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1866-Missouri-Walther-True Visible Church, Theses I-III (Church)
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1866-Missouri-Walther-True Visible Church, Theses I-III (Church); OCR'd by BackToLuther, August 16, 2015.

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Vierte Sitzung.

[Schriftstellen von der Kirche im eigentlichen Sinne — Trennung von der luth. Kirche.]

Die vierte Sitzung, Freitag Vormittags, den 2. November, wurde mit dem gewöhnlichen liturgischen Gottesdienste eröffnet, wobei der Gesang 171. gesungen und Psalm 67. verlesen wurde. Das Protokoll der beiden gestrrge» Sitzungen wurde verlesen und angenommen. Auf Antrag, da Herr Prof. Lange als berufener Hilfsprediger der Gemeinde in Fort Wayne nicht zur Horerschaft, sondern z?en Lehrstande gehöre, wurde sein Name von der Liste der Stellvertreter der Colloquenten zurückgezogen und an seiner Stelle Herr Bierlein in Frankenmuth ernannt. — Hierauf erfolgte die Ernennung der Committeen. Nach Ernennung deselben wurde der Beschluß gefaßt, die schon im „Lutheraner" bekannt gemachten Thesen zu besprechen.

In der Einleitung zu der nun folgenden Besprechung wurde der Grund angegeben, der den Präses bewogen habe, grade diese Thesen zu verabfassen und zu stellen. Bisher seien wir nämlich gen'öthigt gewesen, vorzugsweise dre Lehre von der unsichtbaren Kirche, als der Gemeinde der Heiligen, als der Einen, hemgen, christlichen, katholischen Kirche, zu treiben, und dem Jrrthum zu wehren, daß die

 

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sichtbare lutherische Kirche die Eme heilige christliche Kirche sei. Um dieses Kampfes willen seien wir oft als solche angesehen und verdächtigt worden, welche von Ver wahren sichtbaren lutherischen Kirche gering halten und unirt gesinnt seien als achteten wir es für gleichgültig, welcher sichtbaren kirchlichen Gemeinschaft man angehöre. Jener Kampf sei nun, Gottlob! siegreich durchgefochten, indem in »euerer Zeit wohl Niemand mehr es wage, öffentlich die sichtbare lutherische Kirche als die Eine heilige christliche Kirche zu bezeichnen, außer welcher kein Heil sei; selbst Pastor Grabau habe schon seit längerer Zeit dieses nicht mehr f» nackt und entschieden ausgesprochen, wie er früher gethan. Da sollten wir denn mm auch, um jenem Mißverstand zu begegnen, als liege uns an der Wahren sichtbaren Kirche nichts, als gelten uns alle kirchlichen Gemeinschaften gleichviel, mit Freuden ans Werk gehen, auch einmal die Lehre von der ev.-luth. Kirche, als der wahren sichtbaren Kirche GotteS auf Erden, au- der heil. Schrift «nd aus den Bekenntnißschriften unserer Kirche gemeinschaftlich zu erörtern und «n< selbst zu dem Zwecke vorzuhalten, daß wir dessen nicht nur gewiß seien, sondern auch froh werden, daß wir nicht Glieder und Diener einer falschen, sondern der rechten Kirche sind, bauend an dem rechten Zion. Nach diesen und dergleichen einleitenden Bemerkungen wurde Thesis 1. verlesen:

Die Eine heilige christliche Kirche auf Erden oder die Kirche im eigentlichen Sinne des Worts, außer welcher kein Heil und keine Seligkeit ist, ist nach Gottes Wort die Gesammtheit aller an Christum wahrhaft Glaubenden und durch diesen Glauben Geheiligten.

Matth. 16, 18.; Eph. 5, 23—27.; Ebr. 3. 6.

und die dabei angegebenen Bibelstellen gelesen und mit einigen Bemerkungen erläutert.

Die Summa von dem zu Matth. 16, 18. Gesagten war Folgendes: Deise Stelle, welche der Pabst für sich anführt, als seine feste Burg, richtet grade am allerentschiedensten das Pabstthum. Hier sagt ja unser Heiland, diejenige so die Kirche, welche auf Ihn gebaut sei; auf Ihn gebaut sein, heiße aber nichts anderes und kann nichts anderes heißen, als an Ihn glauben. Man kann ja nicht sichtbarer Weise auf Ihn gebaut werden, nur unsichtbar durch den Glauben ist Herzen. Die Kirche ist die Gemeinde der Gläubigen an Christum; denn ein andere Verbindung, ein anderes Auferbautwerden kann es gar nicht geben, als durch den Glauben. Der Pabst sagt: die Kirche sei die wahre, rechte Kirche, welche sich an ihn halte, seine Meßpriester, seine Bischöfe anerkenne, sonderlich sich an ihn als das Haupt dieser Kirche halte. Es wurde bemerkt, die Annahme sei falsch, m dieser Stelle sei das bloße Mundbekenntniß als das bezeichnet, wodurch Jemand em Glied der Gemeinde Christi oder der christlichen Kirche werde; vielmehr sei hwr ein wahres Bekenntniß gemeint, welches ein Zeichen, ein Zeugniß eine Frucht des Glaubens an Christum im Herzen sei. Das Bekenntniß Petri offenbarte eben den Glauben, welchen Petrus im Herzen hatte. Der Fels ist kein anderer, als Christus.  Wie Petrus, weil er an Christum glaubt, somit auf diesem Felsen steht, so stehen alle Gläubigen durch ihren Glauben auf demselben Grunde. Der heilige Geist hat es selbst (1 Cor. 3, 11., Eph. 2, 20., vgl. 1? Cor. 10, 4.)

 

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ausgelegt, daß Christus der Fels sei, auf welchem die Gemeinde ruhe; denn wo der heilige Geist ohne Bild von der Sache redet, wird Christus immer als Grund der Kirche bezeichnet. So bedürfen wir denn also keines HerumrathenS, waS wohl der rechte Verstand jenes Bildes sei, weil der heilige Geist, der einzige rechte Ausleger, selbst es angezeigt hat, daß Christus der Fels sei.

Zu der zweiten Stelle Eph. 5. wurde Folgendes bemerkt: Diese Stelle legt die vorige aus. Wenn das Bild eines Gebäudes angewendet wirk, um daS Ver-hältniß zwischen Christo und seinen Gliedern auzugeben, so könnte man noch an -ine äußerliche sichtbare Verbindung denken; wenn nun aber auch das Bild angc-»endet werde von der genauen Verbindung zwischen Haupt und Leib, so sei doch Aar, daß nicht von einer sichtbaren, äußerlichen Gemeinschaft geredet werde, sondern von einer geistlichen Verbindung; denn Haupt und Leib hängen ja nicht nur äußerlich zusammen, sondern sind dadurch verbunden, daß dasselbe Leben, Licht, Wärme, Kraft rc. vom Haupte aus den ganzen Leib und alle Glieder durchströmt. So hängt auch nur Derjenige mit Christo gliedlich zusammen, welchen dasselbe Leben, dasselbe Licht, derselbe Geist durchströmt. Wer nicht mit Christo geistlich verbunden ist, gehört nicht zur Kirche. Nun hat aber nur der Gläubige diese» Geist, dieses Leben in Christo; also gehört nur der Gläubige zur Kirche.

Da in diesem Spruche gesagt wird, wie der Leib Christi sei heilig und unsträflich rc., so könne man auch daraus erkennen, wie nur der durch den Glauben an Christum Gerechtfertigte mit Christo verbunden sei und zur Kirche gehöre, denn vur der Gläubige ergreift Christi Verdienst und Gerechtigkeit. Wer nicht gerechtfertigt ist, gehört auch nicht zur Kirche; denn er ist eben nicht heilig und unsträflich. Christus ist nicht das Haupt an einem schmutzigen, stinkenden Leibe, sondern an einem sonnenhellen, reinen Leibe. Diese Reinigkeit ist aber von Christ-der Kirche gegeben, und sie ergreift sie durch den Glauben. — Hierbei wurde auf den Jrrthum aufmerksam gemacht: Ein Leib sei ja etwas Sichtbares; weil nun die Kirche mit einem Leib verglichen werde, müsse dieselbe auch etwas Sichtbares fein. Allein man muß bei einem bildlichen Vergleich auch auf den eigentliches Bergleichungspunkt sehen, weßwegen eigentlich ein gewisses Bill» angewendel wird. Hier sei nun dieses Bild vom Leib nicht deshalb in Anwendung gebracht, weil der Leib eine sichtbare, äußerliche Verbindung der einzelnen Glieder sei, sondern um die innige, innerliche, Leben ausströmende Verbindung des unsichtbaren Hauptes mit den Gliedern, da- heißt, Christi mit seinen Gläubigen, zu veranschaulichen. Wie z. B. in dem Gleichniß von dem ungerechten Haushaller nicht der Vergleichungspunkt die Ungerechtigkeit urck> der Betrug, sondern die Klugheit fei, so hier, daß der Leib dasselbe Licht, denselben Geist habe, als das Haupt, Es wurde auch darauf hingewiesen, wie ungeheuerlich diese Meinung sei, daß der Leib der Kirche sichtbar sein müsse, während doch das Haupt unsichtbar sei. Dan» Wurde auch noch bemerkt, wie bei Alle», welche die Kircke noch gerne als eine Anstalt beschreiben, die Lehre noch nicht festen Fuß gefaßt haben könne und rwch nicht durchgedrungen sei, daß der Glaube allein mit Christo verbinde. Man solle ja nicht meinen, als sei diese Lehre nur eine Sache, welche für Theologen von Interesse sei, es sei dies vielmehr eine auch für das Leben sehr wichtige Lehre; denn diese Lehre, daß nur der Gläubige ein Glied Christi und seiner Kirche sei,

 

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sei ja die allerschärfste Büßpredigt. Verschweigen wir dagegen diese Lehre oder führen eine entgegengesetzte falsche, so denken alle Heuchler, sie seien doch auch Glieder der rechten Kirche; denn sie gehörten ja äußerlich zur lutherischen, rechtgläubigen Kirche. Auch für die in ihrer Einsamkeit Angefochtenen sei diese Lehre so sehr tröstlich. Solche Vereinsamte kommen leicht auf den Gedanken: wir sind außerhalb der Kirche; wisse aber, wenn du bei JEsu bist, wenn du JEsum bei dir im Herzen hast durch den Glauben, so bist du in der Kirche, mit allen Heilige» und Seligen vereinigt. Tausendmal besser und inniger sind wir mit Christo vereinigt durch den Glauben, als wenn wir alle zusammen in einem Bette lägen. Die Versammlung im Glauben ist viel inniger, als die äußerliche, sonst noch so nahe, Vereinigung, ja inniger sogar noch, als Leib und Seele vereinigt sind. Ein und derselbe JEsus ist ja in allen. Der Apostel nennt uns/veshalb Ein Brod; und an einer ändern Stelle sagt er: Ihr seid allzumal Einer in Christo JEsu. Nur Sectirer meinen, diejenigen allein seien Christen, welche um das recht- Predigtamt sich versammeln; aber nein, Christen sind diejenigen, welche den rechten Glauben an Christum haben. Luther ist so lauge im Pabstthum geblieben, weil er die Lehre von der Kirche nicht kannte. Endlich hat er eingesehen: die Kirche sind die Gläubigen; iudem ich das Pabstthum verlasse, verlasse ich nicht die Kirche; das rettete ihn. In der Kirche, die eigentlich dir Kirche ist, ist man mit seinem Geist im Glauben, nicht mit seinem Leibe.

Zll der dritten Stelle, Ebr. 3,6., wurde bemerkt: Da heißt es erstlich, „daS HauS sind wir"; hierauf kommt aber die Beschränkung dazu: „so wir anders das Vertrauen und den Ruhm der Hoffnung bis aus Ende fest behalten." Da kann man sehen, daß im allcreigentlichsten Sinne Diejenigen zu der Kirche gehören, welche im Glauben beharren. Wohl sind auch Diejenigen, welche nur eine zeitlang im wahren Glauben stehen, rechte Glieder der Kirche, aber beständig und in alle Ewigkeit Glieder sind nur die im Glauben Beharrenden. Luther erklärt de-halb auch ausdrücklich, daß er nichts habe gegen die Behauptung des seligen Joh. Huß, daß die Auserwählten eigentlich die Kirche seien. Hiebei wurde auf den Satz in der Concordienformel hingewiesen (von der Gnadenwahl), wo eS heißt: „Der Artikel von der Gnadenwahl lehrt, waS die rechte Kirche Gottes fei." — Da bemerkt worden war, daß die Sectirer sagten, wenn du vom Predigtamt dich trennst, so trennst du dich von Christo, so wurde die Aeußerung laut, die Sectirer wären da wohl im Jrrthum, weil die Leute, welche sich von den Secte» trennen, sich von der falschen Lehre dort trennten, selbst aber freilich den rechten Glauben haben könnten; aber wir in der rechtgläubigen Kirche könnten doch wohl sagen, wer sich von der sichtbaren lutherischen Kirche trennt, geht ohne Zweifel verloren, oder trennt sich von Christo. ES wurde aber entgegnet, dieses könne Man nur in dem Falle sagen, wenn man dazu setze: muthwillig oder gegen besser Wissen und Gewissen; wenn man ganz genaue untrügliche Zeugnisse dafür habe, daß der Mensch zugleich auch den Glauben an Christum verloren oder me gehabt habe. Man könne zu einem von der sichtbaren lutherischen Kirche sich Trennenden nur darnm sagen, du gehst verloren, weil er die erkannte Wahr-h«r verläßt, nicht darum, weil er unsere Person, unsere sichtbare Gemeinschaft aßt. Wir müssen sagen können, du gehst in einer solchen Weife von unS, daß

 

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wir sehen, du stehst nicht mehr im Glauben, denn darum allein ist Einer verloren. Wer aus irrendem Gewissen von der lutherischen Kirche sicb trennt, fällt deswegen «och nicht nothwendig vom Glauben an Christum ab. Geht er zu einer falsch-gläubigen Kirche, so kommt er wohl jedenfalls in dringende Gefahr, die Seligkeit zu verlieren, — aber mau kann nicht absolut in jedem Fall sagen: er ist verloren. Es ist möglich, daß Einer von der lutherischen Kirche abfällt und doch noch in Christo bleibt; soll man ihn als verloren ansehen, so müssen die Kennzeichen da sein, er sei kein Christ mehr. Wir müssen wohl bei einer solchen Handlung den Austritt verdammen, aber nicht die Person, es sei denn, daß es nach Gottes Wort ganz gewiß ist, daß die Person von Gott abgefallen sei. So können wir anch nicht alle Methodisten rc. verdammen, oder in den Bann thun, weil gläubige Kinder GotteS unter ihnen sind. Sollten alle von der lutherischen Kirche Abgetretene als Kinder des Todes angesehen werden, so müßte nachgewiesen werden, daß Niemand aus irrendem Gewissen abfallen könne. Es kommt darauf an, ob Jemand Gott verläßt, oder ob er allem aus Befangenheit unsere Gemeinschaft verläßt. Wenn ich unter den Türken bin und habe den lutherischen Glauben, so gehöre ich zur wahre» Kirche, obwohl ich äußerlich nicht zur lutherischen Kirche gehöre. ES heißt eben allein: wer glaubt, wird selig. Man kann hier recht sehen den Unterschied des Gesetzes und des Evangeliums. Das Evangelium lautet: Glaube, so bist du selig. Nun entsteht aber die Frage: Was soll ich als ein Gläubiger thun? Da heißt es: Bleibe bei der rechtgläubigen Kirche, meide alle falsche Lehre. Das Gebot des Bleibens bei der rechtgläubigen lutherischen Kirche gehört zum Gesetz. Alles, WaS ich nun gegen das Gesetz unwissentlich sündige, schließe ich ins heilige Vater Unser, nnd daS Evangelium absolvirt mich von allen meinen

Sünden und Jrrthümern.

