1867-Central-Walther-True Visible Theses V-X; OCR'd by BackToLuther, August 16, 2015.
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Verhandlungen über das Referat:
„Daß die evangelisch - lutherische Kirche die wahre sichtbare Kirche Gattes auf Erden sei."*)
Nachdem Herr Präses Walther der Synode eine Uebersicht über den Inhalt und Zusammenhang der bereits früher durchgesprochenen Thesen gegeben, wurde mit Thesis Vl.- †) fortgefahren und besonders zuvörderst der dabei gegebene Schriftbeweis eines Nähern besehen.
Bei der angeführten Stelle 1 Joh. 2,19. wurde gefragt, ob in diesem Spruche nur von einem Schisma geredet sei, und mit Nein geantwortet. Das „AuSgehen" geschehe nicht nur durch eine Spaltung, sondern auch durch Aufrichtung falscher Lehre und das sei eine Rotte; es sei nicht jede Spaltung eine Rotte, aber jede Rotte sei eine Spaltung. Mit der Bezeichnung Rotte sollen wir nicht zu freigebig sein, wir sollen uns an den biblischen und nicht an den Grabauischen Sprachgebrauch halten, welcher jede Spaltung, auch wegen nicht grundstürzendcr Jrrthümer, eine Rotte nennt. Mit dem Spruche Ebr. 10, 24. 25. sind besonders gemeint jene Leute, welche mit Verachtung deS öffentlichen Gottesdienstes sich privatim durch Bibellesen erbauen wollen, unter dem Vorgeben, der Prediger sei nicht fromm, nicht bekehrt, oder die Gemeinde sei nicht heilig genug, man könne dort keine Andacht haben, sich nicht erbauen. Solche Leute sind die eigentlichen Separatisten und Schismatiker. Schismatiker sind auch solche, welche sich wegen besonderer Kirchengebräuche von einer rechtgläubigen Gemeinde trennen. Der Unterschied zwischen Rotte und Spaltung wurde an dem Beispiele der Chiliasten nachgewiesen. Wenn nämlich ein Haufen Leute den groben Chiliasmns anninimt, welcher offenbar klare Grundlehren des Heils mustößt, so bilden diese Leute eine Rotte. Wenn aber eine Anzahl Leute sich von der Kirche absondern, indem sie den subtilen ChiliaSmus, also zwar einen Jrrthum, aber nicht einen grnndstürzcn-den, festhalten, so richten sie eine Spaltung auf. Bei dem Spruche I Cor. 11, 18. 19. wurde darauf hingewicsen, daß die Steigerung dieser apostolischen Aussage erst recht deutlich ins Auge falle, wenn man auf den genauen Wortlaut im Griechischen Acht habe, wo es heiße: denn es muffen auch (sogar) Rotten unter euch sein. AuS diesem Spruch ist klar ersichtlich, daß eine Rotte aufrichten oder zu derselben gehören, eine größere Sünde sei als eine Spaltung — obschon beide als Werke des Fleisches bezeichnet werden. Wenn 1 Cor. 1, 12. von den Christen in Corinth gesagt wird, daß Etliche sprächen: ich bin Paulisch rc., so hat es nicht die Meinung, als hätten die Apostel verschiedene Lehre geführt; nein, sie haben alle dieselbe Lehre geführt, aber der Eine hing sich mehr an diese Person, der Andere an eine andere. Diesen Spruch halten uns die Unirtgesinnten mit Unrecht entgegen, wenn sie verlangen, wir sollen mit falschgläubigen Gemeinschaften uns vereinigen, oder wenn sie uns zumuthen, die falsche Lehre nicht mit allem Ernste zu verwerfen. Dieser Spruch hat damit gar nichts zu thun, sondern lehrt einfach, daß es Unrecht sei, um gewisser beliebter Personen willen
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*) Der Leser wird diesen Verhandlungen nur dann mit Nutzen folgen können, wenn er dabei zur Hand nimmt: „Die evangelisch-lutherische Kirche die wahre sichtbare Kirche Gottes auf Erden" rc. St. Louis, 1867. Preis so Cts.
†) Siche Referat rc. 85.
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Spaltung zu machen. Unter Rotte haben wir nicht einen Haufen weltlich ruchloser Leute zu verstehen, sondern nur Leute, welche einen grundstürzenden Jrrthum festhalten. Rotte ist gleichbedeutend mit Secte. Rotte und Secte sind die con-creten, Ketzerei und Häresie die abstracten Ausdrücke. Unter erster« werden die Menschen verstanden, welche den Jrrthum festhalten, unter den letzter« die falschen Lehren, welche sie festhalten. Dabei ist auch der Unterschied zu halten, daß eine Gemeinschaft Kirche heißt, sofern noch Kinder Gottes darunter sind, welche die Wahrheit festhalten. Rotte oder Secte heißt dieselbe Gemeinschaft, sofern sie einen oder mehrere grundstürzende Jrrthümer festhalt. Nun wurde gefragt, wie es mit Unitariern, Arianern, Socinianern rc. stehe, ob diese zu den Secte« im eigentlichen Sinne gehören, welche noch in der Kirche sich befinden, unter euch sind, oder ob sie als zu den SatanS-Schulen gehörend, als ganz außerhalb der Kirche befindlich angesehen werden müssen. Es wurde darauf hingewiesen, daß die Socinianer mit den Arianern auf einer Stufe stünden, in der Kirchengeschichte aber würden die Arianer als in der Kirche befindliche Secten aufgezählt und beschrieben, sodann beriefen sich diese Secten auch noch auf die Bibel und gäben vor, an dieselbe zu glauben. — Gegentheils wurde hervorgehoben, daß man den weniger strengen kirchengeschichtlichen Gebrauch deS Wortes Secte von dem streng biblischen und dogmatischen Begriff unterscheiden müsse. In der Kirchengeschichte werden eben alle aus der sichtbaren Kirche hervorgegangenen Rotten und Secten als solche bezeichnet, ob sie auch im Verfolg so alles christlichen Glaubensgrundes baar geworden, daß sie gar nichts mehr vom Christenthum behalten haben. — Genauer rede die Schrift, welche ausdrücklich lehre, daß Rotten und Secten im eigentlichen Sinne in der Kirche entstehen. Was die Arianer anlange, so seien sie zu classificiren: die groben Arianer, die eigentlichen Photinianer, stehen nicht mehr innerhalb der Kirche, insofern sie geradezu die göttliche Natur des HErrn JEsu leugneten; die feinern Arianer aber hätten es anders gemacht, hätten in so täuschenden Ausdrucken von Christo gesprochen, daß gewöhnliche Christen.geglaubt hätten, jene seien auch rechte Christen, dadurch allein sei es auch möglich gewesen, daß diese schreckliche Ketzerei so weit habe um sich greifen können, daß beinahe die ganze Christenheit damals von diesem Jrrthum sei angesteckt worden. Unsere heutigen Unitarier, Mormonen rc. rc. seien den Türken bei-zuzählen, sie seien nicht Häretiker im strengen Sinne des Wortes, sondern Apostaten, Mameluken. Sie haben die Taufe auf den Namen des dreieinigen Gottes nicht, somit fehlt ihnen die Thür zur Kirche. —
Bei Verlesung des ersten Zeugnisses zu dieser Thesis auS der Apologie ist gefugt: Von Ketzern und falschen Lehrern soll man weichen, von Predigern, die zwar im Leben nicht recht seien, aber sonst richtig lehren, soll man sich nicht trennen, sonst mache man ein Schisma, wie die Donatisten. Anfänglich machten die Hwnatisten nur eine Spaltung, wegen gewisser Personen, welcke sie für untauglich zum Amt hielten, aber mittlerweile verfielen sie auch in grundstürzende Lehr-rrrthümer. Aehnlich geht es auch heutzutage noch, daß erweckte Leute von einer Gemeinde sich absondern, weil sie den Pastor und die ändern Gemeindeglieder für unbekehrt halten, obwohl sie zugestehen müssen, daß Gottes Wort rein gepredigt werde. Bei solchen Separationen komme es nun gar häufig vor, daß aus
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dem Separatistenhaufen zuletzt auch noch ein Ketzerhaufen wird. — Nun wurde gefragt, wie denn wahre Christen sich zu verhalten hätten, wenn ein Prediger zwar rein predigte, aber in Sünden und Lastern lebte, die Gemeinde im Ganzen aber ihn nicht absetzen, sondern behalten wolle: haben in solchem Falle ernste Christen nicht das Recht, sich von dem Prediger und Gemeinde loSzusigen? In der Antwort wurde zuerst darauf hingewiesen, wie diese Frage eigentlich einen besondern Casus betreffe, bei dessen Beurtheilung es auch auf die Umstände an-komme; sodann wurde die Ueberzeugung ausgesprochen, daß wenn eine ganze Gemeinde das lasterhafte Leben eines Predigers dulde und stille schweige, wohl an-zunehmen sei, daß eS auch an der reinen Lehre fehlen werde, und da werde also mit der' Zeit schon Prediger und Gemeinde als eine Rotte offenbar werden. Nun wurde auch noch auf die schlimmen Zustände in Deutschland hingewiesen, wo ja auch oft im Leben nicht richtig wandelnde Prediger an den Gemeinden stehen. Da solle man nicht eine Spaltung machen, d. H. von der Kirche sich trennen, sondern einen solchen bei seinem Superintendenten oder Consistorium verklagen, auch den Prediger selbst immer strafen, aber weil die Lehre noch rein, und die Verwaltung der Sacramente richtig, soll ein Christ doch keine Spaltung machen und seinen übel lebenden Prediger als ein Kreuz tragen. Bei Gelegenheit des zweiten Zeugnisses auS I. Gerhard wurde neben anderem bemerkt, wie solche Leute anzusehen seien, welche Holz, Heu und Stoppeln predigen, haben aber eben keine grundstürzenden Jrrthümer; es sind ihnen nun zwar ihre verkehrten Meinungen nachgewiesen, sie lassen aber nicht davon. Antwort: Man hat dieses Festhalten solcher Meinungen anzusehen als einen Mangel im Leben, denn durch die Gewissenlosigkeit, womit ein Jrrthum festgehalten wird, wird er nicht zur Ketzerei, aber ein gegen besser Wissen und Gewissen festgehaltener, auch nicht fundamentaler Jrrthum stößt einen Menschen aus der Gnade.
Zum Beweis, daß Rotten und Secten unter uns seien, aus uns selbst aufstehen, nämlich auS den christlichen Gemeinden, wurde auf des Apostels Art, wie er von den Galatern rede, hingewiesen. Er sagt von denselben: „ihr habt Christum verloren," daS heißt aber so viel, alS: „ihr seid eine Rotte geworden" und doch nennt er sie auch wieder eine Kirche oder Gemeinde. Abgefallene und doch eine Kirche! Die Meisten sind abgefallen und haben sich von den Jrrlehrern bezaubern lassen, nur einzelne Wenige sind noch treu geblieben. Wegen dieser Wenigen heißen sie Kirche oder Gemeinde. Wegen des Abfalls der Meisten beißen sie Rotte. So geht es mit manchen Reformirten, die in Einfalt Gotte-Wort glauben, aber ihre Kirche oder Gemeinschaft hält den Jrrthum noch fest und macht sich durch Festhaltung desselben zur Rotte; sofern sie das Letztere thut, nennt man sie mit vollem Rechte Rotte, sofern aber noch Kinder Gottes unter diesen Haufen sind und Grundartikel des Glauben- bekannt werden, sofern heißt man sie nach biblischem Sprachgebrauch Kirche. — Bei Beurtheilung solcher Gemeinde in Hinsicht auf Nechtgläubigkeit hat man sich zu richten nach der öffentlichen Lehre. Welche Lehre in einer Gemeinde gepredigt und als gepredigte Lehre geduldet wird, die ist Lehre und Bekenntniß der Gemeinde. Nach der öffentlich im Schwange gehenden falschen Lehre bekommt eine Gemeinde den Namen Rotte, obschon immer dabei feststehen bleibt, daß Gottes Kinder darunter
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verborgen sind, welche wohl im Stillen sagen: die Lehre unsere- Prediger- ist auch nicht recht. — Dagegen mögen nun in einer Gemeinde einzelne Personen noch so vielerlei Jrrthümer hegen, lassen aber doch den Prediger Gottes Wort rein predigen, so ist die Gemeinde doch noch eine rechtgläubige Gemeinde: denn der Prediger ist der Mund der Gemeinde. Als sichtbare Gemeinde bekannten die Galater damals den Jrrthum, deßhalb waren sie eine Rotte. Der Apostel sagt ja auch: er müsse sie aufs neue gebären; welche- Wort deutlich genug den Abfall anzeigt.
