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Wangemann- Gustav Knak Ein Prediger der Gerechtigkeit
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Section on Copernicanism: Chapter 51 pgs 385-409.  — Published here for quick translations.

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Gustav Knak

Ein Prediger der Gerechtigkeit, die vor Gott gilt.

Ein Lebensbild aus dem ewigen Leben

und

ein Spiegelbild für das zeitliche.

Motto: Wer an den Sohn glaubet, der hat das ewige Leben. Joh.3,36.

Von

Dr. Wangemann

Missionsdirektor in Berlin.

Zweite verbesserte und vermehrte Auflage.

(Das Uebersetzungsrecht ist Vorbehalten.)

Basel.

Verlag von C. F. Spittler.

1881.

Vorrede zur ersten Auflage.

"Das ist aber das ewige Leben, daß sie Dich, daß Du allein wahrer Gott bist, und den Du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen" (Joh. 17,3).

Mit diesen Worten, so wie mit den auf dem Titelblatt als otto angegebenen belehrt uns der Herr Jesus, daß es nicht blos eine "Realität der ewigen und unsichtbaren Güter" giebt, sondern daß dieses ewige Leben bereits in das zeitliche hinein ragt, ja der eigentliche Lebenskern alles zeitlichen Lebens ist. Dieses ewige Leben hat jeder, welcher glaubt, und in dem Maße kräftiger, fühlbarer und gegenwärtiger, als sein Glaube einfältig, ungefärbt, kräftig ist. Seinen Geist giebt der HErr nicht nach dem Maß, aber den süßen Geschmack der Paradiesessrucht und den ausströmenden Duft der köstlichen Marien-Narde schenkt der HErr in verschiedenem Maße je nach der Einfachheit und Lauterkeit der Liebe zu Ihm und zu den Brüdern. Und wenn dann einmal unter hundert ernsten Christen einer gefunden wird, dem man es an seinem andel und an seiner ganzen Erscheinung anmerkt: "Den hat der HErr geküßt mit dem Kuß seines Mundes," den man im Leben und Sterben ein vor Tausenden begnadigtes Gefäß, ein Sonntagskind nennen möchte, dann erhält auch der Schwächere im Glauben einen Beweis von der "Realität der unsichtbaren Güter;" ja mancher kann es gar nicht entbehren, daß er angesichts seiner eigenen wiederholten Untreue und seines Zurückbleibens hinter dem Ziel sich aufrichten könne an dem Anblick eines besonders begnadigten Gottesknechts, der — wenn auch immerhin in menschlich schwacher Gestalt — das erreicht hat, wonach das eigene Herz sich zersehnte sein Leben lang.


VI

Ein solcher begnadigter Gottesknecht war der zu seiner Ruhe eingegangene Pastor Gustav Knak, ein Mann, geschmäht und verehrt, verfolgt und geliebt wie wenige; ein Mann, der das, was er sein wollte, ganz und völlig war, wie wenige; ein Mann, der das Gepräge des ewigen Lebens trug, wie wenige.

Der HErr hat ja seine Knechte zu verschiedenen Aufgaben verschieden gestaltet. Wenn Männer wie Hengstenberg, Stahl, Verlach, Schulze lauter Knak's gewesen wären, wie viel Köstliches wäre dann dem Reiche Gottes entgangen. Aber trotzdem, wenn in meinem Leben mich Jemand gefragt hätte: Möchtest du, wie du leibst und lebst, denkstund bist, tauschen mit Hengstenberg, Stahl, Gerlach, Schulze, so würde ich geantwortet haben: Alle diese theuren Männer achte ich hoch, sehr hoch, so hoch, daß ich von Weitem nicht vermeine, mich neben sie stellen zu wollen; aber mit ihnen tauschen? Nein, ich will lieber Wangemann bleiben. Aber hätte mich Jemand gefragt und früge mich noch heute Jemand: Möchtest du, so wie du leibst und lebst, denkst und bist, tauschen mit Knak, so würde ich keinen Augenblick zögern zu antworten: "Ja, HErr, sofort!"— Es ist ein eigenthümliches Ding um das "Eins ist Noth" und um den Mariensinn, der nur zu den Füßen Jesu sitzen will, und um das geklärte Auge, das "Niemand sieht, als Jesum allein!"

Der HErr hat mir aus meinen vielen Berührungen und dem langjährigen Zusammenleben mit meinem heißgeliebten väterlichen Freund, deß ich bis zu diesem Augenblick nicht ohne Thränen gedenken kann, einen unaussprechlichen Segen geschenkt. Und als es der HErr mir in seinen letzten Lebensjahren vergönnte, ihm, dem Hoch begnadigten, in mancher Trübsalsstunde — namentlich in dem Schnellfeuer der copernikanischen Verfolgung — und nach dem Tode seines heißgeliebten Weibes auch ein ganz kleines Tröpflein Trostes zu bringen, und als in Folge dessen sein auch für den geringsten Dienst so dankbarer demüthiger Sinn mir einen Platz etwas näher an seinem Herzen gestattete, da habe ich hineinschauen


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gelernt in Tiefen der Gnade des HErrn, und in einen Reichthum -es in diese Zeitlichkeit hineinragenden ewigen Lebens, von denen ich früher keine Ahnung gehabt hatte.

Deshalb stand es bei mir fest, ich müsse ihm nicht blos den Letzten Liebesdienst am Sarge erweisen — hätte ich schon damals lein Verhältniß zu Straube völlig gekannt, würde ich es mich freilich nicht unterwunden haben —, sondern auch seine Lebensbeschreibung verfassen, so der HErr dazu Gnade gäbe, denn in seinen letzten Lebensjahren hat er wohl kaum Jemand vergönnt, tiefer in sein innerstes Herz zu blicken, als mir Unwürdigstem, der ich im Bewußtsein meines Nichts darob nicht stolz geworden bin, sondern nur auf das tiefste beschämt wurde. Ich bin von theuren Freunden gewarnt worden, ihn nicht allzusehr zu loben. — Nun davor würde mich schon die Pietät gegen den theuren Entschlafenen selbst bewahren, der bis an sein Ende nichts Lobenswerthes an sich fand, der alles, was die Menschen an ihm rühmten, seinem Jesu zu Füßen legte und für sich nichts in Anspruch nahm, als die Stellung eines "blutarmen" Sünders, der von allem Guten, das durch ihn gethan, nur die Gebrechen und Sünden sein eigen nannte, alles andere aber dem HErrn zuschrieb. Aber wenn ich nun ein Bild zeichnen soll von dem, was der HErr an ihm gethan und aus ihm gemacht hat, und dies Bild wird ein so über das Gewöhnliche hinausragendes, soll ich dann mit Aengftlichkeit nach Schattenseiten suchen, damit nicht das zu viele Licht blende? Ich halte das eigentlich nicht für nöthig. Was an Mängeln und Gebrechen in seinem Leben gewesen ist, das ist ausgelöscht durch das Blut des Lammes. Es könnte ja die Hervorkehrung dieser Mängel auch höchstens den Zweck haben, andere arme Anfänger im Christenthum, unter deren Zahl ich mich selbst mitrechne, zu trösten, wenn sie angesichts solcher Begnadigten im Reiche Gottes über ihre eigene Unwürdigkeil bange werden wollten. Aber zu diesem Behufe stehen ihnen, wenn sie deß bedürften, genug andere theure Gottesknechte zu Gebote, an denen Sünde und Gebrechen klar genug zu Tage treten ; warum soll man, wenn de.r HErr aus einem Menschen


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einmal etwas Besonderes gemacht hat, sich nicht gerade auch einmal an der Ueberfülle Seiner Gnade erquicken und stärken?

Trotzdem habe ich es versucht, auch die Schwächen des theuren Heimgegangenen aufzuspüren, schon aus dem Grunde, weil die Lichtseiten eines Bildes viel klarer hervortreten» wenn auch Schatten im Untergründe sind. Aber ich muß ganz offen gestehen, die Gebrechen des theuren Gottesknechts, über welche er selbst so betrübt war, und die er selbst in täglicher Reue und Buße als "blutarmer Sünder" seinem Heilande vortrug, haben sich meinen Augen entzogen. Würde ich nach dieser Seite hin gedrängt, etwas zu sagen, so würde ich höchstens sagen können: Er war in seiner Harmlosigkeit oft zu vertrauend, glaubte in Anderer: oft mehr Frömmigkeit zu erblicken, als wirklich vorhanden war, und wurde dadurch sowohl in seinen Urtheilen über Personen und Verhältnisse, als-in seinen Handlungen bisweilen mißgeleitet. Oder ich könnte sagen: Er war durch die zärtliche Liebe der Seinen etwas verwöhnt, so daß er gewisse kleine Bedürfnisse hatte, deren Befriedigung er mit solcher Sicherheit voraussetzte, daß, wenn sie nicht befriedigt wurden, er etwas unglücklich werden konnte; oder etwa, daß sein reichbegabter dichterischer Geist ihn in die Gefahr brachte,, über das Maß der Realität hinaus seine begeisterten Worte zu stellen, oder daß sein überströmend liebewarmes Herz ihm die Sprache der zärtlichsten Liebe so zur Gewohnheit gemacht hatte, daß es bisweilen schien, er wende sie auch auf Unwürdige und in solcher Weise an, daß sein Herz nicht völlig hätte empfinden können,, was der überströmende Mund sagte. Allein mit den letzten Worten bin ich bereits an der Grenze angekommen, wo ich mich frage: Kannst du das denn auch wirklich sagen? War nicht gerade dies-von Liebe überströmende Herz so reich, daß es diese zärtliche Liebe auch Unwürdigen zuwandte ganz in dem Maß, wie seine Worte lauteten?

So bin ich denn zu dem Beschluß gekommen, mich alles Löbens und Urtheilens lieber zu enthalten und einfach die Thatsachen. reden zu lassen, wozu der HErr mir Seinen Segen geben wolle l


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Was das Aeußerliche dieses Buchs betrifft, so bemerke ich» daß ich, gewarnt, es nicht zu umfangreich zu machen und doch gewillt, es zu einem Zeugniß zu machen, durch welches der Geist, des theuren Entschlafenen auch nach dem Tode noch weiter arbeiten, könne, das Buch in zwei Bücher zu spalten gedenke, von denen das erstere in sich abgeschloffen denen genügen möge, welche vor der Größe des Umfanges oder des Preises zurückschrecken, währendein zweites Buch Briefe, Gedichte, Predigten und Ansprachen des-Verstorbenen enthalten wird und dazu Briefe über ihn, die sein. Lebensbild in besonders klaren Zügen zu zeichnen geeignet sind,, und deren mir Hunderte und Tausende zugesandt sind. Dieselben, werden also getrennt von dem Hauptbuch gedruckt und verkauft werden unter dem Titel: Zeugnisse aus und von dem Leben des» theuren Gottesknechtes Gustav Knak. Ich konnte mich aber nicht entschließen, alle diese kostbaren Perlen wieder zu versenken. Mögen sie leuchten zur Ehre des HErrn und zum Nutzen der Gemeinde!

Und so möge der dreieinige Gott mir Gnade geben, daß mir die Zeichnung des theuren Bildes gelingen, und daß dasselbe Vielen zum Segen werden möge!

Berlin, geschrieben am Todtenfest-Morgen 1878.

Dr. Wangemann.

Vorrede zur zweiten Auflage.

Daß ein Mann wie Knak auch in seiner Lebensbeschreibung: ein Zeichen sein werde, dem widersprochen wird, und daß er auch hierin den Fußstapfen seines HErrn und Meisters folgen werde» das war zu erwarten. Trotzdem ist des Widersprechens im Ganzen, wenig gewesen. Selbst Gegner wie die Protestantische Kirchenzeitung konnten bei aller sonstigen scharfen verwerfenden Kritik


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Knak doch die Anerkennung nicht versagen, daß er im Ertragen -er Schmähungen seiner Gegner "wahrhaft ehrwürdig und liebenswerth dastehe, seinen Frieden in seinem Heiland findend," welchen Frieden des Herzens ihm selbst die für ihn gewiß tief schmerzliche Abwendung seiner Freunde nicht hatte rauben können; "er war grundoffen und ehrlich, " "vieles von ihm ist unsympathisch, ehrwürdig, er war ein tief frommer Mann, ein religiöser Charakter, ein Mann völliger Selbstlosigkeit, der niemals das Seine, sondern die Ehre seines HErrn suchte; ein Mann, der niemals nach dem 'Irdischen trachtete, der in seiner thatkräftigen Liebe niemals Opfer an Zeit und Geld scheute, wo er helfen konnte — er war eine charaktervolle Persönlichkeit, ohne irgendwelche Menschenfurcht; für das, was er als Wahrheit erkannte, rücksichtslos eintretend." Mehr Anerkennung kann man von einem prinzipiellen Gegner, wie die Protestantische Kirchenzeitung, nicht verlangen; wir verzeihen derselben daher gerne, daß sie in ihrer Kritik sich mit etwas kindlichem Scherz über die Person des Herausgebers ausläßt und wünschen nur, daß sie und ihre Gesinnungsgenossen das Spiegelbild eines Mannes, der selbst seinem erbitterten Feinde eine solche Anerkennung abnöthigt, ein wenig auf ihr Gewissen einwirken lassen mögen.

Erstaunliches aber leistet die Vermittlungstheologie in einem Ihrer vornehmsten Vertreter, dem Professor Ritschl in Göttingen. Derselbe hat als "Historiker" und als Vertreter der "autonomischen Wissenschaft" die Entdeckung gemacht, daß Knaks "Devotion" wesentlich "katholischer Art und Herkunft" und "von reformirt-pietistischen Vorbildern entlehnt" sei. In welcher Tendenz Ritschl dieses Urtheil ausspricht, das verräth er selbst darin, daß er Knak die Stellung Huerkennt, in dem "lutherischen Confessionalismus" "die leitende Molle (!!) behauptet zu haben," in dem Maße, daß in seiner Person diese Partei gekennzeichnet" sei. Ritschl fühlt sich also berufen, an dieser "die Fälschung der lutherischen Kirche zu rügen, welche den Pietismus in den Personen seines Helden und dessen Genossen durch seine wesentlich reformirte und in letzter Instanz katholische Devotion fort und fort ausübt."


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Diese Leistung, welche derjenige, welcher sie für unmög-Lich halten sollte, in der theolog. Literaturzeitung 1879, Nr. 19, S. 455 ff. Nachlesen kann, ist uns ein neuer Beleg dafür, in welche Ungeheuerlichkeiten sich blasirter Profefforendünkel, wenn er sich in den Dienst eines blinden Partheifanatismus stellt, verirren kann. Logische Schlüffe und "wissenschaftliche" (?) Combinationen, wie die vorliegenden von R. geleisteten, müssen zu unserem schmerzlichen Bedauern den guten Namen der theologischen Wissenschaft in den Augen jedes verständigen Denkers schwer compromittiren. Uns sind sie darum merkwürdig, weil sie uns bezeugen, daß Knak, wie in seinem Leben, so auch nach seinem Tode die allerwunderlichsten Beurtheilungen zu erfahren hatte von Leuten, denen das einfältige Auge für biblische Wahrheiten und christlich ethische Gestaltungen sich getrübt hat.

Diesen doch nur sporadischen abfälligen Urtheilen der Gegner steht eine große Reihe von warmen anerkennenden Urtheilen befreundeter Blätter gegenüber. Aus derselben Provinz Hannover heraus lautet eine Stimme in dem pädagogischen Blatt "Haus und Schule": "Wangemann hat uns ein Bild von Knak gezeichnet, so schlicht und wahr und treu, so ganz aus dem Leben heraus, daß wir uns desselben innig gefreut haben. So gewaltig, wie Knak selbst im Leben von dem Sünderheilande gezeugt hat, so wird -auch dies Buch davon zeugen: 'Er ist gestorben und lebet noch!'" Älehulich die Evangelische Volkskirchenzeitung, die Evangelische und die Neue evangelische Kirchenzeitung, die Conservative Monatsschrift und eine lange Reihe anderer Blätter. Daß in letzteren auch etliches bemängelt wird, ist selbstverständlich. Ich habe mich bemüht, die gerügten kleinen Ungenauigkeiten in der 2. Auflage zu berichtigen und den Bemängelungen Rechnung zu tragen, so weit mir Lies die Selbstständigkeit meines Urtheils gestattete.

Auch das war selbstverständlich, daß die Urtheile über das Kapitel "Copernikus-Schwindel" selbst im Heerlager der Freunde weit auseinander klafften, und daß, wenn auf der einen Seite sin der eons. Monatschrift) dies Kapitel beurtheilt wird als "von


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vollendeter, wahrhaft packender Schönheit," und von einem anderem als "der Glanzpunkt des ganzen Buches," andere von der Berechtigung der Stellung, die Knak in jenem Streite eingenommen hat, nicht überzeugt worden sind. Solchen kann ich aber in diesem-Stück anderweitige Dienste, als die ich geleistet habe, nicht leisten.

Wenn andererseits die Zeichnung der "Naturgrundlage Knaks in der Zeit vor seiner Bekehrung" vermißt worden ist, weil aus dieser heraus erst die spätere verklärte Gestalt des theuren Gottesmannes recht verstanden werden könne, so muß ich bedauern, daß mir dazu die nöthigen Quellen gefehlt haben. Nachträglich habe ich zwar noch Briefe und Gedichte und eine bereits in den zweiten Theil aufgenommene Aufzeichnung Straube's über die früheren Jugend-Jahre Knaks erhalten, und könnte namentlich aus der Zeit seines jugendlich-phantastischen Gymnasial- und Studentenlebens manchen Brief und manches Gedicht geben. Jndeß habe ich mich deß enthalten aus Pietät, weil ich weiß, daß Knak selbst ungern auf diese Zeit zurücksah. Vielleicht gewinne ich noch Freudigkeit, über diese Zeit von Knaks Leben einen besonderen Nachtrag zu geben. Für jetzt kann ich hier nur nachtragen, daß Knak als Heranwachsender Jüngling vor seiner Bekehrung in all den herrlichen Idealen geschwelgt hat, die ein aufwachendes jugendliches Gemüth erfüllen, in dem Entzücken über die schöne Natur, im Genuß der Matthisonschen Lyrik, in Fußreisen, Freundschaftsleben, im Besingen des Ideals, das er von der ungekannten Geliebten sich bildete, in der Pietät gegen die heißgeliebte Mutter und die zärtlich geliebten Geschwister, daß er auch versucht hat, in diesen Idealen Befriedigung für sein sehnendes Gemüth zu finden, und daß diese Ideale alle bei dem Jüngling in einer Reinheit und Keuschheit auftraten, wie man sie. selten bei denen antrifft, die nie in ihrem Leben über solche untergeordnete Ideale sich erhoben. Um so wunderbarer war es mir aber, daß Knak, nachdem er in Jesu die Erfüllung aller seiner Jugend-Ideale gefunden hatte, auf die letzeren absolut abschneidend herab sah, als auf völlig abgethan und ungenügend zur Befriedigung des Herzens, und daß andererseits


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an allem dem, was vorbereitend wahr in jenen Idealen war, in feinem späteren Christenleben nichts verloren gegangen ist; denn Freundschaft, Freude an der Natur und heiligen Dichtkunst, Pietät gegen die Seinen, Liebe zu seiner Braut und Ehegattin, alles hat er, wie sein Leben beweist, in doppelter und dreifacher Schöne als Christ von seinem Heilande wieder erhalten.

Ueberaus köstlich und lieb ist es mir, daß der dringende Wunsch, mit dem die Biographie geschrieben wurde, daß nämlich der theure Knak auch nach seinem Tode noch weiter leben, zeugen, erquicken und Leben wecken möge, in nicht geahntem Maße seine Erfüllung gefunden hat, und der Herausgeber bittet, es ihm nicht falsch zu deuten, wenn er, durch Freunde dazu dringend ermahnt, aus Briefen» die er, zumeist von ganz unbekannten Personen, erhalten hat, einiges hier mittheilt zur Veranschaulichung des Eindrucks, den das Leben des theuren Gottesknechts selbst in der mangelhaften Darstellung, die fein Biograph leisten konnte, auf Freunde und Feinde gemacht hat.

Ein holländischer Geistlicher schreibt: "Mit inniger Beschämung und Dankbarkeit beendige ich soeben die Lektüre Ihres Buches über den auch von mir hochverehrten G. Knak. Mögen Sie es nicht anmaßend finden, wenn ein reformirter holländischer Amtsbruder Ihnen für diese köstliche Gabe feinen herzinnigsten Dank ausspricht und dem HErrn dankt für die empfangene Erbauung und Glau-Hensstärkung."

Ein dänischer Geistlicher schreibt: "Manches in dem Buch hat mich so ergriffen, daß ich möchte es laut ausrufen zu olsrioi und laioi: So leben, so wirken, so streben, so denken und beten Jesu Knechte. Ich habe meinen Bruder in Gustav Knak erkannt, meinen großen Bruder im Himmel. Er ist gestorben und siehe, er lebt."

Ein schleswigscher Geistlicher schreibt: "Mein Ende werde, wie dieses Gerechten Ende, das war mein Seufzen, als ich die letzten Worte des von Ihnen verfaßten Lebenslaufes des theuren Gottesknechts 'Gustav Knak' las. Mit Begier habe ich es gelesen und habe oft dazwischen zum HErrn gefleht und geschrieen, daß Er


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mir doch auch immer neuen Muth und Eifer gebe, das Evangelium des Friedens zu treiben. Dieses Buch zeigt, wie man auf den Knieen das Werk des HErrn treiben muß, es zeigt, wie man vom HErrn Glauben und seligen Gottesfrieden errungen haben muß,, um mit dem Psalmisten zu rühmen: Ich glaube, darum rede ich!' Ach, daß der Herr Jesus viele solcher auserwählten Rüstzeuge senden möchte. Möchten doch recht viele Pastoren dies Buch sich anschaffen und es lesen. Herr Jesu, segne es!"

Ein Superintendent aus der Ukermark schreibt: "Ich habe Dein Buch von Knak gelesen; nein, nicht durchlesen, sondern durchbetet und durchweint."

Ein Freund aus Württemberg schreibt: "Ich habe noch kaum ein Buch außer der Bibel mit solchem Genuß und Wonne, wie dieses gelesen und schätze mich glücklich, daß mir dadurch die köstliche Gelegenheit zu Theil wurde, einen Knecht Gottes, welcher wie wenige so ganz von der Liebe Christi durchdrungen war, näher kennen zu lernen."

Ein Pastor aus Magdeburg schreibt: "Diese Biographie ist eine Werbetrommel für das Reich Gottes und ein Gebetsbuch für arme begnadigte Sünder geworden. Gottes Geist hat daran mitgearbeitet. Des bin ich fröhlich!"

Eine fromme Dame aus Hessen schreibt: "Ich habe noch, nie in meinem Leben, weder durch ein geschriebenes, noch ein gehörtes Menschenwort so sehr den Eindruck ins Herz geprägt bekommen von der Realität des Heils und der Erlösungsthat unseres Herrn Jesu, als durch Ihr liebes Buch."

Eine andere fromme Dame aus Schlesien schreibt: "Nun muß ich Ihnen aber noch sagen, welch tiefen, unbeschreiblichen Eindruck die Lebensbeschreibung des theuren Gottesmannes Knak auf uns gemacht hat. Je weiter wir lasen, je tiefer griff es in unsere Herzen und können wir in Wahrheit auch unsererseits sagen, daß wir das Buch nicht blos durchlesen, sondern auch durchbetet und durchweint haben. Wie hat es uns einestheils beglückt, das Leben eines solchen Gotteskindes kennen zu lernen, und hat es


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uns andererseits tief in den Staub gebeugt, wenn wir uns mit ihm verglichen! Ach, mein Herz blutet förmlich, daß man auch kaum eine Ader von solchen Gotteskindern hat. Ach, ich hätte oft meine blutigen Thränen weinen mögen."

Eine Freundin des Verstorbenen, die ihm persönlich sehr nahe gestanden hatte, schreibt: "Aus der^ Tiefe meiner Seele rufe ich Ihnen meinen heißen Dank zu für die Fassung des Lebensbildes meines unaussprechlich geliebten sel. Beichtvaters ?. Knak. O wie hat der heilige Geist Ihnen Weisheit in Herz und Feder gegeben, so nach allen Seiten hin treu, wahr, erbaulich die Zeichnung dieses Mannes Gottes zu fassen. Es ist mir, als sei mir mein seliger Pastor lebend zur Seite, denn alle die Kämpfe und Aengste hier in Berlin durchlebte und durchrang ich für ihn, mit ihm! Der HErr vergelte Ihnen in Ewigkeit den Segen, den Sie vielen treuen Seelen der Bethlehems-Gemeinde gestiftet haben."

Vorstehende aus einer sehr großen Zahl ähnlicher ausgewählter brieflicher Mitttheilungen mögen hier genügen.

Wenn wir diese zweite Auflage als eine "verbesserte und vermehrte" bezeichnet haben, so bezieht sich das erste Wort darauf, daß eine Anzahl von kleineren Unrichtigkeiten, die ja, da vielfach auf mündliche Quellen und Privat-Aufzeichnungen zurückgegriffen werden mußte, unvermeidlich waren, durch genauere Dokumente in der zweiten Auflage beseitigt werden konnten. Vermehrt konnte die Auflage dadurch werden, daß von 300 Seiten brieflichen Original-Mittheilungen des Pastor Knak, namentlich seine umfassende Corre-spondenz mit seinem Freunde k. Wittenberg, erst für die zweite Auflage zur Verfügung gestellt wurden. Das Werk hat dadurch eine Erweiterung um 2—3 Druckbogen erhalten.

Nun — der HErr sei gelobt für Alles! —

Und so möge denn in Seinem heiligen Namen das Buch zum zweiten Male ausgehen und vielen Zionspilgern zum Segen und zur Stärkung gereichen. Das walte in Gnaden Gott der Vater. Sohn und heiliger Geist. Amen.

Berlin, 21. Aug. 1880 (als am Geburtstage meines guten Kameraden: Karl Meinhold, dem ich hiemit innig die Hand gedrückt haben will).

Wangemann.


Die Zeugnisse

aus und von dem Leben des Vastor Knak

werden als besonderes Buch verkauft. Dieselben enthalten:

I. Eine lateinische Ode des Gymnasiasten G. Knak. — II. Das Abiturienten-zeugniß des Gymnasisten G. Knak.— III. Das Universitäts-Abgangszeugniß des Studiosus G. Knak. — IV. Gebet des Hauslehrers G. Knak für seine Kinder. —  V. Geburtstagsbrief des Candidaten Knak an einen Freund. — VI. Ein anderer Geburtstagsbrief desselben. — VII. Ein im Fieber geschriebener Brief des Candi-daten Knak.— VIII. Ein Brief des Candidaten Knak an einen ihm von Person nicht bekannten Freund. — IX. Bibelfestpredigt, von Pastor Knak 1844 in Elberfeld gehalten. — X. Heimaisgruß einer Heimgegangenen (Karoline Straube). —

XI. Ein Missionsfest in Wusterwitz, beschrieben von Knak. — XII. Knaks Gedicht zur Begrüßung seiner Gemeinde in Berlin 1850. — XIII. Antwort darauf aus der Gemeinde. — XIV. Zwei Predigten von Knak über die General-Kirchen Visitation in Elbing. — XV. Hirtenbrief von Knak vom 24. Februar 1857.—

X VI. Neujahrsgruß an die Gemeinde vom 1. Januar 1859. — XVII. Gebets-> aufruf an die Kinder Gottes vom Januar 1873. — XVIII. Hirtenbrief an die Gemeinde zu Rixdorf 1876. — XIX. Einladung zur Wahl von Gemeindevertretern 1876. — XX. Ein Rundschreiben für Bethesda. — XXI. Ein Pathen-Lrief.— XXII. Ein Ordinationsbrief.— XXIII. An eine Freundin, die Mutter . und Schwester verlor. — XXIV. Aufmunterungsbrief für eine schüchterne Seele. — .XXV. Trostbrief für eine mattgewordene Seele. — XXVI. Trostbrief an eine 'schwergeschlagene Seele. — XXVII. Mitfreude mit einer Jungfrau, die den HErrn gefunden hat. — XX VI II. Weihnachtsmahnung zur Freude im HErrn. —        ^

XXIX. Nachruf für sein Enkeltöchterchen Elisabeth. — XXX. Widmung und Dank. — XXXI. Letzter Geburtstagsbrief an seinen Schwiegersohn. — XXXII. Ein Brief , zum Gedächtniß an Knak. — XXXIII. Aus einem nachträglich eingegangenen Briefe über Knak. — XXXIV. Brief einer Gelähmten über Knak. — XXXV. Dichtung und Wahrheit. Knaks Selbstbiographie aus seinen Liedern. Widmung Nr. 1. 1. Aus der Zeit des Winterschlafes unbefriedigter Einsamkeit Nr. 2—5.   2.  Frühlingserwachen Nr. 6—12. 3. Das Leben der begnadigten Seele in ihrer Gemeinschaft mit Jesu. 4. Weck- und Mahnrufe an die Anderen. 5. Lieder bei besonderen Erlebnissen. 6. Missionsfestreisen. 7. Gemeinschaft mit den Brüdern.  8. Nach Hause. — XXXVI. Knaks Selbstgericht über sich und seine Gemeinde. Predigt Joh. 1,19. — XXXVII. Vier Predigten von Knak: 1. Ringet, daß ihr eingehet (Luc. 13,22—25). 2. Bekennet den Herrn Jesum (Math. 10, 32). 3. Bleibet in Jesu (Joh. 15, 3—6). 4. Haltet die Lampen bereit (Ps. 7, 11—14). — XXXVIII. Das Lied: "Laßt mich gehn," in zehn Sprachen. — XXXIX. Reiseabenteuer von M. Görcke. — XI^. Ein Missionsfest in Zarben 1846. — XU Ein Gespräch auf dem Postwagen von M. Görcke. — XINI. Vom Sterbebette der Frau Pastorin Karoline Straube. — XINII. Abschied an das Werder'sche Pfarrhaus. « XINV. Karl Straube suu. über die Orgel und den Charakter der Tonarten. I XLV. Aus Knaks Jugendzeit.


Erster Abschnitt.

Das Schul- und Studentenjahre.

1.

Das Gymnasium.

Gustav Friedrich Ludwig Knak wurde geboren in Berlin am 12. Juli 1806 und empfing das Bad der Wiedergeburt in der heiligen Taufe am 7. August desselben Jahres. Sein Vater war der Justiz-Commissarius Ludwig Knak. seine Mutter, Friederike, die Schwester des Probst Straube in Mittenwalde, welcher seinerseits eine Schwester des Justiz-Commissarius Knak zur Ehe hatte, mit diesem also doppelt verschwägert war.

Die ersten Jugendjahre unseres Gustav waren trübe. Die Ehe seiner Eltern war keine glückliche. Sie lebten getrennt von einander. Gustav lebte beim Vater, von dem er geistliche Anregung nur wenig empfing. Als dieser im Jahre 1819 starb, nahm der Onkel Straube den verwaisten Knaben als Pflegekind in sein Haus, und in dem lieblichen trauten Familienkreise der mittenwalder Probstei fand die bis dahin vielfach unterdrückte Sehnsucht nach Liebe und innerlicher Gemeinschaft eine solche Nahrung, daß sie sich wie eine köstliche Blume schon damals entfaltete. Sein Onkel war ihm mehr, als der Vater gewesen war, und seine Mutter, dieleibliche sowie die Pflegemutter, umfaßte er mit der ganzen Pietät eines kindlichen, liebewarmen Herzens; sein etwa ein und einviertel Jahr


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jüngerer Vetter Karl Straube wurde sein erster Jugendfreund — eine Freundschaft, welche in fast idealer Gestalt neunundfünfzig Jahre lang gedauert hat, bis zu Gustavs Tode hin. Nach etwa einjährigem Aufenthalte in dem trauten Pfarrhause zu Mittenwalde kehrte Gustav nach Berlin zurück, um bei seiner Mutter, Zimmerstraße 1, zu wohnen. Daß er trotz seiner glänzenden Gaben als vierzehnjähriger Knabe erst in die Untertertia des Friedrich-Wilhelms-Gymnasiums eintreten konnte, läßt auf eine Vernachlässigung in den frühsten Jugendjahren muthen; aber durch anhaltenden und energischen Fleiß wurden die Lücken bald ausgefüllt. Sein Vetter Karl folgte ihm nach Jahresfrist nach Berlin, und zuerst eine Klasse tiefer gesetzt als sein geliebter Gustav, sah er hierin einen Sporn zu einem doppelt angestrengten Ringen, welches ihm wirklich nach abermals einem Jahre den Platz neben Gustav einbrachte. Von Obertertia ab saßen die Beiden Schulter an Schulter das ganze Gymnasium durch. In Sekunda gesellte sich zu ihnen ein dritter, Ludwig Wiese, ein hochbegabter Knabe, und diese drei, durch innigste Freundschaft mit einander verbunden, sind denn mit einander durch die Schule gegangen, so daß zu Ostern 1826 alle drei, Gustav Knak als priinus omrüum, Karl Straube als zweiter und Ludwig Wiese als dritter zur Universität entlassen wurden.

Die dichterische Begabung des Letztgenannten (der später als Geheimer Rath im Cultus-Ministerium eine so bedeutende Stellung einnahm) übte auf das phantasiereiche Herz unseres Gustav eine mächtige Anziehungskraft aus. Er idealisirte ihn und pflegte mit ihm neben dem früheren und älteren Bande, das ihn niit Karl verband» einen reichen Freundschaftscultus, der während der Gymnasial-und Universitätsjahre hindurch ungeschwächt blieb. Die jungen Herzen liebten einander innig und zärtlich; Knak nannte den ernsteren Wiese seinen 8vvsru3 und sich, den munteren, fröhlichen, dessen Hilarius. Beide Freunde glühten in Ahnungen, Idealen und Phantasien; sie korrefpondirten eine Zeit lang in Sonnetten mit einander, und selbst in Lehrstunden, die nicht die volle Aufmerksamkeit zu fesseln im Stande waren, flogen poetische Zurufe von einem zum andern, von denen etliche, dem Untergang entrissen, eine Probe davon darbieten mögen, wie schon in den jungen Jahren das dichterische Genie seine ersten Flügelschläge erprobte:


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Wie man den Adler aus dem Wolkenflug,

Den Schweizer aus der Heimath stillem Zug,

Den Löwen aus des Blickes Majestät,

Den Tiger aus des Blutes Lust erräth;

Die süße Lieb erkennt aus heißem Sehnen,

Aus Trauerzähren und aus Freudenthränen:

So ist die Treue ja des Deutschen Pfand!

Laß mich Dich fühlen an dem Druck der Hand.

Und hätten wir uns nimmermehr gekannt,

Der Seelenhändedruck ist unser Band,

Und hätt'st Du mich und ich Dich nie genannt,

Doch wären unsre Herzen nah verwandt.

Wenn der Freude Sterne schwinden,

Schwindet nicht der Hoffnung Stern;

Wäre Hoffnung von uns fern,

Könnten wir den Weg nicht finden

Aus den dunklen Labyrinthen

Zu des wahren Lebens Kern.

Doch sie bleibt in unserm Herzen

Bei den Freuden, bei den Schmerzen,

Tröstet uns mit süßem Wort,

Kühlt mit Balsam unsre Wunden,

Und im schnellen Lauf der Stunden

Scheucht sie auch die Sorgen fort.

Es galt den beiden Freunden gleich, ob sie sich der lateinischen oder der deutschen Sprache bei ihrer Correspondenz bedienten. In letzterer Sprache verfaßte Gustav im Jahre 1825 eine Ode nach dem Versmaß von Intsgsr vitss, welche er mit einigen Freunden dem Direktor Spilleke, seinem hochverehrten Lehrer, zum Geburtstag sang. *) Daß dies aber auf der Straße geschah, dünkte dem alten Herrn zu öffentlich zu sein, und die Sänger mußten am andern Morgen in der Klasse das Wort hören.- "Eure Opfer gefallen mir nicht."

Nach Knaks Heimgange schildert der Geh. Rath Wiese ihn als einen außerordentlich wohlgebildeten Jüngling, "dessen frisches, offenes Gesicht, klares Auge, unerschrockenes Wesen, so wie dessen fröhliches Gemüth und wallendes Herz ihm die Herzen aller derer

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*) s. Zeugnisse Nr. I.


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gewann, die ihm näher traten. Er faßte alles leicht auf, und war außerordentlich fleißig, doch ohne Ehrgeiz. Seine Aufsätze gehörten immer zu den besten, es war allezeit ein freier Schwung der Phantasie in ihnen. Sein poetisches Talent wurde bei festlichen Anlässen von uns oft aufgerufen. Er zog mich mehr, als ich ihn; es war eine Freundschaft von einer Innigkeit und Zärtlichkeit, wie man sie selten findet. Seine Seele dürstete nach Liebe, zum Empfangen und zum Geben."

Mit diesem Zeugniß des Mitschülers steht ein im Jahre 1825 ausgestelltes des Direktors in vollstem Einklang. Es heißt darin:

"Er empfiehlt sich durch ein ungemein anständiges, durchaus gesetzmäßiges Betragen, in welchem sich überall ein religiöser, für das Gute und Wahre innerlich erwärmter Sinn ausspricht. Damit verbindet er sehr glückliche Anlagen und einen ausdauernden und erfolgreichen Fleiß, so daß, ungeachtet er durch seine Verhältnisse gezwungen ist, sich durch Privatunterricht einen Theil seiner Subsistenzmittel zu erwerben, dennoch die erforderlichen Arbeiten immer auf das pünktlichste von ihm behandelt werden, und diese so zu den ausführlichsten und gehaltreichsten in der Klaffe gehören. Auf diese Weise hat er sich die Achtung seiner Mitschüler erworben und von jeher die ungetheilte Liebe seiner Lehrer genossen, wie auch daraus hervorgeht, daß er bei der Censur achtmal Nr. 1 erhalten, und viermal auf dem öffentlichen Examen durch ein Prämium ausgezeichnet worden ist."

So erfreute er sich, trotzdem, daß er mitunter auch wohl muthwillige Jugendstreiche nicht scheute, der allgemeinen Liebe feiner Umgebungen, der Lehrer, wie der Schüler. Einer seiner Lehrer, Ixem, zog ihn nebst seinen beiden Freunden und einigen anderen zu näherem Verkehr an sich, um cursorisch den Plato mit ihnen zu lesen. Mit Phädo wurde begonnen, gleich eine Probe der Kraft. Dieser Lehrer fand nicht gleich bei seinem Eintritt in die Schule die richtige Form, um mit den Schülern zu verkehren. Sie beschlossen, es ihn wissen zu lassen. Karbe (der spätere separirt-lutherische Pastor) übernahm es, an ihn eine Anrede zu richten, sank aber beim ersten Versuch bewußtlos zurück, und wurde von den klebrigen — Knak voran, wie ein Märtyrer hinaus getragen. Später gewannen sie diesen Lehrer sehr lieb und hatten viel an ihm.


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Auch der Direktor Spilleke übte durch seine liebevolle und gemessene Haltung einen großen Einfluß auf Gustavs Charakter-Entwickelung aus. In dem frühesten von ihm vorhandenen Briefe (vom 21. Febr. 1824) an seinen Onkel Straube ist er voller Glück über die Güte des Direktors. "Er war so freundlich gegen mich, wie ich ihn wirklich noch nie gesehen." — "Solch einen glücklichen Tag als gestern habe ich wirklich lange nicht erlebt. Erstens wird mir das Schulgeld erlassen, und zweitens bekomme ich Privatstundeu zu geben; drittens ist meine Rede so, daß ich sie nicht umzuarbeiten brauche, nur im Einzelnen ist etwas zu verändern." Er bekam seine ersten Privatstunden zu geben im Hause des Justizrath Eltester, dessen einer Sohn, der spätere Pastor in Potsdam, also Knaks erster Schüler war, der ihn sehr liebte. Für wöchentlich acht Stunden erhielt er monatlich fünf Thaler, aber er erlebte die Freude, daß seine beiden Schüler unter seiner Leitung gut vorwärts kamen.

Der Religionsunterricht auf dem Gymnasium bot den Schülern wenig Anregung. Nur einmal schien es. als ob ein frischer Luftzug durch die Anstalt wehen wollte. G aupp's (des spätem Breslauer Consistorialraths) Vorträge fesselten die Jünglinge in ganz außerordentlichem Maße. Aber er verschwand eines Tages plötzlich; er war als früherer Demagog eingesteckt worden. Sein Nachfolger brachte fünf dicke Bände mit in die Klaffe, und las zuerst aus dem einen eine Definition vor, was Religion sei. Dann öffnete er den anderen, um dessen Definition dagegen zu halten. Knak stieß seinen Nachbar an und sprach: "Kannst Du das noch länger aushalten?" Es war das Beispiel eines Religionsunterrichts, wie er nicht sein muß. Etwas mehr wurden die Schüler durch Spilleke selbst in Prima angezogen; aber von seinem schleiermacherschen Standpunkt aus vermochte auch er die Herzen nicht zu erwärmen. Ziemlich verwahrlost nach dieser Seite hin verließ Gustav das Gymnasium; ein Streben nach Wahrheit und nach Idealen, und ein allgemein religiöser Zug war seine Mitgift ins Leben, doch hatte er letzteren wohl mehr der eigenen lieben Mutter und der mittenwalder Probstei zu verdanken.

Zu seiner Abschiedsrede hatte er das Thema gewählt: "Ueber das Wesen der wahren Freundschaft." Kurz zuvor hatte er seinem


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Ludwig ein Exemplar von Hebels Gedichten geschenkt und in dasselbe eingeschrieben:

Seinem Sever Hilarius!

"Als ich zuerst dir meine Rechte bot,

Da klang es tief im lusterfüllten Herzen,

Daß ewig glühen heil'ger Liebe Kerzen,

Der Freundschaft Blume nicht verblüht im Tod."

Gustavs Gymnasial-Abgangszeugniß dürfte zu den glänzendsten gehören, die je ausgestellt worden sind. Seine Aufführung, sein Fleiß, seine Leistungen auf allen Gebieten des Wissens werden mit den ehrenvollsten Ausdrücken belobt und ihm daraufhin das Zeugniß der "unbedingten Tüchtigkeit" Nr. I. ausgestellt. Hätte es ein noch höheres Prädikat gegeben, er hätte es sicherlich auch erhalten. <2>)

Zu Ostern 1826 ging er als 19 ^jähriger Abiturient zur Universität ab, um Theologie und Philologie in Berlin zu studiren.

2.

Die Universitätszeit.

Obgleich beide Freunde das gleiche Studium erwählt hatten, so gingen doch ihre geistigen Interessen bald auseinander. Während Wiese mehr und mehr ausschließlich sich der Philologie zuwandte, trat dieselbe bei Gustav allmählich zurück. Zwar hatte derselbe einen großen Wissensdrang und hörte an allgemein bildenden Collegien mehr, als sonst die Theologen zu hören pflegen. Er hörte z. B. Logik, Metaphysik und Encyclopädie der philosophischen Wissenschaften bei Hegel, Geschichte der neuesten philosophischen Systeme bei Michelet, Encyclopädie der Naturwissenschaften bei Link, allgemeine Erdkunde bei Ritter, Geschichte der griechischen Literatur und Plato's Republik bei Böckh, Sophocles Philoctet

 – – – – – – – –--

*)  s. Zeugnisse Nr. II.


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bei Heyse, über Torquato Tasso und über die Gedichte des Hans Sachs und Racine's Athalie bei Schmidt, die Phänomena des Ara-tus bei Jdeler, Allgemeine Sprachengeschichte bei Bopp, Neueste Geschichte und Geschichte der Reformation bei Raumer. Aber seine Hauptstudien coneentrirten sich doch je länger je mehr aus die eigentlich theologischen Fächer. Seine Lehrer auf diesem Gebiete waren Schleiermacher, Bleek, Uhlemann, Neander, Marheinecke, Hengsten-berg, Strauß, Lic. Rheinwald, so daß er bei seinem regen wissenschaftlichen Interesse, angestrengten Fleiß und glänzenden Gaben eine ebenso tief eingehende theologische, als eine weit umfassende allgemeine Bildung auf der Universität sich erwarb. Sollte also das wirklich wahr sein, daß das neuerlichst eingeführte sogenannte Staats-Examen für die Theologen besonders durch Knaks bei dem Copernikus - Streit bewiesene Ignoranz als nöthig sich erwiesen haben sollte, so dürften wir dagegen, auf Grund obiger Data wohl uns die Bemerkung erlauben, daß wenn man Knak wirklich hätte zu einem solchen Examen heranziehen -wollen, derselbe vielleicht besser als Examinator» denn als Examinand zu verwenden gewesen sein dürfte, besonders für die Tausende derer, die seiner Ignoranz spotteten. Denn jene umfassende Bildung hat er, obschon er sie später selten hervortreten ließ, nie verloren. Noch in seinen spätern Jahren überwachte er die Primanerarbeiten seiner Söhne in der Weise, daß wenn er ein Exercitium mit ihnen durchgenommen hatte, dasselbe sicherlich jedesmal fehlerfrei aus der Correktur hervorging.

Freilich jenes geistlose Operiren mit wissenschaftlichen Floskeln, bei welchem das praktische Bedürfniß des künftigen Jugend- und Volkslehrers, und gar das des künftigen Seelsorgers kaum der Beachtung werth gehalten wurde, erfüllte die allem geistigen Mechanismus abholde Seele des strebsamen Jünglings oft mit tiefem Unmuth. Einmal, als er aus einer Vorlesung kommend, seinen geliebten Freund im Kastanienwäldchen traf, schüttete er sein Herz ans: "Das dritte Wort bei dem Mann ist 'Scientifisch' (Wissenschaftlich); aber was hat meine Seele, was hat das arme Volk der Christengemeine von allem Scientifischen? Davon lebt es nicht!" Aber so viel "leeres Stroh" (wie er es nannte) ihm auch in manchen Vorlesungen geboten wurde, so hörte er sie doch mit aller Gewissenhaftigkeit.

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Unter diesen ernsten wissenschaftlichen Arbeiten litt Gustavs natürliche Fröhlichkeit durchaus nicht. Sein Freund Wiese erzählte einmal im Freundeskreise eine höchst ergötzliche Jugenderinnerung. Der geliebte Severus hatte eines Tages in den Schäfer-Idyllen eines neueren Dichters schwärmend gelesen, daß dieser Dichter, weil er für die Zartheit seiner Gefühle einen Ausdruck in Worten nicht finden konnte, sich eine Flöte angeschafft habe, um sein tiefstes Inneres dem stillen Monde anzuvertrauen, als einem mitfühlenden Genossen. Dieser Gedanke gefiel ihm ganz außerordentlich, und er gedachte, ein Gleiches zu versuchen. Er verschaffte sich also eine Flöte, und vertraute mittelst der Töne derselben seinem schweigsamen Freunde am Himmel all sein Sehnen und Lieben und Streben. Hilarius lächelte zuerst über seinen schwärmenden Freund; dann aber überwog die Liebe; er wollte ihm gerne die Freude bereiten, gemeinsam mit ihm ein Duo zu blasen. Er schaffte sich also ebenfalls eine Flöte an, die er bald mit einer gewissen Sicherheit beherrschte.

Eines Tages gedachten beide Freunde, ihre Kunstfertigkeit in den besonderen Dienst der Liebe zu stellen. Knaks Mutter wohnte zur Sommerfrische in Schöneberg. Ihr Geburtstag kam heran. Sever und Hilarius gedachten sie mit einem Flötenkonzert zu überraschen: Sie stellten sich also, während die Mutter in der Sommerlaube ihr Frühstück einnahm, auf die andere Seite des Hauses und flöteten, — ganz sicher vertrauend, die linden Lüfte würden die sanften Töne nur um so zarter über das Dach hinweg zu der Laube der geliebten Mutter tragen. Sie bliesen ein Stück nach dem andern, immer vertrauend, die Mutter werde erscheinen, um den tiefgerührtesten Dank auszusprechen. Als sie immer und immer nicht kam — schon war das letzte Stück geblasen — da, traten sie hinein in die Laube. In der saß die geliebte Mutter, kam auch mit gewohnter Zärtlichkeit den Beiden entgegen; aber der erwartete Dank blieb aus — die Mutter hatte keinen Ton gehört. Da. blieb den Beiden allerdings nichts übrig, als in einem schnellbereiteten Frühstück die etwas ermatteten Lebensgeister wieder aufzufrischen, und dann zum Nachtisch mit einigen gut gewählten Stücken das Herz der zärtlichen Mutter zu erfreuen und dann ihren reichlichen Dank einzuernten.

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Als der Geheimerath Wiese späterhin diese Jugenderinnerung im Hause des lieben Knak in dessen Gegenwart einem Freundeskreise mittheilte, da lächelte der jugendliche Greis, und versicherte mit freundlichem Kopfschütteln, doch auch nicht die geringste Erinnerung an diese Scene in seinem Herzen behalten zu haben.

Eine andere große Freude hatten alle drei engverbundenen Freunde an gemeinsamen Fußpartien. Das Ziel war gewöhnlich das gastliche Pfarrhaus in Mittenwalde. Daselbst und unterwegs wurde nach Herzenslust gesungen, geblasen und auf dem Piano gespielt. Straube, das musikalische Genie, gab den Kapellmeister ab. Schöne Musik, insonderheit Opernmusik war überhaupt für Knak, wie für Straube einer der höchsten Genüsse, und sie haben denselben in der Universitätszeit sich reichlich gegönnt.

In Berlin versammelten sich an gewissen Abenden auch eine Anzahl Studenten zum Glase Wein, um sich gegenseitig Ausarbeitungen über wissenschaftliche Gegenstände vorzulesen und zu critisire.n. Knak's Urtheile erwiesen sich der Regel nach als treffend und einschlagend.