Die rechte Lehre von der Kirche ist wichtig anch für Pastorale und Gemeinde-Praxis. Wir können Wohl theoretisch uns ganz richtig ausdrücken, aber doch in der Praxis ganz verkehrt handeln. Im Menschen geht eS auch so wunderlich zu; man nehme z. B. den heiligen Bernhard, wie schön kann dieser vom Glauben an Christum reden, und doch welche Jrrthnmer hat er nebenbei gehegt! Ein wahrer Christ, welcher aus irrendem Gewissen aus einer rechtgläubigen in eine falsch-gläubige Kirche tritt, tritt ja nicht nothwendig so von der Wahrheit ab, daß sein geistliches Leben nicht noch durch die auch in der falschen Kirche vorhandenen Hauptstücke der Wahrheit erhalten werden könnte. Sodann vergleiche man nur auch die Sccten mit den eigenen Gemeinden: haben nicht oft in den eigenen Gemeinden ganze Haufen von Gliedern ganz confuse irrige Vorstellungen? Es fällt uns aber doch nicht ein, sie deswegen zu verdammen. So gibt es auch unter den Sccten Taufende, welche sich im Grunde einfältig an Christum halten, und doch ganz verkehrte Vorstellungen haben von verschiedenen einzelnen Artikeln der Ähre. — Ob man wider besseres Wissen der Wahrheit widerspreche, darauf kommt alles an. Alle Sünde wird uns vergeben, wenn wir nur im Glauben stehen, so auch aller Jrrthum in der Lehre. So ist es auch mit Denen, welche in den Bann gethan werden; die sind nicht alle verdammt; ein falscher Bann ist kein Dann für Den, den er treffen soll. Nnr Denjenigen soll man ausschließen, bei welchem man auS deutlichen Kennzeichen sieht, daß er keinen Glauben mehr hat.

 

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Wer aber im Glauben steht, der ist nicht im Bann in der That, und wenn auch alle lutherischen Prediger der Welt ihn ausgeschlossen hätten. Nochmals, wird die Sünde vergeben, so wird auch der Jrrthum vergeben. Anders ist es mit dem muthwilkigen Stehen oder Beharren in der Sünde, oder im Jrrthum. Ein muthwilliger Sünder oder im Jrrthum muthwillig Beharrender ist verloren.

Es wurde auch nachgewiesen, daß eigentlich, wenn man streng theologisch reden wolle, der Ausdruck nicht richtig sei, wenn man sage: zur Seligkeit sei noth-wendig, zur sichtbaren rechtgläubigen Kirche zu gehören. Sei es doch unrichtig, oder doch ungenau und mißverständlich, zu sagen, daß die guten Werke zur Selig, keit nothwendig seien, und daher diese Redeweise zu vermeiden, und könne man ja selbst von der Taufe nicht sagen, daß sie zur Seligkeit absolut nothwendig sei. Man könne jene Redeweise wohl dulde», aber streng genommen, dürfe man nur sagen, daß zur Seligkeit eben nur der Glaube, und was derselbe schlechterdings voraussetzt, nöthig sei. Weil Christus sagt: man solle ihn bekennen, deswegen halte ich mich zur rechtgläubigen Kirche — aber zur Seligkeit, im strengsten Sinne geredet, ist die Zugehörigkeit znr lutherischen Kirche nicht nöthig. Wie leicht ärgert sich z. B. ein schwacher lutherischer Christ am Leben seines Predigers, verläßt deshalb die lutherische Kirche, behält aber trotz dieser Sünde im Leben den Glauben an Christum. Wie schwere Jrrthümer treffen wir an den Jüngern des HErrn JEsu vor der Ausgießung des heiligen Geistes über sie an, und sie waren doch schon damals gläubig; sie bleiben beim HErrn, und der HErr sieht sie immer noch als seine Jünger, als Glieder seines geistlichen Leibes an.— Hieraus vertagte sich die Synode bis Nachmittags 2 Uhr mit dem Gebete des HErrn.

Fünfte Sitzung.

lBethciligung der Synode beim BannJ Freitag Nachmittags, den 2. Novbr., wurde die Sitzung, wie gewöhnlich, eröffnet und nach Erledigung formeller Geschäfte beschlossen, über die Eingabe de-Herrn Rector Schick: „Ueber den Bann und über Theilnahme der Synode an demselben", zu verhandeln. Zu dem Ende wurde diese Eingabe zuerst ganz verlesen und beschlossen, die Reihenfolge der in dem Documente angegebenen Gründe: zur Besprechung zu benutzen. Hierbei wurde Folgendes bemerkt:

Christen sind nicht verantwortlich dafür, wenn irgendwo, ohne ihr Zuthun, ein falscher Bann geübt wird, machen sich also auch dadurch fremder Sünden nicht theilhaftig. Wohl sind der Christen gute Werke gemeinsame, also auch der rechte Bann; ein falscher Bann kann aber von der Kircke als solcher nicht ausgeführt werden. Eine andere Frage aber ist es, ob es nicht weise wäre unter unfern Umständen, wenn die einzelnen Gemeinden der Synodalgemeinde die Vefugniß gäben, ihr in irgend welchen Kirchenzuchtsfällen mit Rath beizustehen. Versagt werden kann diese Befugniß wohl der Synode, ob es aber geschehen sollte, das ist eme andere Frage. Wäre das allein der rechte Weg, daß sich eine jede Gemeinde er vorkommenden Kirchenzuchtsfällen erst den Rath der Synode einholen müßte, so hattm wir bis jetzt nicht nach dem Worte Gottes gehandelt.

Der Bann schließt öffentlich von der Localgemeinde und zugleich von dem Reiche Gottes aus, indem der öffentliche und unbußfertige Sünder im Namen des dreieinigen Gottes als Heide und Zöllner erklärt wird. Demgemäß werden sich

 

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denn in brüderlicher Beziehung stehende Gemeinden sorgfältig und gewissenhaft hüten, einen von einer Gemeinde Gebannten als Glied aufzunehmen, ehe sie nicht vollständig in ihrem Gewissen auS Gottes Wort überzeugt worden sind, daß jener mit Unrecht in den Bann erklärt worden sei; aber dies würde eine jede gewissenhafte Gemeinde auch dann noch zu thun haben, wenn, nachdem der Synode von der Gemeinde ein solches Recht der Ueberwachung gegeben wäre, dieselbe in solchem Falle ein Gutachten abgegeben hätte; denn auch eine ganze Synode kan« irren, Gottes Wort allein kann und muß entscheiden.

Der erste Grund also, warum es wünschenswerth wäre, daß der Synode ein solches Recht der Bannesüberwachung gegeben werde, kann nicht der vom Referenten angegebene, sondern die christliche Liebe sein. Denn wodurch könnten wir mehr unter einander Liebe üben, als daß wir einander gegenseitig mit unserer Erfahrung beistehen, doch ja wo möglich die schreckliche Sünde zu verhüten, daß auch nur ein einziger falscher Baun in der Synode ausgesprochen werde.

Das oberste Recht der Schlüssel hat Gott, das delegirte Recht hat die Kirche, und diese überträgt eS nun wieder ihren Haushaltern. Ist eine Gemeinde nun ein Glied der Kirche, so schließt sie auch im Namen der Kirche, also auch im Namen des dreieinigen Gottes aus, d. H. wenn sie mit Recht ausschließt; denn im Namen Gottes etwas thun, heißt etwas auf seinen Befehl, in seiner Vollmacht thun. Schließt also eine Gemeinde Jemand mit Recht im Namen Gottes aus, so schließt sie auch im Namen der Kirche aus, d. H. in demselben Befehl und derselben Vollmacht, in der allein es die ganze Kirche thun kann; denn eine Gemeinde kann nichts rechtes thun, außer im Namen Gottes.

Die Liebe also sollte uns treiben, daß wir, so viel an uns ist, darnach trachten, daß keine unserer Gemeinden dadurch eine schismatische werde, daß sie Jemand mit Unrecht in den Bann thut. Hingegen hätte auch die ganze Synode den Bann ausgesprochen, so gälte es darum nichts mehr, weil sie es gethan hätte, als wenn es nur eine einzelne Gemeinde gethan hätte.

Es entsteht also die Frage, ob nicht die Synode eine Liebespflicht habe, den Gemeinden in diesem Sinne zn rathen und zu Helsen, damit ja unter ihr kein falscher Bann ausgeübt werde. Der Bann an sich selbst ist nichts anders, als eine Liebeserweisung der Gemeinde an einem armen Sünder, indem sie dadurch auch das letzte ihr von Gott gegebene Mittel nicht unversucht läßt, die Seele des armen Menschen zu retten. Es würde es also 1) erfordern die Liebe zur Gemeinde, welche den Bann ausspricht, 2) die Liebe zu Dem, welcher bännisch zu halten wäre. Köstlich wäre es also, wenn wir solche Liebe unter uns wallen ließen, daß wir dieses Recht mit Freuden einander einräumten, diese Liebespsticht unter einander auszuüben, damit die Bannenden vor Sünden, die zu Bannenden vor großer Trübsal bewahrt blieben. Ja, die Ausübung solcher Liebespsticht sollte von jeder Gemeinde mit herzlichem Danke angenommen werden. Denn weil bei solchen Bannfällen allerlei auf beiden Seiten Vorkommen kann, wodurch beide Theile gereizt werden, in Mißstimmung gerathen, und zuletzt von Seiten der Gemeinde der Bann in Uebereilung ausgesprochen werden kann, hingegen der Gebannte sich über Parteilichkeit, vorgefaßtes klrtheil und dergleichen beklagen kann, so wäre es eine große Hülfe, wenn wir in dieser Hinsicht eine gewisse Ordnung

 

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machten, also keine mit einem Gesetz beladene, sondern eine nur geordnete Liebes-thätigkeit.

Wohl ist der Glaube ein Herr über alle Dinge, die Liebe aber ist aller Men-scheu Knecht. Wohl ist eine jede Gemeinde, auch die kleinste, ursprünglich unabhängig, hat dieselbe Gewalt, wie die größte, ja, wie die ganze Kirche, in ihren Grenzen; gebietet es uns aber nicht die Liebe, hier nicht nach Recht und Macht zu fragen, sondern nach dem, waS da fromme?

Der Synode wäre es nur eine ihr aufgelegte Last, in dieser Beziehung der Gemeinde zu dienen, der Gemeinde hingegen ein ihr erwiesenes Liebeswerk. Nur ein selbstkluger Prediger würde es als eine Beschränkung seiner Freiheit ansehen, daß er die Synode in solchen Fällen sollte und müßte um Rath fragen. Hingegen wer die Furchtbarkeit des Bannes in seiner Tragweite lebhaft erkennt, der wird Gott danken, wenn er den Rath auch anderer erfahrener Brüder erlangen und gebrauchen kann. Grade die Prediger haben sonderlich mit dem HochmuthS-teufel zn kämpfen, grade sie bedürfen cs daher am meisten, daß ihnen in solchen Fällen von anderen Brüdern gerathen und geholfen werde. Tenn wie leicht kann es geschehen, daß ein Prediger ungebührlich behandelt, gereizt und nach gemachter Vorstellung und Ermahnung durch den beleidigenden Theil noch mehr Mlßgestlmmt wird, und nun ans persönlichen Rücksichten darauf dringt, daß jener in Kirchenzncht genommen werde, während die erste Sünde vielleicht nur eine Uebereilungssünde war, die erst später durch falsche Behandlung mit neuen Sünden vermehrt wurde, die endlich in der Folge den Baun nöthig machten. Wurden nicht von Manchen selbst solche Sünden, von denen Or. Luther sagt, daß sie ins Vater Unser gehören, nachdem sie im ersten und zweiten Grade gestraft waren, unnöthiger Weise ans Licht gezogen, der Sünder dadurch gereizt, zu desperater Weigerung gebracht, bis man sich seiner endlich durch den Bann entledigte?

Wir sollen täglich an Erkenntniß zunehmen, und auch in diesem Stücke mangelt uns noch viel. Die Gottesfurcht, Gewissenhaftigkeit, Liebe und Demuth sollte eitlen jeden Prediger bewegen, doch ja nicht allein ans eigenen Füßen stehen zu wollen, auf seine eigene Klugheit sich zu verlassen, sondern sich gern zn den Füßen Erfahrnerer zu setzen und ihre Belehrung zu suchen, da Gott den Demüthigen Gnade gibt, aber den Hoffärtigen widersteht. Wie nöthig diese Ermahnung sei, wurde durch Thatsachen erhärtet, indem einer der Ehrw. Districtspräsides erklärte, daß er in zwei Bannfällen zu Rathe gezogen worden sei, in welchen beide» Fällen Gemeinden sowohl als Prediger fest überzeugt waren, daß der Bann mit Recht verhängt werden könne und müsse, und in beiden Fällen sei es ihm gelungen, den Betreffenden aus Gottes Wort zu zeigen, daß sie einen falschen Bann verhängt haben würden, wenn es soweit gekommen wäre. Darum sollten wir uns in solcher großen Noth eine Hülfe schaffen und die Gaben und Güter, die u«S Gott gegeben hat zum gemeinen Nutzen, auch anwenden. Daß dies nicht eher geschehen, liege daran, daß anfänglich unsere Gemeinden die größte Schen vor irgend einer Synodalgemeinschaft hatten, weil sie für ihre Freiheit fürchteten, Priesterherrschaft besorgten, und zum ändern, weil wir so wenig Erfahrung hatten und weil wir eben Deutsche seien, die Alles gern beim Alten lasten.

Wie zweckmäßig, der christlichen Gewissenhaftigkeit entsprechend und die Ein-

 

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heit fördernd, wäre es also, wenn Lei einem in Frage gezogenen Bannfall nicht nur die Gemeinde, welche leicht für eine Partei in der Sache angesehen werden kann, Aengniß ablegte, sondern auch andere, die für ganz unparteiisch gelten müssen, über die Sache nach Gottes Wort mit richteten! Schließlich gab sich hierauf durch Abstimmung als Ueberzeugung der Synode kund, daß es zur Erbauung der Kirche allerdings dienlich und förderlich sei, daß sich die Synode in Bannsachen einer Ortsgemeinde irgendwie mit Letheilige.

Ueber die Art und Weise aber etwas zu bestimmen, wie solches geschehen solle, erkannt; man für überaus schwierig, und wurde denn deswegen der Wunsch geäußert, daß von befähigten Männern aus schon vorhandenen und besonders auS Schriften älterer Lehrer der Kirche eine Schrift über die rechte Anwendung des Bannes abgefaßt werde. Schon jetzt sprach sich ziemlich allgemein die Meinung aus, die Gemeinden sollten auf gegebenen Rath der Synode den Vertrag ein-gehen, keinen Bann vollziehen zu wollen, ohne sich vorher Raths zu erholen. Sowohl um unerfahrener, leichtfertiger und unlauterer Prediger, als um unerfahrener, leichtfertiger und unlauterer Gemeinden willen sei es rathsam, eine solche Ordnung zu machen. Doch müsse man erst eine jede Gemeinde von dem Nutzen einer solchen Ordnung zu überzeugen suchen, ehe man sie zur Einführung derselben zu bewegen suchen dürfe. Grade die gewissenhaftesten Prediger und Gemeinden würden freilich auch ohne Einführung einer solchen Ordnung thun, was dieselbe vorschreibt, aber allgemeine Ordnungen sind namentlich um derjenigen willen so nöthig, die keine Ordnung haben wollen.

Ein schriftliches Gutachten, meinte man, würde wohl kaum hinreichen, denn ein Lei dem Bann activ oder passiv Betheiligter ist nicht immer für einen unparteiischen Berichterstatter anzusehen; der Antwortsteller hingegen kann nur nach dem ihm Vorgelegten nrtheilen.

Die weitere Besprechung über die Art und Weise dieser Ordnung wurde auf die nächste Nachmittagssitzung verschoben. Vertagt mit dem Gebete des HErrn.

Sechste Sitzung.

[Wer in den Bann zu thun sei. — Sinn des siebenten und achten Artikels der Augsb. Conf.]