Bei dem Zeugniß von Calov hieß eS: eine Spaltung entsteht also durch Zwiespalt in nicht-fundamentalen Lehren. Z. B. wenn von unserer Synode sich Glieder trennen würden, weil sie nicht mehr glauben, daß der römische Pabst der Antichrist sei, so richteten diese eine Spaltung an. Denn das gehört nicht zum Fundament unseres Glaubens, daß der Pabst der Antichrist fei. Wir glauben ja nicht an den Pabst, sondern an Christum. Es wäre dieser Jrrthum ein nicht grundstürzender, doch aber ein gefährlicher Jrrthum. Wir würden diese sich Trennenden deßhalb nicht für Ketzer erklären, doch aber keine kirchliche Gemeinschaft mit ihnen halten. In dem Gebrauch dieser Bezeichnung muß man auch vorsichtig sein. Wie ich nicht jeden Reformirten einen Ketzer nenne, obwohl ich die reformirte Kirche eine ketzerische Gemeinschaft nenne, so darf ich auch noch nicht Jeden, der sich einer Spaltung zugesellt, einen Schismatiker nennen. Wenn z. B. in einer unserer Gemeinden eine Spaltung entstanden wäre und es kämen nun später eingewanderte Leute zu ihren dort wohnenden und sich zur Spaltung haltenden Verwandten; diese hielten sich nun zur Separation ans Unwissenheit und in Schwachheit der Erkenntniß, so darf ich sie nicht Schismatiker nennen, sondern eigentlich nur Jene, welche die Spaltung anrichten. Diese Unterscheidung ist wichtig auch für Handhabung der Kirchenzncht, denn jene Schwachen nud Unwissenden darf ich nicht in den Bann thun; ich muß ja, um über jemanden den Bann zu verfügen, ganz gewiß sein, daß der zn Bannende ein völliger Unchrist ist. Etwas Anderes ist es, die kirchliche Gemeinschaft mit jemanden aufheben, der sich einer Spaltung angeschloffen. Dieses muß ich thun mit der Erklärung, daß man sich von der rechtgläubigen Kirche gesondert, aber diese Erklärung schließt nicht in sich, daß diese Leute gebannt seien, oder daß sie alle verdammt seien. Wenn Einer zu den Methodisten übergeht, weil ihn ihr Heiligthun, Singen, Beten, Knieen rc. besticht, so thue ich ihn nicht in den Bann, sondern mache einfach die Anzeige, daß er sich von der wahren rechtgläubigen Kirche ausgeschlossen habe, eS wird aber damit kein Gericht über sein Herz gehalten. Gewöhnlich sagt man: wir Lutheraner verdammen alle ändern Leute. Das kommt davon her, daß diese Leute glauben, eine Erklärung, daß man sich von der Gemeinde getrennt habe, sei gleichbedeutend mit: in den Bann thun und verdammen. Ein verdammter Ketzer ist ja allein ein solcher, welcher wider besser Wissen und Gewissen beim Jrrthum verharrt. — Aus dem Besprochenen wurde recht klar, wie unsere lutherische. Kirche so entschiede» gegen alle Union mit falscher Lehre und doch so weitherzig, liberal, so wenig fanatisch sei, daß sie überall Kinder Gottes anerkenne, wo nur noch Grundartikel deS Glaubens bekannt und gelehrt werden. Kein wahrer Lutheraner erhebt sich über irgend einen Menschen, wel-
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cher noch bekennt, daß JEsus sein Heiland sei. Wie fein unterscheidet nicht die lutherische Kirche, indem sie einen Unterschied macht zwischen römischer Kirche und Pabstthum, da sie unter letzterem Namen die papistische, antichristische Rotte, unter ersterem aber die auch unter dem Pabstthum noch vorhandenen Gottes-Kinder versteht! So mild ihr Urtheil über die Personen ist, so ernst meint sie eS mit Verwerfung der falschen Lehre. AuS falschgläubigen Gemeinschaften ausgehen, ist einfach Gehorsam gegen Gott, welcher der Glaubensmengerei feind ist. Dabei maße man sich kein Gericht über die Herzen der Zurückbleibenden an. Die unirt gesinnte alte Generalsynode ist ein Beispiel, wie falsche Schlüsse von solchen Leuten gemacht werden. Dieselbe meint, weil sie sage« müsse, daß unter Methodisten. Presbyterianern rc. auch wahre Christen seien, so müsse man nun auch mit diesen Gemeinschaften in Abendmahlsgemeinschaft stehen und sonst kirchliche Gemeinschaft Pflegen. Aber das ist zu weit gegangen. Diejenigen, welche mcht mit mir die reine Lehre bekennen, sind nicht meine Glaubeusbrüder, die Kinder Gottes aber, welche ich eben nicht kenne, weil sie unter den Rotten und Secten verborgen sind, verdamme ich damit nicht, daß ich die Gemeinschaft eine Rotte nenne, denn wir halten immer fest, daß Kinder Gottes unter ihr seien, aber wir kennen sie nicht. Im Anschluß an dieses verlesene Zeugniß von Calov wurde gefragt: was denn wohl eine gerechte Separation sei? Antwort: wenn eS sich in einer Gemeinde für und wider Christum erregt, ein Theil fällt der lautern Lehre zu, das andere verwirft dieselbe, da hat das erstere Theil, welches sich von den Andem trennte, eine gerechte, unfündliche Separation vollzogen. Die großartigste gerechte Kirchenspaltung, die je in der Kirche geschehen, ist ohne alle Frage die Gründung der lutherischen Kirche in der Reformation, ja eme solch segensreiche Spaltung war diese, daß Gerhard zu dem Ausruf bewegt ward: o ein seliges Schisma!
Zu einem weitern Zeugniß von Hollaz wurde bemerkt: daß dieses Zeugniß darum wichtig sei, weil darin gesagt wird, daß zuweilen eine Spaltung entsteht wegen Uneinigkeit in den Ceremouien. Dieser Fall kommt in Amerika oft vor. Die von Deutschland Eingewanderten finden nicht immer die von Hause aus gewohnten Ceremonien und denken, wenn sie die echt lutherischen Ceremonien des Singens am Altäre, deS Lichterbrennens, des Crucisixes, KnieenS re. sehen: das ist alles papistisch. Hätten sie nun Verstand, so würden sie auf die Lehre sehen und sich zufrieden geben, wenn sie dieselbe rein fanden. Große Sünde thun nun Diejenige»,, welche sich wegen der Ceremonien von der Gemeinde trennen. Eine jede Gemeinde hat freilich daS Recht, Ceremonien aufzurichten, w»e sie es für ihren Zustand für gut und heilsam findet. Eine Synodalgemeinde sollte daher eine andere Schwestergemeinde nicht darum scheel ansehen, wenn bei ihr die altkirchlichen Ceremonien noch nicht eingeführt find. Wo das geschähe, entstünde ein schiSmatischeS Wesen. Doch wäre es schön, wenn allmählich eine immer größere Gleichheit der Ceremonien sich bei uns anbahnte. Diesem Wunsche wurde nicht allseitig beigestimmt, indem gesagt wurde, daß die Liebe nachgeben müsse und daß man dem Ungewohnten Rechnung tragen müsse, welche« diese Ceremonien besonders für Süddeutsche haben, worauf aber geantwortet wurde, daß allerdings die Gewissen der Einzelnen nicht gebunden werden dürfen,
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«ber eine Gemeinde brauche sich auch nicht durch Einen oder Zwei abhalten zu lassen, eine schöne Ordnung einzuführen. Das Gewissen könne sich aber dann nicht, beschwert fühlen, wem» man jenen Personen gestatte, an den Ceremonien sich nicht zu betheiligen, — will sich Jemand, auch bei dieser Freigebung, doch noch von der Gemeinde trennen, so hat er es zu verantworten. Auch darum ist nicht allseitig in den Wunsch nach größerer Einheit in den Ceremonien, d. H. nach allgemeiner Einführung der alt-kirchlichen Liturgie eingestimmt worden, weil die Meinung geäußert wurde, man könne diese Ccrenwnie doch nicht so schlechtweg „schöner" heißen, als andere anderswo übliche. ES käme bei solchen Sachen doch viel auf Gewohnheit und Geschmack an. Auch könne man wohl nicht diese Ceremonien als echt lutherische bezeichnen, da Luther sie auS dem Pabstthum überkommen «ud als unvttfängliche habe stehe« lassen. Eotgegnet wurde, daß man allerdings diese Ceremonien als schöner bezeichnen könne; um aber darüber «in Nrtheil haben zu könne«, müsse eben auch der kirchliche Geschmack erst gebildet werden. WaS den ändern Einwurf anlangt, so ist gewiß, daß Luther keineswegs diese Ceremonien nur tolerirt, sondern er habe sie als Ceremonien der alt-katholischen Kirche beibehalten. Was nun den gewöhnlich laut werdenden Vorwurf betrifft, daß diese Ceremonie« katholisch seien, so wurde die große erschreckliche Unwissenheit beklagt, in welcher so viele auch in unser» Gemeinden noch stecke«, sonst würden sie solchen Vorwurf nicht erheben. Wären sie weniger unwissend, so würden sie wisse«, daß der rechte Hauptunterschied zwischen uns und der römische« Kirche einzig und allein die Lehre ist, nämlich sonderlich der rechte Hauptartikel der Lchre von der Rechtfertigung. Es ist zu bedauern, daß so Viele, welche sich Lutheraner nennen, diesen rechten Hauptunterschied nicht kennen, sondern ihn m äußerlichen Ceremonien suchen und immer noch in das Geschrei der Unwissenden emstimmen, daß die Ccwemont'en uns katholisch mache.
Durch Aufrichtung der alt-lutherischen Ceremonien würde aber auch dieser amerikanische« Strömung entgegengewirkt, welche in denselben nur das Pabst-thum sieht. Durch die Thar würde da bezeugt, daß die Ceremonien, so ähnlich sie auch denen der papistischen Kirche sein mögen, doch unsere Kirche nicht papistisch machen, weil wir ja eben io der Lehre von Grund aus verschieden und geschieden sind von der römisches Kirche.
Thesis VH»*) wurde verlern uud dabei bemerkt: Zur christliche« Kirche i» keinerlei Beziehung gehören jene Gemeinden, welche sich ganz lossagen vom christlichen Glauben; nicht sind hiermit jene Gemeiuden gemeint, deren es in der Zeit des Rationalismus in Deutschland so viele gegeben, welcke rationalistische Wölfe zu Predigern gehabt haben. Diese Gemeiuden haben die Gotteslästerungen ihrer Pfaffen nicht gutgeheißeu; diese Pfaffen sind nur geduldet worden, weil die Obrigkeit sie schützte; diese Leut« warm angestellt vou der lutherischen Kirche, das heißt, eigentlich vou denen, die damals in der lutherischen Kirche das Regiment hatten; was diese Pfaffe« daher in ihrem Amt recht auSrichteten, das thaten sie im Namen der Kirche; ihre Lehre aber, welche ihnen die lutherische Kirche nicht aufgetragen hatte, verkündigte» sie wider ihren Berus, als des SatanS Beauftragte. Diese falsche -Lehre machte aber die Gemeiuden nie zu mchtchristlicheu S. Referat rc. xae- SS.
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Gemeinden. Etwas Anderes ist eS mit den freien Gemeinden, welche keinen christlichen Glauben, keine Taufe haben wollen. Unitarier, Socinianer, Rationalisten sind lauter außerchristliche Genossenschaften. Auch die Swedenborgianer gehören hiezu, den sie leugnen auch den dreieinigen Gott, indem sie die drei Personen leugnen, und nur die Offenbarungen der Einen göttlichen Person annehmen. Ihre Taufe, obwohl mit der Formel: im Namen des Vaters rc. verrichtet, ist doch keine giltige Taufe, weil sie unter den Worten: Bater, Sohn rc. etwas ganz Anderes verstehen, als die rechtgläubige Kirche.
