgläubigen Kirche das Alte Testament bekommen, aber in diesem Testament steht kein Jesus Sirach, kein Buch Tobiä, keine Bücher der Maccabäer u. s. w. Wohl hatte die Kirche des Alten Testamentes diese Bücher schon, aber sie waren nicht für göttliche Bücher anerkannt. Sie find auch ursprünglich nicht hebräisch, sondern griechisch geschrieben, und manche derselben find nur in lateinischer Sprache vorhanden. Kurz : Die Papisten lügen, wenn sie sagen, die Apokryphen seien so gut Gotte-Wort, wie die ändern Bücher. Wir erkennen sie nicht an und geben Gott die Ehre, indem wir ihm nicht Bücher unterschieben, die er nicht gemacht hat. Denn das ist eine große Gottlosigkeit, wenn einer ein Buch schreibt und einen ändern Namen auf den Titel setzt, etwa „Luther". Aber das ist eine kleine Sünde dagegen, daß man darauf schreibt: „Dieses Buch ist von Gott", während es doch nur von Menschen aus ihrem eigenen Geist geschrieben wäre. — Gerhard schreibt weiter:)
„3. indem fie der Kirche aufdringen, die Ueber liefernngen mit gleicher Ehrfurcht wie das geschriebene Wort Gottes anzunehmen"; (die
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Papisten haben im Tridentinischen Concil beschlossen, daß die Ueberliefe-rungen mit ganz derselben Ehrfurcht ausgenommen werden müssen, als das Wort Gottes. Sie nennen nämlich auch ihre Ueberlieferungen das Wort Gottes, und während sie zwischen dem geschriebenen und ungeschriebenen Wort einen Unterschied machen, behaupten sie, beides sei gleich göttlich und heilig. Darin, daß sie die unsicheren Ueberlieferungen dem Worte Gottes gleich machen, besteht der greuliche Gottesraub. — Gerhard fährt fort:)
„4. indem sie die Deutlichkeit der Schrift leugnen"; (das thun sie wider Gottes Ehre. Denn wenn Gott ein undeutliches Buch schriebe, so müßte er entweder so närrisch sein, daß er zwar das Buch gäbe, während es niemand verstehen solle — die Menschen also damit nur äffen wolle —, oder er müßte so ungeschickt sein, wie wir, die wir oft etwas schreiben und reden, das niemand versteht. Durch die Leugnung der Deutlichkeit der Schrift wird dem lieben Gott die Weisheit abgesprochen. Darum ist die Lehre, daß die heilige Schrift dunkel sei, eine gotteslästerliche Lehre. — Weiter schreibt Gerhard:) „5. indem sie die Vollkommenheit der Schrift bestreiten"; (die Papisten sagen, neben der Schrift müsse man noch Anderes haben. Wenn aber die Schrift, welche Gott gemacht hat, ein unvollkommenes Werk wäre, so wäre Gott nicht mehr Gott. — Gerhard schreibt weiter:)
„6. indem sie hartnäckig leugnen, daß die Schrift die einzige Richtschnur der Lehren und Lehrstreitigkeiten in der Kirche sei"; (sie sagen, nicht nur die Bibel, sondern auch die Decrete der Concilien, die Beschlüsse der Kirche, und was wir in den Kirchenvätern allgemein finden, seien die Richtschnur. — Gerhard fährt fort:)
„7. indem sie frech in Abrede stellen, daß der Heilige Geist durch die heilige Schrift Richter sein könne"; (die Lutheraner haben den Papisten immer entgegengehalten, die Schrift, urzd nicht der Pabst und die Concilien, sei der Richter. Das haben sie lächerlich gemacht, und gesagt: „Euer Richter hat ja nicht einmal einen Mund und kann doch reden; es ist ein stümmer Richter von Papier; die Drucker und Setzer machen ihn aus Druckerschwärze! Das ist aber gotteslästerlicher Spott! Wenn wir die heilige Schrift einen Richter nennen, so ist das allerdings eine figürliche Redeweise, d. H., damit wollen wir nicht sagen, daß die Bibel eine Person sei, aber daß sie gerade so richte, wie eine Person; denn der Heilige Geist redet durch die Schrift. Dies der heiligen Schrift absprechen, heißt, es Gott selbst absprechen. — Gerhard schreibt weiter.)
„8. indem sie die Laien von dem Lesen der Schrift abhalten"; (das ist entsetzlich und schrecklich! Denn auf diese Weise hätten die Christen eigentlich gar nicht Gottes Wort, sondern Gott hätte sein Wort den Priestern und Pfaffen gegeben, und die armen Laien müßten dann vor ihren Pfaffen stehen, das Maul aufsperren und fragen: Was hat der liebe Gott hinetngeschrieben? Sie müßten sich auf die Pfaffen verlassen, anstatt auf Gottes Wort. — Gerhard schreibt endlich:)
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„9. indem sie die heiligen Schriften mit Schmähungen und Lästerreden schänden." (vwputatt. p. 24. ff.) Sie sagen z. B.: „Die Bibel ist ein Ketzerbuch; denn alle Ketzereien sind aus der Bibel entstanden." Wenn sie freilich das darunter verstehen, daß unsere lutherische Kirche aus der Bibel entstanden ist, so haben sie Recht. Der Pabst ist darum der Bibel so feind, weil man aus der Bibel hinter seine ganzen Schliche kommt — und wir sind dahinter gekommen. Dann sagen sie: „Die Bibel ist ein todter Buchstabe", oder: „Sie ist eine wächserne Nase, die sich bald breit, bald lang drücken, bald zur Adlernase, bald anders formen läßt; gescheute Leute können damit machen, was sie wollen." Sie reden das in ihrer Blindheit. Der allereinfachste Mensch, der vielleicht nie in seinem Leben lesen, geschweige schreiben und rechnen, gelernt hat, wenn er ein wahrer Christ ist und ihm eine falsche Lehre vorgehalten wird, die er glauben müsse, fragt: „Wo steht das geschrieben?" Wenn man ihm dann eine Stelle vorlieflt, so wird er mit großer Leichtigkeit sagen können: „Du hast gelogen; die Lehre steht da nicht." So deutlich ist die Schrift, daß man für alles, was ein Christ zur Erlangung der Seligkeit glauben muß, deutliche Sprüche findet.
Das eine hat Gerhard nicht angegeben, wodurch die Papisten auch Gottes Ehre angreifen, daß sie nämlich ihre Vulgata nicht nur dem Urtext gleichachten, sondern sogar über denselben stellen. In der römischen Kirche ist es nicht erlaubt, sich gegen die Vulgata auf den hebräischen und griechischen Text zu berufen, der von den heiligen Schreibern herkommt. Sie sagen, dafür, daß die lateinische Bibel nicht verfälscht wurde, hätte der Pabst gesorgt, man wüßte aber nicht so gut, wie es darin mit dem hebräischen und griechischen Text stünde. Während wir Lutheraner zwar unsere lutherische Bibelübersetzung überaus hochachten, weil sie so wunderbar deutsch wiedergibt, was im Urtext steht, so würden wir doch, wenn ein Streit entstünde und jemand sagen wollte: „Luther bat sich hier oder da nicht richtig ausgedrückt", nicht sprechen: „Was Luther geschrieben hat, ist geschrieben." O nein, Luther war kein Prophet und Apostel, der nicht hätte irren können. „Wohlan", heißt es denn, „so gehen wir auf den Urtext zurück!" Wir setzen also Luthers Uebersetzung unter den Urtext. Dieser hat den Vorzug. Nach dem Originaltext muß Luthers Uebersetzung geprüft und corrigirt werden.
Was sagen nun die Calvinisten in Betreff der Lehre von der heiligen Schrift?
Jo H. Gerhard schreibt: „Bisher ist gezeigt worden, wie Gottes Ehre rücksichtlich seines Wesens und seiner Eigenschaften durch die calvinischen Verfälschungen angegriffen werde, es ist nun noch zu zeigen, wie sie dieselbe rücksichtlich des göttlichen Wortes angreifen. Wohl wollen sie dafür angesehen sein, daß sie im Artikel von der heiligen Schrift einen völligen ConsenS mit unfern Kirchen unterhalten und mit vereinten Kräften die päbstlichen Feinde der Schrift mit uns bekämpfen, aber die Sache selbst zeigt, daß
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auch in dieser Hinsicht mit Recht an ihnen ausgestellt wird, daß sie die Ehre der Schrift und folglich Gottes selbst angreifen und erschüttern."
Die Unirten sagen: „Ihr Lutheraner seid rechte Friedensstörer, ihr wollt euch nicht mit den Reformirten verbinden, da sie doch mit euch einig sind, z. B. in der Lehre vom Worte Gottes." Ja, wollte Gott, es wäre so! Aber gerade hier sind sie nicht mit uns einig. Wenn wir sagen: „Die Bibel ist Gottes Wort, vom Heiligen Geist auch wörtlich eingegeben", so sagen sie Ja dazu. Spricht man aber, indem man diese Lehre anwendet: „Siehe, der Heiland sagt: Das ist mein Leib; das ist mein Blut; hier steht's klar und deutlich, du kannst darüber nicht hinweg", so machen sie Ausflüchte. Da kommt's denn heraus, daß sie nicht glauben, daß es Worte der göttlichen Weisheit sind. (Siehe hierüber noch, was schon bei Thesis II. unter dem Citat von Gerhard gesagt ist.) Gerhard fährt fort:
„1. Den Aposteln, den Schreibern des Heiligen Geistes, den dienstlichen Ursachen der Schrift des Neuen Testaments, schreiben Einige aus ihrer Gemeinschaft Jrrthümer und Versehen (lapscw) zu. Conrad Borst gab mit Unterdrückung des Namens Socin's ein Buch heraus und empfahl e-durch ein Vorwort, in welchem S. 104 von den Evangelisten und Aposteln behauptet wird, ,es habe geschehen können, daß dieselben zuweilen* (in Auslegung einiger Stellen des Alten Testaments und in Erklärung der daraus abgeleiteten Beweise) ,unbedeutend (Isvitsr) geirrt hätten*. Ebendaselbst S. 15.: .Obgleich sie in einigen kleinen Dingen, welche von keinem Gewicht sind (da es möglich ist, daß einer die Wahrheit solcher Sachen besser behalten hat, als der andere), vielleicht etwas oder auch sehr verschieden von einander geschrieben haben? Derselbe schreibt in seiner Antwort auf die Gründe Dontelock's: ,Er könne Vieles dieser Art aus calvinischen Lehrern beibringen*, womit sie die Meinung aussprechen: .Daß die Schreiber des Neuen Testamentes Gedächtnißfehler begangen, in geringfügigen Dingen geirrt, manches Unangemessene citirt haben? ... Franz Junius disputirt im ersten Buch der Parallelen S. 1053: .Lucas habe den Namen Catn an in das Geschlechtsregister eingeschoben und so der Geschichte etwas hinzugefügt um der angenommenen Meinung des Volkes willen. Obwohl wir* (spricht »Zugeben, daß dies der Sache nach falsch gewesen ist, so konnte man doch die Meinung haben, es sei so, ja, das Volk hatte diese Meinung, und auf diese im Volk allgemein angenommene Meinung hat er Rücksicht genommen rc. Lucas wußte zwar, daß dieses falsch gewesen sei, aber er wußte, daß es von der Art sei, daß es nur wider die Wahrheit einer geschichtlichen Sache, nicht aber des katholischen Glaubens anstieße?"
Die Calvinisten machen es gerade wie die neueren Theologen. Diese sagen alle, es sei wohl möglich, daß ein Evangelist geglaubt hätte, eine Stelle aus den Propheten sei eine Weissagung auf Christum, er könne sich aber auch geirrt haben; dieLehre sei wohl richtig, aber vaS sei ein Jrrthum, daß er glaubte, diese oder jene Stelle handele von Christo oder einer Sache des neuen Bundes.
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Es sagen jetzt gewöhnlich die neueren Theologen, die Bibel sei kein Buch, woraus man Naturlehre, Astronomie, Mathematik, Geographie lernen könne; dazu sei die Bibel nicht gegeben; daher es wohl habe geschehen können, daß in diesem Punkte Falsch es in die Bibel gekommen wäre. Ach, wenn wir eine solche Bibel hätten, so. könnte der Teufel in jeder Anfechtung sagen: „Du kannst dich darauf nicht verlassen." Nein, können wir nicht glauben, daß die ganze Bibel Gottes Wort ist — es ist zwar kühn geredet, und doch ist'S wahr — dann können wir die Bibel getrost in den Ofen stecken. Da hülfe sie uns gar nichts, gar nichts. Wir können nur ein solches Wort Gottes gebrauchen, in welchem wir das Wort Gottes nickt erst selber herauszusuchen haben, sondern von welchem Gott selber sagt: „Das ist mein Wort!" Wenn er aber so sagen müßte: „Du hast ja Verstand, du bist ein gescheuter Mann, such' du'S heraus!" — dann verließe ich mich auf mich selber und nicht auf das Wort. — Gerhard schreibt ferner:
„2. Wir sehen auck nicht, wie es mit der Autorität und dem Jnstch-glaubhaftsein der Schrift übereinkomme, daß Calvin in seiner Institution Buch 4. Cap. 17. § 23. diejenigen ,Sylbenstecher' (uucupes durum) nennt, welche in den Abendmahls-Worten auf den Worten, wie sie lauten, bestehend (Disputt. x. 125. 569. f.)
Für die Lutheraner ist die Schrift die alleinige Norm. Regel und Richtschnur alles Glaubens und Lebens. Die Katholiken hingegen stellen Tradition und Autorität der Kirche über die Schrift. Der Jesuit Krätzer sagte gegen Heilbronner auf dem Colloquium zu Regensburg: „Der Heilige Geist möge selber hertreten und sprechen: ,Du, Krätzer, bist verkehrt; Heilbronner, du hast den Sieg davon getragen', dann will ich gleich auf eure Bahn hinübertreten." Er erklärte damit, der Heilige Geist rede nicht durch die Schrift, sondern er müsse persönlich kommen und diesen Ausspruch als eine unmittelbare Offenbarung geben. Er erkannte also die Autorität der heiligen Schrift nicht an, so daß diese allein Richterin und Norm aller Lehre sei.