Die Sitzung wurde Sonnabend, den 3. November, Vormittags halb S Uhr mit dem gewöhnlichen Gottesdienste eröffnet, wobei der Gesang 159. gesungen und Ps. 68. verlesen wurde. DaS Protokoll der vierten Sitzung wurde verlesen und nach etlichen nöthigen Verbesserungen angenommen. Im Anschlüsse an eine im gestrigen Protokolle befindliche Aussage: daß einer, der nicht wirklich den wahren Glauben verloren hätte, doch eigentlich nicht im Banne sei, und wenn ihn auch alle lutherischen Prediger der ganzen Welt gebannt hätten, wurde gefragt, wie es sich denn verhielte, wenn jemand sich irgend einer guten heilsamen Ordnung in einer Gemeinde nicht fügen wolle und man ihn doch nicht grade deS Abfalls vom Glauben beschuldigen könne, ob man dann denselben nicht wegen seiner Halsstarrigkeit und Unfügsamkeit bannen könne. ES wurde geantwortet, ein solcher Bann wäre kein rechter Bann. Nur offenbare, grobe Sünde mache des Bannes schuldig. Übertretungen menschlicher Ordnungen sind nur dann Sünde, wenn dadurch die Liebe verletzt wird; wo aber die Liebe durch Ueber-Iretung einer menschlichen Ordnung nicht verletzt wird, da darf auch kein Ban»

 

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verhängt werdm. Ja, wenn in einer Gemeinde auf eine pur menschliche Ordnung wie auf göttliches Gesetz und göttliche Ordnung gehalten würde, so würde eine solche Ordnung zu brechen sein eben zur Wahrung der christlichen Freiheit. So ist z. B..die Sonntagsfeier nur eine kirchliche Ordnung; hiebei ist das die Sünde, wenn ich Gottes Wort verachte und nicht gebrauche; wenn aber dieser Tag kein gottesdienstlicher Tag wäre, so möchte ich an demselben arbeiten, so viel ich wollte, und niemand hätte ein Recht, unrein Gewissen darüber zu machen. Um Gottes willen soll keine Gemeinde ein Glied ausschließen um Uebertretung einer menschlichen Ordnung willen, wenn nicht offenbar dadurch die Liebe verletzt wird. Beispielsweise wurde angeführt, wenn eine Gemeinde einen Deputaten zur Synode absendet, und beschließt, zur Aufbringung der Reisekosten solle ein jedes Glied etwas beitragen; es findet sich aber einer, welcher nichts dazu beitragen will; man läßt ihn gewähren, verlangt aber nur Friede von ihm und daß er nicht audere Glieder auch noch aufhetze. Statt besten aber fängt er Rotterei an. Wenn nun die Gemeinde einen Menschen deshalb nach vergeblicher Ermahnung ausschlösse, thäte sie recht daran? — Allerdings, weil hier offenbar die Liebe verletzt und Rotterei gemacht wäre. — Da im gestrigen Protokoll sich eine Stelle fand, daß Derjenige, welcher von der lutherischen Kirche aus irrende« Gewissen ausgegangen sei, noch nicht nothwendig ben lutherischen Glauben verloren haben müsse, welche Stelle übrigens deutlicher dahin verändert wurde; „der ist damit noch nicht nothwendig vom Glauben an Christum abgefallen" — so wurde dem widersprochen, und behauptet, daß man von Denjenigen, welche von unserer Kirche abfallen und z» einer falschgläubigen Gemeinschaft übergingen, sagen müßte, daß sie auch vom lutherischen Glauben abgefallen seien. Dies wurde zugegeben, insofern man unter luth. Glauben verstünde: die entwickelte dogmatische Erkeuntniß. Auch sah man in dieser Behauptung große Gefahr, indem Viele dann von der lutherischen Kirche abfallen würden. Es wurde aber dem entgegengehalten: ob man jemanden, der aus Schwachheit irre, in den Bann thun kenne-Als diese Frage nicht mit Ja beantwortet werden konnte, so wurde aus die schon gestern gemachte Unterscheidung zwischen einem aus Befangenheit und Unklarheit Irrenden und einem muthwillig sich gegen die Wahrheit Verhärtenden hingcwiesen. Wenn jemand gebannt werden soll, so muß der zu Bannende selbst so von her Berdammlichkeit seiner Sünde überzeugt sein können, daß er, wenn er offen und nicht verstockt wäre, eigentlich selbst sagen müßte: Ja, ich bin es werth, anSgeschlosien zu werden, aber ich .will dennoch nicht Buße thun, will dennoch eurer Vermahnung nicht folgen. — Um, was für Fälle hier gemeint seien, ins Licht zu stellen, wurde darauf hingewiesen, welch ein großer Unterschied sei zwischen in der reinen Lehre Klaren und den Tausenden von, selbst gläubigen, Einwanderern, welche in der lutherischen Lehre meist sehr wenig bekannt und befestigt seien und hier in Amerika von den Secten sich verführen ließen; von denen könne man doch gewiß nicht durchweg sagen, daß sie damit den Glauben an Christum verloren hätten. Anders aber sei es z. B., wenn jemand aus unfern lutherischen Gemeinden abtrete, nachdem er vielleicht Jahrelang die reine Lehre gehört; da möchte wohl schon eher dieser Abfall von der sichtbaren rechtgläubigen Kirche in der Regel auch mit einem wirklichen Abfall vom Glauben an Christum ver-

 

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Hunden sein. Endlich aber wurde wiederholt auf den schon gestern gemachten Unterschied hingewiesen, daß es eben darauf ankomme, ob jemand in Unwissenheit und aus Schwachheit absalle, oder aus Verachtung der göttlichen Wahrheit und aus Bosheit und Muthwillen abtreie. Bei allen einzelnen Fällen, so viele man ihrer nun auch noch erdenken möge, komme es immer darauf an. Da ein Bruder bei Gelegenheit seiner Aussprache über diesen Gegenstand sich so ausgedrückt hatte, daß Gott wohl so oder anders von dem abgefallenen Bruder nrtheilen möge, aber die Gemeinde und der Prediger müßten wissen, wie sie den Menschen anzusehen und zu behandeln haben — und es sich auließ, als glaubte der Bruder, eine Gemeinde könnte jemanden ausschließen, von dem sie doch denken könne, Gott möge ihn vielleicht dennoch annehmen und nicht verdammen: so wurde darauf aufmerksam gemacht, wie schrecklich das wäre, wenn wir Menschen in solchem Falle anders, als Gott, urtheilen und darnach handeln wollten. Nein, eben darauf komme es beim Banne an, daß Pastor und Gemeinde aus Gottes Wort ganz gewiß sei: der ist von Gott gebannt, darum müssen wir ihn auch bannen. Wenn man darin nicht gewiß sei, dann müsse man es ja lassen, jemanden zu bannen. Hiebei wurde auch noch bemerkt, daß es scheine, als richteten sich manche Prediger und Gemeinden nur nach der s. g. moralischen Ueberzeugung und nach dem Eindruck, den das Betragen eines Menschen auf das Gemüth eines ändern macht; aber diese moralische Ueberzeugung darf nimmermehr unsere Richtschnur sein, wir müssen vielmehr allein nach dem klaren, gewissen Worte Gottes gehen. Wenn du in einem Bannfall nach menschlichem Gutdünken und Gefühl handeln willst, so bist du ein greulicher Tyrann. Du mußt in einem Bannfall wissen aus Gottes klarem Worte, was Gott von einem solchen Manne denke.

Nun wurden die Belegstellen aus den Bckenntnißschriften zu der ersten Thesis verlesen, a. Augsbnrgische Confessio«: „Es wird auch gelehret, daß allezeit müsse Eine heilige christliche Kirche sein und bleiben, welche (ist) die Versammlung aller Gläubige n." (Art. 7.) Dieselbe: „Wiewohl die christliche Kirche eigentlich nichts anderes ist, denn die Versammlung aller Gläu-bigen und Heiligen (sanvtorum et vere ereäerniurn(Art. 8.) Dazu wurde Folgendes bemerkt: Im siebenten Artikel wird zweierlei angegeben, erstens, was das Wesen der Kirche sei, die Definition der Kirche; darnach werden die Kennzeichen, woran man die Kirche erkennen könne, wo man sie also zu suchen habe, angegeben. Die Worte: „bei welchen das Evangelium rein gepredigt" rc. rc. seien also nicht als ein Zusatz zu der Definition der Kirche anzusehen, sondern als ein Zusatz, worin die Kennzeichen der Kirche angegeben werden. Daß dieses die rechte Auslegung dieses siebenten Artikels sei, lehre schon der folgende achte Artikel, wo ohne jenen Zusatz bezeugt werde, daß die Kirche „eigentlich nichts anderes sei, als die Versammlung aller Gläubigen und Heiligen"; besonders entscheidend aber sei, daß in der Apologie der Augsb. Confession wiederholt ausdrücklich bezeugt werde, daß in dem Artikel der Confession erstens angegeben werde, was die Kirche sei, also das Wesen derselben, und dann deren Kennzeichen. Die Auslegung aber, welche die Apologie gebe, sei die allein authentische, weil sie von denen, welche die Confession übergeben haben, selbst herrühre und von unserer Kirche als solche anerkannt sei. Es ist deshalb ein Jrrthnm vieler Neueren, wenn sie meinen,

 

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der Satz des siebenten Artikels der Augsb. Confession: „bei welchen" rc. gehöre n»5t zur Wesensbestimmung und enthalte nicht nur die Angabe der Kennzeichen. Es sei auch ungereimt, zu sagen: die Kennzeichen einer Sache seien ihre Bestand-theile; ein vernünftiges Urtheil abgeben, sei z. B. ein Kennzeichen einer vernünftigen Seele, aber das Urtheil selbst deshalb »roch nicht/in Bestandtheil der Seele; ferner, daß vom Winde die Bäume und andere bewegliche Gegenstände bewegt werden, sei ein Kennzeichen des Windes, denn man könne an der Bewegung dieser Gegenstände wahrnehmen, daß Wind da sei und wehe, aber die Bewegung selbst gehöre nicht zum Wesen des Windes, die Angabe dieses Kennzeichens also auch nicht in die Definition desselben. Wenn nur Gläubige da sind, dann ist die Kirche da, auch in der Türkei oder sonstwo, wo kein öffentliches Predigtamt ist. Die Gläubigen machen die Kirche aus; zur Definition des Wesens der Kirche gehört also nur das: sie sei eine Versammlung der Gläubigen. Nimmermehr sind die Gnadenmittel, Wort und Sacrament, die Bestandtheile der Kirche, gehören also auch nicht zur Wesensbestimnumg derselben. Die Gnadenmittel sind nur die Mittel, wodurch die Kirche entsteht und besteht. Die Kirche ist eine Anzahl Menschen, welche an JEsum Christum glauben — mehr gehört nicht in die Wesensbestimmung der Kirche oder zur Antwort auf die Frage, was die Kirche sei. Der falsche Verstand dieser Art will da hinaus, es sei hier eben angegeben als Definition der Kirche: Versammlung der Gläubigen um Wort und Sacrament oder um das rechtgläubige Predigtamt. Aber es ist ja nicht zn leugnen, daß auch unter den Falschgläubigen noch Gläubige sich befinden, ja, mitten unter den Ungläubigen. - Dieses müßte aber geleugnet werden, wenn jene Auslegung richtig wäre. Es leugnet es aber weder Past. Grabau, noch ein anderer von den romanisirenden Lutheranern, noch der Pabst selbst. Man ^merke ja nur auf die Worte: es heißt im achten Artikel, die Kirche sei die Versammlung aller Gläubigen, wo sie nur seien, nicht aber allein die um Wort und Sacrament sichtbar versammelten Gläubigen. Unter dem Worte „Versammlung" verstehen die Romanisirenden die sichtbare Versammlung, aber es ist nichts Anderes gemeint, als die unsichtbare Versammlung aller Gläubigen in der ganzen Welt. Das Wort „Gläubige" wird hier anch nicht im Sinne der Päbstler genommen, welche sogar von gläubigen Hurern, Ehebrechern, Dieben rc. reden, denn es heißt im lateinischen Texte des achten Artikels ausdrücklich: „aller wahrhaft Gläubigen." In der angezogenen Stelle der Apologie wird angegeben, worin die Kirche stehe oder bestehe, dann werden die Kennzeichen vermeldet, an denen erkannt werde, nicht was die Kirche sei, sondern wo sie sei. Es werden aber hier die deutlichsten, und zwar die untrüglichen Kennzeichen der Kirche angegeben, Kennzeichen, bei denen man der Kirche gewißlich nicht fehlen kann. Wenn nun aber die Kennzeichen nicht in ihrer ganzen Deutlichkeit vorhanden sind, so ist damit noch nicht gesagt, daß die Kennzeichen und die durch sie sich offenbarende Sache überhaupt nicht da sei, so wenig ich, wenn ich einen Menschen mit nur Einem Bein, Einem Arm rc. finde, sagen kann, es ist gar kein Mensch da; es ist eben das Kennzeichen mangelhaft, der Mensch aber doch daran noch zu erkennen und gewiß vorhanden. So hat auch eine sichtbare mit Jrrthum befleckte Kirchengemeinschaft die angegebenen Kennzeichen nicht so vollkommen, aber es ist doch noch etwas von den Kennzeichen und

 

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darum auch die Kirche da. Es kann aber wohl sein, daß ihr so viel fehlt, daß die Kennzeichen so schwach sind, daß man fast immer sagen möchte: diese Kirche liegt im Sterben; aber wo noch so viel da ist vom Worte Gottes, daß die Leute noch zum Glauben an Christum kommen können, da ist auch noch die Kirche da, und ihr Vorhandensein wird eben angezeigt durch das, was vom Worte Gottes noch da ist, oder auch von den heiligen Sacramenten. Tie lieben Kinder, welche ja Gott und seiner Wirkung in der Taufe nicht mnthwillig widerstreben, sind Glieder der Kirche; daß die Kirche noch da ist, kann man daher daran sehen, daß die Kinder getauft werden. Anders ist es, wo kein Wort Gottes und kein Sacrament mehr ist, da ist auch keine Kirche. Aus dem, daß wir das Vorhandensein der Kirche auch unter falschgläubigen Gemeinschaften, welche nicht reines Wort und Sacrament haben, bekennen, folgt nicht, daß man sich nun solchen Gemeinschaften anschließen solle. O nein! wir fechten nicht für die falschen Lehrer und Verführer, sondern nur für die in solchen Gemeinschaften verborgenen Kinder Gottes. Da im siebenten Artikel der Confession gesagt wird: „bei welchen das Evangelium rein geprediget wird" rc., so »vurde die Bemerkung gemacht, daß damil keineswegs geleugnet werden solle, daß die Kirche auch da sei, wo das Wort Gottes nicht ohne Beimischung falscher Lehre geprediget werde, sondern cs »verden damit die Kennzeichen der Kirche angegeben, wie sie eigentlich immer sein oder in die Erscheinung treten sollte, der Kirche in ihkern idealer» Zustande, wenn sie in ihrer vollen Blüthe steht. So Gerhard und andere ältere Theologen. Dieselben Theologen nennen aber eine Kirche noch Kirche, wenn die Kennzeichen auch nicht in ihrem volle»» Glanze dastehen; gerade wie man einen Menschen noch einen Menschen nennt, wenn er auch ein Glied seines Leibes, also ein Merkzeichen verloren hat, oder wenn die Kräfte seines Geistes nicht mehr in ganz vollkommenem Zustande sich befinden. Wenn ich aber einen Menschen beschreiben will, beschreibe ich freilich nicht einer» Menschen mit allerlei Mängeln, Fehlern und Unvollkommenheiten, sondern wie er sein sollte. Es wurde auch folgende Erklärung dieses Artikels der Augsb. Confession versucht: Es sei hier die lutherische Kirche angegeben; welche eben damals die Bekenner der Augsb. Confession bildeten, die seien die rechtgläubige, sichtbare Kirche; nur» seien zwar unter dem Pabstthum und anderwärts, wo Gottes Wort nicht rein und lauter gepredigt werde rc., »vohl auch noch Kinder Gottes, die auch Recht dazu hätten, daß Gottes Wort rein gepredigt werde, aber sie würden von der» Tyrannen, unter welchen sie schmachten, verhindert, dieses Recht zu gebrauchen. Es wurde aber dagegen bemerkt, daß diese Auslegung doch etwas künstlich sei und besonders die Auslegung der Apologie gegen sich habe, und dann, daß ja nicht von einem bloßen Rechte zur Verwaltung der Sacramente und zur Predigt des Worts geredet werde, sondern von einem wirklichen Verwalten und Ausüber» der Gnadenmittel. Noch von einer ändern Seit« wurde die Sache so aufgefaßt, als sei im ersten Theil des siebenten Artikels die Rede von der allgemeinen heiligen Kirche, im zweiten Theile (von dem „bei welchen" rc. an) aber solle die rechtgläubige sichtbare Kirche beschrieben werden. Darauf wurde aber geantwortet, es könne hier unmöglich ausschließlich und im Gegensatz gegen die unsichtbare Kirche die rechtgläubige, sichtbare Kirche gemeint und beschrieben werdm, vielmehr müssen die Kennzeichen der unsichtbaren Kirche angegeben werden, denn da

 

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eS nicht zwei verschiedene Kirchen, eine sichtbare und unsichtbare, gibt, so wird, wann und wo von Kirche an einem gewissen Orte geredet wird, immer die unsichtbare Kirche nach einem einzelnen Theile und in einer gewissen Rücksicht gemeint. Da eine verderbte Kirche mit einem eines Gliedes ermangelnden Menschen verglichen worden war, so wurde zur Vermeidung von Mißverstand und falscher Anwendung bemerkt: während Wort und Sacrament allein Kennzeichen, aber keine Theile der Kirche seien, so seien hingegen allerdings Arme und Beine und audere Glieder nicht nur Kennzeichen, sondern auch zugleich Theile des menschlichen Körpers und Wesens. Schließlich wurde auch noch das beigcfiigt, daß unsere alten Lehrer gar nicht anders hätten reden können, denn sie hätten ja die Pflicht gehabt, die Kennzeichen der Kirche so anzugeben, daß die Leute zur rechtgläubigen Kirche hingeführt würden, nicht aber hätten sie es verantworten können, wenn sie die Kennzeichen der Kirche so angegeben hätten, daß durch ihre Schuld Schwache verführt worden wären, bei falschgläubigen Gemeinschaften zu bleiben oder sich zu denselben zu begeben. — Vertagt mit dem Gebete des HErrn.