Nun wurde gefragt, wie es mit der Taufe eines Pastors in einer lutherischen Landeskirche stehe, welcher von den drei Personen etwa folgende Auslegung mache: er taufe im Namen des ewigen Vaters, deS Weisen von Nazareth und der Kraft GvtteS, Geist genannt? Dieser Greuel ist deshalb keine Taufe, weil vou den Einsetzungsworten abgegangen ist: es ist eine Gotteslästerung an heiliger Stätte. Alle diese außerkirchlichen Gemeinschaften, wenn sie vom lieben Gott reden, vom liebeu himmlischen Vater, reden eigentlich vom Teufel, wenn sie beten, beten sie nicht zn Gott, sondern zu einem Götzenbild, nämlich zu dem Gedankenbild ihres i Herzens. Sie sind wie die Heiden, von denen eS heißt, was sie opfern, opfern sie dem Teufel. — Die bei der Thesis angeführten Sprüche sind auch gegen die Freimaurer wohl zu merken. Sie wollen ja auch religiös sein, aber sie haben auch nur ein Götzenbild ihrer eigenen Gedanken. Wenn ich etwas Anderes zu Gott mache, als den lebendigen Gott, so bete ich den Teufel an. Daß die sogenannten freien Gemeinden auch zu den außerchristlichen Gemeinschaften gehören, da- beweisen ihre öffentlichen Erklärungen aufs deutlichste. — Ebenso sind auch die jetzigen Juden Abgötter, weil sie nicht den erschienenen Messias annehmen; durch ihre Verwerfung des Sohnes haben sie aber auch den Vater nicht, sondern haben denselben mit verworfen. Um zu bestimmen, ob eine Gemeinde ganz abgefallen und als unchristlich zu halten, ist nothwendig eine bestimmte Erklärung der Gemeinde, daß sie den Unglauben ihres Predigers theile. — Bei dieser Gelegenheit ward beispielsweise auf eine protestantische Gemeinte in Cincinnati hin« gewiesen und die öffentlichen den Abfall des Predigers vom Christenthum bekuir-denven Aussprachen mitgetheilt, da derselbe z. B. von der Dreieinigkeit gesagt: daß drei eins und eins drei sei, laufe gegen alle Gesetze der Vernunft, sei also Unsinn und Thorheit, da er ferner die Lehre von der Rechtfertigung aufs schändlichste verlästert habe und dabei die Erklärung gethan, seine ganze Gemeinde sei damit einverstanden. Nun sei die Frage, ob damit auch schon die ganze Gemeinde als eine total nuchriftliche anzusehen sei. Die luth. Geuieinde in Cincinnati befinde sich in der Notwendigkeit, sich über ihre Stellung zu dieser Gemeinde klar zu werden, besonders auch wegen der Taufe solcher Kinder, welche dort eine (Schein-) Taufe empfangen haben. Wenn nämlich die Gemeinde mit dem Bekenntniß des Predigers völlig übereinstimmt, so kann die dort vollzogene Taufe keine rechte Taufe sein, auch wenn die Taufformel richtig gebraucht wäre. Hiebei wurden auch Beispiele erzählt, welche Lästerungen der Taufe in diesen protestantischen Gemeiuden jener Start schon vorgekommen; indem schon Taufen „im Namen des Zeitgeistes" oder „im Namen der Vereinigten Staaten,, geschehen seien. — Die Synode gab der luth. Gemeinde in Cincinnati und ihrem Pastor
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den Rath: die obige Aussage des PastorS als öffentliche Erklärung der Gemeinde anzusehen und jener Gemeinde die Mittheilung zu machen, daß sie hiusüro als eine ganz außerchristliche Gemeinschaft werde betrachtet und behandelt werden, indem die bei ihr vollzogenen Taufen als keine Taufen angesehen werden. — Dann könne ja abgewartet werden, was jene Gemeinde antworte.
Zu den verlesenen Zeugnissen und zwar zunächst zum ersten, aus der Apologie entnommenen, wurde bemerkt: es sei Gott zu danken, daß die Apologie so deutlich rede: daß Leugner der Dreieinigkeit nicht nur keine Christen seien, sonder« auch außerhalb der sichtbaren Kirche stehen.
Zur zweiten Stelle, auch aus der Apologie, hieß es: das Reich Christi ist da nicht, wo Evangelium und Sacrament nicht ist. Unter Wort Gottes ist hier nicht die gedruckte Bibel gemeint, sondern daS mündlich gepredigte Wort Gottes, und wo eS auch als Wort Gottes angenommen wird. Die Rationalisten haben ja auch die Bibel, aber nur um sie zu verlästern, zu verdrehen, nicht um sie zu glauben, also ist auch Gottes Wort nicht bei ihnen. Ueber den Satz: die Verheißungen gehen diejenigen nicht an, welche außerhalb der Kirche sind, entstand eine lange Besprechung. Der zunächst hierher gehörige Sinn der Worte ist: die Verheißungen gehen diejenigen nicht an, welche nicht glauben und also das Wort verworfen haben. Die Verheißungen sind ja eigentlich nur den Gläubigen gegeben; die Verheißung ist nun den Heiden nicht gegeben, den Juden aber war sie gegeben. So wie die Juden, kraft der Verheißung, mit Gott sprechen und gleichsam auf die Verheißung pochen konnten, konnten es die Heiden nicht. Wohl war den Juden eine Verheißung wegen der Heiden gegeben oder anvertraut, aber nicht den Heiden selbst, als Heiden. Deshalb konnten die Juden wohl ans Gottes Verheißung Hinweisen, aber nicht die Heiden, ihnen konnte Gott immer sagen: „euch habe ich nichts versprochen", denn ein Anderes ist es, etwas Gutes für Jemanden im Sinn und Herz haben, etwas Anderes, wegen deS Guten Jemandem ein Versprechen thun. Gott hatte wohl auch einen gnädigen Willen für und über die Heiden, aber er hat mit den Heiden keinen Bund gemacht, hat den Heiden nichts verheißen. Es kann keine einzige Verheißung aufgewiesen werden, welche den Heiden gegeben wäre, sie sind alle den Juden gegeben. Von den Heiden steht dagegen ausdrücklich geschrieben: sie waren fremd von den Testamenten der Verheißung, außer der Bürgerschaft Israels, ohne Hoffnung in dieser Welt. Auch unter denen, welche ferne sind und welche Gott, unser Herr, herzurufen wird, sind nicht die Heiden, sondern die ferne wohnenden Juden zu verstehen. Gott hat mit den Heiden keinen Bund gemacht, wir müssen alle in den Hütten Sems wohnen, das heißt, an seiner Verheißung theilnehmen, ausgenommen werden in das Volk der Verheißung. Wir Christen sind nun durch die Taufe die rechten Söhne Abrahams geworden; aber aus lauter Gnade und Barmherzigkeit. Auch daS cananäische Weiblein giebt ein treffendes Beispiel, indem sie ja auch nicht auf Recht pocht, sondern allein auf Barmherzigkeit hofft. Von den gläubig Gewordenen allein heißt es: nun sind wir nicht mehr Gäste und Fremdlinge rc. Um den Vorzug des Volks der Verheißung recht hervorzuhebeu, heißt es: „so thut er keinen Heiden, noch lasset sie wissen Seine Rechte." Auch die Stelle, wo St. Paulus das Verhältuiß der Heiden zu den Inden vergleicht mit der Einpfropfung
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des wilden Oelreises in den guten Stamm, wurde angeführt. Summa: keinem Heiden hat Gott je eine Verheißung gegeben. Außerhalb des Reiches Gottes ist keine Gnadenverheißung; Gott hat sich nie gegen einen Heiden verbindlich gemacht. Gott hat uns nichts versprochen, außer wenn wir uns haben taufen lassen. Nun können wir Gott zwingen mit seinen Verheißungen; nun heißt es: deine Wahrheit ist Schirm und Schild; nun können wir auf Gottes Wahrheit pochen. Das ist der Segen der Taufe, daß wir nun zu Gott sprechen können: du mußt dein Wort halten. ES wurde auch erzählt, wie Luther den angefochtenen H. Weller mit der einen Frage tröstet: Seid ihr denn nicht getauft? Es wurde nun die Einwendung gemacht: Gott hätte seine Verheißung vom Weibessamen allen Menschen gegeben — entgegnet wurde: auch diese Verheißung ist nur den Gläubigen gegeben und diese sind nirgends zu finden, als innerhalb des Reiches Gottes. Wir getauften Christen sind nun im Neuen Testamente die rechten Juden — die sogenannten Juden sind des Satans Schule, sie sind durch ihren Unglauben aus dem Volk Gottes herausgegangen. Von den Heiden steht ausdrücklich geschrieben, Gott hätte sie dahingehen lassen ihre eigenen Wege. — Man muß in der beregten Frage nur unterscheiden den Güadenrathschluß Gottes, welcher auch die Heiden angeht, und wem Gott seine Verheißungen anvertraut habe, was Gott in seinem Herzen hat über die Heiden und wem er es kund gethan; dieses letztere ist gegen die Juden geschehen und nicht gegen die Heiden. Summa: wo die Verheißung ist, da ist die Kirche, und wo die Kirche nicht ist, ist auch die Verheißung nicht. Wer daS festhält, dem muß auch der Ausspruch der Apologie ganz verständlich sein: „nun gehen die Verheißungen diejenigen nicht an, so außerhalb der Kirche Christi sein." — Es wurde später noch als Beleg ein schöner Passus aus Luthers Kirchenpost., Erl. AuSg. Bd. VII, xux. 71—74., vorgelesen, welcher auch diesen Gegenstand in Helles Licht setzet.
Au der folgenden Stelle aus Luther wurde bemerkt: man könne also sehen, auch wo Rotten und Schwärmer seien, da sei die Kirche noch, es sei denn, daß sie Wort und Sacrament ganz und gar verleugnen.
Zu der Anführung aus Calov wurde gesagt: wir leben jetzt in einer schrecklichen Zeit. In Deutschland treten Männer auf, welche hochgestellte Lehrer an lutherischen Universitäten sind, welche die wahre Gottheit Christi leugnen, z. B. Kahnis in seiner neuesten Schrift, welche den Herrn Christum als ein Wesen bezeichnet, das in einer gewissen Unterordnung gegen den Vater stehe. Was sollten nun die ändern lutherischen Professoren einem solchen Manne gegenüber eigentlich sagen und thun? Sie sollten mit dem alten Epiphanius solche Männer Gottesmörder, Christustödter, Gottesleugner nennen, statt dessen verkehren sie mit ihnen gar brüderlich und gehen mit ihnen zum heil. Abendmahl.
Bei dieser Gelegenheit wurde auch erwähnt, wie schändlich die Iowa-Synode handle: Um eine rechtschaffene lutherische Synode zu Schanden zu machen, wende sie sich an solche abgefallene lutherische Theologen oder doch an solche, welche auch nicht ein Wort der Verdammung haben über solch Verfahren innerhalb der luth. Kirche, die lutherische, ja die gemeine christliche Lehre in ihren Grundartikeln anzugreifen und zn leugnen — und erbitte sich Gutachten.
Die in der vorliegenden Stelle aus Calov enthaltene deutliche Aussprache
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gegen die Antitrinitarier geht auch ganz klar auf jene obengenannten protestantischen Gemeinden. Sie sind Antitrinitarier. Doch ist wichtig, daß auch Calov darauf hinweis't: Prediger und Gemeinden müssen abgefallen sein und die Dreieinigkeit leugnen, wenn deren Taufe ungiltig sein soll. — Solche Leugner der Dreieinigkeit sind für Heiden erklärt, folgerichtig ist also Theilnahme an ihren sogenannten Gottesdiensten eigentlich Theilnahme am Götzendienst.
Thesis VIII.*) wurde verlesen und dabei Eingangs bemerkt: daS in der Thesis vorkommende Wort „wahr" werde in einem doppelten Sinne gebraucht: 1) in dem Sinne, da ausgesagt wird, eine Gemeinschaft habe das Wesen einer Kirche, sei das wirklich, waS daS Wort anzeigt. In diesem Sinne kann ich von der refor-mirten und ändern Kirchen sagen, daß sie wahre Kirchen seien; ich sage damit: sie sind ihrem Wesen nach nichts Anderes, als Kirchen, das heißt, sie sind solche Gemeinschaften, welche zu ihrem Wesen daS haben, was eigentlich zum Wesen einer Kirche gehört. — 2) Dann nimmt man daS Wort „wahr" aber auch in dem Sinne, daß man damit bezeichnet alle Vorzüge, welche eine Person oder ein Gegenstand haben kann oder haben sollte, wenn sie oder er ganz vollkommen wäre. So sage ich z. B. im erstem Sinne: Gerhard ist ein wahrer Theolog, das heißt er hat daS an sich, waS zum Wesen eineS Theologen gehört; im zweiten Sinne aber sage ich; Luther ist ein wahrer Theologe, das heißt, ein Theologe, welcher alle Vorzüge eines Theologen an sich hat, daß er nämlich nicht nur die Wahrheit zur Seligkeit kennt, sondern auch mit Kraft und Klarheit zu Ändern reden kann. Die 8. Thesis braucht das Wort „wahr" im letzter« Sinne, wornach also von d e r Kirche geredet wird, welche alle Vorzüge an sich hat, die eine sichtbare Kirche an sich haben soll. Es ist nothwendig, auf diesen Unterschied in dem Gebrauch des Wortes „wahr" hinzuweisen, weil neuere Theologen oft aus diese Weise von der wahren Kirche sprechen, daß sie das Wort nur im letzter« Sinne, als alle Vorzüge einer sichtbaren Kirche in sich fassend, nehmen und es daher nicht auch im erstern Sinne anwenden; daher sie denn dahin kommen, allen ändern kirchlichen Gemeinschaften, welche nicht alle Vorzüge an sich haben, den Namen Kirche gänzlich abzusprechen. Es muß aber zugestanden werden, Kirchen sind sie, nur nicht so, wie sie sein sollen, es fehlt Manches an ihnen. „Wahr", wie es in der Thesis gebraucht wird, heißt eigentlich so viel als rechtgläubig. Die verschiedene Bedeutung des Wörtleins „wahr" kann aus folgenden Sätzen erkannt werden, da ich sagen kann: „die reformirte Kirche ist eine wahre Kirche", nie aber: sie ist die wahre Kirche.