Vor allen Dingen müssen wir das recht lebendig erkennen: Wollen wir Gott wirklich alle Ehre geben und damit das Kennzeichen haben, daß wir rechte Lutheraner sind, so laßt uns an der reinen alten Lehre von der Ein-gebung der heiligen Schrift durch den Heiligen Geist auch den Worten nach festhalten. Wenn wir hierin im allergeringsten nachgeben, so haben wir verspielt und alles andere, was wir sonst Gutes lehren, hat seinen eigentlichen Werth verloren. Denn sobald ich den Grund leugne, was Hilst mir dann, daß ich behalte, was darauf gebaut ist. Wenn wir also alle Lehren der lutherischen Kirche hätten, so wäre das doch nichts, wenn wir dabei die Eine Lehre uns nehmen ließen, daß die Bibel Wort für Wort von Gott eingegeben ist. Ist die Bibel nicht von Gott eingegeben, dann ist auch die lutherische Lehre nicht die rechte; denn die lutherische Lehre ist gar nichts weiter, als eine Wiederholung dessen, was in der Bibel steht. Daher kommt es denn, daß wir so getrost und fröhlich sagen können: „Ihr seid alle falsch,
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wir allein sind recht." Nicht deswegen, weil wir dächten, wir wären gescheute Leutt; nein, wir halten uns keineswegs für so gescheut und gelehrt, sondern, im Gegenthetl, wir glauben gern, daß andere Leute gescheuter und gelehrter sind; aber daß wir so getrost und fröhlich der ganzen Welt und allen Sekten gegenüber sagen: „Ihr seid falsch, wir sind recht", das kommt daher, daß wir nur angenommen haben, was in der Bibel steht. Wenn wir sagen wurden: „Vielleicht sind auch wir falsch", so würden wir damit Gottes Ehre angretfen, als hätte er uns vielleicht doch betrogen. Nein, so ernst es uns damit ist, Gott allein die Ehre zu geben, so ernst müssen wir bei dem Bekenntniß bleiben: Wir haben die reine Lehre, alle ändern stecken in Jrrthum, Blindheit und Finsterniß. Das können wir aber ohne Hoffart sagen, weil wir wissen: Lutherische Lehre ist nichts, als dasjenige, was m den ganz sonnenklaren Sprüchen der heiligen Schrift enthalten ist. Die lutherische Kirche darf sich nicht durch die Vernunft bestimmen lassen, sie darf sich nicht durch das Herz bestimmen lassen — das mag fühlen, wie es will.
Sie hat sich nie durch die Kirchenväter bestimmen lassen. Was die Kirchenvater mit der Bibel lehren, das nimmt sie an. Sie hat sich aber auch nie durch die ganze Kirche, wenn diese anders, als die Bibel, lehrte, bestimmen lassen. Oder, wenn einer käme und sagte, er habe neue Offenbarungen, so wurde das nichts helfen; wir würden ihm antworten: „So steht in der B.bel." Da könnten Methodisten, Baptisten. Presbyterianer, Episkopale kommen, oder Spiritualisten könnten alle Todten auserwecken oder wenigstens herbeizaubern — wir lachen über das dumme Zeug; wiewohl wir auch darüber wemen möchten. Aber insofern lachen wir, als es keinen Eindruck auf uns macht Wir bekommen keine Angst, daß wir falsch wären, wie die armen Sectirer, die hin- und herschwanken. Methodist,. Baptisten. Presbyterianer und Episkopale, sie alle zittern und zagen. Warum denn? Lediglich darum daß sie der Bibel nicht trauen. Wlr Lutheraner trauen der Bibel; was darin steht, ist ausgemacht. Methodisten. Papisten, Baptisten, Episkopale. Presbyterianer Spiritualisten, Schäker und Quäker -- sie mögen kommen bleib, »«r mit eurer Lumperei «on uns, wir habe» unsere Bibel. Damit wollen wir uns getrost auf das Todtenbett legen. Dort werde, ihr dastehen undd sagen: „Die Lutheraner haben Rech, gehabt. Sie haben des rechten Weges nicht verfehlt, weil sie das Wort Gottes zu ihrer Füße Leuchte und zum Licht auf ihren Wegen gemacht haben." Ja. es kommt alles darauf an daß wir darin fest werden, oder wir stnd verloren. Der Teufel klopft schon durch die Iowaer in unserer Synode an- wir sollen dieses Kleinod hergeben, wir sollen uns, wie Luther sagt, auf den Affenschwanz setzen und sagen: „Die Lehre des 17ten Jahrhunderts von der Inspiration können wir in dieser Zeit nicht mehr brauchen." Ach, es ist nicht blos die Lehre des I7ten oder des 16ten Jahrhunderts, sondern die der Apostel und Propheten selber. Wenn diese ihr Eigenes dem Wort, hinzngefügt hätten, so wären sie, was
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schrecklich zu sagen ist, die gottvergessensten Buben gewesen; denn sie hätten dann doch sagen müssen: „So ungefähr meint der liebe Gott"; aber sie sagen: „So spricht der HErr, so spricht der Heilige Geist." Und der Heiland setzt selber zu einer von ihm citirten Stelle hinzu: „Und die Schrift kann doch nicht gebrochen werden." Erst sagt er: „ES stehet geschrieben: Ihr seid Götter" u. s. w., und dann setzt er selber hinzu: „Und die Schrift kann doch nicht gebrochen werden." Er will sagen: Es ist allerdings merkwürdig, daß die Obrigkeiten Götter genannt werden, aber — die Schrift kann doch nicht gebrochen werden. So wollen wir auch sagen. Was geschrieben stehet, das steht uns fest. Mag die neuere Theologie sich fort entwickeln, sie entwickelt sich in die Hölle hinein. Sie will dem armen Christen den letzten äußersten Trost nehmen, daß man sich auf's Wort Gottes verlassen kann. Wir geben Gott die Ehre, daß er uns sein Wort gegeben. Und wenn alle Bücher lügen, das Buch lügt nicht.
Dieser Glaube der lutherischen Kirche ist auch in ihre Lieder über-gegangen. Unser ganzes Gesangbuch ist ein Zeugniß dafür, wie sie in der Lehre von der heiligen Schrift Gott allein die Ehre gibt. So heißt es z. B.: „Ick glaub, was JEsu Wort verspricht, ich fühl es oder fühl es nicht." „Ein Wörtlein kann ihn fällen." „So viel sagt uns des HErren Mund, dabei wir müssen bleiben, wir lassen uns von diesem Grund auch keinen Engel treiben." Das ganze Lied; „HErr Zebaoth, dein heiligs Wort." „Ob du schon aufgefahren bist von dieser Erden sichtig und bleibst nunmehr zu dieser Frist von uns allhier unsichtig, bis dein Gericht dort wird angehn und wir vor dir all werden stehn und dich fröhlich anschauen: so bist du stets nach deinem Wort bet uns und deinr Gemeine und nicht gefangn an einem Ort mit deinem Fleisch und Beine; dein Wort steht wie ein Mauer fest, welchs sich niemand verkehren läßt, er sei so klug er wolle. Du sprichst: Nehmt hin, das ist mein Leib, den sollt ihr mündlich essen; trinkt all mein Blut, bei euch ich bleib, mein sollt ihr nicht vergessen. Du hasts geredt, drum ist es wahr; du bist allmächtig, drum ist gar kein Ding bei dir unmöglich. Und ob mein Herz hier nicht versteht, wie dein Leib an viel Orten zugleich sein kann, und wies zugeht, so trau ich doch dein Worten; wie das sein kann, befehl ich dir, an deinem Worte gnüget mir, dem stehet nur zu glauben." „Allein auf Gottes Wort", heißt es in der Liedersammlung im Gebetsschatz, „will ich mein Grund und Glauben bauen. Das soll mein Schatz sein ewiglich, dem ich allein will trauen. Kein menschlich Weisheit will ich nicht dem göttlich Wort vergleichen. Was Gottes Wort klar spricht und richt, soll billig alles weichen. Allein auf Gott und sein Wort rein mein Herz sich soll verlassen. Sein Wort soll mir ein Leuchte sein, zu gehn auf rechter Straßen. O Gott, laß mich kein falsche Lehr von deiner Wahrheit trennen. Hilf mir um deines
Namens Ehr die Wahrheit zu bekennen."
Nur durch die Lehre der lutherischen Kirche wird Gott allein alle Ehre gegeben; es erhellt dies unter anderm aus ihrer Lehre
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2. von der Ursache der Sünde, des Todes, der Hölle und Verdammniß.
Daß gerade diese Lehre herausgegriffen worden ist, kommt daher, daß die Synode von Iowa der Synode von Missouri, gegenwärtig den Vorwurf macht, sie sei calvinistisch. Wir haben nämlich, Luthern folgend, nachgewiesen, daß es Gott allein ist, der den Menschen zur Seligkeit bereitet und endlich in die Seligkeit einführt; daß der freie Wille des Menschen hierbei durchaus nicht thätig ist; daß der Mensch gar nichts verdient, damit ihm Gott das ewige Leben schenke; nichts thut, um deß willen der liebe Gott ihn in den Himmel annehme; daß Gott von Ewigkeit nichts in irgend einem Menschen gesehen hat, daß er hätte sagen müssen: „Ich sehe voraus, der Mensch werde so und so sein; den will ich erwählen." Diese Lehre ist die Lehre Luthers. Die Gegenlehre, welche derselbe in seiner köstlichen Schrift: „Daß der freie Wille nichts sei", verdammt, wollen wir auch'nicht aufnehmen, und darum haben wir denn dies auch öffentlich bekannt. Dies war den Jowaern ein großes Aergerniß. «Sie meinten, was wir veröffentlichten, sei der Helle Calvinismus; wir müßten, indem wir lehrten, Gott habe nichts im Menschen gefunden, den er auserwählt, also auch behaupten, Gott habe nichts im Men-schen gefunden, daß er ihn verdamme; wie der Mensch kein Verdienst habe, daß er in dm Himmel komme, also müsse er nach unserer Lehre auch nicht schuld daran sein, daß er verdammt werde, wie die Calvinisten behaupte». Diese sagen nämlich, daß Menschen selig werden und daß Menschen verdammt werden, das komme her von dem ewigen göttlichen Rathschluß. Aber diese Lehre verdammen wir von ganzem Herzen. Wir glauben zwar fest und gewiß — und darauf stnd wir bereit, wenn uns Gott in seiner Gnade erhält, zu sterben —, daß alle, die von Gott zur Seligkeit auSerwählt worden stnd, nur aus freier Gnade, aus freiem Erbarmm auSerwählt stnd; daß Gott nichts, gar nichts in ihnen gesehen hak, um deß willen er beschlossen hat, fie selig zu machen. Wir halten fest, daß es gar keine Ursache im Menschen gibt, warum er selig wird, sondern daß die Ursache allein Gottes ewiges Erbarmen ist und JEsu Christi theureS Verdienst. Jede dritte Ursache der Selig-keit, die im Menschen liegen soll, verwerfen wir.
Nun spricht freilich die Vernunft: „Wenn dem so ist, daß die AuS-erwählten aus bloßer Gnade Gottes auSerwählt find, so folgt daraus, daß also auch, wenn Menschen nicht selig, sondern verdammt werdm, es nur daher kommen könne, daß sie Gott nicht auserwählet hat." Aber die Vernunft kann nicht anders schließen. Wir Lutheraner unterscheiden uns dadurch von den Sectirern und Calvinisten, daß wir diesen Sckluß nicht machen. Die heilige Schrift lehrt, daß wir aus Gnaden, aus Gottes Vorsatz, aus Rathschluß seines Willens erwählt stnd. Nirgends steht auch nur das Allergeringste davon da, daß wir darum erwählt seien, weil Gott voraussah, wir würden gute Leute sein. Es wird Alles nur Gottes Gnade, Gottes Erbarmen zu-geschricben. Und der Mensch, der in den Himmel eingeführt wird, muß sagen:
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„Lieber Gott, du btst'S allein, der mich hiehergebracht; wäre es nach meinem Verdienst, nach meinem Wollen gegangen, ich wäre jetzt auch, wie die ändern, in der Hölle; ich danke es allein deinem Erbarmen; du hast mich verdammten und verlornen Menschen ausgewählt." Aber jene, die Gott nicht erwählt hat, stnd eben deshalb nicht erwählt worden, deswegen nicht selig, weil, obgleich der liebe Gott auch ihnen alle seine Gnade zugedacht hat, sie diese Gnade muthwillig von sich gestoßen haben. Sie haben sie nicht annehmen wollen. Gott hat seinen Sohn für sie in die Welt gesandt und hat das Predigtamt, das die Versöhnung predigt, um ihretwillen eingesetzt; er hat die Apostel in alle Welt gesandt, hat das Predigtamt überall ausrtchten lassen, hat die Taufe, das Abendmahl, die Absolution ihnen verordnet: sie haben alles an sich vergeblich sein lassen. Das Wort war kräftig genug; aber sie haben ihm nicht nur ihr natürliches Widerstreben, welches Gott immer wegnimmt, sondern ein muthwilliges Widerstreben entgegengesetzt, wie Stephanus zu der Rotte im hohen Rathe zu Jerusalem sprach: „Ihr widerstrebet allezeit dem Heiligen Geist." Daß Menschen selig werden, davon ist allein.die Ursache Gottes Erbarmen; daß Menschen verdammt werden, davon ist allein die Ursache der Mensch, des Menschen Bosheit, nicht aber Gott in irgend einer Weise. Dies behaupten wir. Dies steht auch in unfern symbolischen Büchern.
Dies hat Luther wundervoll in seiner Schrift gegen Erasmus: „Daß der freie Wille nichts sei", auseinandergesetzt. Das Buch Luthers vom freien Willen, sagen aber die Jowaer, sei ein ganz falsches Buch, es enthalte dm reinen Calvinismus, der liebe Gott würde in diesem Buch folgerichtig auch zur Ursache der Verdammniß gemacht. Sie wollen jedoch für gute Lutheraner geltm. Darum sagen sie, Luther habe diese Schrift später widerrufen, während sie doch wissen oder wissen sollten — man kann das nicht entscheiden —, daß Luther bis an seinen Tod diese Schrift: „Daß der freie Wille nichts sei", nicht nur nicht widerrufen, sondern neben dem kleinen Katechismus und der Kirchenpostille für seine beste Schrift erklärt hat. Dies wären gute Bücher, spricht er, das müsse er doch sagen, doch nicht zu seinem Ruhm. Wmn die Jowaer also sagen, sie fei ketzerisch, so müssen sie auch erklären, daß Luther als Ketzer gestorben ist. Aber es ist unwahr. In dieser Schrift findet sich die reine, lautere, biblische, evangelische Lehre. Freilich läßt sie dem freien Willen kein Haar, da wird von Luther jeder Winkel ausgefegt. Wer also einen kleinen Sauerteig von PelagtanismuS hat, der wird sich freilich den Hirnschädel an dieser Schrift einstoßen, sich an derselben ärgern, und meinen: Es ist ein greulich Buch. Denn das ist wahr: Luther redet darin so gewaltig und so kühn, daß man oft fühlt, als hätte der Blitz eingeschlagen, bis der Blitz sich wieder verzieht und man merkt: Der Mann hat doch recht; es ist doch die selige Lehre, die den armen Menschen auf Gottes Erbarmen hinstellt. Das ist wahr: Er spricht zuweilen so, wie Calvin gesprochen hat; man lasse sich aber dadurch nicht tauschen. Wenn Zwei dasselbe sagen, ist'S noch lange nicht dasselbe. Luther will damit gar nicht eine absolute Prädestination
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lehren, sondern er will, daß dem Menschen nichts, gar nichts zugeschrieben werde. Das steht man schon aus der Ueberschrift des Buches. Dieselbe lautet nicht: Von der Prädestination, sondern: „Daß der freie Wille nichts sei." Darauf muß man achten, sonst versteht man Luther nicht recht. Luther will nur den freien Willen des Menschen in geistlichen Dingen leugnen, darum führt er alles, aber nicht die Sünde, auf Gott zurück.