Aber das blos wissenschaftliche Streben vermochte das ahnungsvolle Herz des Jünglings auf die Dauer nicht zu befriedigen: Es schwebte seinem sehnenden Geiste ein höheres Ziel vor. In dem ersten Jahr war es ihm selbst noch unklar und verhüllt. Er war ein Hoffender. Dann trat ihm die Gestalt Gottes als eines Allliebenden und Allgütigen, auch schon als Allerbarmenden vor die Seele. Das Gebet wurde ihm Bedürfniß. Schon beteten die Freunde regelmäßig des Morgens und des Abends. Dann folgte der Zug des Vaters zum Sohne, bis gegen Ende seines Studiums der Name und die Gestalt des Herrn Jesu in seiner Seele und auch in seinen Gedichten immer mehr in den Vordergrund trat, zuerst als des heiligen Propheten und Vorbildes, dann aber auch als des erbarmenden Priesters und Mittlers. -- In kleinen Liedern und Gedichtlein, die je länger je mehr die ausgebildete Form des Sonnetts annahmen, schüttete er das, was sein Herz bewegte, vor der Theilnahme seiner beiden Jugendfreunde aus. Insonderheit zu den Geburtstagen pflegte er, sie damit zu überraschen. Die nachfolgenden drei Gedichte aus den Jahren 1827, 1828 und Anfang 1829 lassen das allmählige Wachsen zum Glauben hin erkennen.

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1)        Zum 30. Dezember 1827.

Wohin mein Wandrer? — laß mich mit Dir gehen, Kann fern von Dir ja nimmer ruhig sein!

Und mär' Dein Blick so trüb', und stiller Schmerz Durchhauchte glühend dir die volle Seele,

Und meintest gar, daß Alle Dich verlassen:

Dann wollt' ich fest an Deine Brust mich legen,

Und könnt ein liebend Wörtlem Dich nicht trösten,

So dürft' ich Dir doch treu in's Auge schau'n,

Und mit dir weinen — säh'st dann wohl Dein Bild Und fragtest leise: Bin ich denn allein?

Und durch die Wolken schimmert' es wie Sterne.

2)        Zum 30. Dezember 1828.

Was Dir, mit innigtrautem Liebeswehen,

Mein glühend Herz in Freudethränen bringt,

Was Dir mein stilles Lied entgegensingt —

Du kannst die treue Gabe nicht verschmähen!

In's Auge werden wir uns betend sehen;

Und was so voll aus tiefster Seele dringt Und leise seufzend sich gen Himmel schwingt —

Das läßt der Vater nicht verloren gehen!

Er ist so treu, so voller Lieb' und Gnaden,

Und ladet die Bedrängten und die Armen So freundlich ein zu seinem ew'gen Leben;

Er will auch Dein gebeugtes Herz erheben,

Dir Friede schenken, Hoffnung und Erbarmen,

Wenn Du ihm nah'st, mit bitt'rem Schmerz beladen!

3s Anfang 1829.

Nicht, daß ich schon das Ziel ergriffen hätte,

Das mir mein Herr aus Gnaden vorgestellt —

Ich seufze nur, daß der allmächt'ge Held Mich immermehr aus Kampf und Wahn errette, Zerbrechen möcht' ich ganz des Feindes Kette,

Besiegen Fleisch und Blut und Sund' der Welt,

Mein Heiland ist's, nach dem die Brust mir schwellt, Ich strecke mich nach Seines Friedens Stätte.

Ach! laß mich, was dahinten liegt, vergessen,

Nach Deines Himmels Kleinod nur mich trachten Und Schmerz und Alles gegen Dich verachten;

Gib, daß ich Deine Lieb' im Herzen trage,

In Dir, Herr! Alles hoffe, glaub' und wage Und laß Dein Lebensbrod mich ewig essen!

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Als Gustav das letzte Gedicht dichtete, ahnte er nicht, wie nahe die Erfüllung seines Seuszens und Sehnens vor ihm lag. und wie bald er werde jubeln können: "Strick ist entzwei und ich bin frei!"

Die schöne Studienzeit nahte ihrem Ende. Der Frühling 1829 und damit der Schluß des letzten Universitäts-Semesters war herangekommen. Da geht eines Tages Gustav mit seinem geliebten Karl von der Universität aus an dem von letzterem so sehr geliebten Opernhause vorbei. Karl hatte ein Opernbillet in der Tasche, um an diesem Abende die Stumme von Portici zu hören. Zu den beiden Freunden gesellt sich ein dritter, der Studiosus Bultmann, an welchen Straube die Frage richtet, ob er nicht auch fleißig das Theater besuche. "Ich gehe nie in's Theater!" lautete die ernste Antwort. Und als die Beiden erstaunt weiter fragten: "Warum nicht? ", erwiderte er: "Ist es wohl einem Christen erlaubt, in's Theater zu gehen? Wenn ich meiner künftigen Gemeinde predigen soll: Habt nicht lieb die Welt, noch was in der Welt ist, und ich beweise durch meinen Theaterbesuch, daß ich sie selbst lieb habe, so kann ich auf keinen Segen meines Amts hoffen." Gleich darauf führte ihn sein Weg in eine andere Straße. Die beiden Freunde sahen sich betroffen an; sie versuchten, sich den Nutzen des Theatergehens klar zu machen, und namentlich Carl, dem die Opernmusik zu seinen höchsten Genüssen gehörte, ereiferte sich immer heftiger. Gustav aber schwieg, und Karl mußte sehen, wie die Worte Bultmann's einen tiefen Eindruck auf ihn gemacht hatten, der seine Seele völlig beschäftigte. So kamen sie in ihrer Wohnung Zimmerstraße 1 an; jeder ging schweigend in sein Stübchen. Sie suchten den Herrn im Gebet. Straube schreibt später: "Dies war wohl die gesegnetste Viertelstunde meines Lebens. Der heilige Geist hatte so mächtig an unseren Herzen gearbeitet, daß wir uns um den Hals fielen und beide dasselbe Gelübde thaten: "Nun gehe ich nie wieder in das Theater!" Aber es handelte sich um mehr als um das Theater. Die beiden Freunde hatten in dieser gesegneten Viertelstunde die Kräfte der Ewigkeit geschmeckt. Der Herr hatte ihnen das Herz aufgethan, daß sie die Sünde in ihrer Tiefe erkannten, daß nämlich nicht blos das Sünde sei, schwere auch

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bürgerlich schändende Verbrechen zu begehen, sondern daß das vor allen Dingen Sünde sei, Gott nicht zu geben, was Gottes ist» das ganze Leben mit allen Kräften und Besitz: und daß nicht bloß die äußere That, sondern auch schon die böse Lust im Herzen verdammlich mache. Und dem gegenüber hatte er ihnen die Augen geöffnet, daß für all das unermeßbare Sündenelend die unermeß-bare Sünderliebe Gottes das unermeßbare Lösegeld des Blutes Seines eingeborenen Sohnes geschenkt hatte. Und Er hatte ihnen Freudigkeit geschenkt, dieses unermeßbare Lösegeld sich persönlich im Glauben anzueignen, so daß sie nun die Früchte des Glaubens, die beständige Nähe des treuen Heilandes, und den Frieden und die Freude des heiligen Geistes als eigenstes unverlierbares Besitzthum ergriffen und festhielten, so daß an ihnen das Wort sich erfüllte: Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben. Und also gelobten die beiden Freunde in dieser Stunde, von nun an sich selbst ganz und ohne Rückhalt in Semen Dienst zu stellen. Diesen Tag hat der selige Knak mir (dem Herausgeber) oft als den eigentlichen geistlichen Geburtstag seines Lebens in Gott bezeichnet. Was die vorbereitende Gnade allmählich gereift hatte» das hatte mit einer plötzlichen That des Herrn seinen Abschluß, gefunden. Von jetzt ab klang es anders aus den Liedern und erfüllte sich, was Gustav seinem treuen Carl sang in dem letzten der 1829 herausgegebenen Sonette

"Meinem treuen Freunde Karl Straube"

(Simon Johanna S. 161).

Wie uns der Herr zu einem heißen Streben,

Zu einem heil'gen Kampfe fest verband,

Daß wir uns Ihm mit Herzen, Mund und Hand Zu treuem Glauben demuthvoll ergeben,

So wollen wir vereint, in Tod und Leben,

An Ihm nur hangen still und unverwandt,

Gedenken an Sein theures Liebespfand,

In Ihm nur hoffen, dichten, sein und weben!

Ja, Alle wollen wir in Ihm umfassen,

Und so in Freude wie in Angst und Nöthen Vertrauensvoll zu Ihm und kindlich beten.

Und steht ER dann erbarniend auf uns nieder —

So weinen wir und singen uns're Lieder —

Und können uns in Ewigkeit nicht lassen!

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Wenige Tage nach jener Entscheidungsstunde war wieder eine Versammlung des studentischen Freundeskreises. Einer aus dem Kreise hielt einen Vortrag über Schleiermachers Monologe und hatte die in denselben sich kundgebende übermüthige Selbstverherrlichung des stolzen Kraftbewußtseins mit Zustimmenden Worten gepriesen. Um den Eindruck seiner Worte noch zu erhöhen, hatte rr ein Bild von Schleiermacher sich verschafft und mit einem Schleier umhängt, den er zum Schluß plötzlich hinwegzog, um die feinen und doch so markirten Gesichtszüge des Mannes zu zeigen, dem diese Bewunderung galt. Die Absicht war völlig erreicht. Alle Anwesenden gaben der Reihe nach ihr Urtheil ab, der Vortrag sei vortrefflich gewesen und klatschten lauten Beifall. Nur Knak schwieg, und neigte sein Haupt. Er mußte wiederholt aufgefordert werden zu sprechen. Dann aber erhob er sich, und richtete ruhig und fest fein Auge auf den Vortragenden mit den Worten: "Hättest Du das hier lesen können, wenn Du bedacht hättest, daß der Herr Jesus hier mitten unter uns ist?" — Ein Schlag ging, durch die ganze Versammlung. Sie verstanden ihn nicht, und hatten doch das Gefühl von einem Stärkern, der über einen Starken gekommen war. Wenige Wochen später traten alle drei Freunde in den Candidatenstand.)

Von jetzt ab knüpfte sich das durch den heiligen Geist direkt geheiligte Band Gustavs mit dem heißgeliebten Karl doppelt fest und innig; hatten sie doch einen gemeinsamen Geburtstag und ein völlig gemeinsames Ziel und Erbe. Und es ist ergreifend, in der Correspondenz beider Brüder zu lesen, wie nichts, auch gar nichts, weder Großes noch Kleines, in ihrem Leben geschah, das sie nicht mit einander getheilt und vor den HErrn gebracht hätten, seitdem an die fünfzig Jahre lang.

Zweiter Abschnitt.

3.

Das Sommer-Semester 1829.

*) Das Universitätszeugniß Knaks, siehe Zeugnisse Nr. III.

Die große geistige Anstrengung, mit der Knak seine umfassenden ^ Universitätsstudien betrieb, hatte seine Gesundheit erschüttert. Heftige, oft unerträgliche Kopfschmerzen, nervöse Erregungen, Fieberanfälle hinderten ihn an der anhaltenden Fortsetzung seiner ernsten Arbeiten. Er bedurfte mindestens der Erholung eines halben Jahres, um sich einigermaßen wieder zu kräftigen. Er brachte dasselbe in Berlin im Hause der ihn zärtlich liebenden Mutter zu. In dieser Zeit besuchte er die Predigten Schleiermachers und Goßners. Erstere konnten ihn nicht mehr befriedigen. "Obgleich ich nicht sagen kann (so schreibt er unterm 29. Aug. 1829 an seinen "Herzenskarl", nachdem er eine Predigt von Schleiermacher gehört hatte), daß diese Predigt unevangelisch war, so konnte sie doch zum Herzen den Weg nicht finden, und bewegte sich doch meist nur um Allgemeines; wer nicht weiß, an wen er glaubt, dem könnte dadurch die Brust nicht erglühen von heiliger Sehnsucht"         "Ach

(setzt er, künftige Zeiten mit ahnendem Blick schauend, zum Schluß hinzu), daß doch der himmlische Vater auch uns immer größere Glaubensfreudigkeit gäbe und in Herz und Mund legte, was wir reden, und wie wir von Ihm zeugen sollen, dann würde sich schon

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vermehren die Zahl derer, die Ihn suchten, und der HErr würde dann auch Gnade geben, daß Viele Ihn fänden." Nach einer Goßner'schen Predigt schreibt er: "Ich habe heute den lieben Goßner gehört, der spricht, wie ein seliges Kind von dem lieben HErrn> der bittet die lieben Herzen, seine Brüder und Schwestern, daß sie doch in die Windeln des Glaubens und der Liebe aufnehmen möchten das Himmelskind und sich ihm ergeben von Herzensgrund."

Der Absagebrief Neanders an Hengstenberg machte ihm großen Kummer. Er schreibt (8. April 1830): "Ach, daß doch Keiner ein so recht treues Herz hat gegen den andern, daß sie sich nicht um Christi willen lieber um den Hals fallen und mit herzinniger Liebe ermahnen! Und daß man die Selbstverleugnung so selten findet!" Ebenso betrübte ihn das damals herauskommende neue Berliner Gesangbuch: "Ja wohl neu ist es; aber die alte Einfalt und Kindlichkeit haben die neuen Verbesserer aus manchem alten köstlichen Liede gestohlen. Denn ein Raub ist es zu nennen und ein Mangel an Scheu und Ehrfurcht gegen die herrlichen Liebes-männer, die getrieben vom heiligen Geist dem HErrn gespielt und gesungen haben so köstliche und liebliche Lieder und Psalmen in ihrem Herzen mit begeistertem Munde."

Ihn selbst beschäftigte in diesem Halbjahre die Herausgabe seiner ersten Sammlung von Gedichten, deren eine ziemliche Zahl seinem übersprudelnden Herzen bereits in den Universitätsjahren entquollen war. Er hatte in früherer Zeit dieselben nur abschriftlich seinen Freunden zukommen lassen. Drei solche Bändchen» kalligraphisch sauber geschrieben, wie in Kupfer gestochen, das eine vom 9. August 1828; das zweite vom 27. Oktober 1828, das dritte vom 28. Dezember 1828 hat Straube aufbewahrt. Aus diesen traf er nun eine Auswahl, die 1829 unter dem Titel "Simon Johanna, hast du mich lieb? Geistliche Lieder und Son-nette" in Berlin (bei Franklin L Comp.) im Druck erschienen. Straube, der musikalisch hochbegabte Freund, hatte zu sechs derselben innig und lieblich sich anschmiegende Melodien componirt^ zumeist im Choralton. (s. Anhang.)

Diese Lieder sang Knak gern mit einigen Freunden in einem Singverein Sonnabend Abends, wie denn überhaupt die Musik und insonderheit der Gesang eine besondere Freude und Erquickung

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für ihn war. Sein Karl aber componirte von jetzt ab viele der Lieder und Sonnette des Freundes, mußte ihm auch zweistimmige Choräle für die Flöte liefern, die er in Gemeinschaft mit seinem Wiese blies. Knaks Herz aber flog oft hinüber zu dem Freunde: "Wäre ich nur gleich drüben (schreibt er 29. August 1829), du solltest mir auch wohl spielen und singen, und ausgehen wollten wir auch, und uns viel erzählen, und unsere Worte klängen dann lebendig und frisch von Herzen zu Herzen, und wir drückten uns schweigend und treu die Hand, und dächten an den, der mitten unter uns ist!" — und elf Tage später: "O Karl, was hülfe es uns doch, wenn wir auf Einer Stube wohnten, ja wenn wir leibliche Brüder wären, aber wir kennten uns nur nach dem Fleisch und unsere Herzen wären nicht fröhlich in dem HErrn!"

4.

Erste Arbeiten und Kämpfe in Königs-Wusterhausen.

Obgleich noch lange nicht gekräftigt in seiner Gesundheit, glaubte Knak, da seine Mutter in wenn auch nicht ärmlichen, doch auch nicht wohlhabenden Verhältnissen lebte, eine Aufforderung zur Uebernahme eines schwierigen Amts nicht ausschlagen zu dürfen. In Königs-Wusterhausen hatte eine Anzahl von sogenannten Honoratioren sich verbunden, eine sellola eollsetu einzurichten. Der von ihnen gemeinsam besoldete Lehrer erhielt Tag um Tag bei einem von ihnen seine Beköstigung und ein sehr mäßiges Gehalt. Diese Stelle wurde Knak angetragen; er nahm sie als ein Geschenk Gottes an, und siedelte Michaelis 1829 nach Königs-Wusterhausen über, um dort drei sehr schwere Prüfungsjahre zn verleben.

Den Anfang seiner Arbeit machte er mit fröhlichem Gottvertrauen. Seine Kinder waren sein Trost und seine Wonne. "Ach Karl," schreibt er in seinem ersten Briefe, "wie ist es doch so unsäglich schön und wie geht Einem doch die Seele so auf in unaussprechlichem Dank und herzinniger Liebe, wenn man von Dem sprechen kann» der die Liebe ist, und Ihn in die kindlichen Seelen

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malen zu dürfen in seiner heiligen Liebesgestalt." Acht Wochen später schreibt er: "Bei meinen lieben Kindern dck geht mir das Herz auf so fröhlich und weit, da möchte ich gar nicht aufhören zu reden von dem lieben Herrn und Seiner Barmherzigkeit, und die Kindlein sind still und andächtig und verstehen es wohl, was Liebe heißt." — Die Kinder waren bald begeistert für ihren neuen Lehrer, und die Eltern fühlten sich demselben zu Dank verpflichtet.") Bald sollte aber der glückliche Kinderlehrer erfahren, daß solcher Dank nicht Stand hält gegenüber einem ernsten Bekenntuiß zu dem Herrn Jesu.

Der Pastor des Ortes, der zugleich die Superintendentur bekleidete, war ein Rationalist aus der alten Schule, ein gutmüthiger und wohlwollender, aber dem neu erwachenden Bibelglauben völlig fernstehender Mann. Er hatte den Grundsatz, daß man die Bauern ganz anders in der Religion unterrichten müßte, als die Gebildeten. Gegen Knak war er freundlich und herzlich so lange, als erdessen Glauben noch nicht erprobt hatte. Aber es konnte nicht lange währen, daß er einsah, derselbe sei doch aus anderem Holz geschnitten, als er. Daß der Candidat von sich als einem verlorenen Sünder redete, und vom Herrn Jesu als Gottes eingeborenen Sohn, und als dem einzigen Lösegeld für unsere Sünden, das konnte er absolut nicht verstehen. Nach Art der Rationalisten liebte er religiöse Dispute, und richtete bei Gelegenheit eines solchen in G.'genwart mehrerer Honoratioren die Aufforderung an den Herrn Candidaten, derselbe möchte ihm doch offen und frei sagen, was er von ihm und seinem religiösen Standpunkt halte. Knak zögerte; als jedoch Jener in ihn drang, so sprach er sich in aller Bescheidenheit frisch und frei dahin aus, daß er nur dem einfältigen Bibelglauben die Berechtigung auf der Kanzel zugestehen könnte. Hierüber aber wurde der Superintendent bitterböse; er nannte Knak einen hochmüthigen, verdammungssüchtigen Menschen, der besser sein wolle, als alle anderen. Und als dieser darauf erwiderte» er glaube auch noch nicht, daß er es ergriffen habe und vollkommen fei, aber er jage nach dem vorgefteckten Ziel, fuhr er spöttisch fort: "diese hochmüthige Demuth kenne ich schon; aber — und damit

*) Ein Gebetlein in Versen für seine Kinder s. in den Zeugnissen Nr. I V. «>,°k. 2. Aust.        2


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nahm er seinen gutmüthigen Ton wieder auf — das soll mir-nicht in den Sinn kommen, Jemand um seiner Ansicht willen weniger lieb zu haben," und als nach Tische der Candidat um. Verzeihung bat, da gab er ihm einen herzlichen Kuß und sprach: "Wir haben uns einmal tüchtig herumgestritten und das ist ja auch ganz gut!"

Freilich war ja aber auf diese Weise der Friede nur äußerlich, wieder hergestellt. Etliche der Honoratioren traten entschieden auf die Seite des Superintendenten, und Knak mußte an dem veränderten Benehmen der Kinder sehr bald merken, daß von den: elterlichen Hause hier und da Einflüsse gegen ihn ausgeübt wurden» die das zu vernichten drohten, was er in des Herrn Namen gesäet hatte. Trotz und Widersetzlichkeit übten Kinder, die er sonst zu seinen liebsten gezählt hatte, in einem solchen Maß, daß er unterm 17. Februar 1830 seinem Carl schreiben mußte: "Ich habe gestern so tief betrübende Erfahrungen machen müssen an meinen kleinen Kindern; man sollte es kaum glauben, daß es möglich wäre, daß der Teufel seine Macht schon so offenbar beweisen könnte in so kleinen Wesen. O der verblendeten Menschen, die nicht bekennen wollen, daß sie von Natur grundböse und häßlich sind." Die Zerstörungen, die in den Herzen der Kinder ungerichtet wurden, erweckten aber Knaks ganze Traurigkeit, und im heiligen Zorn schrieb er seinem Karl: "Wenn so ein Mann die Seelen vernachlässigt, soll einen das nicht bis in die innerste Seele hinein empören und aufregen? Und wie ist es da möglich, mit lauter Sanftmuth und Milde zu sprechen, und sich nicht vielmehr in den allerstärksten und kräftigsten Ausdrücken entgegen zu setzen?"

Jetzt begann eine schwere Zeit für den einsamen Candidaten: "Es kommt mir hier immer unheimlicher vor außer bei meinen Herzenskindern," schrieb er 8. April 1830 an seinen Karl. Dazu war sein Gesundheitszustand keineswegs gekräftigt; alte Leiden brachen wieder hervor ; Fieberzustände, unerträgliche Kopfschmerzen, heftiger kaum weichender Husten bei der geringsten Erkältung zehrten an seiner Kraft die ganzen drei Jahre seiner Arbeit in K. Wusterhausen. Blutentziehung — bisweilen drei bis fünf Tassenköpfe dickes schwarzes Blut — Chinin und andere scharfe Mittel verschafften nur zeitweilige Linderung, so daß die Körperkräfte oft kaum

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hinreichten, um die täglichen 5 Stunden zu geben, und daß Knak selbst es wie ein Wunder Gottes ansah, daß es ihm nebenbei möglich wurde, die Arbeiten zu seinem ersten theologischen Examen zu machen und dieses selbst (gemeinsam mit seinem Karl) am 26. Januar 1832 zu bestehen.

So gab es schwere Tage in Königswusterhausen, in welchem aber der innere Mensch von Tage zu Tage wuchs, denn Knak trug seine Prüfungen in und mit dem Herrn. Die Feindschaft gegen ihn wurde je länger, je heftiger. Selbst fein gebildete Lenke aus dem Adel verirrten sich zu verhaßten Spottreden, und eine vornehme Dame fragte einen Hauptmann in allem Ernste, ob es denn wirkich wahr sei, daß Knak den Beelzebub hätte.

5.

Ein Friedenshafe«.

Unter diesen schweren Kämpfen hatte der vereinsamte Bekenner des Herrn keine Seele in Königswusterhausen, der er sich aus-schütten konnte; aber der Herr hatte anderweitig für ihn gesorgt. Mittenwalde, der Wohnort von Knaks Onkel und Pflegevater, dem Probst Straube, liegt kaum mehr als eine Meile von Königs-wusterhaufen entfernt. Da pilgerte der müde und doch im Herzen fröhliche Candidat zum öftern hinüber, zu Wagen, zu Fuß, auch wohl einmal zu Schlittschuh, und ließ sich seine Striemen abwa-sthen, die er in den heißen Kämpfen empfangen hatte. Der alte Vater Straube, ein liebevoller, kindlich frommer Mann, verstand zwar auch noch nicht den höheren Geistesflug seines Sohnes und seines Neffen, aber er fürchtete Gott in aller Lauterkeit und trat dem zu seinem Staunen vor ihm sich entfaltenden neuen Leben seiner Kinder wenigstens nicht entgegen. Ganzes und volles Ver-siäuduiß dagegen fand Gustav bei feinem lieben Karl, dem er, wenn er nicht persönlich drüben sein konnte, bisweilen Tag um Lag tagebuchartige Briefe schrieb, in denen er Alles, Großes und

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Kleines, seinen Verkehr mit den Kindern, seine Kämpfe mit dem Superintendenten, seine Hoffnungen, seinen Kummer in einer Ausführlichkeit mittheilte, die uns noch heute in den Stand setzt, tief in dem Herzen des innigfrommen Jünglings zu lesen: "Ja, mein Herzenskarl!" so schrieb er einmal an ihn, "Du Einziger unter den Menschen, der mich nicht mißversteht, Herzenskarl! Laß uns nicht aufhören, immerfort für einander zu beten, und mit einander zu kämpfen im Namen des Herrn, dem wir uns verbunden haben auf Leben und Sterben! O mein Herzenskarl, wir haben noch erst wenig gelitten um des Herrn willen; sucht er uns aber heim, so wird er auch Gnade geben und Kraft, daß wir nicht wankend werden im Glauben, sondern gerade immer fester und freudiger, und unbeweglich stehen auf dem Felsen, welcher ist der Herr Christus!" — Kamen sie dann zusammen, dann gab es ein Singen und ein Beten und ein Austauschen der Gedanken: "Wenn ich zu Dir komme, mein Karl, hast Du dann wohl den Choral componirt, den ich Dir schicke? Ach, laß ihn mir entgegen klingen, und den auch: Dir will ich danken bis zum Grabe!"

Es bestand zwischen den beiden Candidaten ein Verhältniß von Freundschaft und Gemeinschaft, wie es wohl sehr selten in dieser armen sündigen Welt in einer so reinen und idealen Gestalt gefunden werden mag. Straube's Begabung lag nach einer andern Richtung hin als Knaks. Aber die beiden Freunde ergänzten sich in lieblicher Weife, und in einem Stück waren sie völlig Eins, in der ganzen ungetheilten Hingabe an den Herrn. Dem kühnen idealen Flug Gustavs stand die seltene praktische Begabung Karls und dem dichterischen Genie des älteren Freundes die hohe musikalische Begabung des jüngeren zur Zeite, die von den Vätern ererbt, auch auf die Ander sich fortpflanzte. Schon als Knabe hatte Straube zu dem Gerhard'schen "Gib dich zufrieden und sei stille" eine Choral-Melodie componirt, die er zu seiner Überraschung als Greis in seiner Vaterstadt vom Thurm blasen hörte, und die bis auf diesen Tag in der Kirche gebraucht wird. Jetzt, nachdem er der Opernmusik entsagt und nicht ohne großes Opfer seine sämmtlichen Opernnoten verkauft hatte, stellte er sein reiches Talent unmittelbar in den Dienst des Herrn und kannte und componirte nur noch heilige Musik, — am liebsten die Lieder

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seines theuren Herzensbruders Gustav. Wenn irgend Knak um eine Melodie zu einem Liede von sich oder anderen in Verlegenheit war, so pflegte er wohl an seinen Karl zu schreiben: "Gibt es dazu wohl eine Melodie? Wo nicht, so wirst du wohl mit Gottes Hülfe eine machen müssen, liebes Herz!" — und er konnte sicher sein, daß ihm bei seinem nächsten Besuch die gewünschte Melodie entgegenklang. Wir werden später auf diese Seite von Straube's Thätigkeit zurückkommen.

Aber in Mittenwalde, wohin er nach Absolvirung seiner Universttätsjahre zurückkehrte, arbeitete er mit ganzer Kraft nach einer andern Richtung hin. Es war dort ein alter Rector, zu alt, um seines Amtes zu warten, und zu arm, um sich emeritirm zu lassen. Dessen Arbeiten verrichtete der Candidat Straube, — ohne dafür ein Honorar zu beziehen, sechs Jahre lang, damit der alte Mann doch von seinem Gehalte leben könne. Außerdem wurde er der Hülfsprediger seines eigenen alternden Vaters. Das ihm in besonderem Maße geschenkte organisatorische Talent entfaltete er nach den mannichfachsten Richtungen hin. Ein christlicher Verein nach dem andern entstand unter seiner unermüdlichen Hand, die nichts eigenes suchte, sondern sich kindlich durch die Winke des Herrn weisen ließ. Ein Bibelverein wurde am 24. Januar 1830 gestiftet, dessen Mitglieder sich zur Zahlung von wöchentlich mindestens Einem Pfennig verflichteten, aber auch sonst Geschenke für die Mission und die Traktatgesellschaft sammelten. An diesen knüpfte sich in demselben Jahre ein Leseverein, unter dessen Mitgliedern christliche Erbauungsschriften cirkulirten, doch also, daß sie auch zu besonderen Leseabenden zusammen kamen. Auch ein Enthaltsamkeitsverein entstand und ein Verein zur Beförderung der Sonntagsheiligung, dessen Mitglieder sich zu fleißigem Kirchenbesuch und zum Lesen der heiligen Schrift und zu häuslichen Gottesdiensten, sowie zur Vermeidung und Hinderung aller Sonntagsarbeit, und zur Hebung heiliger Sonntagswerke in Bibellesen und Krankenbesuchen rc. verpflichteten. Auf allen diesen Unternehmungen ruhte sichtlich der Segen des Herrn.

Als am 3. Oktober 1831 einmal ein armes kleines Mädchen zu Straube in die Stube trat, und er nicht Zeit hatte, sie gleich auzunehmen, schickte er sie zum Kaufmann, ließ schnell Wolle und

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Stricknadeln holen, um das Kind in der Zwischenzeit zu beschäftigen; das erste Paar Strümpfe für arme Ander wurde dort begonnen. Noch an demselben Tage kamen andere Kinder und baten, ob sie nicht auch mitstricken könnten; bald kamen so viele, daß besondere Stunden zum Stricken angesetzt werden mußten, alle wollten gern Weihnachtsarbeiten für arme Kinder machen; der Leseverein brachte die Kosten für die Materialien auf, und schon Zu Weihnachten konnten 120 Paar Strümpfe, 34 nach Düsselthal. 34 nach Friedrichslohra bei Nordhausen (wo damals eine Zigeunermisston versucht wurde), die übrigen an arme Kinder der Stadt und Umgegend vertheilt werden. Aus diesen geringen Anfängen bildete sich ein ordentlicher Armen-Verein, dem schon im ersten Jahre 159 Mitglieder, theils arbeitende, theils beitragende, angehörten. Am 1. Juli 1832 wurde ein Missionslesestundenverein gestiftet, dessen beide ersten Mitglieder Gustav Knak und Karl Straube waren, und dessen Teilnehmer sich außer Mittenwalde auch über die benachbarten Dörfer und die Städte Königs-Wusterhausen, Luckau und Zossen erstreckten. Dieselben pflegten sich reiheum in den Häusern zu versammeln, um miteinander die heilige Schrift und Traktate und die neusten Missionsnachrichten zu lesen. Aus diesem Missionslesestundenverein entstand seit dem 26. August 1834 der mittenwalder Missionshülfsverein, der eben so wie der Bibelverein bedeutende Gaben aufbrachte. Letzterer zählte 1830 bereits 388 Mitglieder, von denen 187 in der Stadt und 160 auswärts wohnten, 1831 401 Mitglieder, 1dl in der Stadt und 210 auswärts, und konnte am Ende des ersten Rechnungsjahres 191 Thaler an die Hauptbibelgesellschaft einsenden. Zu diesen Vereinen kam seit 6. Sept. 1833 noch ein Verein christlicher Hausfrauen, welche armen Kranken Suppen verabfolgten; 1835 ein Gesellenverein, der wöchentlich zweimal seine Versammlungen hielt.

Allen diesen Vereinen stand der Candidat Straube mit großer Liebe und Treue vor. Allmonatlich schrieb er eine Art Ansprache und Tagebuch, welches wichtige im Kreise der Vereinsmitglieder vorkommende Ereignisse mittheilte und also ein lebendiges geistliches Band um dieselben schlang. Wie sich diese Vereine später ausbreiteten und entwickelten, und welchen reichen Segen sie in die weitesten Kreise trugen, werden wir weiter unten berichten.

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Gustav Knak nahm an allen diesen Arbeiten seines Herzensfreundes den innigsten Antheil, und verpflanzte sie, so weit er konnte, auch nach Königs-Wusterhausen. "Es ist," so schreibt er. am 8. October 1831," als wenn dich der Herr dazu bestimmt hätte, in Seinem Namen noch viele solcher Vereine zu stiften; ich werde mich natürlich, wie immer, an dich anschließen, denn unsere Hände sind verbunden, wie unsere Herzen ewiglich!" Unter das Circular, in welchem Straube zum Beitritt aufforderte für den Missionlese-stuudenverein, schreibt Knak unterm 27. Juni 1832: "Mit herzinniger Freude habe ich diesen köstlichen Vorschlag unseres getreuen Bruders gelesen, nehme ihn auch von ganzem Herzen an und weiß gewiß, daß der liebe Heiland uns dabei, weil wir in Seinem Namen versammelt sind, mit Seinem Segen nahe sein, und uns diese Ihm wohlgefällige Erbauung zur Stärkung unseres schwachen Glaubens, zur Befestigung unserer brüderlichen Liebe und Gemeinschaft und zur immer tieferen Begründung unserer unverwelklichen Hoffnung des ewigen Lebens werde gereichen lassen." — Zum Schluß fügt er noch hinzu: "Noch wünschte ich, daß wir vor dem Anfänge dieser köstlichen Stunden jedesmal erst dem lieben Herrn ein Loblied sängen und die Versammlungen dann auch ebenso mit Gesang beschließen."

Auf diese Weise war dem Candidat Knak noch ein anderer Kanal erschlossen, auf welchem er in die Herzen seiner Mitbürger in Königs-Wusterhausen eindringen konnte, und es fehlte bald nicht an heilsbedürftigen Seelen, Alten und Jungen, die bei ihm im Zimmer Trost, Rath und Belehrung begehrten, und mit denen er seine Kniee vor dem Herrn beugen konnte. Seine ganze Freude hatte er an einem Stellmachermeister, namens Jäger, den er als einen stillen, tiefen, aufrichtigen Mann bezeichnet, der zuerst zwar noch, in Selbstgerechtigkeit befangen, aber durch Gespräche mit Knak, die sich oft bis Mitternacht verzogen, so wie durch Gebete mit ihm bald zur Demuth eines Christen, der nur von Gnade leben will, heranreifte.

Ein besonderer Gegenstand des Herzensverkehrs zwischen beiden Freunden war die Sorge um das Seelenheil ihrer nächsten Verwandten und Freunde. Gustav hatte den Vorzug, eine Schwester zu besitzen, namens Flora, welche einen tief ernsten Zug zum

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Herrn hatte; er konnte mit ihr, als einer reiferen Seele, so recht von Herz zu Herzen verkehren und sie in den mancherlei Beängstigungen, welche in der Schwäche ihres vielfach durch Krankheit heimgesuchten Leibes ihren Grund hatten, mit dem Wort des Friedens trösten. Sie war auch ein Friedenskind, und es war eine innige Freude für Gustav, daß dieser theuren Schwester und seines theuren Karl Herzen durch bräutliche Liebe mit einander verbunden waren. Die übrigen Verwandten aber waren geistlich anders gerichtet, und es war nun das innige Flehen des treuen Sohnes, daß doch auch die heißgeliebte Mutter und die beiden anderen Schwestern des Friedens im Herrn theilhaftig werden möchten. Er versuchte brieflich und mündlich ihnen nahe zu kommen, erhielt aber lange Zeit von der Mutter strafende Antworten. So schickte er denn von da ab die Briefe an die Seinen zunächst an feinen Herzenskarl, damit dieser sie erst lese und darüber bete und sie also weiter senden möge. Auch bei seinen Verwandten fand er längere Zeit keinen Eingang. Von einem bei ihnen verlebten Weihnachtsabend schreibt er: "Wir freuten uns über die Kindlein und ihr kindliches Springen und Jauchzen; aber die Eltern stehen dabei und denken sich wohl mit Wehmuth zurück in die glücklichen Tage ihrer Kindheit—, als ob sie nicht immer noch Kinder sein sollten, und als ob ihre Freude nicht viel seliger und voller werden müßte von Jahr zu Jahr!" Ein andermal schreibt er: "Laßt uns doch recht beten für den armen Ernst, für W. und G. und für unsre nächsten Blutsverwandten."

Der gedachte Ernst war ein Gymnasiast in Luckau. der nach Frieden suchte und ihn nicht finden konnte, der dabei trotz allen Ringens immer wieder in unüberwundene Fehler zurückfiel, und nun mit kindlichem Zutrauen sich den beiden Freunden erschlossen hatte. Es ist rührend, in Knaks Briefen drei Jahre lang fast immer wieder die Ermahnung zu lesen, doch ja für diesen lieben Ernst zu bitten, bis endlich die vereinigten Gebete der beiden Freunde zum Himmel drangen, und der heißgeliebte Ernst Wolf (später Prediger bei den separaten Lutheranern) seinen Frieden in Jesu Wunden fand.

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Tag und Nacht, in Gedanken und im Wort, trug er ihm seine Liebe nach, und wenn derselbe eine Zeit lang sogar etwas unzugänglich sich erwies, und Gustav wohl den Schmerz zurückgewiesener Liebe erfahren zu müssen glaubte, so schmiegte er sich immer wieder und wieder mit der größten Innigkeit in das Herz des theuren Freundes, dem diese Liebesbeweise wie Büßpredigten vorkamen, — und ließ nicht nach, sammt seinem Karl in stetem Gebet um den Freund, bis er endlich mit ihm Gott den Herrn preisen konnte darüber, daß das, was beide eine Zeit lang getrennt hatte, hinweggenommen war.")

Alle diese seine innersten Gefühle und Herzensbedürfnisse in Freud und Leid, in Hoffnung und Erfüllung trug Gustav aus der Mitte seines bewegten Kampfeslebens in Königs-Wusterhausen mündlich und schriftlich hinüber in seinen Friedenshafen zu Mitteu-walde und in das Herz seines geliebten Karl.

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Erste Erfolge und neue Kämpfe.

Der Herr verheißt» daß sich die Herzen der Väter zu den Kindern bekehren sollen. Dies Wort erfüllte sich auch in Königs-Wusterhausen. Knak hatte eines Tages seine Kinder gefragt, ob sie denn auch über Tische beteten. Bald darauf kommt er wie gewöhnlich zu einer der Familien, bei denen er zu Mittag speiste» und sieht zu seinem freudigen Erstaunen, daß, als die Speisen aufgetragen find, Eltern und Kinder hinter ihren Stühlen stehen bleiben; der Vater nimmt die Mütze ab, und das liebe Kind betet laut, die übrigen Tischgenossen leise. Und dem Beispiel folgten bald auch andere Familien. — Als eines Tages der Lehrer gebeten hatte, die Kinder möchten doch den Helligen Gottesnamen

*) Einen Brief aus jener Zeit, vom 30. Dezember 1830, haben wir in derr Zeugnissen mitgetheilt g. Zeugnisse Nr. Vj.

Das geistliche Wohl feines theuren ernsten Jugendfreundes Ludwig Wiese aber ließ dem besorgten Gustav keine Ruhe. Bei

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nicht so oft ohne Scheu und Ehrfurcht bei jeder Gelegenheit aussprechen , begannen die Kinder von Stund an, diese böse Gewohnheit abzulegen und sich dazu auch gegenseitig zu ermahnen. Eines Tages ist Knak wieder zu Tische geladen bei einer Frau, und dieselbe spricht auch so leichthin den Namen Gottes aus. Da steht Plötzlich der kleine Knabe sacht aus und sagt der Mutter ganz einfältig leise ins Ohr: "Mutter, was sagst du schon wieder?", und wiederholt diese Worte, als die Mutter nicht gleich hört. Und .als einmal die Mutter das Tischgebet versäumt, und durch das Kind daran erinnert, antwortet: "Das hätte ich beinahe vergessen!" «antwortete das Kindlein ganz erschreckt: "So was muß man nicht vergessen," und betete dann selbst laut: "Aller Augen warten auf dich, Herr!"

Knak wußte aber die Kinder auch in herzgewinnender Weise an sich zu fesseln, er zeigte ihnen Bilder, er las ihnen schöne Geschichten vor, namentlich Sonntags Abends hielt er Kindermissionsstunde mit ihnen, und obschon der böse Einfluß mancher Eltern hemmend in den Weg trat, und etliche sogar ihren Kindern solche Besuche bei ihrem Lehrer verboten, so prägte sich doch in einer ganzen Anzahl von ihnen ein entschiedener Ernst aus. Es kam vor, daß, wenn ruchlose Erwachsene aus Opposition gegen den verhaßten Pietisten Knaben zum Vranntweintrinken verführen wollten, diese es entschieden ablehnten. Ein Kind weigerte sich bestimmt, Zu tanzen, und erduldete sogar Schläge von seinen unvernünftigen Eltern» bis es unter Thränen ihnen gehorchte. Ein anderes Kind sprach zu feinen Eltern geradezu: "Aber Vater und Mutter, ihr gebt mir doch ein recht schlechtes Beispiel. Herr Knak sagt, man dürfe nicht spielen und tanzen, und du, Mutter, tanzest, und Vater spielt." Vierzehn Tage später fragt der Superintendent die Kinder Ln der Confirmanden-Stunde, ob Tanzen und Spielen Sünde sei. Seine Schüler antworten: Nein! Knaks Schüler schweigen, und §ls er sie nochmal frägt, schweigen sie wieder. Er aber wird bitterböse: "Wenn sie klüger sein wollten als er, möchten sie lieber wegbleiben; seine Kinder glaubten ihm alles, was er sagte, auf das Wort. Aber das käme von den Kopfhängern und Frömmlern, die den Sinn der Schrift verdrehen und sich heiliger hielten, als andere Menschen." Als er aber in der nächsten Stunde wieder

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die Kinder fragt, ob Tanzen Sünde sei, antwortet eines derselben: "Was nicht aus dem Glauben kommt, das ist Sünde."

Nun war Oel ins Feuer gegossen, das Gesprochene machte bald die Runde durch die Stadt, ein allgemeines Spotten erhob sich. Eine der Hausfrauen, bei denen Knak zu speisen pflegte, schickte ihm, damit er ihr Haus fernerhin nicht betrete, das Essen in seine Wohnung, andere Eltern forderten ihre Kinder auf, doch nicht zu glauben, was Knak ihnen sage, die Sache mit dem Antichrist z. B. sei geradezu Unsinn. Einem Mann, der christliche Bücher von Knak erhielt, wurde angeboten, man wolle ihm weltliche Bücher borgen, er möchte doch das dumme Zeug nicht weiter lesen. Der Superintendent gab von jetzt ab den Knak'schm Kindern täglich ein bis zwei und eine halbe Stunde besonderen Religionsunterricht. um sie genügend zu belehren. Die Sünde, sagte er ihnen, wäre nur Schwachheit, so habe schon sein Vater und sein Großvater gelehrt, und sie seien doch geachtete Männer dabei gewesen. Dann drohte er, er werde sie, wenn sie nicht das glaubten, was er lehre, gar nicht einsegnen. Als nun aber eins der Kinder antwortete, dann werde wohl Herr Probst Straube sie einfegnen, so verbot er den Kindern geradezu, den Religionsunterricht Knak's zu besuchen, und etliche kamen von jetzt ab in der That erst nach den Religionsstunden zu ihm in die übrigen Unterrichtsstunden. Auf die Remonstration Knaks wurde dieses Verbot zwar abgestellt; aber der Gram und Kummer, den dieser, der doch selbst den unbändigsten Kindern die innigste Liebe nachtrug, an einigen durch ihre Eltern geredezu zum Trotz und Ungehorsam angereizten Kindern von jetzt ab zu erdulden hatte, untergrub seine ohnehin schon schwache Gesundheit in dem Maße, daß er bei der geringsten Aufregung in Schweiß gerieth, und daß seine alten Kopfschmerzen bis zur Unerträglichkeit sich steigerten.

Und wie nahm Knak das Alles auf? Er schreibt unter dem 26. Februar 1831: "Hat Judas den. dessen Brod er aß, so schändlich und hinterlistig vermißen können, wie wollen wir uns wundern, wir armen Sünder, die wir ja nichts als Verdammniß verdient haben, wenn uns Aehnliches begegnet, wie unserem geliebten Herrn! Und was ist unser Schmerz und Gram gegen die unsäglichen Leiden dessen, der die Sünden der ganzen Welt getragen

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und gebüßet hat! Immer aber wird man durch solchen Gram auf das eigene untreue Herz zurückgeführt, und der Herr gebraucht dann solche traurige Vorfälle zur Strafe und Züchtigung derer, die Er lieb hat, und je mehr wir selbst fühlen, wie wehe es thnt, wenn Jemand, den wir herzlich lieb haben, uns so tief betrüben kann durch Trotz und Eigensinn und anderen Ungehorsam, desto mehr werden wir selbst abgeschreckt, den durch unsere Sünden zu betrüben» der uns zu Liebe in unaussprechliches Leid und in den bitteren qualvollen Tod gegangen ist. Meine eigene Untreue gegen den treuen Herrn ist mir durch dieses Ereigniß mit dieser meiner lieben Auguste wiederum recht deutlich geworden, und ich nehme den Gram und Schmerz, den es mir bereitet, als eine wohlverdiente Strafe und Züchtigung aus den Liebeshänden unseres theuren Herrn demüthig und willig an. Der Herr aber wird mich auch wieder trösten und mein armes Herz wieder erquicken durch Sein süßes Wort!         "

Er ahnte nicht, wie dieser Trost bereits vor der Thür stand, und von welcher wunderbaren Seite her der Herr dem lieben Kreuzträger, nachdem das Kreuz seinen Zweck an ihm erreicht: hatte, unerwartete Erquickung bringen sollte.

7.

Em unerwartetes Ereignitz.

Im Jahre 1831 machte zum ersten Mal die asiatische Cholera ihre Erscheinung im deutschen Vaterlande und erweckte allgemeinen Schreck und Entsetzen. Das menschliche Herz zeigte sich einmal wieder so recht in seiner Art als ein trotzig und verzagtes Dmg. Die Vorkehrungen zur Abwehr des bösen Gastes wurden in unem Grade betrieben, der zum Lachen hätte reizen müssen, wenn nicht der blasse Schreck damals alles Lachen erstickt hätte. Vor jedem einzelnen Stadtthore wurde eine hölzerne Wächterbude aufgestellt, und ein, oft recht komisch aussehender Spießbürger hineingesteckt.

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der mit seinem Seitengewehr die Cholera abhalten sollte. Ein Schlagbaum neben der Bude wehrte jedem Reisenden den Eintritt in das geschützte Weichbild der Stadt, und wehe dem Fuhrmann oder dem einsamen Wanderer, der diesen Eordon zu durchbrechen wagte, ohne durch ein unfehlbares Gesundheitsattest aus einem unaf-fizirten Orte sich als unverdächtig und unschädlich legitimirt zu haben. Dazu wurden in jedem Ort besondere Cholera-Lazarethe eingerichtet, eigene Cholera-Krankenpfleger bestellt, und eine Unmasse von erprobten und nicht erprobten Abwehr- und Heilmitteln in jedem Dorfe aufgehäuft. Den Urheber dieser Sicherheitsmaßregeln, Geh. Rath Rust, zeigte ein Spottbild als Sperling mit dem unverkennbaren Gesicht des Herrn Geheimen-Raths und der Unterschrift: M886r rustious "Der gemeine Landsperrling." Besser freilich verstand es Straube in seiner praktisch-sinnigen Weise, die Cholera-surcht zu parodiren, indem er neben seinen kleinen Schriften auch ein Blatt herausgab mit der Überschrift: "Cholera, Gesundheitsmaßregeln für Leib und Seele." Diese lauteten dann etwa: 1) Sei nicht ängstlich (Jes. 41,10). Fürchte dich nicht (Matth. 10,28; 28,20).— 2) Sei reinlich (Jak. 4,8). Reinigt die Hände, ihr Sünder, und macht eure Herzen keusch. — 3) Sei ordentlich (iCor. 14, 40. Ps. 89, 32. IPetr. 2,13). — 4) Sei mäßig und nüchtern (IPetr. 4, 8). — 5) Wählt die Speise und Trank mit Bedacht (Matth. 5,6. Joh. 6,35). Halte dich warm (IPetr. 4.8) rc.

Auch in Königs-Wusterhausen wurden alle nöthigen Vorkehrungen getroffen, die geistlichen durch Knak. die leiblichen durch den Bürgermeister. Aber so viel letzterer auch suchte und Geld bot, Niemand wollte sich zu dem Lazarethdienst finden, so daß schließlich der verspottete Pietist sich auch zu diesem Dienste darbieten mußte. Eines Tages kommt er mit seinem lieben Stellmachermeister Jäger zusammen und fragt ihn, ob er nicht meine, daß sie beide Zum Lazarethdienst sich melden möchten, und war eben so überrascht als erfreut, als jener ihm mit der Bemerkung entgegenkam, er habe an diesem Tage bereits denselben Gedanken erwogen. Sofort also geht die Meldung ab an die Behörden.

Schneller als man denken konnte, bot sich die Gelegenheit dar, zu zeigen, daß es den beiden "Frommen" voller Ernst war mit dem angebotenen Liebesdienst.

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Knak war am Mittwoch, den 21. September nach Mittenwalde gegangen, als in der Stadt sich das grausenerregende Gerücht verbreitete: Die Cholera ist ausgebrochen auf einem Oderkahn. Der eine von den Kahnschiffern ist bereits gestorben, der andere hat die ganze Nacht hindurch hülflos auf Deck gelegen, Niemand wagt, sich dem Unglücklichen helfend zu nahen. Nichts ahnend, nahm Knak am Donnerstag Morgen Abschied von seinem lieben Karl, der ihm das Geleite gab und ihn mit den Worten: "Der Herr sei mit uns!" entließ. Ein unaussprechliches Freudengefühl erfüllte den Nichts Ahnenden auf dem ganzen Wege. Kaum angekommen in Königs-Wusterhausen aber hört derselbe, was geschehen ist. Er schreibt an seinen Wiese: "Was für ein Gefühl der Kraft und des Muthes, welch' eine Freudigkeit mich bei der Nachricht durchdrang, kann ich dir nicht sagen, mein Bruder.