Sinn und Verstand, in welchem der Ausdruck: „in einem uneingeschränkten Sinne" in der These stehe, wurde so angegeben: wenn die ändern Kirchen, in welchen Irrlehren in Schwange gehen, beschrieben werden, muß immer eine Einschränkung gemacht werden, nämlich, daß sie nur in einem gewissen Sinne den Namen Kirche bekommen können, in einem ändern Sinne kann man sie nicht so nennen, weil eben Dinge an ihnen sind, die nichts taugen, die nicht zur Kirche gehören. Aber bei der wahren sichtbaren Kirche, welche das Evangelium rein predigt rc., bedarf es einer solchen Einschränkung nicht. Wenn eine Gemeinde bisher rein in der Lehre war, so war sie so lange eine wahre Kirche; wenn aber
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*) S. Ref. 2c. pag. 42.
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ihr Prediger grundstürzende Irrlehren aufbringt, was die Gemeinde duldet und geschehen läßt, so wird der Charakter dieser Kirche, als einer wahren, verändert, sie ist nicht mehr eine wahre Kirche im uneingeschränkten Sinne des Wortes. Der Prediger hat seiner Gemeinde ihre Krone genommen: Reinheit der Lehre.
Nun wurden die Belegstellen zu dieser Thesis vernommen. Zu Joh. 8. wurde bemerkt: gewöhnlich meine man, die Lehre, daß Kinder Gottes allenthalben, wo nur noch Stücke des göttlichen Wortes vorhanden, zu finden seien, mache unionistisch gesinnt und verursache, daß diejenigen, welche in falschgläubigen Gemeinschaften leben, auf die Gedanken gerathen, sie könnten in ihrer Kirche bleiben, ob dieselbe auch noch so sehr durch falsche Lehre verderbt sei; — aber das ist nicht richtig geschlossen..So wenig ich daraus, daß ich schriftgemäß lehre, daß jederChrist noch ein Sünder bleibt bis an seinen Tod und nicht ganz von Sünden frei werden kann, den Schluß machen varf: also darf ei» jeder in seinen Sünden beharrlich fortfahren, — so wenig folgt daS: weil auch in falschgläubigen Gemeinden Leute noch selig werden können, daß man bei der falschen Gemeinschaft bleiben dürfe und nicht davon ausgehen müsse. Es ist allen in falschglänbigen Gemeinschaften stehenden wahren Christen nicht gesagt: bleibet nur geruhig, ihr könnt da auch selig werden wegen der noch vorhandenen Stücke der Wahrheit; nein, der Herr sagt ihnen: höret meine Stimme, bleibet an meiner Rede, fliehet des Fremden Stimme! Diejenigen, welche, nachdem sie den Jrrthum einer Kirche erkannt haben, dennoch dabei bleiben und beharren, fallen aus der Gnade, weil sie wider bester Wissen und Gewissen sündigen, denp Christus gebietet ihnen das Bleiben an der Rede Christi und nicht das Bleiben bei der Stimme des Fremden, welches er verbietet. Es ist mit dem Abtreten von einem Jrrthnm ähnlich, wie mit einer ändern Sünde; es kann sein, daß ich nicht weiß, das etwas Sünde sei, ich thue eS daher und bleibe doch in der Gnade. Später erkenne ich, daß es Sünde; thue ich es nun dennoch, so falle ich aus der Gnade, sündige wider das Gewissen und kann nicht selig werden. So auch, wer in falschgläubiger Gemeinschaft bleibt wider besseres Wissen, kann nicht selig werden; cs wäre dieses ein muthwilliges Beharren beim Jrrthum. Da möchte Jemand auf den Einfall kommen, dann wäre eS daS Beste, es gäbe keine lutherische Kirche, dann ließe man die Leute iu ihrer Einfalt und Unwissenheit dahin gehen, dann würden sie doch ihre Seligkeit nicht verlieren. Aber, Gott sei Dank, daß wir die lutherische Kirche haben, daran wir uns halten können, denn 1) alle falsche Lehre greift immer weiter um sich, dringt immer tiefer ins Herz und kann uns wohl am Ende auch noch um die Gnade bringen, indem uns der Jrrthum immer mehr umgarnt. Falsche Lehre ist Gift, welches immer mehr den Menschen durchdringt, der sich nicht davon reinigt und befreit. 2) Wie gut ist es, daß unsere lutherische Kirche mit ihrer reinen Lehre, mit ihrem starren Bleiben am Worte da ist und ihre Stimme wie eine Posaune erhebt! Dadurch werden die Secten und Schwärmer eingeschüchtert, nicht noch weiter zu gehen mit ihren irrigen Meinungen. Wie viele Methodisten werden es uns Lutheranern im Himmel danken, daß wir bei ihren Schwärmereien immer gleich mit dem Worte Gottes bei der Hand waren und sie gestraft haben, und dadurch so viel ausgerichtet, daß sie nicht noch tiefer hineingerathen! Ja, das ist gewiß neben dem Sammeln der einzelnen Seelen um die Wahrheit auch der
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Hauptberuf der luth. Kirche, ihre Zeugenstimme zu erheben. Wer ein rechter Jünger Jesu sein will, muß au seiner Rede bleiben. Hiebei wurde bemerkt, daß man vorsichtig sein müsse im Urtheil über solche Leute, denen man ihren Jrrthum vorgehalten und sie aufgefordert, nun der rechten Lehre Raum zu geben, wenn sie Jünger Jesu bleiben wollten. Es ist nicht genug, daß ich denke, ich hätte klar und deutlich gelehrt, nein, der Andere muß es auch erkannt haben; wenn er eS nun nicht erkannt hat, darf ich nicht schnell urtheilen: weil er auf mein Vorhalten nicht gleich von seinem Jrrthum läßt, so ist er kein wahrer Jünger Jesu. Nun suchte man sich klar zu werden über den Ausdruck „rechter Jünger" und eS handelte sich darum, ob diejenigen auch „rechte" Jünger feien, welche in fakschgläubr-gen Gemeinschaften leben, in Einfalt der Wahrheit anhängen und doch daneben noch diesen oder jenen Jrrthum festhalten, aber ohne denselben als solchen zu erkennen, oder ob „rechte" Jünger allein solche seien, welche in solchen Gemeinschaften ohne Beimischung des Jrrthums allein der Wahrheit folgen. Es wurde die Erklärung gegeben: Es verhalte sich mit dem AuSdrnck „rechter Jünger", wie mit dem oben erklärten „wahre Kirche". Hier solle es wohl so viel heißen, wer ein Jünger sein will, wie er sein soll, wer in Wahrheit ein mit allen Vorzügen ausgestatteter Jünger sein will, der bleibt an allen Worten Christi, an feiner ganzen Rede. Hierauf wurde aber der Einwurf gemacht, daß es dann scheine, als ob jene unter den Falschgläuvigen befindlichen Jünger dann keine rechten Jünger seien und daß es sich dann anlasse, als gebe es zweierlei Arten von Jüngern, rechte und nicht rechte. Es wurde aber entgegnet: es wird eben in der Stelle angegeben, wie die rechten Jünger sein sollen, das Kennzeichen der rechten Jünger und damit denn auch das Kennzeichen der wahren Kirche; denn obwohl nicht gesagt werden könne, daß dieser Spruch, weil der Plural „ihr" gebraucht werde, nur auf die Gesanimtheit der Jünger, aus die Kirche gehe, vielmehr zngegcben werden muß, daß, was von Allen behauptet wird, auch vou dem Einzelnen gilt, so ist doch gewiß in diesem Spruch nicht nur ein Kennzeichen der einzelnen Christen und Jünger, sondern auch der wahren Kirche angegeben, so daß es also heißt: diese ist die wahre Kirche, welche in ihrer Lehre ganz genau an der Lehre Christi bleibt. Wir müssen nie vergessen, daß die sichtbare Kirche den Namen Kirche nur hat wegen der in ihr verborgenen, unsichtbaren Kirche. Da nun bei der Lehre Christi Bleiben das beste Kennzeichen der wahren Christen ist, so ist es auch das beste Kennzeichen der wahren Kirche. An demselben Kennzeichen, woran ein rechter Jünger Jesu zu prüfen ist, kann ich auch eine Kirche prüfen. Wenn wir im Glauben singen: „die ganze Christenheit auf Erden hält in einem Sinn gar eben", so wird das gesagt von den rechten Christen, von allen wahren Christen auch unter den falschgläubigen Gemeinschaften. Die falschgläubigen Gemeinschaften haben wohl Kennzeichen, daß sie Kirchen seien, aber sie haben ihre Gebrechen, welche die luth. Kirche nicht hat; au den falschgläubigen Kirchen finden sich die Kennzeichen nicht so hell und rein. Das deutlichste, hellste Kennzeichen einer wahren Kirche ist das Bleiben an sejner ganzen Rede, das Halten an seinem ganzen Worte; da hält es sich nun doch so, daß die römische Kirche durch abergläubische Zuthat über die Rede Christi hinausgeht, während die reformirte Kirche durch ungläubiges Abthun hinter den Worten Christi zurückbleibt und allein die lutherische Kirche in aller Einfalt und stricte beim Worte Christi bleibt.
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Zu dem Beweisspruch 1 Cor. 1,10. wurde diese Bemerkung gemacht, wie «S heutiges Tages Mode werde, daß man sich zu den symbolischen^Büchern bekenne und dieselben unterschreibe ohne allen Rückhalt, aber man behalte sich dann doch vor, diese» so, jene- anders zu verstehen und zu deuten. Aus dieser Weise entsteht nichts Gutes, nichts Anderes, als eine babylonische Verwirrung. Die Unterschrift ist za in solchen Fällen ganz nutzlos. Hiebei wurde auch eine Erklärung gegeben über die beiden Ausdrücke im vorliegenden Spruch: einerlei Sinn und Meinung. Die Ausdrücke sind nicht gleichbedeutend, sondern „Sinn" geht auf die Gesinnung, daß nämlich bei unserm Reden und Thun, auch Bekennen unseres Glaubens Alles zur Ehre GotteS gerichtet sei. Einerlei Sinn heißt also, daß jeder gläubige Bekenner dieselbe rechte Absicht haben müsse. „Meinung" dagegen sei der Verstand der Worte, womit die Lehre bekannt werde; es heißt soviel, daß nian auch von allen Lehren auf dieselbe Weife rede, denselben Wortverstand habe.
Bei dem ersten aus der Augsburgischen Confesfion genommenen Zeugnisse, dem eine Erklärung von Carpzov beigegeben war, wurde bemerkt: Reine Kirche ist hier genommen für wahre Kirche. In dem 7. Artikel der Augsburgischen Confesston wird also nicht die sichtbare Kirche überhaupt oder im Allgemeinen beschrieben, allwo die Lehre nicht überall rein ist, sondern die rechtgläubige, wahre Kirche, das ist dermalen die lutherische Kirche mit ihrem reinen Bekenntniß und ihrer rechtmäßigen Verwaltung der heiligen Sacramente.