Nachdem nun Rechenschaft darüber abgelegt worden ist, warum zum Beweise dafür, daß nur durch die Lehre der lutheriscken Kirche Gott allein alle Ehre gegeben werde, die Lehre unserer Kirche von der Ursache der Sünde, des Todes, der Hölle und Verdammniß hier ausgenommen ist, wollen wir hören, was die Augsburgtsche Confesston, die Concordienformel und Luther selbst darüber schreiben.
Augsburgische Confesston: „Von Ursach der Sünden wird bei uns gelehret, daß wiewohl Gott der Allmächtige die ganze Natur geschaffenhat und erhält, so wirket doch der verkehrte Wille die Sünde in allen Bösen und Verächtern Gottes; wie denn des Teufels Wille ist und aller Gottlosen; welcher alsbald, so Gott die Hand abgethan, sich von Gott zum Argen gewandt hat, wie Christus spricht Joh. 8.: „Der Teufel redet Lügen aus seinem eigen." (Art. 19.)
Hier erklärt unsere Confesston, die Ursache der Sünde liege nicht in Gott — das zu behaupten, wäre eine schreckliche Gotteslästerung; dadurch würde man Gott zum Teufel selber machen —, sondern in dem bösen Willen des Teufels und dann in dem durch Verführung des Teufels böse gewordenen Willen des Menschen. So heißt es denn auch im Ilten Artikel der
Concordienformel: „Wie Gott nicht ist eine Ursache der Sünde, also ist er auch keine Ursache der Strafe der Verdammniß, sondern die einige Ursache der Verdammniß ist die Sünde, denn der Sünden Sold ist der Tod; und wie Gott die Sünde nicht will, auch keinen Gefallen an der Sünde hat, also will er auch nicht den Tod des Sünders... Von den Gefäßen der Barmherzigkeit saget er klar, daß der HErr selbst sie bereitet habe zur Herrlichkeit, welches er nicht sagt von den Verdammten, die sich selbst und nicht Gott zu Gefäßen der Vet-dammniß bereitet haben." (Art. 11. Wiederholung, lol. 325. f.)
Die Augsburgische Confesston bezeugt uns nur, daß Gott nicht Ursache der Sünde ist, die Concordienformel macht nun den Schluß, der nothwendig daraus folgt: daß also der liebe Gott nicht Ursache ist vom Tode, also auch nicht die Ursache der Hölle, nicht die Ursache der Verdammniß; sondern dies alles ist nur die Folge der Sünde, welche Gott nicht verursacht hat. Darum ist es eine gotteslästerliche Rede, wenn die Rationalisten sagen: „Ja, der liebe Gott hat dem Menschen gleich die Sündhaftigkeit angeschaffen." Die erste» Menschen haben ja schon Gott die Ursache der Sünde nach dem Fall zu-schretben wollen. Adam wollte die Schuld auf die Eva und Eva auf die Schlange schieben. „Warum", sagte gleichsam Eva, „hast du die Schlange
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gemacht?" und Adam wollte sagen: „Warum hast du mir die Eva gegeben?" Das steckt in unserer Natur: wir wollen die Schuld am liebsten auf Gott schieben; der wird sich, denken wir, schon verantworten können.
In dem Citat wird auch gesagt, daß Gott von den Gefäßen der Barmherzigkeit und von den Gefäßen der Verdammniß verschieden geredet habe, nämlich Röm. 9, 22. 23. Von den Gefäßen des Zornes heißt es V. 22.: „die da zugerichtet sind zur Verdammniß"; aber von dm Gefäßen der Barmherzigkeit heißt es V. 23. im griechischen Urtext: „Tr^^T-^ao-er-" d. i. die er zuvor bereitet hat zur Herrlichkeit. Das ist merkwürdig. Ist es dem Heiligen Geist entschlüpft, daß er erst von den Gefäßen des Zorns sagt: Sie sind bereitet (im Griechischen: aber von den Gefäßen der Barm-
herzigkeit: Sie sind zuvorbereitet (Tr^o^o^ao-L^) ? Damit will er sagen: Freilich wird niemand in die Hölle kommen, er sei denn dazu zugerichtet. Ein solcher richtet sich aber selbst zu und macht sich selbst zu einem Gefäß der Unehren. Anders ist es mit den Gefäßen der Barmherzigkeit: sie richten sich nicht selbst zu, sie sind von Ewigkeit durch die Gnadenwahl zugerichtet. Die Seligkeit verdankt der Mensch allerdings allein Gott; aber die Verdammniß verdankt er nur sich selber und Gott hat keinen Theil daran. Wer selig wird, muß Gott die Ehre bringen; wer verdammt wird, muß das „Wehe" bloS über sich selbst schreien.
Daß es eine grobe Unwahrheit sei, wenn die Iowa-Synode sagt, die Schrift Luthers vom freien Willen enthalte Calvinistisches, das wird durch folgende Stelle aus jener Schrift selbst belegt: „Gott trauert nicht um den Tod des Sünders, den er wirket, sondern trauert um den Jammer und Tod, den er findet an dem Menschen, und wollteden gerne w eg n ehmen... Denn er will, daß alle Menschen sollen selig werden, 1 Tim. 2,4., dieweil er durch das Wort des Heils zu allen kommen ist, und ist unseres Willens Schuld, daß wir ihn nicht annehmen, wie der HErr Christus Matth. 23, 17. sagt: Wie oft habe ich wollen deine Kinder sammeln, wie die Henne ihre Hühnlein unter die Flügel, und du hast nicht gewollt." (XVIII, 2235. f.)
Lut der lehre, sagen die Jowaer, Gott wolle gar nicht alle Menschen selig machen, er wolle sie nicht im Himmel haben, sondern habe sie zur Sünde und Verdammniß bestimmt; aber Luther schreibt hier klar und deutlich, daß der liebe „Gott den Jammer und Tod gerne wegnehmen wolle; denn er will, daß alle Menschen sollen selig werden, und ist unseres Willens Schuld, daß wir ihn nicht annehmen". Dies ist wohl zu merken. Wenn wir verdammt werden, so liegt die Schuld nicht daran, daß Gott uns nicht hilft, sondern unser Wille ist daran schuld. Sein Wille ist unsere Seligkeit; unser Wille leider ist unser Verderben, während wir ihn freilich in unserer Blindheit für unsere Seligkeit halten. Zu einer solchen Schrift, wie die Luthers, würde Calvin gesagt haben: „Das kann ich nie und nimmermehr unterschreiben, das ist Ketzerei." Und jetzt will man aus
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Luther einen Calvinisten machen. Wer unsere theologische Zeitschrift („Lehre und Wehre") nicht lies't, der lasse sich doch ja nicht durch das Geschrei der Jowaer irre machen. Wenn sie uns Calvinisten nennen, so lügen sie. Wir hassen den Calvinismus als Teufelslehre, weil er dem armen Sünder den höchsten Trost raubt, nämlich den, daß die ganze Welt erlös't ist und er sich darum auch zu derselben rechnen kann. Wir entsetzen uns vor dieser greulichen Lehre, und dann kommen die Jowaer und behaupten, weil wir die Lehre von dem ewigen freien Erbarmen Gottes festhalten und dem Menschen daher alles absprechen: „Ihr seid auch Calvinisten." Die Bibel sagt auf der einen Seite: „Es ist lauter Gnade", und auf der ändern: „Ihr habt nicht gewollt"; da hören wir, was die Ursache der Seligkeit und der Verdammniß ist.
Luther schreibt ferner an Joh. Lang im Jahre 1522: „Was streitet ihr über das Böse, das Gott thut? Ich sehe, daß ihr sonst nichts zu thun habt in solchen Zerrüttungen des Satans. Gott braucht kein Werk, es ist auch kein Werk oder That, sondern eine Unterlassung des Werkes Gottes. Denn darum thun wir Böjes, weil er aufhört in uns zu wirken und läßt die Natur in ihrer Bosheit thun, was sie thut. Sonst, wo er selbst wirket, folget nichts als lauter Gutes. Und dies Unterlassen Gottes nennt die Schrift ver stocken. Denn das Böse kann nicht geschehen, weil es nichts ist, sondern nur daher kommt, wenn nichts Gutes geschiehst oder verhindert wird." (XV, Anhang, S. 230. f.)
Alles, was in der Welt geschieht, geschieht doch nicht ohne Gott. Der liebe Gott ist nicht, wie ein Uhrmacher, der eine Uhr zusammenstellt, sie dann verläßt, seiner Wege geht und sich nicht weiter um sie kümmert; sondern, nachdem er die Welt erschaffen, erhält er sie und wirket überall: er ist, um ein grobes Bild zu gebrauchen, gleichsam die Dampfkraft der großen Maschine. Sobald der Dampf weg ist, steht die Maschine still. Sobald Gott einen Augenblick aus der Welt ginge, würde die ganze Maschine still stehen. Er setzt nicht nur Sonne, Mond und Sterne, das große Universum, in Bewegung, sondern alles, was sich bewegt, bewegt sich, weil Gott die bewegende Kraft ist. Selbst der Dieb, der des Nachts durch das Fenster hineinsteigt und nach der Geldschatulle greift, die er stehlen will, könnte seine fünf Finger nicht krümmen, wenn der liebe Gott in diesem Augenblick aufhörte, die treibende Kraft in ihm zu sein. Denn wir sind keine Götter, sondern nur ein Schemen, ein Nichts; der liebe Gott muß in uns sein und uns treiben. So lange die Welt steht, haben Viele darüber disputirt, und gesagt: „Wenn das wahr ist, daß wir in ihm leben, weben und sind, dann muß der liebe Gott auch das Böse thun." Natürlich, die Vernunft kann sich's auch nicht anders denken. Calvin sagt: Das ist auch so. Luther sagt aber in dem angezogenen Citate: „Was streitet ihr über das Böse, das Gott thut? Ich sehe, daß ihr sonst nichts zu thun habt in solchen Zerrüttungen des Satans." Gerade jetzt, da die ganze Kirche aus tausend Wunden blutet, verzehren und verschwenden die neueren Theologen ihr ganzes Leben, etwa um ein Pünktchen herauszubekommen, welches
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über einem Strichelchen steht, während es dock so viele wichtige, das Heil von Millionen Seelen betreffende Sachen gibt, über welche die Theologen nachforschen und schreiben können. Luther fährt fort: „Gott braucht kein Werk, es ist auch kein Werk oder That, sondern eine Unterlassung des Werkes Gottes." Gott thut das Böse nicht im Menschen; die Leute thun das Böse schon ohne ihn. Wohl braucht der Dieb den lieben Gott dazu, daß er ihm die Hand lebendig erhalte, aber dazu braucht er den lieben Gott nicht, daß er den Diebs sinn habe, daß er, anstatt seine Hand an den Spaten zu thun, sie in den Geldbeutel des Nächsten stecke. Gott gibt ihm dieses nicht ein; aber die Hand hat er ihm gegeben. Der Dieb hat aber die bewegenden Kräfte Gottes zum Bösen gemißbraucht. Es wäre freilich wunderbar, wenn ein Vater seinem gottlosen Kinde seine Hand gäbe und sie nicht zurückzöge, wenn das Kind dieselbe eigene Hand des Vaters nähme und ihm damit einen Backenstreich gäbe; aber so macht es Gott. Er gibt dem Menschen Kraft bis in den Tod und entzieht sie ihm nicht, trotzdem daß der Mensch sie fort und fort mißbraucht, um damit wider Gott zu streiten. Es ist eben jetzt die Zeit der Gnade, Geduld und Langmuth. Ist diese Zeit verronnen, so werden wir mit Entsetzen sehen, wie groß Gottes Gerechtigkeit und Heiligkeit ist. Wie wir uns jetzt verwundern über seine Langmuth und uns gar nicht in diese Langmuth finden können, so würden wir uns dann auch in Gottes Zorn nicht finden können, wenn wir nickt ein verklärtes Auge hätten. Luther fährt fort: „Denn darum thun wir Böses, weil er aufhört in uns zu wirken und läßt die Natur in ihrer Bosheit thun, was fie thut. Sonst, wo er selbst wirket, folget nichts als lauter Gutes." Dies ist eine wichtige Stelle; Penn der liebe Gott ist eine Sonne der Güte. Die Sonne braucht nichts zu thun, damit es finster wird, sondern fie braucht nur aufzuhören zu scheinen, so wird's finster. Wo fie aber wirket, da wtrd'S hell und licht. Eine solche Sonne des Guten ist der liebe Gott. Wo Gott wirket, da ist lauter Licht, lauter Gutes, lauter Seligkeit, lauter Freude. Aber wenn Gott in seinem Zorn will strafen, da thut er nichts. Gerade wenn er nichts thut, da entsteht der Jammer. Sobald er den Menschen in seinem Elend läßt, finkt derselbe von Stufe zu Stufe, vom Bösen zum Bösen, vom Verderben zum Verderben. Luther fährt fort: „Und dies Unterlassen Gottes nennt die Schrift verstocken." Dieses Wort sollte sich Jeder wohl merken! Calvin verstand unter „verstocken" eine wirkliche Handlung Gottes in den Herzen der Menschen, also: verstockt machen. Nein, sagt Luther, man kann freilich sagen: Gott verstockt; aber darunter ist dann nichts anderes zu verstehen, als daß der liebe Gott aufhört im Herzen des Menschen zu wirken, — und dann verstockt er stch von selber. Wir reden natürlich vom Reich der Gnaden und des Geistes. Wie das Unterlassen der Sonne, Strahlen von sich zu geben, die Ursache ist, daß es finster wird; oder wie, wenn es lange Zeit nicht regnet und das Wasser nicht mehr auf dem Boden fließt, der Boden von selbst hart wird, daß man, wie die Schrift, sagen kann, daß da- Feld wie
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Stein, wie Eisen ist, und wie das die Ursache hievon ist, daß der Regen nichts thut: so ist es auch mit Gott, sobald er nicht im Menschen wirket. Sobald Gott nicht im Menschen wirket, ist der Mensch verloren. (So reißt ihn sein sündhafter Geist von Sünde zu Sünde.) Dann wird er verstockt. Luther fährt fort: „Denn das Böse kann nicht geschehen, weil es nicht ist." Das Böse ist ja nicht ein bestimmtes Ding. Man hat eS ja nicht gesehen. Man hat wohl Dinge gesehen, welche durch die Sünde zu Stande gekommen sind; aber die Sünde ist ein Nichts, die „daher kommt, wenn nichts Gutes geschiehet oder verhindert wird". Die Calvinisten nehmen sich in ihren Bekenntnissen sehr in Acht, daß man nicht so leicht sehen kann, wie lästerlich sie redm; aber ihre Theologen haben aus der Karte geschwatzt. Diese sagen nämlich geradezu: Gott ist die Ursache der Sünde, ja, selbst die wirkende, und wenn auch nicht die bewirkende, so doch die zufällige, beschließende, verordnende, reizende (instiAuns) Ursache derselben. In ihren Bekenntniß-schriften kommt dieses nicht vor. — „Gott trauert nicht um den Tod des Sünders, den er wirket, sondern trauert um den Jammer und Tod, den er findet an dem Menschen." Gott wirket, wie die Alten sich in ihrer Kunstsprache ausdrücken, das Natsrials, aber nicht das I'orrnuls der Sünde, d. H., jede Handlung, die wir vollbringen, ist an sich nicht etwas Gutes oder Böses, sondern es kommt auf die Gesinnung an. Z. B., wenn ein Mörder jemand den Kopf herunterschlägt, so gehört er an den Galgen; wenn aber der Scharfrichter es thut, so thut dieser zwar ganz , dasselbe, was der Mörder thut, es ist ihm aber keine Sünde. Im Gegentheil, er thut ein gutes Werk, er handelt in seinem Beruf, und wenn er es im Glauben thut, wird ihm Gott diese That noch vergelten. Ferner: Lästerliche Worte sind an sich keine Sünde; denn wenn wir z. B. aus der Bibel vorlesen, wie die Leute gelästert haben, begehen wir keine Sünde, sintemal wir damit sagen wollen, wie ruchlos die Menschen gewesen sind, wie es in ihrer verruchten, elenden Seele'gesteckt habe, daß sie Solches gegen den Schöpfer habm ausschäumen könnm. Daraus folgt also, daß Gott alles thue, was der Mensch thut, mit Ausnahme der Sünde, welche vom Teufel ist. Gott erhält alles, was er geschaffen; nicht aber die Sünde. Wie viel Gott am Teufel geschaffen hat, so viel ist gut; denn was Gott thut, ist und bleibt ewig gut. So bleibt auch unser Fleisch eine Creatur Gottes und darum gut; aber die Sünde hängt daran, mit welcher Gott nichts zu thun hat. Denn die Schrift sagt ausdrücklich Pf. 5.: „Du bist nicht ein Gott, de«y gottlos Wesen gefällt." Dies ist eine wichtige Stelle.