         Wir beide, mein lieber Bruder Jäger und ich, gingen nach dem

Schiffe, in dem der Kranke lag. Dieser, sonst ein starker kräftiger Mann, lag nun ohnmächtig und hülfsbedürstig da, gleich dem schwachen geknickten Rohr. Wir bestellten nun sogleich eine Karre oder Tragbahre, um den armen Menschen von da wegzuschaffen. Die handfesten Leute, welche letztere brachten, liefen eilend wieder davon. Als wir den Kranken aus dem Kahn aufhoben, wagte Niemand, auf dreißig Schritte uns zu nahen. Was blieb uns übrig? Nichts, als den Herrn anrufen und in seinem Namen den Kranken vom Schiff aus auf die schwere Trage zu bringen und ihn trotz aller eigenen Ohnmacht und Schwachheit selbst nach dem Lazareth zu tragen!" — Ein näherer Weg führte durch eine Ziegelei; aber als sie dort ankamen, versperrte ein Mann mit einer langen Stange ihnen den Weg, und drohte sie todt zu schlagen, wenn sie seinen Hof beträten. Sie mußten also zurück und einen weiten Umweg machen. Der Weg ging durch eine sumpfige Wiese, in der sie unter der schweren Last bei jedem Schritt knöcheltief einsanken; der Kranke war schwer und die Trage kaum eine Hülfe; aber 4'die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, daß sie auffahren mit Flügeln wie die Adler, daß sie laufen und nicht müde werden, daß sie wandeln und nicht matt werden." So kamen sie denn auf dem beschwerlichsten Wege, auf welchem unter anderm sie mit ihrem Kranken über einen als

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Brücke dienenden, schwankenden Kahn einen Graben passiren mußten^ endlich mit fröhlichem Herzen und Angesicht bei dem Lazareth an, im Stillen dem Herrn dankend, während die Uebrigen fast alle vor ihnen flohen, wie vor einer giftigen Schlange. Der Herr hatte in der That ein Wunder gethan, daß der ganz schwächliche und gebrechliche Candidat, der soeben erschöpft von der Reise ankam, im Stande war, diese Arbeit zu leisten, die für manchen Starken Zu schwer gewesen wäre.

Im Lazareth angelaugt, begann aber nun erst die rechte Hauptarbeit. Es galt, zunächst den Kranken durch Reiben wieder warm zu bekommen. Die beiden Pfleger waren ganz durchnäßt; ein Paar trockene Strümpfe, die man dem Candidaten in das Lazareth hineinwarf, hatte dieser dem Kranken, der barfuß war, angezogen. Durch und durch naß von innen und von außen, mußten die beiden den ganzen Tag ihre angestrengte Arbeit fortsetzen. Knak übernahm vornehmlich das Reiben, während Jäger mit dem Einheizen und Theekochen und sonstigen Hülfsarbeiten beschäftigt war. Die Bemühungen schienen erfolgreich zu sein. Wenigstens der Arzt versicherte, daß der Zustand des Kranken sich ganz wesentlich gebessert habe.

Knak fand noch an demselben Tage Gelegenheit, seinem geliebten Karl und dessen Vater von allem Geschehenen Nachricht zn geben. Sein Herz war jetzt, und so lange sein Aufenthalt im Choleralazareth währte, in gehobener, begeisterter Stimmung,, seine Briefe, deren er etliche von jenem Pestort schrieb, athmen alle Lob und Preis gegen den Herrn. An seinen Onkel schrieb er an jenem Tage: "Ich möchte laut weinen vor Freude und Dank gegen unfern hochgelobten Herrn Jesus Christus, der an »ns überschwänglich mehr gethan hat, als wir bitten und verstehen können. Nichts als seine Liebe bis zum Tode, nichts als der stete Gedanke an Seine unendliche Marter für uns arme, elende verdammnißwerthe Sünder — nichts als dies allein, mein geliebter Herzensonkel, hat uns die Stärke, Freudigkeit, Muth und Geduld gegeben. Ei des süßen Heilandes! Das mag ein treuer Jesus heißen, den man nicht besser wünschen kann. Mein Heiland nimmt die Sünder an!"


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Der Jubelton Gustav's fand in dem Herzen seines Karl vollen Wiederhall. Er schreibt an jenem Tage: "Ach welche Gnade ist das! Wäre ich doch gleich bei den lieben Brüdern, die so selig in ihrem Lazareth sein werden, und so still und freudig auf ihre Kniee fallen und den treuen Helfer um Kraft und Gnade bitten werden; ach wenn mir doch auch solche Freude und Seligkeit .zu Theil würde!" Dann erbot er sich dem Arzt, der von Wusterhausen persönlich die Nachricht nach Mittenwalde gebracht hatte, sofort zum Mithelfen im Lazarethdienst; doch verweigerte ihm sein alter Vater die Erlaubniß dazu.

Die erste Nacht verbrachten die beiden Pfleger größtentheils schlaflos, weil sie den Kranken beständig zu besorgen hatten. Am folgenden Morgen konnte Gustav seinem Karl die fröhliche Botschaft senden, die Krankheit sei völlig gehoben. Aber bereits zu Mittag änderte sich der Zustand; die Folgen des starken Brannt-weintrinkens traten hervor, in der Nacht vom Freitag zum Sonnabend war es schon ersichtlich, daß der Tod an die Thür klopfte. Der Kranke hatte noch einigermaßen seine Besinnung. Bisweilen, wenn Knak betete, legte er seine Hände über einander, als wollte er sie falten. Auf die Frage, ob er auch an Gott und den Heiland dächte, konnte er am ersten Tage noch antworten: "Wo-van denn sonst als daran allein?" aber im Uebrigen konnte man doch nicht sichere Kennzeichen an ihm wahrnehmen, ob er noch ferner dem Worte Gottes innerlich zustimme. Als seine Besinnung zu schwinden begann, so stimmte Knak mit seinem Freunde geistliche Lieder an, die sie mit lauter Stimme sangen.. Da der Kranke früher als Nachtwächter auch viele geistliche Lieder gesungen hatte, schienen während des Singens alte Erinnerungen in ihm aufzutauchen. Wenigstens wurden, während die Beiden das Lied: O Haupt voll Blut und Wunden, ganz aussangen, seine Beängstigungen geringer und sein Schmerz schien leichter zu sein. Dann legten die beiden Pfleger sich auf eine Matratze, um wenigstens etwas zu ruhen, wenn sie auch nicht schlafen konnten. Gegen drei Uhr begann das Todesröcheln. Knak kniete nieder zum Gebet, während Jäger zum Kranken eilte und nach einigen Mnuten verkündete, er sei hinüber. Wer mag ermessen, ob der Herr den urmen Mann nicht, von Menschenaugen ungesehen, dennoch als einen


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Schächer in der zwölften Stunde gefunden habe. Einige Leichenträger fanden sich. Die beiden Pfleger geleiteten ihren Pflegling zum Grabe. Sie sangen am Grab das Lied: O Welt, ich muß dich lassen! Knak las mit lauter Stimme den 90. Psalm. Darauf kehrten die Beiden in das Lazareth zurück, wo sie noch fünf Tage Quarantaine halten mußten; Tage des Friedens und der Ruhe nach der anstrengenden Arbeit. Gustav schrieb Briefe au Karl und dichtete Lieder, und war fröhlich in seinem Gott, wie er an Wiese schreibt "voll Dankes und Lobes gegen unfern treuen, lieben, barmherzigen Heiland."

Seinem Karl schüttete er gleich nach dem Tode des Kranken am 24. September sein volles Herz aus in einem langen Briefe, aus dem wir hier nur Einiges mittheilen: "Ich befinde mich ausgezeichnet wohl, fast möchte ich sagen, wohler als sonst häufig. Vor allem aber macht der Herr, der gekreuzigte süße Herr Jesus, meine Seele unsäglich froh, und ich könnte, wenn es sein Wille wäre, daß wieder einer von dieser Krankheit befallen, hierher gebracht würde, augenblicklich meinen Dienst auf's Neue wieder anfangen. Ja, du theures Herz, mein Herz hüpft mir vor Freude, daß der Herr mich Elenden, der ich das wenige, was ich bin, nur allein durch seine Gnade bin, gewürdigt hat, einem der geringsten seiner Brüder einen kleinen Liebesdienst zu erweisen. O ich habe den armen Kranken wohl recht liebreich gepflegt; ich konnte aber auch nicht anders durch des Herrn Gnade, welchem sei Lob und Preis und Anbetung in Ewigkeit, Amen! O, daß ich doch Allen die Worte in's Herz rufen könnte, ich vornehmster unter allen begnadigten Sündern, daß "die Sonne, die mir lachet, ist mein Herr Jesus Christ, das, was mich fröhlich machet, ist was im Himmel ist." Meinem lieben Herzensvater und Mutter lasse ich herzlich danken für ihre liebreiche Sorge um mich; wer wollte aber darüber traurig sein, wenn ein Knecht des Herrn, so er den Feldherrn sieht vorgehen, mit Freuden nachfolgt und um Seinetwillen selbst sein armes Leben nicht lieb hat bis zum Tode! Ueber die furchtsamen, feigen Maulchristen aber sollte man billig sich grämen und traurig sein, weil sie Den nicht kennen, der dem Tode die Macht genommen und Leben und unvergängliches Wesen an das Licht gebracht hat. "Wer da lebet und glaubet an mich, der wird nim-

Ikiiak. 2. Aufl.        3

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mermehr sterben!" Darum, ihr Lieben, Freudenlieder solltet ihr-singen und geistliche liebliche Psalmen des Dankes, daß der Herr mich elenden Knecht gnädiglich angesehen und mich öffentlich für Seinen Jünger erklärt hat, Er, der zugleich gesagt hat, daß auch kein Haar von unserm Haupt falle ohne den Willen des himmlischen Vaters! Ja, mein Karl! ich wiederhole es nochmals, obgleich du es wußtest, nichts als der Glaube an Ihn, der durch Seine Kreuzesmarter für mich genug gethan und um deswillen mir nun der himmlische Vater wieder gnädig ist, nur der lebendige Glaube an das Lamm Gottes, das unsere Missethat auf Sich genommen hat, und durch dessen Wunden wir sind heil geworden, nur dieser Glaube giebt uns unfern Muth und unsere Freudigkeit, und nur wer diesen Glauben hat, kann mit Assaph sprechen: "Ob Zehntausend fallen zu deiner Rechten und tausend zu deinen Seiten, so wird es doch dich nicht treffen." Und wenn es uns träfe? O dann gingen wir heim zum Vater, nach Hause in den Himmel, zum lieben Heilande, wo Schmerzen und Seufzen nicht mehr sein wird und wo alle Thränen abgetrocknet werden von unsern Augen. Schreibe du, mein Herz, statt meiner an Mutter, schreibe ihr von meiner Freudigkeit, und daß ich so gesund sei, wie ein Fisch im Wasser, daß aber mein Arzt Leibes und der Seele kein anderer

ist, als der liebe Heiland         Grüße deine theuren Herzenseltern»

und sage ihnen, wie fröhlich und wie glücklich wir sind in unserm lieben Herrn. Der Herr aber sei mit uns und euch auch fernerhin» und gebe uns noch recht viel Gelegenheit, Ihn durch Seine Gnade zu verherrlichen, und Sein Kreuz zu verkündigen. Lebe wohl, du. liebes Herz» und betet Alle» Alle für eure fröhlichen, einfältigen Brüder."

Gustav Knak und Ferdinand Jäger.

Königs-Wusterhausen, Sonnabend Vormittags um ^9 Uhr.

Der Eindruck, den die ganze Begebenheit auf die Umgebungen machte, war ein tiefer, einschneidender. Der Superintendent kam gleich am 23. September zum Lazareth, wenigstens bis an die Thür, um den bisher verkannten Kandidaten auf das Zuvorkommendste zu begrüßen, und wiederholte den Besuch während der

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Contumazzeit. An den Probst Straube schrieb er von Gustav als "unserem würdigen Freund" und von beiden Pflegern, als: "edlen Menschenfreunden, denen der Herr reichlich vergelten wolle, was sie gethan!" Später schickte er Gustav einen Korb mit Aepfeln und reifen Weintrauben, und was mehr besagen wollte, er gestattete dem Candidaten, vor dessen Pietismus er sonst öffentlich gewarnt hatte, seine Kanzel. Die Leute in der Stadt hörten nicht auf, die Beiden zu loben und zu preisem Der Spott derjenigen, welche am zweiten Tage gehöhnt hatten, die Sache wäre gar nicht so schlimm gewesen, die beiden Kahnschiffer seien einfach betrunken gewesen, der eine sei in seinem Rausch gestorben, der andere habe denselben nun schon ausgeschlafen, verstummte bald, als die Krankheit mit einem so schnellen Tode endete. Andere sagten, den beiden könne gar nicht vergolten werden, was sie gethan hätten, Knak verdiente wenigstens eine gute Pfarre und Jäger 1000 Thaler. Die Königliche Regierung ertheilte beiden eine öffentliche Belobigung. Eine Frau, die Mutter eines der Kinder, die Knak unterrichtete, bis dahin eine bitterböse Feindin, kam bald, nachdem er aus dem Lazareth war, zu ihm, um ihm einen Beitrag zu bringen für eine Kollekte, die er sammelte, und als späterhin Knak um einen Wagen verlegen war, und Jäger es ohne sein Wissen wagte, sie darum zu bitten, sprach sie: "Mit Vergnügen, das wird mir eine Ehre sein." Das konnten leicht gefährliche Ovationen werden.

Aber lieber als das alles war dem glücklichen Krankenpfleger ein Besuch, den ihm sein Karl machte am 27. September. Derselbe ließ sich nicht vor der Thür abweisen, sondern ging hinein in das Krankenhaus, und die drei Freunde beugten mit einander die Kniee und lobten und priesen den Herrn und Seine Barmherzigkeit. — llnd so innig war die Gemeinschaft der beiden Freunde, daß schon am folgenden Tage Gustav an Karl wieder brieflich sein Herz ergoß. Da giebt er die Antwort auf jene, ja in der That leicht wiegende Ovation der Weltkinder, die ja doch nur den äußern Schein und nicht das innerste Herz erkannten. Er schreibt: "Ach, ivir haben gar nichts gethan! Wir sind unnütze Knechte. Dem Herrn allein gebührt die Ehre; denn wenn ich schwach bin, bin ich stark! Warum? Der Herr ist meine Stärke. Ich bin nichts, der Herr ist Alles; mir gehört das Böse, was ich noch so Vieles

3 <1>

        <1> Einen mitten im Fieber geschriebenen Brief siehe Zeugnisse Nr. VII.

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in mir finde, ja das ist mein! Alles Gute aber an mir armem Wurm gehört dem Herrn, dem allmächtigen Schöpfer, in dessen Händen wir sind, wie der Thon des Töpfers!"

Wichtiger war für Knak die Wirkung, die seine Opferfreudigkeit auf die ihm Näherstehenden machte. Seine Mutter schrieb voll Dank für seine Bewahrung an ihn einen Brief, worin sie sagt: "Ja, mein Herzensgustav, ich stimme mit Freuden und Demuth ein in die Worte Jakobs: "Herr, ich bin viel zu geringe, ja ich bin nicht werth aller der Barmherzigkeit und Treue, die Du an mir gethan hast!" — Einen tiefen Eindruck empfing auch Wiese, dem es hier handgreiflich entgegentrat, daß die überfließende Liebe zum Herrn Jesu nicht blos pietistische Gefühle, sondern auch aufopfernde Thaten erzeuge. In dem Herzen des alten Propst Straube regte sich auch manches, was nach Frühlingserwachen nach dem Winterschlaf des Rationalismus schmeckte. Hatte er doch mit inniger Freude täglich an seinem eigenen Sohne die praktische Ausgestaltung eines lebendigen Christenthums mit väterlicher Freude sehen können, und nun dieses neue Zeugniß von seinem theuren geliebten Neffen und Pflegesohn. Er kam dem tiefinnerlichen Bibel-Glauben immer näher. <2>)

        <2> Einen mitten im Fieber geschriebenen Brief siehe Zeugnisse Nr. VII.

8.

Entscheidung und Scheidung.

Die Liebesthat der beiden Jünger des Herrn hatte in die ganze Gemeinde mächtig zündend eingeschlagen. Freilich jenes begeisterte Lob einzelner flacher Phantasten verhallte sehr bald, ebenso wie beim Herrn Jesu Zwischen dem Hosiannah und Kreuzige, und beim Apostel Paulus zu Lyftra zwischen der göttlichen Verehrung und der Steinigung nur eine Spanne Zeit lag. Der innerste

*) Einen Geburtstagsbrief Knaks an feinen Karl aus dieser Zeit (26. Oktober 1821) siehe Zeugnisse Nr. VI.

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Kern der Liebe Jesu war ja diesen oberflächlichen Bewunderern nie deutlich geworden. Aber aus der Gemeinde kamen sie nun, die Großen und die Kleinen, namentlich etliche Handwerker, Kutscher und Lehrburschen, um aus Gustavs Munde näheres über den Weg zur Seligkeit zu hören. Die neuesten Nachrichten aus dem Reiche Gottes von Elsner, die Düsselthaler Kinderzeitung, die Elsnerschen kleinen Schriften, als Balsamine, Passionsblume und andere Traktate, insonderheit aber die köstlichen Nachrichten aus der Heidenmission, die den Hunger der Heiden nach der Seligkeit und ihre gänzliche opferfreudige Hingabe an den Herrn nach ihrer Bekehrung dem in der alten Christenheit herrschendem Tod gegenüber in ein so glänzendes Licht stellten, waren von nun an nicht mehr blos für Knaks eigenes Herz Nahrung und Erquickung, sondern immer mehr hungrige Seelen fanden sich um ihn, denen er so gern von dieser Speise mittheilte. Dieselbe nahmen um so begieriger aus dem Munde des treuen Zeugen die Lebensworte und die Anleitung zum Leben in Gott, als sie bis dahin unter den rationalistischen Predigten gehungert hatten. Bereits kamen eine ganze Anzahl, die auch mit dem geliebten Candidaten ihre Kniee vordem Angesicht des Herrn beugten. Ein Fuhrmann, der ihn von Berlin herüberfuhr, wurde von dem, was ihm Knak von der Liebe des Herrn unterwegs erzählte, so ergriffen, daß er, trotzdem sie diesmal nur Schritt fahren konnten, hernach erklärte, so schnell sei er noch nie von Berlin nach Wusterhausen gekommen, und er bedauerte uur das eine, daß die Fahrt nicht noch drei Stunden länger gedauert habe.

Alle diese in den Augen der Weltkinder höchst bedenklichen Früchte von Knaks Pietismus löschten denn auch bereits nach wenigen Wochen die Begeisterung aus, mit der sie ihn so eben bis in den Himmel erhoben hatten. Denn nun mußten sie ja gar erleben, daß seine Anhänger anfingen, dieselbe Sprache zu sprechen wie er. Hatte doch einer von Knaks Schülern, den sie einen nichtsnutzigen Menschen nannten, darauf geantwortet: "Dafür möchte ich dem, der es gesagt hat, die Hand geben; denn das bin ich; ich bin nichts werth! Aber wenn er mich fromm nennen würde, das würde mich kränken!" Dieser Heuchler! — In sehr kurzer Zeit war die Erbitterung gegen den verhaßten Pietisten bei manchem höher gestiegen als je.

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Gleich nach Neujahr 1832 kam die Sache zum Ausbruch. Eine Versammlung derjenigen Honoratioren, deren Kinder Knak unterwies, fand sich in seiner Wohnung zusammen, um mit ihm über sein ferneres Verbleiben zu berathen. Einer der Theilnehmer hatte entschieden erklärt, er könne sein Kind nicht länger bei einem Manne Zum Unterricht schicken, der die Herzen der Kinder von den Eltern abwende. Außerdem sei es doch in keiner Weise zu billigen, daß ihr Lehrer mit so gemeinen Menschen wie Kutschern» Schäfern, Lehrburfchen re. sich befreunde. Er trete also von der Gesellschaft zurück und zöge auch seinen Beitrag zu Knaks Gehalt mit monatlich zwei Thalern zurück. Dieser empfing gleich an demselben Tage sein verringertes Gehalt, damals für ihn kein geringer Schlag. Denn zu dem Wenigen, was er überhaupt erhielt, gab es so viele Theilnehmer und Mitesser, daß das Gehalt ohnehin nie reichen wollte. Sein erstes Weihnachtsgeschenk von zehn Thalern hatte er sofort für seine Mutter bestimmt, die dessen bedürftig war; später mußten die lieben Verwandten in Mitten-walde mit Darlehen aushelfen, und er kam aus den Schulden nicht eher heraus, als bis eine Erbschaft von hundert Thalern ihn zur Bezahlung derselben in den Stand setzte. Jetzt sollte sein geringes Gehalt noch verringert werden. Dazu kam seine völlig gebrochene Gesundheit, <3>) die der schweren Aufgabe, diese Kinder zu unterrichten, auf die Dauer nicht gewachsen war. Der Gedanke an das Aufgeben seiner Stellung trat ihm immer näher.

        <3> Einen mitten im Fieber geschriebenen Brief siehe Zeugnisse Nr. VII.

Zuvörderst war eine kleine Erholungsreise durchaus nöthig. Sein Ziel war Herrnhut und Niesky. Die Aussicht, auf dieser Reise seinen geliebten Ernst Wolf mitnehmen zu dürfen, gab bei ihm den Ausschlag. Denn er hoffte für dessen Seele einen Segen. Der alte Pflegevater in Mittenwalde gab seine Bedenken, Gustav könne am Ende Herrnhuter werden, schließlich auf, und darin erkannte dieser die gnädige Erlaubniß seines Herrn, ohne welche er nichts, Großes noch Kleines, that Zu der Reise. Er schreibt unterm 11. April an seinen Karl: "Wie leicht ist einem doch ums Herz, wenn man sich durch den heiligen Geist ganz willenlos hat machen lassen, und man kann sich so innig freuen, wenn der

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liebe Herr seine Zustimmung gibt, und einem so freundlich die Gnadenhand reicht. Nun, das soll mir eine Ermunterung für künftig sein, Alles aus Ihn zu werfen, der für mich sorgt, obgleich ich der ewigen Verdammniß werth bin. O bitte doch den lieben Heiland nun auch mit mir, daß Er auch ferner mich überall hinbegleiten, mich vor jeder Versuchung gnädiglich bewahren und mir auf der ganzen Reise Seinen Segen nimmer fehlen lasse! O Du treuer süßer Herr!"

Die Reise war reich an Erfrischung, leiblicher und geistlicher Art. Die beiden hatten große Freude an dem christlichen Leben in diesen beiden Hauptorten der Brüdergemeinde, obgleich Knak hernach schreibt, dort zu wohnen und Mitglied der Gemeinde zu werden, habe er sich nicht versucht gefühlt. Er bedurfte freierer Räume, um seinen Geist zu entfalten.

Eine besondere Freude aber ward ihm unterwegs zu Theil. Unter ihrem Reisegepäck hatten die beiden Fußwanderer unter anderm auch etwa hundert Traktate mitgenommen, die sie hier und dort austheilten. Unweit Klitten, 2^ Meile von Niesky, begegnet ihnen ein ältlicher Mann, dem sie auch ein Büchlein übergaben. "Er fragt uns freundlich, woher wir kämen" (so schreibt Knak). "Aus Niesky." — "Sind Sie etwa aus der Brüdergemeinde?" "Nein; aber wir haben denselben Glauben, wie die Brüder, an den Einen lieben Heiland!" — "Ach," sagt er freudig, "den Hab ich ja auch, da sind wir ja Brüder!" O mein theures Herz! Da hättest Du nun unsere gegenseitige Freude sehen sollen, und wie der Mund uns überging von dem, wessen das Herz voll war! Da heißt es wohl: "Schmecket und sehet, wie freundlich der Herr ist, der die Seinen wunderlich, aber doch allezeit selig führt!" — Es war eben in den dreißiger Jahren etwas anderes, als heute, wenn ein Zionspilger einem andern auf dem Canaanswege begegnete! Nun aber erzählte der liebe Alte von dem Pastor des nächsten Dorfes lljest, namens Canich, der ebenso den Herrn mit Wort und Wandel bekenne. Voll Freude wandern sie in das Dorf, legen ihre Sachen im Wirthshaus ab und eilen zum Pfarrhause. Der Pastor war verreist, die beiden lassen einen Zettel zurück, worin sie ihm sagen, wie sehr gerne sie ihn als Bruder im Herrn auch von Angesicht gesehen hätten. Im Wirthshaus hören sie dann, wie die Kirche

alle Sonntage gedrängt voll wäre und die Leute drei Meilen weit zum Gottesdienst gepilgert kämen; und, setzten sie hinzu: "Reich wird er nicht werden, denn er giebt den Armen so viel!" — Um ein halb zehn Uhr kommt die Magd und ladet die Wanderer ein, die nun einen unvergeßlichen Eindruck von dem lieben frommen Pfarrhause empfingen, einen Eindruck, der unserm Knak zur innigsten Erquickung und seinem Freunde zum dauernden Segen wurde.

Nach Wusterhausen zurückgekehrt, fand Gustav dieselben Sorgen, Nöthe und Kämpfe, aber auch denselben reichen Segen. Seine Fieberzustände kehrten in erhöhtem Maße zurück. In der Gemeinde fing es an zu gähren. Gustav schreibt unter dem 17. Juli an Karl: "Hier in Wusterhausen hat Satan auch wieder recht sein Wesen         Es scheint fast, als wolle Satan mir

diese kurze Zeit, die ich noch hier bin, recht schwer machen; aber der Herr wird ihn unter die Füße treten in Kurzem. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll über die überschwengliche Gnade des lieben Herrn, der mir schon wieder ein verirrtes Schäslein herübergeholt hat, um es selig zu machen!"

Der Ortsvorsteher L. hatte zwei Söhne, die ihm durch Geigen zum Tanze viel Gewinn brachten. Als der eine derselben die Versammlung bei Knak besuchte, wurde ihm dies Handwerk zur Sünde. Er erklärte seinem Vater, er könne nicht mehr. Derselbe züchtigt ihn und zwingt ihn, dennoch zu spielen. In heftiger Herzensbewegung kommt der Jüngling zu Knak und bricht endlich in halber Verzweiflung in das Gelübde aus, nie wieder spielen zu wollen. Am nächsten Sonntag spielte er nicht, sondern blieb bis zehn Uhr bei Knak. Da sein Bruder, der an seiner Stelle spielen sollte, krank war, mußte der Tanz ganz ausfallen. Die Erbitterung in dem ganzen Ort war groß. Ein anderer Lehrherr verbot seinem Lehrburschen ein für alle mal den Besuch bei Knak. L.'s Mutter verbot dem Sohn, jemals wieder die elterliche Schwelle zu betreten. Wenige Wochen später wird auch der Bruder erweckte und entsagt ebenfalls dem Spielen, und verharrt trotz aller Drohungen des Vaters bei seinem Entschluß. "Unaussprechlich lieblich ist es (so schreibt Knak am Tage vor seiner Abreise von Wusterhausen), die beiden Brüder zu sehen, wie sie ein Herz und eine

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Seele sind. Wir aber wollen uns in den Staub beugen und an-beten das Lamm, das erwürgt ist!"

So schickte er sich denn zum Scheiden. Am 31. August wollte er nach Berlin zurückkehren. Am Sonntag zuvor kam eine Anzahl seiner Lieben noch einmal zur Erbauung zusammen.

Sechs Männer und Jünglinge, ein Stellmachermeister (Jäger), zwei Kutscher, ein Schneiderlehrling und die beiden Söhne des Ortsvorstehers, dazu eine Anzahl Frauen und Jungfrauen hatte der Herr durch die Arbeit seines treuen Knechts aus dem Sündentode aufgeweckt, außerdem war eine größere Anzahl von solchen vorhanden, in deren Herzen er ein unvergängliches Samenkorm streuen durfte. Am 30. August kamen sie zum Abschiednehmen. Knak schrieb an demselben Tage seinen letzten Brief aus Wusterhausen an seinen Karl, indem er soeben seine Lieben erwartete. Er schließt den Brief mit den Worten: "O, daß der liebe Herr mit seiner Nähe uns Alle beseligte und Alle mit Kraft aus der Höhe erfüllte, und mit freudigem Heldenmuth, daß wir Alle mit Einem Munde sprechen könnten: "Herr Jesu, Dir leb ich, Herr Jesu, Dir sterb ich; Herr Jesu, Dein bin ich todt und lebendig 1 Ach, mach mich fromm und bei Dir ewig selig! Amen." Danke dem Herrn mit mir, mein süßer Karl, für alle Seine überschwängliche Treue und Gnade, ja lobe den Herrn, meine und Deine Seele, und was in mir ist, Seinen heiligen Namen!"

9.

Einer, der mehr ist als ein Jonathan.

Eins hatte Gustav mit seinem Weggange aus Königswuster-' hmisen verloren; er war der unmittelbaren Nähe seines Herzeuskarl entrückt. Denn von Berlin konnte man damals nur schwer und mit Opfern die Reise nach Mittenwalde machen. Ein Bräutigam kann sich nicht inniger nach dem Wiedersehen feiner geliebten.

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Braut sehnen, als Gustav nach seinem Karl. Alle Briefe, die er in der nächsten Zeit von Berlin aus schrieb, sind voll von Zeugnissen dieses Verlangens. "Wie sehne ich mich schon wieder nach Dir. Du geliebtes Herz!" hieß es dann:        "O, welch eine

große Gnade liegt doch darin, daß man sich also lieb haben kann!" — Ein andermal schreibt er: "Die heutige Tageslofung, die so überaus köstlich für uns Beide ist, steht 2Sam. 23,16 und heißt:        "Jonathan ging hin zu David und stärkte seine Hand in

Gott. Wir reichen von Neuem einander die Hände, dem Heilande treu zu sein bis ans Ende!" Ja, Herzenskarl! Jesu wollen wir treu sein bis in den Tod und allezeit einer des andern Hand stärken in Gott." Bisweilen gaben sich die Freunde ein rvnäs?:--vous in Waltersdorf, das zwischen Berlin und Mittenwalde liegt. Dort hatte Gustav einen christlichen Freund, Herrn Nachtweyh, den er oft und gern besuchte. Wenn er dort war, pflegte, wenn es irgend möglich war, auch Karl hinzukommen. Bisweilen aber machte sich Gustav auch wohl auf den Weg und kam hinüber nach Mittenwalde selbst; dann brachte er immer willkommene Gäste mit, Missionszöglinge und andere Freunde, einmal auch seine geliebten und verehrten Freunde Goßner und Elsner.

Einen fortgesetzten Gegenstand gemeinsamer Arbeit und brieflicher Berichte bildete das kleine von Gustav in Wusterhausen Zurückgelassene Häuflein, das derselbe mit innigster Liebe iin Herzen behielt. Dasselbe pflegte sich im Hause des Kutscher Paschke zu versammeln, "wo wir ganz ungestört sind." Dies Häuflein mußte ihm nun sein Karl fleißig besuchen und über jeden besonders berichten, während auch Gustav jeden einzelnen der hervorragenden Freunde Karls in Mittenwalde in sein Herz geschlossen hatte und auf betendem Herzen trug. Es ist rührend, in Gustavs Briefen Zu lesen, wie er aller der Einzelnen in Liebe gedenkt und sie grüßt: "Was macht denn Gottlob, Heinrich, Christian, Bergmann, Be-schedsnick, der alte Schöne, Sens, Vögelcke, Eduard Bullrich? Was machen die wusterhausener Brüder? Ach, grüße sie doch alle von mir."

Die Nachrichten von Wusterhausen lauteten meistens erquicklich und erfüllten Gustavs Herz mit Dank und Jubel. Etliche freilich wurden lau und fielen auch in die alten Wege zurück, und Zu

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Gustavs tiefem Schmerz unter ihnen auch sein Freund Jäger, der Kamerad vom Choleralazareth, der in Hochmuth und Selbstgerechtigkeit sich verirrte und zuletzt über das spottete, was ihm früher das Heiligste gewesen war — ein warnend Beispiel, daß Niemand anders als durch tägliche Reue und Buße seinen Weg himmelwärts finden wird. An zwei anderen Freunden dagegen, einem aus Mittenwalde und einem aus Königs-Wusterhausen, hatten die Brüder die Freude, daß sie sich zu dem Missionsdienst unter die Heiden meldeten.

In ein besonderes Briefbnch trug die fleißige Hand Straube's alle kleinen und größeren Erlebnisse, die innerhalb des engoerbun-denen Kreises von Jüngern Christi in Mittenwalde und Umgegend vorkamen, ein, und legte damit den Grund zu den spätern "Vereinsberichten," "Werderschen Bibel-Lese-Vereins-Berichten" und dem spätern "Kinder-Missionsblatt," und zu dem reichen Schriftenverkehr innerhalb eines bald über ganz Preußen sich ausdehnenden Freundeskreises, welcher Tausenden und Hunderttausenden zum Segen wurde. "Wie freue ich mich über Euer köstliches Briefbuch, mein Herzenskarl," schreibt Gustav, "ich will mit großer Begierde darin lesen." Und als ers gelesen, behielt ers nicht für sich, sondern las in dem neugewonnenen Freundeskreise in Berlin vor, und sie lasen nicht blos, sondern beteten einer für den andern, so daß d'amals eine Gesellschaft von neu erweckten Brüdern entstand, die in vielen Zügen an das apostolische Zeitalter erinnert. Mit-lheilungen wie: "Für Deine lieben Kranken habe ich gestern gemeinschaftlich mit den Brüdern zu Ihm gefleht, der da gesagt bat: Bittet, so wird euch gegeben!", kehren in den Briefen jener Zeit vielfach wieder. Die beiden Freunde pflegten eine bestimmte Stunde des Tages zu verabreden, in der sie gemeinsam ihre Kniee beugten, wenn auch durch die Entfernung von Meilen getrennt. Zum schriftlichen Verkehr ließ Gustav sich keine Zeit gereuen, i        Ost schrieb er, trotzdem daß seine Kränklichkeit und Gebrechlichkeit,

t        seine Kopfschmerzen mit Fieberanfällen auch in Berlin nicht nach-

ließen, bis nach Mitternacht, um nur über alles, was er erlebte, über die Personen, mit denen er zusammen getroffen war, die Bücher, die er gelesen hatte, seinem Herzenskarl vollständig Bericht zu erstatten. Wir sind dadurch heute in den Stand gesetzt, an

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der Hand dieser köstlichen Briefe die ganze Candidatenzeit des theuren Gottesknechts tagebuchartig mit unserm Auge zu schauen und mitzuerleben. Fand er eine schöne Geschichte, so mußte sie seinem Karl brieflich mitgetheilt werden; hatte er bange oder fröhliche Stunden erlebt, am nächsten Tage mußte sein Karl sie mitgenießen. Es kam vor, daß die Briefe (an deren Spitze er immer einen bestimmt auf den Hauptinhalt bezüglichen Bibelvers setzte) sich folgten am 25., 27., 28., 29., 30. November, und die meisten zwei bis vier Bogen lang. Da er vor seinem Karl keinerlei Ge-heimniß hatte, sondern ihm vergönnte, in sein innerstes Herz zu schauen, so sind uns aus diesem Gott geheiligten Tempel Ergüsse aufbewahrt, die wahrhaft erquicklich sind.

"Außerordentlich tröstlich (so schreibt Gustav unter dem 22. März 1832) ist mir auch der unbegreifliche Ausspruch unseres lieben Herrn: Gleichwie mich mein Vater liebt, also (liebe Ich euch auch.' O da kann man sich ja Alles zu Ihm versehen, und braucht sich nicht zu scheuen, Alles, was man auf dem Herzen hat, von Ihm zu bitten, zumal, da ER gesagt hat: 'Ich will es thun!' Ach mein theures liebes Herz! Wenn wir doch nun immer recht kindlich Alles glaubten, was der liebe Herr verheißt, wie selig könnten wir sein und wie würde der treue Heiland sich freuen! O Herr, stärke uns unseren Glauben!"

Einmal, als es ihm nicht vergönnt war. zum 27. Ockober, als dem Geburtstag seines Herzenskarl, persönlich hinüberzureisen, schreibt er: "Ich muß still weinen! So gerne wäre ich bei Dir, mein lieber treuer Herzenskarl'. Doch nicht wie ich will, sondern wie Er will, der überschwänglich mehr an uns Lhut, als wir bitten und verstehen können. — Was ich Dir nun aber zu Deinem lieben Geburtstage aus der Tiefe meines Herzens wünsche, Tm theurer Bruder, das weißt Du. auch ohne daß ich Dirs sage-, soll ich es aber mit wenigen Worten aussprechen, so ist dieses mein inniges Flehen und mein inbrünstiges Gebet zum Herrn für mich und Dich, daß wir beide möchten durch Seine Gnade so recht vom Grunde unseres Herzens einstimmen lernen in die Worte Pauli: Ich lebe nun, doch nicht ich, sondern Christus lebt in mir; denn was ich jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich im Glauben des Sohnes Gottes, der mich geliebet hat und Sich Selbst für mich

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dahin gegeben." Haben wir Ihn dann so als unser Ein und Alles, so fragen wir nichts nach Himmel und Erde, und ob uns gleich Leib und Seele verschmachtete, so ist ER doch unseres Herzens Trost und unser seligstes Theil! Das gieb uns, lieber Herr Jesu! Das gieb meinem lieben Herzenskarl! Aus Gnaden, um Deiner ewigen Liebe willen, Amen!"

Noch köstlicher ist der Herzenserguß, den Gustav an feinem eigenen 27. Geburtstage in das Herz seines Karl ausschüttete, und den hierherzusetzen wir uns nicht versagen können.

Am 12. Juli 1833 frühmorgens nach dem Gebet und Lesen in der heiligen Schrift.

Jesus, Jesus, nichts als Jesus!

Falle mit mir armem, elendem Würmlein nieder aufs Angesicht, Du theurer Herzenskarl! ich weiß nicht, was ich vor Weh-muth und tiefer Beschämung sagen soll; ich muß bitterlich weinen, daß mich der liebe Heiland so lieb hat, da ich doch so treulos und undankbar bin. Siebenundzwanzig Jahre hat Er mich schnöden Knecht nun getragen, hat mich nicht verworfen, sondern fein gnadenvolles Jesusangesicht so freundlich über mir leuchten lassen, daß ich darauf schwören kann, Er will nicht, daß ich verloren werde, Er will mich selig machen. O des treuen Jesusherzens, o der wunderbaren Liebe, o des namenlosen Erbarmens! Ach. daß ich tausend Zungen hätte und einen tausendfachen Mund! Jesu» Jesu! nimm mich auf ewig hin, ganz, ungetheilt. Wär's etwa, daß mein Geist noch hinge an einem Faden dieser Welt und mein Verlangen auf was ginge, das Dir, o Bräut'gam nicht gefällt: O wäre dies, mein liebstes Leben, so bitt' ich Deine Liebsgewalt: zerreiße diesen Faden bald, mein Wille sei Dir übergeben, zerbrich, verbrenne und zermalme, was Dir, Herr Jesu, nicht gefällt. Ob mich die Welt an einem Halme, ob sie mich an der Kette hält — ist Alles Eins in Deinen Augen, da nur ein ganz befreiter Geist, der alles andre Schaden heißt, und nur die lantre Liebe taugen! — Herr Jesu! Dir leb ich; Herr Jesu! Dir sterb' ich; Herr Jesu, Dein bin ich todt und lebendig; ach mach

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mich fromm und ewig selig! Amen. O nimm mein ganzes Herze hin, nimm's, liebster Jesu, an; ich weiß doch, daß ich Deine bin. Du treuer Seelenmann! O Karl, liebes» liebes, theures Herzr hilf mir beten, daß ich ein wahres Kind Gottes werde und der gekreuzigten Liebe mit Freuden ewiglich diene. Jesus, Jesus, nichts als Jesus soll mein Wunsch sein und mein Ziel; Jetzund mach' ich ein Verbündniß, daß ich will, was Jesus will. Denn mein Herz, mit ihm erfüllt, rufet nun, Herr! wie Du willt! — Denke Dir, mein theures Herz! (ach wär ich doch nur ein Viertelstündchen bei Dir, Du lieber, lieber, lieber Karl! —) Denke Dir, welch eine herrliche, köstliche Loosung der liebe Heiland mir heut schenkt. — Er hat seinen Engeln befohlen über Dir, daß sie Dich behüten, auf allen Deinen Wegen (Psalm 91,11). "Wir dankens dem Heiland und Seinem Versöhnen, daß uns seine Engel so williglich dienen" (Lied 1597, 1 im Brüdergesangbuch). Meine Seele lobt den Herrn, und mein Geist freut sich Gottes meines Heilandes. Ja, lobe, lobe den Herrn, meine arme, Hochbegnadigte Seele, und was in mir ist, Seinen heiligen Namen; lobe den lieben, guten Herrn, meine arme hocherfreute Seele! und vergiß nicht, was Er dir Gutes gethan hat! —

Bei Dir, Jesu! will ich bleiben,

Halte selbst Dein schwaches Kind.

Bis durchs sel'ge an Dich Glauben Seel' und Leib geheiligt sind;

Alle Noth will ich Dir klagen,

Alles Dir ins Herze sagen,

Bis Du endest meinen Lauf:

Und dann hört mein Weinen auf! —

Unser theures, seliges Herz <4>) bittet gewiß auch heute den lieben, holdseligen Sünderfreund für mich Aermsten. Ach! wenn doch ein Einziger von unseren Lieben den Herrn Jesum kennte und lieb hätte! — Ach, wie muß ich mich anklagen, daß mein Gebet noch lange nicht inbrünstig genug ist; o Herr, Herr! gieb mir den Geist des Gebets und thue überschwänglich mehr auch hierin, als ich bitten und verstehen kann.

        <4> Siehe Kapitel zehn.


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Ach, mein Herr Jesu, wenn ich Dich nicht hätte Und wenn Dein Blut nicht für mich Sünder redte,

Wo sollt' ich Aermster unter den Elenden Mich sonst hinwenden?

Ich wüßte nicht, wo ich vor Jammer bliebe,

Denn wo ist solch ein Herz, wie Deins voll Liebe?

Du, du bist meine Zuversicht alleine;

Sonst weiß ich keine. —        i

Grüße, grüße, Du Herzensbruder! — (O wenn ich Dich doch heut au mein armes Herz drücken könnte!) Grüße Deine lieben theuren Eltern, grüße alle lieben Herzensbrüder und sage ihnen, daß sie doch für mich beten möchten; sei Du selber innigst gegrüßt und geküßt mit dem heiligen Kusse von Deinem armen Gustav."

Am folgenden Tage schreibt er an seinen lieben L. Wiese: "Der gestrige Tag war reich an stillem Segen, mit dem der holdselige Freund der Seelen, dessen Geschöpf und theuer erkauftes Eigenthum ich aus Gnaden bin, mich gleich frühmorgens überschwenglich beschenkte. Ich konnte gar nicht aufhören, mich zu schämen und zu beugen, seine unaussprechliche Hirtentreue aber zu loben und zu preisen. Ich fühlte es, daß viele liebe Herzen für mich Aerm-steu, der doch so reich ist, beteten; und als ich den 91. Psalm, aus welchem der 11. Vers meine Tagesloosung enthielt, mit dürstendem Herzen las, so machte der Gedanke, daß ich armes, unwürdiges Kind alle jene köstlichen Verheißungen getrost auf mich auwenden dürfe, einen solchen Eindruck auf mein tiefbetrübtes Herz, daß ich vor Scham und Freude viel weinen mußte, während der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, mich still durchzog und mit seiner wunderseligen Kraft mich auch erquickte. O theuerstes Bruderherz! es ist doch ein guter, namenlos guter Herr, dem wir dienen!!" —

Ergreifend ist ein Brief, den Gustav seinem Karl schreibt bei der Gelegenheit, als einer aus der Zahl der Beiden am nächsten stehenden Freunde einen tiefen Fall gethan hatte. Der Brief trägt die Überschrift: "Jesus habe Acht auf mich, daß ich nicht verloren gehe!"

"Ich weiß kaum, wie ich meinen Brief an Dich beginnen soll, Du theures vielgeliebtes Herz! So wehmüthig ist mir und so


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tiefgebeugt mein Sinn. Mit unserem armen N. steht es so jämmerlich, daß ich nicht anfhören möchte, bitterlich zu weinen. Er ist sehr tief gefallen, ja vielmehr, er war es schon, da wirs nicht ahnen konnten, da er mit uns umging, und wir uns an seiner Einfalt, an seinem treuherzigen, dienstfertigen, anspruchslosen Wesen so innig erguickten. Ach daß ichs nicht glauben müßte — mein Herz möchte mir brechen, wenn ich daran denke! — Er

hat        Und das ist leider! keine bloße Verläumdung, sondern

'er selbst hat es schriftlich bereits bekannt. Der gestrige Abend

war ein Thränenabend für mich         Goßner nannte ihn einen

großen Heuchler — das griff mich stark an; aber er nahm mir eine Verteidigungswaffe nach der andern aus der Hand, und ich wußte endlich nicht, was ich sagen sollte. Ich habe gestern Abend in unserm Vereine mit vielen Thränen zum Herrn geschrieen -Ach Karl, Herzensbruder! Wie ist Dir zu Muthe? Böse bin ich nicht auf den armen, armen N. — O das sei ferne! Ach, mein eigenes Herz ist ja aller Greuel fähig, wenn Jesus mich nicht hält! Einen Stein kann ich nicht auf ihn werfen! — Aber daß seine Buße nicht rechtschaffen zu sein scheint — und wenn ich mir denke» daß er ein Heuchler wäre! — Das jammert mich gar zu sehr, Las will mein armes Herz immer noch nicht glauben: Ach Herr» erbarme dich meiner, daß ich Dir keine Schande mache, erbarme Dich des armen Gefallenen, hilf ihm wieder auf und schenke den Verlorenen Frieden wieder, Du treuer Gott, Du mitleidiger Jesus, der Du die Hurer und Zöllner annimmst und Gaben empfangen hast auch für die Abtrünnigen! O Karl, laß uns nicht aufhören ,Zu beten, laß uns allezeit nüchtern sein und wachen, daß der Sa-Lanas uns nicht verschlinge! — Im Gebetsverein erhielt ich durch Salin die traurige Bestätigung dessen, was mir Dolffs gesagt^ hatte — seitdem bin ich tief gebeugt, obwohl der Herr mich so freundlich trägt; — ach und ich weiß, Du wirst mit mir weinen, Du theures liebes Herz! Ach laß uns für unfern N. beten, mein j Karl! Jesus habe Acht auf mich, daß ich nicht verloren gehe!" — Die beiden Freunde haben ernstlich gerungen im Gebet für j den gefallenen Freund, und ihr Gebet ist erhört. Derselbe hatj wirklich gründlich Buße gethan und durch einen langjährigen treuen! Wandel vor Gott gezeigt, daß seine Buße wahr war, und ist!

Vielen zum Segen geworden! — Da sind die beiden Freunde wieder im Gebet eins geworden, den Herrn zu preisen für seine wunderbare Güte! — Bei solcher Veranlassung pflegte Knak in seine Briefe das vielfach sich wiederholende Wort zu schreiben: "Das mag ein treuer Jesus heißen, den man nicht besser wünschen kann!"

Ein Thema aber kehrte, obgleich längst schon zwischen beiden verhandelt, mit immer gleicher Dringlichkeit in den Briefen der Freunde wieder, die Sorge um ihre Lieben, die noch ohne den völligen heiligen Frieden der Kinder Gottes dahingingen. "O Karl, schreibt z. B. Gustav am 14. Oktober 1832, laß uns doch nicht aufhören, für unsere Lieben inbrünstig zu beten und den lieben Heiland vor Allem darum anzuflehen, daß Er uns nur aus Gnaden vor allem Aergerniß, wodurch wir den armen elenden Seelen etwa einen Anstoß geben könnten, behüten, und uns eine brennende Liebe und recht niedrige kleine Gedanken von uns selbst aus Barmherzigkeit schenken wolle!" Und am Ende des folgenden Jahres schreibt er: "Es ist doch recht jämmerlich, du theures Herz, daß wir Beide in unserer ganzen Familie jetzt die Einzigen sind, die aus Gnaden nach dem Herrn fragen und Seine Freundlichkeit schmecken. O Karl! Wir wollen doch dem mitleidigen Heiland immer inniger anliegen, daß Er die armen blinden Herzen unserer Lieben zu sich bekehre und selig mache; — ach meine Gebete sind »och lange nicht inbrünstig und kindlich genug. Ich habe den iheuren Görcke auch dringend um seine Fürbitte gebeten!"

Solche Liebe und solch Gebet mußte doch endlich Erhörung finden und hat sie gefunden. Nach und nach suchten und fanden sowohl die Mutter, als auch die Schwestern alle den Frieden in Jesu Wunden.

10.

Eine weiße Rose.

Ein wunderbar zartes Verhältniß war es, in welchem Flo-mitiue Knak, Gustavs Schwester, — die Ihrigen pflegten sie Flora zu nennen — zu Karl Straube, ihrem Vetter stand. Sie D»,r. 2. Aufl.        4

war feine Schwester, seine Freundin und seine Braut — und wagte doch selbst kaum, letztere Stellung völlig einzunehmen, weil ihr hinsiechender Körper ihr innerlich klar sagte, daß sie kaum jemals mit dem Geliebten vor dem Traualtar stehen werde. Eine reich begabte, auch dichterisch veranlagte Seele, hatte sie unter den mancherlei Gebrechen ihrer Kränklichkeit in den ersten Jahren ihres inneren Lebens mit Gott manche gedrückte, ja auch nicht von Schwermuth freie Stunde durchzumachen, bis endlich das Licht der freien Gnade durchbrach und sie sich ungetrübt der Liebe ihres Heilandes hingeben konnte, umgeben und getragen von der innig sorgenden Liebe einer treuen Mutter, eines zärtlichliebenden Bruders und eines treuen Verlobten. Ihre Krankheit zog die Grenzen ihrer Wünsche und Umgebungen enge» Wohl und Wehe ihrer Lieben beschäftigte sie bei Tag und Nacht. Da dichtete sie Nr. 286 des Reisepsalters "Hilf Herr Jesu, all den Meinen!" (vom 5. Februar 1833), und wenn die Krankheit zu schwer werden wollte, sang sie (Nr. 287): "Nicht mehr als meine Kräfte tragen, Herr Jesu, legest Du mir auf! Nicht immer wird der Schmerz mich nagen; Es folgt gewiß Erquickung drauf! Drum laß mich immer mit Vertrau'n, Auch wenn ich krank bin, auf Dich schau'n!" — Je näher sie ihr Ende herannahen sah, desto mehr entäußerte sie sich aller irdischen Sorge und alles irdischen Besitzes; ihren Schmuck schenkte sie, als eine Magd Christi, die keinen andern Schmuck tragen will, als Christi Blutgerechtigkeit, nach und nach in die Missionscollekte» ihren letzten Ring fand man in ihrem Nachlaß in Papier gewickelt» mit der Aufschrift: "Am heiligen Communionstage! Von einer Ungenannten dem Herrn Jesu, der sie zuerst geliebt hat!"