Die folgende Belegstelle aus der Concordienformel wurde verlesen und dabei darauf aufmerksam gemacht, wie wichtig dieselbe sei, da*man heutiges Tages von gewisser Seite her verlange, es solle zugegeben werden, daß eine solche Gemeinschaft wahrhaft lutherisch sei, welche behauptet, es sei nicht nothwendig, iu allen Artikeln des Glaubens und der Lehre einig zu sein. Die wahre sichtbare Kirche muß diese Einigkeit haben, sonst ist sie nicht eine Kirche, sondern eine Secte. Es heißt in der angeführten Stelle auch uicht etwa: in allen Hauptartikeln oder wichtigsten, wesentlichen Artikeln, sondern in allen. Aber allerdings Artikel des Glaubens müssen es sein, d. H. Glieder, welche in den Zusammenhang der Lehre gehören, durch deren Hinweglassung der Zusammenhang des Ganzen gestört, der ganze Glaube verletzt würde. Mit dieser Forderung der Einigkeit iu allen Artikeln werden uicht gemeint jene Theile der Lehre und göttlichen Offenbarung, welche den christlichen Glauben nicht berühren. Ebensowenig sind gewisse Fragen gemeint, worüber Gottes Wort gar keine Entscheidung abgegeben hat. Z. B. wenn ich sage, möglicher Weise können die lausend Jahre der Offenbarung noch in der Zukunft liegen, erlaube mir aber dabei keine nähere Bestimmung über die Art der Jahre, so beschädigt diese Annahme den christlichen Glauben nicht. Dahin gehört auch die Frage, ob die Seele durch Fortpflanzung oder durch Eingießung bei der Zeugung entstehe, da Gott iu seinem Worte nichts darüber geoffenbart hat. Ich muß immer darauf sehen: welchen Einfluß hat eine Lehre darauf, daß ich zum Glauben komme und in demselben erhalten werde; was darauf keinen Einfluß hat, ist kein Artikel. Der grobe Chiliasmus mit seiner Annahme, es sei absolut gewiß, daß die tausenv Jahre noch zukünftig und lLormenjahre seien, verletzt allerdings den Glauben, denn er bringt mich auf die Gedanken der Sicherheit, daß Christus also »och lange nicht komme, und
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wirkt so auf da- Herz, daß ich Christum nicht jeden Augenblick erwarte. Kommt dann noch die Lehre von der doppelten Auferstehung dazu, so ist die Verletzung des christlichen Glaubend noch stärker. — Nun wurde die Frage an die Synode gerichtet: Da doch nicht alle Lehren in den symbolischen Büchern stünden und entschieden wären, wie wir denn wissen könnten, waS von solchen Fragen und Lehr-puncten, deren Entscheidung nicht in jenen Büchern steht, lutherische Lehre und nicht lutherische Lehre sei, besonders wenn sich die lutherischen Theologen nicht gleichmäßig und einstimmig erklären. Antwort: Lutherische Lehre ist Alles, WaS klar und deutlich in der Bibel steht. Die lutherische Kirche hat sich eben in ihren Bekenntnißschriften gleich Eingangs zu der heil. Schrift bekannt. Da sagt man manchmal: über den oder jenen Punkt hat die Kirche noch nicht entschieden, darüber ist noch nichts festgesetzt, — solche Rede ist ganz papistisch. Die Kirche hat über AlleS entschieden, denn sie nimmt AlleS au, waS in der Bibel geschrieben steht. Z. B. über die Lehre von der Inspiration ist kein eigentlich formulirteS Bekenntniß in den symbolischen Büchern enthalten, deßhalb meinen heutige lutherische Theologen, über diesen Punkt können sie nach Gutdünken freie Gedanken haben, bis etwa in einer Kirchenversammlung, zu welcher sie, als vornehme Theile der Kirche, jedenfalls gehören würden,'die Sache entschieden sei: denn dann hätte die Kirche gesprochen. Als nun auf den Umstand hingewiesen wurde, daß unsere alten lutherischen Theologen auch über manche Punkte nicht einig seien, wie man denn entscheiden könne, was lutherisch sei? wurde erstlich darauf hingewiesen: sind eS Punkte, über welche die Bibel sich ausspricht, so ist eben lutherisch, WaS die klaren Worte der Bibel lehren; haben nun darüber zwei lutherische Theologe» sich verschieden ausgesprochen, so muß der eine sich im Jrrthum befinden. Es ist auch in jenen bessern Zeiten der lutherischen Kirche nie vorgekommen, daß lutherische Theologen die widerwärtige Meinung oder den Jrrthnm an ändern Theologen geduldet hätten und damit die Sache für eine offene Frage erklärt, sondern sie haben die Irrenden mit Ernst angegriffen. Nimmermehr darf die Sache so stehen, daß ich sage: die lutherischen Theologen sind darüber nicht einig, also können zwei widerwärtige Meinungen gleich recht sein, also müssen beide geduldet werden. Sind es aber Punkte, worüber die Bibel nichts sagt, also Gott nichts geoffenbart hat, nun dann gehört die Frage eben nicht zum christlichen Glauben. Als nun eingewendet wurde: aus die Bibel berufen sich Alle, nur die Einen verstehen das so und legen es so aus, die Ändern anders, wurde entgegnet: und doch gilt nichts, als die Bibel, Gottes klares Wort. ES steht ja mit unserm Glauben so, daß er eigentlich keine Glosse und Auslegung zur Bibel ist, sondern einfache Hinweisung auf daS, WaS klar geschrieben steht. Nicht, daß der oder jener berühmte lutherische Theolog Etwas so oder so ansgelegt hat, gilt, sondern, daß die Worte der Bibel klar dastehen. In unserer Augsburgischen Confession sind viele Lehren nicht enthalten und unsere Vorväter haben absichtlich eine Reihe Lehren nicht ins Bekenntniß ausgenommen. Das haben sie nicht der Meinung gethan, als wenn sie nichts Festes darüber glaubten, oder nicht wüßten, waS lutherischer Glaube wäre, sondern weil es bei der Uebergabe der Augsburgischen Confession darauf ankam, ein rundes, klares Bekenntniß in den besonders streitigen Lehren zu geben, in allen ändern Punkten war ja eben durch ihr Bekenntniß
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zur Schrift entschieden, was sie glaubten. Das Wort ist ja ein zweischneidig Schwert, dieses Schwert dürfen wir nicht aus den Händen lassen. Die Jesuiten redeten so verächtlich von der Bibel, sie sagten zn den Lutheranern: seht, mit der Bibel kann man nicht fertig werden, die kann jeder auslegen, wie er will; ihr müßt deßhalb einen Pabst und unsere katholische Kirche haben, was dann entschiede» wird, das ist als gewiß anzunehmen. Doch nein, dieses Schwert göttlichen Wortes ist gut genug zum Kampf gegen alle falschen Meinungen; denn es bezeugt sich auch an den Herzen, waS biblisch ist. Die Ketzer und Jrrgeister wissen und fühlen gar wohl: ja, wenn wir dem Wortlaut der Bibel folgen wollten, müßten wir unsern Jrrthum fahren lassen. Aber ihre Glossen sind ihnen lieber, als die biblische Wahrheit. — Es geschah nun folgende Zusammenfassung:
1. AlleS, was in den Symbolen gelehrt ist, sei eS mit Absicht oder nur zufällig, istl lutherische Lehre, weil die symbolische Lehre die Lehre göttlichen Wortes ist.
2. Alles, waS klar in der Bibel steht, ist lutherisch, ob auch die Symbole darüber noch keine Entscheidungen enthalten.
Es wurde nun zu der nächsten Stelle aus Luther übergegangen und erwähnt, diese Stelle sei darum ausgewählt worden, weil sie ein starkes Zeugniß enthält gegen die neuere Theorie von den offenen Fragen. Da meint man, manche Punkte, welche noch nicht symbolisch fixirt seien, müsse man frei lassen, bis die kirchliche Entscheidung getroffen sei; unterdessen dürfe keiner den anderen verdammen und angreifen, sondern beiderlei Meinung müsse als gleichberechtigt gelten. Nein, offene Fragen kennt ein Lutheraner nicht in Glaubenssachen und etwas anderes als die Wahrheit hat kein Recht in der lutherischen Kirche, nichts als die Wahrheit soll gelehrt werden. Es mag diese Theorie von den ofsenewHragen wohl ihren Grund gehabt haben in einem Mißverstand der Lehre, daß man Irrende nicht gleich verdammen soll: da wollen sie nun auch dem Jrrthum selbst Duldung schaffen, bis endlich eine Einigkeit erzielt sei. Aber obwohl man den Irrenden dulden soll, so soll doch dem Jrrthum selbst keine Stätte geöffnet werden in der lutherischen Kirche. Nichts darf als eine offene Frage behandelt werden, worüber Gott in seinem Worte bereits Antwort gegeben hat. Ob eine Lehrfrage in den symbolischen Büchern behandelt sei, darauf kommt es zuletzt nicht an, sondern ob die Antwort klar in der Bibel steht. Sachen, welche nicht in der Bibel stehen, gehören gar nicht in die Kirche. Zu dem Punkte: die Kirche könne nicht irren, wurde erstlich erwähnt, unter Kirche verstehe man gar oft nur die Versammlung der sogenannten Geistlichen, aber diese sind nur dann die redende oder sprechende Kirche, wenn sie Gottes Wort sagen und bekennen. Z.B. zur Zeit der Reformation hat die Kirche nicht aus den römischen Bischöfe» geredet, sondern Dr. Luthers Wort war die Stimme der Kirche, weil sein Wort mit der Schrift stimmte. Stimme der Kirche ist immer nur Bekenntniß zur Schristlehre. Insofern also einzelne Glieder der Kirche hie und da eiumal etwas Falsches oder Irriges reden oder lehren, redet nicht die Kirche durch sie. Es kann Wohl jemand irren, welcher zur Kirche gehört, aber nicht, sofern er zur Kirche gehört. A. B.: wenn Luther etwas geschrieben, waö nicht richtig ist nach der Schrift, so hat nicht die Kirche geredet. Irren wir, so ist das unser alter Mensch und nicht der neue, welcher sich von Gottes Wort und dem heiligen Geiste leiten
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und regieren läßt. WaS heißt nun das anders, offene Fragen zugeben, als, aus Erlaubniß der Kirche hin, Irriges aussprechen dürfen. Darf das die Kirche thun? Sie weiß es wohl, es wird hin und her von Christen nach ihrem Fleisch Irriges ausgesprochen, wegen besten bittet sie auch um Vergebung, wie für andere Sünden, welche Christen aus dem Fleische heraus noch thun; aber sie kann und darf nimmermehr die Erlaubniß geben zu sündigen, ebensowenig die Erlaubniß zu irreu und Irriges auszusagen und zu bekennen. Als Beispiel, wie Glieder der Kirche nach dem Fleisch Irriges reden und die Stimme der Kirche oft nur noch in einem Einzigen laut wirv, ist auf jenes Concil hingewiesen, da alle anwesenden Bischöfe beschlossen hatten, die Priesterehe zu verbieten: nur der eine Paphnutius redete der Schrift gemäß zur Sache, er war in diesem Falle die Stimme der Kirche. — Mit welchem Gewissen können wohl unsere Gegner, die ihre Meinung für richtig halten, die andere Meinung, welche sie selbst für falsch halten, doch für gleichberechtigt gelten lassen, etwa bis zum Austrag der Sache auf eiuem Kirchentage! Ihr Gewissen muß schon ganz abgestumpft sein.
Das Zeugniß von Gerhard wurde verlesen und dabei erwähnt, dieses Zeugte iß sei ausgewählt worden, weil Biele sagen und behaupten, im 7. Artikel der Augsburgischen Confession sei gelehrt, daß nur die rechtgläubige Kirche Kirche sei. Diese Stelle Gerhards lehrt die rechte Meinung. In dem 7. Artikel wird 1. gesagt, was die Kirche sei, nämlich die Gemeinde der Heiligen oder Gläubigen. Sodann 2., welches die Kennzeichen der Kirche seien. Nun kommt es aber darauf an, ob diese Kennzeichen auch so rein und deutlich vorhanden sind, wie sie sollten. Bei den falschglanbigen Kirchen sind die Kennzeichen nun so beschaffen, daß man sieht, die Kirche ist wohl da, aber nicht so, wie sie sollte, nicht in einem ganz reinen Zustande. Den alten Lutheranern kam es nicht darauf an, zu zeigen, wo überhaupt Kirche sei, sie haben eS nie geleugnet, daß die Kirche in einem verderbten Zustande bei den Papisten gewesen sei und sei, aber es handelte sich für sie darum, zu zeigen, wie die Kirche aussehen müsse im reinen Zustande. Die folgende Stelle aus Gerhard wurde angeführt und dabei bemerkt: sie enthalte ei« Zeugniß für die gestrige Besprechung, daß nämlich eine Gemeinde nach der Lehre des Predigers, welche er führt mit Bewilligung seiner Gemeinde, zu beurtheilen sei.
Bon falschen Predigern wurde noch Folgendes erwähnt: daß sie nämlich ja nicht inimer Falsches, sondern auch Wahres predigen; sofern sie nun daS Letztere thun, sind sie keine falsche Propheten und Wölfe, dieses sind sie nur, sofern sie Falsches predigen. Wie viele falsche Propheten unter den Methodisten bekehren manche Seelen. DaS thun sie nicht durch den Jrrthum, sondern durch die Wahrheit, indem sie, nachdem sie zuvor das Gesetz scharf gepredigt, nun auch. Christum im Evangelio verkündigen; insofern sind sie keine Wölfe.
Zu der Stelle von Bechmann wurde Folgendes kürzlich bemerkt: Nach dem in der Stelle Ausgesagteu seien also die Gesellschaften der Unitarier, freien Gemeinden u. s. w. für keine wahren, d. i. wirklichen Kirchen, sondern nur für
Schein-Kirchen zu halten.
Die nun verlesene Stelle von Baier ist unter diese Zeugnisse ausgenommen
worden, weil zur reinen Lehre auch die Lehre von den guten Sitten gehört. Es
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soll in der Kirche nicht nur rechte Dogmatik, sondern auch rechte Moral gelehrt werden. Eine Kirche, worin daS nicht geschieht, ist keine reine Kirche.