Siebente Sitzung.

[Bann Ueberttetung kirchlicher Ordnung. — Wesen der Kirche nach der Apologie und den alten Lehrern.]

Montag, den 5. Nov., Vormittags 8-1/2 Uhr, versammelte sich die Synode zur siebenten Sitzung. Nach dem gewöhnlichen Gottesdienste, wobei der Gesang 134. gesungen und Psalm 96. verlesen wurde, »vurde zuvörderst daS Protokoll verlesen und nach den nöthigen Verbesserungen angenomn»en. Im Anschluß an eine Bemerkung im letzten Protokoll wurde geäußert, ein Mensch, welcher sich einer gemachten Ordnung nicht fügen wolle, müsse doch wenigstens in jedem Falle in Kirchenzucht genommen »verden. Es wurde erwiedert, daß man den Unterschied zwischen einer brüderlichen Ermahnung und dem eigentlichen Kirchenzuchtsverfahren wohl festhalten solle. Man solle nie in einem Falle mit der Kirchenzucht beginnen, »vornan nicht nöthigenfalls anch zn dem letzten Schritte, zum Ausschluß, bereit sein könne. Da ein lieber Bruder in der letzten Sitzung auf die direct an ihn gestellte Frage: ob er glaube, daß man jeden Irrenden aus-schließen müsse, nicht eine runde Antwort geben wollte, so wurde er, nachdem er durch die stattgehabte Discussion mehr zur Klarheit zu kommen Gelegenheit gehabt, aufgefordert, seine Ueberzeugung nun auszusprechen, was denn auch zur Befriedigung der Synode geschah, indem er nun seine völlige Uebereinstimmung mit der Synode auch in diesem Punkte bezeugte. Derselbe Bruder machte aber den Antrag, eS möge doch etwa in einer Pastoral-Conferenz derselbe Gegenstand nochmals ausgenommen werden. Die Synode bestimmte auch den nächsten Mittwoch-Abend zu diesem Zwecke. Hierauf wurde in Besprechung der Thesen, resp. in Verlesung der Belegstellen zur ersten Thesis, weiter fortgefahren. Die Stelle aus der Apologie lautet folgendermaßen: „Also bekennen wir auch in unfern» heiligen Symbolo und Glauben: ,Jch glaube Eine heilige, christliche Kirche? Da sagen wir, daß die Kirche heilig sei, die Gottlosen aber und Bösen können nicht die heilige Kirche sein. Jn unserm Glanben folgt bald hernach: Gemeinschaft der Heiligen', welches noch klarer, deutlicher auslegt, was die Kirche heißt, nämlich der Haufen und die Versammlung, welche Ein Evangelium bekennen,

 

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gleich Ein Erkenntniß Christi haben, Einen Geist haben, welcher ihre Herzen »»erneuert, heiliget mid regieret.... So wir würden sagen, daß die Kirche allein eine äußerliche Polizei (bürgerliche Gesellschaft) wäre, wie andere Negimente, darinnen Gute und Böse wären rc., so wird Niemand daraus lernen, noch verstehen, daß Christi Reich geistlich ist, wie es doch ist, darinnen Christus inwendig die Herzen regieret, stärket, tröstet, den heiligen Geist und mancherlei geistliche Gaben austheilet; sondern man wird gedenken, es sei eine äußerliche Weise, gewisse Ordnung etlicher Ceremonien nnd Gottesdienstes. Item, was wollte für ein Unterschied sein zwischen dem Volk deS Gesetzes und der K i r ch e n, so die Kirche allein eine äußerliche Polizei »väre? Nun unterscheidet PauluS also die Kirche von den Inden, daß er sagt, die Kirche sei ein geistlich Volk, das ist ein solch Volk, welches nicht allein in der Polizei und bürgerlichem Wesen unterschieden sei von den Heiden, sondern ein recht Volk Gottes, welches im Herzen erleuchtet wird und neu geboren durch den heiligen Geist. Item, in dem jüdischen Volk, da hatten alle Diejenigen, so von Natur Juden und aus Abrahams Samen geboren waren, über die Verheißung der geistlichen Güter in Christo auch viel Zusage von leiblichen Gütern, als vom Königreiche rc., und um der göttlichen Zusage willen waren auch die Bösen unter ihnen Gottes Volk ge nennet; denn den leiblichen Samen Abrahams und alle gebornen Juden hatte Gott abgesondert von ändern Heiden durch dieselbigen leiblichen Verheißungen; und dieselbigen Gottlose»» und Bösen waren doch nicht das rechte Gottes Volk, gefielen auch Gott nicht: aber das Evangelium, welches in der Kirche gepredigt wird, bringet mit sich nicht allein den Schatten der ewigen Güter, sondern ein jeder rechter Christ, der wird hier auf Erden der ewigen Güter selbst theilhaftig, auch des ewigen Trostes, des ewigen Lebens und des heiligen Geistes und der Gerechtigkeit, die aus Gott ist, bis daß er dort vollkömmlich selig werde. Derohalben sind die allein nach dem Evangelio Gottes Volk, welche die geistlichen Güter, den heiligen Geist empfahen, und dieselbige Kirche ist das Reich Christi, unterschieden von dem Reich des Teufels. Denn es ist gewiß, daß alle Gottlosen in der Gewalt des Teufels sind und Gliedmaßen seines Reiches; wie Paulus zu den Ephe-scrn sagt, daß der Teufel kräftig regiere in den Kindern des Unglaubens. Und Christus sagt zu den Pharisäern (welche die Heiligsten waren und auch den Namen hatten, daß sie Gottes Volk nnd die Kirche wären, welche auch ihr Opfer thäten): ,Jhr seid aus eurem Vater, dein Teufel!' Darum, die rechte Kirche ist das Reich Christi, das ist, die Versammlung aller Heiligen, denn die Gottlosen werden nicht regiert durch den Geist Christi. — Was sind aber viel Worte von nöthen in so klarer, öffentlicher Sache? Allein die Widersacher widersprechen der Hellen Wahrheit. So die die Kirche, welche je gewiß Christi und Gottes Reich »st, unterschieden ist von des Teufels Reich, so können die Gottlosen, welche indes Teufels Reich sein, je nicht die Kirche sein; wiewohl sie in diesem Leben, dieweil das Reich Christ» noch nicht offenbaret ist, unter den rechten Christen und in der Kirche sein, darinnen auch Lehramt und andere Aemter mit haben. Und die Gottlosen sind darum mittler Zeit nicht ein Stück des Reichs Christi, Ibeil es noch nicht

 

 

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offenbaret (noch unsichtbar) ist. Denn das rechte Reich Christi, der rechte Hanse Christi sind und bleiben allezeit diejenigen, welche Gottes Geist erleuchtet hat, stärket, regieret, ob es wohl vor der Welt noch nicht offenbaret, sondern unterm Kreuz verborgenist. Gleichwie es allezeit E i n Christus ist und bleibt, der die Zeit gekreuziget ward und nun in ewiger Herrlichkeit herrschet und regieret im Himmel. Und da reimen sich auch die Gleichnisse Christi hin, da er klar sagt Matth. 13., daß der gute Same sind die Kinder des Reichs, das Unkraut sind die Kinder des Teufels, der Acker sei die Welt,

nicht die Kirche  Und da Christus spricht: das Himmelreich ist gleich

einem Netze, item den zehen Jungfrauen: will er nicht, daß die Bösen die Kirche seien, sondern unterrichtet, wie die Kirche scheinet in dieser Welt" (äs sxseis ecelesias äioit, d. i: er redet von dem äußeren Ansehen der Kirche); „darum spricht er, sie sei gleich diesen" (damit zu vergleichen, ihnen ähnlich). „Das ist, wie im Haufen Fische die guten und bösen durcheinander liegen, also ist die Kirche hie verborgen unter dem großen Haufen und Mennige der Gottlosen, und will, daß sich die Frommen nicht ärgern sollen, item, daß wir wissen sollen, daß das Wort und die Sacra mente darum nicht ohne Kraft sein, obgleich Gottlose predigen oder die Sacramente reichen. Und lehret uns Christus damit also, daß die Gottlosen, ob sie wohl nach äußerlicher Gesellschaft in der Kirchen sein, doch nicht Gliedmaßen Christi, nicht die rechte Kirche sein, denn sie sind Gliedmaßcn des Teufels.... Und nachdem die rechte Kirche in der Schrift genannt wird Chri stus Leib, so ist jd gar nicht möglich, anders davon zu reden, denn wie wir davon geredet haben. Denn es ist je gewiß, daß die Heuchler und Gottlosen nicht Christus Leib sein können, sondern in das Reich des Teufels gehören, welcher sie gefangen hat und treibt, wozu er will." (Art. 7.)

Hiezu folgende Bemerkungen: Es sei hiernach unbegreifliche wie Lutheraner noch sagen könnten: die Bösen gehören auch zur Kirche. Die Bösen können ja nicht Glieder der Kirche sein, weil die Kirche die Gemeinde der Heiligen, eine heilige Gemeinde ist. Zu dieser falschen Annahme, daß die Bösen auch in die Kirche gehören, seien unsere heutigen falschen Lutheraner dadurch gebracht, daß sie meinen, der HErr JEsus habe ein äußerliches, religiöses Reich gründen wollen, welches wie ein weltlich Reich mit einer gewissen Abstufung unter den Beamten (worunter die Inhaber des Predigt- und Regieramtes zu verstehen seien), mit dem Unterschied von Regierenden und Gehorchenden rc. habe eingerichtet sein sollen, nur mit dem Unterschied, daß in einem weltlichen Reiche mit irdischen Dingen, in diesem Reiche aber mit religiösen Dingen nmgegangen werde. Sie meinen, die Kirche sei etwas einem Staate ähnliches. Aber die Kirche ist nicht ein leibliches, sichtbares Reich, in welchem man es jedoch nur mit religiösen Dingen zu thun habe, sondern ein geistliches Reich, in welches nur heilige Menschen gehören. Um die Bösen auch mit in den Begriff der Kirche zu bringen, weise man gewöhnlich auf die Gleichnisse hin, unter welchen der HErr selbst das Himmelreich dargestellt habe, nämlich von den klugen und thörichten Jungfrauen, von den guten und faulen Fischen, vom Unkraut unter dem Weizen. Allein damit wolle der HErr JEsus nicht lehren, so sei die Kirche ihrem Wesen nach beschaffen, sondern nur, eine solche äußerliche Gestalt habe

 

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sie, so sehe sie, äußerlich angesehen, aus. Es wird ja ausdrücklich in Gottes Wort gelehrt, der Acker sei die Welt, nicht die Kirche; aber es sehe sich allerdings so an, als sei die Kirche ein Acker, auf welchem auch Unkraut wachse und zu welchem das Unkraut mit gehöre. Wenn es heiße, die Kirche sei ein geistliches Reich, verborgen in der Welt, so sei damit klar bekannt, daß die Kirche unsichtbar ist. Ich kann wohl merken, daß und wo ein vernünftiger Geist, daß und wo eine Seele ist, aus deren Wirkung; aber ich kann Seele und Geist darum doch nicht sehen: so auch kann ich wohl spüren oder merken, wo Christen sind, aber die Christen selbst, d. H. das, waS sie zu Christen macht, kann ich nicht sehen. Die Kirche ist eben ein Reich, welches Christus in den Seelen der Menschen aufgerichtet hat. Ich sehe ihn aber nicht aus seinem Throne sitzeu, ich sehe auch seine Unterthanen nicht, denn der Glaube, wodurch sie mit Christo verbunden sind im Herzen, ist verborgen. Da sind z. B. zwei Menschen, welche einem Armen ein Almosen geben, aber ich weiß nicht, welcher eö im Gehorsam Christi, im rechten Glauben thut, als ein Christ, welcher nicht. Merkwürdig ist der Ausspruch der Apologie, daß man nicht anders von der Kirche reden könne, als daß sie ein heilig, geistlich, also unsichtbares Reich sei, weil sie der Leib Christi sei. Sie sieht es also als selbstverständlich an, daß die Kirche, weil sie der Leib Christi ist, unsichtbar sei. Heutiges Tages macht man de», umgekehrten Schluß, eben deshalb nämlich müsse die Kirche sichtbar sein, weil sie ein Leib heiße. Aber man beachtet nicht, daß die Schrift nicht sagt, die Kirche sei etwas leibliches, son-dern daß sie der Leib Christi, des unsichtbaren Hauptes, sei. Das Wort sichtbar wird bei unsern alten Lehrern immer genommen sür erkennbar. Um recht fest zu werden in der Lehre von der Unsichtbarkeit der Kirche, solle man doch recht darauf merken, daß es heiße: „Ich glaube Eine, heilige, christliche Kirche", nicht: ich sehe sie; denn was ich sehe, brauche ich nicht zu glauben. Noch nie hat ein wahrer lutherischer Lehrer behauptet, man könne die Kirche wirklich sehen, sondern nur das behaupten sie, daß man sie an gewissen Merkmalen erkennen könne. Auf ein liebliches Bild Alten Testaments, welches die Unsichtbarkeit und doch Erkennbarkeit der Kirche erläutere, wurde hiugewiesen, wie nämlich die Bundeslade im Allerheiligsteu durch den Vorhang verdeckt gewesen sei, aber an den über den Vorhängen hervorragenden Knäufen der Tragestangen wohl habe gemerkt werden können, daß das eigentliche Heiligthum hinter dem Vorhang sei. Heutzutage pflege man gewöhnlich so zu reden: die Kirche habe zwei Seiten, eine sichtbare und eine unsichtbare. Es ist aber ganz ungereimt, dieser Redeweise von zwei Seiten der Kirche sich zu bedienen, denn was sichtbar ist, kann keine unsichtbare, und was unsichtbar ist, keine sichtbare Seite haben, obwohl ein Wesen, wie der Mensch, aus zwei Theilen, einem sichtbaren und einem unsichtbaren, bestehen kauu. Es ist auch etwaö ganz anderes, wenn die alten Lehrer, z. B. Gerhard, sprechen: man könne die Kirche in gewisser Hinsicht sichtbar und in gewisser Hinsicht unsichtbar nennen (eerto rssxeotu). — Jene falschen Lehrer der Neuzeit bringen eben immer die Kennzeichen und Vorbedingungen der Kirche mit in die Beschreibung des Wesens der Kirche hinein. Es ist dieses Verfahren aber eben so thöricht, als wenn ich, weil ein Mensch Brod zu seiner Nahrung braucht, daS Brod auch mit in eine Definition des Wesens des

 

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Menschen hinemziehen wollte. Die Synode erkannte, daß man also, ganz streng von der Kirche geredet, sagen müsse, daß die Kirche immer unsichtbar sei, bis sie mit Christo in jenem Leben offenbar werden wird in der Herrlichkeit. Ich sehe wohl eine Menge Menschen, von welchen ich nach der Liebe glaube, daß sie Christen seien, also den Glauben haben, aber ich sehe ihren Glauben nicht, kann auch die Glau-bigen nicht aus der Menge der Menschen herausfinden. Ja, wenn Gott selbst sagte: dieser Mensch gehört zur Kirche, so könnte ich doch das nicht an ihm sehen, was ihn eigentlich zu einem Glied der Kirche macht, ich kann nur den sündigen Leib, die sündige Zunge sehen rc. Die Gliedschaft an .der Kirche ist eben ein be-sonderes Verhältniß der Seele zu Christo. Weil es Gott sagt, er sei ein Glied, darum glaube ich es, sehen kann ich eS nicht. So ist es z. B. auch mit getauften Kindern. Aeußerlich ist kein Unterschied zwischen einem getauften und nngetauften Kinde; daß das getaufte Kind durch die Taufe ein Erbe des Himmels geworden sei, das glaube ich allein dem lieben Gott. Niemals reden die Alten so, die Kirche kann gesehen werden, sondern nur, sie kann erkannt werden. Du hast auch nicht nöthig, zu fragen: wie kann ich die Kirche finden, wenn sie unsichtbar ist? Du kannst sie leicht finden, denn sie hat ihre Kennzeichen.