Sie pflegte Sonntags nach gehörter Predigt in ein Sonntagsbüchlein ihre Gedanken für sich zu verzeichnen. An einem Sonntag schrieb sie: "Meine Seele sei getrost und hoffe auf den Herrn Jesum Christum! Das ist mein Trost, daß der treue Heiland Alles nur wohl machen kann, Ihm ergebe ich mich mit freudigem Herzen, denn der Herr bleibt meine Zuversicht und meine Burg» mein Gott, auf den ich hoffe. Lebe ich, so lebe ich dem Herrn» sterbe ich, so sterbe ich dem Herrn; Er wird mir gnädig sein» denn auch für mich bist Du gestorben am Kreuze, mein theurer Erlöser von Sünde und Tod. Ach, laß mich treu erfunden werden! — Ich will dem Herrn Jesu meine Wege befehlen, Er wirds ja aus Gnaden wohl mit mir machen. Ach. sei Du, Herr, mit meinem Karl, tröste und stärke ihn durch Deinen heiligen Geist. Ach Herr! Wenn's bald ein Ende mit mir hat, dann nimm meine Seele doch zu Dir! Ach, daß ich Dich einst schauen könnte mit meinen Lieben vereint! Ja Herr! ich hoffe auf Dich — Dein heiliger Wille geschehe! — Wenn's aber möglich ist, dann laß mich noch wirken vereint mit meinem Karl auf Erden! Aber wie Du, lieber Herr, willst!"

Im Anfang April 1833 legte sie sich wieder, heimgesucht von, einer Grippe. Der alte Luftmangel trat ein, die Krankheit wandte sich aber, und alle hofften auf Genesung. Am 18. April hatte sie eine wunderbare Gebetserhörung. Da sie sah, wie ihr stöhnend kurzes Athemholen die theure Mutter beängstigte, bat sie den Herrn, dieses ihr doch abzunehmen, um der Mutter willen. Sofort hörte das kurze Athmen auf, und sie konnte die ganze Nacht ruhig schlafen. Aber nach einigen Tagen wandte sich die Krankheit entschieden zum Ende. Gustav schrieb an Karl: "Flora muß viel husten — das steht ja aber Alles in seinen Händen, wohl ihr» daß sie ein Schäflein Seiner Weide ist, daß Er sie und sie Ihn kennt, denn der Herr ist ihr Hirte, ihr wird nichts mangeln! " Karl eilte zum Todtenbette der Geliebten. Er konnte noch mit ihr beten, und ihr die letzten Trostworte bringen und dann ihr die Augen zudrücken und sie dem Herrn wieder geben, der ihm viel in ihr geschenkt hatte.

Gustav schreibt an Wiese: "Unsere theure Herzensflora hat <nn 27. April ihr Pilgerkleid ausgezogen und ist selig heimgegangen zn Dem, den sie hier liebte, ohne Ihn zu sehen, und den sie nun von Angesicht zu Angesicht schaut mit unaussprechlicher und herrlicher Freude. Unser Herzenskarl war ihr Bräutigam — nun hat er ihr die Augen zugedrückt! — Eine reinere Liebe aber habe ich noch nie gefunden. Jesus der Gekreuzigte war ihr Grund und Ziel. Hättest du aber den stillen Frieden auf dem Antlitz unseres theuren klar! gesehen, als er bei der Kranken saß, und während sie entschlummerte — du hättest nicht trauern können, sondern die Kraft des Glaubens bewundern müssen, der auch die Welt überwindet. Ach und mich, der ich doch der theuren Entschlafenen so innig nahe stand, hat der treue Heiland so überschwenglich mit Trost erfüllt, daß ich nicht weiß, was ich sagen, wie ich Ihm danken soll! Ihr Umgang mit Dem, der auch sie mit Seinem Blute erkauft hat, war herzinnig und äußerst lieblich. Sie führte einen keuschen Wandel in der Furcht; ihr Schmuck war nicht auswendig mit Haarflechten und Goldumhängen oder Kleideranlegen, sondern der verborgene Mensch des Herzens unverrnckt, mit sanftem und stillein Geist, welches ist köstlich vor Gott!"

Gustav hatte mit der theuren Schwester unendlich viel verloren, war sie doch die einzige unter seinen nächsten Blutsverwandten, die gleichen Sinnes mit ihm gen Zion pilgerte. Er hat sie hernach oft schmerzlich vermißt. Hier aber zeigte sich die Kraft seines Glaubens in Herrlichkeit. Er wußte sie in den Armen des Herrn Jesu; diese Freude überwog seinen und seines Karl tiefen Schmerz. Er schreibt an ihn am 4. Mai: "Heute sind es nun schon acht Tage, daß unsere liebe selige Schwester hinaufging zu ihrem und unserm Gott. Wie unaussprechlich wohl wird ihr sein bei dem guten Hirten, der Seinen Schafen das ewige Leben giebt! O laß uns nicht trauern, mein Bruder! Wenn's auch dem Fleische oft schwer wird, der Herr hat's gegeben und hat's genommen, der Name des Herrn sei gelobt!" Und sechs Tage später: "Der Herr hat dir doch deine Freudigkeit in Gnaden erhalten, du theures Herz?, wo nicht noch vermehrt? Wenn ich dann denke, daß sie in Seinen treuen Händen ist, dann ist mir unaussprechlich wohl zu Mathe. Ach, wenn sie uns sagen könnte, wie selig sie ist, wie würden wir staunen! Hättet ihr mich lieb, spricht der Herr, so würdet ihr euch freuen, daß ich zum Vater gehe! Dasselbe gilt in seiner Art auch in Beziehung auf unsere Herzensschwester. Wie könnte man auch traurig sein, wenn man weiß, daß Jemand, den man sehr lieb hat, aus dem Krankenhause und Thränenthal am den Ort des Friedens gekommen ist, wo Schmerz und Seufzern wird weg müssen! O daß wir doch auch bald nach Hause kämen,: du theures Herz! Zu Ihm, wo Freude die Fülle ist und liebliches^ Wesen zu Seiner Rechten ewiglich!" Zwischendurch machte siÄ dann freilich der menschliche Schmerz auch Luft. Dann schrieb evZ (25. Mai): "Ach komm! komm, du geliebter Herzenskarl! Michi verlangt herzlich nach dir. Unser theures seliges Herz fehlt mirt doch sehr; es kommt mir besonders drüben (in der Wohnung der Mutter) oft so sehr öde vor. Ach, wenn doch unsere Lieben den heiligen Geist nur einließen in ihre Herzen, so daß sie lebendig würden! O laß uns beten, mein Karl, ohne Unterlaß! Der treue mitleidige Hohepriester versteht ja unsere Gedanken von ferne, und der treue heilige Geist Hilst unserer Schwachheit auf, und vertritt uns selbst aufs Beste mit unaussprechlichem Seufzen!"

Also erfüllt ein gläubiger Christ das Wort: So laßt uns nun nicht traurig sein, wie die, welche keine Hoffnung haben!

ii.

Der Liederschatz.

In der Zeit, wo Gustav über das unverantwortliche Attentat gegen die alten Kernlieder *) bitter klagte (s. o. S. 16), die von ungeschickten Händen gemeistert in neues Gewand gekleidet und ihrer ursprünglichen Schöne beraubt zu dem neuen Berliner Gesangbuch zusammengestellt wurden, erhob sich eine Reaktion des christlichen Bewußtseins gegen diesen Raub. Drei ernste Männer, der alte bekannte Kaufmann Samuel Elsner, ein Hofbeamter des Prinzen Albrecht namens Langbecker, und der Vorsteher der Lesserungs anstatt für verwahrloste Kinder vor dem halleschen Thor, Kopf, thaten sich zusammen, um den Liederschatz unserer Kirche zu retten, dadurch, daß sie die schönsten alten und neuen Lieder zu einer großen Sammlung zusammenstellten. Knak hatte au diesem Werke, das am 13. September 1830 begonnen wurde, bereits von Königswusterhausen aus, und Straube von Mittenwalde aus kräftig mitgearbeitet. Als ersterer nun nach Berlin übersiedelte, wurde er bald die Seele des ganzen Unternehmens. Die Veränderungen,

Der Hofprediger Theremin trat einstmals bei der damaligen Kronprinzessin Mtsabeth ein und fand sie, das neue Berliner Gesangbuch in der Hand haltend. Sie iragte betrübt: "Sagen Sie mir doch, warum dies schöne alte Kirchenlied so vergammelt worden ist. da es doch so schön war!"— "Leider, Königliche Hoheit," antwortete er, "habe ich es selbst gethan, doch habe ich es schon oft bereut!"

die er, um veraltete Wendungen auszumärzen, mit schonender Hand besorgte, wurden von den anderen gern angenommen, seine Freude war es, einer Anzahl schöner Lieder von Knapp die Aufnahme zu verschaffen. Kopf zog sich, nachdem etliche von ihm vorgeschlagene flachere Gellertsche Lieder zurückgewiesen waren, empfindlich zurück, so daß Elsner, Knak und Langbecker als die eigentlichen Arbeiter beim Werke verblieben. Sie kamen dazu Abends um sieben Uhr bei Elsner zusammen, beteten um Erleuchtung und gingen dann ans Werk, bis sie um zehn Uhr auseinander gingen, nachdem sie abermals gebetet hatten. Ein Kaufmann, ein Candidat und ein Hofbeamter mußten das wieder gut machen, was ein Schleiermacher, Theremin und andere große Namen verdorben hatten. Die spätere, namentlich durch Bunsen, Stier und Stip verfolgte Reaktion in der Hymnologie zu Gunsten der alten Texte hatte diese drei zu Vorgängern. Die Arbeit wurde unserm Knak je länger, je köstlicher. "Meine Freude über den Liederschatz, schreibt er den 13. September 1832, wird immer größer, der liebe Herr bekennt sich aber auch sehr gnädiglich dazu.'" Er spricht von "unvergeßlichen Abenden", die er mit Elsner und Langbecker erlebt habe. Endlich am 28. September schreibt er: "So ist nun die Hauptsache jetzt vollendet durch Gottes, unseres Heilandes große Barmherzigkeit. Wir aber waren von der lieben Nähe des Herrn und Seinen heiligen Gnadenführungen so ergriffen, daß wir gemeinsam niederknieten und dem treuen Meister durch den Mund unseres lieben Elsner in tiefster Demuth für alle seine unsägliche Treue mit schwachen Worten unseren inbrünstigen Dank darbrachten." Freilich gab es nach Vollendung des Manuseripts noch viele Mühe mit den Anhängen und Registern, auch mußte Kühnau, der das Choralbuch dazu besorgte, öfters auf Straube zurückgreifen, damit dieser eine fehlende Melodie liefere. Um so größer war dann aber auch die Freude, als im nächsten Januar die ersten Exemplare in Prachtband an die nächsten Freunde versandt werden konnten. Die Vorrede hatte auf Hengstenbergs Veranlassung Knak schreiben müssen, und derselbe war glückselig, als in der evangelischen Kirchenzeitung das Werk als ein gelungenes besprochen und empfohlen wurde.

12.

Neue Freunde und Umgebungen.

Zu den genannten drei Freunden Elsner, Langbecker und Kopf gesellten sich bald andere, denen Knak nahe treten konnte. Den Pastor Goßner hatte er öfter in Predigten und längere Zeit im Consirmandenunterricht zu vertreten, so daß beide Männer sich vielfach gegenseitig besuchten, und hierdurch trotz der Verschiedenheit ihrer Charaktere einander schätzen und lieben lernten. Knak spricht in lebhaft dankbaren Worten von Goßners "köstlichen" Predigten, obschon seine Scherze im gewöhnlichen Verkehr ihn abstießen. Außerdem verkehrte er viel mit dem Kupferschmied Lutze, einem Verwandten, dieser "innigen Seele", wie er ihn zu nennen pflegte, mit dem Schlossermeister Schätzig, dem Kaufmann Buffleb, dem vr. Achilles, mit dem Organisten Matschat und dem Prediger Dober von der Brüdergemeinde, dem Jnstrumentenfabrikanten Kursch.

Der Verkehr in einigen dieser Häuser war mehr geselliger Natur, die Gesellschaft Zum Theil gemischt mit solchen, die dem Reiche Gottes noch mehr äußerlich oder fremd gegenüberstanden. Knak wußte aber bald den geistlichen Ton hineinzubringen. Er forderte zum Singen aus und begleitete selbst auf dem Pianoforte. Dann brachte er geistliche Bücher mit, aus denen er vorlas, namentlich die Hofackerschen Predigten, Missionsnachrichten und Traktate; unter letzteren liebte er vor anderen besonders eine kostbare Missionsgeschichte vorzulesen, die später als besonderer Traktat "Sarah" (Nr. 65 unter den Berliner Traktaten) gedruckt wurde. Zu gewöhnlichen Ansprachen, Reiseerlebnissen, Unterhaltungen über Aeußeres ließ er es selten kommen. Daran fand er keine Freude, nur in der Innigkeit des brüderlichen Verkehrs fand «r seine Befriedigung, und wo dieses nicht zu haben war. mußte er wenigstens zeugen von dem, was seiner Seele innerste Tiefe erfüllte. In den geistlichen Gesprächen und Disputationen, die sich anknüpften, hatte der ernste Candidat oft wunderliche Anschauungen zu bekämpfen, z. B. die Meinung, daß Schleiermacher und Goßner im Grunde dasselbe meinten und lehrten, daß es für

den besonnenen Mann sich zieme, nicht in Extreme zu fallen, sondern die rechte Mitte zu halten. Knak antwortete: "Von einer Mitte kann gar nicht die Rede sein, sondern von einem schmalen Wege, auf dem allein die Jünger Jesu zu wandeln haben." Wurde dann von dem Namen des Herrn Jesu irgendwie unehrerbietig, gesprochen, dann konnte Knak sehr eifrig werden. Doch schreibt er, "das that mir hernach sehr wehe und ich hatte bittere Seelen-schmerzen anszustehen. Der liebe Heiland erbarme sich meiner in Gnaden und erleuchte uns immer mehr und mehr und schenke insbesondere mir Armen Weisheit, Kraft und Freudigkeit immerdar k Amen! Amen!" So sehr hielt er es für Christenpflicht, nie, auch in bester Meinung, aus der gemessenen Haltung herauszutreten, die er als Kennzeichen wahren Friedens für sich haben und Anderen gegenüber bezeugen zu müssen glaubte. "Ich wünschte nur," mein Herzenskarl, fährt er fort, "du wärest bei mir gewesen, dann hätten wir Beide den Herrn aus einem Munde durch seine überschwengliche Gnade bekennen können."

Auch in weltlichen gemischten Gesellschaften wußte er immer seine Haltung zu beobachten. Von einer Hochzeit, der er im October 1832 beiwohnte, schreibt er seinem Karl: "Hösbach traute, nachdem er über die Worte: Nehmt auf euch mein Joch, gesprochen hatte, ohne daß die Hauptsache deutlich hervortrat. Dann fuhren wir nach dem englischen Hause, wo wir bis acht Uhr in dem Saal, wo wir bisweilen gesungen haben, blieben, worauf die Mahlzeit begann. Die Braut kam auch einmal zu mir, setzte sich neben mich und hielt ihre Hand lange in der meinigen. Unsere Flora setzte sich neben sie, der liebe Herr aber gab mir Freudigkeit, diese arme Seele an Jesum zu erinnern» der uns geliebt hat bis zum Tode, und von der Seligkeit derer zu sprechen, die Ihn kennen und in seiner süßen Gemeinschaft leben, wobei sie aufmerksam, und wie mir schien, nicht ohne Theilnahme zuhörte. Dem Herrn sei Dank, daß Er mir auf diese Weise Gelegenheit gab, von Ihm zu zeugen. Ich kam zu sitzen neben einem gewissen Herrn S-, einem alten und wohl ohne Zweifel gläubigen Mann, mit dem ich mich köstlich von dem, weß das Herz voll war, unterhalten konnte. Der Herr Jesus sei hochgepreist für diese überschwengliche Gnade. Es ging bei Tische noch allenfalls erträglich zu. Gegen ein Uhr

kamen wir erst nach Hause! Der Polterabend soll fürchterlich gewesen sein — unser R. hat auch getanzt. Ich bin froh, daß ich nicht dagewesen bin; ich hätte hinaus laufen müssen!"

Desto fröhlicher war er im November bei seinem lieben Freunde Lutze auf einer Kiudtaufe, zu der auch der Herr Jesus eingeladen war: "Solcher Kindtaufe," schreibt er, "habe ich noch nicht beigewohnt, so köstlich ist es gewesen!"

Besonders gesegnete Stunden hatte Knak bei dem alten Knecht Christi, dem Baron v. Kottwitz, der am Alexanderplatz in dem sogenannten Ochsenkopf (freiwillige Arbeitsanstalt) wohnte. Bei diesem ehrwürdigen Greise kehrte er gern ein und wurde jedesmal gern gesehen. Einmal, als er ihn nach längerer Zeit zum ersten Mal wieder besuchte, fragte Knak den alten Herrn, ob er sich wohl befinde. "Ja," sagte er, "aber ich bin betrübt, daß mein lieber Sohn Knak noch böse auf mich ist." "Ich entschuldigte mich herzlich, aber der liebe Mann blieb doch dabei, ich müßte böse auf ihn sein, denn ich hätte ihn so lange nicht besucht, er werde gewiß Schuld sein. Er war unaussprechlich liebreich und innig gegen mich, was mich sehr beschämte. Er legte sein liebes Haupt auf das meine und drückte mich fest an sich; was sollte ich, sein geringer Bruder, dazu sagen, mein theures Herz? Seine herzliche Demuth müßte, dächte ich, einen jeden ergreifen. Während der Unterredung nannte er mich seinen lieben Sohn» redete mich auch einmal mit dem treuen, lieben "Du" an, was mich sehr erfreute."

Durch den Verkehr mit Elsner, Kottwitz und anderen hervorragenden Christen ergab sich manche Gelegenheit, auch andere kennen zu lernen. "Eines Abends kam ein Soldat zu Elsner und forderte Traktate. Als es sich ergab, daß er im Glauben stände, da war es große Freude, daß wir einen lieben Bruder gesunden hatten. Nun ging der Mund über von dem, deß das Herze voll war, wir konnten uns fast nicht trennen." Hernach begleitete der Soldat den Candidaten noch nach Hause, um unterwegs die Herzensge-fpräche fortsetzen zu können. Bei Goßner lernte Knak auch bald eine Anzahl Missionszöglinge kennen, theils von dem neuen (Berliner) Missionsseminar, theils von dem alten (Jänickeschen) Missionsinstitut. Mit den meisten derselben wurde bald die engste Freundschaft geschlossen (so Wuras, Radloff, Gregorowsky, Schund, Lange, Kraut,

Döhne). Einmal, als er eine Anzahl derselben bei ihrer Absenkung bis Schöneberg begleitete, mußte Knak auf Aufforderung von Rückert (Jänicke's Schwiegersohn, damals Vorsteher jenes Seminars) das Abfchiedsgebet sprechen. Damals bekam Knak von Rückert einen guten Eindruck, der sich aber bald verlor, als nach kurzer Zeit die Jntriguen ausgedeckt wurden, mittelst deren Rückert den theuren Goßner als "Jrrlehrer" zu verdrängen suchte, um in seine Stelle einrücken zu können.

Durch die Missionszöglinge wurde Knak wieder mit vielen frommen Handwerkern, und unter andern mit zehn frommen Landleuten in Rixdorf, auch mit kleinen in der Stadt bestehenden Con-ventikeln bekannt, und allmählich wurde die Zahl der wirklich! Erweckten in seinem Freundeskreis so groß, daß die Zeit, die ihm zum Umgang zu Gebote stand, fast nur durch sie in Anspruch ge- -nommen war. Da fanden sich zu ihm Leute aller Stünde und Altersstufen. Er selbst sah in ihnen nichts, als Jesum allein. So weit der Herr Jesus in einem Menschen Gestalt gewonnen hatte, so weit liebte er ihn zärtlich, und so weit er Gelegenheit hatte, einem noch nicht Bekehrten das theure Evangelium zu pre- ^ Ligen, so weit ging er ihm nach. Bald hatte er eine Reihe der Intimsten Freunde, die er in den Briefen an seinen Herzenskarl allzeit nur bei ihrem Vornamen nannte. Wenn er dann von feinem lieben Ernst, Julius, Heinrich, Adolf, Johannes, Wilhelm, Theodor sprach, so ahnte ein dritter schwerlich, daß er unter dem einen Namen einen Soldaten, dem andern einen Handwerksgesellen, Lem dritten einen Kaufmann, dem vierten einen Offizier, dem fünften einen Studenten, dem sechsten einen Missionszögling, dem siebenten einen Gymnasiasten meinte. Es kam derselbe Name auch wohl für zwei verschiedene Persönlichkeiten vor. Nur der Name Karl bezeichnte nur Einen, das war sein geliebter Herzenskarl in Mittenwalde.

13.

Die ersten Predigten.

Man sollte es nicht glauben, wie viel Mühe dem später so berühmten Kanzelredner seine ersten Predigten gemacht haben. Gleich das erste Mal, da ihn Goßner aufforderte, schreibt er an Karl: "Ich werde wohl eine alte Predigt halten müssen, da ich in dieser kurzen Zeit (vom Dienstag bis zum nächsten Sonntag) wohl nicht leicht eine andere ausarbeiten und gründlich auswendig lernen kann." Das hat sich öfter wiederholt. Er meinte: "Der Heiland wird es mir wohl zu Gute halten bei meinem kranken Körper, da die Ausarbeitung einer neuen Predigt denselben zu sehr angreifen würde." Er predigte freilich bisweilen fünf Viertelstunden und darüber. Ging er dann zur Kanzel, so mußte er jedesmal Zuerst durch eine große Bangigkeit hindurch. Diese trieb ihn in das Gebet und das Gebet machte die Predigt so gewaltig, daß Einzelne unter dem starken Eindruck derselben kaum bis zum Ende auskml-ten konnten und Andere darnach kamen, um sich zu bedanken, und daß die Herzen der Erweckten dem theuren Prediger warm und innig zufielen. Diesen timor saesr (heilige Bangigkeit) hat er nie verloren bis an sein Ende. Es möchte kaum einen zweiten Prediger geben, der vor jeder Predigt so gezittert und gebebt, — aber auch keinen, der nach derselben so gejauchzt und gelobt hätte, wie der theure Knak. Als Goßner für diese erste gewaltige Predigt ihm seinen Dank aussprach und ihm gleich die folgende übertragen wollte, da lehnte er dies entschieden ab. "Es war ihm nicht lieb," schreibt er, "er denkt aber, das wird uns so leicht." Nachdem er später in dem Betsaal der Brüdergemeinde, in der Wallonen- und Spittelmarktkirche und in anderen Kirchen wiederholt gepredigt hatte, wurde es ihm ein wenig leichter; aber sehr charakteristisch ist es doch, wie er noch nach seinem zweiten Examen seinem Karl sein Herz über eine Predigt, die er halten sollte, und die derselben vorangehenden Aengste und Kämpfe sich ausspricht:

Berlin, 20. September 1833.

Und ob auch eine Mutter ihres Kindleins vergäße, daß sie sich nicht erbarmte über den Sohn ihres Leibes, so will Ich doch Dein nicht vergessen, spricht der Herr.

Theures Herz!

Bete sür mich Armen. Denn ich soll am Sonntag für Arndd predigen und kann durchaus nicht dazu kommen, die Predigt aufzuschreiben-Ich habe zwei schwere Tage verlebt, vorgestern und gestern. Immer vom Neuem lief ich zu Ihm, der doch gesagt hat, daß Er keinen Hinausstoßen will, der zu Ihm kommt. Aber warum ich Ihn bat mit Thränen uud-Seufzen — das erhielt ich nicht. Ich mußte Ihn fragen: Ach lieber Herr! hast Du meiner denn ganz vergessen; willst Du mir nicht ein Brosamtem. von Deinem Tische geben? Was ich anfing, gerieth mir nicht; ich konnte keinen Tert finden — ich hätte nichts essen noch trinken mögen, so weh und traurig war mir zu Muthe. Aber ich habe mich doch zu der Predigt nicht angeboten, sondern sie ist mir angetragen; und wenn der liebe Herr es nicht gewollt hätte, so wäre es doch auch nicht geschehen. Eine Predigt ausarbeiten und auswendig lernen werde ich bis zum Sonntag nun wohl schwerlich können; aber meinen Mund will ich weit aufthun, daß der Herr ihn fülle nach seiner freien Gnade und Barmherzigkeit. Um das Eine bitte ich: Bete inbrünstig für mich Armen, der ich ganz dumm und^ unwissend bin und sage den Brüdern, daß sie mich auch nicht vergessen. -Ich glaube, lieber Herr! ach hilf meinem Unglauben! — Wie gern käme^ ich heute zu Dir, mein theures Herz! in Ragow würd's mir leichten werden; aber der Herr ist doch in den Schwachen mächtig! Er kennt ju meine Armuth, und mitleidig ist Er und von großer Güte und Treue. Ich schrie nach Ihm, sollte Er nicht antworten? Meine Seele dürstet nach-Jhm, wie ein dürr Land — sollte Er mich verschmachten lassen? — Und« dabei geht Satan umher wie ein brüllender Löwe und sucht meine Zweifel, zu mehren und mich immermehr verzagt zu machen. — Tritt den Satan unter Deinen starken Fuß! —

Jesu! liebster Meister, erbarme Dich meiner! Ach Karl, ich komme mir doch jetzt recht untüchtig vor zu dem köstlichen Werke, deß wir begehren.. Der liebe Herr muß mich auf Flügeln tragen, wenn etwas zum Preise seines heiligen Namens aus mir werden soll: Ich möchte um ein Ämtz für jetzt gar nicht mehr beten, sondern blos um Weisheit, Demuth,. Glaube und Liebe. Herr hilf! — ich hoffe auf Dich — laß mich nimmer-^ mehr zu Schanden werden. Denn was sind wir ohne Jesum? Dürftig^ jämmerlich und arm; ach, was sind wir ? voller Elend. Ach Herr Jesu? Dich erbarm! Laß Dich unsre Noth bewegen, die wir Dir vor Augerr legen! — Könnt ich Dich doch bald sehen, mein theures Herz! Wie viel


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haben wir uns wieder zu erzählen! Nun vielleicht kann ich, so der Herr will, Ende der nächsten Woche zu Dir kommen. — Das Herz wird mir schon wieder schwer, wenn ich an den Sonntag denke. — Fürchte Dich nicht, mein Herz! glaube nur! — O bitte, gehe doch gleich in Dein Kämmerlein, Herzensbruder! wenn Du diesen Brief erhältst und bitte Jesum, daß Er mir beistehe — ich hoffe, daß ichs fühlen werde, ob Er Dich erhört hat. Sags auch der lieben Auguste seinem kleinen Pflegekind von Karl) — denn Kinder segnet und hört Er gern. O daß ich wäre wie ein kleines Kind! — Wer es weiß, wie sanft sichs ruht, so man Ihm im Schooße läge, der ließ' alle Andern sein, wär' ein Kind und legt sich drein. Die Stellen Luc. 11, 5—13 und Luc. 18, 1—7 sind mir sehr tröstlich; ja ich will auch nicht aufhören zu bitten, bis Er mir etwas gibt, anzuklopfen, bis Er mir aufthut, zu suchen, bis ich Ihn finde.

Wenn Er sich anders stellt, weiß man, was Ihm gefällt, Er wird kein Ohr verstopfen, man soll nur stärker klopfen. Wie Bettler stehen bleiben und unverschämt betreiben, worum sie angesprochen und an die Thüren pochen: So sollen wir es wagen, an Sein Her^ anzuschlagen, getrost und freudig beten, nicht von der Stelle treten. Wenn lauter Nein erscheint, ist lauter Ja gemeint; wo der Verzug am größten, da wird die Hilf am besten. (Woltersdorf.) So lebe nun wohl, mein theures liebes Bruderherz! Nicht wahr? Du wirst viel für mich beten? Jesus erhöre uns und sei uns gnädig, um Seiner ewigen Liebe willen. Amen.

Schon zwei Tage später, am Sonntag den 22., konnte er loben und preisen. Sein Brief lautet:

.        Sonntag, Berlin, 22. September 1833.

Immanuel!

Ach, wär ein jeder Puls ein Dank, Und jeder Odem ein Gesang!

Theures, vielgeliebtes Herz!

Was der Herr Jesus heut an mir gethan hat, kann ich Dir nicht beschreiben; o die selige Gemeinschaft unter uns beiden, daß Du schon im Voraus hast danken können für Sein Erbarmen.

Unaussprechlich hat mich Dein Brief erquickt. Gottlobs, der Dirs ja wohl erzählt hat, und Güstens einfältige rührende Worte gingen mir »und anderen lieben Brüdern, denen ich sie vorlas, tief zu Herzen. Sag' ihr nur, ich hätte mich sehr gefreut darüber und würde vielleicht schon am

Dienstag ein paar Zeilen an sie schreiben; grüße das liebe Kind herzlich; Jesus wolle sie reichlich segnen! Ich habe gepredigt über Jesaias 53, 1. und singen lassen: Jesus nimmt die Sünder an, und den letzten Vers aus: Mein Heiland nimmt die Sünder an. Seine Barmherzigkeit stand mir bei, mir war inniglich wohl auf der Kanzel; ich hätte die Zuhörer mögen knieend bitten, doch noch heute zu dem süßen holdseligen Sünderfreunde zu kommen. Er aber sei gelobt immer und ewiglich. Amen!

Und hernach kamen die Zuhörer weinend und tief bewegt, um zu danken. Sie hatten von der Predigt einen Segen empfangen, wie kaum zuvor.


14.

Arbeiten und Studien. Examen.

An Arbeiten hatte der Candidat Knak sich fast mehr aufgeladen, als fein schwacher, stets kränklicher Körper ertragen konnte. Er war Mitarbeiter an den "Neuesten Nachrichten aus dem Reiche Gottes," Vorstandsmitglied (in Gemeinschaft mit Hitzig, Sydow, von Vülow, Dielitz, Elsner, Bachmann, Kuntze, Bertram, Lang-becker) eines Sonntagsgast-Vereins, der den "Sonntagsgast", eine erbauliche Zeitschrift, herausgab, an welchem Knak (sowie auch hin und wieder Straube, sein getreuer Kamerad) ebenfalls mitwirkte. Daneben hatte er viel Correcturen zu lesen, auch Gottholds zufällige Andachten neu herauszugeben. Dann wieder vertrat er Goßner im Katechumenenunterricht, half Langbecker Wochen lang bei dem Ordnen der Bibliothek seiner Prinzen, hielt Schule für Elsner's Bruder. Aber über das Alles vergaß er nicht die eigentlichen Studien als Vorbereitung für das Examen. Er hospitirte bei Kopf, um sich in der praktischen Pädagogik vorzubereiten, und hörte bei Hengstenberg die Encyclopädie. (Dies Colleg fesselte ihn besonders. Er schreibt darüber: "Etwas Ausgezeichneteres habe ich noch nicht gehört.") Daneben hatte er alle Dienstag Abends von acht bis zehn Uhr ein exsgetieum mit mehreren Studenten und Candidaten und studirte dazu Hahns Dogmatik, Münters

Dogmengeschichte. Baxters Evangelischen Geistlichen und Zellers Lehren der Erfahrung; besonders aber vertiefte er sich in das Studium von Starkes Bibelwerk, von welchem er gar nicht los kommen konnte. Wenn daher in der Zeit des Copernicus-Schwindels Knak von befreundeter Seite her der von feindlichen Blättern nur zu gern weiter verbreitete Vorwurf gemacht wurde: "Er ist dumm; zu einer Zeit, wo er sollte, hat er nicht studirt, und jetzt ist es zu spät," so ist das eins von den vielen leichtfertigen Urtheilen, mit denen in jener Zeit der der feindlichen Meute wie vogelfrei preisgegebene Mann verfolgt wurde. Knak hat mit einer Sorgsamkeit und einem Fleiß seinen Studien obgelegen, wie nur ein anderer rechtschaffener Candidat. Freilich folgte er dem Wahlspruch: "Fleißig gebetet ist halb studirt." Aber der Wahlspruch hat ihm eben so wenig geschadet, als dem vr. Luther, von welchem er stammt.

Die Themata zu feinem zweiten Examen empfing Knak — wiederum zugleich mit seinem geliebten Straube — am 8. Januar 1833 und machte sich sofort an die Ausarbeitung. Die Behandlung dieser Arbeiten wurde natürlich Gegenstand einer lebhaften Korrespondenz zwischen beiden Freunden. In welchem Sinne er an die Arbeit ging, das schreibt er in einem Briefe vom 13. Januar 1833.

Berlin, den 13. Januar 1833.

Ich vermag Alles durch Den, der mich mächtig macht, Christum.

Mein theures Herz!

Wenn wir uns diesen köstlichen Spruch, verbunden mit dem Worte des lieben Herrn: "Ohne mich könnt ihr nichts thun," im Glauben recht aneignen durch Seine Gnade, dann werden uns auch unsere Eramenarbeiten,. so schwierig sie auch zu sein scheinen, leicht werden durch Seine Kraft. Aber welch einen köstlichen Text hast Du, mein Herzens-Karl! Wenn Du nun zum lieben Heiland kommst, und bittest Ihn für Dich und mich» um Weisheit und Freudigkeit zu unfern Arbeiten, und wenn ich dasselbe thue recht kindlich und gläubig — wie köstlich ist es, daß Er gewiß auch in dieser Hinsicht gesagt hat: "Wer zu mir kommt, den will Ich nicht Hinausstoßen!" Und sollte Gott, der seines eingebornen Sohnes nicht verschont hat, sondern Ihn für uns Alle dahin gegeben, uns mit Ihm nicht Alles schenken? O, wer doch recht kindlichen, zutraulichen Glauben hätte, der liebe Heiland ließe einen gewiß nimmermehr stecken; Sein Herz ist gar-zu mitleidig und holdselig und segnen ist ja Seine Freude        

Grüße alle Brüder, sowie Deine lieben Eltern herzinniglich. Schreibe mir doch, wann Du gewöhnlich Deine Kniee vor dem Herrn beugst. Wir wollen es dann gemeinsam zu gleicher Zeit thun und uns Matth. 18,19 und 20 durch des Herrn Gnade im Glauben zueignen. Lebe wohl, Du theures, liebes Herz.

Für einen ew'gen Kranz Unser armes Leben ganz!

Lebe wohl in Jesu, der thener erkauft hat Dich und

Deinen Gustav.

Bald aber ergab es sich, daß Straube, der mit seiner gewohnten Gründlichkeit zu viel zur Vorbereitung zu lesen sich vorgenommen hatte, nicht zu dem nächsten Termin fertig werden konnte. Gustav gab ihm zwar den Rath, mit dem vielen Lesen anzuhalten und einfältig vorzugehn; aber er vermochte es nicht, und so mußte denn Gustav dies zweite Examen allein machen, ohne den geliebten Freund zur Seite zu haben. Am zweiten Juni hielt er in der Mallonenkirche seine Probepredigt. Am 30. Mai schreibt er mitten ans den letzten Vorbereitungen heraus: "Ich sitze jetzt tief in der Arbeit; aber ich kann oft nicht, wenn ich auch möchte. 'Verlaß dich nicht auf deinen Verstand.' Dies Wort des heiligen Geistes ist mein Trost. Der theure Heiland wird mich armes Würmlein ja nicht lassen zu Schanden werden. Es gehe aber, wie es gehe.

Er kann's nicht böse meinen! Halleluja!          Sei froh, mein

Herz, daß du nun noch so schöne Zeit zum Repetiren hast; aber verlaß dich nicht auf deinen Verstand! Meine Predigt kann ich, Hem Herrn sei Preis, schon recht gut. Bitte für mich armen elenden Menschen und fordere die theuren Brüder dazu auf; es ist mir gar zu tröstlich, wenn so viele für mich beten, und mein Erstgeborener Bruder wird ja auch an mir aus Gnaden «füllen, was von Ihm geschrieben steht: 'Er löscht den glimmenden Docht nicht aus und zerbricht nicht vollends das zerknickte Kohr.'"

Berlin, 6. Juni 1833.

Ja lobe den HErrn, meine Seele, und was in mir ist, Seinen heiligen Namen; lobe den HErrn, meine Seele, und vergiß nicht, was Er dir Gutes gethan hat! — Ach Herr, Herr! ich bin nicht werth, ich bin viel zu geringe aller Barmherzigkeit und Treue, die Du an mir armem, elendem Wesen auch heute wieder gethan hast. — Laß mich Dein sein und bleiben und nimm mich hin mit Leib und Seele auf Leben und Sterben, Du treuer Gott! Amen.

Mein theures Herz!

Ich weiß kaum, was ich sagen soll vor Dank und Freude über den überschwänglich gnädigen Beistand des lieben HErrn, deß Name Erbarmen ist. Er hat mir große Freudigkeit geschenkt vor, in und nach dem Examen. Der HErr hat alles wohlgemacht; Ihm allein gebühret Preis, Ehre und Lob ewiglich. Amen, Hallelujah!

Das Nähere, Du liebes Herz! hoffe ich Dir, so der Herr will, am Sonnabend mündlich zu berichten. Danke, danke nur mit mir Dem, der mich armen, elenden, ohnmächtigen Sünder so unaussprechlich gnädig angesehen hat und der auch Dir, Du geliebtes Herz! überschwänglich mehr geben wird, als wir bitten und verstehen können. Sage auch den Brüdern, daß sie danken und preisen mögen.

Grüße Alle, liebes, theures Herz, Deine lieben Eltern und Röschen von Deinem auf Jesu Tod auf ewig mit Dir verbundenen, armen, einfältigen Bruder        Gustav.

Sein treuer Kamerad Karl folgte denn auch bald nach und machte sein Examen im Oktober desselben Jahres. Beide erhielten das Prädikat: "Gut bestanden", Karl noch dazu: Mit Auszeichnung. Gustav schreibt darüber dem Freunde unterm 4. Nov. folgende Worte:

Berlin, den 4. Nov. 1833.

Lobe den Herrn, meine Seele!

Mein theures Herz!

Der Herr Jesus sei gelobt für Dein Zeugniß, denn Ihm allein hast Du es zu danken, und dankst es Ihm gerne. Daß wir Beide nichts von Gut verdient haben, ist wahr, mein theures Herz! aber daß Du meinst, sie seien bei Dir in noch viel größerem Jrrthum gewesen, als bei mir, das ist nicht wahr und ist blos ein Ausdruck Deiner lieben Bescheidenheit. Wolltest Du mir nun dies auch nicht zugeben, so weiß ich's doch besser. Was hätte aus mir werden sollen, wenn Jesus nicht so unaussprechlich mitleidig wäre! — Wohl uns aber des feinen, guten Herrn, der Seinen armen unwissenden Knecht nicht läßt zu Schanden werden!

jinak. L.Aufl.

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15.

Ein in sich abgeschlossener Charakter.

Nachdem wir den Candidaten Knak bis zu seinem zweiten Examen begleitet haben, machen wir einen Augenblick Halt, um zu betrachten. was Gott der Herr durch die mancherlei trüben und heiteren Lebensführungen, sowie durch die mannichfachen Züge seiner Gnade aus ihm gemacht hat. Wir müssen sagen: In dem Candidaten Knak tritt uns ein völlig und harmonisch in sich selbst abgeschlossener Charakter entgegen, der schon jetzt deutlich und klar das Gepräge des Mannes trägt, welcher hernach als ein auserwähltes Nüstzeugin des HErrn Reichsarmee unter den maimich-fachsten Verhältnissen Segen über Segen für Viele zu wirken berufen war.

"Und sie sahen Niemand als Jesum allein!" Dies Wort erfüllte sich schon an dem Candidaten Knak. Zunächst wenn er den Blick in sich selbst hinein wandte. Mancher auch ernste Christ sieht in sich selbst sehr viel an Gaben, Anlagen, Werken und Verdiensten, in welchen er (wenngleich mit Worten alle Ehre dem Herrn gebend) doch auch gar gerne sich spiegelt; Knak sah in sich blickend nichts als auf der einen Seite einen ganz blutarmen Sünder, einen Wurm, den der Herr vom Tode errettet hat, und auf der anderen Seite den Herrn Jesum, der wirklich in ihm wohnte und Gestalt gewonnen hatte. Er wollte nichts weiter sein, als ein erlöster Hochbegnadigter "Wurm im Staube", dessen Freude und höchste Wonne es ist, von seinem Jesu zu zeugen. Er kannte keinen anderen Maßstab, um sich und andere zu messen, als die Liebe des Herrn Jesu. Denselben Maßstab legte er an seine Umgebungen, die Personen sowohl als die Verhältnisse. Demüthig, völlig gering haltend von sich, und Andere hoch, ja höher als sich selbst schätzend, verlor er doch nie das klare Auge für das, was noch vom alten Menschen in ihnen war. So viel galten sie ihm, als Jesus in ihnen ausgestaltet war, das übrige strafte er in aller Demuth, sei es öffentlich oder in seinem vertrauten Verkehr mit seinem Karl. Aber wenn er sein Urtheil über sie abgab. so

erschrack er jedesmal, ob's auch recht sei, es auszusprechen, und kam gewöhnlich von dem Aufdecken der Schlacken anderer auf das viel strengere Richten des eigenen Herzens zurück. Und war cs ein Verbrecher auf dem Schaffst, von dessen Greueln er berichtet, das Ende seiner Rede blieb: "Und doch ist es nur lautere Gnade, daß ich nicht dasselbe gethan und erlitten habe." Von diesem festen Grunde aus übte er große Freimüthigkeit im Verkehr mit Anderen, und nannte, alles Schleiermachen grundsätzlich verwerfend, jedes Ding bei seinem rechten Namen. Die große Liebe und Demnth, in der er es that, ließ die Entschiedenheit seines Urtheils in den meisten Fällen verschmerzen, und mindestens verstehen. So ist er schon als Candidat Vielen zum bleibenden Segen geworden.

Für den weltförmigen Scherz sowohl, als für die Satyrc fehlte ihm jedes Verständlich. "Ein Christ," so äußerte er sich in einer Gesellschaft, "darf nicht nur nicht spotten, sondern auch nicht scherzen, er wird dadurch iu der Sammlung des Gemüths und im Andenken an den Herrn Jesum nothwendig gestört." Dabei war er aber keineswegs ein Kopfhänger, sondern ein allezeit in seinem Jesu fröhliches Gemüth, dem man es ansah, daß er ein Friedenskind sei. Denn das war sein inniges Verlangen, jeden Augenblick in der Gemeinschaft seines Heilandes zu verleben, und zwar allezeit so, daß seine Augen auf Ihn gerichtet blieben, daß er dringend darnach rang, jeden eigenen Willen abzulegen und in all seinem Thun, auch iu der geringsten Kleinigkeit, nur von dem Willen des Herrn Jesu sich leiten zu lassen. "Ach, daß ER doch gar keinen eigenen Willen mehr an uns fände! (so schreibt er 26. Okt. 1832). Ach daß es doch bei uns erst immer so recht heiße: Es sei ferne von mir, mich zu rühmen, denn allein von dem Kreuze unseres Herrn Jesu Christi, durch welchen mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt! Der Herr Jesus helfe uns aus Gnaden!" Einmal (August 1833), als es sich um eine Reise nach Mittenwalde handelte, schreibt er: "Wenn ich doch nur ganz bestimmt wüßte, was mein lieber holdseliger Heiland will! Gegen Seinen Gnadenwillen möchte ich doch um Alles in der Welt nichts thun! Ach, mein Herr Jesus, mache mich doch willenlos!"— Dann aber lag er im Gebet seinem Jesu so lange an, bis derselbe ihm wirklich Seinen Willen iu unzweifelhafter Weise kund gethan hatte.

Bereits am 6. Juni folgte der Lob- und Dankbrief in vollen .Jubeltönen.

Wir wollen, eine Umschau in den Hunderten seiner Candida-tenbriese, die vor uns liegen, haltend, einiges mittheilen, wie er seinem Herzenskarl seine innersten Gedanken enthüllend, zu diesem und jenem, das ihm begegnete, seine Stellung nahm.

Einmal inachte er einen Besuch im Palais des Prinzen Albrecht. Er schreibt unterm 20. Sept. 1832:

Noch habe ich Dir etwas vom Dienstag mitzutheilen. Nachmittags nämlich etwa gegen fünf Uhr kommt der liebe Langbecker mit noch einem Manne zu mir und fragt mich, ob es mir vielleicht angenehm wäre, einmal das Prinz Albrecht'sche Palais, worauf die Kochstraße stößt, Näherin Augenschein zu nehmen; sein Begleiter nämlich war der Kellnermeister des Prinzen. Obgleich mir nur wenig daran lag, so wollte ich doch die freundliche Einladung nicht gern abschlagen und ging mit. Die Pracht, welche in diesem Palais zu sehen, ist außerordentlich groß; denke Dir: die Treppen sogar sind von gegossenem Eisen; aber mir wurde doch an diesem prächtigen Orte so unheimlich zu Muthe, ich kann Dir nicht sagen, wie. Ich dachte an unseren lieben HEiland, den König aller Könige, gegen den wir Alle nichts als Staub sind, und der doch oft nicht einmal hatte, wo Er Sein theures heiliges Haupt hin legen sollte; und jene von der Welt so hoch gestellten armen Sünder wissen nicht, wie weit sie die Ueppigkeit treiben sollen! O das kann einem recht nahe gehen, mein Karl, und wenn man dann noch an die armen Heiden denkt, was dafür könnte gethan werden, und wie wenig noch immer geschieht, obgleich es manchen so gar leicht wäre, — da möchte man weinen vor Wehmuth und vor Mitleid über so viele Prinzen und Herzoge und Könige, die DEN nicht kennen, ohne den es keine Freude giebt ewiglich.

Am 8. Juli 1833 berichtet er von einem Besuch, den er in dem Gesängniß des ein oder zwei Tage vorher Hingerichteten Raubmörders Hobus gemacht hatte. Er fand zu seinem Entsetzen in einer Zelle neben vier verbrecherischen Weibern ein zehnjähriges Mädchen, und gab seinem Schmerz und seiner Entrüstung lebhaften Ausdruck. Sein Besuch in der Zelle des Mörders entlockte ihm die Bitte: "Ach Karl, laß uns nicht vergessen. aller dieser unglücklichen Gefangenen in unseren Gebeten zu gedenken — wer weiß, wie es um uns stände, wenn die freie Gnade Gottes uns nicht gezogen hätte! Ach, daß wir doch ohne Unterlaß wachten und beteten, und unsere Seligkeit recht mit Furcht und Zittern schafften!"

Ein andermal hörte er, daß eine Frau aus seiner Bekanntschaft die Absicht habe, ihrem Wirthe eine Venus zu schenken. Hören wir seine eigenen Worte darüber:

Berlin, 8. Juli 1833.

Wie wurde uns aber erst zu Muthe, als mir einen Blick darauf (auf das Bild der Venus) warfen. Es war nämlich in der unzüchtigsten Stellung eine nackte weibliche Person, und unter ihren Füßen saß Amor! Dieses Bild wollte die schamlose Frau ihrem Wirthe zu seinem Geburtslage schenken. Kaum hatte die Botin es mitgenommen, so wurde ich sehr unruhig, gewaltig getrieben, zu Frau N. zu gehen und ernstlich mit ihr zu sprechen. Ich seufzte zum Herrn um Kraft und ging. Sie empfing mich wie gewöhnlich mit Freundlichkeit. Ich fragte sie darauf mit ernstem Tone, ob sie wirklich sich nicht schäme, ihr Vorhaben mit dem schändlichen Bilde auszuführen, und setzte hinzu, daß wenn sie das thäte, ich auch nicht die mindeste Achtung vor ihr haben könne. Dadurch kam sie nicht wenig in Verlegenheit, sagte, sie finde selbst keinen rechten Geschmack daran, hätte das nur ihrem Sohne zu Gefallen mitgekauft, und wolle das ihrem Wirth nur deshalb schenken, weil der ja auch einen Gefallen daran fände! Darauf antwortete ich ihr, daß wenn das wahr wäre, ihr Wirth ein sehr gemeiner Mann sein müsse. Ich bat sie nun dringend, mir das Bild zu überlassen, weil ich dann doch wenigstens noch den Rahmen davon brauchen könnte, das Bild selbst verdiene zu Pulver zertreten zu werden. — Und stehe da — die schamlose Frau war sogleich bereit, mir zu meiner großen Freude diesen Wunsch zu gewähren. Voll Dank gegen den Herrn trug ich das Bild nach Hause, nahm es sogleich aus dein Rahmen und zerriß es in kurze Stücke. Und bei dieser grundgemeinen Gesinnung thut die Frau wenn sie von sich spricht, nichts als sich loben. O der unseligen Blindheit — laß uns unaufhörlich zum Heiland seufzen, mein Karl! Ach, Herr Jesu, erbarme Dich ihrer Aller! —

Ganz entsetzt war er, als ihm eine Travestie des Vaterunser in die Hand kam, in welcher die sieben Bitten in einer (für unsere Tage von 1879 würden Viele sie freilich harmlos nennen) frivolen Weise auf den König als Landesvater travestirt werden. Er gab seiner Entrüstung über das Schriftstück den lebhaftesten Ausdruck. Nachdem er dasselbe seinem Karl brieflich mitgetheilt hatte, fährt er fort:

Schaudert's Dich nicht, mein Herzenskarl? Das heißt doch: dem HErrn ins Angesicht spotten; mir gehen die Augen über vor Schmerz, wenn ich daran denke. Wenn der König das liest und er schickt den Teufels-l'nechl, der es verfaßt hat, nicht wenigstens sogleich auf die Festung, so verdient er nicht König zu heißen; denn das ist himmelschreiend; darum weint auch der Himmel jetzt so sehr und die liebe Sonne läßt sich nur selten sehen. O Karl! Der Satan versucht schon, wie weit er's treiben kann. Ein fürchterliches Zeichen der Zeit ist es, daß dieses Teufelswerk

schon fast einen Monat existirt und noch keine Rüge erhalten hat. Ach Gott vom Himmel sieh darein! Mir ist so zu Muthe, daß ich gleich zum Könige lausen, ihm diese Gotteslästerung vorlesen und ihn ermahnen möchte, um seiner Seligkeit willen solche Gräuel nicht länger ungestraft zu dulden.