Ferner wurde bemerkt, auch diejenige Kirche werde noch als reine Kirche angesehen, wo der Jrrthum nur sein Haupt nicht erheben dürfe, trotzdem daß viele in der Kirche seien, welche irrige Meinungen haben: aber sie dürfen dieselben nicht laut werden lassen; thun sie das, so werden sie gestraft und wenn sie als halsstarrig erfunden werden, hinausgethan. Man sagt von der wahren sichtbaren Kirche, sie sei rein, nicht der Meinung, als könnte nie ein Jrrthum bei ihr aufkommen: aber so bald er aufkommt und sich laut macht, wird er gestraft. Als Stimme der wahren Kirche werden nur diejenigen anerkannt, welche reine Lehre bringen.
Au der letzten bei dieser achten Thesis angezogenen Stelle von Bechmann wurde gesagt: auch diese Stelle gibt Ausschluß darüber, daß eine Kirche ihren Charakter der Reinheit und Rechtgläubigkeit dadurch nicht verliert, daß Prediger in ihren Predigten oder Theologen überhaupt in ihren Privatschriften irrige Lehren Vorbringen, wenn nur die Gemeinde selbst die falsche Lehre nicht will und gutheißt. Dadurch, daß ein Prediger einmal am Sonntage etwas Falsches auf der Kanzel predigt, wird die Gemeinde nicht falsch. Nur durch Zustimmung zur falschen Lehre, welche sie damit als ihre öffentliche Lehre annimmt, wird sie falsch-gläubig. Da in der angezogenen Stelle steht, daß es nicht auf Privatäußerungen Einzelner ankomme, ob eine Kirche rein oder nicht rein zu achten sei, sondern auf die von der ganzen Kirche approbirten Symbole und öffentlichen Bekenntmßschrif-ten, so wurde gefragt, wie es denn mit den deutschen Landeskirchen stehe während der Zeit der Herrschaft des Rationalismus und wo überhaupt keinerlei Lehrzucht bestehe? ob diese Kirchen noch als reine Kirchen anzusehen seien, da doch noch daS lutherische Bekenntniß zu Recht bestehe. Geantwortet wurde hierauf einerseits: es komme bei gegenwärtiger Thesis nicht daraus an, was der oder jener predige, genug sei: die lutherische Kirche ist zu benrtheilen nach ihren Bekenntniß-schriften; wo das gilt und geglaubt wird, was die Symbole bekennen, da ist die lutherische Kirche oder die wahre sichtbare Kirche Gottes auf Erden. —
Zum Ändern aber, da man doch auch fragen muß: wie steht es mit den einzelnen Theilen der Kirche? können diese noch als rechtgläubig angesehen werden nach dem bekannten Zustande während der Herrschaft des Rationalismus, obwohl die Symbole auf dem Papier noch gelten und also die lutherische Lehre berechtigt war? Darauf wurde geantwortet, daß solche Landeskirchen nicht mehr als reine Theile der lutherischen Kirche angesehen werden könnten. Wiederholt aber wurde erklärt, der Abfall muß ein allgemeiner sein; sonst kann eS wohl geschehen, daß auch ein Jrrgeist sich in die Gemeinde einschleicht, während doch die Gemeinde dessen falsche Lehre nicht annimmt. —
In dem Zeugniß von Bechmann wird gelehrt, daß solche falsche Lehrer die Kirche verderben und zur unreinen stempeln, welche entweder den Glaubensgrund geradezu oder mittelbar umstoßen. Geradezu heißt, wenn z. B. die Gottheit Christi geleugnet wird, mittelbar wird der Grund umgestoßen z. B. durch eine falsche Lehre von den letzten Dingen, als, wenn jemand eine doppelte Auferstehung lehrt. — Ein solcher rüttelt auch am Grund des Glaubens, aber nur mittelbar.
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Am Ende ist noch bemerkt, eine daS Wesen der Sacramente treffende Verfälschung macht auch die Kirche unrein.
Thefis IX.*) Als Ursache, warum diese ThestS an diesen Ort gestellt sei, wurde angegeben, wir Lutheraner bekennen den Römischen gegenüber, wie es unsere Vorfahren zur Zeit der Reformation auch gethan haben: eure römische Kirche liegt im Argen, im tiefsten Verfall, ihr seid nicht mehr die rechte Kirche. Von dieser verderbten Kirche müssen wir ausgehen. Auf diese Anklage entgegnen uns die Römischen: Wo war denn die rechte Kirche, wenn dem so ist, wie ihr behauptet? Wenn wir die rechte Kirche nicht waren und sind, dann hat es ja lange Zeit gar keine Kirche gegeben. Wie könnt ihr aber dieses behaupten, damit straft ihr ja euren HErrn Christum Lügen, der ausdrücklich verheißen hat, die Kirche soll nicht untergehen, die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen. Dann leugnet ihr ferner daS apostolische Symbolum, welches bekennt: Eine, heilige, allgemeine Kirche. Ein Grabau kann solchen Einwendungen nach seiner Lehre nichts Stichhaltiges entgegensetzen, da er meint, nur die reinlehrende Kirche ist die wahre Kirche. So oft eS also eine reinlehrende Gemeinschaft nicht gegeben hat, müßte auch keine Kirche gewesen sein, und unser HErr Christus hätte also sein Wort nicht gehalten. Denn wäre die rechtgläubige wahre Kirche allein die Kirche, so wäre sie oft untergegangen. Wir Lutheraner sind ganz wohlgenmth, denn wir sagen: die eigentliche, allgemeine, katholische Kirche ist auch nie unterge-gangen und kann laut Christi Verheißungen nicht untergehen. Den Römischen sagen wir: Wir leugnen nicht, daß die Kirche überhaupt geblieben sei, wir leugnen auch nicht, daß sie bei euch verborgen gewesen sei, wir geben zu, daß wir von euch ausgegangen seien, aber wir leugnen, daß ihr die rechte Kirche seid, ihr seid nur eine verderbte Kirche. Wir wissen: die Kirche im Allgemeinen ist nie untergegangen, aber eine rechtgläubige Kirche ist oft nicht dagewesen. Es hat auch unser HErr nicht verheißen, daß die Kirche immer in einem blühenden Zustande sich befinden werde. Grade von den letzten Zeiten ist unS ein solches Bild entworfen durch den HErrn selbst, daß es dann also aussehen werde, als gäbe eS gar keine Kirche mehr. —
Die Beweisstelle» zu dieser Thesis wurden verlesen, dann blieb man zunächst bei dem angeführten Exempel des Propheten EliaS stehen. Die Anführung dieses Exempels wurde insofern in Anspruch genommen, als daraus wohl erwiesen werden könne, daß die Kirche im Reiche Israel ganz verdorben gewesen sei, ja nach der Meinung des Elias ganz aufgehört habe; aber nicht könne erwiesen werden, daß die ganze Kirche in allen Ländern, wo sie damals bestand, untergegangen sei, denn es sei nach der Aussage der Schrift wohl anzunehmen, daß die Kirche, zur Zeit ihres Verfalls in Israel, in Juda eine Blüthezeit gehabt. Bon Elias wurde noch gesagt, daß er eben angefochten gewesen sei; er hätte glauben sollen, daß eine heilige Kirche, ein heiliger Same allezeit bleibe. Da er nun aber nicht- sehen konnte von der Kirche, wollte sein Glaube nicht hinan. —
Von den beiden Stellen Luc. 18. und Matth. 24. wurde gesagt, daß sie die stärksten und schlagendsten Stellen seien für den allgemeinen Abfall, wo auch das öffentliche Predigtamt gänzlich darnieder liegen werde. — Wort und Sacrament
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*) Siehe Referat 2c. pag. 47.
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wird wohl bleiben, aber ein öffentliches reineS Predigtamt wird eS nicht geben. Diese Lehre, daß die allgemeine Kirche nicht untergeht, ist sehr wichtig. Denn nur eine Secte spricht, in ihr allein könne man selig werden, außer ihrer Gemeinschaft sei kein Heil. So hat Grabau auch gethan, theilweise schon in seinen Schriften, noch stärker aber hat er sich ausgesprochen in seinen Predigten und im Umgänge mit seinen Gememdegliedern, von welchen eS etliche bekannt, wie nur daS sie bei Grabau gehalten, daß sie beredet worden seien: trennten sie sich von ihm, dann seien sie gar nicht mehr in der Kirche, ander-wo gebe eS keine Kirche. Ebenso thut auch die römische Kirche.
Die für diese Thesis gesammelten Belegstellen wurden verlesen und der Anfang mit einer Stelle aus der Apologie gemacht, wobei bemerkt wurde: es sei eine ganz unsymbolische Lehre, wenn man sage: die Kirche in ihrer Reinheit und Blüthe sei die katholische Kirche, außer welcher kein Heil sei. Dieser Artikel, daß die Kirche auch da noch ist, wo sie ganz unterdrückt ist, ist sehr tröstlich. Es ist ein Artikel des Glaubend, denn dem Worte muß man glauben, daß die Kirche nicht untergehen werde. Siehet man die Leute an, welche zur Kirche gehören, die die Kirche heißen, so möchte man denken: diese können doch nimmermehr die Kirche sein. Doch ist überall die Kirche, wo die sind, die die Kirche heißen, aber nicht sehen kannst du die Kirche, sondern glauben mußt du sie. Grabau führt diese Stelle der Apologie auch an, wo eS am Ende heißt: die rechten Kirchen seien diejenigen . .., welche an Christum wahrlich gläuben. Einen Glauben haben. Da meint er nämlich: Einen Glauben haben nur die Glieder der reinen lutherischen Kirche, also die sich zu derselben bekennen, sind die Kirche. Die List oder Blindheit dieses Mannes besteht darin, daß er „den rechten Glauben haben" und „eine richtige Erkenntniß der reinen Lehre haben" für gleichbedeutend nimmt. Nun haben alle Gläubigen der ganzen Welt Einen Glauben; aber der Grad der Er-kenntniß ist freilich sehr verschieden. Da gibt es Tausende von Leuten, deren Erkenntniß sehr gering, mit vielen Jrrthümern vermischt ist, und können doch im rechten Glauben stehen. Diejenigen aber, welche im rechten Einen Glauben stehen, sind die Kirche, mag sonst äußerlich die Gesellschaft, welche Kirche heißt, aussehen, wie sie will. ES würde schlimm um unS stehen, wenn wir nicht eher selig werden könnten, bis wir eine ganz reine, richtige Erkenntniß hätten. Es muß der Unterschied festgehalten werden zwischen rechtem Glauben und dogmatischem
Glauben.