Merkwürdig ist die Stelle 2 Sam. 24, 1., da gesagt wird, der Zorn de-HErrn habe David gereizt, das Volk zu zählen. „Sehet", sprechen hier die Calvinisten. „Gott selbst hat ihn gereizt." Aber so machen es die unglückseligen Ketzer. Wenn fie eine Stelle finden, die allenfalls in ihren Kram paßt, so sehen fie stch nicht weiter in der Schrift um, um zu erfahren, ob dieselbe gerade so zu nehmm ist, wie sie lautet. Freilich, wenn wir keine andere Stelle
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hätten, würden wir auch sprechen: Wie etwas geschrieben steht, so muß es genommen werden. Aber der Heilige Geist, welcher weise ist, hat einem ändern Propheten noch eine andere Stelle eingegeben. 1 Chron. 22, 1. heißt eS nämlich: „Und der Satan stnnd wider Israel, und gab David ein, daß er Israel zählen ließ." Zwar ist es wunderbar, daß es in der einen Stelle heißt, der Zorn des HErrn habe David gereizt, und in der ändern, der Satan habe ihm eingegeben, das Volk zu zählen; aber das ist kein Widerspruch, sondern wenn wir beide Stellen zusammennehmen, bekommen wir eine überaus wichtige, gebeimnißvolle, anbetungswürdige Lehre, nämlich die: Wenn der Sünder sündigt, hat er sich nicht etwa von Gott losgerungen, so daß er nun neben dem lieben Gott ein selbständiges Wesen wäre, welches thun kann, was es will. Nein, der liebe Gott läßt sich die Zügel der Weltregterung nickt aus der Hand nehmen, sondern er behält sie in alle Ewigkeit. Einem Kinde Gottes soll kein Härlein gekrümmt werden, wenn er es nicht zulaffen will. Darum kann auch der Heilige Geist sagen: Gotte- Zorn reizte David, daß er das Volk zählen ließ; er will aber damit sagen: Gott war dermaßen über David wegen dessen Untreue erzürnt, daß er besckloß, es dem Teufel zuzulassen, David einzugeben, das Volk zu zählen, woraus dann ein großes Strafgericht erfolgen sollte. Der Teufel hätte Solches für sich nicht zu Stande bringen können. Es konnte derselbe nicht einmal über Schweine gebieten; denn als der Heiland eine ganze Legion Teufel aus einem Besessenen austrieb, mußten sie ihn erst höflich bitten, sie in die Säue fahren zu lassen. So sehen wir also: Da der Teufel ohne Gottes Zulassung nicht einmal über ein Schwein Herrschaft ausüben kann, wie viel weniger kann er dies übe/ einen Menschen, oder gar über ein Kind Gottes. So will der Heilige Geist mit jenen Stellen lehren: Wenn irgend Etwa- geschieht, es sei Gutes oder Böses, so geschieht es unter der göttlichen Regierung entweder aus Gottes Gnade oder aus Gottes Zorn. Wer das nicht glaubt, der glaubt nicht recht fest, daß es einen Gott gibt. Denn glauben, daß es einen Gott gibt, heißt nicht: glauben, daß da oben ein alter Mann auf dem Großvaterstuhl sitzt und etwa sagt: „Ich muß doch dann und wann zusehen, was die Menschen unten machen." Nein, Gott ist der Unermeßliche, Unbegreifliche, der die ganze Welt durchdringt, der überall ist und überall Gott ist, der alles ^bewegt und treibt und schiebt und erhält und regiert. Wer nicht an einen lebendigen, allmächtigen, unermeßlichen Gott glaubt, der hat doch nur einen Götzen in seinem Herzen. Darum konnte der Heilige Geist mit voller Wahrheit sagen, an einer Stelle: Der Teufel gibt'- dem David ein, an der ändern: Gottes Zorn reizt ihn.
Frage: Was will die AugSburgische Confesflon mit den Worten sagen: „welcher alsbald, soGottdieHandabgethan, sich von Gott zum Argen gewandt hat"? Antwort: Sobald Gott nicht in Gnaden in einem Menschen wirkt, kann der Mensch nicht- als Sünde thun. Der Mensch ist einem fallenden Stein zu vergleichen. Wenn es uns möglich wäre, an die Enden
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der Erde zu treten und einen Stein fallen zu lassen, so würde derselbe in-Unermeßliche hinunterfallen und so lange fallen, bis etwas käme, das ihn aufhielte. Aehnlich verhält es sich mit dem Menschen. Wenn der liebe Gott nicht in ihm wirket, fällt er von Sünde zu Sünde. Fällt ein Unbekehrter nicht in Mord, Ehebruch, Hurerei, Diebstahl, so hat er dies seinem Gott zu danken; denn hätte Gott seine Hand von ihm abgezogen, so hätte er bald in eine solche Lage kommen können, daß sein böses Herz auch auf diese Greuel gefallen wäre. Erkennen wir das, so werden wir auf unsere Ehrbarkeit nicht stolz sein, und werden sprechen: „Ach, du gnädiger Gott, du hast mich bisher behütet; zeuck nur deine Hand nicht von mir ab, sonst bin ich verloren." Denn aus dem Herzen kommt Mord, Ehebruch, Hurerei, Dieberei, falsche Zeugnisse, Lästerung. Es kommt dies alles heraus. Also war es darin. Im Herzen aller Menschen steckt es. Hält darum Gott seine Hand nicht über uns, so sind wir verloren.
Es folgen nun einige Stellen aus dem Reformirten Bekenntniß, nämlich aus den Beschlüssen der Dortrechter Synode. Darin heißt eS: „Die Synode verwirft die Jrrthümer derjenigen, welche lehren, daß Gott niemanden aus seinem bloßen'gerechten Willen im Falle Adams und in dem allgemeinen Stande der Sünde und der Verdammniß lasse oder in der Mittheilung der zum Glauben und zur Bekehrung nöthigen Gnade übergehe." (6orpus libb. Symbol-, czui in sodss. kdorwut. «.uotoritatem xublies.ru obtiuueruut. Lcl. ^l. 6. 6. ^.UAUsti- Llbsrkelcki 1827. x. 212.)
Dieses nehmen alle strengen Calvinisten an. Sie verwerfen, wenn gelehrt wird, daß Gott niemand gänzlich übergehe und jedem Gnade anbiete und daß er Keinen seinem Elend erbarmungslos überlasse, und behaupten, die rechte Lehre sei, daß Gottes Erbarmen sich nur auf die Auserwählten erstrecke, daß Gott aber die Uebrigen gar nicht selig haben wolle und er sie gar nicht aus ihrem sicheren Verderben erretten wolle, sondern daß sie in der Sünde Adams nack Gottes Willen bleiben sollten. Sie behaupten, Gott habe vor der ganzen Welt einmal zeigen wollen, wie gerecht und zornig er gegen die Sünde sei; darum habe er Menschen geschaffen, von denen er wußte, daß sie fallen würden, und habe gedacht: Einige will ich doch erretten, aber an den Ändern will ich ein Erempel statuiren; Diesen will ich keinen Heiland senden, keine Gnade zum Glauben geben. Was lehren damit die Reformirten anders, als daß der liebe Gott eine Ursache de- Bleibens in der Sünde und des NichterrettetwerdenS au- Tod, Hölle und Verdammniß sei? In ihrem Bekenntniß drücken sie sich nur darum so vorsichtig aus, damit sie sich ein wenig verstecken mögen; wer ihnen aber genau auf die Worte sieht, der merkt wohl, daß sie sagen wollen, zuletzt sei Gott schuld; er sei ein so souveränes Wesen; er könne auch einmal ein solches Trauerspiel bereiten, daß er Millionen und aber Millionen erschafft, deren einen Theil er zur Hölle verstoßen wolle, da-mit man sehe, wie gerecht und zornig er gegen die Sünde sei, deren ändern
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Theil er aber im Himmel haben wolle, damit man sehe, wie gnädig und freundlich er sei. Aber nichts davon, sondern das gerade Gegentheil steht in der Schrift, wie wir hören werden, wenn wir in der vorliegenden Thesis die Lehre vom allgemeinen Gnadenwillen Gottes besonders besprechen.
In den Dortrechter Beschlüssen heißt es weiter: „Daß einige in der Zeit von Gott mit Glauben begabt, einige nicht begabt werden, dies kommt von seinem ewigen Rathschluß her. Denn Gott sind alle seine Werke bewußt von Ewigkeit, Apostg. 15, 18., Ephes. 1, 11." Das ist gar kein Grund. Damit machen sie den lieben Gott so ohnmächtig als einen Menschen. Wir können auch Manches, wenigstens so ziemlich gewiß, voraus wissen, ja, ein gottloser Mensch, welcher stch nicht bekehren will, weiß ganz gewiß, daß er in die Hölle kommt. Aber bei dem lieben Gott ist es ganz anders. Von ihm sagt Luther: „Was wir Menschen sehen der Länge nach, das sieht Gott alles nach der Ouere", d. H., wenn wir in die Ferne sehen wollen, so wird es bald nebelig, daß wir in der Ferne nichts mehr sehen können, aber Gott steht eines so nahe als das andere. Darum weiß er voraus, nicht nur was er thun will, sondern was Andere thun wollen, ja, selbst das weiß er, was unter ändern Umständen geschehen könnte. Dieses leugnen die Reformirten, weshalb sie sagen, das Vorher wissen und die Vorherbestimmung sei eines ünd dasselbe. In jenen Beschlüssen heißt es weiter:
„nach welchem Rathschluß er die Herzen der Erwählten, obgleich sie hart sind, gnädiglich erweicht und zum Glauben neigt, die Nicht-erwählten aber aus gerechtem Gericht ihrer Bosheit und Härte überläßt." (A.a.O.p!203.) Wenn sie hier sprechen: „aus gerechtem Gericht", so ist damit freilich nichts gesagt; denn wenn Gott nur nach Gerechtigkeit verfahren wollte, so dürfte er die Ändern auch nicht selig machen. Denn wir sind alle aus ein Md demselben Teig, von Natur sind wir alle verlorne Sünder. Wenn daher Gott die allgemeine Gnade dem Einzelnen nicht gibt, oder vielmehr nicht mtttheilt, so muß noch etwas hinzukommen, nämlich, daß der Mensch sie durchaus nicht annehmen will.
Endlich heißt es im Schweizer Bekenntniß: „Gott hat be-
schlossen, seine Ehre also zu offenbaren, daß er den Rathschluß gefaßt hat, erst zwar den Menschen rein zu erschaffen, dann den Fall desselben zuzu-laffen und darnach sich einiger aus den Gefallenen zu erbarmen und sie daher zu erwählen, die anderen aber in der verderbten Masse zulassen und endlich dem ewigen Verderben zu widmen." (k'orruuls. Oouseu-sus Helveticas, von 1675. A. a. O. p. 446. f.)
Schrecklich ist es daher, daß die Jowaer uns den Calvinisten gleich-stellen. Ihnen gegenüber ist zu merken, wie eö möglich ist, daß Einer aus einer an sich selbst ganz rechten Lehre, die vorgebracht wird, nach seiner Vernunft eine ganz schreckliche Lehre folgern kann. Es steht z. B. in der Bibel: Der Vater ist Gott, der Sohn ist Gott, der Heilige Geist ist Gott. Ferner: Der Vater ist der HErr, der Sohn ist der HErr, der Heilige Geist ist der
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HErr; der Vater ist allmächtig, der Sohn ist allmächtig, der Heilige Geist ist allmächtig; der Vater ist ewig, der Sohn ist ewig, der Heilige Geist ist ewig. Wenn die Rechenmeister über diese Dinge kommen, so bringen sie drei Götter, drei Herren, drei Allmächtige, drei Ewige heraus. „Ja", sprechen sie, „was sollen wir dazu sagen 3 mal 1 ist 3? Da sitzen wir." Wir sagen: In der Bibel steht wohl: Der Vater ist Gott, der Sohn ist Gott, der Heilige Geist ist Gott; aber darin steht nicht: 3 mal 1 ist 3, also sind es drei Götter. Das Gegentheil steht vielmehr darin, nämlich, daß es zwar drei Personen gibt, deren jede Gott, HErr, allmächtig und ewig ist, daß es aber nur ein göttliches Wesen gibt, und darum nur einen Gott, einen HErrn, einen Allmächtigen, einen Ewigen. Hinweg darum mit der Rechenkunst, wenn es Gottes Wort und göttlichen Sachen gilt! Der Esel durfte auch nicht mit hinauf auf den Berg Morija und — die Vernunft ist der Esel.-
Wir kommen nun zu No. 3 in der dritten These. Sie lautet: Nur durch die Lehre der lutherischen Kirche wird Gott allein alle Ehre gegeben; es erhellt dies unter Anderem aus ihrer Lehre:
3. von der göttlichen Vorsehung.