Da in den Kreisen, in welchen Knak verkehrte, natürlich über Schleiermacher, Göthe, Knapp re. vielfach gesprochen wurde, bieten uns seine Briefe an seinen Karl Gelegenheit, sein Urtheil über alle diese Persönlichkeiten, das klar und bestimmt und abgeschlossen war, kennen zu lernen.

Einmal hatte er in einer Gesellschaft die Meinung geäußert, Schleiermacher habe ein ungebrochenes Herz und sei deßhalb den wahren Christen nicht znznzählcn. Ihm war geantwortet worden: "Ihr schließt mehr aus. ich schließe mehr ein, Schleiermacher hat gewiß Viel für das Reich Gottes gewirkt." Knak bemerkt dazu-"Daß Schleiermacher gewiß viel für das Reich Gottes wirkt, ist eine Aeußerung, die dem lieben S. wohl schwer möchte zu beweisen sein. Ich weiß (in diesem Moment) nichts Gewisses mehr über Schleiermachers Ansicht von der Sünde. Das aber ist gewiß, daß, wer nicht Jesum den Gekreuzigten, Buße und Glaube predigt, wer des alten Testaments Autorität verwirft, das Dasein des Teufels läugnet, auch gewiß von der Sünde nicht den Begriff haben kann, den das Wort Gottes allen denen giebt, "die wie Maria arm am Geist zu den Füßen der Wahrheit sitzen." Ein ander Mal hatte er mit Goßner ein Gespräch über Schleiermacher. Goßner meinte, Schl, habe doch wohl den lieben Heiland im Herzen lieb, wenn er Ihn auch nicht öffentlich so bestimmt bekennte. Das konnte Knak nicht zugeben, und meinte: "Wir mögen ihn wohl besser kennen, als der liebe Goßner."*)

*) Merkwürdig und des Aufbewahrens würdig ist das, was Goßner bei dieser Gelegenheit über den Philosophen Jacobi erzählte, als Beleg, daß man doch insgeheim den Glauben haben könne. Knak schreibt: "Dieser (Jacobi) hat ihn (Goßner) nämlich in seiner Krankheit zu sich rufen lassen, als Goßner in München, wenn ich nicht irre, war, und hat ihn dringend gebeten, ihm die Gründe seiner christlichen Ueberzeugung anzugeben. Goßner hat es gethan und den armen Jacobi besonders ermahnt, um Glauben zu bitten. Da hat ihm denn Jacobi geantwortet, er strecke

Von Göthe's Schriften, die er früher ernst studirt hatte, behielt Knak nach seiner Bekehrung nur noch den Eindruck, daß sie in vieler Hinsicht Gift für ihn gewesen seien. Eine Zumuthung, Hermann und Dorothea einer Braut zn schenken, wies er daher entschieden ab, weil er es ans eigener Erfahrung wisse, wie viel Schädliches gerade in solchen Gedichten von Göthe und Schiller unbemerkt und verborgen schlummere. Und als null bei einem Umzüge seiner Mutter es in Frage kam, was mit den säiumtlichen Werken von Schiller und Göthe, die er von früher her besaß, werden sollte, da verbot er entschieden, sie zn verkaufen, damit nicht durch seine Schuld das Gift, das ihm selbst so schädlich gewesen war, auch Anderen schaden könne. Deshalb war er auch, als er Alb. Knapps Lied über Göthe's Heimgang las, ganz außer sich, wie dieser von ihm so zärtlich geliebte und bewunderte Knapp in dieser Weise lobend sich habe aussprechen können, und er schrieb ihm deßhalb einen sehr warmen und ernsten Brief.

lieber eine Novelle von Steffens, die in einer Gesellschaft vorgelesen wurde, schreibt Knak: "Kindische Phantasien, Knabenstreiche, empfindsame Redensarten von Hinneigung zum Religiösen wechselten einander ab." Auch an Theremins Abendstunden konnte er sich nicht erfreuen. "Gestern habe ich einige Sonette, die sich deutlich auf seine verstorbene Frau beziehen, darin gelesen; ich konnte mich aber an dem sich in denselben kundgebenden schwer-

oft mit Thränen seine Arme bittend empor; aber er könne doch nicht beten, nicht glauben, so sehr er sich darnach sehne, daß Christus Gottes Sohn sei, und daß man nicht auf andere Weise zu Gott kommen könne, als durch Ihn. Einige Tage vor seinem Tode hat aber Jacobi immerfort in schrecklicher Unruhe geschrieen: Ich bin verloren! Ich bin verdammt! Da ist Einer von seinen Verwandten zu Goß-neru gelaufen und hat ihm das gemeldet. Dieser aber hat natürlich über dieser Gewissensangst Jacobi's den Herrn gepriesen und dem Boten versichert, nun werde Jacobi gewiß noch gerettet werden. Und wirklich hat Jacobi dicht vor seinem Ende noch den Frieden empfangen, den die Welt nicht kennt, und hat voll Freude ausgesprochen: O wie selig, wie selig bin ich, daß ich nun beten kann! Bald darauf ist er entschlafen. Diese Geschichte ist merkwürdig; aber freilich mag doch zwischen Schleiermacher und Jakobi, wie auch der liebe Goßner meinte, der Unterschied sein, daß dieser weit ehrlicher wie jener gewesen ist; bei dem Herrn freilich ist es nicht unmöglich, auch diesen Starken zum Raube zu kriegen. Er erbarme sich unser Aller aus Gnaden!"        ^

müthig sehnsuchtsvollen Wesen durchaus nicht erquicken. Die Kreatur darf nicht auf solche Weise gefeiert werden."

Ebenso konnte er auch an den von ihm im übrigen hochgeschätzten und innig verehrten Männern seines näheren Umgangs dasjenige, was an ihnen nicht geheiligt war, nicht übersehen, sondern theilt dies alles seinem Straube mit tiefem Schmerze mit. Er war außer sich, als er Spuren der verderblichen Lehre von der Wiederbringung aller Dinge an Kottwitz entdeckte, und wäre über Aug. Neander mit dem alten Baron einmal fast an einander gerathen. Es war ihm unerträglich, indessen "apostolischem Zeitalter" den zweiten Petribrief für unecht und als Verfasser der Apokalypse einen unbekannten Presbyter Johannes bezeichnet zu sehen. "Mein Vertrauen zu dem lieben Neander," schreibt er bei dieser Gelegenheit, "schwindet mehr und mehr, ich kann mir nicht helfen." Und als der alte Baron das Buch in seiner Gegenwart pries, und ihn um sein Urtheil fragte, antwortete er: "Ja, die Karte (die dem Werk beigegeben war) ist schön!", eine Aeußerung, die ihm eine ernste Zurechtweisung seines väterlichen Freundes znzog, obgleich freilich eine vergebliche. Er schwieg aus Ehrfurcht. An dem alten Samuel Elsner konnte er die biedere, oft etwas derbe und schlagende Weise nicht ertragen und klagte seinem Karl über dessen "Witze." Ja selbst mit seinem inniggeliebten Goßner war er nicht immer zufrieden, sowohl mit seinen Scherzen im Privatverkehr, als mit seinen Jovialitäten auf der Kanzel. "Ich habe schon manchmal gewünscht," schreibt er, "daß Vieles, was der liebe Goßner sagt, lieber wegbleiben möchte, weil es mir nicht ganz erbaulich Zu sein schien, was auch wohl davon kommen mag, daß er sich nicht so genau vorbereitet und die Predigten nicht durcharbeitet. In einer Predigt von Hofacker findet man gewiß oft mehr. als in einer von dem lieben Goßner, nur daß die lebendige herzliche Sprache bei diesem hinzu kommt."

In allen diesen Urtheilen giebt sich ein ganz bestimmt und scharfzugeschnittener Charakter kund. Knak war eine durchweg edle Persönlichkeit, der alles Unedle abstoßend wirkte und wäre es-auch ein treffender Witz gewesen. Man kann sagen, er war einseitig in seinen Urthellen, denn es giebt ja im Gebiet des natürlichen und christlichen Geisteslebens auch Uebergangsstadien, die eine

jede ihren relativen Werth haben, und für manche Charaktere eindringlicher sind, als die ganze volle biblische Heilswahrheit, die zu ertragen für sie zu schwere Speise sein würde. Daß Knak überall nur diese letztere zuließ, war, wenn man will, eine Einseitigkeit. Aber es war die Einseitigkeit der Maria, zu der der Herr sagte: Eins ist noth! und die Einseitigkeit eines Apostel Paulus, der trotz seiner früheren philosophischen und rabbinischen Gelehrsamkeit nichts mehr wissen und predigen wollte, als Christum den Gekreuzigten, und ich glaube, daß gerade diese Einseitigkeit unfern Knak, wie einst den Apostel Paulus, zu dem gesegneten und Hochbegnadigten Rüstzeug machte, als welches wir ihn später werden kennen lernen.

16.

Ausgedehnte und einschneidende Wirksamkeit eines Candidaten ohne Amt.

Knak war schon als Candidat eine Persönlichkeit, die, wohin sie kam, imponirte und anzog. Deshalb war es nicht zu verwundern, wenn, besonders nach seinem Examen, die ernstesten und hervorragendsten Persönlichkeiten auf geistigem und geistlichem Gebiet den Verkehr mit ihm suchten und pflegten. Hengstenberg, v. Gerlach (der Prediger und der Major), Kranichfeld, Neander Arndt luden ihn gern ein und besuchten ihn gelegentlich ans seiner Stube. Namentlich schloß er mit einer Reihe von jungen Offizieren (Westphahl, v. Seidlitz, v. Rohr, v. Michaelis, Bertram, v. Dolffs) einen engen Freundschaftsbund, vereinigte sich auch mit einigen der-letzteren zu einem regelmäßigen Bibel- und Gebets-Abend. Dev Verkehr mit den Vorgenannten verschaffte ihm dazu Gelegenheit» auch mit manchen durchreisenden Freunden Bekanntschaft zu machen, wie z. B. mit Zaremba, Maltet, v. Rappard, Kauffmann. Letzterer redete ihn sofort mit Du an, und mit Mallet wurde ein Briefwechsel angeknüpft. Es war ja damals überhaupt ein viel regerer und innigerer Verkehr zwischen denjenigen, die sich unter dem Kreuze

Christi erkannt hatten. Nicht selten genügte die bloße Nachricht "Der und der ist auch einer, der den Herrn Jesum lieb hat dazu, daß Knak sofort die Feder ergriff und ihn in den herzlichsten Worten als Bruder und Mitpilger auf dem Zionswege beqiuf Le und gleich ungesehen das brüderliche Du gebrauchte. Ein sehr tost sicher Brief dieser Art, den er im Jahre 1833 an den Candidaten Schreck in Liebenwerda schrieb, werden wir in den Zeugnissen mittheilen (Nr. VIII).

Nicht minder aber, als die aus den vornehmen Ständen, bemühten sich auch die in der Stadt zerstreuten kleinen Conventikel, den durch seine Predigten ihnen lieb und werth gewordenen Candidaten für ihre Versammlungen zu gewinnen. So besuchte derselbe die Erbauungsstunde in der Kochstraße, die Brüder in Nixdors, die Stunde in der Blumenstraße und die in der Lindeustraße, und richtete selbst eine Erbauungsstunde ein in den Wilknitzschen Ar nun Häusern vor dem Hamburger Thor. Bei einer Frau Fnedcmaun versammelten sich auch in regelmäßigen Zusammenkünften eme Anzahl gläubiger Frauen und Mädchen, denen er ebenfalls nnt feiner Gabe dienen konnte. Er schreibt davon: "Ich hatte une recht köstliche Unterhaltung mit den sieben Seelen; wir erzählten uns von unseren gegenseitigen inneren Erfahrungen; der Maud ging über vom eigenen Elend, der eigenen Sünde, und von Semer Gnade tiefen Gründen." Auch den Studenten-Missionsverem oe-suchte er zum öfter». Derselbe versammelte sich jeden Montag nach dem Ersten in der Wohnung eines seiner Mitglieder. Knak, schreibt von einem seiner Besuche in diesem Verein: "Ich las aus dem Calwer Blatt von 1831 köstliche und fürchterliche Nachrichten vor: das Herz möchte einem brechen über den Jammer und die Blindheit der armen Heiden. Und welch Verlangen nach dem Worte des Lebens regt sich jetzt unter ihnen! O wann wird doch die herrliche Zeit endlich kommen, da ganze Schaaren von Evangelisten hinausziehen werden ins Erntefeld? Ach komm, Herr Jesu! Komm bald! Laß uns aber recht oft und inbrünstig für die Heiden beten, mein Herzenskarl! und den Herrn der Ernte um treue Arbeiter anflehen ohne Unterlaß!"

Aus den weiteren Kreisen der also von unserm Candidaten besuchten Freunde sonderten sich dann naturgemäß engere ab, die

sich um ihn selbst schaarten zu engerem Verkehr vor dem HErrn. Und nicht selten schloß sich das nächste Mal ein Neugewonnener an, der selbst dem Leiter der Versammlung unbekannt war. Solche Gebetsvereine hatte Knak an den Nachmittagen und Abends des Sonntags, auch an den Freitag-Abenden. Wie es dabei zuging, davon hören wir seinen Bericht an Straube:

Berlin, 30. Nov. 1832.

Soeben haben mich die lieben Brüder verlassen; cs mochten zwölf sein, von einigen weiß ich noch nicht den Namen. Ach! mein theures Herz! Du hast wohl an uns hergcdacht, nicht wahr? Du Geliebter! O daß Du auch bei uns gewesen wärest, Du Herzenskarl! Leid that es mir, daß unser Eduard nicht unter uns war.

Zuerst las ich den 23. Psalm vor; darauf sangen wir vier Verse aus dem köstlichen Liede: Ich habe nun den Grund gefunden.— Dann knieten wir nieder und ich Unwürdiger betete in Aller Namen laut zu dem lieben Herrn um Kraft und flehte Ihn an um Sein heiliges Nahesein, in aller meiner Schwachheit.

Daraus las ich die köstliche Predigt von Hofacker über Joh. 4,47—54: wie der Herr bei der Bekehrung den Glauben an fange und vollende. Darauf beugten wir wieder vor Ihm, dessen freie Gnade uns allein retten kann, unsere Kniee und flehten Ihn an um einen recht kleinen, demüthigen Sinn, und daß Er uns immer näher zu sich ziehen möchte, und aus uns, die wir Nichts sind, etwas machen nach seinem Wohlgefallen. Alsdann sangen wir die beiden köstlichen Verse: Ach, mein Herr Jesu, wenn ich Dich nicht hätte — den letzten knieend, sowie den Vers: Die wir uns allhier beisammen finden. — Wir Alle waren tief ergriffen und voll stiller, seliger Freude. Znm Schlüsse las ich noch etwas aus der Geschichte der Salzburger vor, was uns Alle eben so beschämte, als innig erquickte. Eben sind sie gegangen und ich habe mich sogleich ans Schreiben gemacht.

Wie sehr bei allen diesen Versammlungen nur das Eine, was noth thut, ins Auge gefaßt wurde, und darüber auch die Standes-nnterschiede ganz verschwanden, das ersehen wir aus einem Briefe aus dem Jahre 1833, in welchem Gustav seinem Karl schreibt: "Sonntag Abend war ich mit mehreren sieben Brüdern, unter anderen auch dem Lieutenant v. D. bei dem Kutscher Nixdorf, einem .einfältigen sieben Herzen. Wir erquickten uns inniglich durch Lobgesänge und erbauliche Gespräche und trennten uns erst um 11 Uhr."

Sonnabends Abends 9—10 Uhr versammelten sich eine Anzahl von Brüdern in Knaks Wohnung zum Gebet für die Heiden. Sie -bekundeten ihre Liebe zu diesen Verlorenen auch dadurch, daß sie


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alle Wochen jeder einen Silbergroschen in ein besonderes Schächtel-chen für die Mission zurücklegten. Endlich am 12. Sept. 1633 gründete Knak in Gemeinschaft mit mehreren Freunden den "Kranken- und Nachtwacheoerein." Die erste Versammlung derselben wurde in dem Hause des Lehrer Schmidt abgehalten. Knak verlas dabei eine Schriftstelle, an die er seine Bemerkungen anknüpftc. Der Verein gewann bald über hundert Mitglieder, unter denen zwei Offiziere waren, v. Michaelis und v. Rohr. Dieser Verein gab dazu die Veranlassung, daß wenige Monate später Goßner im Saal der Brüdergemeinde einen ähnlichen Frauen-Krankenverein stiftete.

Die allerinnerlichste Wirksamkeit aber entfaltete Knak in dem ganz speziellen persönlichen Verkehr mit Einzelnen, die ihn vielfach in seiner Wohnung aussuchten, besonders Studenten, Theologen, aber auch Mediziner. Ein solcher Stundent war in dem axsgmieum,. welches Knak auch nach Vollendung des zweiten Examens fortsegte, mächtig angefaßt worden. Er besuchte gleich am folgenden Tage Knak auf seiner Stube, und nach anderthalbstündigem Gespräch und Gebet konnten beide mit einander den Herrn preisen, daß der Suchende gefunden hatte.

Wer in die Stube eintrat, den sprachen schon von der Thür berab zwei erweckliche Blätter an, die Knak für Jedermann zur Erbauung dort aufgehängt hatte. Es waren der "Reisepaß eines Christen" und eine Auslegung Luthers über Joh. 8, 51, die der Criminalrath Hitzig in einer alten Handschrift Luthers gefunden und durch den Druck veröffentlicht hatte. Sie lautet:

Berlin, I.Oct. 1832.

Ev. Joh. 8,51.

So jemand mein Wort wird Hallen, der wird den Tod nicht sehen ewiglich.

Sterben müssen wir und den Tod leiden; aber das ist ein Wunder,, daß wer sich an Gottes Wort hält, soll den Tod nicht suhlen, sondern gleich wie in einem Schlaf dahin fahren und soll nun nicht mehr heißen^ ich sterbe, sondern ich muß schlafen.

Aber wer sich außer dem Wort finden läßt, der muß mit Aengsten sterben.

Darum das Beste ist, nicht gedisputirt, sondern gesprochen mit ganzem Herzen: Ich glaub' an Jesum Christum, Gottes Sohn, mehr weiß ich nicht, will auch nichts mehr wissen.        Or. M. Luther.

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Wie bei solchen Besuchen ein in Sünden ergrauter Mann Linnen kurzer Zeit seinen Heiland gefunden hat, darüber schreibt Gustav seinem Karl unter dem 26. Sept. 1833.

Berlin, 26. Sept. 1833.

Jesus nimmt die Sünder an!

Mein theures Herz!

Ich habe gestern einen wunderbar seligen Nachmittag verlebt; wenn ich daran denke, ist's mir wie ein Traum und doch kann nichts wahrhaftiger sein. Es bezieht sich nämlich auf die ewigen Gnadenworte der Ueberschrift dieses Briefes. Sollt' ich Dir die ganze Geschichte des gestrigen Nachmittags schreiben, so fehlte die Zeit mir; daher will ich Dir nur kürzlich sagen, daß der Herr Jesus mich allergeringsten Knecht dazu gebraucht hat, ein sehr weit von Ihm verirrtes Schaf zu Ihm zu locken, und daß in Zeit von höchstens einer Stunde das harte Herz dieses armen Sünders gebrochen und geheilt worden ist. Wie weit dieser nun so selige Mensch von dem Quell des Lebens entfernt gewesen, kannst Du daraus ersehen, daß er seit dreizehn Jahren nicht die Kirche besucht hat, um das Wort Gottes zu hören, daß er seine Frau seit dem Tage ihrer Verheirathung mit Gewalt von der Kirche zurückgchalten hat, und ein Flucher und Gotteslästerer gewesen ist. Der Buchbinder Vetter führte ihn zu mir; der Herr Jesus schenkte mir Seine Kraft und führte selbst das Schwert Seines Geistes, bis dieser Sünder sagen mußte: "HErr! Du bist mir zu stark geworden; hier ist mein Herz, HErr, nimm es hin." Freue Dich mit uns, mein theures Herz! und mit den heiligen Engeln; und danke, juble und bete an; thue aber ja auch recht inbrünstige Fürbitte für den Neugebornen, denn Satan wird ihm gewiß auf alle Weise nachstcllen. Er heißt H. und ist Maler. Ich mußte ihm gestern gleich eine Bibel mitgeben, die er mir nach und nach abbezahlen will; auch einen Theil von Hofackers Predigten hat er mitgenommen. Achilles war auch ein Zeuge dieser unbeschreiblich rührenden Geschichte, und wir haben dann zusammen vor der ewigen Liebe unsere Kniee gebeugt. O daß ich lausend Zungen hätte und einen tausendfachen Mund! —

So hatte der stellenlose Kandidat in Berlin bald eine Tätigkeit entfaltet, wie sie kaum ein Pastor reicher hat. Die Leute liefen ihm schon bei der Kirche nach, um ihn zu ihren Kranken zu holen, und er verlebte mit diesen unaussprechlich selige Stunden.

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17.

Sehnsucht nach dem Pfarramt.

Trotz alles dieses reichen Segens, den der in Gott fröhliche Kandidat in seiner freien Stellung empfangen und spenden durfte, wuchs in ihm stetig und beständig die Sehnsucht nach dem heiligen Pfarramt. Gleich nach seinem Examen schreibt er seinem Wiese: "Liebes, theures Herz! Ich kann dir nicht beschreiben, wie sehr ich trotz meiner großen, großen Schwachheit mich darnach sehne, wovon du in deinem lieben Briese so freundlich sagtest, daß ich's mit Freuden annähme, wenn Er es gäbe. Ja Ihn, der alle Mühseligen und Beladenen zu Sich ruft, möchte ich gar zu gern verkündigen, Jesum den Gekreuzigten in Seiner überschwenglichen Liebe den Armen, die Ihn noch nicht kennen, vor Augen malen und sie unablässig bitten an Seiner Statt, daß sie sich doch möchten lassen versöhnen mit Gott. — Bitte den lieben HErrn, du thcurer Bruder, daß Er aus Gnaden mich recht bald rufe; — doch wie Er will, nicht wie ich will! Und Jesaias ruft mir zu: Durch Stillesein und Hoffen werdet ihr stark sein!" — Zehn Tage später schreibt er an seinen Karl: "Mein sehnsuchtsvolles Herz denkt nun, der HErr möchte vielleicht gnädiglich unser Gebet erhören und ein Plätzchen für mich haben! Sein heiliger Jesuswille geschehe! Amen!"

Von jetzt ab folgten sich eine Reihe von Aussichten zur Anstellung für ihn, die sich alle zerschlugen, so daß er so recht innerlich geprüft und durch zerschlagene Hoffnungen geläutert wurde, damit, wo noch etwas Irdisches an seinem Wunsch zum Eintritt in das heilige Amt übrig wäre, dasselbe sich abkläre, und er wisse, es sei nur eine unverdiente Gnadengabe, wenn er überhaupt in das Amt eingelassen würde. Wie wenn ein Jüngling das Mädchen seiner Träume erblickt und nun sie idealisirt und es kaum für möglich erachtet, das Glück ihres Besitzes und die Liebe ihres Herzens zu erlangen, und wie er dann, wo er sie erlangt hat, vor Freude und Dank und Scham sich beugt vor dem HErrn, so erging es dem Kandidaten Knak mit seinem Wunsche nach dem heiligen Amt. Daß er zu demselben vielleicht tüchtiger und besser

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zubereitet sei, als hundert seiner Gleichaltrigen, das kam ihn: nicht in den Sinn, sondern nur seine eigene völlige Unwürdigkeit, die nur durch die Gnade des HErrn beseitigt werden könne. Wie beschämt er doch mit seiner lauteren Gesinnung so viele, auch gläubige Kandidaten unserer Tage, die wenn eine Stelle sich eröffnet, zuerst fragen: Wie hoch ist das Einkommen? Wie der Acker? Wie die Gebäude? Wie groß die Mühe?

Die erste Stelle, die sich nnserm Knak darbot, mar Krappitz bei Oppeln. Ein Graf v. Haugwitz hatte sie zu vergeben. Die Stelle war eine überaus schmierige, die Gemeinde umgeben von Katholiken, der Pastor hatte auch neben dem Pfarramt eine kleine Schule zu versorgen, hatte aber auch dafür die Erlaubnis;, von seinen vierhundert Thalern Gehalt sich einen Seminaristen zur Hülfe heranzuyolen. Gustav schreibt au seinen Karl: "Ich habe diesen Auftrag als einen Ruf vom HErrn angenommen. Bete viel für mich und sage es auch den Brüdern. Wie mir dabei zu Muthe war, kannst du dir denken, mein theures Herz. Ich freute mich, aber doch mit Zittern, und unterwarf mich gern dem Liebeswillen des HErrn, obgleich Krappitz wohl über sechzig Meilen von hier entfernt ist."

Der Liebeswille des HErrn wollte dies Opfer nicht verlangen. Der Graf berief Knak nicht. Dann wurde ihm im Sept. 1833 eine Hauslehrerstelle beim Pastor Kavel in Klemzig angeboten. Er wies die Stelle nicht ohne Weiteres von der Hand: "Du könntest sagen," schreibt er an Karl, "eine Pfarrstelle wäre doch besser. Aber weiß ich denn, ob der liebe HErr mich schon als Pastor in Seinem Weinberge will arbeiten lassen? Hat doch Paul Gerhardt so lange warten müssen!" Als dann eine Hilssprediger-stelle in Zossen sich darbot, schrieb er: "Was soll ich nun aber thun? Ich bin eine arme unwissende Kreatur, und ich muß mich schämen, daß mich der liebe HErr noch irgend wo gebrauchen will! — Schickt mich aber der HErr dorthin, so kommt Er selbst auch mit!"— Zu einer Aufforderung des Pastor Mein Hof, zu ihm einstweilen nach Hinterpommern zur Hülfe zu kommen, konnte er aber keine Freudigkeit gewinnen. Dagegen eröffnete sich nun eine erfreuliche Aussicht auf Trebbin. Diese wäre ihm vor allen erwünscht gewesen wegen der Nähe seines Karl; aber er wagte es nicht zu hoffen

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oder direkt seinen Wunsch zu verlautbaren. "Was Trebbin betrifft, so habe ich mich ganz in den Willen des treuen HErrn ergeben. Hätte Er mich dahin berufen, so wollte ich mit tausend Freuden gehen und wüßte nicht, was ich sagen sollte. Käme aber eine abschlägige Antwort, so müßte ich als Sein Kind mich ebenso freuen. Denn Er meint's gut. Sein Wille ist der beste. Sein Wort aber sagt: Durch Stillesein und Hoffen werdet ihr stark sein." Die abschlägige Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Er antwortete am 17. Oct. 1833 seinem Karl:

Berlin, 17. Oct. 1833.

Der HErr sei gelobt für Alles.

Mein theures Herz!

Unser lieber Heiland hat mich auf Deine gestrige Nachricht schon vorbereitet, und Seine Gnade allein war es auch, die mich fähig machte, jene abschlägige Antwort so getrost und mit solcher Freudigkeit zu vernehmen. Ach, mein Karl! und wenn Er mich gar nicht brauchen wollte in Seinem Dienst, ich müßte voll Scham und tiefer Beugung sprechen: "HErr! Deine Wege sind gerecht; ich habe nichts, als die ewige Verdamm-niß verdient; durch Dein freies Erbarmen nur lebe ich und kann Dir auf Millionen nicht eins antworten; ach, HErr, gehe nicht ins Gericht mit Deinem Knecht!"— O mein theures Herz! Was kann doch Jesus an mir trübem Herzen lieben? Wie schnöde, elend, treulos und undankbar bin ich doch! Ach, mein Herr Jesu, wenn ich Dich nicht hätte!

Aber seine Sehnsucht dauerte fort. Am 1. Nov. schreibt er seinem Karl: "Ich möchte aber doch sehr gern bald von hier fort, wenn der HErr wollte. Wohl uns, daß Alles m Seiner Hand steht, Ihm wollen wir uns daher blindlings ergeben; Er führt uns dann auf rechter Straße um Seines Namens willen!"

Und nun endlich sollte er vor der Thür stehen, um einzugehen in den Weinberg, nach dem er so lange Zeit sich gesehnt hatte. Der HErr berief seinen lieben, frommen und getreuen Knecht.

Es war an einem Novembertage des Jahres 1833, als der Kandidat Knak auf dem Alexanderplatz seinem Freunde, dem Lieutenant Westphal, begegnete. Dieser stand damals in Königsberg in der Neumark, kam öfter nach Berlin, verlobte sich dort mit -er Tochter des alten Samuel Elsner, wurde dessen Schwiegersohn und Knaks inniger Freund. (Später, als Major verabschiedet,

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nahm er in Berlin seinen bleibenden Wohnort, trat an die Spitze -er Bibel- und Traktatgesellschaft, der er bis in seine Achtzige hinein als Greis in Jünglingskraft dient.) An jenem Novembertage nun redete er seinen Freund auf das an, was er eben in Pommern gehört habe. Er war mit einem Rekruten-Transport von Bromberg aus nach Berlin gegangen und hatte in Denzig seinen alten Freund v. Hövell besucht. Dieser hatte ihm gesagt, in der Nähe sei eine Pfarre vakant, die Knak sicherlich erhalten würde, wenn der Herr v. Kottwitz sich für ihn verwendete. Nun konnte er dem Freunde die gute Botschaft bringen: "Du kommst mir zur rechten Zeit; willst Du Pfarrer in Wusterwitz werden, so gehe sofort zum Baron v. Kottwitz, und füge ein Schreiben von ihm Deiner Meldung bei." — Der Ochsenkops, die Wohnung des Herrn v. Kottwitz, liegt ja am Alexanderplatz; es kostete wenige Schritte, wenige Worte, und die Sache war eingeleitet. Ehe wir sie aber in ihrem Verlauf verfolgen, thun wir einen Blick in das liebe Pommerland, um zu sehen, was Gott der HErr dort für große Tage begonnen hatte.

18.

Ein neuer Freund.

Fünf Meilen von Stettin in östlicher Richtung liegt die alte Wendenstadt Pyritz. Es war die erste heidnische Stadt, welche Bischof Otto von Bamberg 1124 auf seiner Missionsreise durch Pommern antraf, — angefüllt mit 7000 Götzendienern, die von weit und breit zu einem Götzenfest zusammen gekommen waren. Er unterrichtete sie acht Tage lang, dann taufte er sie in Bausch und Bogen. Eine wunderliche Missionsarbeit, bei welcher reiche Geschenke dem HErrn der Herrlichkeit den Weg bahnen mußten.

Im Laufe dieses Jahrhunderts hat der HErr ein anderes Werk dort gethan» das mehr in die Tiefe ging. Sein Werkzeug war der Prediger Moritz Görcke.

Knut. 3.Auft.

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Hermann Moritz Görcke, Sohn eines reformirten Vaters, des Rendanten Michael Gottlieb Görcke, und einer lutherischen Mutter, Elisabeth Karth, war in Stettin geboren am 26. Sept. und getauft am 27. Nov. 1803 in der reformirten Kirche. Von seinen Eltern in äußerlicher Frömmigkeit erzogen, wuchs er in Selbstgerechtigkeit auf, und zeichnete sich auf dem Gymnasium als Turner und auf der Universität als gefürchteter Schläger aus. Als Mitglied des Corps der Pommerania aus Halle ausgewiesen, studirte er Michaelis 1824 bis März 1826 in Berlin, woselbst er in einem Collegium des Prof. Strauß die ersten tieferen Eindrücke von Gottes Wort empfing. Von der Universität aus ging er als Hauslehrer nach Stargard i.P. Hier führte ihn sein Forschen in der Schrift zu lebendiger Erkenntniß seiner Sünde, und er begann ernstlich um den heiligen Geist zu beten. Aus Joh. 8 (der Geschichte Christi mit der Ehebrecherin) wurde ihm klar, daß der Herr Jesus Gottes Sohn sei, weil so kein Mensch gehandelt haben würde, wie Er mit der Sünderin. So glaubte er und konnte sich von Herzen darüber freuen, daß der HErr auch ihn zu Gnaden annehmen werde, da er seine Sünde bereute und bekannte. Von Johannis bis Michaelis 1827 vertrat er den kranken Konrektor Hahn in Greifenberg und kam dann am 18. Sept. 1827 als Konrektor und Hülfsprediger nach Pyritz, und rückte Ostern 1833 in das dortige Rektorat und empfing zugleich die Ordination zum heiligen Predigtamt. Er predigte, seine Vorträge gefielen, aber anfänglich rührte sich nichts..

Da kommt er eines Tages mit christlichen Freunden ins Gespräch über das Thema, ob ein Christ Karten spielen dürfe. Sie überzeugten ihn nicht, und nach einigen Tagen sitzt er wieder am Kartentisch. Es ging lebhaft her. Da plötzlich steht er auf, legt die Karten auf den Tisch und spricht: "Meine Herren, ich spiele-nicht weiter; wir betrüben den Herrn Jesum, der uns erlöset hat. Sie haben eben drei Mal geflucht, Sie haben fünf Mal den; Namen des HErrn gemißbraucht; um des Herrn Jesu willen werde; ich nicht weiter spielen!" Die Sache machte allgemeines Aufsehen, und eine Scheidung vollzog sich. Die Spötter spotteten und die: Ernsteren schaarten sich um Görcke, der von jetzt ab mit jeder Seele, an der er Spuren vom Arbeiten des heiligen Geistes wahr- ) nahm, enger verkehrte. Bald fand sich nun ein Mann, dann ein

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zweiter, der nach dem Einen, was noth ist, fragte, bald war es ein Häuflein. Sie kamen zusammen, und sangen miteinander ein geistliches Lied und zwar nur nach einer einzigen Melodie. Sie kannten keine zweite, denn das christliche Leben war in der Gemeinde in dem Grade erstorben, daß ein ernster Christ, der dort wohl Bescheid wußte, vor kurzem geäußert hatte: "Das Loch kenne ich; da ist nichts zu holen. Ich bin Haus bei Hans gegangen, die Leute sind doppelt gestorben." Jetzt hatte der HErr einen Funken hineingeworfen. Fürs erste brannte das Feuer im Verborgenen. Als darnach aber ein Lieutenant v. Massenbach nach Pyritz tarn und nach den "Frommen" fragte und mit ihnen betete, da lenkte sich die Aufmerksamkeit der Menge auf das stille Häuflein. Die Verfolgungen begannen. Zwölf angesehene Bürger ließen dem unerschrockenen Prediger sagen, wenn er noch ferner von der Kanzel herab die Sünden so scharf strafen würde, so würden sie mit Lärmen die Kirche verlassen und ihm die Fenster einwerfen. Görcke ließ ihnen wieder sagen, er müsse ihnen, solches zu thun, abrathen. Denn wenn sie Lärm in der Kirche machten, so würde ihnen das Gefängnißstrafe zuziehen, würden sie ihm aber die Fenster einwerfen, so müßten sie selbst sie ihm ja wieder machen lassen, weil er eine städtische Amtswohnung inne hätte. So unterblieb der Lärm für dies Mal; aber bald darauf stellte sich eine Schaar mit Knitteln in der Dunkelheit der Nacht auf die Lauer, um ihn zu schlagen. Sie verfehlten ihn auch dies Mal, da der HErr es so fügte, daß er an jenem Abend, um einen Freund zu begleiten, auf einem andern Wege in sein Quartier kam. Die Feinde hatten bis Mitternacht vergeblich gewartet. Eben so vergeblich hatte ein Bürger einen Stein nach ihm geworfen; er traf nicht, lieber all diesen Verfolgungen wurde das Häuflein der Erweckten zu einem großen Haufen.

"Um diese Zeit (so schreibt Görcke) marschirte ein Regiment Infanterie durch Pyritz und hatte hier Ruhetag. Ein Lieutenant dieses Regiments besuchte einen früher» Freund und machte diesem mit seiner Frau Vorwürfe darüber, daß sie zur frommen Sekte nbergetreten seien. Diese setzten ihm auseinander, daß sie keiner Sekte angehörten, sondern nur das, was unsere Kirche glaube» letzt in Wahrheit glauben gelernt hätten und mit denen sich im

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Glauben zu stärken suchten durch gemeinsame Erbauung, welche auch den HErrn lieb hätten. Nun, sagte er, ich werde heute Abend auch in die Versammlung gehen, ich kenne den Konrektor von früher und werde ihm einmal die Wahrheit sagen. Ich hatte hiervon nichts gehört. Abends, als meine Stube von lieben gläubigen Seelen ganz voll war und ich eben die Auslegung einer Schriftstelle anfing, trat der Lieutenant in Uniform herein und blieb an der Thür stehen. Er hatte einen großen Schnurrbart und ein ganz kriegerisches Ansehen. Er hörte still zu und wischte sich von Zeit zu Zeit Thränen aus den Augen. Beim Gebet kniete er mit nieder und nach Beendigung desselben, als ich, ihn zu begrüßen, auf ihn zuging, umarmte er mich schluchzend, wandte sich dann an alle und sagte: Kinder, ich meinte, Ihr wäret Schwärmer und auf Abwegen; aber ich sehe, Ihr seid auf dem rechten Wege und ich gehe in der Irre. Kinder! Kinder! betet für mich Armen, daß ich nicht verloren gehe. — Den Abend über hatte er bei verschlossener Thür im Gebet und Bibellesen zugebracht, und als er am Morgen fortmaschirt war, hatte ihn sein Freund begleitet und er hatte mir vielen Dank sagen lassen und gelobt, nun im Glauben ein neues Leben führen zu wollen."

Eine Erweckung unter den Kindern zeitigte liebliche Früchte, und die Zahl der Gläubigen wuchs in dem Maße, daß sie in ihrem Versammlungsort, im Hause des Maurermeisters Roßdam, drei aneinander stoßende Zimmer ansüllteu. Man besprach sich unter einander über die inneren Erfahrungen, und las das Wort Gottes und sang die lieblichen geistlichen Lieder, jetzt schon eine Menge Melodien.

Eines Tages traf Görcke im Haufe des Superintendenten zwei junge Mädchen, Auguste und Mathilde Wendt, Töchter des Pfarrer Wendt aus Klein-Wubiser bei Königsberg N--M-, eines Rationalisten aus der alten Schule. Er hatte an dem Tage eine Predigt gehalten über die Hochzeit zu Cana. In derselben war Mathilde das Wort ausgefallen, daß ein arger Baum, d. h. ein unbekehrter Mensch, gar nichts Gutes thun könne. Diese Schroffheit des jungen Konrektors hatte sie empört. Sie wandte sich also in der Gesellschaft an ihn mit den Worten, sie habe mit ihm noch ein Hühnchen zu pflücken wegen seiner Predigt. "Gut." sagte Görcke,

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"thun Sie es nur so, daß die Federn dabei nicht zu sehr herum-fliegen!" Aber kaum hatten die Beiden angefangen, mit einander zu sprechen, so waren Aller Angen auf sie gerichtet. "Sehen Sie," sagte Görcke, "so geht's nicht! Besuchen Sie meine Schwester, daun können wir in Ruhe darüber sprechen!" Es geschah. Wie ihr nun Görcke aus der Schrift zeigte, daß es mit klaren Worten dastand, was er gesagt hatte, da brach ihr der ganze stolze rationalistische Bau mit Einem Schlage zusammen, und dies erschütterte das leidenschaftlich wanne und energische Mädchen in dem Maße, daß sie ohnmächtig hinfiel. Denn sie hatte erkannt, daß sie mit all der eigenen Gerechtigkeit, auf der bisher ihre Ruhe und Frieden geruht hatte, vor Gott nicht bestehen könne. Görcke war hierbei nicht anders zu Muthe, als wenn er mit seinem Zeugniß einen Menschen getödtet hätte. Er eilte in die Kammer, und betete: "HErr, Du hast sie getödtet, mache sie auch wieder lebendig!" Seine Schwester eilte mit Lau äo OoioAns herbei, sie kam wieder zu sich, und er konnte sie nun mit dem Evangelio trösten. Sie setzte dem Wort Gottes auch keinerlei Widerstand mehr entgegen. Der war gebrochen für immer. Au demselben Tage wurde auch ihre Schwester Auguste durch ein Gespräch mit Görcke erweckt. Die beiden Schwestern beteten die ganze Nacht hindurch und fuhren am folgenden Tage nach Hause zurück. Görcke gab ihnen den Traktat über den "Weg zur Seligkeit" mit auf den Weg.

Zu Hause gab es einen harten Kampf mit dem Vater, der auf das Aeußerste über Görcke zürnte, weil er seine Töchter verrückt gemacht habe. Sie lasen des Nachts in kalter Kammer ihre Bibel. Mathilde schrieb zuerst an Görcke, daß sie nun glauben könne, später Auguste. Der Vater mußte sich aber auch bald selbst davon überführen, daß seine Töchter gar nicht verrückt waren» sondern lieblicher, kindlicher, gehorsamer und pflichttreuer denn zuvor. Und als hernach gar Görcke um Augusten's Hand auhielt, da mußte er sich auch davon überzeugen, daß selbst dieser pietistische Conrektor nicht so ganz und gar verrückt sein müßte, sondern wenigstens ab und zu auch einen guten Gedanken haben könnte. So gab er denn seine väterliche Einwilligung, und die beiden haben eine selige» christliche, auch gesegnete Ehe mit einander geführt, auch noch in Zarben ihre silberne Hochzeit mit einander gefeiert, bis Auguste am

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14. Juli 1872 selig heimging. Ja der Vater selbst hat dem gottseligen Wandel der beiden Töchter ohne Worte schließlich nicht widerstehen können, sondern vor seinem Ende auch noch die Gnade des Herrn Jesu als ein armer Sünder gesucht und gefunden. Seine Tochter Mathilde aber hielt sich von der Zeit an gerne und wiederholt auch längere Zeit in Görcke's Hause in Pyritz auf.

Eines Tages im Herbst 1833 trat in dies gesegnete Haus ein junger Candidat, auf welchen alles, was er in Pyritz von dem neuen geistlichen Leben sah, den tiefsten Eindruck machte. Es war derselbe Ernst Wolfs, um dessen Seele Gustav Knak vier bis fünf Jahre lang gerungen hatte, und der nun voll Freude an Knak. seinen geistlichen Vater, berichtete von dem reichen geistlichen Leben in der Gemeinde, von den köstlichen Abendstunden» und von dem lieblichen Familienleben im Hause des Rektors Görcke, und von der frommen von Liebe zum HErrn glühenden, eifrigen und energischen Jungfrau, Mathilde Wendt, die dort bei ihren Verwandten lebte! —

Als Knak von diesem brennenden Leben in Pyritz hörte, jauchzte sein Herz hoch und freudig empor. Sofort setzte er sich hin und schrieb an seinen geliebten Moritz Görcke, deu er natürlich gleich mit dem brüderlichen Du anredete, einen innigen Brief — und grüßte in dem Briefe auch Mathilde. Moritz verlas frohlockend den Brief in der nächsten Erbauungsstunde. Als Mathilde ihren besonderen Gruß vernahm, merkte sie hoch auf, fühlte sich in unerklärlicher Weise wunderbar bewegt, sagte aber davon keinem Menschen ein Wort. Zwischen Gustav und Moritz aber war von jetzt ab ein Freundschaftsverhältniß angeknüpft, so eng und fest, fast wie mit seinem Herzenskarl, denn ihm war der Kamerad geschenkt, in Gemeinschaft mit welchem er bald ganz Pommern durchziehen und manchen Strauß bestehen und manchen Sieg erkämpfen sollte.

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19.

Eine Braut, vom HErrn erbeten und geschenkt.

Im Herbst 1832 hatte sich ein Freund von Gustav verlobt. Letzterem gefiel die ungestüme Weise dieser Verbindung nicht. Er hielt dem Freund die Bedingungen vor, unter welchen allein er seinerseits eine solche Lebensverbindung eiugehen werde, — nämlich, daß er sich in dieser Beziehung nur allein der Leitung des Heilandes überlassen, und selbst nichts dazu thun werde. Nach diesen: Vorsatz hat er auch gehandelt und es ganz allein dem Herrn Jesu in Seine Hand gelegt, ob er überhaupt in den Ehestand treten solle, und zum öfteren gegen seinen Herzenskarl sich geäußert, daß wenn dies je geschehen würde, sein Heiland ihm ganz allein, aber sicherlich auch ganz klar und gewiß diejenige zeigen und zuführeu werde, die Er für ihn als Lebensgefährtin ausersehen habe. — Sein Karl dachte auch in diesem Stück wie Gustav.

Das Ende des Jahres 1833 kam heran. Gustav erhielt eine dringende Einladung von seinem Karl, den Jahresschluß und Jahresanfang mit ihm in Mittenwalde zu verleben. Er kam am 30. Dez. an. Noch an demselben Abend theilt Karl dem Freunde mit, wie sein Vater ihm gesagt hätte, es wäre doch gut, wenn er bald eine treue Lebensgefährtin fände. Beide Freunde verbanden sich noch einmal in dem Vorsatz, den sie längst gefaßt hatten, nur mit einer wahrhaft bekehrten, dem Herrn Jesu auf Tod und Leben gänzlich ergebenen, frommen und züchtigen Jungfrau voll sanftmüthigen und Wen Geistes in den heiligen Ehestand zu treten. Jetzt gab die Aeußerung des Vaters einen neuen Anstoß; beide Freunde knieten nieder im Gebet, um die Sache in die treuen Hände des HErrn zu legen. Als sie vom Gebet aufstanden, sprach Gustav in unbeschreiblicher Freude und heiligem Ernst: "Jetzt eben hat mir der HErr die Jungfrau gezeigt, die Er für dich zur Lebensgefährtin ersehen hat. Es ist Caroline Zwarg, die Schwägerin unseres theuren Lutze, eine Jungfrau, die ich seit längerer Zeit kenne und beobachtet habe; laß uns niederknieen und dem HErrn die Sache befehlen." Die Freunde beteten abermals, und auch

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Karl wurde in seinem Herzen gewiß, daß die Hand des HErrn h hier regierte. Gustav blieb einige Tage in Mittemvalde, und nach ^ Verlauf derselben entließ ihn Karl mit der Bitte, sein Eliefer zu sein und um die Braut zu werben, die er nie zuvor gesehen hatte. Während Karl daheim auf den Knieeu lag mit dem Gedanken: "Wie Jesus will, so will ich gehn," betete in Berlin Knak um ^ dieselbe Stunde. Beide baten den HErrn, so die Sache nicht Sein Wille sei, möchte Er Berge von Hindernissen dazwischen legen, so aber es Sein gnädiger Wille wäre, so möchte Er selbst Alles wohl hinausführen. Nach dem Gebet begab sich Knak zu feinem innigstgeliebteu Freund Lutze. Ihm schlug das Herz, — nicht vor Furcht, er freute sich, aber mit Zittern (Pf. 2,11). Er ging mit dem Freunde in das Nebenzimmer, sie fielen auf die Kuiee mit einander, und nun öffnete Gustav seinen Mund gegen den Herzensfreund. Dieser wußte vor Erstaunen nicht» was er sagen ^ sollte, dann ging sein Mund über von Lob und Preis. Er rief seine Frau herbei, die, zuerst erstarrt, kein Wort sprechen konnte, dann aber in großer Freudigkeit zugleich mit ihrem Mann die Ueberzeugung aussprach, sie könnte dem theuren Karl keine treuere Gehülfin zur Frau und ihr keinen entschiedeneren Knecht Gottes zum Manne wünschen. Noch an demselben Abend (Epiphanien 1834) , schrieb Lutze an Karl, und bat ihn, ehe er mit seiner Schwägerin spräche, noch einmal mit seinem Gott zu Rathe zu gehen und eine feste bündige Erklärung abzugeben. Karl antwortete nach zwei Tagen mit großer Freudigkeit, sein Entschluß stehe unerschütterlich ? fest, und eine unerwartete Führung Gottes hätte gemacht, daß er am folgenden Tage mit seinem Vater nach Berlin kommen werde.

Nun bat Lutze seine Schwägerin zu sich, beugte mit ihr und seiner Frau die Kniee vor dem Herzenskündiger und trug ihr, die von nichts ahnte, die ganze Sache einfältig vor. Die liebe Magd Christi konnte in unbeschreiblicher, doch freudiger Ueberraschung nichts mehr Hervorbringen, als die Worte: "Wie mein Jesus ; will!" Darauf ging sie in die Sülle nnd bat den HErrn um Erleuchtung und brachte dann die halbe Nacht im inbrünstigen Gebete zu. Karl, der inzwischen in Berlin angekommen war und von Lutze erfahren hatte, was Caroline geantwortet habe, brachte auch seinerseits in Gemeinschaft mit seinem Gustav die Nacht bis '

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ein Uhr im Gebet und innigem Gespräch mit seinem Heiland zu. Er legte noch einmal Alles in seines Jesu Hände, und bat Ihn, daß, wenn die Verbindung nicht nach Seinen: Willen wäre, Er dies doch Aller: klar machen und das in Seinen: Namen angefangene Werk gnädiglich verhindern wolle. Unter dem Gebet wcm seine Freudigkeit so gewachsen, daß, als er aufstaud, er seinem Gustav mit fröhlichem Angesicht sagte, alle seine etwaigen Zweifel seien nun völlig gehoben, und sein Herz sei ganz leicht und frei.