Zu der zweiten Stelle auS der Apologie wurde bemerkt: Wenn nur etliche
Heilige bleiben, sei die Kirche da, es sei also keine besondere Organisation, kein öffentliches Predigtamt nöthig, nur etliche Heilige; wo dieselben sind, da ist Christi Verheißung erfüllt. Bei der Stelle aus I. Gerhard wurde gesagt, daß also reine Lehre, reines Predigtamt zu dem äußern Glanze der Kirche gerechnet werde. Die Chiliasten möchten sich deßhalb auch diese Stelle merken, um zu lernen, daß zum äußern Glanz der Kirche ganz andere Dinge gehören, als sie aufzählen. Ferner, die unsichtbare Kirche ist die Kirche; alles, was sonst Kirche heißt, eben nur darum so, weil die unsichtbare Kirche darunter ist, die Heiligen und Gläubigen. Diese Kirche geht nicht unter, die bleibt. Dann sagt man aber: die sichtbare Kirche ist untergegangen, wenn das Evangelium nicht mehr rein gepredigt wird und also nirgends ein reines, unverderbtes Predigtamt mehr übrig ist. --
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Thesis X.*) Nach Verlesung derselben wurde Folgendes zur Eröffnung der Besprechung beigebracht. So wahr es ist, daß sich die lutherische Kirche gründet aufs ganze Wort Gottes, so gewiß kann nur der Anspruch darauf machen, für einen Lutheraner zn gelten, welcher die Lehre annimmt, welche in den symbolischen Büchern enthalten ist. Der Name „evangelisch-lutherisch" hat eine historische Bedeutung. Es hat nur einen Luther gegeben. Will ich also wissen: waS ist lutherisch? so brauche ich nur in LutherS Schriften zu lesen, da steht eS, waS Luther gelehrt hat. Nun haben aber schon damals die Lutheraner sich z« verantworten gehabt wegen ihres Glaubens. Da haben sie denn die Lehre in eine Summe gezogen und in den Bekenntnißschriften kürzlich ausgezeichnet, waS sie glauben. Wer also lutherisch glauben will, muß sich mit seinem Glauben und Bekenntniß nach den Bekenntnißschriften halten; sonst ist er kein Lutheraner. Die generalsynodalisti-schen Neulutheraner sagen immer: wir sind auch lutherisch, aber keine deutschen, sondern amerikanische Lutheraner. Sie lügen aber, wenn sie sich lutherisch nennen und doch nicht bei der alten lutherischen Lehre bleiben, wenn sie nicht glauben, w»S jener eine alte deutsche und nicht amerikanische Luther der Christenheit vor nunmehr vierte-halbhundert Jahren aus GvtteS Wort gelehrt hat. — Es ist wahr, eS sind manche klare Lehren der heiligen Schrift nicht in den symbolischen Büchern ausdrücklich besprochen und behandelt. Diese Lehren sind darum lutherisch, weil sie biblisch sind, denn die lutherische Kirche hat sich ausdrücklich zu der heiligen Schrift Alten und Neuen Testaments bekannt. Andere Lehren, und gewiß die nöthigsten und wichtigsten, hat die lutherische Kirche öffentlich bekannt, theilS durch Annahme der alten allgemeinen, theilS durch Stellung neuer Bekenntnisse. Was wir von diesen Lehren als lutherische Christen nach der Schrift glauben, das ist gleichsam in den Bekenntnißschriften zu Protokoll gegeben. Wir dürfen z. B., wollen wir anders Lutheraner sein, nicht mehr disputiren über die Rechtfertigung eines armen Sünders durch den Glauben an Christum. Wer darüber erst noch streiten und doch lutherisch sich nennen wollte, dem müßte man einfach erklären: du bist kein Lutheraner, denn die Lutheraner haben das in den Symbolen bereits ausgesprochen, daß sie gerechtfertigt werden allein aus Gnaden durch den Glauben um Christi willen. Dasselbe ist der Fall mit allen ändern Lehren der symbolischen Bücher. Ueber andere Lehren hat die lutherische Kirche noch nicht Gelegenheit gehabt oder genommen, sich auSzusprechen, z. B. die Lehre von der Inspiration, außer dem allgemeinen Bekenntniß, daß sie die Bücher der heiligen Schrift als Gottes, von Gott selbst den Propheten und Aposteln eingegebenes, Wort anerkennt. Da kann eS wohl noch geschehen, daß die lutherische Kirche noch in den Fall kommt, wenn die Welt «och lange stehen sollte, daß sie sich auch über diesen Punkt noch in einem öffentlichen Bekenntniß aussprechen muß. Aber damit ist nicht gesagt, daß die lutherische Kirche noch gar keinen Glauben und Bekenntniß über diesen Punkt bisher gehabt hätte, nein, sie hat den rechten Glauben, d. H. die Schriftlehre auch über diesen Punkt längst, nur noch nicht öffentlich, ausgesprochen. Denn wenn ein solches Bekenntniß gestellt würde, so wäre nicht erst eine Berathung und Besprechung nöthig —nein, da würde schriftlich aufgesetzt, was die lutherische Kirche immer geglaubt hat. Nun wurde gefragt, wie es denn mit solchen Lehren stehe,
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*) S. Referat 2c. page. 50.
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welche nicht im Bekenntniß stehen und worüber unter den lutherischen Theologen zweierlei Meinung sei. Der Fragesteller meinte, was noch nicht in den Symbolen stehe, könne nicht als lutherische Lehre ausgegeben werden, obwohl er bekannte, nicht zu wissen, welche nöthige Heilslehre nicht in den symbolischen Büchen» bekannt wäre. Als Antwort wurde die Gegenfrage gethan: wenn nur das Kirchenkehre ist, was in den eben vorhandenen Symbolen bekannt ist, wie hat eS denn in den ersten drei Jahrhunderten gestanden, wo daS nicänische und athanasianische Symbolum und die spätern ausführlichen Bekenntnisse der lutherischen Kirche noch fehlten. Hatte damals wirklich die Kirche über alle nicht in den Symbolen stehenden Lehren keinen gemeinsamen Glauben, waren diese Punkte alle als offene Fragen angesehen? Nein, daS ist der Kirche nie eingefallen, darum über einen Punkt im Ungewissen zu sein oder Freiheit zu lassen. Es kam uur darauf an, daß ein Lehrpunkt klar in der Schrift ausgesprochen war. — Ferner wurde gefragt, wer denn nun das entscheiden könne, welche Bücher kanonisch seien, da doch auch hierüber die lutherische Kirche nicht- in ihrem Bekenntniß habe. Antwort: Das kann eben in Absicht auf die widersprochenen Bücher Niemand. Wir können kein widersprochenes Buch zu einem nicht widersprochenen machen. Wir müssen die Bücher annehmen mit dem Zeugniß, welches die alte Kirche, die Zeugniß abgeben konnte, abgelegt hat. Ferner wurde behauptet, Dr. Luther nehme es sich aber heraus durch seinen Ausspruch, da er den Brief St. Jacobi eine stroherne Epistel nannte, dieses Buch als ein nicht Gottes Wort enthaltendes zu bezeichnen. Antwort: Nein, daS thut Luther nicht, er glaubt nur nicht, daß es von dem Apostel Jacobus verfaßt sei und in den Kanon gehöre. Mit dem Ausdruck „strohern" will er die Epistel nicht, als nicht Gottes Wort enthaltend, verwerfen, sondern nur gleichsam sagen: Ach, das ist ja lauter Gesetz, das schmeckt mir nicht, da wende ich mich lieber wieder zu meinem Paulus. So müssen wir auch sagen von unseren Predigten: Wir predigen Gottes Wort, aber kanonisch sind sie nicht. Der bisherige Fragesteller wieS noch darauf hin, wie man nicht behaupten könne: Du bist kein Lutheraner, wenn Jemand in einem Punkte der Lehre irre, der nicht schon in den öffentlichen Bekenntnissen stehe, weil eben in diesem Punkte die lutherische Kirche sich noch nicht öffentlich ausgesprochen. Antwort: Wohl kann ich den», der z. B. die wirkliche Gegenwart des Leibes und Blutes Christi im heiligen Abendmahle leugnet, sagen: Dann bist du kein Lutheraner; irrt dagegen Jemand in einem solchen, noch nicht öffüttlich bekannten Punkte, so darf ich nicht gleich damit kommen, sondern weise ihm zunächst seinen Jrrthum aus der heiligen Schrift nach. Will er aber auf das klare GotteS-Wort nicht hören, so sage ich ihm freilich auch zuletzt: „Ei, dann bist du ja kein Lutheraner, denn die lutherische Kirche glaubt, was klar in der Bibel steht." Wir Lutheraner gehören zur allgemeinen (katholischen) Kirche, wir haben die Lehre der allgemeinen Kirche; die Lehre der allgemeinen Kirche ist die Bibellehre, alles, alles gehört zum Lutherthum, waS in der Bibel steht. Wir wären ja eine Secte, wenn »vir nur einige in den lutherischen Bekenntnißschriften stehende Lehren annehmen wollten, von ändern Lehren aber nichts wissen oder sie für offene Fragen halten wollten, trotzdem daß Gottes Wort sie klar ausspricht. Wir »vären nicht eine Secte in den» Sinne, daß wir etwas Falsches lehrten, aber insofern, als wir bestimmte Wahrheit göttlichen Wortes
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frei ließen. Es wurde nun auf die Entstehung der Bekenntnisse der alten Kirche hingewiesen. Da entstanden Irrlehren. Hat nun die Kirche zu den von Jrr-lehrern beunruhigten Gemeinden gesagt: Nun beruhigt euch nur vorerst; wenn wir unser Concilium halten, dann wollen wir die Sache untersuchen und feststellen. Nein, die Kirche hat schon vorher gewußt, waS sie zu glauben hat, aber den auftauchenden Jrrthum verwirft sie, und zu gleicher Zeit erklärt sie sich ausführlich über ihren eigenen schriftgemäßeu Glauben. Die Concilien gaben bloß Zeugniß, sprachen bloß aus, was die Kirche immer geglaubt hat. So sind alle, so auch unsere lutherischen Bekenntnisse entstanden und, waS wohl zu beachten, gerade die sogenannten nur beiläufig bekannten Wahrheiten gelten für recht feste, ausgemachte Wahrheiten, weil die Kirche nicht für nöthig achtete, sich über sie besonders zu erklären.
Ein weiterer Einwand in dieser Sache wurde so formulirt: Wofür hat denn die lutherische Kirche diejenigen angesehen, welche nach Luthers Tode Streitigkeiten erregten und in der Concordienformel selbst Augsb. Confessionsverwandte genannt werden. Ehe das Bekenntniß gemacht, hätte man diese Leute doch nicht unlutherisch genannt. Die Concordienformel weise selbst auf den Unterschied zwischen Streitigkeiten außerhalb der lutherischen Kirche und unter den Bekennern der Augsb. Confession. Antwort: Bekenner der Augsb. Confessiou heißen diese eben, weil sie auS der lutherischen Kirche aufgestiegen sind; aber die Meinung der wahren Lutheraner ist nie gewesen, daß sie in der lutherischen Kirche bleiben sollten. FlaciuS z. B., als er selbst noch recht stund, hätte sie gerne hinaus gehabt, aber eS drehte sich darnach so, daß er hinaus mußte. Mau hat diese Jrrgeister auch, da der Streit erst recht entbrannt war, bei ihrem rechten Namen genannt: Kryptocalvinisten, Majoristen, Adiaphoristen, Jnterimisten rc. Die Leute sind mit demselben Recht, resp. Unrecht, damals in der lutherischen Kirche geblieben, mit welchem später die Rationalisten in der Kirche geblieben find. Summa: das Bekenntniß der lutherischen Kirche ist in den Symbolen, aber das ganze, volle, alles umfassende Bekenntniß ist in der Bibel. Als solche Punkte, welche vielleicht noch einmal ein Bekenntniß der lutherischen Kirche nöthig machen, wurden, außer der Juspirationslehre, bezeichnet: das Verhältniß des Alten zum Neuen Testa? ment, das Verhältniß zwischen Vernunft und Offenbarung, zwischen Religion und Philosophie, von den letzten Dingen. Aber auch wenn die Kirche über diese Punkte ein öffentliches Bekenntniß ablegte, so müßte man doch immer sagen: Das ist die Lehre der Kirche von je gewesen. Um das Ungehörige dieser Meinung, daß, was noch nicht im Bekenntnisse steht, auch nicht als lucherische Lehre aus-gegebeu werden dürfe, zu zeigen, wurde das Beispiel gebraucht, wenn ein Methodist in eine unserer Kirchen käme uud hörte etwas predigen, was offenbar falsch wäre nach der Schrift, aber einen Punkt beträfe, welcher noch nicht ins Symbol ausgenommen; derselbe käme nun zu uns uud fragte uns darüber. Was sollten wir da sagen? Sollten wir sagen: diese Lehre ist wohl nicht biblisch, aber sie ist weder lutherisch noch unlutherisch, weil darüber noch nichts in den Symbolen steht; oder sollten wir nicht vielmehr sagen: das Gelehrte oder Gepredigte ist un-lutherisch, weit es uubibtisch ist. — Auf die Frage, »varum in dieser Thesis das sowohl in unfern Bekeuutnißschriften selbst abgelegte, als auch bei der Ordination
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der Prediger geforderte Bekenntniß zu sämmtlichen kanonischen Büchern Men und Neuen Testamentes, als Gottes Worte, nicht vorweg stehe, erklärte der Thesensteller, daß er bei Abfassung dieser Thesis gedacht habe, eben nur daS zu nennen, WaS specifisch lutherisch sei (da ja andere Gemeinschaften auch dieses Bekenntniß dem Wortlaute nach hätten, daß das Alte und Neue Testament Gottes geoffenbarteS Wort sei), aber er sehe wohl, daß eS sehr gut gewesen wäre, Thesis 10. so zu setze»»: Die evangelisch-lutherische Kirche ist die Gesammtheit aller derjenigen, welche sich zu allen kanonischen Büchern Alten und Neuen Testaments, als Gottes geoffenbartem Worte, und zu der durch die Reformation Luthers wieder an den Tag gebrachten und im Jahre 1530 zu Augsburg dem Kaiser und Reich summarisch in Schrift übergebenen und in den ändern sogenannten lutherischen Symbolen wiederholten und ausgeführten Lehre als zu der reinen Lehre des göttlichen Wortes ohne Rückhalt bekennen.— Zu dem aus der Concordienformel mitgetheilten Zeugniß wurde bemerkt: Wer sich also nicht zu den symbolischen Büchern bekennt, widerspricht der lutherischen Kirche uud verliert, wenn er bei diesem Jrrthum beharrt, sein Anrecht auf den Namen eines Lutheraners, denn ein Lutheraner ist nur derjenige, welcher zu der gewissen Ueberzeugung gekommen ist, daß in den symbolischen Büchern der lutherischen Kirche die reine Wahrheit göttlichen Wortes stehe, deßhalb bekennt er sich auch zu den Bekenntnißschriften der lutherischen Kirche nicht bedingungsweise und eingeschränkt, sondern mit einem unverclausulirten weil. "Andere Schriften, welche unter lutherischem Namen gehen, sind dann eben wieder nach den Be-kenntnißschrifteu zu benrtheilen und anzunehmen, sofern sie mit diesen anerkannten Bekenntnissen übereiustimmen.