Zu der Stelle im großen Katechismus: „Das Wort eommunio, das daran" (an das Wort Kirche im dritten Artikel) „gehängt ist, sollte nicht Gemeinschaft, sondern Gemeine heißen; und ist nichts anderes, denn die Glosse oder Auslegung, da Jemand hat wollen deuten, was die christliche Kirche heiße. Das ist aber die Meinung und Summa von diesem Zusatz: Ich glaube, daß da sei ein heiliges Häuflein und Gemeine auf Erden eiteler Heiligen, unter Einem Haupt Christo, durch den heil. Geist zusammenberufen in Einem Glauben, Sinne und Verstand, mit mancherlei Gaben, doch einträchtig in der Liebe, ohne Rotten und Spaltung" (3. Art.) — wurden folgende Bemerkungen gemacht: Es scheine und werde besonders von gar Vielen heutiges Tages so angesehen, als seien eigentlich drei Punkte, welche in den ersten Worten des dritten Artikels des apostolischen Symbolums bekannt werden: l.j der Glaube an den heil. Geist, 2. der Glaube an die Existenz der Kirche, 3. der Glaube an die Gemeinschaft der Heiligen, so daß also Kirche und Gemeine der Heiligen als etwas gesondertes gefaßt werden. Der letztere Satz ist aber nur ein Beisatz zur Erklärung der vorhergegangenen Worte. Die nenen Jrrlehrer im Punkte von der Kirche sagen freilich auch, die Kirche sei heilig, aber nur darum, weil die Kirche mit heiligen Dingen umgehe. Das ist aber nach Gottes Wort und unserem Bekenntniß nicht der eigentliche Grund, warum sie heilig heißt, sondern weil sie eine Gemeinde der Heiligen oder eine Gemeinde ist, darin eitel Heilige sind.

Wenn Luther in obigem Citat von der Kirche des dritten Artikels sagt, daß sie einträchtig in der Liebe, ohne Rotten und Spaltung sei, so ist hieraus klar, daß der dritte Artikel nach Luther nur von der unsichtbaren Kirche rede, denn nur in der unsichtbaren Kirche, die da wahrhaft heilig ist, gibt es niemals Trennung und Spaltung, da ist die Liebe niemals getrennt; in der sichtbaren Kirche aber gibt es, wie die Erfahrung lehrt, nur zu viele Trennungen der Liebe.

Zu der Stelle in den Schmalkaldischen Artikeln: „Wir gestehen ihnen" (den Papisten) „nicht, daß sie die Kirche seien, und sinds auch nicht, und wolle ns auch

 

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nicht hören, was sie unter dem Namen der Kirchen gebieten oder verbieten. Denn es weiß, Gott Lob! ein Kiud von sieben Jahren, waS die Kirche sei, nämlich die Heiligen, Gläubigen und die Schäflein, die ihres Hirten Stimme hören. Denn also beten die Kinder: Ich glaube Eine, heilige, christliche Kirche" (Theil III. Art. 12.) — wurde Folgendes bemerkt: Wer die Stimme Christi nicht hört, ist kein Glied der Kirche, und wenn er auch das höchste Amt in der Kirche verwaltete; auch der höchste kirchliche Amts- und Würdenträger ist für seine Person in der Kirche nur wie Unflath am Leibe, wenn er nicht ein wahrer Christ, ein wahrhaft Gläubiger ist. Da in der Stelle das Wort Papisten vorkam, so wurde gefragt, was darunter zu verstehen sei, und geantwortet, das sind eben Diejenigen, welche den Pabst anerkennen als das Haupt der Kirche im Gegensatz gegen den HErrn Christum, aber nicht die Kinder Gottes im Pabstthum. — Hieraus wurden folgende Worte Luthers verlesen: „Die Christen sind ein besonder, berufen Volk und heißen nicht schlecht (bloß) ecelssm, Kirche oder Volk, sondern saiieta, catbolica, clirirNiunr», das ist, ein christlich, heilig Volk, das da glaubet an Christum, darum es ein christlich Volk heißt, der sie täglich heiliget, nicht allein durch die Vergebung der Sünden, so Christus ihnen erworben hat (wie die Antinomer narre»»), sondern auch durch Abthnn, Ausfegen und Tödten der Süuden, davon sie heißen ein heilig Volk. Und ist nun die christliche Kirche soviel, als ein Volk, daS Christen und heilig ist, oder wie mar» auch zu reden pflegt, die heilige Christenheit, item die ganze Christenheit. Im Alten Testament heißt es Gottes Volk. Es. 1. 11-12. 43. u. s. w. Und wären im Kinderglauben solche Worte gebraucht worden: Ich glaube, daß da sei ein christlich, heilig Volk, so wäre aller Jammer leichtlich zu vermeiden gewest, der unter dem blinden, undeutlicher» Wort Kirche' ist eingerissen. Denn das Wort »christlich heilig Volk' hätte klärlich und aewaltiglich mit sich bracht beide, Verstand nnd Urtheil, was Kirche oder nicht Kirche wäre. Denn wer da hätte gehört dies Wort »christlich, heilig Volk', der hätte flugs können urtheilen: der Pabst ist kein Volk, vielweniger ein heilig, christlich Volk. Also auch die Bischöfe, Pfaffen und Mönche, die sind kem heilig christlich Volk, denn sie gläuben nicht an Christum, leben auch nicht heilig, sondern sind des Teufels böse, schändlich Volk; denn wer nicht recht an Christum glaubt, der ist nicht christlich oder ein Christ; wer den heil. Geist nicht hat wider die Sunde, der ist nicht heilig: darum können sie nicht ein christlich, heilig Volk sein, das ist, suncta e» er»it»o1ioa ecelesia" (d. i. die heilige und allgemeine Kirche). (Schrift von den Conciliis und Kirchen vom Jahr 1539, XVI. 2778 ff.)

In Erwägung dieser Stelle blieb die Synode erstlich dabei stehen: daß -uther es hier ausspreche, wenn die Christenheit nicht die reine Lehre von der Kirche verloren hätte, so hätte das Pabstthum nicht aufkommen könne»,, so h^te der Pa 1 nie zu sagen wagen können: wer der Kirche d. H. dem Pabst und Bischöfen mch folgt, der ist ein Heide und Zöllner; aber die Christen wußte»» nicht mehr, daß die Kirä'e ein heilig Volk sei, sonst hätten sie sagen müssen: Ihr seid ;a nicht dre Kirche, und wenn ihr uns bannt, bannt uns nicht dre Kirche. — Pastor Grabau sagt auch, die Kirche sei heilig (nämlich wegen der heiligen Handlungen, welche in der Kirche vorgenommen werden), und doch will er die bösen Personen als mit

 

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zur Kirche gehörig und seinen Bann jederzeit für einen Bann der heiligen Kirch angesehen haben; warum lassen sich die Christen in jenern Gemeinden dieses gefallen? Antwort, weil sie nicht wissen, daß allein die Schäflein Christi, welche des Hirten Stimme hören, die wahre Kirche sind. Wohl zu beachten ist in der angeführten Stelle Luthers, daß in derselben die Christen selbst nicht nur darum eine heilige Gemeinde genannt werden, weil sie durch den Glauben theilhaftig sind der ihnen zugerechneten Gerechtigkeit und Heiligkeit, sondern auch wegen der innerlichen Heiligkeit des Lebens in Christo. Bei wem noch kein Anfang in dieser, der Heiligung, gemacht ist, der gehört auch nicht zur Kirche, Ebr. 12, 14. Nachdem man so herrliche, klare Worte Luthers vernommen, sprach die Synode ihre Verwunderung aus, daß es heutiges Tages noch lutherische Theologen geben könne, welche behaupten, die Lehre von der Kirche sei zur Zeit der Reformation noch nicht gehörig entwickelt gewesen, sie bedürfe noch der Vervollkommnung. Luther hätte ja gar nicht den Kampf gegen die Irrlehren seiner Zeit führen können, die unter ändern gerade den Punkt von der Kirche betrafen, wenn er nicht genau nach Gottes Wort gewußt hätte, was eigentlich die Kirche sei.

Es wurde nun ferner Folgendes aus Luther verlesen: „Wie der Mensch ist von zweien Naturen, Leib und Seele, also wird er nicht nach dem Leibe gerechnet ein Glied maß der Christenheit, sondern nach der Seelen, ja nach dem Glauben. Anders (sonst) möchte man sagen, daß ein Mann ein edlerer Christ wäre, denn ein Weib; wie die leibliche Person eines Mannes besser ist, denn des Weibes. Item, daß ein Mann ein größerer Christ ist, denn ein Kind; ein Gesunder ein stärkerer Christ, denn ein Siecher; ein Herr, Frau, Reicher und Mächtiger ein besserer Christ, denn ein Knecht, Magd, Armer und Unterthaner; da doch St. PauluS widerspricht Gal. 3, 27. 28.: ,Jn Christo ist kein Mann, kein Weib, kein Herr, kein Knecht, kein Jüde, kein Heide', sondern was die leibliche Person antrifft, ist alles gleich. Wer aber mehr glaubt, hoffet und liebet, der ist ein besserer Christ; also, daß es offenbar ist, daß die Christenheit eine geistliche Gemeinde sei, die unter die weltlichen Gerneinden nicht mäg gezählet werden, als wenig, als die Geister unter die Leiber, der Glaube unter die zeitlichen Güter.... So die Christenheit wäre eine leibliche Versammlung, so könnte man einem jeglichen an seinem Leibe ansehen, ob er ein Christe, Türke oder Jüde wäre, gleich als ich kann an seinem Leibe ansehen, ob er ein Mann. Weib oder Kind, schwarz oder weiß sei." (Vom Pabstthum zu Rom wider den hochberühmten Romanisten zu Leipzig sAlveldj von 1520. XVIII, 1212. ff.) Zu dieser Stelle wurde kürzlich die Bemerkung gemacht: Ich kam! wohl dre Leute sehen, welche sich Christen nennen und für Christen gehalten werden wollen, aber nicht, was diese Leute eigentlich zu Christen macht. —

Zu dem Worte Luthers: „Von der Kirche werden sie (die Papisten) streiten, Kirche heißt anch den gottlosen Haufen, der im Amt ist; welches sie darum streiten, daß sie die Verheißung aus sich deuten mögen" (Bedenken der Theologen auf den Tag zu Schmalkalden, den 1. März 1540. XVII, 413.) — wurde erinnert, man solle sich nur recht klar machen, warum die Papisten und papistischen Lutheraner so eifrig darauf dringen, daß die wche sichtbar sei und daß daher zur Kirche auch diejenigen gehören, welche nicht

 

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im Glauben stehen; das geschehe ans keiner ändern Ursache, als, damit sie sagen können: was wir thun und ordnen und gebieten, daS hat die Kirche gethan, und unsere Kirche kann nicht untergehen, denn sie hat göttliche Verheißungen, und wer

uns »iicht folgt, wer sich von uns trennt, geht verloren.

Endlich wurde noch folgendes Wort Luthers verlesen: „Johannes Huß bekannte dazumal, daß Eine, heilige, christliche Kirche sei, wo darum der Pabst nicht fromm und heilig wäre, so könnte er nicht ein Glied, viel weniger dasHaupt der heiligen Kirche sein, ob er gleich darinnen daS Amt hatte ; detz mußte er als ein Ketzer brennen und verflucht sein." (Auslegung des 118. Psalms

vom Jahr 1530. V, 1792.)

In diesem Ausspruche setzt Luther die falsche Lehre der Papisten und die Lehre des Joh. Huß einander gegenüber. In dem Handel zwischen Huß und den Papisten hat es sich auch um die Kirche gehandelt. Der Pabst sagte: Ich bm das Haupt der Kirche, wer sich zu mir hält und mir gehorsam ist, der gehört daher zur Kirche. Huß sagte: wer nicht heilig ist, gehört nicht zur Kirche; »st em PM nicht heilig, so gehört daher auch er nicht zur Kirche, ist kem Glied der Kirche, geschweige das Haupt der Kirche, mag er immerhin darin em Amt haben; und darob mußte er brennen. — So kann denn auch jetzt ein Christ zu emem tyrannischen Prediger sagen, der ihn damit schrecken will, daß,er, wm» er ihn verlaffe, die Kirche verlaffe: du magst wohl in der Kirche em rechte- Amt haben aber em Glied der Kirche bist du nicht, das beweist deine Tyrannei, dem falscher Barm, deine falsche Lehre; wenn ich daher deinen Bann verachte, verachte ich darum die Kirchenlichts.

Hierauf wurden folgende Zeugnisse späterer reiner Lehrer unserer

Kirche vorgelesen und darüber gesprochen:

Calov: „Obgleich^ Heuchler in jenem Haufen sind, »n welchem ^e Kirche ist, so sind sie doch nicht eigentlich in dem Haufen, welcher die Kirche ist. . . Wir machen nicht eine zwiefache Kirche, eine der H e i l »gen, eme andere, welche eine gemischte wäre; sondem wir sagen, daß d»eUnsrlgen diese Unterscheidung nur machen, insofern das Wort »Kirche' homonymisch" (d. l. also, daß zwei ganz verschiedene Sachen einen und denselben Namen führen) „emma für einen Haufen Gläubiger, zum ändern für eine Versammlung genommen wird, in welcher W Heuchler den Gläubigen beigemischt finden." (8Mem. loo. 8. S. 253. ff.) — Hiezu wurde u. a. folgende Bemerkung gemacht^ Calov macht rn der verlesenen Stelle eine scharfe Unterscheidung,' wodurch die Heuchler S^nzrch von der Kirche ausgeschlossen werden, d. h. von dem Haufen, welcher eigentlich die Kirche ist. Nur in dem Sinne redet man davon, daß die Heuchler in der Kirche seien, als sie in einem Haufen sich finden, den man wohl die Kirche nennt, ver aber die Kirche im eigentlichen Sinne nicht ist, sondern diesen Namen nur in einem uneigentlichen Sinne trägt, nehmlich allein darum, weil dieser Haufe Kirche, nehmlich wahrhaft Gläubige, mit in sich enthält; wie man em Stück Metall ein Stück Gold nennt, obgleich demselben auch Kupfer beigemischt ist. Wie aber das Kupfer darum nicht Gold oder ein Bestandtheil desselben wird, sondern nur Gold zum Golde gehört, so werden auch die Nicht-Glaubenden nie Bestandtheile oder Glieder der Kirche im eigentlichen Sinne, sind ihr nur äußerlich beigemischt

 

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und außerhalb jener heiligen Gemeinde, die von Christi Geist regiert wird, zu der nur wiedergeborene Christen gehören.

Gerhard: "Wie Christus von seinen Jüngern sagt Joh. 17, 14., daß sie in der Welt, aber nicht von der Welt seien, so sagen wir auch im Gegentheil, daß die Gottlosen in der Kirche, aber nicht von der Kirche' sind." (Loc. de eccl. § 64.) — Nach J. Gerhard sind also die Bösen wohl in der Kirche aber nicht von der Kirche. Von der Kirche sein, heißt zur Kirche gehören, in der Kirche sein, heißt in der äußerlichen Gemeinschaft »nit der Kirche stehen, »vie denn Christus spricht, seine Christen seien wohl i n der Welt, aber nick/v o n der Welt, d. H. nicht weltlich gesinnt.