Am andern Morgen (10. Jan.) laser: beide Freunde die Geschichte von Rebecca's Heimholnng (lMose24) zu ihrer großen Stärkung und Freude ; hatte doch auch Isaak seine Braut zuvor nicht mit Augen gesehen, und war doch auch Isaaks Mutter — ähnlich wie Karls — vor kurzem gestorben, und derselbe durch Rebecca getröstet über den Tod der Mutter. Um elf Uhr gingen beide Freunde zu Lutze, und Karl bat diesen voll banger Freude, ihm die theure Gefährtin seines Lebens doch zuzuführen. Als diese ihres Karl gewärtig wurde, ging sie ihm freudig ernst entgegen und sprach mit einem durchdringenden Blick voll heiliger Liebe die tiefergreifenden Worte: "Also Ihnen hat mich mein Heiland zugeführt?" Worauf er antwortete: "Ich hoffe es. Ich kann nichts sagen!" Dann fielen Alle mit einander nieder zun: Gebet; Bruder Lutze dankte zuerst dem HErrn für seine gnädige Führung nnd bat Ihn, nun aus Gnaden selbst Seinen heiligen Willen kund zu thun. Dann erhob Karl seine Stimme, bekannte den: HErrn seine Unwürdigkeit und gelobte deu: HErrn, mit seiner von Ihm zugeführten Gehülfin ein Ihm ganz geweihtes Leben zu führen und erbat dazu Seinen Segen. Die theure Braut fetzte das Gebet mit einer Alle zu Thränen rührenden Inbrunst fort und rief den HErrn um Sein heiliges Amen an, und Gustav beschloß das Gebet mit Lob und Preis gegen den HErrn. Dann standen Alle von den Knieeu auf, und die beiden Verlobten grüßten erst jetzt einander mit dem heiligen Kuß im Namen des HErrn. Alle Anwesenden mußten sich abwenden, um ihre Freudenthränen zu verbergen; Gustav aber richtete an das inniggeliebte Paar die Worte (Joh. 3, 29): "Wer die Braut hat, der ist der Bräutigam, der Freund aber des Bräutigams steht und sieht ihm zu und freut sich über des Bräutigams Stimme; dieselbe meine Freude ist nun erfüllt." Nun erst ging.


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es zu dem Vater, der mit Freudenthränen seinen Segen dem neuverlobten Paar gab > dem aber bei ruhiger Ueberlegung nach einigen Tagen die Sache als eine Ueberstürzung erschien; er schrieb an Gustav einen strengen, harten Brief, den dieser aber gern hinnahm. Denn vier Wochen später, als am 5. Febr. die öffentliche Feierlichkeit der Verlobung gehalten wurde, hatte der Vater den Werth der lieblichen Braut bereits so weit erkannt, daß er voller Glück und Freude war und auch Gustav mit zärtlich dankbarer Umarmung stark an fein Herz preßte. Am 8. Dez. 1835, als an dem Tage, wo er vor neunundzwanzig Jahren sich mit Karls Mutter verlobt hatte, — hat der alte Vater die segnenden Hände auf das liebe Paar zum heiligen Ehebund gelegt, die Traurede über IJoh. 4, 7 gehalten und dann das von ihm selbst gedichtete Lied: "Vater, blick in dieser Heilgen Stunde" (Reisepsalter Nr. 95) singen lassen. Darnach haben die Beiden eine köstliche, liebliche, reich gesegnete Ehe mit einander geführt, bis die theure Frau vom HErrn als reife, köstliche Frucht in Seine Scheuern gesammelt wurde. <1>)(

        <1> Eine Beschreibung von ihrem wunderbar seligen Heimgang siehe in den 'Zeugnissen" Nr. XIUI.

In denselben Tagen, wo Gustav die Freude des Brautführers hatte, erweckte der HErr in ihm selbst auch die heilige Brautliebe und machte es ihm zu immer klarerer Gewißheit, Mathilde Wendt, die Schwägerin seines lieben Moritz Görcke, die in dem Brief seines Ernst Wolfs erwähnte Jüngerin des HErrn, sei ihm von dem Herrn Jesu als Lebensgefährtin zugedacht. Auch er war Ln seinem Herzen vor Jesu Angesicht ganz fest und klar geworden, daß er seine künftige Lebensgefährtin nur ganz unmittelbar aus der Hand des HErrn sich schenken lassen wollte,, im Glauben ohne Schauen. Er betete, wie er pflegte, ganz willenlos und bat den HErrn, Er möchte die Sache, wenn sie nicht nach Seinem Willen wäre, zu Nichte machen; er erhielt die feste und klare bestimmte Antwort, er solle in Gottes Namen um Mathilde anhalten. Er schreibt am 13. Jan. an seinen Karl: "Ich habe seit einigen Tagen eine große Freudigkeit, an den lieben Görcke hinsichtlich seiner lieben Schwägerin aufrichtig zu schreiben         Ich möchte die theure

Mathilde auch nicht erst sehen; in meinem Herzen sind über sie


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durchaus keine Zweifel." Schon am Tage darauf schrieb er: 'Mein Brief an Görcke ist fertig und acht Folioseiten lang geworden." Er hatte die wunderbare Geschichte von Karls Verlobung ausführlich erzählt, und dann Moritz seinen Entschluß mitgetheilt, um Mathilde anzuhalten, ohne sie zuvor gesehen zu haben. Das war nun freilich für einen treuen ehrlichen Pommer etwas zu viel; Moritz schrieb zurück: "Mit Nichten, erst kennen lernen und prüfen, das ziemt sich für einen Christen!" — Den Brief von Gustav theilte Moritz an Mathilde gar nicht mit. Trotzdem aber wußte diese dessen Inhalt, sie hatte ihn in der Nacht zuvor geträumt. Aus dem ersten Brief (vom 29. Nov.) hatte der besondere Gruß, den sie erhielt, ihr Herz so eigeuthümlich bewegt, eine Stimme hatte ihr deutlich gesagt, Gustav ist der von Gott für dich bestimmte Mann. Sie hatte in einem stillen Gebetswinkel gegen solche Gedanken angekämpft, aber vergeblich; nach diesem zweiten Brief konnte sie, obschon sie dessen Inhalt nicht kannte, den HErrn im Gebet anflehen um ihren Gustav. — Und das entscheidende Wort ließ auch nicht lange auf sich warten. In der Nacht zum 23. Jan. träumt sie wieder ganz deutlich, Gustav habe um sie direkt angehalten, und als nun bald darauf der Briefbote einen Brief von gekannter Hand aus Berlin bringt, und als Moritz diesen wieder eine Zeit lang zögernd zurückhält, kommt sie selbst zu ihm und bittet sich den für sie bestimmten Brief aus. Sie liest ihn, geht in ihren Gebetswinkel zurück und schreibt dann nach Berlin: "Mein mir von Gott geschenkter Gustav!"

Inzwischen hatte Gustav Alles mit seinen beiden liebsten Freunden, seinem Heiland im Himmel und seinem Karl in Mitteu-walde, eingehend besprochen. Am 17. Jan. schreibt er an letzteren: "Am Mittwoch Abend hat unser Ernst den Brief an Görcke auf die Post gegeben; er ist acht große Seiten lang und hat doppelt Postgeld gekostet. Heute wenn du dieses liesest, hat der theure Görcke meinen Brief wahrscheinlich schon gelesen. Mein armes Herz ist voll Hoffnung und Freude, aber auch getrost und ergeben dem HErrn. Bete gleich, nachdem du mein Schreiben erhalten, inbrünstig für mich; aber nicht, wie ich will, sondern wie Du willst! Abba, lieber Vater!" — Schon am folgenden Tage schreibt er wieder an seinen Karl: "Vielleicht ist nun in Pyritz schon klar»

was Sein heiliger Wille sei. Ich hatte gestern einen frohen, lieblichen Tag; meine Seele war stille zu Gott, der mir hilft. Ihm bin ich ganz ergeben, es gehe, wie es gehe. Er kann's ja nicht böse machen; mein HErr ist überschwänglich gut. Ich kann auch nicht unterlassen, das theure Mädchen ganz besonders in mein armes Gebet einzuschließen; es ist mir oft, als wäre sie schon mein!''

Wenige Tage später, und Karl erhielt den Lob- und Dankpsalm, welchen Gustav aus überströmendem Herzen an dein Abend desselben Tages schrieb, an welchem Schleiermacher gestorben war (12. Febr. 1834): "Karl! Karl! Was kann Jesus an uns trüben Herzen lieben! Ach, Er behütet Seine Kinder wie Seinen Augapfel — Aber mein Dank ist gar zu matt; ich kann mich zwar der Thränen kaum enthalten, habe mich auch gleich mit unserm Ernst, der bei mir war, aus die Kniee geworfen und dem süßen HErrn ein kleines Lob gestammelt—, aber es ist Alles nichts — ach, daß ich tausend Zungen hätte! O wie geht dieser süße Jesus mit uns schnöden Sündern um! Jst's nicht, als ob wir Seine Hirtenhand leibhaftig fassen könnten! Jst's nicht, als stünde Er sichtbar vor uns, der gute, gute, überschwänglich freundliche Heiland! O Karl! Karl! Er soll uns ganz haben, ganz und gar», auf Tod und Leben, Ihm wollen wir uns williglich aufopfern, cs soll unsere größte Seligkeit sein, für Ihn etwas zu leiden, zu kämpfen, zu schwitzen, verspottet, gefangen, geschlagen, ja getödtet zu werden! O Jesus! Gieb uns brünstige Liebe ins arme elende kalte Herz! Bring es durch zum ewigen Licht, Du vermagst's! Wir können es nicht! Amen!"

Am 17. Febr. traf Gustav in Pyritz ein, seine Mutter begleitete ihn. Pochenden Herzens betrat er die Rektoratswohnung» Eine weibliche Gestalt begegnete ihnen. "Sollte die es sein?" denkt er, und sein Athen: stockt, — er hatte sie sich doch anders gedacht. Sie war es nicht. Als er aber in das Zimmer tritt» da sind beide, die sich nie zuvor gesehen hatten, keinen Augenblick' zweifelhaft. Sie eilen zu dem Men Gebetsplatz. Wo Mathilde bisher um Gustav gebetet hatte, dankt sie nun mit ihrem Gustav. Dieser aber gewinnt noch an demselben Tage Zeit, sein Herz, gegen seinen Karl auszuschütten:

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Pyritz, 17. Febr. 1834.

Hallelujah! Immanuel! Hallelujah!

Mein theures, unaussprechlich geliebtes Herz!

Was soll ich Dir schreiben, womit soll ich anfangen? Mein armes Herz ist zu voll — Jesus macht Alles wohl. — Er hat uns beide für einander geschaffen, wie Dich und Deine Caroline; Jesus ist sehr freundlich, überschwenglich gut ist Er. Unsere erste Zusammenkunft war so, daß ich es nicht beschreiben kann. Wir gingen aber gleich zu Ihm, der uns fluchwürdige Sünder mit Gnade und Barmherzigkeit gekrönt, unfern Mund fröhlich gemacht und also beschämt hat durch Seine Liebe. Ach Herzens-Karl, wärest Du doch hier oder könnte ich gleich hinüberfliegen zu Dir und Dir mit schwachen Worten das erzählen, wobei, wenn ich daran denke, der Verstand mir stille steht! Ach danke, danke, danke, Du theures Herz! Danke dem liebsten Heiland mit uns auf dem Angesicht, ja lobe den HErrn, Deine und meine Seele, vergiß es nicht, o, vergiß es nie, was Er Dir und mir Gutes gethan hat, Hallelujah!

Ich hätte suchen können in allen Weltgegenden, ich hätte prüfen können Jahre lang, solch eine Magd, wie meine Mathilde, die so für mich paßt, konnte ich nimmer finden. Das wußte unser Herr Jesus, und darum gab Er sie mir, der ich nicht werth bin, Ihm zu danken, ja der ich nicht werth bin, daß ich sein allergeringster Knecht heiße. Die Freundlichkeit des HErrn spiegelt sich in ihrem klaren Angesicht, ihre Liebe und Innigkeit zu mir ist unaussprechlich. — Ach HErr, ich bin nicht werth, ich bin zu geringe aller Barmherzigkeit und Treue, die Du an mir gethan hast. Sie sorgt für mich mit zarter Liebe, an den Augen sucht sie mir Elendem Alles abzusehen;— wir schämen uns beide und Du und Deine Caroline mit uns mit Freuden. Und Görcke, seine Frau und deren Schwester.— "Das süße Lammeswesen ist ihnen eingedrückt, — wir sind Alle ein Herz und eine Seele. Ach, wie sehnen sie sich nach Dir und Deiner Caroline. Es ist, als ob sie und Du immer bei uns wärest, so oft gedenken wir Eurer! Und die Gläubigen hier! Man wird unwillkürlich an die erste Gemeine zu Jerusalem erinnert, so einig sind sie Alle — gehorsam und herzens-cinmüthiglich im Frieden des HErrn. Ach, wie beschämt mich Aermsten ihre Liebe."

Nun folgte eine köstliche Brautzeit. Aus den Briefen, die die beiden von Jesu einander Geschenkten sich schrieben, können wir wörtliche Mittheilungen nicht geben. Es giebt ein Heiligthum, das auch vor den Augen der mitverbundenen Kinder Gottes verschlossen bleiben muß. Ich kann nur berichten, daß diese Briefe Gustavs köstlich sind. Nichts von dem verhimmelten Entzücken und den

Zärtlichkeitsergüssen der Kinder dieser Welt, nichts von dem poetischen Schwung, den man von einem so dichterischen Gemüth in dieser höchsten Lebenszeit erwarten sollte. Die allerzartesten, innig-ften und heißesten Worte sind allezeit moderirt durch das beständig klare Bewußtsein: "Ein armer Sünder ist an eine arme Sünderin durch die unendliche Erbarmung des gnädigen Gottes gebunden worden zu engster innigster Liebe für ein ganzes Leben. "O geh in Dein Kämmerlein, Du süßes Herz, und sage unserm Herrn Jesus, daß ich Ihn so sehr wenig liebte, daß ich nicht wüßte» was ich zu seiner Freundlichkeit sagen soll, daß ich Ihm aber gern ganz und gar gehören und mein armes Leben in Seinem Dienst verzehren möchte. Ach bitte Ihn viel, sehr viel für mich, meine Mathilde, und habe Deinen Gustav dennoch lieb!" In besonders dringender Weise zieht sich durch die Briefe die Bitte, doch ja der theuren Mutter und der beiden Schwestern, die noch nicht zum vollen Frieden hindurchgedrungen waren, fürbittend zu gedenken. Und diese gemeinsame Fürbitte scheint wirklich durch die Wolken gedrungen zu sein. Tief bewegt durch die neuesten Erlebnisse und die wunderbare Segensgewalt des HErrn, kam die liebe Mutter» die mit so inniger natürlicher Mutterliebe ihren lieben Gustav bis-' her getragen hatte, immer tiefer in die Erkenntniß der Gnade des treuen Heilandes. Sie besuchte die Erbauungsstunden in Pyritz mit, sie kniete nieder mit den Gläubigen, und sie, die vor kurzem noch ihren geliebten Sohn gebeten hatte, er möchte doch nicht immer so sehr schlecht von sich selbst reden, da er doch ein so lieber Sohn und frommer Mensch sei, ließ allmählig das Licht des heiligen Geistes in ihr eigenes Herz eindringen, daß sie nunmehr die eigene Sünde und die Gnade des HErrn in der Tiefe erfaßte, — ein Weg, auf welchem ihr beide Töchter später auch folgten, bis sie jetzt alle vor dem Thron des Lammes vereinigt ihre Loblieder singen.

Mit besonderer Freude malten die beiden Verlobten sich im Geiste die Zeit aus, wo sie in Wusterwitz mit einander dem HErrn dienen wollten: "Unser Haus soll, wenn wir erst in Wusterwitz sinh, ein Haus des Löbens und des Friedens werden!" "Keinen Menschen, der in unser Haus hineinkommt, wollen wir von dannen gehen lassen, ohne chm gesagt zu haben, wie er selig werden könnte!" "Wir wollen in unserem Wusterwitz auch durch Gottes Gnade n

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Missionare sein, und uns in Jesu Dienst mit Freuden verzehren k Wie hüpft mein Herz, so oft ich daran denke, daß Du mit mir ziehst!" "Wie wird uns sein, meine Mathilde, wenn wir im Weinberge des HErrn zusammen arbeiten, und den wilden Acker in und um Wusterwitz mit einander bebauen werden! Meine Seele dürstet danach; die arme Gemeinde jammert ja Dich und mich. O laß uns nur nicht aufhören, für sie zu beten! Bisweilen erfüllt mich eine große Freudigkeit, daß der treue Heiland Sich in Gnaden zu uns bekennen, und bald nach unserer Ankunft dort einige Todtengebeine lebendig machen werde! — Im Schweiß unseres Angesichts wollen wir fröhlich unser Brod essen, wenn Jesus unter uns wohnt und wandelt und Sein seliges Abendmahl mit uns hält. Wo Er ist, da ist ja der Himmel und Leben und Seligkeit. Und schickt Er uns dann auch Kreuz und Leid — Er wird uns auch Gnade geben, Seine Hand zu küssen, die uns aus Liebe schlägt; wie eine Mutter wird Er uns wieder trösten, wenn wir zu Ihm schreien; ja rühmen werden wir uns durch Sein Erbarmen mit Paulo unserer Trübsal!"

Das alles waren prophetische Worte! —

Doch wir können von diesem Kapitel nicht Abschied nehmen, ohne einer reichen Frucht zu gedenken, die aus dieser doppelten Brautzeit stammt, und die gewachsen ist seither bis auf diesen Tag.

Am 14. Febr. schrieb Karl an seine innig geliebte Braut:

"Nun vor Allem wollte ich Dich fragen, ob es nicht köstlich wäre, wenn wir täglich dasselbe in der heiligen Schrift lesen, denn daß wir täglich darin lesen müssen, steht fest. Damit wir aber wirklich dasselbe täglich lesen, so schicke ich Dir das beiliegende Büchelchen, in dem ich die Stellen vom künftigen Sonntag (16. Febr.) an verzeichnet habe; es ist immer ein Kapitel, das wir nun entweder Morgens oder Abends oder auch zweimal lesen können, wenn's möglich ist. Der HErr wird's gewiß nicht ungesegnet lassen, wenn wir um Erleuchtung und Segen bitten. So wollen wir denn am künftigen Sonntag anfangen im Namen des dreieinigen Gottes, und wenn uns über dem Lesen irgend ein guter Gedanke gegeben wird, so wollen wir ihn in ein eigens dazu bestimmtes Buch einschreiben. Ich hoffe, der HErr hat mich auf diesen Gedanken gebracht. Wir werden es bald an Seinem Segen sehen. Er lasse aus Gnaden auch dies gemeinsame Werk ein Band werden, durch welches unsere Seelen zur ewigen Seligkeit durch Ihn und in Ihm verbunden werden. Er wird's thun nach seiner Treue."

Nach wenigen Tagen hieß es in der Beantwortung dieses Briefes:

"Ich erkannte bald, daß der liebe Heiland mich durch Dich erinnern läßt, die heilige Schrift fleißiger zu lesen. Ich muß es Dir bekennen, daß ich nicht alle Tage ein Kapitel darin gelesen habe; am Tage konnte ich oft nicht und des Abends vor dem Schlafengehen war ich zu träge und unterließ es oft. Der gnädige HErr mag es mir vergeben und stets in mir einen Hunger und Durst nach Seinem Worte erregen, daß ich keinen Tag beschließen könne, ohne aus Seinem heiligen Munde mir etwas für mein Herz zu holen; angefangen habe ich's oft, bin aber nicht dabei geblieben; und wie schön ist es, wenn wir nun immer werden dieselbe Seelenspeise genießen; der HErr helfe nur, daß wir stets vor, bei und nach dem Lesen auch beten mögen. Ja HErr, laß Du diesen jetzt gewonnenen Vorsatz in Erfüllung gehen, lege Du einen ewigen Segen daraus, daß wir aus Deinem Worte Leben und Kraft täglich schöpfen zu Deiner Ehre und unserm -ewigen Heile."

Die beiden ersten, die sich dem neugebildeten Bibel-Leseverein anschlossen, waren natürlich Gustav und Mathilde. Während der nüchterne Moritz noch seine Bedenken hatte, daß man sich so doch t nicht binden könne, so schrieb Gustav sofort zurück: "Dein Vor- L schlag mit denl Bibelleseverein ist köstlich, meine liebe Mathilde L und ich und das Görcke'sche Haus haben gleich den Anfang damit 8 -gemacht. In der nächsten Erbauungsstunde theilte Knak die Sache » sofort mit und gewann vierzig Theilnehmer mit einem Mal. Er ^ schreibt damals die merkwürdigen ahnenden Worte: "Wir freuen , uns sehr über diesen köstlichen Verein und möchten, daß alle Gläu-bigen auf Erden daran theilnähmen; werweiß, wozu der HErr ihn noch gebraucht?" In Greifenhagen sammelte er eine ähnliche Zahl, -i und brieflich gewann er Theilnehmer in Prenzlau, Perleberg und andern Orten, so daß binnen wenigen Monaten der Verein schon Hunderte umfaßte. Zuerst wurden die betreffenden Vibelstellen von , Karl selbst auf Zettel geschrieben, dann mußten ihm seine Schüler helfen, dann wurde der Vibellesezettel für jedesmal zwei Monate -mittelst einer kleinen Handpresse gedruckt. Als am Ende des Jahres bereits 1000 Leser waren, übernahm der befreundete Buchhändler ? Weiß in Stettin den Druck in größerem Maßstabe; nach zehn Jahren wurden bereits 18,500 Zettel gedruckt, welche Zahl mit der Zeit bis auf 180,000 Exemplare gestiegen ist. Ein kleines -gedrucktes Correspondenzblatt, welches zuerst in zwanglosen Heften, !

dann als "Werdersche Bibelberichte." dann als "Christliche Vereinsberichte" periodisch erschien, veröffentlichte Berichte von besonderen Thaten Gottes, die sich an diesen Verein anknüpften. Man hat öfters über die "Sammlung der Heiligen" geschrieben. Hier war sie faktisch vollzogen, und wenn eine Anzahl der Bibellesezettel wirklich zu anderen Zwecken gemißbraucht werden sollten, so bleiben immer noch viele Tausende von solchen übrig, die sich freuen, nach Angabe des Lesezettels mit Tausenden Gleichgesinnter an jedem Tage des Jahres ein und dasselbe Kapitel lesen zu können. Und dieser Verein ist eine rechte Internationale, denn die Bibelzettel gehen in alle Welttheile und in alle Länder, sind auch schon in Verschiedenen Sprachen gedruckt worden, so daß der Segen des HErrn reichlich und überreichlich auf diesem einfachen Gedanken eines sich im Herrn Jesu liebenden christlichen Brautpaars geruht hat.

Wir schließen dies Kapitel mit einigen Versen aus einem alten Brautliede, das einst ein Mittenwalder Pastor gesungen hat, nicht ahnend, daß dasselbe kaum jemals herrlicher erfüllt werden würde, als an einem Mittenwalder Candidaten, der 200 Jahre nach ihm leben würde:

Voller Wunder, voller Kunst,

Voller Weisheit, voller Kraft,

Voller Hulde, Gnad und Gunst,

Voller Labsal, Trost und Saft!

Voller Wunder, sag ich noch,

Ist der keuschen Liebe Joch! —

Die sich nach dem Angesicht Niemals hie bevor gekannt,

Auch sonst im Geringsten nicht Mit Gedanken zugewandt,

Derer Herzen, derer Hand Knüpft Gott in ein Liebesband! —

Dieser Vater zieht sein Kind,

Jener seins dagegen auf,

Beide treibt ein sondrer Wind Ihre sondre Bahn und Lauf;

Aber wenn die Zeit nun dar,

Wirds ein wohlgerathnes Paar.

Hier wächst ein geschickter Sohn,

Dort ein edle Tochter zu:

Eines ist des andern Krön,

Eines ist des andern Ruh,

Eines ist des andern Licht,

Wissens aber beide nicht!

Bis so lang es Dem beliebt,

Der die Welt im Schoße hält,

Und zur rechten Stunde giebt Jedem, was ihm wohlgefällt;

Da erscheint in Werk und That Der so tief verborgne Rath.

Ihre Lieb ist immer frisch Und verjüngt sich fort und fort,

Liebe zieret ihren Tisch Und verzuckert alle Wort.

Liebe giebt dem Herzen Raft In der Müh und Sorgenlast.

Endlich, wenn nun ganz vollbracht,

Was Gott hier in dieser Welt Frommen Kindern zugedacht,

Nimmt Er sie ins Himmelszelt Und drückt sie mit großer Lust Selbst an Seinen Mund und Brust.

Nun, so bleibt ja voller Gunst,

Voller Labsal, Trost und Saft,

Voller Wunder, voller Kunst,

Voller Weisheit, voller Kraft,

Voller Wunder sag ich noch Bleibt der keuschen Liebe Joch!

P. Gerhard.

Ja das war schön! Aber nicht zum Nachmachen! Es sei denn, Du habest, lieber Leser, denselben Glauben, und lebest also in beständiger Gebetsgemeinschaft mit dem Heilande, wie die beiden Herzensbrüder in Berlin und Mittenwalde! Wenn das, so magst Du's probiren.

.-Knak. 2. Ausl.

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Knak in Pyritz.

In Pyritz hatte Gustav so viel Arbeit unter den erweckten Seelen gefunden, daß er beschloß, dort einen längeren Ansenthalt zu nehmen. Er blieb daselbst (mit wenigen kurzen Unterbrechungeil, die er zu Reisen nach Berlin gebrauchte), bis er im Herbst nach Wusterwitz übersiedeln konnte. Er konnte manchen Fisch im Netz fangen helfen.

Vor allem hals er seinem Moritz in den Predigten und Erbaunngsstunden. Seine Predigten schrieb er wörtlich auf und memorirte sie mit solchem Fleiß, daß er meinte, er müsse, wenn er an einem Sonntag gepredigt hatte, mindestens vierzehn Tage Zeit haben, um sich ans die nächste Predigt vorbereiten zu können. Aber was waren das für Predigten! Trefflich disponirt. gut stylisirt, mit großer Salbung vorgetragen, schlugen sie so mächtig ein, daß einmal eine alte gläubige Wittwe zu Görcke sprach: "Sie sind mein Vater in Christo Jesu, und ich höre Sie gern predigen; aber das muß ich doch sagen: Wenn Sie und Knak zugleich predigten» so ginge ich doch in Knaks Kirche," worauf Görcke antwortete: "Das würde ich selber auch thun."

Auch zu den Vorträgen in den Erbauungsstunden bereitete sich Knak sehr sorgsam vor. Aber als an einem Abend sich wieder die Leute versammelt hatten, nahm Görcke Gesangbuch und Bibel und legte sie vor Knak hin und sprach: Diesen Abend wird uns der liebe Knak die Andacht halten. Dieser sah ihn mit großen Augen an, griff aber dann zum lieben Bibelbuch und hielt eine so gesalbte Ansprache, daß Alle tief ergriffen und bewegt waren. Daran lernte er, daß er auch frei sprechen konnte : denn er hatte so fließend imd geordnet und correkt gesprochen, als hätte er studirt. Diese Habe mutzte er hernach, als die Arbeit ihm in Wusterwitz über l>m Kops wuchs, manchmal in Anwendung bringen. Bei den Wssionspredigten, die Görcke alle Monate hielt, las Knak aus Wssionsschriften vor und machte Nutzanwendungen von dem Verlesenen; dann betete er aus dem Herzen, aber mit solcher Inbrunst

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und Gewalt, daß er zitterte und bebte und bisweilen völlig erschöpft und in Schweiß gebadet nach Hause kam. Er redete wirklich mit j seinem Gott, wenn er betete. Bald fanden sich auch die Gläubigen und die Angefaßten einzeln und in Hausen auf seiner Stube ein, und er hatte genug zu trösten, zu lehren, zu mahnen und zu bitten: "Lasset euch versöhnen mit Gott!"

Die Fastenzeit war noch nicht zu Ende, als vier christliche Bürger aus dem benachbarten Städtchen Greifenhagen zu Görcke ^ kamen, er möchte doch herüber kommen und ihnen helfen; sie seien dort ein Häuflein Gläubiger, aber eine alte wunderliche Frau Hütte Verwirrung unter ihnen angerichtet, indem sie lehre, wer nicht eine j außerordentliche Erscheinung gehabt habe, sei nicht wiedergeboren und müsse in die Hölle. Görcke reiste sofort mit Knak hinüber. Sie wurden mit offenen Armen ausgenommen; bei einem Tuchmacher fand die Versammlung statt. Die alte Frau war auch gekommen. Görcke fragte sie, wie sie zum Glauben an den HErrn gekommen sei. Sie erzählte: "Ich war früher ganz todt und weltlich gesinnt, und so unwissend, daß ich nicht einmal lesen konnte. Da erbarmte sich meiner der HErr. Ich war im Gebet, da erschien mir der HErr, nahm mir mein Herz aus dem Leibe, und zeigte es mir. Darin sah ich die aufgeschlagene Bibel und darin mit goldenen Buchstaben die Worte: Dir sind deine Sünden vergeben; diese konnte ich lesen und seitdem konnte ich Alles lesen!" Görcke hätte gern noch mehr zugehört, aber Knak war es nicht möglich, mehr von diesem Unsinn anzuhören. Er sprach zu ihr: "Auf Erscheinungen und Gesichte sind wir nicht hingewiesen; hier I ist Gottes Wort, das ist die Leuchte unserer Füße und das Licht D auf unserm Wege." Damit schlug er den 119. Psalm auf, um sie auf das Wort zurückzuführen. Sie aber stand entrüstet auf und sprach: "Ich sehe wohl, ihr habt noch keine Erscheinung gehabt und seid noch nicht wiedergeboren; aber ich werde für euch ein j Gebet thun, dann wird es geschehen." Damit verließ sie das Zimmer. Niemand folgte ihr. Die beiden Boten Christi hatten mit den Angefaßten eingehende Gespräche. Abends sieben Uhr war eine Versammlung anberaumt. Hunderte waren im Hause, eben j so viel standen auf der Straße vor den geöffneten Fenstern. Görcke sprach auf Grund von Joh. 3 über die Wiedergeburt. Die Alte

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hatte sich ebenfalls wieder eingefunden, verließ jedoch abermals polternd die Versammlung. Alle hörten aufmerksam zu und knieten nieder zum Gebet. Dann ergriff Knak das Wort und empfahl das fleißige Forschen in der Schrift, empfahl den Bibel-Lesezettel und nahm, um zu zeigen, wie sie in der Schrift lesen sollten, sofort ein Kapitel aus der Passionsgeschichte durch in einer so ergreifenden Weise, daß Alle tieferschüttert waren, was bei Görckes ruhigem Vortrage nicht der Fall gewesen war. Nun sollte die Versammlung entlassen werden. Aber Niemand ging. Der Eine wollte dies, der andere das noch wissen. Erst um Mitternacht trennten sie sich, und schon um drei Uhr waren wieder bekümmerte Seelen da. Görcke sprach mit ihnen in der einen Stube, Knak in der andern. Da gab es wunderliche Dinge zu hören. Eine Frau sagte, sie hätte, um selig zu werden, auch so viel gebetet, der HErr sollte ihr eine Erscheinung geben, da hätte sie die Hölle gesehen und die Verdammten und sich mitten darunter. Sie hätte der Alten ihre Noth geklagt. Diese antwortete, sie wolle den HErrn fragen, schlug ihr Gesangbuch auf, und traf die Stelle: O Ewigkeit, du Donnerwort, und fuhr nun fort: "Siehst du, du gehst verloren!" Seitdem war diese arme Seele gefoltert von schrecklicher Angst, Tag und Nacht. Jetzt konnte Knak sie auf den Trost des Evangelii verweisen, und unaussprechlich fröhlich ging sie von dannen. Knak gab aber Allen den Rath, jegliche Verbindung mit der Alten abzubrechen.

Nachdem die Gespräche bis elf Uhr gedauert hatten, sah Görcke zufällig Knaks Angesicht an. Es war ganz aufgedunsen, die Adern hochgeschwollen von der Anstrengung; Görcke sah nicht anders aus. Da ließen sie schnell den Wagen kommen und fuhren nach Pyritz zurück; sie schliefen den ganzen Weg über.

Drei Wochen später war Knak wieder drüben in Greifenhagen. Diesmal erschien der Sohn jener Alten, und sagte, seine Mutter habe sich sehr über die Predigt gefreut, und stimmte allem zu. Knak aber rieth trotzdem entschieden, keinerlei Umgang mehr mit der alten Schwärmerin zu pflegen. So wurde die Bewegung in Greifenhagen in gesunde Bahnen zurückgeführt.

In Pyritz rumorte es aber mit Macht unter den Gläubigen, wie unter den Ungläubigen. Ein Mann hielt seine gläubige Frau

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durch Mißhandlungen von dem Besuch der Erbauungsstunde zurück. Als an einem Abend Knak und seine Braut mit den lieben Görckes gemächlich um Gottes Wort zusammen saßen, hörten sie vor ihrem Hause ein immer stärker werdendes Geräusch von zusammenströmem den Leuten. Bald schlugen sie mit Knitteln an die geschlossenen Fensterladen, und schrien: "Heraus mit den Frommen! Heraus mit ihnen aus der Stadt! Der mit den langen Haaren (Knak) auch! Heraus mit den Hunden! Wir wollen sie Niederschlagen!" Knak sprach mit fröhlichem Antlitz: Der HErr spricht: "Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um Meinetwillen schmähen und verfolgen, und reden allerlei Nebels wider euch, so sie daran lügen. Seid fröhlich und getrost, es wird euch im Himmel wohl belohnet werden. Denn also haben sie verfolgt die Propheten, die vor euch gewesen sind." Während jene lauter und lauter brüllten, beteten die drinnen und waren fröhlich und getrost im HErrn. Endlich verlief sich die Menge.

Um diese Zeit erschien die bekannte Kabinets-Ordre, welche die Conventikel verbot. Dieselbe war ja freilich gegen die schlesischen separaten Lutheraner und gegen die Belowianer gerichtet. In manchem Orte kehrte man sich daher gar nicht daran. In Pyritz aber griff die städtische Behörde erfreut nach dieser Handhabe, um die Erbauungsstunden zu verbieten. Görcke und Knak machten sich sofort nach Stettin auf den Weg, um vom Konsistorium Instruktion zu holen. In Stettin hörten sie, einer der Räthe habe gesagt, die beiden (Knak und Görcke) sind verrückt. Zu diesem gingen sie zuerst. Er empfing sie überaus freundlich, sagte, die Cabinets-Ordre sei gegen solche Erbauungsstunden, wie die in Pyritz. gar nicht gerichtet, sie möchten immerhin fortfahren. Der Bischof Ritschl sprach ähnlich, und stellte einen schriftlichen Bescheid des Consistorii in Aussicht. Sie versprachen denselben abzuwarten. Aber Monat um Monat verging, und der Bescheid kam nicht. Endlich kam der Bischof selbst und ordnete die Sache, daß die Erbauungsstunden sollten in der Kirche abgehalten werden. Das war den Beiden nicht ganz recht, weil es doch in den Häusern leichter war, mit den Einzelnen zu sprechen. Aber bald fanden sich die Angeregten auch hierzu einzeln ein. Der erstaunte und überraschte Bürgermeister aber sprach, nachdem er den Bischof hatte

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predigen hören: Was nun! Der predigt ja gerade wie unser Vektor; der sagt ja auch, daß Jesus Gottes Sohn sei. Am nächsten Königs-Geburtstag kam wieder eine Rotte vor die Rektor-wohnung und erschreckte die einsamen Frauen (die Männer waren verreist) damit, daß sie ihre Gewehre entluden und brennende Wergpflöcke auf das Dach schossen.

Im Juli kam ein vornehmer hoher Offizier nach Pyritz (der Generalmajor von Boye). Er hatte seit zehn Jahren nach Befriedigung seines religiösen Bedürfnisses vergeblich gesucht. Jetzt hielt er sich bei Verwandten in Bahn auf. Er hatte von den beiden gewaltigen Predigern in Pyritz gehört und kam nun, sie zu hören. Die Predigt, daß wir nicht durch des Gesetzes Werk, sondern durch den Glauben gerecht werden, ging seinem Herzen ein süßer als Honigseim. Am Abend erschien er in der Versammlung. Den Stuhl neben dem Clavier schlug er aus; er wollte mitten unter den Gläubigen sitzen. Er dankte für den reichen Segen. Am folgenden Tage zog er, den Frieden Gottes im Herzen, seine Straße. Am nächsten Sonntag war er wieder da zur Predigt. Das Lied "Wer weiß, wie nahe mir mein Ende" ergriff ihn tief, die Predigt »och tiefer. Er bat Görcke, nächsten Sonntag in Bahn zu predigen, damit auch seine Verwandten den Segen hätten; mit dem dortigen Pastor habe er die Sache schon abgemacht. Görcke konnte nicht, Knak kam statt dessen, predigte und sprach auch viel mit den Verwandten des Generals über den Weg Zur Seligkeit. Der General war wieder tief bewegt und dankte dem Kandidaten mit Thränen in den Augen. Zwei Tage später kam'die Nachricht nach Pyritz, der General sei todt. Im Bade hatte ihn der Schlag gerührt. Knak hatte vom HErrn die Gnade empfangen, ihm, dessen mit vielen Orden geschmückte Brust unter allen hohen Ehren keinen Frieden gefunden hatte, den letzten Wegweiserdienst zu der Ruhe der Heiligen zu leisten.

Von Pyritz kam Knak auch nach Klein-Wubiser, woselbst bereits Görcke eine Anzahl erweckter Seelen vorgefunden hatte. Diese wurden durch ihn im Glaubensleben gefördert und ihre Zahl vermehrt. In dem zu diesem Dorf eingepfarrten, durch einen See getrennten Dorf Groß-Wubiser wohnte auf einer Büdnerstelle ein frommer schlichter Landmann, namens Erdmann, welcher früher

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in einem Conventikel erweckt, durch Hausgottesdienste, Morgen-ß und Abendsegen nach Habermann und Schmolk, Kleinerts Hirtenstimme. Rambachs Postille. Porsts Gesangbuch und andere ähnliche Schriften, namentlich auch durch Sonntag-Nachmittags-Gottesdienste den Seinigen das darbot, was die Kirche drüben nicht gewähren konnte. Der fromme Vater sowohl als die fromme Mutter j waren dem ungläubigen Jnspector nicht minder als den ungläubigen Bauern gegenüber ernste und entschiedene Bekenner, und standen mit ihrem Glauben nicht mehr allein, als Görcke durch seine Predigten auch hier das Feuer anschürte, von welchem der Herr Jesus sagt, Er wünsche nichts lieberes, denn es brennte schon überall-Als nun Knak eines Tages den alten Erdmann in seiner Wohnung ^ besuchte und bei ihm eine Erbauungsstunde hielt, nahm er auch den Sohn von Erdmann, einen Heranwachsenden Knaben, vor seine Kniee, legte die Hand auf sein Haupt und richtete an ihn die eindringliche Frage: "Mein Kind! Haft du den Herrn Jesum ^ lieb?" Diese Frage schlug tief ein in des Knaben Herz, und erweckte in ihm den Vorsatz, sich seinem Heilande ganz hinzugeben j zu völliger Liebes- und Lebensgemeinschaft. Den Eindruck hat der Knabe nie vergessen können, und weinte daher seine bitterlichen ^ Thränen, als nach einigen Monaten Knak mit seiner Mathilde wieder in seines Vaters Haus eintrat, um Abschied zu nehmen. Knak fragte den alten Erdmann, was sein Sohn einmal werden wolle, und als dieser antwortete: Hoffentlich ein Diener Christi als Lehrer oder als Prediger, da wandte sich Knak an den Kna- Z ben und sprach: "Mein Sohn, wenn du ein Diener deines Heilandes werden willst, so wird Er es dir an Seiner Führung nicht fehlen lassen. Folge Seinem Rufe, wenn Er durch Seine Gnade dich in deinem Herzen dahin zieht! Behalte Ihn lieb! Erbewahre dich in Seiner Liebe, daß du, wie Petrus Ihm auf die Frage: Hast du Mich lieb? antworten könnest: Ja HErr, Du weißt alle Dinge, Du weißt, daß ich Dich lieb habe!" — Auch diese Segensworte schrieben sich tief in das Herz des Knaben ein. Nach bestandenem Abiturientenexamen traf er wieder mit Knak auf dem Postwagen zusammen und empfing während der Fahrt von ihm eine "unvergeßliche Propädeutik für das theologische Studium." Hernach hatte er als Domhülfsprediger in Berlin, durch Gützlaff


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angeregt für die chinesische Mission arbeiten, und damals das Blatt für China, den Reichsboten, herausgeben können. Und als er später 1864 von Königsberg aus Berlin passirte, um in ein großes-nmfassenderes Amt einzutreten, da hat er aus dem bekannten ein-fenstrigen Stübchen in der Wilhelmsstraße 29 sich noch einen besonderen Segen für Schlesien mitgenommen, denn der Knabe von Groß-Wubiser war als General-Superintendent nach Schlesien berufen worden.

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Hin nach Wusterwitz.

Als im Nov. 1833 der Lieutenant Westphal seinem Freund-Knak auf dem Alexanderplatz zum ersten Mal in seinem Leben den Namen Wusterwitz genannt hatte, war dieser sogleich, wie wir oben sahen, zum Baron Kottwitz geeilt. Dieser hatte sofort an den Obristlieutenant v. Wolden geschrieben. Am 16. Nov. konnte er ihm dessen Antwort mittheilen. Sie lautete nicht ermuthigend. Zwar gab er die Aussicht, "auf die Meldung des Candidaten Knak zu reflektiren," aber seine Beschreibung der Stelle gab doch Anlaß, zu Bedenken. Zu der Mutterkirche gehörten noch drei Filiale, also sonntäglich drei oder vier Predigten, eine weit zerstreute Gemeinde, viele zerstreute Vorwerke, im Winter beschwerliche, wenn nicht gefährliche Reisen, ein baufälliges Pfarrhaus, ein Einkommen von 400 Thalern außer der Wohnung, das Gnadenjahr der Wittwe lief erst im Nov. 1834 ab. Der alte Onkel Straube rieth daher entschieden ab, und drang in Gustav, er solle sich für Bernau melden. Dieser that es. Aber als abschlägige Antwort von dort eingegangen war, stand sein Entschluß fest, sich zu keiner andern Stelle mehr zu melden, sondern Wusterwitz anzunehmen, wenn nicht Gott selbst Hinderungen in den Weg schickte. "Dein Vater," so schreibt er an seinen Karl, "sagt zwar, Wusterwitz sei für mich zu beschwerlich, ich könne die Stelle unmöglich annehmen. Allein der HErr hat in dieser Beziehung gesagt: <So ihr Glauben habt.


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als ein Senfkorn, so möget ihr zu diesem Berge sprechen: Hebe dich auf und wirf dich ins Meer.' Der HErr giebt den Müden

Kraft, geistlich und leiblich.        Wollte ich aber sagen, es ist

Zu weit von hier, so wäre ich ein recht elender treuloser Mensch. Denn ich habe dem HErrn in meinem Gebete Zeit und Raum völlig anheimgestellt, und mich Seiner gnädigen Leitung gänzlich ergeben. ' Schmerzlich wäre die Trennung dann allerdings; aber wenn Er mich unter die Heiden rufen wollte, müßte ich nicht da auch freudig und williglich gehen? Hat mein Herr Jesus nicht Macht, Seinen elenden Knecht zu senden, wie und wohin es Ihm wohlge-sällt? Ist es nicht lauter Gnade, wenn Er uns sendet?"

Von Pyritz reiste er dann persönlich nach Wusterwitz, predigte vier Mal in den vier Kirchen und wurde von seinen beiden Patronen v. Wolden und v. Döberitz mit großer Freundlichkeit ausgenommen. Im Mai war er wieder drüben, hielt am zweiten Psingstfeiertag vor dem Superintendenten seine Gastpredigt, und in Dramburg eine Erbauungsstunde. Aus einer Reise im August begleitete ihn Moritz dorthin. Er schreibt an Karl: "Es ist mir lieb, daß ich das Terrain des Kampf- und Siegesplatzes unseres Gustav (denn der HErr, HErr wird siegen) kennen gelernt habe.

Es ist merkwürdig, wie der HErr nach diesem Hinterpommern Seine Arme ausstreckt; Er umfaßt es bald ganz und gar. Was hat Er denn an diesem armen verachteten Volk? Er sucht, was niedrig und verachtet ist, und hebt die Elenden aus dem Koth."

Je näher der Tag der Uebersiedlung heranrückte, desto schwerer lastete die ganze Verantwortlichkeit des zu übernehmenden Pfarramts auf Gustavs Seele. Er schreibt am 8. Sept. 1834 an seinen Karl: "Mir ist doch manchmal im Stillen recht bange, wenn ich an die vielen Seelen denke, für die ich dort zu sorgen habe, und gestern siel mir besonders auch das Mark und Bein durchdringende Wort aufs Herz: Verflucht sei, wer des HErrn Werk lässig treibt! O daß ich und du und alle Haushalter über Gottes Geheimnisse immerdar treu erfunden würden, mein Herzenskarl! O daß Er uns Gnade schenkte, Leib, Seele und Geist Ihm zum Opfer Darzu geben und uns in Seinem Dienst zu verzehren; o daß Ihm aus Seiner Kraft durch unfern armen Dienst doch Kinder geboren würden, wie Thau aus der Morgenröthe! Wenn Du erst hier bist,

mein Karl, dann wollen wir auch viel miteinander gemeinschaftlich beten um den heiligen Geist!"

Endlich kam die ersehnte Bestätigung der Vocation von Seiten der Cösliner Regierung. Der Bischof Ritschl, der gerade in der Nähe war. gab der Bitte Gustavs gern Gehör, und ordinirte ihn Zum heiligen Predigtamt. Zum nächsten Erntedankfest zog es ihn mit Gewalt, er mußte hinüber und selbst seiner künftigen Gemeinde den Gottesdienst halten. - Dann kehrte er nach Pyritz zurück, wurde am 10. Oct. durch seinen l. treuen Bruder Moritz getraut (der Trautext war: Ich und mein Haus, wir wollen dem HErrn dienen) und zog am 16. Oct. mit seiner Mathilde in dem heißgeliebten und heißersehnten Wusterwitz ein. Es war ein kalter reg-nichter Herbsttag. Als sie in das Haus eintraten, fanden sie es in den desolatesten Zuständen, so daß der jungen Pfarrfrau bei dem Anblick die Thränen in die Augen traten. Ihr Gustav aber rief ihr zu: "Mathildchen, du weinst? Dies ist ja die Stätte, dahin der HErr uns gesandt hat. Laß uns freuen und fröhlich sein und Ihm dankbar!" Dann knieten sie beide nieder und er hielt ein heißes Lob- und Dankgebet. Das Haus verwandelte sich unter der geschickten Hand Mathildens bald in eine liebliche Friedensstätte» in welcher glückliche Leute wohnten.

Dritte* Abschnitt.

(1834-1850)

22.

Traurige Zustände.

Viel trauriger als in dem verfallenden Hause sah es bei Knaks Amtsantritt in der gänzlich zerfallenen Gemeinde aus. Sein Amtsvorgänger hotte vierzig Jahre lang die Stelle inne gehabt. Nach einem guten Anlauf der ersten Jahre war er durch trübe Erfahrungen in große Geistesschwäche, und dadurch in Trunksucht und zeitweilig gänzliche Geistesabwesenheit gefallen, so daß die Gemeinde völlig verwaist war. und so stumpf geworden, daß sie es selbst kaum fühlte. Auch in den meisten Pfarrhäusern und Gemeinden der Synode herrschte geistlicher Tod. Christliche Unterhaltungen über das Eine, was Noth thut, galten als Schwärmerei und wurden fast nie geführt. Der höchste Aufschwung der allgemeinen Religiosität war durch Zfchokke's Stunden der Andacht gekennzeichnet. Am Sonntag xalmarum, als dem Confirmationstage, wurden ohne Widerspruch des Pastors und Lehrers Tanzvergnügungen für die Neu-Confirmirten bereitet. Dabei war man nicht unkirchlich; die Kirchen wurden fleißig und regelmäßig besucht, und an den Sonntags-Nachmittagen hörte man aus vielen Häusern Lob- und Danklieder erschallen.

Eines Tages kam zu einem Groß-Grundbesitzer in der Nähe, einem Patron zweier Kirchen, der Pastor N. aus Callies: "Haben.

Sie schon gehört, daß der neue Prediger in Wusterwitz ein arger Pietist ist und seine Gemeinde und Umgegend verrückt macht? An dem und dem Tage wird er in Dramburg predigen, ich muß ihn hören und werde mit ihm disputiren. Wir leben hier in Ruhe und Frieden, und es darf ein junger Mann nicht Feuerbrände in die Familien werfen! Was meinen Sie? Fahren Sie mit, ihn zu hören?" Der Gutsherr willigte ein. Die beiden fuhren, und nahmen auf den Rath des Pastors auch den eben Heranwachsenden Sohn des Gutsherrn mit, damit derselbe nicht auch verrückt gemacht werde, sondern durch Anhören der mit Sicherheit erwarteten verrückten Predigt und der beabsichtigten Disputation vor dem Pietismus bewahrt bleibe. Vier Meilen sandigen Wegs waren kein zu großes Opfer, um diesen Dienst Gott dem HErrn und der Wahrheit und der Vernunft zu bringen.

Die Predigt Knaks brachte eine große Aufregung hervor. Es wurde über dieselbe viel und heftig geredet. Der Pastor aus Callies forderte von der Frau Superintendentin eine Bibel; er wollte den jungen Pietisten widerlegen. Andere Pastoren baten, die Frau Superintendentin möchte doch die Bibel lieber liegen lassen, denn der junge Pastor sei sehr bibelfest und die Sache könnte doch übel für den Herausfordernden ablaufen. Als daher Knak aus der Kirche kam, da traten die meisten ihm freundlich entgegen, und der streitsame Held aus Callies schnob innerlich. Aus der Rückfahrt meinte der Gutsbesitzer: "Der junge Pastor hat doch eine gewaltige Predigt gehalten!" — "Ei, so werden Sie wohl bei der nächsten Vakanz auch einem Pietisten die Stimme geben?" — Das geschah, und Zahn kam auf diese Weise nach Callies. Knak hatte ihm die Wege bahnen Helsen. Der Sohn des Gutsbesitzers aber wurde ein warmer Anhänger Knaks bis auf diesen Tag.