Am Schluffe dieser Stelle wird gesagt, daß man sich zur Augsburgischen Confession bekenne, weil dieses Bekenntniß, als vor den Zeiten der Streitigkeiten verabfaßt, ganz unparteiisch angebe, was die Lutheraner glaubten. Zugleich kann man hier auch wieder sehen, wie beiläufig ausgesprochene Lehren in frühern Bekenntnissen, in späteren, z. B. in der Concordienformel, als Beweisgrund in einer streitigen Lehre angeführt werden. So sei eine beiläufige Bemerkung über den freien Willen in dem Artikel der Augsburgischen Costfession vorn Glauben und guten Werken in den Auseinandersetzungen der Concordienformel über dm Synergismus als Beweisgrund angeführt. —
Man kann nicht sagen, daß sich Jemand ohne Falsch z« den symbolischen Büchern bekenne, welcher nicht auch aus beiläufig gemachten Bekenntnissen sich »rill überweisen lassen. Die Jowaer bekennen sich nicht ohne Falsch zu dem 17. Artikel der Augsburgischen Confession, da sie nicht glauben wollen, daß ihr Chiliasmus verworfen werde durch das beiläufige Bekenntniß, daß am jüngsten Tage alle Todten »verden auferstehen. — Die folgende Stelle von Luther wurde verlesen und dabei bemerkt: Die Augsburgische Confession ist das Grundbekennt-niß der lutherischen Kirche; welche Kirche sich ohne Falsch dazu bekennt, ist uns eine liebe Schwesterkirche — in einer viel aufrichtigeren Weise ist sie uns Schwesterkirche, als eine solche Gemeinschaft, welche sich zwar zu allen symbolischen Büchern,
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aber nur bedingungsweise bekennt. Nimmt nämlich eine Kirche die Augsburgische Confession ohne allen Rückhalt an, so nimmt sie der Kraft nach auch allein den übrigen spätern Bekenntnißschriften Enthaltene mit an. Wenn ein Bekenntniß zu den Bekenntnißschriften mit Einschränkung geschieht, so hat solche-Bekenntniß gar keinen Werth. Um Mißverständniß zu verhüten, wurde erinnert, daß »venn in Luthers Schriften vor 1531 der Name Apologie gebraucht sei, derselbe immer die Augsburgische Confession bedeute. So auch in dem vorliegenden Zeugnisse. Um diese Stelle richtig zu verstehen, wurde folgendes Geschichtliche beigebracht: Der Reichstagsabschied hatte den damaligen Lutheranern zugestanden, sie sollten lutherisch bleiben dürfen, indem sie bei dem von ihnen bekannten Bekenntnisse blieben, aber eS ward ihnen verwehrt, noch neue Anhänger anzunehmen. Hierauf entgegnet eben Luther: Nein, unsere Brüder sind alle, welche sich zu unserer Lehre bekennen, sei es öffentlich oder in der Stille. Wie viele rechtschaffene Männer gibt eS nicht auch heute noch, theilS in der unirten Kirche, theilS in lutherisch sich nennenden, aber falsche Lehre hegenden Synoden, die aber für ihre Person sich zur reinen lutherischen Lehre bekennen! Es ist entweder Schwachheit, daß sie noch nicht erkannt haben, »vie sie nun auch aus solcker Gemeinschaft austreten müssen, oder es sind andere Umstände, die sie zum Bleiben nöthigen. Sie sind aber doch unsere Glaubensbrüder. Hiebei wurde auf den doppelten Sinn, im welchem das Wort Lutheraner gebraucht werde, hingewiesen. Erstens bezeichnet dieses Wort in dem eigentlichen gemeinen Sinn und Verstand ein Glied der sichtbaren lutherischen Kirche, wie sie als äußere Gesellschaft vor uns steht, in einer bestimmten Organisation. Es sind hienach lutherisch alle, die sich so nennen und ohne Falsch zu den lutherischen Symbolen bekennen. Zweitens aber versteht man darunter diejenigen alle, welche den lutherischen Glauben als den rechten, wahrhaft biblischen Glauben haben, und nennet mm Lutheraner alle, welche auch unter ändern, falschgläübigen Gemeinschaften doch im Herzen dem lutherischen Glauben beistiunnen.
Luther sagt einfach, die zu Augsburg überreichte Lehre sei das wahre und lautere Wort GotteS. Die Jowaer rc. dagegen: Es ist wohl Gottes Wort darin, aber eS sind doch auch viele Unrichtigkeiten und Jrrthümer darin. Schande über einen Lutheraner, das zu sagen! Schande, eine solche Schrift für ein Bekenntniß der lutherischen Kirche auszugeben, »venn die Anklage der Gegner wahr »väre!
Zu der folgenden Stelle von Arcularius: Weit entfernt, uns nur zu dem „beiläufig Bekannten" in den Symbolen zu bekennen, bekennen wir uns vielmehr zu vielen ändern Lehren, welche dem Buchstaben nach gar nicht dastehen, aber nothwendig aus klaren Schriftsprüchen folgen. Die falschen Geister unter den Lutheranern wollen sich nicht einmal zu dem Buchstaben der Symbole bekennen, ein rechter Lutheraner bekennt sich auch zu allem, was kräftig und bündig aus dein Bekenntniß geschlossen wird. Daß eS recht ist, mit dem Bekenntniß auch alle zwingenden Schlußfolgerungen auzunehmen, lehrt das Exempel Christi Matth. 22., da er aus dem Satz, daß Gott ein Gott Abrahams, Isaaks uud Jakobs sei, und ans dem allgemeinen Satz, daß Gott nicht ein Gott der Todten, sondern der Lebendigen sei und sein müsse, den Schluß zieht, daß alle Todten auferstehen. Die Sache steht so, daß wer eine nothwendige Folgerung verwirft, die Confession
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selbst verwirft. Weil in den späten» Bekenntnissen fast nur Folgerungen früher bekannter Lehren stehen, so sind diejenigen keine lutherischen Synoden, welche zwar die Augsburgische Confession annehmen, aber die ändern Symbole verwerfen. Das thut z. B. die alte General-Synode und hat damit ihren Abfall von der lutherischen Kirche genugsam bekundet. So ist es mit dem Chiliasmus, welcher in unfern Bekenntnißschriften entschieden verworfen wird, obwohl das Wort Chiliasmus nicht darin vorkommt; es kommen aber viele Stellen vor, die leiden keinen Chiliasmus, sie sind mit demselben unverträglich, daraus schließt man mit vollem Rechte seine Verwerfung. Erinnert aber wurde hiebei noch: Es muß eine richtige Folge sein. Eine richtige Folge aber ist es nicht, wenn ich eine einzelne Stelle für sich allein in einem Sinne nehme, der mit dem Zusammenhang und mit den ändern klaren Stellen der Schrift streitet. Z. B. wenn ich sage: Christus ist ein Mensch, also ist er ein Sünder, so ist dieses ein falscher Schluß, weil die ganze Schrift Christum wohl als einen wahren Menschen, aber nicht als Sünder beschreibt; oder wenn ich sage: Christus ist ein Mensch, also kann er nicht allgegenwärtig sein. Die Schrift lehrt aber, daß Christus auch wahrer Gott und also Gott und Mensch in Einer Person ist, daher er auch nach seiner menschlichen Natur allgegenwärtig ist. Jede Stelle muß ich eben in dem Sinn nehmen, den nicht ich ihr gebe nach meiner eigenen Auslegung, sondern den der heilige Geist ihr gibt, als der rechte Ausleger, da denn Schrift durch Schrift ausgelegt wird. Die ganze Lehre von der Mittheilung der Eigenschaften beruht auf lauter Schlüssen, steht aber doch eben so fest, als irgend ein klares Schriftwort. Das Zeugniß von Gerhard sagt von unserer lutherischen Kirche eine dreifache Einigkeit aus. Die erste ist die kanonische, da unsere Lehre mit den kanonischen Schriften Alten und Neuen Bundes in allem übereinkommt. >Da sagen sie nun, es sei genug, eine fundamentale Einigkeit zu haben. Freilich bringt man es oft nicht weiter, aber das Ziel soll sein Einigkeit in allem. Nun wurde eine klare Auseinandersetzung gegeben, was fundamental und nichtfundamental sei. Fundamental ist alles, was zur Pflanzung oder Erhaltung deS Glaubens dient. Was aber, obwohl in der Schrift geoffenbart, doch den Glauben nicht berührt oder verletzt, ist nicht fundamental. Zu den nicht fundamentalen Artikeln gehört z. B. die Frage, durch welche Sünde der Teufel gefallen. Diese Frage berührt den Glauben nicht im Geringsten. Ferner, vom Antichrist und wer der Antichrist sei, ob es der römische Pabst sei? und ob der Teufel auch noch selig werde? Mag nun aber eine Lehre fundamental oder nicht fundamental sein, so ist ein Christ, welcher erkennt, daß eine Lehre in der Schrift enthalten ist, verbunden, sie auch zu glauben. Ein Christ kann nur dann den christlichen Glauben auch in Andere pflanzen, »venn er selbst die fundamentalen Lehren kennt; ob er nun auch jene Lehrpuukte handelt, dadurch der Glaube nicht erzeugt und erhalten wird, davon hängt das Eut>tehen und Bestehen der Kirche gar nicht ab. — Was nun die Lehre vom Antichrist betrisst, so trägt die rechte Erkenntniß dieses Lehrstücks au sich zur Seligkeit des Einzelnen nichts bei; ccher ein lutherischer Christ und lutherischer Prediger insonderheit sollte erkannt haben, daß das Bekenntniß der lutherischen Kirche auch in diesem Punkte recht ist. Was nun die Predigt dieses Lehrstücks anlangt, so kommt es eben darauf an, ob es die Umstände nöthig machen, dieses
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Lehrstück auch viel zu treiben. Die Umstände machen es dann nöthig, wenn viel Gefahr der Kirche und den Einzelnen droht von Seiten des Antichrists. Hier in Amerika, wo PapiSmus und Communismus rc. die Hauptübel sind, welche am Baum unserer Republik nagen, da ist es gewiß nothwendig, daß das Bekenntniß gethan werde, damit man sich vor dem Pabstthum hüte. Inwiefern unsere Kirche auch in Einigkeit mit den Kirchenvätern steht, das kann am leichtesten aus Gerhard in seinen Loois erkannt werden, da er bei allen Lehrpunkten den Gang geht, daß er nach Aufführung des Schriftbeweises immer auch die Kirchenväter als beistimmende Zeugen vorführt. Ja in einem eigenen Folianten, in der Lonkessio oatllo-lios, hat Gerhard sogar Zeugnisse lauter römischer Schriftsteller gesammelt, welche für die reine Lehre sprechen. In den Schriften der Kirchenväter sind freilich viele Jrrthümer gelehrt, aber aus den Kirchenvätern kann erwiesen werden, daß alle unsere lutherischen Lehren von den Kirchenvätern gelehrt wurden. —
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Colloquium mit der Iowa-Synode.
Auf der stattgehabten Sitzung des nördlichen Districts unserer allgemeinen Synode war eine Commission der Iowa-Synode, die Herren Prof. Fritschel und Past. Klingworth, erschienen und hatte den Wunsch ausgesprochen, mit Vertretern unserer Synode über die zwischen ihnen und uns obschwebende Lehrdifferenz zu colloquiren. Der nördliche District für sich allein konnte ihnen dieses nicht gewähren, da alle Districte unserer Synode gefragt werden müssen. Er hat aber seinerseits sich bereitwillig erklärt, den Antrag der Iowa-Synode anzunehmen, obwohl es ihm sehr befremdend vorkam, daß dieser Antrag gerade jetzt gestellt wird, nachdem unmittelbar vorher und durch ihre eignen Organe so mancherlei üble Gerüchte wider uns von Seiten der Antragsteller hier und in verschiedenen Ländern Europas ausgesprengt worden seien. Es sind aus jenem District Colloquenten, einer aus dem Lehrstande und einer aus der Hörerschaft, mit je einem Stellvertreter ernannt worden. Der westliche District, der bereits früher seine Sitzungen gehalten, hat darüber nicht verhandelt; eS ist aber Seitens deS Präses ein Circular an die Synodalen erlassen und Colloquenten ernannt worden. Es sei nun die Frage, ob sich unser District in dieser Sache den ändern Districten anschließen wolle? Die Synode erklärte durch Beschluß, daß wir uns nur darüber freuen könnten, daß dieser Antrag an uns gestellt ist, und daß wir uns deßhalb den ändern Districten anschließen. Als Colloquenten wurden ernannt: Präs. Schwan und Herr Wassermann sen. von Cleveland, als Stellvertreter: Dr. Sihler und Herr Merz von Noble County, Ind.