Quensiedt: „Die üblen Feuchtigkeiten sind keine.Glieder des Körpers-die Bösen sind wie üble Feuchtigkeiten; also sind sie keine Glieder des Leibes' nehmlich Christi, sondern sie hängen der Kirche an, wie die Geschwüre dem Körper' von welchem sie ohne Verletzung, ja zum großen Vortheil des Körpers getrennt werden können." (Tlrsol. k. I V. e. 15. s. 2. kol. 1634.)

Derselbe: „Gottlose und Heuchler können zwar Theile der wahren Krrche, aber Keineswegs Glieder im eigentlichen Sinne genannt werden." (L.C. fol. 1637.) Hiezu folgende Bemerkung: Queustedt lehrt, die Bösen seien der Kirche zu uelinen, als die eben nur auf eine äußerliche, mechanische Werse mit der Kirche verbunden seiensie seien aber nicht Glieder, denn Glieder seren nur die Theile eines lebendigen LeibeS, die auf organische Weise zu euleln Ganzen verbunden seien, indem sie alle dasselbe Leben durchströmt von einem Mittelpunkt aus, woran es eben den Gottlosen und Heuchlern mangelt. Wollte man aber wider den Begriff eines Gliedes annehmen, die Gottlosen seien Glieder Kirche, sa hätte Christus faule, stinkende Glieder; wäre es aber nicht schrecklich, von Christo zu sagen, daß er stinkende, faule, in Sünden erstorbene, todte Glieder habe? Es wurde darauflanfmerksam gemacht, daß man doch, streng genommen, die Gottlosen auch nicht/einmal Theile der Kirche nennen könne, denn me Glieder seien doch die Theile des Leibes — ein Gottloser sei kein Glied, also auch kein Theil der Kirche. Dagegen wurde aber Quenstedts Redeweise vertheidigt weil er eben bei dem Worte .Theil nur auf die mechanische, äußerliche Verbindung gesehen, bei der Benennung .Glied' aber die innige, organische Verbindung im Auge gehabt habe. Man könne sich den Sinn dieser Benennung klar machen, indem man  z.B. sagen könne: ein Heuchler ist ein Theil der rechtgläubigen Kirche aber kem Glied derselben — umgekehrt, ein wahrer Christ kann ein Theil emer Seete fern, ist aber kein Glied einer Secte. Die Benennung Glied wird eben bei lebendigen, sich selbst bewegenden Körpern als Bezeichnung ihrer organischen T?heile angewendet, Glieder gibt es nur an solchen Körpern, wo eine geistige oder seelische Lebenssverbindung stattfindet. Ein Baum, ein Fels hat keine selbst bewegende Kraft, darum redet man von ihren Theilen nicht als von Gliedern, sondern bloß als von Theilen. Woher kommt es, daß wir von Gemeindegliedern reden, welche Benennung wir eben allen zukomnien lassen, die zu einer Gemeinde gehören, obwohl wir von ihrem Glaubensstand keine sichere Kenntniß haben?  Antwort: es wird dabei darauf gesehen, wie ein Glied der Gemeinde beschaffen sein soll, aber das Urtheil nach der Liebe, die alles glaubt, gefällt. Es soll

 

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aber eigentlich Niemand zu einer Gemeinde gehören, als wer im lebendigen Glauben steht. Wenn z. B. von der Dreieinigkeits-Kirche in St. Louis geredet wird, so redet man eigentlich nur von den Kindern Gottes in dieser Versammlung. Die Heuchler sind derselben nur beigemischt. Diese hängen nur so mit daran, wie daS Geschwür am Leibe, welches ja auch kein Glied ist, sondern nur ein Theil, dessen Entfernung ans oder von dem Leibe nicht im Geringsten zum Schaden,.sondern zum Vortheil ist. — Wie tröstlich ist diese Lehre für alle arme Prediger, welche an Gemeinden stehen, wo vielleicht eine große Mehrzahl dem Worte feindlich entgege»»-steht oder doch sich nicht vom Worte regieren und leiten lassen will! Wie leicht kommt ein Prediger in solchem Falle auf die Gedanken, die Leute zu verlassen und anderwärts ein Arbeitsfeld zu suchen, wo seine Arbeit hoffnungsreicher wäre! Aber wie schwer würde er sich versündigen, weil er ja die Kinder GotteS, welche ja eigentlich allein seine Gemeinde und Kirche sind, verließe, die doch auch noch an diesem Orte sind und denen er sich ja eigentlich nütze erweisen soll! Verließe er einen solchen Ort, so wäre das ähnlich, als wenn ein Miethling spräche: ich sehe den Wolf kommen, ich muß fliehen, ich thue eS nicht der armen Schafe wegen, sondern nur um des bösen Wolfes willen. Nein, will er kein Miethling sein, so muß er eben dann nur um so mehr bleiben.

Dannhaner: „Jene (die Heuchler) sind zwar nicht Glieder der unsichtbaren, auch nicht der wahren sichtbaren, aber doch der sichtbaren insofern, als sie mitAndern, als ihren Gliedern, ein Ganzes ausmacht." (Hoäosoxk. xluren. 2. S. 61.)

Carpzov: „Etwas anderes ist ein Hause, der aus Heuchlern und wahrhaft und aufrichtig Glaubenden besteht, etwas arideres ist ein Haufe, welchem Heuchler beigemischt sind. Die eigentlich so genannte Kirche ist ein Haufe, dem Heuchler und Nichtheilige beigemischt sind, wie die Augsburgi-sche Confession vorsichtig zu Anfang des achten Artikels (im lateinischen Texte) erklärt." (Iss§o§s in lidb. s^mbol. S. U)5.)

Zu dieser Stelle wurde bemerkt: Aller Jammer, alle Verwirrung in dem Streite über den Begriff der Kirche komme davon her, daß man den Satz nicht fest-halte: Die Kirche ist die Gemeinde der Heiligen. Diese Lehre ist so leicht, daß, wie es in den Schmalkaldischen Art. heißt, ein Kind von sieben Jahren sie fassen kann; aber heutzutage hört man so vielfach die Klage, die Lehre von der Kirche sei so schwer, man könne gar nicht damit zurecht kommen. Warum ist sie so schwer und unklar? Antwort: Weil du den Gedanken verlassest, daß die Gläubigen allein die Kirche seien.

Auf den Einwand, daß man, streng genommen, gar nicht von einer sichtbaren Kirche reden könne, daß die Redeweise eine verkehrte sei, wurde geantwortet: Verkehrt sei diese Redeweise nicht, denn insofern die Leute, welche an verschiedenen Orten versammelt sind, Christen sind, sind sie zwar unsichtbar, insofern man aber auf die äußere Versammlung sieht, in der sie sich befinden, daher dieselbe Kirche heißt, ist sie sichtbar. Dian muß auch wohl im Auge behalten den Unterschied unter dem Satze: Die Kirche ist sichtbar, was so viel heißt, als erkennbar, und: Die sichtbare Kirche, was so viel heißt, als der sichtbare Haufe, welchem der Name Kirche gebührt, weil in ihm die Kinder Gottes verborgen sind.  Um Derjenigen

 

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willen, welche zum Wesen der Kirche daS sichtbare örtliche Bersammeltsein um daS rechtgläubige Predigtamt rechnen, wurde endlich noch folgendes Zeugniß von Baier verlesen:

„Die Forma der Kirche, oder was die Kirche zur Kirche macht, besteht in der Vereinigung der wahrhaft Gläubigen und Heiligen mit Christo durch den wahren und lebendigen Glauben. Welche (Vereinigung) nicht eine äußerliche und örtliche (Vereinigung) der Leiber, sondern eine innerliche und geistliche Verbindung der Seelen ist. Denn obgleich die Gläubigen auch örtliche, heiligeZusammenkünfte halten, so sind dieselben doch der Kirche nicht wesentlich." (Compend. III, 13. 9.) — Vertagt mit dem Gebet des HErrn.

Achte Sitzung.

[Betheiligung der Synode an der Bannverhängung. — Röbbelens Wittwe-]

Dieselbe wurde Nachmittags am 5. Novbr. eröffnet mit einem liturgischen Gottesdienst und Verlesung des zweiten Theiles des 18. Cap. Matthäi.

Die Verhandlungen darüber: „ob und wie die Synode sicb in vorkommenden Bannfällen betheiligen solle", wurden wieder ausgenommen.

Er wurde bemerkt, daß durch die zu treffende Ordnung keineswegs die Gemeinden in ihren Rechten beeinträchtigt werden sollten, sondern der Synode solle von den Gemeinden nur das Recht der Berathung eingeräumt werden. Denn da wir allzumal irrende Menschen sind, wenn wir auch mit aller Treue und Gewissenhaftigkeit handeln, so kann und soll eS uns nur willkommen sein, ein Mittel ausfindig zu machen, wie wir unS hier am besten vor Jrrthum bewahren könnten. Denn als Christi Schafe sollen und müssen wir ja Christi Stimme hören. Deshalb sollen wir Prediger unsere Gemeinden vorerst recht aus dem Worte Gottes belehren, welch eine verantwortungsvolle Handlung die deS BanneS sei; dann werden unsere Gemeindenswohl nicht nur nicht leichtu,»bedacht zufahren, einen Menschen als unter GotteS Zorn stehend zu erklären, sondern auch selbst dann noch es als eine Wohlthat und als einen Liebesdienst erkennen, wenn auch, wie vorgeschlagen, die Districts-Präsides ihnen aus Gottes Wort beweisen, ob der Bann mit Recht oder mit Unrecht in einem gegebenen Falle verhängt oder ausgesprochen werden könne.

Wie geht doch ein gewissenhafter Arzt mit einem Schwerkranken so sorgfältig um, verläßt sich nicht allein auf seinen Verstand, Weisheit und Erfahrung, son. dern zieht andere Aerzte zu Nathe, nicht um ihre Entscheidung als endgültig zu betrachten, sondern wo möglich durch ihre Kenntniß und Erfahrung gefördert zu werden: so sollten doch auch die Prediger, als geistliche Seelenärzte, mit Freuden jede Gelegenheit ergreifen, um mit anderen erfahrener» Seelenärzten sich zu be-rathen und aus solcher Berathung Lehre und Hülfe zu ziehen, wenn sie auch nicht in jedem Falle ihrem Urtheil beipflichten können; das allgemein gefühlte Bedürfniß und unsere Erfahrung sollte uns die Nothwendigkeit solcher Ordnung einleuchtend machen. Obwohl wir mit dieser Ordnung kein Gesetz auflegen wollen, so soll sie doch für die allzu Hitzigen eine Schranke und Hülfe werden. Der Schade, der wegen Mangels einer solchen Ordnung schon in unsrer Synode sichtbar geworden ist, kann größer werden; der Nutzen hingegen, der durch eine solche Ordnung erzielt werden könnte, kann kein kleiner sein. Daß jedoch, wie vom Referenten

 

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vorgeschlagen, dieser Rath gerade vom DistrictS-PräseS gesucht werden solle, wurde beanstandet: dem Tistricts-Präses werde damit eine allzu große Last aufgebürdet werden; wenn ein unbedachter Prediger an einer Gemeinde stehe, werde dieser auch in Bannfällen ein ungenaues Schreiben an den Präses einschicken, nach dem dann dieser zu urtheilen haben würde, daher, um dieses zu vermeiden, der Districts-Präses endlich doch eine Reise zu der betreffenden Gemeinde unternehmen müßte; dadurch schienen auch die wichtigsten Rechte der Gemeinde an den DistrictS-Präses übertragen zu werden; dies könne auch ein Grund für neue, noch nicht zur Synode gehörende Gemeinden werden, sich an die Synode nicht anzuschließen; es scheine wider die Freiheit der Gemeinden zu sein, die, wenn auch drei Viertel der Synodalgemeinden dafür stimmten, die Nothwendigkeit und den Segen solcher Ordnung nicht einsehen könnten, aber, weil von drei Vierteln beschlossen, sich nun solcher Ordnung fügen sollten und müßten. Hierauf wurde bemerkt, in Deutschland sei die Banngewalt den Gemeinden gänzlich genommen und den Consistorien gegeben gewesen, und dadurch der Bann endlich ganz gefallen; allein so lange wir über der reinen Lehre wachen und Christi Jünger bleiben, werde unS durch jene Ordnung dies Recht nicht genommen werden können; bleiben wir aber nicht mehr bei der reinen Lehre, so haben alle Freiheiten ihren Werth doch verloren. Alle jene Bedenken heben daher die Gründe, welche eine solche Ordnung wünschenswerth und nöthig machen, nicht auf. Um jedoch über die Sache jetzt schon abschließen zu können, scheine die Zeit allerdings jetzt noch nicht gekommen zu sein. Jedenfalls sollten die DistrictS-PräsideS bei ihren Visitationen regelmäßig Nachfrage halten, ob Bannfälle vorgekommen seien, und Einsicht in die betreffenden Protokolle nehmen. ES seien so viele junge, unerfahrene Prediger in den letzten Jahren ausgeschickt worden, daß eine solche Überwachung schlechterdings nothwendig erscheine. Auch sollten, bemerkte man, Gemeinden und Prediger die Districts-Conferenzen zu diesem Zwecke benutzen. Es wurde auch der Wunsch ausgesprochen, daß ein fähiger Mann eine Ansprache an alle Gemeinden durch den Druck veröffentliche, in welcher er ihnen die Nothwendigkeit solcher zu treffenden Ordnung ans Herz lege, damit wenigstens, so Gott Gnade gebe, bei der nächsten Allgemeinen Synode eine Ordnung getroffen werden könne.

In Betreff der Familie des seligen Röbbelen wurde Herr Past. Sievers von der Synode ersucht, in ihrem Auftrag und Namen ein Trostschreiben an die Wittwe des Seligen zu richten, und ihr, dem Versprechen der Synode vom Jahre 1860 gemäß, zu melden, falls sie wünsche, nach Amerika zurückzukehren, daß ihr die Synode dazu behilflich zu sein bereit sei. — Vertagt mit dem Gebete deS HErrn.

Neunte Sitzung.

[Kennzeichen der Kirche- — Sichtbare Kirche.]

Dienstag, den 6. November, Vormittags 8-½ Uhr, nahm die neunte Sitzung ihren Anfang. In dem beim Beginn abgehaltenen Gottesdienste ward der 27. Gesang gesungen und Psalm 97. verlesen. Hierauf wurde das vom Secretär verlesene Protocoll nach einigen Veränderungen angenommen.

Die Ankunft des norwegischen Bruders Pastor Krone aus Chicago wurde vom Präsidio gemeldet, und Herr Pastor Krone Namens der Synode bewillkommt

 

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und eingeladen, als berathendes Glied an unsern Verhandlungen Theil zu nehmen. Nach einer kurzen Berathung, ob man nicht wegen der Menge der nothwendig noch zu erledigenden Gegenstände lieber die Besprechung des vorliegenden Lehr-gegenständes abbrechen solle, um erst jene Geschäfte zu erledigen, beschloß die Sy-node, die heutige Dormittagösitzung noch der Besprechung der Lehre zu widmen. Deshalb wurde nun verlesen:

Thesis II. „Zwar kann die Eine, heilige, christliche Kirche, als ein geistlicher Tempel, nicht gesehen, sondern allein geglaubt werden, es gibt jedoch untrügliche äußerliche Kennzeichen, an denen ihr Vorhandensein erkannt wird, welche Kennzeichen sind die reine Predigt des Wortes Gottes und die unverfälschte Verwaltung der heiligen Sacramcnte." 1 Petr. 2, 5. 2 Tim. 2, 19. Gal. 4, 26. Marc. 4, 26. 27. (vgl. D. 14. und Matth. 13, 36.) Jes. 55, 10. 11. Matth. 28, 18—20. Marc. 16, 16. 1 Cor. 12, 13.

Indem der Zusammenhang dieser Thesis mit der vorhergehenden ersten auf-gewiesen wurde, wurde bemerkt: Diese Thesis schließt sich eng an die vorhergehende an; höre ich nehmlich, daß allein die Gläubigen und Heiligen die Kirche seien, daß also die Kirche unsichtbar sei, so werden die Gedanken in meinem Herzen entstehen: ja, was verlangst dn viel, daß ich mich um die Kirche bekümmere, man kann sie doch nicht sehen! Hiernach wird man sich also entweder gar nichts um die Kirche kümmern oder sich an die erste beste anschließen. Aber es muß hierauf eben mit unserer zweiten Thesis geantwortet werden: wohl ist die Kirche unsichtbar, doch hat sie ganz u n t r ü g l i ch e Kennzeichen, wohl gemerkt, nicht nur Kennzeichen, sondern untrügliche Kennzeichen. Du kannst also die Kirche gar leicht finden und erkennen. Zuvörderst wurden die bei dieser Thesis angeführten Schriftstellen einzeln durchgenommen.