Aus diesen wenigen Zügen mag man aus den Zustand der Gemeinde und Synode schließen, den Knak vorfand. Er hätte also reichlich Stoff dazu gehabt, um — wie dies leider nicht selten bei jungen selbstvertrauenden Anfängern geschieht — sich in den Schwächen und Verfehlungen des Amtsoorgängers zu spiegeln und mit hohen Ideen und vortrefflichen Vorsätzen an das Werk zu gehen, um Alles von Grund aus zu bessern. Aber von dergleichen finden wir in seinen Aeußerungen aus damaliger Zeit keine Spur.

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Das Schärfste, was er über seinen Amtsvorgänger sprach, war» daß er — als er sofort die früher üblich gewesenen, aber unter-dem Vorgänger abgeschafften persönlichen Beichtgefpräche vor dem heiligen Abendmahl wieder herstellte und dieserhalb vom Superintendenten zurechtgewiesen wurde, in seiner Antwort sagte, daß der Amtsvorgänger "diese herrliche Einrichtung" in den letzten Jahren seiner hiesigen Amtsführung wegen der bei ihm vorwaltenden großen Schwäche nicht gut habe beibehalten können. Was er gegenüber dem allgemein unter den Trägern des geistlichen Amts obwaltenden geistlichen Tod in seinem Herzen fühlte, darüber hatte er vor kurzer Zeit gegen seinen Karl sein Herz ausgeschüttet bei der Gelegenheit, als in einer Gesellschaft beim alten Elsner Liber die ungläubigen Pastoren hart geredet wurde: "Es ist ein Jammer, wenn man das so hört, wie schändlich diese Miethlinge den Weinberg des HErrn verwüsten und als blinde Leiter sich selbst und so Viele der ihrer Leitung Anvertrauten in die Grube stürzen! Aber ach! Wenn doch nur Alle, die sich Gläubige nennen, anstatt über solche Gräuel fleischlich zu eifern, lieber mit desto größerer Inbrunst den HErrn der Ernte um tüchtige Arbeiter anflehten, und auch jene armen verblendeten Prediger in ihrem Gebete nicht vergäßen; ich glaube, es würde doch besser stehen und Satan würde sich nicht so freuen. Ach, wir Alle lassen uns ja immer noch gar zu leicht zum fleischlichen Eifer fortreißen und bedenken nicht allezeit, daß ja auch wir nur durch das freie Erbarmen Gottes erlöset sind aus der Kette des Satans, und daß wir von Natur um kein Haar breit besser sind als jene, auf welche wir einen Stein werfen. Herzenskarl, laß uns doch gemeinsam den lieben Heiland vor Allem darum bitten, daß ER uns recht klein und arm und willenlos und voll Liebe gegen Jedermann, er mag uns fluchen oder segnen, aus unergründlicher Barmherzigkeit machen wolle!"

In diesem Geiste begann Knak seine Radearbeit in der Wüste.

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23.

Erstes Eindringen des Worts.

Wären die Zustände des kirchlichen Lebens in Wusterwitz normale gewesen, so hätte dennoch das Amt eine tüchtige Manneskraft erfordert, um den täglichen Anforderungen zu genügen. Zu der Muttergemeinde in Wusterwitz gehörten drei Filiale: Rietzig, Gersdorf und Zetzin, welche es nothwendig machten, daß der Pastor an den Sonntagen in drei, an den Festtagen in vier Kirchen zu predigen hatte. Die Gemeinde war nicht blos groß und zerstreut, sondern durch schwierige Bodenverhältnisse die Arbeit an ihr in spezieller und allgemeiner Seelsorge sehr erschwert. Die Abwechselung von Hügel und Thal, Wald und Feld war für das Auge zwar sehr lieblich, allein für den Verkehr hemmend, ja zu Winterszeit oft geradezu hindernd. Wie viel anstrengender aber wurde die Arbeit für einen Mann, dem beim Anblick der offenen Schäden der Gemeinde und der bösen Verwilderung der Sitten das Herz brach, und der mit Gottes Wort an die Herzen, heran wollte und mußte, und sollte es Gesundheit und Leben kosten.

Das erste, was der neue Pastor unternahm, war, wie schon angedeutet wurde, die Wiedereinführung der persönlichen Anmeldung zu Beichte und Abendmahl. Er stieß zwar hie und da auf passiven Widerstand, aber im Ganzen und Großen kamen die Leute zahlreicher, als er hätte erwarten können. An die seelforgerischen Gespräche knüpften sich seelsorgerische Besuche, zuerst des Pastors in den Häusern, dann der Angeregten im Pastorhause; dieselben gestalteten sich sehr bald zu einer regelmäßigen Sonnabend-Betstunde. Der Same konnte ausgeworsen werden. Besondere Erbauungsstunden wurden nothwendig, denn die Herzandringende Liebe, mit der der Pastor die Seelen anfaßte, machte tiefen Eindruck und neigte ihm die Herzen zu.

Die erste Frucht reifte im Herzen eines elfjährigen Mägdleins. Sie hatte in der Katechisation die Worte gehört: "Wer nicht zum Herrn Jesu sich bekehrt, kommt in die Hölle, darum betet um den heiligen Geist, damit ihr nicht verloren geht!" Tief bewegt kommt.

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Das ziemlich unbändige Mädchen zu ihrer Mutter und erzählt ihr, was sie soeben gehört habe. Dann geht sie in das Kämmerlein. 'Die Mutter schleicht ihr nach und hört, wie sie um den heiligen Geist bittet. Seitdem ist das Kind wie umgewandelt, die alten Unarten verschwinden, nur eine Begierde hat sie, zu Gottes Wort und zu den Erbauungsstunden, zu welchen mitzukommen sie auch Die Mutter treibt. Die Sache wird ruchbar und zündet in weiteren Kreisen in der Gemeinde.

In der nächsten Woche ist eine Hochzeit. Der Pastor bittet Die Brautleute, sie möchten doch die wilde Musik und das Tanzen lassen, dann würde er auch gern ihr Gast sein. Seine Bitte verfallt. Mit Musik kommen sie zur Kirche, mit Musik gehen ste. Der Pastor war nicht unter den Hochzeitsgästen. Aber Schaaren kamen von jetzt ab zu den Erbauungsstunden. Die Leute merken. Daß eine Kraft Gottes in ihrer Mitte ist. Sie beginnen sich gegen sie zu sträuben. "Dieser Pastor wird uns doch zu stark! Zum Gebet niederknieeu? Nein, das thun wir nicht, denn das wäre doch zu schändlich!" sagten sie in einem Filialdorf, und nahmen sich vor, in der nächsten Versammlung stehen zu bleiben. Denn Hin mußten sie, er hatte es ihnen angethan. Als nun das nächste Mal Knak in einer feurigen Ansprache sie auf das Elend ihres Herzens und die Gnade des HErrn hingewiesen hatte und zum Schluß aufforderte, diese Gnade knieend jetzt zu erbitten, da beugten sich sofort alle Kniee, keiner blieb stehen, und als der Pastor fort war, hieß es abermals: "Dieser Pastor wird uns doch zu stark; ja wir müssen doch sehen, daß wir uns bekehren; denn sonst gehen wir Alle verloren!"

Der erste Mann, der mit der Bekehrung Ernst machte, war Der sehr ehrsame Bauer und Kirchenvorsteher Kunkel, welcher früher in weltlichen Kreisen der angenehmste und beliebteste Gesellschafter gewesen war. Den ärgerte es jedes Mal ganz entsetzlich, wenn Der Pastor von der Kanzel sie Alle verlorene und verdammliche Sünder nannte. Er war sich ja doch bewußt, ein durchaus braver, allgemein geachteter Mann zu sein. "Wie kommt der Pastor dazu, mich einen Sünder zu nennen? Und was hat er so oft den Namen Jesus auszusprechen? Ja gar zu Jesus zu beten? Das ist Doch sonst nicht geschehen; wie kann man Gott so die Ehre nehmen,

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daß man zu Jesus betet, statt zu Gott dem Vater?" Dies, so erzählte er später, habe ihn so "gegnittert," daß er einst, als er in einer Leichenrede dasselbe hörte, davougegangen sei und hernach die Kirche ganz gemieden habe. Seine Frau besuchte bereits die Erbauungsstunden. Da fragte sie der Pastor eines Tages: "Wie steht dein Mann?" — "Ach, lieber Herr Prediger, er kann den Namen Jesus nicht mehr hören!" — "Grüße ihn freundlich von mir. und ich lasse ihn herzlich und dringend bitten, zu mir zu kommen!" Kunkel kommt, und macht sich auf eine gehörige Lektion gefaßt. Aber was muß er erleben? Mit offenen Armen und strahlenden Angesichts geht ihm der Pastor entgegen, küßt ihn herzlich und nennt ihn seinen Freund und Bruder. Da ist alles Mißtrauen verschwunden; er geht offen auf das seelsorgerische Gespräch ein. "Wie steht es mit deiner Seele, mein lieber Kunkel" (Knak pflegte alle seine Gemeindeglieder mit Du anzureden). "O ich glaube, so gelebt zu haben, daß ich in den Himmel komme!" — "Ach, mein lieber Bruder! Weißt du das auch gewiß? Die Sache ist zu wichtig, als daß wir da auf unser Meinen uns verlassen können. Laß uns doch das Wort Gottes hören." Als nun Knak mit ihm die zehn Gebote durchgeht, da fällt es wie Schuppen von den Augen des selbstgerechten Bauern, und er bekannte: "Herr Prediger! ich gehe verloren; denn ich bin ein großer Sünder!" Da konnte aus das Gesetz das Evangelium folgen; der HErr gab Gnade, daß dem alten lieben Kunkel nun nichts lieber wurde, als der süße Jesusname, in welchem seine Seele Frieden gefunden hatte. Jetzt verspotten ihn seine früheren Freunde. Der Ruf: Kunkel ist verrückt geworden, geht bald durch das Dorf. Er war aber ein seliger Mann geworden. Ein Predigtbuch, das ihm früher dunkel geblieben war, ist ihm nun so klar geworden, daß er es nicht wieder erkennt. Von den Festlichkeiten mußte er (wie er selbst sich ausdrückte) "ausreißen." In seinem Hause wohnt von Stund an der Herr Jesus, den er dort mit den Gläubigen lobt und preist. Von jetzt ab wurde Kunkel, einer der angesehensten Männer in der Gemeinde, seines Pastors treuester Mithelfer und hat Glauben gehalten bis an sein seliges Ende.

Zu ihm gesellte sich bald ein anderer Mann, der später in der Gemeinde der alte Simeon hieß, der Vater Haß, dem der

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HErr es schenkte, daß er glaubte mit seinem ganzen Hause. Sie haben alle Treue gehalten bis an ihr Ende. Als der älteste Sohn Gottfried auf dem Sterbebette lag, schickte Knak seinen lieben frommen Küster Hoppe» seinen treuen Mtarbeiter, hin zu ihm, er möchte sich doch das Sterbebett ansehen. Hoppe ging und fand den Kranken aus feinem Bette, strahlend vor Freude, den HErrn preisend, bald singend, bald betend. So ist er eingegangen zu Seines HErrn Freude. Gauz anders war das Abscheiden seiner hinterlassenen Wittwe, die erst 1877 starb. Sie war so schwach geworden, daß sie die eigene Tochter nicht kannte. Sie kannte auch den Pastor nicht, der sie besuchte. Wenn derselbe aber mit ihr von dem Einen, was noth ist, ansing, dann fiel der Schleier von ihren Sinnen, dann kannte sie den Pastor, und kannte auch ihren geliebten Heiland. So ist sie selig gestorben und alle anderen Familienglieder auch.

Von der Bekehrung eines Bauern berichtet Görcke, Knaks Freund und Kamerad:

"Als er in einer seiner hinreißenden Predigten gezeigt hatte wie wir, um glauben Zu können und selig zu werden, dazu des; heiligen Geistes durchaus bedürften, und dann in die Gemeinde hineinzeigend gefragt hatte: "Hast du, hast du denn schon um den heiligen Geist mit Ernst gebetet?", da hat sein Finger auch auf einen Bauern -hingewiesen, der immer als der ordentlichste Mensch im ganzen Dorfe gegolten hatte, und dieser mußte nun ' still in seinem Herzen bekennen: Das hast du nie gethan, und er faßte den Vorsatz, es an demselben Tage noch zu thun. Abends, als es dunkel geworden, geht er in den Garten. Vor der Thür steht ein Fichtenbaum. Darunter kniet er nieder und betet um den heiligen Geist. Aber da wird ihm so bange, daß er aufsteht und still in seine Stube zurückkehrt. Am andern Morgen fährt er in die Stadt. Als er im Walde ist und über sein Leben nachdenkt, findet er der Sünden mancherlei und fängt wieder an, mit vielen , Thränen u'm den heiligen Geist zu beten. Da kommen Holzschläger, sehen ihn weinen und fangen an zu spotten; aber er zieht still seines Weges. Abends entdeckt er sich seiner Frau, die schon öfter, in die Erbauungsstunden gekommen war. Sie nimmt ihn mit zum Pastor. Mit Thränen tritt er ein. "Was weinst du?" fragt ;

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der Pastor, und bekommt die Antwort: "Ach, meiner Sünden sind so viele." Da jubelt Knak aus und freut sich mit himmlischer Freude. "Ach," sagt der Bußfertige, "Sie freuen sich so, und ich weiß vor Angst nicht, wo ich hin soll?" "Sollte ich mich nicht freuen," sagt ihm Knak, "da Freude im Himmel ist und unter den Engeln Gottes über jeden Sünder, der Buße thut? Siehe, mein Lieber, nun, da du deine Sünden erkennst und bereust, hast du nur zu glauben, daß Jesus Christus, wahrer Gott und Mensch, dich armen verlorenen und verdammten Menschen erlöset hat von allen deinen Sünden, vom Tode und von der Gewalt des Teufels, und du bist selig. Laß uns nur beten, daß der heilige Geist, der Buße in deinem Herzen gewirkt hat, dir auch Glauben gebe." Und sie beteten mit einander. Aber das Glauben wollte nicht sogleich gehen. Als aber Knak am nächsten Sonntage den armen Sündern wieder den gekreuzigten Heiland vor die Augen malte, was er meisterhaft verstand, da half der HErr diesem Manne zum lebendigen Glauben, den er hernach bis in sein hohes Alter bewiesen und bewährt hat mit vielen guten Werken zum Preise des HErrn."

Freilich ging es mit den seelsorgerischen Besuchen des Pastors nicht immer so glatt ab. Einmal besuchte er in Gersdors einen alten sechzigjährigen Bauergutspächter, der schon seit langen Jahren an einer schmerzlichen Kopfkrankheit litt. Dieselbe hinderte ihn nicht, daß er nicht regelmäßig den Krug besuchte, nicht zum Trinken, sondern für die Langeweile. Er war also in aller Anderen und auch in seinen eigenen Augen ein tadelloser ehrbarer Mann. Auf den Pastor war er aber schlecht zu sprechen, weil derselbe die Tanzmusik so sehr verdammte, und sein Sohn war doch ein Musikus und verdiente sein Brod mit der Baßgeige: "Mir soll er nur kommen," sagte er, "ich werde chm schon zu antworten wissen!" Als nun Knak, begleitet von seiner Mathilde, wirklich kam, und in aller Liebe von Buße und Bekehrung mit ihm zu sprechen ansing, sprang der Alte wüthend auf und schrie ihn an: "Knak, du bist mir viel zu jung! Marsch zur Thür hinaus!" Die beiden mußten gehen. Die energische Frau Pastorin aber konnte sich nicht enthalten, beim Hinausgehen aus die große Baßgeige mit dem Finger zu tupfen mit den Worten: "Hier haben Sie ja den großen

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Teufel Zu hangen!" — Das war dem Alten doch zu viel. "Frau Pastorin hat also gesagt, wir haben den Teufel im Hause!" Zuerst tobte der Alte. Dann wurde er nachdenklich. "Den Teufel im Hause? Hm! Hm!" Darauf fiel chm seine eigene Zornes-wuth ins Gewissen. Der Pastor hat dir doch eigentlich gar nichts Böses gesagt, und du bist so grob gegen ihn gewesen? Er fing an zu wünschen, er hätte es doch lieber nicht gethan. — Da am andern Tage kommt das Dienstmädchen des Pastors. Er sieht sie kommen. Was mag die bringen? Er setzt sich wieder in Positur. Sie aber bestellt einen schönen Gruß vom Herrn Pastor, und der Herr Pastor schickte auch eine Kalbsteischsuppe und etwas Fleisch und Reis, weil er ja krank sei. Das wurde dem alten Mann denn abermals zu viel. Sobald er wieder aufstehen konnte, ging er in den Krug: Nein, unser Pastor ist ein guter Mensch; mir hat er Böses mit Gutem vergolten. Und als nun der Pastor wieder zu ihm kam, war er reuig und demüthig dem Worte Gottes offen» und ist bald darnach im Jahre 1835 selig im Glauben gestorben.

Nicht so leicht glückte es mit dem.Taglöhner B. in Gersdorf. Den hatte Knak gleich nach seiner Probepredigt auf dem Heimwege aus der Kirche plötzlich umarmt, und in seiner unbeschreiblich lieblichen Weise gefragt: "Mein lieber Bruder! Wie steht es denn mit deinem Herzen?" — "O Herr Prediger, mein Herz ist ganz gut." Der Angeredete konnte es gar nicht verstehen, wie der Herr Pastor ihm begreiflich machen wollte, daß er ein grundverdorbenes Herz habe, und hat lange gebraucht, bis er einsah, was derselbe meinte und wo er hinaus wollte.

Die absonderliche Weise des jungen Pastors erweckte natürlich sehr bald großes Aufsehen und allgemeines Erstaunen. Die Neugierigen kamen, nicht blos aus Wusterwitz und den Filialen, sondern auch aus der Umgegend. Als aus den Neugierigen Heilsbegierige wurden, da hieß es bald, es sei gefährlich, zu diesem pietistischen Mucker in die Kirche zu gehen. Und es war in der That gefährlich. Das mußte ein Spielmann erfahren. Der sagte zu seiner Frau: Ich muß den Wunderprediger doch auch einmal sehen und hören. Die Frau warnt ihn: Gehe nicht hsn, sonst fängt er dich auch. Er aber antwortet: Ich werde mich schon

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hüten, daß er mich nicht sieht. So geht er in die Kirche und findet dort ein verborgenes Plätzchen, wo weder er den Pastor, „och der Pastor ihn sehen kann. Als aber nun der Gesang der Gemeinde schweigt und Knak die Kanzel betritt, denkt der Spielmann: Mußt doch einmal sehen, wie er denn eigentlich aussieht. Und wie er nun in das stillverklärte schöne Angesicht schaut, da kann er den Blick nicht wieder los bekommen; der Mann hatte es ihm angethan. Jedes Wort traf seine Seele. Uud der Pastor mußte auch gerade von dem armen sündlichen Leben eines Spielmanus erzählen, wie ihm die Seelen, denen er aufgespielt habe zum Tanz, in der Hölle noch fluchen würden. Als die Predigt zu Ende ist, sinkt der Spielmann wie zermalmt auf seine Kniee und bittet den HErrn um Gnade und Vergebung. Dann geht er nach Hause und zerschlägt zum Schrecken seiner Frau seine Geige und hat nie wieder zum Tanze aufgespielt, sondern dem Herrn Jesu bis an sein Ende gedient.

So mußten allmählich alle die Feinde heran vor das Wort. Die alten steifen Kirchgänger wurden aus ihrer Ruhe gerissen. Daß man ein auswendig gelerntes Gebet oder ein Lied zur Erbauung hersagen könne, das verstanden sie. Daß der Prediger in dieser himmelanstürmenden Weise betete, das war ihnen zuerst auffällig; aber sie dachten, das ist einmal seine Art so. Als aber nun auch einfache Bauersleute anfingen zu beten, meinte man in allem Ernst, sie hätten den Verstand verloren. Fing eine Frau oder ein Kind ernstlich an, um ihre Sünden zu weinen oder gar knieend zu beten, dann wurde der Mann besorgt, und nicht selten wurde ärztliche Hülfe gegen diese Krankheit in Anspruch genommen. Denn es hieß: "Der Pastor in Wusterwitz ist verrückt und macht die Leute verrückt!"

Je mehr die Kirche sich füllte, desto gewaltiger wurden die Predigten des Pastors, desto herzandringender seine Bitten und Mahnungen. Noch heute nach 46 Jahren leben drei feiner ersten Strafpredigten im Munde der Gemeinde. Die eine heißt: die Holzpredigt (über Spr. 1,22): "Wie lange wollt ihr Albernen albern sein und ihr Spötter Lust zur Spötterei haben?" Die zweite ist die Jagdpredigt, die dritte die Fischerpredigt. In der ersten hatte er gegen das Branntweintrinken und sonstigen Unfug bei den vielen

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Holzfuhren gesprochen, in der anderen gegen die bei der Jagd und der Fischerei, namentlich die Sabbathsschändung, die hierbei begangen wurde. Diese drei gewaltigen Predigten hatten aber die Betreffenden nicht erbittert, sondern sie hatten ihre Strafe mit vielen Thränen hingenommen. Schlimmer wurde eine Katechismuspredigt in Rietzig ausgenommen, die Knak über die Anrede im Vater Unser hielt. Er hatte dabei gesagt: "Die Ungläubigen können eigentlich gar nicht beten: Vater Unser, der Du bist im Himmel; denn sie haben ihren Vater nicht im Himmel, sondern in der Hölle." Das hatte vier rechtschaffene Bauersleute so verdrossen» daß sie sich Abends mit Knitteln bewaffnet, auf den Weg machen, um den dreisten und schändlichen Pastor zu mißhandeln, daß er sich nicht wieder unterstehe, so etwas ihnen zu bieten. Sie kommen vor die Hansthür in Wusterwitz an und berathen sich flüsternd, wie sie die Sache anfangen wollen. Knak sieht sie stehen und geht ihnen mit dem Licht in der Hand entgegen, und ist voller Freude, daß nun auch diese bisher so unzugänglichen Leute kommen, die er gar nicht erwarten konnte: "Das ist ja köstlich, ruft er ihnen zu, daß ihr, lieben Kinder, mich besuchen wollt. Kommt schnell herein, denn draußen ist es kalt." So nöthigt er sie herein, und umarmt und küßt sie, und sängt alsbald an, mit solcher Herzlichkeit zu ihnen von ihrem Seelenzustande zu reden, daß bald alle Zornesgedanken dahin sind. Mit Thränen hören sie zu, und beugen mit ihm die Kniee und beten zum ersten Mal in ihrem Leben von Herzen um Gnade und Erbarmung. Auf dem Rückwege sprechen sie kein Wort, sondern schämen sich Einer vor dem Andern seines schändlichen Planes.

Besser als den Bauern mit dem Pastor, glückte es späterhin diesem mit einem Förster. Derselbe lebte mit einem Nachbar in Streit und Prozeß, und Knak hatte vergebens gesucht, die beiden mit einander auszusöhnen. Eines Tages geht er in derselben Absicht in das Haus des Försters. Ob dieser ihn von weitem hat kommen sehen oder nicht, bleibe ungesagt; aber als der Pastor kam. war er eben weggegangen in den Forst. Knak eilt ihm nach, ihn aufzusuchen, der Jäger wurde zum Wild und der Pastor zum Jäger. Endlich hat er ihn gefaßt mitten im Walde. Und nun, während kein anderer Zeuge dabei ist, als unser Herr Gott, der

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vom blauen Himmel herab schaut und hört, was der Eine zu sagen und der Andere zu entgegnen hat, bietet Knak all seine Liebe mit Bitter: und Ermahnen auf, bis der Förster weich geworden, verspricht, er wolle den Prozeß zurücknehmen. "Das mußt du mir gleich schriftlich geben, für den Fall, daß du wieder schwach werden solltest." Der Pastor zieht ein Blatt heraus und einen Bleistift; des Försters Rücken ist Stehpult und der Pastor schreibt auf das Papier die Erklärung des Försters, daß er den Prozeß zurückziehe, und sich versöhnen wolle mit seinem Widersacher. Darnach wird des Pastors Rücken Stehpult und der Förster unterzeichnet das Dokument. Dann knieen beide, der Pastor und der Förster, unter Gottes freiem Himmel nieder, und der Pastor dankt mit bewegtem Herzen dem HErrn für seine Gnade. Und so mit dem Papier in der Hand, eilt er zu dem Nachbar» den er auf dem Torfmoor findet; er betet und dankt auch mit diesem; und derselbe unterzeichnet seinerseits die Zurücknahme der Gegenklage auf dem Rücken des Gegners. Der Prozeß ist zu beiderseitiger Zufriedenheit durch den Pastor geschlichtet worden.

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ihre häuslichen Arbeiten zu Ende gebracht, um nur in die Erbaü-ungsstunde gehen zu können. Bald blieben die Conventikel auch nicht im Pfarrhause, sondern die Leute sangen und beteten nun auch in ihren eigenen Häusern. Knak folgte ihnen, und hielt abwechselnd Haus bei Haus durch die Gemeinde seine Erbauungsstunden. Jetzt verstummte der Spott. Noch am ersten Osterfest, als Knak von einem Berge aus mit seinem treuen Lehrer Hoppe und einigen Freunden die Sonne hatte wollen aufgehen sehen, hatten die Leute sich erzählt, Knak sei mit angebundenen Flügeln auf einen Baum gestiegen und habe versucht zu fliegen; der Versuch aber sei mißglückt. Dergleichen Spott verstummte aber mit der Zeit, und anstatt dessen freute man sich an Orten, wohin er kam» auch in ferneren Kreisen, eine Erbauungsstunde aus seinem Munde zu hören.

Knak hatte (so berichtet ein Augenzeuge) seinen theuren Freund v. Hövell seinen Gutsbesitzer und Offizier, der selbst in seinem Hause Erbauungsstunden hielt) in Denzig besucht. Die Nachricht, er werde am Abend eine Erbauungsstunde halten, verbreitete sich wie ein Lauffeuer in der Gemeinde. Der große herrschaftliche Saal war ganz gefüllt. Knak kam mit seiner Frau, beide tief betrübt über den Tod eines eben Heimgegangenen Töchterleins, den sie zur Verwunderung der Vornehmen "mit wehmüthiger Freude" angezeigt hatten. Schon beim Gesang klang die Helle Stimme des Pastors erbaulich hindurch; während des Eingangsgebets entstand eine tiefe Bewegung in den Gemüthern, welche während der Ansprache noch zunahm. Viele kamen nach dem Schluß und fragten bekümmert, was sie thun müßten, um selig zu werden. Und so oft er später kam (es konnte wegen der sechs Meilen ja nur selten sein), war der Zudrang so groß, daß der Raum nie zulangte. "Von den benachbarten Dörfern kamen die hungrigen Seelen, Bauern und Taglöhner mit Gesang angezogen, um nur eine Knak'sche Stunde nicht zu versäumen. Was durch Knak angeregt wurde, kam dann durch Zahn zur Erkenntniß. Knaks Liebesflammen loderten hell auf gegen jede Seele, und zogen zum Heiland. Bald fingen die meisten Pastoren in der Synode an, Christum den Gekreuzigten zu predigen." Jener Pastor von Callies, von dem wir oben berichtet haben, wurde wegen Irrlehre abgesetzt. Aber das Wort Gottes

Durch alle dergleichen Erlebnisse erscholl das Gerücht des merkwürdigen jungen Pastors bald weit und breit durch die Umgegend. Meilenweit kamen die Leute namentlich Sonntags zu den Predigten; es ist vorgekommen, daß Kirchengänger aus der Gegend von Greifenberg, also sieben bis acht Meilen weit, zum Gottesdienst sich einfanden, um ihren Segen sich mit nach Haufe zu holen. Die Erbauungsstunden füllten sich, zum Sonnabend fügte sich bald der Donnerstag. Ein Augenzeuge berichtet, er habe nicht blos im Zimmer, sondern auch im angrenzenden und auf dem Flur die Leute Kopf an Kopf stehen sehen, so gedrängt, daß selbst Etliche noch vor den geöffneten Fenstern standen. Knak sprach vom Leiden Christi. Seine Ansprache war für alle Anwesenden so ergreifend, daß der Schlußvers: "Dein Seufzen und Dein Stöhnen und die viel tausend Thränen, die Dir geflossen zu, die sollen mich am Ende in Deinen Schoß und Hände begleiten zu der ew'gen Ruh," von allen mehr herausgeweint, als gesungen wurde, ein Eindruck, fügt der Berichterstatter hinzu, den er nie in seinem Leben werde vergessen können. — Deshalb wollte hernach jeder kommen; die Frauen erzählen noch heute, sie hätten nie so schnell wie damals


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ging mit Macht einher und es blieben hier und da die Fischlein hangen in dem von Knak ausgeworfenen Netz des großen Menschenfischers, daß sich sehr bald jener gegen seine Mathilde vor der Hochzeit schüchtern ausgesprochene Wunsch erfüllte, er hoffe, baff bald nach seinem Amtsantritt sich etliche der Seelen bekehren würden.

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Verhandlungen mit den Behörden.

Knak war noch nicht volle vier Wochen in Wusterwitz, alK er sich genöthigt sah (unter dem 11. Nov. 1834), sich gegen schwere wider ihn erhobene Anklagen vor seinem Superintendenten zu recht-fertigen.— Die Haupt-Anklage lautete darauf, daß er unerlaubte» ja gesetzlich verbotene religiöse Zusammenkünfte in seinem Hause abhielte. Knak berichtete, wie an jedem Sonnabend vor der Com-munion sich eine ziemliche Anzahl von Gemeindegliedern in seinem Hause versammelt hätten, wo er ihnen unter Gesang und Gebet unter Zugrundelegung einer Schriftstelle zu zeigen gesucht habe, wie sie würdig sich zum heiligen Abendmahl vorzubereiten hätten. Hierauf sei der Wunsch verlautbart, alle Sonnabende solche Erbauungsstunden zu haben, welchem Wunsche er natürlich gern entsprochen habe. Weil aber der Superintendent sich dahin ausgesprochen habe, daß solche häuslichen Erbauungsstunden nicht erlaubt seien, weil außerdem sein Haus bereits zu klein werde, um alle zu fassen, so bitte er gehorsamst, beim Consistorio zu beantragen, daß er diese Erbauungsstunden in der Kirche fortsetzen dürfe. Dazu gebe er vier Gründe an: 1) seine Gemeinde sei religiös und sittlich so verwildert, daß ihnen die heilige Schrift großentheils ein verschlossenes Buch geblieben sei, sie also des Unterrichts sehr benöthigt seiend 2) während die Sonntage nur zur Erklärung der Pericopen ausreichen, möchte er auch Zeit haben, den Katechismus und fortlaufende Stücke der Schrift den Leuten auszulegen und sie zugleich anzuleiten, wie sie sich zu Hause aus der Schrift selbst erbauen

könnten; 3) manchen Gemeindemitgliedern, z. B. Hirten, die Sonntags durch ihren Beruf verhindert seien, zum Gottesdienst zu kommen, wolle er doch auch Gelegenheit Zur Belehrung und Erbauung bieten; 4) der Prediger habe die Aufgabe, seiner Gemeinde »den ganzen Heilsrath des HErrn auszulegen, und dazu seien ihm solche außerordentliche Erbauungsstunden als Hülse zu den sonntäglichen Predigten sehr erwünscht. Dann fährt er fort:

"Nachdem ich Ew. Hochwürden aus diesen vier Gründen, wozu noch das ohne Zweifel von Gott gewirkte Verlangen Vieler in der Gemeinde nach dieser Erbauungsstunde kommt, in Kurzem vorgelegt und auch oben "schon die Art und Weise, wie ich dieselbe bisher gehalten, näher bezeichnet habe, so bleibt mir nichts übrig, als Sie im Namen unsers Herrn und Heilandes Jesu Christi aufs Innigste zu ersuchen, daß Sie jenen meinen sehnlichsten, aus dem klaren Bewußtsein der von mir übernommenen großen Amtspflichten und aus dem herzlichsten Mitleid mit den meiner Pflege befohlenen, in großer geistlicher Finsterniß befindlichen theuren Gemeindegliedern entstandenen Wunsch bei einem Königl. Hochw. Consistorio, Ihrem freundlichen Versprechen gemäß, gütigst unterstützen und hochdasselbe um recht baldigen geneigten und günstigen Bescheid in meinem Namen ganz gehorsamst bitten wollen.

Indem ich Ew. Hochwürden nun noch schließlich das heilige Versprechen gebe, unter Gottes gnädigem Beistände meinerseits aufs genaueste dafür zu sorgen, daß diese Erbauungsstundcn nie zu einem gegründeten Tadel oder Vorwurf die Veranlassung werden, verharre ich, in der Hoffnung «irrer baldigen erwünschten Antwort, hochachtungsvoll

Ew. Hochwürden ganz ergebener Diener

Knak,

Pastor zu Wusterwitz."

Auf dieses Schreiben gestattete das K. Consistorium unterm 42. März 1835 in einem den Eifer des Pastors für das Reich Gottes lobenden Schreiben die Sonnabend-Erbauungsstunde in der Kirche, ermahnte aber zugleich zu christlicher Besonnenheit, Weisheit und Milde.

Im nächsten Jahre hatte Knak die Synodal-Arbeit zu liefern. Gr wählte das Thema: "Gedanken über die spezielle Seelsorge" und führte, anschließend an Baxter auf Grund von Apstg.M, 28 und Hefekiel 34, 2—4 den Gedanken aus, daß der Geistliche, wenn

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er sich nicht schwerer Sünden und Straffälligkeit schuldig machen wolle, mit jedem Einzelnen seiner Heerde über seine Seele sprechen und ihm den Weg zur Seligkeit zeigen müsse; daß er dazu Erbauungsstunden und Besuche in den Häusern benutzen, auch in den Filialen regelmäßige Gottesdienste halten, und zu dem Zweck ab und zu ganze Tage dort sich aufhalten müßte. Er klagte in seiner bekannten Weise sich selbst an, noch lange nicht treu genug dieser seiner Amtspflicht nachgekommen zu sein, und wies daraus hin, daß wenn das Werk für Einen zu groß sei, man darauf Bedacht nehmen müsse, die Parochien zu theilen oder wenigstens dem Pastor einen Hülfsprediger zuzugesellen. Er forderte alle Anwesenden auf, ebenfalls sich selbst in Bezug auf diese Pflicht vor Gottes Angesicht zu prüfen, und namentlich auch darüber sich klar zu werden, ob man selbst so zn Christo stünde, daß man in Ihm dem Sohne Gottes aus fester Ueberzeugung den Grund aller Hoffnung und alles Heils erkenne. Im Einzelnen bat er, namentlich die Abendmahlsfeier und Beichtgespräche als geeignetste Handhabe zur Anknüpfung eines seelsorgerischen Verkehrs fleißig zu benutzen, die Kirchenzucht ernst zu handhaben, und sich zu all dieser Arbeit, ähnlich wie der Missionar seiner Nationalgehülfen, der Mitarbeit der Kirchenältesten, Lehrer, Vorsteher und hervorragender Laien zu bedienen; besonders aber den Schullehrer heranzuziehen und die Schule, als die Heranwachsende Gemeinde, in besondere Pflege zu nehmen.

Diese Gedanken, so selbstverständlich sie in sich sind, waren den Meisten, namentlich den älteren Geistlichen, neu und fremd» und stießen daher auf so lebhaften Widerspruch, daß Knak, um dem heftigen Streit, der sich in der Discussion entspann, zu entgehen, das Zimmer verlassen und die Rückreise antreten mußte.

Im Jahr 1836 sah sich Knak wieder in der Lage, sich gegen die Anklage, daß er außer den erlaubten kirchlichen Andachtsstunden noch Privat-Zusammenkünfte in seinem Hause, und zwar an den Donnerstag-Abenden, halte, verantworten zu müssen. Er that dies unter dem 1. Juli des Jahres in einer Schrift, die so vortrefflich geeignet ist, uns in seine ganze Amtsführung und seelsorgerische Gewissenhaftigkeit einen Blick zu eröffnen, daß wir sie hier vollständig mittheilen.

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Wusterwitz, I.Juli 1836.

Einem Königl. Hochw. Consistorio erwidere auf die geehrte Zuschrift vom 18. Juni d. I. zuerst hinsichtlich der Frage, ob ich außer den unterm 12. März v. I. genehmigten öffentlichen Erbauungsstunden am Sonnabend-noch andere Privaterbauungsstunden in meiner Wohnung halte, ich hierdurch ganz gehorsamst, daß schon nicht gar lange nach dem Beginn meiner hiesigen Amtsthätigkeit mich dann und wann, aber besonders an Winterabenden bald einige, bald mehrere meiner Gemeindeglieder besuchten, um an meinen täglichen Hausandachten Theil zu nehmen, und daß ich ihnen das um so weniger verwehren mochte und konnte, als mir ja bei dem sehr verwahrlosten Zustande meiner armen unbeschreiblich unwissenden Gemeinde auch neben den öffentlichen Gottesdiensten jede andere Gelegenheit äußerst willkommen sein mußte, wo ich ihnen näher treten und das theuerwerthe seligmachende Gotteswort ans Herz legen konnte. Zugleich aber gewann ich dadurch, sowie überhaupt durch den freien ungezwungenen Zutritt, den ich meinen Beichtkindern zu jeder ihnen gelegenen Zeit bei mir verstattete,, mit Gottes Hülfe recht bald ihr herzliches Zutrauen, welches doch ohne Zweifel eine Hauptbedingung für die gesegnete Amtsführung eines Predigers ist. Und der HErr sei hochgelobt, daß Er sich in Gnaden zu mir, seinem elenden Knechte, bekannt und die schwachen Bemühungen, welche ich auf die Unterweisung der meiner treuen Sorge anvertrauten, mir so fest aufs Herz gebundenen Seelen durch die Verkündigung des göttlichen Worts öffentlich und sonderlich bisher zu wecken gesucht habe, nicht ungesegnet gelassen hat; denn es ist der vorbereitenden göttlichen Gnade nicht nur gelungen, den äußerlichen, gar sehr verwilderten und rohen Zustand meiner Gemeinde im Allgemeinen augenscheinlich zu verbessern (was sich durch den sehr fleißigen Kirchenbesuch, sowie durch ein viel anständigeres und gesitteteres Benehmen bei der Mehrzahl aufs deutlichste kund giebt), sondern es sind auch durch die herzliche Barmherzigkeit Gottes schon so manche Seelen aus ihrem Sündenschlafe erweckt worden und nun in dem Suchen nach dem Einen, was noth ist, begriffen, theils aber auch durch aufrichtige Buße und lebendigen Glauben an den Herrn Jesum aus dem geistlichen Tode ins Leben gekommen, was an den Früchten des Geistes, die sie Hervorbringen, auf's unzweideutigste zu erkennen ist. Da es mir aber aus Gottes-Wort und aus der Erfahrung reichlich erwiesen ist, daß gerade solche neuerweckte oder bekehrte Seelen der ganz besonderen Leitung und Aufsicht von Seiten ihres Seelsorgers bedürfen, um von demselben mit den untrüglichen und schriftgemäßcn Kennzeichen der ächten Wiedergeburt, sowie mit den ihrem inneren Leben entgegenstehenden Gefahren immer mehr bekannt gemacht, vor den mancherlei Abwegen und Verirrungen, denen sie auf dem Himmelswege ausgesetzt sind, redlich und treulich gewarnt, in das. Verständniß des göttlichen Worts immer tiefer hineingeführt und zum eigenen gesegneten Gebrauch desselben näher eingeleitet zu werden,— so

fühlte ich mich seit einiger Zeit gedrungen, zu diesem so äußerst wichtigen und heilsamen Zwecke wöchentlich einmal diejenigen meiner Beichtkinder bei mir zu versammeln, an denen ich die Gnadenarbeit des heiligen Geistes und das Leben aus Gott zu bemerken die unaussprechliche Freude hatte. Bei dieser Zusammenkunft, welche gewöhnlich Donnerstags Abends, im Winter zwischen sieben und neun, in Sommer zwischen acht und zehn Uhr, in meiner Wohnung stattfand und woran bisher nur Jünglinge und Männer Theil nahmen, lag es mir nicht sowohl ob, eine eigentliche Erbauungsstunde zu halten, sondern ich ging dabei mehr auf katechetische Weise zu Werke. Nachdem ich vorher den HErrn im Namen Aller um Seinen gnädigen Beistand und um die rechte göttliche Weisheit angerufen, stellte ich den Versammelten gewöhnlich zuerst, nach Anleitung irgend einer passenden Schriftstelle, die Nothwendigkeit und die eigentliche Beschaffenheit der wahren Herzensveränderung vor die Seele und forderte sodann die Einzelnen auf, sich vor dem Angesichte des HErrn genau zu prüfen, ob es ihnen auch mit ihrer Bekehrung wirklich ein rechter Ernst sei, damit sie sich nicht selbst betrügen. Ich zeigte ihnen aus dem Worte Gottes, daß ihr Glaube, wenn er rechter Art sei, sich in guten Werken und in der Liebe thätig erweisen, und daß sie in Wort und Wandel die Tugenden deß, der sie berufen hätte von der Finsterniß zum Licht, verkündigen müßten. Ich sagte ihnen frei heraus, was ich Unrechtes an ihnen bemerkt oder von Andern erfahren hätte. Ich bat sie, mir ihre etwaigen Zweifel und Bedenklichkeiten über dieses oder jenes und ihren eigentlichen Herzenszustand ohne Scheu zu entdecken,— was denn auch die Meisten mit zu-trauensvoller Freimüthigkeit und Offenheit thaten. Ich ermahnte sie zur brüderlichen Liebe und zur Demuth, ich warnte sie vor allem lieblosen Richten und hielt ihnen vor, wie nothwendig der stete Gebeisumgang mit dem HErrn und die unermüdete Wachsamkeit des Geistes, sowie das fleißige und begierige Forschen in Gottes Wort zur Beförderung des Wachsthums ihres inneren Menschen sei; kurz, ich verpflichtete mich und die Anwesenden jedesmal aufs Neue zu einem heiligen und unsträflichen Wandel vor Gott in der Liebe und bat zuletzt wieder mit ihnen gemeinschaftlich den HErrn, ohne den wir ja nichts vermögen, um sein Gedeihen und seine kräftige Hülfe dazu. Von wie großem Segen aber diese Zusammenkünfte für mich und für Alle, welche ihnen beiwohnten, nun wirklich schon gewesen sind, wie Mancher, der da meinte, er hätte es schon ergriffen, wohl dadurch zu der wahren und tiefen Erkenntmß seiner selbst und der göttlichen Gnade gekommen ist, wie so manche irrige Begriffe durch diese gemeinschaftlichen vertraulichen Unterredungen berichtigt und wohl ein Jeder von uns zur ernsten selbstverleugnenden Nachfolge unseres himmlischen Meisters immer aufs Neue wieder ermuntert und gestärkt wurde: — das weiß der HErr, in dessen Namen wir beisammen waren, am besten, und Ihm allein gebührt daher auch dafür alle Ehre und alles Lob.

Was nun die Frage,— ob auch Mitglieder fremder Gemeinden zu

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meinen täglichen Hausandachten oder auch zu jener Privatversammlun) zugelassen werden?— insbesondere noch betrifft, so kann ich darauf nicht anders als mit Ja antworten. Es hatten sich nämlich schon bald nach» dem Beginn meiner hiesigen Amtsthätigkeit, und zwar anfangs ganz ohne daß ich es wußte, zu meinen Predigten sowohl, als auch bei meinen Sonnabends-Erbauungsstunden aus mehreren nahe gelegenen fremden Gemeinden nicht selten Mitglieder eingefunden, von denen denn auch einige von Gottes Wort, welches ich in Schwachheit verkündete, erweckt und zum Gefühl ihres verlorenen Zustandes gebracht wurden. Diese besuchten mich darauf auch einzeln mit der Frage: Was sollen wir thun, daß wir selig werden? Abweisen mochte und durste ich sie doch nicht; ich zeigte ihnen daher ganz einfach den Weg zum Heil, den sie denn auch durch Gottes Gnade meisten-theils betraten. Obgleich ich sie nun meinerseits zwar ernstlich ermahnte» den Gottesdienst in ihren Gemeinden ja nicht zu vernachlässigen, so konnte ich ihnen andererseits unmöglich verbieten, dann und wann auch meinem Hausandachten beizuwohnen, zumal da sie längere Zeit hindurch wegen eingetretener Vakanz gar keinen eigenen Seelsorger hatten; ja, ich hielt es sogar für meine Pflicht, mich dieser neuerweckten Seelen ebenso, wie derer aus meinen eigenen Gemeinden nach Kräften anzunehmen, damit sie nicht zu ihrem eigenen Schaden und zum Anstoß Anderer auf gefährliche Abwege gerathen oder doch in dem begonnenen Laufe wieder matt und träge werden möchten; und das war der Grund, weshalb ich auch ihnen gern erlaubte, jener Privatzusammenkunft am Donnerstage, so oft sie wollten und konnten, immerhin beizuwohnen. — Was denn auch für sie nicht minder, als für meine eigenen Beichtkinder, wie schon gesagt, jedesmal von Segen gewesen ist. Ich wiederhole hierbei übritzens nochmals, daß ich jene Mitglieder fremder Gemeinden jederzeit dringend ermahnt habe, den gottesdienstlichen Versammlungen in ihren Gemeinden sich ja nicht zu entziehen, und ich glaube mit Zuversicht behaupten zu dürfen, daß sie in dieser Hinsicht wohl ihren übrigen Kirchengenoffen zum Muster ausgestellt werden könnten. Schließlich bemerke ich noch, daß Collecten weder in den öffentlichen Sonnabends-Erbauungsstunden, noch in jenen Privatzusammenkünften am Donnerstage jemals gesammelt worden sind.

Indem ich nun die von Einem Hochw. Königl. Consistorio mir vor-gelegten Fragen hiermit wenigstens einigermaßen genügend hoffe beantwortet zu haben, bitte ich ganz gehorsamst um Verzeihung, wenn ich nachträglich noch einige auf den fraglichen Gegenstand bezügliche Bemerkungen freimüthig und ganz bescheidentlich hinzuzufügen mir erlaube. Ich glaube mich nämlich nicht zu irren, wenn ich die traurigen separatistischen Erscheinungen unserer Zeit, die einen jeden wahren Jünger des HErrn mit tiefer Betrübniß erfüllen müssen, sowie auch die Unordnungen, welche bei manchen der sogenannten Conventikel bisweilen stattgefunden haben, hauptsächlich davon mit herleiten möchte, daß leider wohl so mancher Prediger mit den seiner Pflege anvertrauten Gemeinden nicht in einem recht lebendigen

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Geiflesverkehr und in einer angemessenen, zutrauenerweckenden und innigen Herzensgemeinschaft steht. Wachen nun hie und da in den Gemeinden durch Gottes Gnade einige oder mehrere Seelen auf vom Sündenschlafe, „nd sie scheuen sich — aus Mangel an Vertrauen zu ihrem Seelsorger,, der ihnen entweder zu fern gestanden, oder sich vielleicht gar unvorsichtiger Weise dann und wann gegen die Schwärmerei (unter welchem Namen ja leider in unseren Tagen oft auch die wahre Herzensfrömmigkeit mitbegriffcn wird) aus eine feindselige Weise geäußert hat — demselben ihren Herzens-zustand zu eröffnen und sich seinen Rath zu erbitten, so ist ja die ganz natürliche Folge davon, daß sich solche Seelen dann, von einem tiefen Verlangen nach Mittheilung getrieben, au andere ihnen gleich gesinnte Personen anschließen und sich zu gewissen Zeiten versammeln, um miteinander von dem zu reden, wovon ihr Herz so voll ist, und da gerathen sie denn oftmals gewiß bei der besten Absicht, eben weil sie eines besonnenen Leiters und Hirten ermangeln, leicht in diese oder jene schädliche Jrrthümer und auf gefährliche geistliche Höhen,— wovor sie durch Gottes Gnade wohl wären bewahrt geblieben, wenn ihr Seelsorger sich derselben mit wahrer Hirtentreue angenommen, ihnen zur Befriedigung ihres Bedürfnisses nach außerordentlichen Erbauungen selbst alle Gelegenheit dazu dargeboten und sich so ihr Vertrauen auf alle nur mögliche Weise hätte zu gewinnen gesucht. Und ich bin daher fest überzeugt, daß dem separatistischen und sektirerischen Wesen in der Kirche mit Gottes gnädiger Hülse am besten dadurch entgegengewirkt und abgeholfen werden würde, wenn man den evangelischen Predigern — falls man es ihnen nicht zur Pflicht machen wollte — doch wenigstens volle Freiheit gäbe, auf den Unterricht und die Erbauung ihrer Gemeinden außer dem öffentlichen Gottesdienst, auch noch bei jeder anderen passenden Gelegenheit und wie Paulus sagt, zur Zeit und zur Unzeit bedacht zu sein.

Dadurch könnte dann gewiß ein recht evangelisch freies und doch von aller Willkür sehr verschiedenes, wahrhaft köstliches Verhältniß zwischen den geistlichen Hirten und der ihnen anvertrauten Heerde entstehen, und die Einwirkung des Beichtvaters auf die Beichtkinder würde unter Gottes Beistand eine viel kräftigere, tiefere und bleibendere sein. Nähme oder beschränkte man aber dem Seelsorger diese Freiheit, vorausgesetzt nämlich, daß er sie nicht anders, als mit der vom HErrn erbetenen Weisheit zur Ehre Gottes und zum Heil seiner Gemeinde gebrauchte,— und seine Beichtkinder, die bisher gewohnt waren, in aller Zutraulichkeit mit ihrem Prediger umzugehen, erführen dies — wie leicht könnten sie dadurch eingeschüchtert und blöde, wie leicht das zarte und innige Band zwischen ihnen und ihrem Hirten wenigstens loser gemacht, den Verächtern des göttlichen Worts aber eine neue Veranlassung gegeben werden, die wahre Frömmigkeit und die gemeinschaftlichen Erbauungen als eine vom Staate verboiene und heimliche Sache zu verdächtigen und sich selbst gegen das Wort des HErrn immer mehr und mehr zu verhärten.