Zum Beweise für die Wahrheit dieser These hätten freilich alle Lehren ohne Ausnahme angeführt werden können, da jede Lehre schließlich dieses Ziel hat: Gott soll allein die Ehre haben. Daß aber unter den wenigen gerade diese ausgenommen worden ist, das ist hauptsächlich aus zwei Gründen geschehen : Erstens, weil alle Menschen ohne Ausnahme von Natur Atheisten sind, weil in allen Menschen von Natur die Lehre steckt: Es ist kein Gott. Und wenn auch alle Menschen von Natur sagen: Es ist ein Gott, so glauben sie doch nicht an einen lebendigen Gott und ihnen erscheint die Welt leer von Gott. Sie leben unter dem Eindruck, als wenn fie hier machen könnten, was sie wollten, und Gott sähe müßig zu. Das ist aber erschrecklich. Wo das geglaubt wird, glaubt man an einen Götzen; und das thut jeder Mensch von Natur, bis er stch bekehrt. Dann wendet sich'- gänzlich. Wo er nun geht und steht und wo er sieht und hört und fühlt, alles, alles ist etwas, da-ihn an Gott erinnert, überall sieht er Gott, überall empfindet er Gott, überall erfährt er Gottes Wirkungen. — Diese Lehre ist, zweitens, darum ausgenommen worden, weil wir in einer erschrecklich atheistischen Zeit leben, in welcher anstatt Gott Alles der Natur zugeschrieben wird: Alles soll nach den ewigen Gesetzen gehen, die in der Natur liegen. Die lieben Christen, die so viel von Naturgesetzen reden und meinen, diese seien eigentlich die Triebkraft, ahnen nicht, wie sie sich zu gotteslästerlichen Vorstellungen und Reden verführen lassen. Ein Christ soll vielmehr überall Gott wirken sehen, wie denn der Apostel Paulus sagt: „In ihm leben, weben und sind wir."
Da nun aber diese Lehre eine sehr weite und breite ist und darum sehr viele Sachen herangezogen werden könnten, die auch sich vortrefflich eigneten, damit wir unfern Zweck erreichten, nämlich zu zeigen, daß in unserer luthe-
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rischen Lehre von der Vorsehung Gottes Ehre liegt, so wollen wir nur auf zwei Seiten dieser Lehre Rücksicht nehmen. Erstlich: Worüber erstreckt sich die göttliche Vorsehung? oder: Um was bekümmert sich der li'ebe Gott, für was sorgt er? Zum Ändern: Welchen Einfluß hat der liebe Gott auf alles, was in der Welt geschieht? in wie fern ist der liebe Gott thätig, so oft etwas in der ganzen Welt geschieht? in wie fern wirkt Gott mit oder, wie die alten Theologen sich ausdrücken, concurrirt er in allen Handlungen?
I. Rambach schreibt: „Gegenstand der göttlichen Vorsehung sind alle geschaffenen Dinge, keines ausgenommen, sichtbare und unsichtbare, lebendige und leblose, Himmel, Erde und Meer, und alles, was darinnen ist. Wie er alles geschaffen hat, so erstreckt sich auch seine Vorsehung auf alles. Er erhält 1. die unsichtbarenGeschöpfe, die Engel; denn die guten können sich ohne seine Weisheit nicht regieren und ohne seine Kraft nicht erhalten, die bösen ohne seine Erlaubniß nicht schaden und er setzt ihrer Bosheit Ziel und Schranken. 2. die sichtbaren Creaturen, und darunter die Menschen nicht allein, als das edelste Geschöpf, sondern auch alle unvernünftigen Thiere. In Egypten müssen Frösche und Läuse seine Befehle auSrichten."
Wie oft hat Gott schon die Heuschrecken zu seinen Heeren gemacht. Ein Atheist meint freilich in seiner Blindheit, das sei sehr ehrenrührig von Gott geredet. Das ist aber Gottes größte Ehre, daß stch keine Mücke im Universum bewegen kann, wenn Er'S nicht thut; denn neben dem lieben Gott ist nichts, das ihm sagen könnte: Thu' du das Deine, ich will das Meine thun. Gott sagt ihm: Du bist ein Nichts, wo ich aufhöre, in dir und auf dich zu wirken! Und dies betrifft den Erzengel wie das kleinste Fröschchen, ja, die kleinste Mücke, die kleinste Milbe und Motte. Ach, es ist eine sehr selige Lehre! Hat man sie recht gefaßt, so geht man ganz anders durch die Welt, dann sieht man überall den lieben Gott mit den Augen des Glaubens; und das macht den Christen, daß er nicht wie eine Kuh durch die Welt geht. Wenn ein Christ durch die Wiese geht, so steht er überall die Hand Gottes, wie sie die schönen Blumen so lieblich kleidet und wie sie Kraft in die Frucht legt, damit der Mensch und das Vieh bekommen, was sie erhält.
Rambach fährt fort: „Es erstreckt sich aber solche Vorsorge über alle Gattungen, über alle Arten, ja über alle Einzelwesen (Individuen) einer jeden Gattung; z. B. Gott sorgt nicht nur über die Gattung der Creaturen, die Vögel heißen, sondern für eine jede Art, Störche, Schwalben, Sperlinge, ja für ein jedes einzelneExemplar (Stück) derselben, für einen jeden Storch, Schwalbe und Sperling."
Wer das nicht glaubt, der ist kein Christ. Jede Schwalbe, jeder Sperling hat eine Lebensgesckichte, und wenn ein Sperling Verstand hätte und reden könnte, so würde er uns erzählen, was für Wunder Gott gethan, daß er täglich sein Futter gefunden hat. wie er so gläubig gewesen ist, wie er ruhig geschlafen hat, fröhlich aufgestanden ist und gesungen hat: Wo ist mein
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Futter? — Wenn wir seine Sprache verstehen könnten, so ließe sich über jeden Sperling ein Buch schreiben. — Gott sorgt für das kleine, einzelne Sper-lingchen! Das, das müssen wir glauben; sonst glauben wir keinen lebendigen Gott, keinen Schöpfer, Regierer, Erhalter aller Dinge, und sind dann doch nichts, als elende Atheisten, die den Kern, den lieben Gott, aus der Welt herausnehmen. In diesem Glauben müssen wir uns stärken in dieser schändlichen atheistischen Zeit, damit wir uns nicht unbemerkt den lebendigen, alles wirkenden Gott nehmen lassen.
Rambach fährt fort: „Er sorgt nicht nur, daß die Bäume bleiben, «wachsen und erhalten werden, sondern auch für einen jeden Baum, Zweig und dessen Blatt."
Obwohl Milliarden und aber Milliarden Blättchen in der ganzen Welt sind, so gibt es doch kein einziges Blättchen, für welches Gott nicht sorgte. Wer's nicht glaubt, der hat keinen Gott. Denn das heißt nicht an Gott glauben, wenn man dafür hält, es gebe ein Wesen, welches ungeheuer groß sei und die Welt erschaffen habe, welches auch manchmal mit hineingreife — nein, alles, alles, jedes Stäubchen hat er in seiner Hand und regiert es, wie es sein muß; denn gerade wenn der liebe Gott für das Kleine nicht sorgte, würde das Große nicht bestehen. Man bedenke nur: Wenn einer für ein großes Gebäude im Ganzen sorgen wollte, es fehlte aber vielleicht ein Stein an einer wichtigen Stelle, und er sagen wollte: „Ich sorge für das Ganze, für den Stein nicht", so würde es ihn nichts helfen, wenn auf einmal da-Gebäude sich neigte und er nun das Ganze halten wollte. Es hat Menschen gegeben, welche gemeint haben, Gott sorge zwar für das Ganze, aber de-Kleinsten nehme er sich nicht an; aber es ist das eine grenzenlose Stupidität.
Rambach fährt fort: „Jedes derselben ist unter seiner Regierung, wie Christus lehrt Matth. 10, 29. Ein Sperling ist einer der verachtetsten und (scheinbar) unnützesten Vögel, dennoch sagt Christus, daß deren keiner umkomme, geschossen oder verletzt werde, ohne des Vaters Willen."
Jäger kehren oft nach Hause und sagen: „Heute habe ich nichts getroffen." Sie denken wohl, es habe u. a. am Pulver gelegen; — aber Gott hat es nicht zugelaffen, daß das Vögletn getroffen worden ist. Das glauben glaublose Jäger nicht, aber wir Christen glauben es. Und wenn man alle Kanonen in der Welt zusammenholte und abschöffe, — den Sperling trifft man nicht, wenn seine Zeit noch nicht gekommen ist.
Rambach schreibt ferner: „Luc. 12, 6.: ,Noch ist derselben vor Gott nicht eins vergessen/"
Was ist das für ein großes Wort: Der liebe Gott denkt an jeden Sperling; er vergißt auck nicht einen! Und doch sind Leute so wahnsinnig, daß sie denken: Sollte Gott sich so beschweren und an alle Sperlinge den-jen? Ja, Gott ist ein so großer Gott, daß er nicht erst auszurechnen braucht, wie viele Sperlinge er noch habe. Selbst wir können z. B. an einem Hause
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vier Fenster auf einmal überblicken und die Zahl der Tafeln schätzen; aber Gott schaut und steht Millionen mal Millionen vor sich und weiß ihre Zahl, ohne zu rechnen.
Rambach fährt fort: „Auch das Kleinste, Verachtetste und Unnützeste ist göttlicher Regierung und Vorsehung unterworfen. Christus versichert uns solches Matth. 10, 30.: ,Nun sind auch eure Haare auf eurem Haupte gezählet', daß keines anders ausfallen kann, als nach des Vaters Willen. Was wir für werthvoll halten, zählen wir."
Eine sehr schöne Bemerkung! Der Heiland sagt: „Nun sind auch eure Haare gezählet." Damit will er nicht sagen: Gott macht ein Additionsexempel und zählt sie so, sondern: Gott hält alles für wichtig, was er erschaffen hat, er hält es für werthvoll und bekümmert sich um Alles ohne Ausnahme.
Rambach fährt fort: „Cs bedeutet also eine genaue Wissenschaft, und einen Fleiß zu erhalten. Wie das Sonnenlicht den geringsten Wurm nicht verschmähet, also auch die Vorsehung Gottes nicht."
Gott hätte es ja so einrichten können, daß die herrliche, strahlende Sonne mit ihrem Lichte nur in das Auge des unsterblichen Menschen fiele; aber nein, er hat es so gemacht, daß, so oft die Sonne herausgehet wie ein Bräutigam aus seiner Kammer, das goldene Licht in das Auge des geringsten Wurmes fällt, ja jedes Stäubchen vergoldet und versilbert. Da hat er uns, so zu sagen, mit Heller Schrift vor die Augen geschrieben: Ich sorge für alles, meine Güte geht täglich über alles, ich bekümmere mich um alles.
Rambach fährt fort: „Das müssen wir also wohl merken, daß sich diese auch auf die geringsten Dinge erstreckt. Es geht hier also nicht so zu, wie etwa ein irdischer König durch eine allgemeine Verordnung für alle und jeden seiner Unterthanen insgemein sorgt, obgleich viel tausend sind, die der König nicht kennt. Gott kennt das Kleinste und sorgt dafür, wie Christus, der Mund der Wahrheit, versichert. Zwar meinet die Vernunft, eS sei solches der Majestät Gottes unanständig, daß er sich auch zu den geringsten seiner Creaturen sollte herunter lassen. Der Heide Plinius meint, die göttliche Majestät werde befleckt, wenn sie für verachtete Dinge sorge. Allein dies sind thörichte Gedanken, wie sie auch der große Kirchenlehrer Hieronymus geheget."*)
Es ist kaum zu begreifen, wie ein Gottesgelehrter so hat reden können. Es ist traurig! Er redet, als ob dem lieben Gott das erst ein großes Rechen-
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*) Hieronymus schreibt nämlich: „Es ist abgeschmackt, Gottes Majestät dahin auszudehnen, daß er jeden Augenblick wisse, wie viel Mücken entstehen und wie viele sterben, wie viel Wanzen, Flöhe und Fliegen auf Erden seien, wie viele Fische im Wasser schwimmen. — Wir sind keine so albernen Schmeichler Gottes, daß wir, während wir seine Macht auch auf das Unterste ziehen, uns selbst beschimpfen, indem wir sagen, daß die Vorsehung in Betreff der vernünftigen und unvernünftigen Wesen ein und dieselbe sei." (6owru«vt»r. in üadacuo. I.)
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exempel kostete, um zu wissen, wie viel Insecten in diesem Moment in der ganzen Welt sind, während doch sein Auge alles überschaut, von Anfang bis zu Ende, ohne daß er erst sich irgend etwas überlegen muß ; denn der liebe Gott .macht keine Schlüffe, wie wir Menschen fie machen, sondern er weiß alles an sich selbst, das Gegenwärtige, das Vergangene und das Zukünftige: er lebt im ewigen Heute. Da muß stch dem Hieronymus die Allgegenwart und Allwissenheit Gottes ganz verdunkelt haben! Darum setzt auch Rambach hinzu:
„Denn dadurch wird die Ehre desselben vielmehr befördert, und zwar I. die Ehre seiner unendlichen Gütigkeit, wenn er mit den Armen seiner Vorsehung sowohl den niedrigsten Wurm, als den höchsten Engel umfaßt. Ist's Gott nicht anständig, sie zu schaffen, warum sollt's ihm unanständig sein, selbe zu erhalten?"
Das ist sehr wichtig! Sonst müssen wir gerade zu Atheisten und Materialisten werden und sagen: „Das ist so aus dem Schlamm herausgekommen; dafür kann der liebe Gott nichts"; welches eine verruchte, gotteslästerliche Lehre ist.
Rambach fährt fort: „2. die Ehre seiner Macht und Weisheit. Die Kraft Gottes ist nicht weniger sichtbar in der Erschaffung der Mücke, als eines Elephanten; also auch in der Erhaltung."