Zu 1 Pet. 2, 5. wurd- bemerkt: Die Kirche ist also ein geistliches Haus. Zum Wesen des Geistes gehört aber, daß mail ihn nicht sieht. Das, daß die Kirche ein geistlich Haus sei, behauptet der Apostel Petrus, dessen Nachfolger der Pabst sein will, welcher im geraden Gegensatz zu Petrus behauptet, daß die Kirche sichtbar, leiblich sei. Von den Steinen, aus welchen dieses geistliche Haus bestehet, wird gesagt, eS seien lebendige Steine, das sind die Christen, welche durch den Glauben ein neues Leben haben.

Zu 2 Tim. 2, 19. wurde bemerkt: Kein Mensch kann erkennen» welches die wahrhaft Heiligen seien, der HErr allein kennet die Seinen; aber gerade dieses ist der feste Grnnd Gottes, daß Er die Seinen kennt. Wenn Gott selbst nicht wüßte, welche die Seinen seien, so hätte ich ja gar keinen gewissen Heilsgrund. Gott aber kennet die Seinen, Er fehlt sie nicht. Ich Mensch kann die Kirche nicht sehen, denn ich weiß nicht, wer die Seinen sind. Wie getrost kann ich aber sein, wenn ich weiß, Gott kennet die Seinen! Wenn nur Gott die Seinen kennt, dann laßt die Menschen von mir denken und urtheilen, was sie wollen.

Zu Gal. 4, 26. wurde bemerkt: Die falschen Lutheraner pflegen diese Stelle auf die triumphirende Kirche im Himmel zu deuten, wegen des Wörtleins .droben" aber wir müssen wissen, daß in der Schrift, wenn vom Himmelreich die Rede ist,

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die Ausdrücke droben und drunten nicht örtlich verstanden werden dürfen, sondern so, daß droben gleich ist himmlisch, unten — irdisch. Z. B.: „Trachtet nach dem, das droben ist," heißt: Trachtet nicht nach dem, was irdisch ist, sondern was himmlich ist,, was zu einer ändern, höher» Welt gehört, wie denn der Apostel schreibt: „Ihr seid mit Christo auferstanden und in das himmlische Wesen versetzt" — wir sind also jetzt schon im himmlischen Wesen, welches nur noch unter dem Kreuze verborgen ist. Unter dem Jerusalem, das droben ist, ist daher die heilige christliche Kirche zu verstehen, weil sie himmlisch ist ihrer Art und Natur nach. Dies die Schriftstellen für die Unsichtbarkeit der Kirche.

Zu Marc. 4, 26. 27. wurde bemerkt: Es ist dies eine köstliche Stelle, die Lehre zu erläutern, daß die Predigt des Worts das untrügliche Kennzeichen der Kirche sei. Hierzu gehört V. l4. und Matth. 13, 38., wo ausdrücklich gesagt wird, der Same sei das Wort Gottes, aus dem die Christen oder die Kinder deS Reichs gleichsam wie aus dem Keim herauswachsen, wie Weizen aus dem Samen wächst. Die Christen stecken gleichsam in der Bibel, wie die Frucht im Baume. Da aber der HErr JEsus sagt: Der Säemann wüßte eS nicht, wie der Same wachse, so wurde bemerkt: Wie der Landmann im Herbst seinen Samen aus streue und dann davon und der lange Winter darüber hingehe; wie der Landmann nur wisse, er habe Weizen in dieses Stück Land gesäet, es sei ein Weizenacker; wie aber ohne sein Zuthun und Wissen die köstliche Frucht hervorsprosse: so thue auch ein Prediger des Evangeliums seine Arbeit des Ansstreuens des Samens; mehr könne auch er nicht thun; dann gehe er hin und überlasse alles dem lieben Gott; er könne nichts beitragen zum Aufgehen; er könne nicht sehen, ob und wie sein ausgestreuter Same keime; er müsse es allein Gott glauben, daß ans dem hingeworfenen Samen des Worts die Christen herauswachsen werden. Diese Verheißung haben wir aber, daß der Same des Wortes anfgehen werde; nicht aller Same, wie auch nicht jedes einzelne Weizenkörnlein keimt und Frucht bringt, aber wo immer an einem Orte das Wort gepredigt wird, da wird auch nicht alles verloren fein, etliche Frucht wird gewiß kommen. Gott läßt feinen Samen nicht auf verfluchtes Land streuen. An einem Ort, wo endlich kein Mensch mehr ist, der sein Wort annimmt, nimmt er auch die Predigt deS Wortes hinweg. So lange aber die Predigt des Wortes noch da ist, so lange können wir auch noch gewißlich glauben, daß auch die Kirche noch da sei d. h. Kinder Gottes durch den Glauben, wenn es auch sonst noch so greulich aussieht im Leben. Es wurden nun einzelne Fälle angegeben, welche diesem zu widersprechen scheinen, nehmlich: es scheine, als wenn Gott das Wort doch auch an solchen Orten ließe, wo es nicht mehr angenommen werde z. B. wurde zunächst auf die oft lange Zeit vergebliche und scheinbar nutzlose Predigt des Evangeliums unter den Heiden hingewiesen, da also wohl die Predigt des Wortes sei, aber noch keine Kirche. Es wurde aber entgegnet: man müsse unterscheiden zwischen dem Anbieten und dem im Schwange Gehen des göttlichen Wortes. Jenen Heiden werde eben das Wort Gottes erst angeboten. Die Verheißung im Propheten Jes. 55, 10. 11. gehe aber dahin, wo das Wort Gottes im Schwange gehe; wo also die Leute wenigstens erklärt haben, daß sie es hören wollen, daß es ihnen gepredigt werden solle, so lange ist immer die Kirche noch da,

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laut der göttlichen Verheißung, wenn eS auch, äußerlich angesehen, noch so traurig aussähe an einem Orte, ja, wenn es a»ich aussähe, als regierte nicht Gott, sondern der Teufel dortselbst. Als darauf hingewiesen wurde, wie der HErr selbst uns besehle, den Staub von den Füßen zu schütteln, wenn sie unS nicht aufnehmen, und daß es also scheine, als könne doch an einem Orte GotteS Wort eine Zeitlang im Schwange gehen, und doch kein einziger Gläubiger da sein; ein solcher Fall ließe sich doch denken; so wurde geantwortet: solche Fälle solle man eben nicht denken, sondern sich einfach an's Wort halten: wo Gottes Wort gepredigt werde, da soll es nicht leer zurückkommen. Nun wurde erinnert, daß doch oft rechtschaffene Prediger vertrieben werden: ob man denn nun da annehmen müßte, daß da auch keine Christen mehr seien. Antwort: Keineswegs; denn es seien ja gewiß noch getaufte Kinder da, oder alte, einfältige Leute, welche es nicht mit den Bösen halten, die aber gegen die Gewalt der Bösen nicht aufkommen können. Man solle z. B. nur nach Rom gehen und dort predigen; dort werde man gewiß hinauS-gestoßen werden mit seiner evangelischen Predigt; dennoch aber seien unter dem dortigen Haufen der Gottlosen auch noch Kinder Gottes; sie liegen nur unter der Gewalt der Tyrannen. Was Jes. 55, 10. 1l. der HErr sagt, muß ich glauben, wenn eS auch scheint, als werde oft GotteS Wort an einem Ort gepredigt, wo keine Kirche mehr sei, wenn es auch scheint, als sei kein einziger Gläubiger da. Hier wurde die Erklärung versucht: das Wort Gottes solle laut der Schrift eine doppelte Wirkung haben, nehmlich Gott möchte das Wort, weil es nicht mehr dienen könne als Geruch des Lebens zum Leben, noch an einem Orte lassen als Geruch des Todes zum Tode. Dieses wurde aber verneint, denn man solle bedenken, daß Gott sein Wort der Welt gegeben habe nicht zun» Tod und Gericht, sondern zum Leben. Letzteres sei GotteS Absicht; erstcreS etwas Zufälliges, auS Schuld der Menschen Eintretendes. Man hat daher hier auf die nach GotteS Absicht Leben erzeugende Macht des Wortes, nicht auf die aus Schuld der Menschen und Gottes Gericht versteckende Wirkung desselben zu sehen. Gott gibt sein Wprt dahin, wo es Frucht schaffen kann zur Gerechtigkeit, und nimmt es von da hinweg, wo es solche Frucht nicht mehr schaffen kann. Wenn die Leute von vorn herein erklären, wir wollen gar nichts hören von dir, dann ist auch kein eigentliches Ausstreuen des Samens möglich, folglich auch nicht möglich, daß die Kirche da sei. Die Kirche ist nicht da. wo ich lauter Menschen sehe, die da sagen: ich will nichts wissen vom Worte Gottes; sie ist aber da, wo Menschen sind, die das Wort Gotte-unter sich aufnehmen, wenn viele auch noch so böse sind, denn dann gibt cs gewiß etliche Auserwählte, die es auch von Herzen annehmen. Gott sendet sein Wort nicht, damit die Leute in die Hölle kommen, sondern, damit sie in den Himmel kommen. Da ist die Kirche, wo dos Wort seine Wohnstätte hat. AnS der Stelle bei dem Propheten Jesaia erhellt, wie Wort und Sacrament die untrüglichen Kennzeichen der Kirche seien. Daß der HErr sein Wort gibt zum Segen, ist auch aus der zu Jes. 55. gehörigen Parallelstelle, Ebr. 6, 7. 8-, ersichtlich. Hierauf wurde daran erinnert, wie die Papisten gar vielfach die Leute dadurch fangen, daß sie falsche oder doch nicht untrügliche Kennzeichen der Kirche angeben. Die Papisten führen nehmlich gewöhnlich als Merkmale der Kirche an die Einheit, Heiligkeit, den Namen katholisch, Alter, Dauer, Wunder, welche von den heiligen Männern

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in der römischen Kirche verrichtet seien, und anderes mehr. WaS die drei zuerst angeführten Merkmale betrifft, so berufen sie sich auf das nicänische Symbolum, wo von der Kirche bekannt wird, daß sie sei Eine, heilige, katholische Kirche. Sie gehen davon aus, Eigenschaften seien Merkmale. Das ist aber nicht zutreffend, denn manche Eigenschaften sind darum nicht untrügliche Kennzeichen, weil sie nicht an den zu kennzeichnenden Dingen allein sich finden, sondern ändern Dingen gemein sind. So ist z. B. bei einem Stiche rc. Schmerzen empfinden eine Eigens-schaft des Menschen, aber dieselbe Eigenschaft haben auch die Thiere. Thöricht wäre es also, diese Eigenschaft als ein unterscheidendes Merkmal anzugeben, weil es eben nicht unterscheidend ist. So haben wir Menschen ferner die Liebe mit Gott gemein, deshalb kann man die Liebe nicht als ein unterscheidendes Merkmal Gottes angeben. So ist es denn auch mit der von der Kirche ausgesagten Eigenschaft der Einheit bewandt. Diese ist wohl eine Eigenschaft der Kirche, aber kein untrügliches Merkmal derselben, denn Einheit findet sich noch an vielen ändern Dingen. In des Teufels Reich ist auch eine gewisse Einheit Eine Räuberbande ist auch einig. Eine gleiche Bewandniß hat es ferner mit der von der Kirche ausgesagten Eigenschaft der Heiligkeit. Heuchler scheinen oft in der Menschen Augen viel heiliger, als Christen, als die Glieder der Kirche. Da wir die wahre Heiligkeit im Herzen, welche vor Gott gilt, nicht erkennen können, da Heuchler auch einen Schein der Heiligkeit annehmen können, so kann Heiligkeit unmöglich ein untrügliches Kennzeichen sein, ist vielmehr ein sehr betrügliches. Ebenso verhält es sich mit dem Namen katholisch. Dieser Name ist kein untrügliches Kennzeichen, denn ein Dieb kann sich auch einen ehrlichen Mann nennen. Nur die Kennzeichen deS Wortes und der heiligen Sacramente sind untrüglich. Manche meinen zwar, die gegenseitige Bruderliebe sei doch offenbar ein Kennzeichen der Christen und darum die Kirche, da unser HErr ausdrücklich sagt: „Dabei wird Jedermann erkennen, daß ihr meine Jünger seid, so ihr Liebe unter einander habt." Aber diese gegenseitige Liebe ist wohl ein nothwendiges Kennzeichen der Christen, also daß einer keil» Christ wäre, der diese Liebe nicht hätte; aber sie ist kein untrügliches Kennzeichen, da auch Jemand Liebe heucheln kann. Dagegen das Wort ist ein untrüglich Kennzeichen. Wo das Wort gepredigt wird, da müffen Kinder Gottes sein, kraft der göttlichen Verheißung: das Wort soll nicht leer d. H. nicht ohne Frucht zu mir kommen. Ganz wie mit den Papisten, verhält es^ sich auch mit den Methodisten. Diese geben auch alle möglichen Kennzeichen an, um zu beweisen, daß ihre Kirche die wahre Kirche sei, z. B. Reinheit im Leben, Missions-Eifer, Gebets-Eifer rc., aber auch diese sind, wie gesagt, wenn das Rechte darunter verstanden wird, wohl Kennzeichen, aber ebenfalls keine untrüglichen, denn dies alles kann auch nichts als Heuchelschein sein.

Zu Matth. 28, 18—20. wurde bemerkt: Wort und Sacrament sind nicht deswegen Kennzeichen der Kirche, weil, wo Wort und Sacrament im Schwange gehen, also das Predigtamt aufgerichtet ist, ein religiöses Institut eingerichtet ist. In dem Sinne geben auch die Gegner der reinen Lehre zu, daß Wort und Sacrament Kennzeichen der Kirche seien, indem sie Wort und Sacrament als zur Wesensbeschreibung der Kirche nöthig erachten. Das ist eine ganz unlutherische Vorstellung. Wir sagen deshalb, Wort und Sacrament seien daS

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untrügliche Kennzeichen der Kirche, weil durchs Wort das heiligc Volk GotteS oder die Kirche gezeugt und geboren wird, weil also da, wo Gottes Wort gepredigt wird, gewiß ein Häuflein Wiedergeborner unter dem Haufen, welcher Kirche heißt, verborgen liegt.

Zu 1 Cor. 12, 13. wurde folgende Bemerkung geinacht: Nicht nur das Wort, sondern auch die Sacramente sind Kennzeichen der Kirche, »veil die Sacra-mente eben nichts anders sind, als das sichtbare Wort. Die Kirche ist die das Wort hörende und glaubende, durch Einen Geist zu Einem Leibe getaufte und zu Eiuem Geiste getränkte Schaar. Woraus eine Sache gewiß entsteht, das ist das sicherste Kennzeichen für die Sache, welche daraus entstanden ist. Der Same, welcher auf den Acker gesäet ist, ist das sicherste Kennzeichen des Ackers, »vorauf der Same gesäet ist; ist Weizen darauf gesäet, so weiß Jedermann, das ist ein Weizenacker. Habe ich Geld in einen Beutel gelegt, so ist das Geld das sicherste Kennzeichen dafür, daß der Beutel ein Geldbeutel ist. Habe ich nun jenen Samen ausgestreut, durch welchen Christen »verden, so ist ein Christenacker d. H. die Kirche da. Sobald ich GotteS Wort predige, säe ich lauter Christen aus. Wir tragen nicht etwa den Keim des Christenthums in unfern Herzen; o nein, alles, wodurch wir Christen sind, der ganze neue Mensch, der ganze Gottesbau der Kirche liegt im Worte; o ein köstlich Wort, da es heißt: der gute Same sind die Kinder des Reichs! —

Als erste Belegstelle ans den Bekenntnißschriften zur zweiten Thesis »vurde verlesen, Augsburgische Co»»fession: „Es wird auch gelehrt, daß allezeit müsse Eine, heilige, christliche Kirche sein und bleiben, welche ist die Versammlung aller Gläubigen, bei welchen das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sacramente laut des Evangelii gereicht werden." (Art. 7.)— Kürzlich wurde dazu bemerkt: das ist also ein Stück unseres lutherischen Bekenntnisses, daß Wort und Sacrament Kennzeichen und zwar untrügliche Kennzeichen der Kirche seien.