Wenn man darüber disputiren wollte, wozu mehr Kunst und Macht gehöre, eine Mücke oder einen Elephanten zu schaffen, so möchte man fast sagen, daß sich mehr Kunst und Macht an der Mücke finde. Die Mücke hat Augen, Ohren, Mund und eine Masse von Gliedern, und in diesem kleinen Thierchen ist eine Art Seele, ein Leben, was alles an dem Thierchen durch-strömt, eine Neigung, etwas entweder zu thun oder nicht zu thun. Alle ihre Glieder sind auf eine unaussprechlich kunstvolle Weise zu einem ganzen Organismus verbunden, so daß das allerkunstvollste Dampfschiff eine Lumperei dagegen ist und damit nicht verglichen werden kann. Denn die Mücke bewegt stch selber, hat Leben, und dteses'Leben geht vom äußersten Glied bis wieder an das äußerste Glied; sie kann sogar singen, kann sogar stechen, das kleine Ding kann den Menschen verfolgen, und der Mensch ist froh, wenn er ihr nur entfliehen kann, und der Elephant — selbst der erschrickt, wenn ein Bienenschwarm über ihn kommt. Das große unbeholfene Thier fürchtet stch vor dem kleinen Jnsect. Sollten wir uns nicht schämen, daß es Menschen gibt, die das nicht bewundern, die wie das unvernünftige Vieh an diesem großen Kunstwerk vorübergehen und ihre Kniee nicht vor Gott beugen und sagen: Ach Gott, wie groß bist Du! Millionen und aber Millionen hast Du geschaffen und erhältst Du täglich, was wir verachten als nichts, als Ungeziefer, und darin liegt verborgen Deine höchste Weisheit, Deine höchste Kraft.
Rambach sagt weiter: „Die Weisheit zeigt ihre Vortrefflichkeit, wenn sie die Creaturen, die selbst den Zweck ihres Wesens nicht wissen, zu solchem dirigirt und leitet."
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Es wird doch niemand etwa der Biene zuschreiben, daß sie denke, z. B.r In zwei oder drei Monaten wird es schneien, dann wird eS Winter, dann gibt eS keine Blumen mehr, du mußt tüchtig eintragen, sonst verhungerst du, was sollen dann deine Kinder anfangen? Nein, der liebe Gott treibt die Biene, daß sie so schön ihren Stock bauen und alles auf's allerschönste anbringen muß, und wenn die Menschen nicht darüber kämen, wäre sie immer gut versorgt. Wer tst's denn, der's der Biene sagt: Hol' dir Wachs und so viel Honig und trage es in Zellen zusammen? — Das ist der liebe Gott, der Dirigent, sonst würde kein Thier dafür sorgen. Gott instruirt auch den Biber, daß er sein Haus gerade so baut, daß er darin nicht ersäuft. — Hierüber stand neulich in der „Abendschule" Nr. 11. ein sehr interessanter Artikel. Da spricht ein neuer Philosoph mit Namen Hartmann, der sonst von einem persönlichen Gott nichts wissen will, von der Raupe des Nachtpfauenauges: Sie spinnt sich nach kurzer Zeit ein und baut stch ein Gehäuse, das von innen leicht zu öffnen ist, den Angriffen aber von außen widersteht. Da sagt denn der Philosoph: „Das ist das Unbewußte im Thier." Za wohl, was dieser Atheist schreibt, das ist — unbewußter Unsinn!
Rambach fährt fort: „Es ist auch unter den Creaturen an sich kein Unterschied, sondern er entsteht erst aus der Beziehung auf uns; z. B. man glaubt, daß ein Wurm verächtlicher sei, als ein Löwe. Dieser ist freilich, wie wir ihn bettachten, besser, als ein Wurm; allein sehen wir von der Beziehung ab, so hat der geringste Wurm in seiner Art eben so viel Vorttefflichkeit, als ein Löwe."
' Vollkommen wahr. Eine Mücke ist eben so kunstvoll zusammengesetzt, als ein Löwe. Die Naturforscher sehen vermittelst ihrer Loupen mit Erstaunen, was alles in einem Mückenbeinchen steckt, was für Aederchen es hat. Wenü alle Menschen sich verschwörten, einmal ihre ganze Lebenszeit dazu zu verwenden, um z. B. eine Mücke zu Stande zu bringen, so würden sie mit aller ihrer Klugheit, Weisheit und Macht nichts, nichts fertig bringen und zu Schanden werden. Darum verflucht seien diejenigen, welche den lebendigen Gott verleugnen, während sie sich allenthalben, wo sie auch Hinsehen, umgeben erblicken von einer unermeßlichen Macht und Weisheit und sie da-gen nichts als ein ohnmächtiger Staub sind.
Rambach fährt fort: „Denn diese besteht nur in einer gewissen Beschaffenheit der Theile, daraus der Leib zusammengesetzt ist. Es macht auch Gott keine Beschwerung, wie man meinen möchte. Sein unendlicher Verstand kann nicht überladen, noch abgemattet werden." (Schriftm. Erläuterung der Grundlegung der Theologie. Franks. 1738. S. 157. ff.)
Es folgen nun noch über denselben Punkt ein Paar Zeugnisse aus Luther. Derselbe schreibt:
„Unter dm Stücken, die nicht vor jedermann zu lehren sind, sagst du (Erasmus), sei dieser einer: ,Gott ist in allen Creaturen wesentlich gegenwärtig. Aus welchem folget, daß er alsowohl gegenwärtig ist auf
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einem heimlichen Gemach, als im Himmel? Da schiltst du die Schul-zänker, daß sie das Unnütze geschwätzt haben^ und sagst nun; ,ob dieser Artikel schon wahr ist, wäre es doch nicht gut, vor jedermann solches zu lehren'. . Aber wo verständige, ehrbare, christliche Prediger sind, die mit geschickten, vernünftigen Worten von den Sachen reden, die können ohne alle Gefahr auch vor dem Volk davon und dergleichen reden... Darum scheuet sich ein christliches Herz gar nichts, zu hören, daß Gott bei den Seinen im Tode, in der Hölle, in Wassern, im Schlamm sei, welche je so unrein sind und unsauber, denn anderer Unflath. Ja, dieweil die Schrift sagt, Gott sei an allen Orten und erfülle alle Creaturen, so tst's noth zu wissen, daß er auch an diesen Orten sei. Eswollte denneinersagen, daßwenn ichvoneinem Tyrannen in Thurm oder unfläthige Grube geworfen würde, wie vielen Heiligen geschehen ist, daß ich daGottnicht dürfte anrufen oder glauben, daß er bei mir wäre, bis so lange ich wieder in eine geschmückte, gemalte Kirche käme." (XVIII, 2094—96.)
Es falle nur einer in eine heimliche Grube, so wird er den Artikel schyn glauben. Wie viele liebe, theure Märtyrer sind schon in die fürchterlichsten Gruben hineingeworfen worden und wie viele sind mit Mistjauche geträntt worden, bis sie starben. Wie, wenn sie nun hätten denken sollen: Der heilige, reine Gott wird nicht mit mir in diesem Stank sein? Er kann Wohl darin sein; das befleckt ihn nicht, so wenig, als die Sonne befleckt wird, wenn sie in die Mistjauche hineinschetnt. Denn wie die goldene Sonne, welche ihre Strahlen in das Mistjauchenloch wie in die klare Ouelle wirst, in dem ersteren nicht beschmutzt, in der letzteren nicht geklärt wird: so auch bleibt die Helle Sonne Gottes überall hell, sie wird nirgends befleckt, nirgends verfinstert.
Luther schreibt an einer anderen Stelle: „Gott ist's, der alle Dinge schafft, wirkt und enthält durch seine allmächtige Gewalt und rechte Hand, wie unser Glaube bekennt ; denn er schickt keine Amtleute oder Engel aus, wenn er etwas schaffet oder erhält, sondern solchs alles ist seiner göttlichen Gewalt selbst eigen Werk. Soll er's aber schaffen und erhalten, so muß er daselbst sein und seine Creatur sowohl im Allerinwendigsten als im Allerauswendigsten machen und erhalten."
Zum Schaffen und Erhalten kann Gott keine Werkzeuge gebrauchen, das thut er alles selber. Zum Regieren braucht er die Werkzeuge; das Schaffen und Erhalten aber ist ein Privilegium der großen Gottesmajestät. Soll er aber schaffen und erhalten, so muß er daselbst sein und seine Creatur sowohl im Allerinwendigsten als im Allerauswendigsten erschaffen und erhalten. Als der Heiland z. B. den kranken Sohn des Königischen (Joh. 4, 47 — 50.) aus der Ferne heilte, so that er dies nicht, indem er seine Kraft dorthin schickte, sondern der ZEsus, der hier sichtbar war, war unsichtbar auch in dem Hause, wo der Kranke lag, und da hat er geholfen. Wäre
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Christus nicht allgegenwärtig gewesen, so hätte er nur da wirken können, wo er sichtbar war. So ist es auch mit dem lieben Gott.
Luther fahrt fort: „Darum muß er ja in einer jeglichen Creatur in ihrem Allerinwendigsten, Auswendigsten, um und um, durch und durch, unten und oben, vorn und hinten selbst da sein, daß nichts Gegenwärtigeres noch Innerlicheres sein kann in allen Creaturen, denn Gott selbst mit seiner Gewalt."
Es heißt: „Gott mit seiner Gewalt!" Nicht: die Gewalt ohne Gott. Das wäre Unsinn! Aber solchen Unsinn glaubt der Mensch lieber, als eine lebendige, unermeßliche Allgegenwart Gottes. Aber Luther beweis't es aus Gottes Wort.
Er fährt fort: „Denn er tst's, der die Haut macht; er ist's, der auch die Gebeine macht; er ist's, der die Haare auf der Haut macht; er ist's auch, der das Mark in den Gebeinen macht; er ist's, der ein jeglich Stücklein am Haar macht; er tst's, der ein jeglich Stücklein am Mark macht; er muß ja alles machen, beide, Stück und Ganzes: so muß ja seine Hand da sein, die es mache; das kann ja nicht feihlen."
Wenn Gott nicht immer da wäre und nicht immer wirkte, so würde nichts entstehen. Die meisten Menschen denken, wenn sie heute ein ganz kleines grünes Spitzchen sehen und es in acht Tagen bedeutend größer finden, es habe sich dasselbe selber so herausgeschoben. O wir blinden Menschen! Das schiebt sich nicht heraus. Wenn der liebe Gott nicht überall wäre, so könnte kein Körnlein keimen, und kein Keim zum Halm werden, und kein Keim würde jemals ein Blatt, eine Blüthe, eine Frucht tragen.
Luther fährt fort: „Hieher gehet nun die Schrift gewaltiglich Es. 66, I. 2. . .: Der Himmel ist mein Stuhl und die Erde meine Fußbank. Er spricht nicht: Ein Stück des Himmels ist mein Stuhl, ein Stück oder Ort der Erden ist meine Fußbank; sondern was und wo Himmel ist, da ist mein Stuhl, es sei der Himmel unten, oben oder neben der Erden; und was oder wo Erden ist, es sei auf dem Boden des Meeres, im Grabe der Todten oder im Mittel der Erden, da ist meine Fußbank. Nu rath, wo ist noch sein Haupt, Arm, Brust, Leib, so er mit den Füßen die Erde, mit den Beinen Pen Himmel füllet? Wett, weit reicht er über und außer der Welt, über Himmel und Erden. Was kann oder will nu Esaia mit diesem Spruch, denn wie St. Hilarius auch hierüber spricht, daß Gott sei wesentlich gegenwärtig an allen Enden, in und durch alle Creatur in alle ihren Stücken und Orten, daß also die Welt Gottes voll ist und er sie alle füllet."
Die ganze Welt ist Gottes voll; das ist aber das Elend, daß der Mensch es nicht glaubt, wie gleich zu Anfang gesagt worden ist. Wir Menschen sind alle von Natur Atheisten; das zeigt sich täglich und stündlich. Denn würde einer auch nur Einem eitlen Gedanken nachhängen, oder böse Worte reden, gottlose Werke thun, wenn er wirklich glaubte: Hier steht der liebe Gott? Rein, das würde er nicht thun. Ein lebendiger Christ fürchtet sich darum auch, wie Joseph, so sehr, etwas gegen seinen Gott zu thun. Er weiß, Gott
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ist immer bei ihm: er sieht alles, er hört alles. Nicht blos ist Gott so da daß er es nur so ungefähr merkte, nein, er ist leibhaftig da. Wer das nicht glaubt, der glaubt nicht an einen Gott.
Wir müssen in dieser schändlichen, gottesleugnerischen Zeit diesen Artikel tüchtig treiben. Die lieben Christen treiben wohl den zweiten und dritten Artikel tüchtig, aber den ersten, meinen sie, hätten sie längst an den Schuhen abgerissen. Aber auch diesen Artikel müssen wir lernen bis an unfern Tod, er ist das Fundament zum zweiten und dritten. Viele Leute glauben den ersten Artikel nicht recht; wenn sie dann an den zweiten kommen, stößt sich ihre Vernunft daran. Wer aber die großen Wunder der sichtbaren Schöpfung im Glauben angenommen hat, der wird sich nicht daran stoßen, wenn er z. B. hört: Im Abendmahl ist der Leib und das Blut JEsu Christi.
Luther fährt fort: „aber doch nicht von ihr (der Welt) beschlossen und umfangen, sondern auch zugleich außer und über alle Creatur ist? Dies sind alles über alle Maß unbegreifliche Dinge, aber doch sind es Artikel unseres Glaubens, hell und mächtiglich in der Schrift bezeuget. Es ist geringe gegen diesem Stück, daß Christus' Leib und Blut zugleich im Himmel und Abendmahl ist, und wenn die Schwärmer begünten mit der Vernunft und Au^en hieher zu kommen, sollten sie bald dahin fallen und sagen: Es wäre nichts und, wie der Gottlosen Tugend ist, zu sagen: Es ist kein Gott. Ps. 14, 1. Denn wie kann doch die Vernunft leiden, daß die göttliche Majestät so klein sei, daß sie in einem Körnlein, über einem Körnlein, durch ein Körnlein, inwendig und auswendig, gegenwärtig und wesentlich sei? Und obs wohl eine einige Majestät ist, dennoch ganz und gar in einem jeglichen besonders, der so unzählig viel sind, sein kann. Denn er macht ja ein jeglich Körnlein besonders in allen Stücken, inwendig und allenthalben."
Denn das ist nicht etwa der rechte Glaube, wenn einer denkt, überall sei ein Bischen vom lieben Gott, wie wir immer nur an einem Punkt mit einem Theil unseres Lebens sind. Wir sind eben zusammengesetzte Wesen; aber bet Gott ist es anders. Er ist nicht nur überall, sondern überall ist er allemal ganz. Und doch sind nicht etwa so viele Götter, so viel mal der liebe Gott überall ganz ist. Ja, sprichst du, wie kann ich denn das begreifen? Ja, das kann kein Mensch begreifen. Aber es ist wahr; denn Gott ist nicht ein gcistleibliches Geschöpf, das den Fuß bier und die Hand da hätte. Er braucht gar keinen Raum, kann auch nicht zertheilt werden, ist ein ganz einfaches Wesen, wo er ist, da muß er ganz sein. Ist also Gott in einem Körnlein, so ist nicht nur ein Bischen vom lieben Gott darin. Der liebe Gott selber ist in jedem Stäubchen, und der ganze Gott. Der ganze Gott ist auch in uns, in jedem Theil, und wieder im Ganzen. Das heißt die Allgegenwart Gottes. Aber die meisten Menschen denken, der liebe Gott sei ein solcher Geist, der mit der Luft zu vergleichen wäre: wie diese sich verbreite durch die ganze Welt, so sei auch Gott als ein Geist ausgedehnt und verbreitet durch die ganze Welt. Das sind aber lauter verkehrte, dumme Vorstellungen, die
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wir uns nach der Vernunft Zusammenzimmern. Nein, wo Gott ist, da ist er ganz, und er ist überall.