Apologie: „Die christliche Kirche stehet nicht allein in Gesellschaft äußerlicher Zeichen, sondern stehet sürnehmlich in Gemeinschaft inwendig der ewigen Güter im Herzen, als des heil. Geistes, des Glaubens, der Furcht und Liebe GotteS. Und dieselbige Kirche hat doch auch äußerliche Zeichen, dabei man sie kennt; nämlich, wo Gottes Wort rein gehet, und die Sacramente den» selbigen gemäß gereicht werden, da ist gewiß die Kirche, da sind Christen, und dieselbige Kirche eird allein genennet in der Schrift Christus Leib." (Art. 7.) — In dieser Stelle wird zweierlei gelehrt: 1. Wer nicht die Gemeinschaft der ewigen Güter im Herzen hat, gehört nicht zur Kirche; dann werden 2. die äußerlichen Zeichen angegeben, Wort N»d Sacrament, und hinzugesetzt: „Da ist gewiß die Kirche"; damit aber Niemand einen falschen Verstand von der Kirche bekomme, etwa sich eine Anstalt darunter denke oder das Predigtamt, so wird noch als etwas der Kirche gleichbedeutendes beigefügt: „Da sind Christen."

Dieselbe: „St. Paulus zu den Ephesern am 5. Cap. sagt gleich auch also, was die Kirche sei, und setzt auch die äuß erlichen Zeichen, nämlich das Evangelium, die Sacramente; denn also sagt er: ‘Christus hat geliebet

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die Gemeinde und sich selbst für sie gegeben, auf daß er sie heiligte und hat sie ge-reiniget durch das Wasserbad im Wort, ans daß er sie ihm selbst zurichtete eine Gemeine, die herrlich sei, die nicht habe Flecken oder Runzel, sondern daß sie heilig sei und unsträflich' rc." (Ebendaselbst.) — Hier werden Evangelium und Sacramente schlechtweg als Kennzeichen der Kirche bezeichnet, nicht niit der nähern Bestimmung „rein und lauter", damit wir eben wüßten, die Kirche sei auch da, wo die Kennzeichen nicht in ihrer Vollkommenheit sich zeigen.

Dieselbe: „Wir reden nicht von einer erdichteten Kirche, die nirgend zu finden sei, sondern wir sagen und wissen fürwahr, daß diese Kirche, darinnen Heilige leben, wahrhaftig auf Erden ist und bleibet, nämlich daß etliche Gottes Kinder sind hin und wieder in aller Welt, in allerlei Königreichen, Inseln, Ländern und Städten, vom Aufgang der Sonnen bis zum Niedergang, die Christum und das Evangelimn recht erkannt haben, und sagen, dieselbige Kirche habe diese äußerlichen Zeichen, das Predigtamt oder Evangelium, und die Sacramente." (Ebendaselbst.)— Hiezu folgende Bemerkung: Die Papisten hatten dem Melanchthon entgegnet, du bist ein Schwarmgeist mit deiner Lehre von der allein aus Heiligen, also nirgends sichtbaren Kirche — die ist nirgends zu finden. Darauf antwortete denn Melanchthon, daß zwar nur die Heiligen, die wahren Christen die Kirche sind, daß aber diese Kirche gewisse äußerliche Zeichen habe, an denen sie recht wohl erkannt und gefunden werden könne, nämlich Wort und Sacrament. — In dieser Stelle der Apologie kann man auch, wurde beiläufig bemerkt, recht deutlich erkennen, was die Alten häufig unter Predigtamt verstehen. Es wird nämlich von ihnen Previgtamt häufig ganz gleichbedeutend mit Evangelium genommen. Die Apologie hat nicht den Grabauischen Verstand, wornach Predigtamt immer so viel ist, als Pfarramt, so daß also die Worte des 28. Art. der Augsburgischen Confession: „Diese (ewigen) Güter kann man anders nicht erlangen, denn durch das Amt der Predigt," so viel sagen wollten, daß inan ohne das Pfarramt weder Glauben, noch Vergebung der Sünden, noch die Seligkeit erlangen könnte! Nein, wenn unsere alten Lehrer so Großes dem Predigtamte zuschreiben, so meinen sie damit nichts anderes, als den Dienst des Wortes, auf welche Weise derselbe auch immerhin an unS geschehen möge.

Luther: „Du möchtest aber sagen: So uun die Kirche ganz im Geist und gar ein geistlich Ding »st, so wird niemand wissen mögen, wo ihrer irgend ein Stück in der ganzen Welt ist; das wäre eine fremde, unerhörte Sache!... WaS wäre es sonst, daß uns Christus lehret, man solle die Schäflein weiden, Joh. 21, 16. 17., und Paulus, man solle die Kirche regieren, Ap. Gesch. 20, 28., und Petrus 1. Ep. 5, 2., man solle weiden die Heerde Christi, — so die Gläubigen nirgend auf der ganzen Welt au gewissen Stätten möchten gefunden »verden! Denn wer will den Geistern predigen? Oder welcher Geist wird uns predigen? . . Es muß je etwa ein sichtlich Zeichen gegeben werden, dadurch wir zu Haufe versammelt werden, Gottes Wort zu hören!— Antwort: Ja, eS ist ein solch Zeichen von nöthen; das haben wir auch, nämlich die Tauf e, das Brod, und allermeist das Evangelium. Diese drei sind der Christen Losung und Wahrzeichen. Wo du diese siehest im Schwange gehen, das ist, die Taufe, das Brod

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und das Evangelium, es sei gleich wo oder bei wem es wolle, zweifele nicht, es sei eine Kirche da. . . Fürwahr das Evangelium ist das einige, gewisseste und edelste Zeichen der Kirche, viel gewisser, denn die Taufe und das Brod; dieweil sie allein durch das Evangelium empfangen, gemacht, ernähret, geboren, erzogen, geweidet, bekleidet, gezieret, gestärket, -ewappnet und erhalten wird... Ich rede nicht von dem geschriebenen Evangelio, sondern von dem, das in leiblicher Stimme geführet wird. . . Diese Zeichen, und besonderlich des Evangelii, achte ich, sind vorzeiten bedeutet im Tempel Salomonis 1 Kön. 8, 8., da die zwei Knäufe der Stangen, damit man die Lade trug, hervorreichten vor dem Gnadenstuhl. Damit der heil. Geist hat zu verstehen geben wollen, daß man allein durch Helle und öffentliche Stimme des Evangelii wissen . möge, wo die Kirche und wo das Geheimniß des Himmelreichs ist. Denn zu gleicher Weise, wie man durch die hervorgehenden Knäufe der Stangen, als durch gewisse Anzeigen, wissen möchte, daß die Lade im Allerheiligsten wäre, wiewohl sie verborgen war: also siehet auch niemand die Kirche, muß sie allein -ei des Worts Zeichen glänben, welches Wort unmöglich ist, daß es erschallen sollte, denn nur allein in der Kirche durch den heil. Geist." (Offenbarung des Antichrist-, vom Jahr 1521. XVIII, 1792. 1795. 1796.) — Zu dieser Stelle wurde bemerkt: Ich weiß, daß hier die Kircke ist, weil daS Wort da ist, wodurch Christen geboren werden. Dann wurde das schöne Bild von der durch den Vorhang verdeckten Bundeslade und den hervorragenden Knäufen der Tragestangen nochmals weitläuftig ausgeführt und zugleich darauf aufmerksam gemacht, daß es nicht ein bloßer schöner Gedanke Luthers gewesen sei, die Kirche hiermit zu vergleichen, sondern daß sich dieser Vergleich auf die Schrift selbst gründe. Wie im Alten Testament nur der Hohepriester die Bundeslade sah, das übrige Israel nichts als die Knäufe sehen durfte und konnte, so sieht allein unser neutestamentlicher Hoherpriester Christus seine Kirche, wir aber können sie, dieses nentestamentliche Gottes-Heiligthum, nur an den Knäufen des Wortes und der heiligen Sacramente erkennen.

Gerhard: „Ueberall wo das Wort rein gepredigt wird, da ,sind immer einige, welche dasselbe mit herzlichem Glauben annehmen, weil das Wort GotteS uie leer zurückkommt, und das Netz der evangelischen Lehre immer einige gute Fische beschließt; und dieses genügt uns, daß wir aus der reinen öffentlich angenommenen Predigt des Wortes die Kirche abschätzen und erkennen können, ob-gleich es uns unbekannt ist, welche das Wort in wahrem Glauben annehmen und auf diese Weise wahre und lebendige Glieder der unsichtbaren Kirche werden." (Loc. de eccles. § 142.) — Nachdem die voraustehenden Stellen aus Luther und Gerhard verlesen waren, ging man noch einmal auf die erste Stelle aus der Apologie zurück und bat um näheren Ausschluß darüber, wie denn die Jowaer dazu kämen, diese Stelle für sich und ihre Lehre von der zweiseitigen Kirche anzuführen. Es wurde gesagt, man wäre außer Stande, dieses anzugeben, weil diese Lehre nicht darin läge. Es sei auch an sich geradezu ungereimt, von etwas Unsichtbarem zu sagen, es habe auch eine sichtbare Seite, oder von etwas Sichtbarem, es habe auch eine unsichtbare Seite; sei aber eine Sache sowohl etwas Sichtbares, als etwas Unsichtbares, so müsse sie aus beidem zusammengesetzt sein,

 

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woraus sich dann wohl zwei Theile, aber nicht zwei Seiten ergeben, von denen die eine sichtbar, die andere unsichtbar wäre. Wohl könne ferner ein Ding an sich unsichtbar sein, und doch sichtbare Kennzeichen haben; darum könne man aber nicht sagen, daS unsichtbare Ding habe auch eine sichtbare Seite. Z. B. mau könne an einem sehr wohl verabfaßten Briefe merken, daß Jemand eine begabte Seele habe, damit aber, daß man aus dem geschriebenen Briefe die Seele nach ihren Kräften und ihrer Begabung erkennen könne, folge nicht, daß die Seele eine sichtbare Seite habe, so daß also der geschriebene Brief die sichtbare Seite der Seele wäre! Wir sagen auch nicht, daß die Kirche sein könne, wo Wort und Sacrament nicht ist; es handelt sich nur darum, anzngeben, wer die Kirche sei, nämlich eine Schaar von Menschen, welche im Glauben stehen. Eine solche Schaar kann man in diesem Leben nicht sehen, darum hat auch diese unsichtbare Kirche keine sichtbare Seite.

Hierauf wurde verlesen:

Thesis III. „In einem uneigentlichen Sinne werden in der Schrift auch alle diejenigen sichtbaren Gemeinschaften Kirchen genannt, welche zwar nicht allein ans Gläubigen und durch den Glauben Gehn-ligten bestehen, denen vielmehr auch Heuchler und Gottlose beigemischt sind, bei welchen aber das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sacramente laut des Evangelii gereicht werden. Matth. 18,17. 1 Cor. 1, 2. Offb. 3, 7."

Zur Aufweisung des Zusammenhanges dieser Thesis mit den beiden vorhergehenden wurde Folgendes bemerkt: Wir haben erstlich gesehen, was die Kirche sei, sodann woran sie zu erkennen sei und wo man sie also zu suchen und zu finden habe. Nun kann aber die Frage entstehen: wie kommt's, daß so oft in der Bibel von der Kirche geredet wird, nicht als einer Versammlung von lauter Heiligen, sondern als einer Versammlung von Menschen, die offenbar nicht alle heilig sind? Da muß man nun wissen, daß eS in allen menschlichen Sprachen Brauch ist, gar oft ein Wort nicht in seinem nächsten eigentlichen Verstände zu gebrauchen, sondern in einem figürlichen, bildlichen, uneigentlichen Verstände. Z. B. ich nenne eine gewisse Pflanze eine Blume, dieS ist der eigentliche Verstand. Dies Wort kann ich nun aber auch nneigentlich oder figürlich anwenden, indem ich z. B. zu einem Vater von seinem Töchterchen spreche: Sie haben ein schönes Blümchen in Ihrem Garten. Wenn nun der Vater den Gebrauch dieser Redeweise nicht verstände, so könnte er denken: Was spricht der Mensch? Ich habe kein Blümchen und kein Gärtchen! Aber jeder, welcher dieses hörte, würde über semeu Unverstand lachen, daß er nehmlich nicht merke, daß die Worte hier in emem uneigentlichen, bildlichen Verstände genommen werden. Da nun unser HErr Gott in seinem Worte in menschlicher Sprache mit uns redet, so bedient er sich auch oft dieser Redeweise. Der Sinn solcher nneigentlich angewendeten Worte ist aber immer ein göttlicher, geistlicher, himmlischer.

Die erste bei dieser Thesis angeführte Schriftstelle ist: Matth. 18, 17. Dazu wurde bemerkt: Die Gemeinde, von welcher der Heiland hier redet, st nicht die Gemeinde der Heiligen in der ganzen Welt. Wenn eS heißt:

 

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 „SagsS der Gemeinde", so ist offenbar eine Localgemeinde gemeint, worunter immer auch Unkraut ist. Es ist also recht, eine Gottes Wort bekennende Schaar von Menschen an einem Orte Gemeinde oder Kirche zn nennen, denn Gott selbst thut es, er gibt nehmlich dem ganzen gemischten Haufen den Namen'Kirche, weil die Kirche Gottes darunter steckt. Um dieses an ändern Exempeln klar zu machen, wurde erinnert: man nenne z. B. einen Fischteich also, weil die Fische das Vorzüglichere oder die Hauptsache an diesem Teiche seien, trotz einiger auch dazwischenquackender Frösche. So ist's mit dem Goldring, ob auch Kupfer bei-gemischt ist. Wenn im uneigentlichen Sinne, und zwar synekdochisch gesprochen wird, gibt man der Sacke den Namen von dem edleren, vorzüglicheren Theile. So nennt man eine aus Heuchlern und Christen bestehende, die Gnadenmittel brauchende Schaar eine Gemeine oder Kirche, nicht einen Haufen Heuchler. Nur Schwarmgeister, welche wegen der etwa vorhandenen Bösen von einer Gemeinde gehen, sagen, in einer solchen Gemeinde wollten sie nicht bleiben, eS sei doch nur ein Hansen von Heuchlern. Aber wenn ein solcher Schwarmgeist vou der Gemeinde geht, so geht nicht das Kind Gottes von den Heuchlern, sondern der Heuchler von den Kindern Gottes, weil von der Kirche, fort. Wen anders schmäht ein solcher Mensch, als unsern HErrn JEsum? Denn wenn er den ganzen Haufen Heuchler nennt, so nennt er die Kinder Gottes an diesem Orte auch Heuchler, ja den HErrn JEsum selbst, denn derselbe nimmt, was man den Semen thnt, als ihm gethan an. Der HErr JEsus will die Seinen geehrt haben, also schelte man eine Gemeinde ja nicht, damit man nicht die in ihr befindlichen Kinder Gottes schelte; denn in einer Gemeinde sind der edlere und vorzüglichere Bestandtheil, um welches willen die Ortsgemeinde Gemeinde oder Kirche heißt, die verborgenen Kinder GotteS; laß denn so viel Heuchler und andere Gottlose drin und dran sein, als sein mögen, es sind doch auch die Heiligen und Auserwählten da, welche eigentlich die Gemeinde sind, vorausgesetzt, daß unter ihnen die Stimme der Kirche noch gehört wird. Zwar reden auch die Heuchler oft Gottes Wort, aber indem sie das thun, sind sie, obwohl nickt selbst Kirche, doch der Mund der Kirche, der Kinder Gottes. Jede Gemeinschaft, wo das Wort Gottes im Schwange gehet, ist eine Kirche. Gemeinde und Kirche ist völlig gleichbedeutend. Absichtlich hat Dr. Luther in der deutschen Bibel nie das Wort Kirche, sondern immer Gemeinde gesetzt, um eben dem Pabst keinen Vorschub zu leisten, der es dahin gebracht hatte, daß man unter „Kircke" ihn, den Pabst, und seine Bischöfe verstand. Auch das gehört zu den Jrrthümern der falschen Lutheraner unserer Zeit, daß sie ebenfalls einen Unterschied zwischen Kirche und Gemeinde machen. — Vertagt mit dem Gebet des HErrn.