Luther fährt fort: „So muß ja seine Gewalt daselbst allenthalben in und an dem Körnlein sein: nu aber seine Gewalt einig und einerlei ist und nicht sich theilet, daß er die Haut am Körnlein mit den Fingern, und den Mark im Körnlein mit den Füßen machte: so muß die ganze göttliche Gewalt da sein, in und an dem Körnlein allenthalben; denn er machts alles alleine. Wiederum, daß auch dieselbige Majestät so groß ist. daß sie weder diese Welt, noch eitel tausend Welten mag umfahen, und sagen: Siehe^ da ist er." (Erlanger Ausgabe. Bd. 30, S. 58—60.)
Gott braucht nirgends hin zu gehen, um irgendwo zu sein; denn er ist schon überall. Darum stieg JEsus nicht wie auf einer Treppe vom Himmel herunter; denn er war schon vorher in der ganzen Welt. Er fing nur an, in einer anderen Weise auf der Welt zu sein, nämlich als Gottmensch.
Luther sagt in einer anderen Schrift: „Wir sagen, daß Gott nicht ein ausgereckt, lang, breit, dick, hoch, tief Wasser sei, sondern ein übernatürlich, unerforschlich Wesen, bas zugleich in einem jeglichen Körnlein ganz und gar, und dennoch in allen und über allen und außer allen Creaturen sei; drum darfs keines Umzäunens hie, wie der Geist (der Schwärmer) träumet. Denn Ein Leib ist der Gottheit viel, viel zu weit, und könnten viel tausend Gottheit drinnen sein, wiederum auch viel zu enge, daß nicht Eine Gottheit drinnen sein kann. Nichts ist so klein, Gott ist noch kleiner; nichts ist so groß, Gott ist noch größer; nichts ist so kurz, Gott ist noch kürzer; nichts ist so lang. Gott ist noch länger; nichts ist so breit, Gott ist noch breiter; nichts ist so schmal, Gott ist noch schmäler, und so fort an, ists ein unaussprechlich Wesen über und außer allem, das man nennen oder denken kann." (A. a. O. S. 221. f.)
Wenn es hier heißt': „Nichts ist so klein, Gott ist noch kleiner", so will Luther damit sagen: Wenn Gott wollte im Körnlein sein, so würdest du sprechen: „Das ist doch für ihn zu klein." Da sage ich dir: Er könnte irr einem noch kleineren Gegenstände sein. Er ist so allmächtig, daß er überall sein kann, nirgends Raum, nirgends Platz, nirgends Ausdehnung braucht. Uns freilich ist gar leicht etwas zu klein und, umgekehrt, zu groß. Eine Kirche ist viel zu groß für Einen Menschen, indem oft viele hundert Mekschen darin sein können. Bei dem lieben Gott aber ist es anders. Nichts ist so groß, Gott ist immer größer, und nichts ist so klein, Gott kann immer ganz darin sein, ohne daß er sich verkleinern und zusammenkrtechen müßte, wie die Reformirten sagen: „Wie kann der Leib Christi in der Hostie sein? Er müßte sich dann so ganz hineinverkriechen." Das sind aber dumme Vernunft-gedanken. Es ist eben sein Leib nicht der Leib eines gewöhnlichen Menschen, sondern der Leib eines großen, unermeßlichen, ewigen Gottes, der sein kann, wo er will.
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Jetzt hören wir zum Ändern, worin die Vorsehung Gottes eigentlich bestehe. Darüber sagt
Joh. Gerhard: „Die göttliche Vorsehung in Betreff aller Ding« begreift zwei Verrichtungen in sich, die Erhaltung und die Regierung. Die geschaffenen Dinge bestehen nicht aus sich und aus eigenen Kräften, sondern Gott trägt alle Dinge mit seinem kräftigen Wort (Ebr. 1, 3.), es bestehet alles in ihm (Col. 1,17.), in Gott leben, weben und sind wir (Apostg. 17,18.). Wie das Sein der Strahlen von der Sonne, der Schatten vom Körper, so hängen alle Geschöpfe von der göttlichen Erhaltung ab."
Gerhard sagt also: Strahlen, Sonnenstrahlen nämlich, würde es nicht geben, wenn es nicht eine Sonne gäbe, von der sie ausstrahlten; einen Schatten würde es nirgends geben, wenn es nicht Körper gäbe, die den Schatten werfen: gerade so ist es mit der Existenz aller Dinge. Sie sind blos deswegen da, weil es eine göttliche Erhaltung gibt. Der liebe Gott hat also nicht die Dinge geschaffen, daß sie nun für sich selbst bestehen können, sondern so, daß sie unaufhörlich, bis in alle Ewigkeit, von ihm abhängig sind. Denn Gott will seine Ehre keinem ändern geben: er will immer Schöpfer, Erhalter, Regierer aller Dinge sein und bleiben in alle Ewigkeit. Verliert ein Mensch Gott, so hat der Schatten seinen Körper, der Sonnenstrahl seine Sonne verloren, und somit hat er selbst aufgehört zu sein.
Gerhard fährt fort: „Die Erhaltung ist nichts anderes, als die Fortdauer des Seins. Sein und erhalten werden hat denselben Urheber und denselben Ursprung. Wie daher alle Creaturen ihr Wesen, ihre Eigenschaften und ihre Wirkungs-Kräfte in der Schöpfung und Erzeugung von Gott empfangen haben, so werden sie auch von demselben in ihrem Sein und Wirken erhalten. Es ist also ein steter, auf alle vorhandene Dinge sich äußernder Einfluß der göttlichen alles erhaltenden Macht, so daß, wenn derselbe auch nur auf einen Augenblick entzogen würde, sie nicht wirken, ja nicht sein könnten. Was ist dem Menschen natürlicher, als sich bewegen? und doch weben wir in Gott (Ap. Gesch. 17, 28.). Was ist der Sonne natürlicher, als täglich aufzugehen? und doch ist es G o tt, der die Sonne aufgehen läßt (Matth. 5, 45.)."
Wir haben freilich, wie die meisten Sprachen in der Welt, die Art zu sagen: „Die Sonne geht auf, es regnet, es hagelt." — Das ist aber eine uneigentltche Redeweise, welche die Schrift dadurch erklärt, daß sie meist sagt: Gott läßt die Sonne aufgehen, Gott regnet, Gott hagelt. So spricht der Heiland: „Er läßt seine Sonne aufgehen über die Bösen und über die Guten und läßt regnen über Gerechte und Ungerechte."
Gerhard fährt fort: „Obgleich also allen Dingen von Natur ihre Eigenschaft eingepflanzt ist, so äußern sie doch dieselbe nicht, noch können sie sie äußern, wenn sie nicht durch Gottes Kraft, daß ich so sage, in Wesen und Leben erhalten werden. Ps. 104, 29.: ,Verbirgst du dein Angesicht, so erschrecken sie; du nimmst weg ihren Odem, so vergehen sie, und werden wieder
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zu Staub. Du lassest aus deinen Odem, so werden sie geschaffen und «erneuerst die Gestalt der Erde? — 5 Mos. 8, 3. und Matth. 4, 4. heißt es, der Mensch lebe nicht vom Brode allein, sondern von einem jeglichen Wort, das aus dem Munde Gottes geht; daraus wir nicht nur lernen, daß Gott den Menschen ohne natürliche Mittel ernähren und erhalten könne, sondern wir werden auch erinnert, daß, wenn Gott sein Wort entzieht, durch welches das Brod zuerst geschaffen worden ist und die Kraft zu nähren empfangen hat, das Brod den Menschen keineswegs nähren könnte, sondern es sei der stete Einfluß des schaffenden und erhaltenden Wortes nöthig, damit es die ihm eingepflanzte Kraft zu nähren äußere."
Mancher denkt: Daß mich das Brod ernährt, und daß der Stein nicht verdaut werden kann und mir das Blut nicht vermehrt, das geht sehr natürlich zu. Aber woher kommt das? Wir Christen wissen es: Daher nämlich, daß Gott schon vor 6000 Jahren seinen Segen auf das Brod gelegt hat. Wenn Brods die Hülle und Fülle da ist, ist man gleich satt; in der Theurung aber verschlingen die Menschen Brod über Brod und klagen immer über Hunger und, was sie Eßbares sehen, das möchten sie essen. Solche Theurung kommt daher, daß Gott seinen Segen zurückzieht; und wenn er ihn ganz bei uns zurückzöge, so würde uns der beste Weizen, den wir zögen, nickt nähren, uns nicht den Hunger stillen. Denn der Segen, der im Korn ist, nährt uns. Nur der blinde Heide denkt, im Körnchen selbst sei die nährende Kraft.
Gerhard fährt fort: ,,Der Mensch wird nicht durch die Kräuter geheilt, sondern "durch das Wort Gottes, welches den Kräutern jene Kraft ursprünglich eingepflanzt hat und noch heute gleichsam einträufelt." (Ix>o äs proviä. § 61—63.)
Die gottlosen Aerzte denken, die Krä uter hätten diese Kraft; da brauche man nicht an einen Gott zu glauben. Nähme aber der liebe Gott den Segen von den Kräutern zurück, so würden sie uns nichts helfen.
Fecht schreibt: „Wenn Gott von irgend einer Sache seine Hand auch nur auf einen Augenblick zurückzöge, so würden sie auf der Stelle in das Nichts zurückfallen." (Ooutrovsrs. 8Mo§s. Oässsus 1768. p. 80.)
Nachdem wir von der Erhaltung aller Dinge gesprochen, so kommen wir nun zu dem letzten Stück in dem Artikel von der Vorsehung Gottes, welches von der göttlichen Regierung handelt. Und zwar wollen wir auch hiervon nur das Nothwendigste hören, nämlich das, worauf es sonderlich ankommt, wtnn wir erkennen wollen, welche Ehre dem lieben Gott durch die Lehre von diesem Gegenstand zukommt.
So schreibt hierüber Jo H. Gerhard: „Die göttliche Vorsehung ist anders zu den guten Handlungen der Menschen mitthättg, anders zu den bösen." Es wird hier vorausgesetzt, daß Gott zu allen Handlungen, welcher Art sie auch sein mögen, mitthätig ist, oder, wie die alten Theologen sagen, concurrirt, mit Einfluß hat, daß Gott alles, was in der Welt gethan wird, mitthut — nur nicht die Sünde. Nun aber zerfallen die guten
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Handlungen in zwei Arten, nämlich in bürgerlich gute und in geistlich oder vor Gott gute. Diesen Unterschied betreffend schreibt nun
Gerhard Folgendes: „Inden bürgerlich guten Handlungen wirkt die göttliche Vorsehung so mit, daß sie die handelnde Natur nicht nur erhält und die Kräfte zum Handeln verleiht, bisweilen auch die nicht wieder-gebornen Menschen dazu erweckt und dieselben wider die Absicht derjenigen, von denen sie geschehen, zu nützlichen Endzwecken richtet. So heißt es, daß Gott den Cyrus gerufen und bei seiner rechten Hand ergriffen habe (Jes. 45, 1. 3.)." —
Das ist im höchsten Grade wichtig, damit wir nicht denken, was die Welt thut — sonderlich die großen Thaten, die im Staate unter den Völkern als Völkern geschehen — das geschehe alles lediglich von Menschen. Das ist wiederum eine atheistische Anschauung der Weltereignisse. Gott thut alles und hat sein Gottesauge auf alles. Wenn Gott nicht will, kann kein Krieg ausbrechen; wenn Gott nicht will, kann kein Friede geschloffen werden. Und umgekehrt: Wenn Gott nicht will, kann kein Mensch Krieg anfangen, und wenn Gott will, müssen die Völker Frieden stiften. Gott gibt Krieg, Gott gibt die Niederlage. Wer den Sieg den Kanonen oder den wohlexercirten Soldaten zuschreibt, der ist im Grunde ein Atheist; wie denn auch die Atheisten in neuerer Zeit immer gesagt haben: „Wir wissen schon, wer siegen wird: — wer die besten Soldaten, Kanonen rc. hat." Während die Geschichte zeigt, daß oft die größten Heere gegen ein kleines Häuflein nichts ausgerichtet haben. Das kam nur daher, weil Gott nicht wollte, daß das kleine Häuflein überwunden werden sollte. Lerxes mußte mit seiner Million Soldaten Europa wieder verlassen, nachdem er gekommen war, alles zu über-fluthen. Andere Tyrannen haben im Gegentheil alles hinausgeführt, und zwar nicht, wo es günstig für sie war, sondern wo man meinte, hier müssen sie zu Grunde gehen. Warum? Gott hat sie als Geißel gebraucht. Und wir Christen müssen immer, wenn wir in den Zeitungen lesen, nicht sowohl auf Menschen, die nur die Werkzeuge sind, als auf Gott sehen, der die Welt regiert. Sehen wir, daß es z. B. in der Politik traurig hergeht, wie wir Amerikaner es leider nur zu viel sehen, so ift's damit gar nicht abgethan, daß wir darüber schelten, sondern wir müssen an unsere Brust schlagen und sagen: Gott gibt gute Zeiten, wenn er segnen will; schlechte, wenn er strafen will. Darum keine Revolutionen, sondern Buße thun! Denn er stürzt die Gewaltigen vom Stuhl und erhebt die Niedrigen. Wir sind eben nur zu geneigt, immer nur auf Menschen zu sehen. Damals meinten wohl auch die Juden nicht, daß Cyrus, dieser gewaltige Herrscher des Morgenlandes, vom lieben Gott selbst bei seiner Hand genommen sei; darum mußte der Prophet Jesaias es ihnen sagen. Wir haben aber jetzt die ganze heilige Schrift und mit derselben den Schlüssel der Weltgeschichte: darum kann der einfältigste christliche Pferdeknecht besser über dieselbe urtheilen, als der größte Geschichtsschreiber, wenn dieser kein Christ ist. Wer nicht an das Evangelium glaubt, dem ist
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die ganze Welt ein unauflösliches Räthsel. Wir haben'S erst in neuerer Zeit am ersten und zweiten Napoleon gesehen, daß es einen Gott gibt, der die Welt regiert. Erst meinte man, es käme von dem ungeheuren Feldherrntalent des ersten Napoleon her, daß er ganz Europa in seinem Blut ersäufen zu wollen schien, aber siehe da! weil die Leute es gar nicht erkennen wollten, daß er eine Gottesgeißel war, so mußte der liebe Gott es so regeln, daß nicht eigentlich Menschen, sondern der Schnee, das Eis, das russische Graupelwetter ihn schlugen.
Gerhard fährt fort: „Die geistlich guten Handlungen gebietet und billigt Gott so, daß er sie durch den Heiligen Geist selbst wirkt, da wir sonst von uns selber nicht tüchtig sind, etwas zu denken als von uns selber, geschweige zu thun (2 Cor. 3, 5.)."
Dies ist wohl zu merken! Geistlich Gutes kommt bei uns nicht aus unserer Kraft. So lange daher der Mensch noch nicht einen neuen Geist und ein neues Herz hat, so ist alles, was er thut, lauter Sünde vor Gott, wenn es auch bürgerlich gut sein mag. Die Bekehrung des Menschen wirkt Gott ganz allein, darin wirkt der Mensch gar nichts mit. Dieser entscheidet sich nicht selber, wie die Iowa-Synode lehrt, sondern Gott entscheidet den Menschen, bekehrt ihn, wiedergebiert ihn, erweckt ihn; Gott selbst macht ihn erst zu einem neuen Menschen. Nun fährt aber
Gerhard fort: „Nachdem wir aber durch den Heiligen Geist wiedergeboren sind, werden wir so getrieben, daß wir auch selbst thätig sind, d. H., der Wille des Menschen wirkt durch die Kräfte nicht der Natur, sondern durch die ihm durch die Gnade des Heiligen Geistes verliehenen Kräfte mit und ist ein thätiges oder mitwirkendes Werkzeug." —
Also das ist auch wahr: Wer nicht so wett gekommen ist, daß er mit dem Heiligen Geist mitwirkt, der ist kein Christ. Wer sein Christenthum darein setzt, daß er nur dann und wann in die Kirche geht und durch Gotte-Wort daselbst einen Eindruck auf sich machen, sich aufwecken, erschrecken, trösten läßt, und dann auf und davon geht und bleibt, wie er war: der ist kein Christ. Ein Christ ist derjenige, der sich durch Gottes Wort und Geist so hat umwandeln lassen, daß er selbst nun auch das geistlich Gute mitwirkt; denn nur da will Gott Mitwirken. Nun ist nicht zu vergessen, daß der Mensch nie mit seiner natürlichen Kraft, sondern lediglich durch den Geist und die Kraft, die er in der Bekehrung bekommen hat, mitwirkt.
Nun kommen wir aber zu einem höchst wichtigen Gegenstand, nämlich: Inwiefern Gott mitthätig sei bei bösen Handlungen.
Gerhard sagt: „Die bösen Handlungen aber gebietet Gott weder, noch will, noch unterstützt er sie, noch treibt er zu denselben an. Wir sagen daher, daß Gott in bösen Handlungen mitwirke erstlich, insofern er sie vorauswetß oder vielmehr weiß und sieht. Nichts entgeht seinen Augen, die Heller find, als die Sonne."
In der neueren Zeit ist vielfach behauptet worden, Gott wisse das Böse
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nicht voraus; denn wenn es Gott vorauswüßte, so müßte es ja nothwendig sein, daß es geschehe : wenn es aber so wäre, so könnte der Mensch nichts dafür. Und manche gottlose Mörder sprechen gotteslästerlich, sie seien bestimmt gewesen zu morden. Unsere Vernunft kann aber freilich nicht begreifen, daß Gott vorauswiffen könne, daß jemand etwas thun oder nicht thun wird. Hier gilt es, zu erkennen, daß Gott unerforschlich ist. Wenn wir auch nicht zu-sammenretmen können, wie er etwas vorauswiffen kann, was doch vom Menschen nicht gezwungen, soydern frei geschieht — genug, er weiß es. Denn ganz richtig sagt Gerhard: „oder vielmehr weiß und sieht". Er will sagen: Bei Gott ist, streng genommen, gar kein Vorauswiffen, er hat keine Gegenwart, keine Vergangenheit, keine Zukunft. Was er weiß, das weiß er; nur für uns ist es ein Vorauswissen, vor seinen Augen steht schon alles da. Darum heißt es vom Sohne: „Heute habe ich dich gezeuget.^ Heute! Er sagt nicht: Früh in der Ewigkeit'; denn dann würden wir denken, es habe ein „früher" gegeben, da er noch nicht gezeugt war, also auch noch nicht existirte. Diese Zeugung geht ewig fort. Was fort und fort geschieht, ist auch geschehen. Wenn aber in der Schrift von einer Sacke blos gesagt würde, daß sie einmal geschehen wäre, dann könnte man sie leicht für ein Ereigniß halten, welches einmal eintrat und nachher nicht eintrat, etwa wie die Schöpfung; aber die Zeugung des Sohnes Gottes ist eine ewige, d. H., eine fort und fort geschehende; denn in der Ewigkeit gibt es kein solches Heute, vor welchem ein Gestern und nach welchem ein Morgen ist.
Gerhard fährt fort: „Dieses Vorherwiffen legt aber den bösen Handlungen keine unbedingte Nothwendigkeit auf. Zum ändern wirkt darin die göttliche Vorsehung, indem sie dir Natur erhält, denn in ihm weben wir (Ap. Gesch. 17, 28.). Es ist aber eine erstaunliche Langmuth Gottes, daß er die Glieder unterstützt und die Kräfte und Bewegungen auch in jenen Handlungen, in welchen er aufs höchste geschändet wird, erhält; es geschieht dies aber wegen der Fürsprache des Sohnes und diese Güte Gottes ladet zur Buße ein."
Gerhard will also sagen: Wenn der Sohn Gottes nicht, so zu sagen, mit seinem himmlischen Vater von Ewigkeit einen Vertrag gemacht hätte, und der Vater nicht gesagt hätte: „Gehe hin, mein Sohn, und versöhne die Sünder": so hätte Gott die Welt in Adam und Eva sogleich nach dem Fall zur Hölle verstoßen müssen; er hätte nicht können langmüthig zusehen, er hätte die Welt sogleich müssen vernichten, sie würde in dem Feuer seines Zornes vergangen sein. Daher denn auch ein Theil der Engel, die keinen Heiland haben, alsbald, nachdem derselbe gesündigt hatte, in den Abgrund der Hölle gestürzt wurde. Die Menschen aber wurden erhalten, weil der Sohn Gottes für sie bat. Er sagte zum himmlischen Vater: Du kannst und darfst sie nicht verderben, ich will sie erlösen, ich will ein Mensch werden, ich will ihre Sünde auf mich nehmen, ich will das für sie thun, was sie nicht gethan haben, und das für sie leiden, was sie für ihre Sünde zu leiden würdig
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wären, ich will den letzten Tropfen aus dem Kelch deines Zornes leeren. Da erklärte der Vater: Wohlan, die Welt soll stehen bleiben, bis der letzte geboren ist, den ich zur Seligkeit erwählet habe. Wenn der letzte Auserwählte geboren ist, ist die letzte Stütze der Welt dahingefallen. Gott kann dann die Welt in seinem Zorn nicht langer stehen lassen. Daher denn Luther auch so schön sagt: Die Christen sind die Beine der Welt, darum müssen sie auch im Dreck waten. Ja, es ist eine erstaunliche Langmuth Gottes, daß er die Gottlosen fort und fort erhält, die Zunge erhält, mit der sie ihn lästern, das Ohr erhält das die Lästerungen anhört, die Augen erhält, die Ehebruch und Hurerei treiben, die Hände erhält, mit denen sie stehlen, den Schlund erhält, durch den sie, ärger als das Vieh, berauschende Getränke in sich gießen, die Füße erhält, mit denen sie auf den Wegen des Verderbens gehen, die Faust erhält, die den Bruder ermordet, den Leib erhält, der da sollte ein Tempel des Heiligen Geistes sein, aber ein Tempel der Götzen -ist. O eine unbeschreibliche Langmuth Gottes!
Gott ist nicht an die sogenannten Gesetze der Natur gebunden. Ein Beispiel dafür sind die drei Männer im feurigen Ofen. Und als Gott den Propheten Jonas ins Meer werfen ließ, ließ er ihn nicht ertrinken, soüdern brachte ihn in den Wallfischbauch. Und als die Juden sollten durch da-rothe Meer gehen, verlor das Wasser seine Eigenschaft, immer eine Grenze zu brauchen, und stund wie eine Mauer da. Da hat Gott eben bewiesen, daß er es ist, welcher der Natur fort und fort die Gesetze erhält; nicht aber hat sie die Natur außer ihm. — Wenn aber Gott uns in der Schrift das Beispiel von der verdorreten Hand Jerobeams vorhält, so will er uns damit sagen: Sehet, wenn ich meine Hand zurückziehe, so solltet ihr eure auch wohl zurücknehmen.
.Gerhard fährt fort: „Denn wenn wir alsobald vernichtet würden, wenn wir sündigen, könnten wir uns nicht zur Buße kehren (Röm. 2, 4.); sodann wenn der Mensch nach seinem unbußfertigen Herzen Gottes Zorn häuft, so wird er darum erhalten, daß Gott die Größe seines Zornes gegen die Sünde in den Strafen hernach zur Ehre der göttlichen Gerechtigkeit zeige (2 Mos. 9, 16.)." Jemehr sich ein Mensch der göttlichen Gnade widersetzt, je mehr er also Gottes Zorn reizt, desto mehr häuft er sich auch einen Schatz des Zornes Gottes auf jenen Tag. Da wird ja freilich mancher erhalten, der dadurch nur eine größere Verdammniß erhält, während ein anderer plötzlich weggenommen wird.
Gerhard fährt fort: „Es ist aber sorgfältig zwischen der Bewegung und Handlung selbst, und dem Fehler der Handlung zu unterscheiden. Die Handlung als Handlung ist nicht die Sünde, sonst wären alle Handlungen Sünden, sondern der Fehler und Mangel in der Handlung ist die Sünde. Aber jener Fehler und Mangel kommt nicht von der allgemeinen Ursache, sondern von der nächsten Ursache, nämlich von dem Willen des Menschen. Auausttnus erklärt dies mit dem Beispiele des Hin-
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kens, welches nicht von der Bewegungskraft der Seele, sondern von der Verrenkung des Beines entspringt." (Ix>e. 6e xrovickenti». § 82—88.)
Dieses Beispiel führt auch Luther an. Daß ein Pferd hinkt, das kommt nicht auf den Reiter, sondern auf das Pferd an, welches lahm ist. Wenn das Pferd lahm „ist", wird's hinken, obschon der allergeschulteste Reiter darauf sitzt. Niemand kann sagen: Ei, was machst du? Das Pferd hinkt ja! Der Reiter antwortet: Was kann ich dafür, ich mach' es nicht hinken. So, sagt Luther, ist's mit allen Creaturen. Gott ist der Reiter. Ist nun das Pferd, welches Gott reitet, gut, so geht es schön — das sind die Christen, die Kinder Gottes —; ist aber das Pferd schlecht, — mag auch der liebe Gott gut reiten — das Pferd hinkt. Also: Mag Gott immerhin die treibende Kraft in allen Menschen sein: das Gute wirkt er wohl; aber das Böse wirkt er nicht, sondern das Böse findet er vor. Dies ist zugleich eine Rechtfertigung des ganzen Buches Luthers: De servo urlritrio („Daß der freie Wille nichts sei"). Wenn also andere Stellen Vorkommen, worin Luther so redet, als glaubte er, Gott thue auch das Böse, so ist das bloßer Schein. Man denke nur an das Gleichniß von dem hinkenden Pferd. —
Es könnte nun noch viel mehr darüber gesagt werden, in welchem Ver-hältniß Gott zum Bösen stehe; hier handelt es sich aber nur darum, welchen Antheil, welche Mitthätigkeit Gott am Bösen hat. Das ist ja das Schwere und dasjenige, worin Gottes Ehre gerettet werden muß. Nun könnte man noch sagen: Gott coneurrirt also bei dem Bösen auch, insofern als er es verbietet, als er es hindert, als er es bestraft, als er es zum Guten lenkt, insofern als er es verkürzt und Insofern als er es anders lenkt, als der Böse es will; aber hier handelt es sich darum, daß wir Gottes Ehre retten. Indem wir Lutheraner fest glauben, daß Gott in keiner Sache müßig sei, niemand — es mag Gutes oder Böses geschehen — unthätig zusehe, so halten wir aber auch, so wahr uns Gott helfe, das fest, daß Gott selber am Bösen keinen Theil habe. Wir wollen nichts von jener calvinistischen Theorie wissen, die den lieben Gott mit dem Bösen vermengt.
Anfrage: Inwiefern wird denn durch die Lehre, daß Gott das Böse zulaffe, Gottes Ehre gewahrt, da doch wir Menschen uns meistens straffällig machen, wenn wir das thun? Antwort: Daß wir uns hierin straffällig machen, das kommt daher, weil wir Menschen die Pflicht haben, als Gottes Unterthanen, alles Böse, weil es wider Gott ist, zu hindern. Wir sind dies ja Gott und unserm Nächsten schuldig; Gott ist aber keiner Creatur etwas schuldig. Wer kann's von ihm verlangen? Wer kann ihn darüber zur Verantwortung ziehen? Wir müssen alle sagen : Nein, Gott, du bist nicht schuldig; denn du bist niemanden unterworfen.
Zum ändern wird Gott in der Ewigkeit zeigen, daß er alles Böse doch zum guten Ende geführt hat. Hier sehen wir es nur bei einzelnen Sachen, z. B. bei der Verkaufung Josephs. Das war eine verruchte That, und dock spricht Joseph zu seinen Brüdern: „Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen;
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aber Gott gedachte es gut zu machen, daß er thäte, wie es jetzt am Tage ist, zu erhalten viel Volks." Das sehen wir auch an der allerverruchtesten That, an der That des Judas Jscharioth, des VerrätherS. Eine herrlichere Folge hat keine That gehabt, als diese. So zeigt es uns Gott an einigen Beispielen schon in diesem Leben, daß er der große Künstler ist, der aus Bösem etwas Gutes machen kann. Und in der Ewigkeit werden wir uns verwundern, und obgleich die Verdammten in der Hölle nicht werden singen: „Ehre sei Gott in der Höhe!" — so werden doch auch im Hinblick auf die Hölle alle Seligen Gott preisen und sagen: „Du bist nicht nur die ewige Liebe, du bist die ewige Heiligkeit, dein Zorn brennt bis in die unterste Hölle, du bist der Herr allerHerren; wehe dem, der sich gegen dich auflehnt! Zerknirscht liegt er endlich unter deinen Füßen. Ehre Gott! Ehre Gott! im Himmel und in der Holle!" —