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Indem ich Ein Hochw. Königl. Conflstorium nun nochmals ganz ge- ! Horsamst ersuche, mir diese ganz bescheidenllichen Bemerkungen, zu denen 1 ich mich theils durch die Wichtigkeit des Gegenstandes, theils aber auch durch die in jener geehrten Zuschrift vom 18. Juni enthaltene gütige Auf- j forderung zur näheren Darlegung meiner Ansicht über diese Sache gedrun- z gen fühlte, geneigtest zu verzeihen und mit Nachsicht zu beurtheilen, trage j ich meinen Hochwürdigen Herren Vorgesetzten zugleich noch im Namen des 1 HErrn die ebenso dringende als ganz ergebenste Bitte vor, mir doch bei z der Verwaltung meines hochwichtigen und verantwortungsvollen Amtes ! zu allen dazu erforderlichen, in Gottes Wort uns angegebenen seelsor- z gerischen Hülfsmitteln, wozu ich vornehmlich jene gesegnete Priv tzusam- z menkunft am Donnerstage rechne, Ihre hohe Genehmigung geneigtest nicht i zu versagen; gelobe aber auch meinerseits dabei feierlich, daß ich, soweit I mir Gott Gnade giebt, in meiner Gemeinde jederzeit auf die Erhaltung z der bestehenden Kirchenordnung sorgfältiglichst bedacht und nach Kräften 1 bemüht sein will, Alles zu vermeiden, wogegen irgend eine gerechte Klage ß könnte erhoben werden.        V

Das Consistorium antwortete unter dem 23. Sept. in einer ! freundlich eingehenden Weise, erkannte den Eifer und die Erfolge > Knaks mit warmen Worten an, billigte auch im Allgemeinen sein 1 Vorgehen, gab aber doch ernste und gewichtige Rathschläge seiner ! Erwägung anheim. Er müsse, da die Donnerstags-Erbauungs- ! stunden doch ausschließlich nur für die Erweckten bestimmt seien. Z doch sehr wohl bedenken, daß er dadurch einen Unterschied in der « .Zahl seiner Gemeindeglieder constatire, der die nicht Erweckten! leicht in eine feindliche Stellung drängen und überhaupt den Grund 1 zu Zwistigkeiten abgeben könne, abgesehen davon, daß diese Er- ! .weckten leicht hochmüthig sich erheben und dann eigene separatistische f Wege gehen könnten. Er möge bedenken, daß zu eilende Schritte ohne die nöthige Zeit des allmählichen Wachsens leicht zu Frühreife j führten, und daß das Heranziehen von Gemeindegliedern anderer ! Parochien doch leicht die kirchliche Ordnung gefährden könne. I

Knak fühlte sehr wohl, wie richtig die vom Consistorio erho- ! denen Bedenken waren. Er hatte selbst schon bittere Erfahrungen ! mit solchen machen müssen, denen er zu früh vertraut hatte, und I die hernach als unlauter sich erwiesen. Eines Tages z. B. kam > zu ihm ein ganz zerlumpter Vagabond. Knak jammert sein, er ! zieht ihm seine schlechte Kleidung aus, läßt ihn gründlich reinigen, ! kleidet und speist ihn leiblich und unterweist ihn in Gottes Wort.!

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Der arme Mensch schien gerettet; er betete und arbeitete, bekannte seine Sünde und seine Liebe zum Heiland. Knak gewinnt Vertrauen zu ihm und schickt ihn eines Tages mit einem Geldbrief in die Stadt, und der arme Mensch ist mit sammt seinem Geldbrief verschwunden. Ein ander Mal nahm er sich eines ganz verkommenen Lehrers in ähnlicher Weise an. Auch hier schien die Rettung gelungen; der Lehrer wandelte als ein nüchterner Christ Jahre lang in aller Treue, empfing auch auf Knaks Verwendung wieder eine Lehrerstelle. Auf dieser arbeitete er auch noch Jahre laug in Treue, entbehrte aber der geistlichen Nahrung und Pflege und — fiel in die alte Sünde zurück, so daß das letzte mit ihm ärger wurde, als das erste gewesen war. Auch an manchen Erweckten, die er besonders bevorzugt hatte, mußteer schmerzliche Erfahrungen machen. Denn die Gabe der Menschenkenntniß und der Unterscheidung der Geister wohnte ihm nicht in besonderem Maße bei. Er hielt gewöhnlich die Leute für besser, als sie waren, und erlebte darüber manche Enttäuschung. So nahm er also die Warnungen des Con-sistorii mit demüthigem Dank auf, berichtete, daß ihm selbst manches Bedenkliche in der bisherigen Art und Weise seiner Donnerstagsstunden aufgestoßen sei, daß er also diese Stunden — wenn auch nicht plötzlich aufheben, so doch allmählich aufhören lassen werde. Zugleich zeigte er an. daß, weil die Kirche in Gersdorf akustisch so schlecht gebaut sei, daß der Prediger nicht leicht von Allen verstanden werde, und weil die Alten ohnehin die dortige Kirche nicht besuchen könnten, er alle zwei bis drei Wochen in dem Schulhause zu Gersdorf für diese Alten und Schwerhörenden eine Erbanungs-stunde halten werde, von der er dann freilich die anderen, die hin-zukommen würden, nicht ausschließen könne.

Ein Bescheid auf diese schriftliche Aeußerung Knaks liegt nicht vor. Daß aber die Gegner nicht ruhten, ist daraus ersichtlich, daß unter dem 16. Juli 1837 Knak wieder in der Lage sich befand. sich gegen seinen Superintendenten zu verantworten über sechs Punkte, über welche beim Consistorio Beschwerde geführt worden sei: 1) Er habe die Donnerstag-Abend-Erbauungsstunden in seinem Hause dennoch fortgesetzt, auch auswärtige Gemeindeglieder daran theilnehmen lassen; 2) er halte eine Missionsstunde in der

K«ak. 3,Aust.        9

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Kirche, und sammle in derselben eine Collekte, und daneben noch eine Hauscollekte in der Gemeinde; 3) er bediene sich öfters auf der Kanzel harter Ausdrücke gegen die Ungläubigen; 4) der Küster Hoppe ahme ihm hierin in der Schule nach; 5) die Erbauungs-stnnden im Hause und in der Kirche fingen oft erst in der zehnten Stunde an, so daß das laute Singen der Ankommenden und Abziehenden die Nachtruhe störe; 6) das Läuten zu den Sonnabend-Abendstunden erschrecke die Nachbarn, so daß schon einmal die Feuerwehr eines Nachbardorfes ausgerückt sei.

Knak beantwortete die sechs Punkte unter dem 21. Juli desselben Jahres eingehend: aä 1) die alte Erbauungsstunde des Donnerstags, wozu nur die Erweckten geladen seien, habe er ein-gehen lassen, dagegen Niemand aus seiner Gemeinde gewehrt, sich bei der Hausandacht, die er mit seiner Familie halte, zu betheiligen» er glaube dazu einer besonderen Genehmigung nicht zu bedürfen. Allerdings sei es traditionell geworden, daß die Leute besonders häufig am Donnerstag Abend sich einfänden; er werde sie bitten» sich mehr auf sämmtliche Abende zu vertheilen. — aä 2) In Wusterwitz bestehe ein Missionshülfsverein, dem als solchem Missionsstnnderr und Collekten ja zuständen; — aä 3) daß er auf der Kanzel die Sünde hart strafe, stelle er nicht in Abrede, das habe aber der Herr Jesus und die Apostel auch gethan. Er strafe übrigens nicht anders als aus Liebe und oft unter Thränen und locke die Sünder zu Jesu, so daß oft seine ärgsten Widersacher die ersten wären, ihn an ihr Krankenbette zu rufen um Trost; — aä 4) der Küster Hoppe sei ein bescheidener Mann» der durch seine musterhafte Amtsführung die Schule in kurzer Zeit so gehoben habe» daß er sich der allgemeinsten Anerkennung und Achtung erfreue; — aä 5) daß er seine Erbauungsstunden erst in der zehnten Stunde anfinge, sei nicht wahr; in Erntezeiten, wo die Arbeit erst um 8VZ Uhr aufhöre, sei es wohl vorgekommen, daß die Andachtstunde erst um 8^/4 oder 9 Uhr begonnen habe. Beim Nachhausegeheu sei niemals auch die geringste Unordnung vorgekommen oder die Nachtruhe gestört; — uä 6) die Feuerglocke sei die große Sturmglocke, zu den Abendstunden aber werde mit der kleinen Glocke geläutet. was die Ortspolizei niemals gemißbilligt habe; auch sei nie dadurch Feuer-Alarm entstanden.

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Ein Entscheid auf diese Antwort erfolgte von Seiten des K. Consistorii nicht. Knak wies seine Gemeindeglieder an, lieber sich auf alle Abende der Woche zu vertheilen, erzielte aber damit nichts weiter, als daß alle Leute von jetzt alle Abende in gleicher Anzahl sich einfanden. Im Januar 1839 erfolgte noch eine die Privaterbauungsstunden betreffende Verfügung des K. Consistorii, die aber ziemlich allgemein gehalten war. Dann brach diese Korrespondenz über die Erbauungsstunden ab, und zwar, wie Kmrk in Freundeskreisen später erzählte, in folgender Weise:

Knak hatte einst eine Predigt ausgearbeitet, in der er die Sündlichkeit des Kartenspiels darlegen wollte. Am Abend vor der Predigt erhält er die Anzeige, daß ihn ein Mitglied der Provinzialbehörde besuchen werde. Er erräth sofort, daß dasselbe gesandt sei, um einer Predigt von ihm prüfend beiznwohnen. Da entspinnt sich in seinem Herzen ein Kampf; er wußte, daß jener Herr in seinen geselligen Abenden auch ab und zu einen Kartentisch aufsetzte. Sollte er gerade morgen in dessen Gegenwart so ausführlich davon reden? Er fragt seine Mathilde, und erhält die Antwort: "Bleib bei dem, was dir der HErr für morgen gegeben hat. Du hast es dir ja vom HErrn erbeten." Auf diesen Rath läßt er alle seine Bedenken schwinden: Er hält seine Predigt so frisch und frei wie immer. Nach dem Gottesdienst kommt genannter Herr zu ihm in seine Wohnung, fällt ihm um den Hals und dankt ihn: in warmen Worten für den reichen Segen, den er von der Predigt gehabt habe. Seit dem Tage ist die Behörde nicht wieder gegen ihn wegen seiner amtlichen Führung eingeschritten. Die regelmäßigen Visitationsbescheide, die nun folgen, sind des Lobes und der Anerkennung voll. Merkwürdiger Weise findet sich unter ihnen fob durch Zufall oder Versehen) eine Verfügung der K. Regierung zu Cöslin vom 14. Dez. 1848, welche zum Kampf und Zeugniß wider die Umfturzpartei in der Presse ermahnt. In den Superinten-dentur-Akten aber, die dem Herausgeber nicht zugänglich waren, sollen sich aus der ersten Zeit noch die Berichte der Gensdarmen befinden, die in die Erbauungsstunde gesandt wurden, um die Mitglieder aus fremden Parochien, die etwa zugegen waren, aufzuzeichnen.                

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25.

Der Pastor und der Candidat.

Die Kämpfe und Arbeiten der ersten Amtsjahre hatten Knaks Gesundheit dermaßen erschüttert, daß er 1838 eine schwere Krankheit durchzumachen hatte. Er genas zwar, war aber in den folgenden Jahren den großen Anforderungen, die sein Amt an ihn machte, mit seiner gebrochenen Kraft nicht zu genügen im Stande. Er wandte sich zu Ostern 1839, wo er am Charfreitag und ersten Feiertag je vier Mal und am zweiten Feiertage je drei Mal zu predigen hatte, an den Candidaten Sondermann in Cammin um Hülse für das Fest. Dieser verwies ihn an seinen Freund, einen andern Candidaten, Heinrich Wittenberg, dessen Heimath in der Nähe von Wusterwitz lag. Wittenberg war frommer Eltern Kind, und hatte selbst schon den Weg zum Frieden in Christi Wunden gefunden, obgleich er als kaum vor Jahresfrist von der Universität abgegangener Candidat der väterlichen Erziehung Zum Amte noch benöthigt war. Er konnte Knak den begehrten Liebesdienst zum öftern leisten, konnte auch beim Ordnen seiner Akten ihm behülflich sein; aber rührend und ergreifend ist es, mit welcher Liebe und Treue Knak dem jungen Mann seine Dienste lohnte.

Er stellte sich mit ihm trotz der Verschiedenheit der Jahre von vornherein gleich, und der erfahrene Pastor suchte bei dem jungen Candidaten nicht blos amtliche Unterstützung, sondern auch Hülfe in der Fürbitte und ein verstehendes Herz für seine innerlichen Erlebnisse. Auf diesem Wege der demüthigen Liebe, die sich selbst geringer achtet, als den Nächsten, fand Knak den Zugang zu dem Herzen seines Heinrich, dem er ein treuer Führer in die Aufgaben des Amts hinein wurde. Selten wohl hat ein im Amt bereits erfahrener Pastor einem Candidaten so viel gegeben, als Knak seinem geliebten Heinrich Wittenberg.

In seinem ersten Briefe schreibt er an ihn:

"Obgleich ich Sie von Angesicht noch nicht kenne, so sind wir doch im Geiste so innig bekannt und durch des Lammes Blut so nahe verwandt, daß ich mit vollem Zutrauen glaube, an Sie schreiben und Sie um einen Liebesdienst bitten zu können          Ist es Ihnen irgend möglich, so helfen

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Sie mir als einem der Geringsten unter den Knechten des HErrn in Seinem

seligen Dienste          Der HErr aber wolle uns salben mit Seinem Geiste,

daß wir das Wort von Seinem Kreuz und das Wort von Seiner siegreichen Auferstehung einfältiglich den armen Seelen, die Er erkauft hat, verkündigen können. Bitte, bitte, kommen Sie, so der HErr will, an das Herz eines blutarmen Sünders, der Gnade funden hat im Blute des Lammes und nun nichts weiß, als Jesum den Gekreuzigten. Friede sei mit Ihnen und Freude in Dem, der unseres Lebens Leben und unser Ein und Alles ist!"

Wittenberg folgte der Entladung. Knak nahm ihn mit offene:: Armeil auf und er hatte von diesen: erstell Besuche einen unaussprechlichen Segen. Er fuhr mit Knak auf die Filiale, uud wurde von dessen Predigten und herzstürmenden Gebeten, so wie von den Erbaunngsstuuden bei Kunkel und dem Küster Hoppe tief erschüttert. Das Familienleben Knaks, sowie dessen Verkehr mit der Gemeinde, deren Glieder er Alle mit Du anredete, das Wallfahrten der Gemeindeglieder von Filiale zu Filiale, die Gespräche und Gebete mit Knak, der dem jungen Candidaten sofort das Du anbot, überwältigten ihn: Er schreibt in sein Tagebuch: "Solch ein Freund! Welchen Segen habe ich in Wusterwitz gehabt durch den Umgang mit solcher Gemeinde, die ganz den: HErrn lebt in den anser-wählten Gliedern! Ich nahm ein volles Herz mit; denn so etwas hatte ich noch nie erlebt!" — Auf der Rückreise begleitete ihn Kuak über Wusterbarth, wo er predigte, nach Polzin, woselbst sich in: Hause des Zimmermeister Schwark sofort eine große Zahl suchender Seelen zur Erbauungsstunde einfand.

Von jetzt ab knüpfte sich ein enges Freundschaftsband zwischen dem Pastor und dem Candidaten, welcher bereits nach Jahresfrist wieder den gewünschten Aushülfedienst am Osterfest leisten durfte.

Aus den Briefen Knaks an seinen "Heinrich" können wir uns nicht versagen, einige Mittheilungen zu machen, die eben so sehr von seiner Demuth, als von seiner erziehenden Weisheit Zeugniß geben.

Unter dem 5. Juli 1839 schreibt er:

"Nun aber muß ich für diesmal schließen, mein theures Herz, und bitte Dich nur noch schließlich, meiner recht oft vor dem HErrn zu gedenken; denn so überaus köstlich und herrlich mein Amt ist, so schwer und verantwortungsvoll ist es auch und bedarf des anhaltenden Gebets und der brüderlichen Fürbitte aufs Allerdringendste. Ach, daß ich doch treu erfunden würde!"

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9. Juni 1841. — "Gedenkst Du auch meiner dann und wann, wenn Du Sein Antlitz suchest? Ach, ich möchte mich Dir gerne so recht fest auf die Seele binden. Bitte Ihn doch, daß Er aus mir, da ich nichts bin, etwas mache zu Seinem Preise, daß ich Ihm doch zur Ehre werde und zur Freude und allewege aufsehe auf Ihn den Anfänger und Vollender des Glaubens. O mein Heinrich! Möchten wir doch allezeit lauschen auf die leiseste Stimme des heiligen Geistes und uns leiten lassen jeden Schritt von den seligen Gnadentrieben des werthen Trösters, der so übermütterlich treu ist in Seiner Gnadenzucht! Wie viel leichter würde uns dann der Kampf des Glaubens werden! Wie würden wir in der Kraft des Blutes Christi einen Sieg nach dem andern gewinnen und immer festeren Schrittes fortpilgern über Berg und Thal, durch Dorn und Hecken nach dem Jerusalem, das droben ist! Nun aber muß ich für diesmal schließen, du lieber theurer Herzensbruder! O wenn ich Dich hier hätte und wir könnten uns zusammen laben an dem Gnadenbrünnlein unseres Jesu, welches Wassers die Fülle hat, — wie köstlich sollte das sein und wie würde Er unsere Herzen so brennend machen! — Aber vor dem Throne der Gnade wollen wir uns oft zusammenfinden; nicht wahr, Du theures Herz!?"

31. März 1843. — "Vor einigen Tagen wandelte ich an dem Orte des Parks, wo wir Beide gewöhnlich spazieren zu gehen pflegen, allein, und doch nicht ganz allein umher. — Da bewegte sich Vieles in meiner Brust,— da gedachte ich Dein sehr lebhaft und es zog mich unwillkürlich nieder auf die Kniee und ich konnte Dich, wenn auch in Schwachheit, sammt allen Deinen Sorgen an das mitleidige Hohepriesterherz unseres Jesu legen. O daß Du's gespürt hättest, Du theurer Herzensbruder! Sorge doch nichts, Du liebes Herz! Jesus sorgt ja für Dich — warum willst Du thun, was Deines Amtes nicht ist, und Dich beschwert und peinigt? O befiehl dem HErrn Deine Wege und hoffe auf Ihn, Er wird es wohl machen."

26. März 1844. — Wie kannst Du aber denken, mich durch Deine Bemerkungen verletzt zu haben, Du liebes, theures Bruderherz. Nein, nein — unsere Liebe ist durch Jesu Blut stark, wie der Tod und unser Liebeseifer fest wie die Hölle. — Du hast mir ja die Wahrheit gesagt, und ich bitte und beschwöre Dich, mir dieselbe me vorzuenthalten, auch wenn sie mir anfangs vielleicht sehr bitter wäre; — Du thust mir damit den größten Liebesdienst und hilfst mir kreuzigen mein Fleisch, das leider noch immerdar gelüstet wider den Geist. Du bist mein süßes Herz und wirst mir Aermsten wachen und beten helfen, daß ich halte, was ich habe, auf daß Niemand mir die Krone raube. Besonders bitte den süßen HErrn, daß Er mich immer geringer mache in meinen Augen, daß ich an dem Segen, den Er mir aus freier Gnade schenkt, nur ja nie, nie — wenn auch noch so verborgen — meiner Treue, die vielmehr Untreue heißen mag, auch nur das Allermindeste zuschreibe; denn mir gebühret nichts als Schmach und Schande, und das hat mir bündig Sein heilger Geist ge-


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zeigt. O wie es mir so unaussprechlich wohl thut, zu wissen, daß liebe theure Bruderhände sich für mich Elenden aufheben zum HErrn, um mir Seine Gnade zu erflehen und mich vor dem Fall zu bewahren."

14. Febr. 1845.— Verzeih, daß ich nur einige flüchtige Zeilen Dir sende, denn ich stehe in voller Arbeit. — Du weißt: Etwas Verlorenes zu suchen, ist immer mühsam; aber um Jesu willen doch sehr selig, weil man die Ehre und Gnade hat, dadurch in die Fuß stapfen dessen zu treten, der gekommen ist, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist. O hilf mir beten, daß mein Reisen nicht umsonst sei, daß ich die Thränensaat nicht vergeblich ausstreue, daß eine selige Freudenernte daraus erwachse."

I.        April 1845. — Ach, daß ich nur recht gläubig beten könnte, und recht anhaltend und recht im Namen Jesu und im Vertrauen auf die Verheißungen Gottes, die in Ihm Ja und Amen sind — würde ich nicht die Herrlichkeit Gottes sehen? — Bete für mich. Du süßes Herz! Daß ich beten lerne wie Jacob und das cananäische Weib und Ihn nicht lasse, Er segne denn meine arme Gemeine zu seines Namens Ruhm und lasse Ströme fließen in der Dürre und Wasser in der Einöde. — Hüter, ist die Nacht schier hin? — Ist nicht sonst die ganze jetzige Christenheit gleich einer Wüste — nur hie und da eine Oase — ach und wie viele Millionen schmachten noch in den Banden des Satans und wissen nichts von Dem, der die Gefangenen erledigen kann! Ach und die Kinder der Christen, wie weit entfernt sind sie von der Taufgnade, wie verstockt ihr Sinn, wie fleischlich und entfremdet von dem Leben, das aus Gott ist! Was für Erfahrungen wirst Du davon noch machen, geliebter Bruder! Und wie wird Dein Herz oft bluten über dem Schaden Josephs! — Und doch auf Sein Wort werfen wir immer wieder und wieder das Netz aus; denn der in uns ist, ist stärker als der in der Welt ist, und unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat. Jesus kann auch aus Steinen dem Abraham Kinder erwecken — das wissen wir. Und wenn der Wind weht aus den vier Winden und die Gctödteten anbläst — werden sie dann nicht lebendig werden zu Seinem Preis? Darum wollen wir säen auf Hoffnung, du süßes, theures Bruderherz, und dabei mit vereinten Glaubenshänden die Füße Jesu umklammern und Ihn so lange anflehen, bis Er uns gnädig wird und den Himmel zerreißt und zu uns spricht: Euch geschehe, wie ihr wollt!

II.        März 1848. — Mich verlangt sehr, Dein Angesicht zu sehen» Dir um den Hals zu fallen und Dich mit Thränen zu bitten: Behalte mich lieb um des Blutes willen, das für uns geflossen ist und uns rein macht von allen Sünden; ach und beurtheile die Aufrichtigkeit meiner schwächlichen Liebe zu Dir nicht nach meinen Fehlern, Sünden und Untreue — ich denke, der Bund unserer Liebe ist unter dem Kreuz des Lammes geschlossen, und Seine Liebe ist der Fels, auf dem unsere Freundschaft ruht.


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Lebe wohl, mein theures Herz! Verzeih mir, wenn ich Dich irgendwie gekränkt haben sollte; aber glaube mir, daß Du mir unbeschreiblich theuer bist in dem HErrn! —

I.Juli 1848. — O wenn es Dir möglich wäre, mit Deiner Auguste noch vor dem Feste herzukommen und mir das theure Sakrament des Leibes und Blutes unseres hochgelobten HErrn zu reichen — wie dankbar wollte ich Dir sein — denn mich verlangt unaussprechlich nach dieser köstlichen Arzenei — mein armes Herz ist sehr matt und arm und dürr und mich dürstet sehr nach dem lebendigen Gott. Der HErr rechnet mit mir — und ich kann Ihm auf tausend nicht eins antworten; wohin ich blicke, sehe ich Schulden und Untreue, Versäumnisse und Uebertretungen. Der HErr zieht mich nackt aus. O Heinrich, wenn Sein Blut nicht wäre, ich müßte verzweifeln. Was ich nicht will, das thue ich, und was ich will, das thue ich nicht — o des schmerzlichen Kampfes zwischen Fleisch und Geist! Ach und wenn ich nur recht beten könnte! — aber mein Gebet ist so wenig inbrünstig — oft muß ich mich dazu zwingen, da es doch mein süßestes Geschäft sein sollte. Und in der Gemeinde — ach, da ist es so still, unter den Todtengebeinen ist kein Sich-Regen, die Gläubigen sind auch nicht recht munter: dazu kommen noch solche Seelenschmerzen wie des unglücklichen U.... unaussprechlich tiefer Fall. O Heinrich, bete für Deinen armen Gustav — wohl mir, daß unser Jesus die Gottlosen gerecht macht und Sich was Schlechtes zum Lustspiel erlesen hat. Jst's Dir irgend möglich, so komm und tröste mich — Du bist mein trauter Herzensbruder, ich weiß, Du weinst gern mit Deinem betrübten Bruder. Hengstenberg fordert mich zur angestrengtesten Thätigkeit auf und ich muß rufen: "Ach, was sind wir ohne Jesum, dürftig, jämmerlich und arm!" Meine Kraft ist lauter Ohnmacht! Zweierlei wünsch ich mir: daß ich möchte anhalten können am Gebet und am Wort. Der HErr wolle Seinem armen Kinde in Gnaden helfen. O daß meine Lenden recht umgürtet wären und meine Lampe recht hell brennete! Lebe wohl in Ihm, der unser Leben ist.

Mußten nicht diese, freilich auch schon in die erste Zeit der pfarramtlichen Wirksamkeit Wittenbergs hineinragenden Mittheiluugen aus dem innersten Seelen- nnd Amtsleben des treuen Knechtes Jesu sich wie Spieße und Nägel hineinsenken in das Herz seines jungen Freundes? Waren sie nicht die kräftigste Mahnung zur eigenen Buße, Demuth, Gebet, Fürbitte, Sorge um die anvertraute Gemeinde? Aber wenn Gustav in so ungeheuchelter Demuth so tief sich erniedrigen konnte, so mußten auf solchem Untergründe seine Ermahnungen an den jungen Candidaten, die sich aus diejenigen Gegenstände bezogen, die ein Candidatenleben besonders beschäftigen, Verlöbniß, Bewerbung um eine Stelle, erste Erfolge, Verhältniß

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zu älteren Amtsbrüdern, desto einschneidender werden. Wir theilen einige diese Punkte betreffende Stellen aus Knaks Briefen an seinen Heinrich mit. Sie dürsten Anderen ein Spiegel seim

Ueber das Eingehen eines Verlöbnisses schreibt er:

Aber ich kann nicht unterlassen, auf die sorgfältigste Prüfung vor Dem, der Herzen und Nieren prüfen und Fleisch und Geist zu unterscheiden allein uns zu lehren vermag, in zärtlichster Bruderliebe Dich zu verweisen und flehentlich zu bitten: Siehe wohl zu, daß Dich die Schlange nicht in der Gestalt eines Lichtengels beihöre. Ja, Herzensbruder! untersuche Dein Herz, das ja, wie das meine, leider immer den Irrweg will, auf's Allergenaueste, ob es nicht in dieser Angelegenheit dem Befehle des HErrn, das Auge, das uns ärgert, auszureißeu, wenn auch noch so leise und tief verborgen, zu widersprechen und auszuweichen sucht. Noch einmal beschwöre ich Dich, laß Deine Augen allein nach dem Glauben sehen, nicht nach dem, der etwa noch angezündet werden kann (denn das ist Gottes Werk allein), sondern nach dem durch Seine Gnade schon vorhandenen, und vergiß auch das Wort des heiligen Geistes nicht, das Er an die Weiber spricht: "Lieblich und schön sein ist nichts; ein Weib, das den HErrn

fürchtet, soll man loben"          später        : "Mir fällt bei solchen Fällen

meine traurige Erfahrung in Wusterhausen ein, die ich Dir früher einmal erzählte, und ich kann dem HErrn nicht genug danken, 1>aß Er mich vor Uebereilung bewahrt hat."

In einem Falle, wo durch die seelsorgerische Erweckung des Candidaten eine Frau, die in Anfechtung bei ihm Rath gesucht und gefunden hatte, zum Glauben erweckt war und der zuständige Pastor es hindern wollte, daß er mit ihr betete, schreibt Knak:

"Will der liebe N         vielleicht, daß Du in ähnlichen Fällen beküm-

merte Seelen zu ihm Hinweisen sollst, als zu ihrem eigentlichen Seelsorger, der ihnen ja auch zu rathen und mit ihnen zu beten wüßte? Ob aber die Seelen zu ihm denn dasselbe Zutrauen haben dürften, als zu Dir, zumal wenn der HErr Dich zum Werkzeuge ihrer Erweckung gebraucht hat — das ist wieder eine wichtige und bedenkliche Frage — und wie sonderbar würde es auch erscheinen, wenn Du eine Seele, die in ihrer Seelennoth sich zuerst an Dich wendete — ohne Dich gründlich auf ihren Zustand einzulassen und das selige Evangelium von der freien Gnade ihr zu verkündigen, ja auch mit ihr zu beten — von Dir weisen und bewegen wolltest, zu dem zu gehen, dem sie ja, wenn sie ein Herz zu ihm hätte, gewiß ohne Deine bestimmte Aufforderung ihre Noth geklagt haben würde? Nichts destoweniger ist es aber gewiß Deine Pflicht, aus-allen Kräften dahin zu trachten, daß die Seelen zu ihrem eigentlichen Beichtvater und Seelsorger Zutrauen und Liebe gewinnen, und er selbst

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wird ja doch wünschen und suchen, mit denjenigen von seinen Beichtkindern, M der HErr durch Dich oder durch ihn erweckt hat, in eine genaue und recht spezielle Verbindung zu kommen. Daß wir aber alle bei unserem Umgänge mit dem weiblichen Geschlecht, auch selbst wenn es um die heiligsten Gegenstände sich handelte, bei der großen Schwachheit unseres Fleisches nicht genug auf unserer Hut sein können — denn es giebt besonders, auch in dieser Beziehung unergründliche Tiefen des Satans,— das brauche ich Dir gewiß nicht erst zu sagen, mein theures Herz! Denn Du kennst ja Dein Herz, und weißt, was für ein böses Ding es ist, das immer den Irrweg will — wie der alte Widersacher umhergeht als ein brüllender Löwe — das weißt Du ja aus tiefster eigener Erfahrung und seine listigen Anläufe und feurigen Pfeile sind Dir nicht unbekannt. Der Herr Jesus aber wolle die liebe Fr. ganz aus Sein Blut gründen und sich mit ihr Verloben in Ewigkeit!"

Ueber die' ersten geistlichen Erfolge seines jungen Freundes schreibt er unterm 5. Febr. 1842:

Wie freuen wir uns mit Dir, Du lieber Herzensbruder! und preisen Seinen Namen, daß Er Dich so herrlich hält und Dir so süße Früchte Deiner Arbeit zeigt, die Dich aber gewiß zugleich in den tiefsten Staub beugen und zu dem Ausruf dringen: HErr, ich bin viel zu geringe aller der Barmherzigkeit ickd Treue, die Du an mir thust. Denn das wissen wir ja, mein theures Herz! daß nichts ist, der da pflanzet, nichts auch, der da begießet, sondern Gott, der das Gedeihen giebt. Auch pflegt der treue HErr, der unser armes Herz so gründlich kennt, es wohl so zu machen, daß Er uns nach großen Gnadenerweisungen treulich demüthigt und uns «allen Ruhm gänzlich auszieht. Denn "alles Andere," sagte kürzlich einmal der theure Major v. d. Dollen, "alles Andere will der HErr uns -geben, Sich selbst und Sein eigen Herz will Er uns schenken, — aber Seine Ehre giebt Er keinem Andern, die gebühret Ihm allein — uns aber nichts als Schmach und Schande."

Als es sich um die Bewerbung zu einer Stelle handelte, schreibt Knak:

"Daß Du ihn (den Patron v. d. Dollen in Koprieben) bittest, Dir diese Stelle zu geben, ist an sich gewiß nichts Unrechtes; aber wegen jener bestimmten Bedingung (daß ein bereits ins Auge gefaßter Candidat die Stelle nicht erhielte) rathe ich Dir doch, weil das Herz so unergründlich böse und das Auge so leicht ein Schalk ist, lieber ganz davon zu abstrahiren, und den HErrn kindlich anzuflehen, daß auch in dieser Sache Sein Wille geschehe. Nicht wahr, mein Bruder, Du wirst mich nicht miß-Verstehen? — Wer weiß, was der HErr Dir Vorbehalten hat? Aber sei getrost und harre des HErrn. Seine Stunde kann bald schlagen, und Sein Name sei gelobt für Alles!"

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Wie glücklich konnte der junge Candidat sich schätzen, daß er eilten so treuen erfahrenen Berather hatte. Denn die schriftlichen Mittheilungen waren ja nur ein geringer Theil von dem, was bei den persönlichen Besuchen von Herz zu Herz ausgetauscht wurde. Die Predigten, die der Candidat in Wusterwitz seinem geliebten Freunde abnahm, sind ihm reichlich und überreich gelohnt worden durch die eingehenden Herzensgefpräche, die die Freistunden ausfüllten, und die Gebete, welche beide Freunde, bisweilen auch unterwegs, wenn sie miteinander zum Filial gingen, zum HErrn gemeinsam emporsandten. Bisweilen wurde auch wohl mit nahewohnenden Freunden ein Rendezvous verabredet nach einem von verschiedenen Orten her leicht erreichbaren romantisch gelegenen Ort "Mnfseen," woselbst Knak seine alte Jugendliebe zu schönen Aussichten befriedigen konnte. Aber der bunte Wechsel von Wald und Wiese, Wasser und Hügel allein befriedigte ihn nicht mehr. Auch der Naturgenuß mußte mit Wort Gottes, Gesang und Gebet gewürzt und dadurch geheiligt werden. Wir theilen aus Wittenbergs Tagebuch den Bericht über solches Begegnen am schönen Aussichtspunkte mit:

20. August 1841. — Als wir (Noack und ich) den gefährlichen Berg (bei Fünfseen) hinunter gefahren waren, und ich aussprach, ob denn unser alter Knak da sein möchte, trat er aus einem Versteck hervor; ich eilte vom Wagen, lag mit lautem Freudengeschrei in seinen Armen und an seinem Munde. Nachdem wir gegessen, wanderten wir um das linke Ufer des zweiten Sees am Abhange eines hohen Berges mit rechtem Herzensjubel; am Ausfluß des Sees lagerten wir uns, und stimmten Knaks Lied an: "O daß mein Herz ein Altar wär." Unsere Blicke waren auf den Wasserspiegel, auf den hohen mit Eichen und Birken bewachsenen Berg, welcher eine Treppe zum Himmel zu bilden schien, gerichtet, und die letzten Worte jedes Verses gab das Echo im wunderschönen langen Laut gleich einer Orgel wieder; die himmlische Gemeine schien uns zu antworten; vor Freude mußten wir öfter im Singen lachen (besonders Knak). Die Erde und ihr Jammer lagen hinter uns, wir waren zum HErrn erhoben. Wir zogen uns in ein schattiges Thal zurück und beteten, indem Knak das Wort führte. Darauf bestiegen wir den kahlen Berg, dem bewaldeten gegenüber, sangen: "Allein Gott in der Höh' sei Ehr," und das Echo antwortete noch viel schöner. Die Lage der Berge verstärkte unsere Stimme. Drei Brüder, Bewohner des benachbarten Hauses, stellten sich, von dem Gesänge gelockt, zu uns, und sangen ein Lied von Woltersdorf nach der Melodie "Lobe den HErren, den mächtigen König der Ehren"

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auf unsere Aufforderung mit uns. Nach längerer Ruhe besahen wir noch die drei andern Seen, die wir von einer Anhöhe überblicken konnten, und-sangen noch vier Strophen von "Ach bleib mit deiner Gnade."

Soweit die Mittheilungen aus dem Verkehr Knaks mit dem Candidaten Wittenberg. Anfang 1845 wurde derselbe Diaconus in Bublitz, woselbst ihn sein Gustav mit seiner ersten Frau zur Ehe einsegnete. Nachdem diese Lebensgefährtin von seiner Seite genommen wurde, und späterhin Wittenberg mit der von Knak wie ein eigenes Kind geliebten Pflegetochter, Marie Lubrecht, einer innigen hochbegabten Magd des HErrn, in den Ehestand getreten war, hat er an beiden seine innige Freude gehabt und ihnen zum Lebensspiegel nicht blos das Lied: "O wie selig sind die Seelen" zugesandt. sondern seinem eigenen Miterleben der seligen Freude des verlobten Paares, als er mit ihnen am 28. Febr. 1856 von Werder nach Jüterbog reiste, unterwegs Ausdruck gegeben in dem Verse r

O ihr felgen Beide,

Die der HErr vereint,

Und auf die erbarmend Seine Liebe scheint,

Freut euch recht von Herzen Des getreuen HErrn!

Jauchzt in heilger Wonne!

Denn das sieht Er gern! —

26.

Der Pastor und der Kirchenpatron.

Der Besitzer von Wusterwitz, Oberstlieutenant v. Wolden, wav ein alter biederer, wohlwollender braver Mann, eine ehrenwerthe Persönlichkeit, die das Gute wollte, aber ausgewachsen in den rationalistischen Anschauungen seiner Zeit. Derselbe konnte sich dem Eindruck nicht verschließen, den die ans Wunderbare grenzende Umwandlung seiner Gemeinde auf jeden Unbefangenen machen, mußte. Er sah eine Gewalt, von der er keine Vorstellung sich

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machen konnte, er sah» daß sie von den Predigten und der Seelsorge seines Pastors ausging und schätzte denselben sehr hoch, hörte auch gern seine Predigten ; aber vor dem evangelischen Geist der Buße und des Glaubens schloß er sein Herz zu. Knak hat nicht nachgelassen mit Bitten und Fürbitten und eindringlichen Ermahnungen, die bis zu scharfen Kämpfen sich steigerten. Aber das Wort Gottes fand keinen Eingang. "Was sagen Sie dazu, mein lieber Herr Prediger?" sprach er einmal zum Pastor Görcke, "mein Pastor sagt es mir immer geradezu ins Angesicht, ich müßte mich bekehren, ich könne so. wie ich bin, nicht selig werden." Bei allemdem konnte Herr v. Wolden seinem Pastor, den er fürchtete, die aufrichtigste Achtung und sogar eine gewisse zärtliche Liebe nicht versagen. Es ist mir berichtet worden, daß er, der starke Mann, einmal als Knak ihn besuchte, vor übergroßer Freude ihn auf den Arm genommen und mit ihm in der Stube umhergetanzt habe. Wenn dies mir nun gleich unwahrscheinlich ist, so ist das andere dagegen verbürgt, daß der Oberstlieutenant seine Kartenspielgenossen, die Gutsbesitzer aus der Nähe, dringend gebeten hat, das Eine müßten sie ihm versprechen, sollte Knak etwa eintreten, so müßten die Karten gleich unter den Tisch. — Wo er konnte, da machte er seinem Pastor eine Freude, und obschon es ihn Ueberwindung kostete, zum Kirchen-und Pfarrhausbau die nöthigen Gelder herzustrecken, so konnte er doch den wiederholten dringenden Bitten seines geliebten Pastors nicht auf die Dauer widerstehen. Seinen Park bot er, als die Mrche zu klein wurde, um die zum Missionsfest zuströmenden Gäste zu fassen, gern zum Festplatz dar. Einmal sollte Knak zu einem Missionsfest reisen, das Reisegeld mangelte. Abends wird er zu seinem Patron gerufen, um über eine Kirchenkassenrechnung eine Auskunft zu ertheilen. Nach kurzem Besuche entfernt er sich, hat schon die Thürklinke in der Hand, als Herr v. Wolden ihn zurückruft: "Herr Pastor, sind Sie auch wohl mit Reisegeld versehen? Ich fürchte, nicht; bitte, nehmen Sie doch dies!" und damit über-giebt er ihm einen Fünfundzwanzig-Thaler-Schein.

Dieses freundliche Verhältniß konnte dauern, so lange die übrige Familie des Patrons mit ihm in Bezug auf geistliche Dinge nicht verschiedenen Sinnes war. Anders gestaltete sich die Sache, als zuerst die Frau v. Wolden, durch die Predigten von Knak in

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ihrem Gewissen ersaßt, erkannte, daß sie nur durch die Vergebung der Sünden in Christi Blut selig werden könnte. Ihrem natürlichen Charakter widerstrebte die etwas stürmisch andringende Weise Knaks, und sie hatte auch nach ihrer Bekehrung an derselben etwas zu überwinden, allein ihr Gewissen und der tiefste innerliche Menschin ihr konnte sich vor der Macht der Wahrheit und des Wortes Gottes nicht verschließen und sie wurde eine tief ernste demüthige Jüngerin des HErrn.

Mochte dies ein neuer Stachel für den Oberstlieutenant sein?" Er versuchte wenigstens dagegen zu löcken und gab seinem Unwillen über die überspannte Richtung seiner Frau bisweilen einen lebhaften. Ausdruck. Als aber das alles nichts half, erwog er lebhaft den Gedanken, Wusterwitz zu verkaufen und nach Potsdam zu ziehen.

Bevor er diesen Gedanken aussührte, mußte er es erleben^ daß das neuangezündete Feuer auch seine übrigen Hausgenossen ergriff. Für seine Kinder hatte er eine Erzieherin, Fräulem Emma v. Hautcharnois, ein liebes frommes, religiösen Eindrücken zugängliches Gemüth, die mit größter Theilnahme die Gottesdienste in Wusterwitz besuchte und daraus reichen inneren Segen schöpfte. — Bei den seelsorgerischen Gesprächen, die Knak mit ihr führte, ergab es sich, was früher Niemand gewußt hatte, daß sie der katholischen Kirche angehörte. Aber es dauerte nicht lange, da wurde ihr die evangelische Wahrheit zu stark und sie mußte unter heißen Thränen um Aufnahme in die evangelische Kirche bitten. Knak hat die Geschichte ihrer Bekehrung seinem lieben Heinrich Wittenberg in einem Briefe mitgetheilt mit folgenden Worten:

Wusterwitz, 16. Nov. 1840.

"Freuet euch mit Mir, denn Ich habe Mein Schaf gefunden, das Ich verloren hatte."

Geliebter Bruder!

Ich eile, Dir eine Nachricht mitzutheilen, die uns Alle mit unaussprechlicher Freude erfüllt. Fräulein Emma v. Hautcharnois ist in den jüngst verflossenen Tagen durch die Gnade des treuen Heilandes, wie ich zuversichtlich hoffe, gründlich erweckt und zum Glauben an Sein theures-Verdienst gekommen, hat auch der römisch-katholischen Kirche bereits freiwillig entsagt und brennt vor Verlangen, in Gemeinschaft mit uns den wahren Leib und das wahre Blut Jesu Christi im heiligen Abendmahl.

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zu genießen. Die außerordentliche Veränderung, die mit ihr vorgegangen,, ist ein Wunder vor unfern Augen und Jesu Werk, ja Sein Gnadenwerk ganz allein, und Ihm, ja nur Ihm gebührt dafür aller Ruhm und alle Ehre. Schon lange, so erzählt mir das theure Fräulein, ist sie über den Zustand ihrer Seele in Unruhe gewesen, schon lange hat sie sehnlich gewünscht, sich mit mir darüber auszusprechen;— aber eine gewisse Scheu, und wohl auch die Bemerkung, daß ich absichtlich und aus bestimmten Gründen ein geradezu an sie gerichtetes Gespräch vermied, hielt sie bisher davon zurück; — meine armen Predigten Sonntags und Donnerstags besuchte sie jedoch, wenn es ihr irgend möglich war, regelmäßig und oft unter sichtbarer Bewegung ihres Herzens. Bisweilen ist ihr bei Anhörung des göttlichen Wortes so zu Muthe gewesen, daß sie laut hätte aufschreien und die Gefühle ihrer Seele öffentlich mögen kund werden lassen. So hat sie vor Kurzem nach einer Abendstunde, in der ich Allen, die unfern Herrn Jesum nicht lieb haben, das Anathema Maharam Motha zurief, eine sehr unruhige Nacht gehabt und die Worte: Fluch, Fluch! haben ihr immer im Sinn gelegen. Die feierliche Einsegnung der von mir vorbereiteten Kinder am 1. Nov. machte einen besonders tiefen Eindruck aus sie. Am vergangenen Montag, heut vor acht Tagen, erfuhr ich, als ich von einer kleinen Reise zurückgekehrt war, das Fräulein sei hier gewesen, und es habe ihr sehr leid gethan, mich nicht zu Hause zu treffen. Da nahm ich mir vor, am andern Tage Abends mit meiner Frau nach dem Hofe zu gehn (Oberstlieutenants sind nämlich schon seit 6 Wochen verreist) und dort etwas Erbauliches vorzulesen. Da aber die Witterung sehr ungünstig war, bat ich meine Frau^ lieber zu Hause zu bleiben und ging allein hin (ein Umstand, der, wie ich nachher erkannte, von großer Wichtigkeit war). Ich las eine schöne Betrachtung über die Veränderung des Herzens vor und machte, mich besonders an Bertha Achterberg wendend, einige herzliche und zur Selbstprüfung erweckende Bemerkungen dazu. Ich sprach von dem unergründlichen Elend des menschlichen Herzens und wie dasselbe nur durch Wirkung des heiligen Geistes erkannt werden könne, — ebenso wie das Wort vom Kreuz der Welt eine Thorheit sei, aber eine Gotteskraft denen,, die daran glauben. Emma hörte mit gespannter Aufmerksamkeit zu. Endlich konnte sie sich nicht länger halten und sagte mit tiefster Bewegung: ''Lieber Herr Prediger! das glaube ich ja Alles, kann ich denn in meiner Kirche nicht selig werden?" Ganz erstaunt über diese unerwartete Frage suchte ich derselben erst auszuweichen und nur auf das Herz des theuren Fräuleins näher einzugehen. Der HErr war mitten unter uns — jedes Seiner Worte traf das ohnehin schon verwundete Herz. Da sie aber mit Fragen über ihre Kirche in mich drang, so durfte ich nicht länger schweigen^ sondern stellte ihr in einigen scharfen Zügen die Grundirrthümer derselben, so deutlich es mir gegeben ward, vor die Augen. Sie war nun offen gegen, mich wie ein Kind, und ich sähe mit hoffnungsvoller Freude, wie das Helle Licht des göttlichen Wortes die Nebel und Finsternisse ihres Herzens immer:

'mehr zu durchbrechen fortfuhr. In der tiefsten Bewegung ihres Herzens verließ ich sie, nachdem mehrere Stunden in der Gegenwart des HErrn dahingeflogen waren. Am andern Morgen kam das theure Fräulein mit innerlich zerrissenem Herzen zu mir und suchte Trost und Stärkung. Sie hatte die ganze Nacht über gebetet, gekämpft, geweint, gerungen — ihr tiefes Sündenelend war ihr in grauenhaften Farben vor die Seele getreten. Der Gedanke an ihre verstorbene Mutter hatte sich wie ein Berg vor ihr Gemüth gelagert; — sie sah ein: So gehe ich verloren, und in allen ihren Zügen war die Frage zu lesen: Was soll ich thun, daß ich selig werde? — Der Herr Jesus schenkte mir Aermsten Gnade, dieses kranke Herz gerade zu Ihm hinzuweisen, der mit den Müden weiß zu rechter Zeit zu reden. Ich stellte ihr das Lamm Gottes vor's Gemüth und Sein Blut, das da rein macht von allen Sünden. Der HErr war uns nahe und ließ einige Tropfen Seines Gnadenthaues auf die arme Seele fließen. Wir beteten darauf beide miteinander und sie ging in etwas getröstet nach Hause. Nachmittags besuchte ich sie wieder; ihre Kämpfe hatten sich erneuert, sie war des Trostes sehr bedürftig. Aber der HErr hielt sie mit seinen durchgra-denen Händen und salbte meine sündigen Lippen, ihr immer wieder und wieder das süße Evangelium von Jesu dem Gekreuzigten zu verkündigen, welches eine Kraft ist, selig zu machen Alle, die an Ihn glauben. Ihr Herz wurde still und der Friede Gottes ging in ihr auf, wie ein Stern in finstrer Nacht. Nachdem wir wiederum gebetet hatten, verließ ich sie mit hocherfreutem Herzen in einem sehr beruhigten Seelenzuftande. Als ich am andern Morgen den 12. November zu ihr kam, mich nach ihrem Befinden zu erkundigen, trat sie mir mit freudestrahlendem Angesicht entgegen «nd nies mir zu: "Freuen Sie sich mit mir, ich kann glauben, ich bin selig. Schon gestern habe ich an meine Schwestern geschrieben und ihnen meine -Herzensveränderung und meinen Austritt aus der Katholischen Kirche angezeigt." Ihr Herz war so voll von der Gnade des HErrn, daß ihre Lippen davon überströmten. — Dies, mein theures Herz! ist eine sehr schwache Beschreibung des großen Wunders, das der HErr an dem theuren Fräulein gethan hat; — nun freue Dich mit uns und danke Ihm, dem aller Ruhm ganz allein gebührt. Theile aber auch dem lieben Hoffmann mit den herzlichsten Grüßen von mir diese Freude mit und bitte ihn, daß er fortfahre, dieser theuer erkauften Seele vor dem Gnadenthrone des Lammes zu gedenken, auf daß sie wachse und zunehme in der Erkenntniß Dessen, der da ist das A und O, der Anfang und das Ende.

Dieses unerwartete Ereigniß hat nicht wenig dazu beigetragen, -aß der Oberstlieutenant seinen längst gefaßten Entschluß, Wusterwitz zu verlassen, ausführte und zunächst zu vorübergehendem Aufenthalt nach Potsdam übersiedelte. Als Verwalterin seines Schlosses» gewissermaßen als Castellanin ließ er die sehr umsichtige und treue

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Frl. Bertha Achterberg zurück. — Aber es sollte nicht lange dauern, da wurde auch sie von der Macht des Wortes Gottes ergriffen.

Knak schreibt darüber an seinen Heinrich unter dem 7. Jan. 1842:

Doch nun habe ich Dir noch eine köstliche Geschichte mitzutheilen, über die ich dieselbe Ueberschrift schreiben möchte, die Du über Deinen Brief geschrieben hast. Mit tiefster Bewegung und unter dem fühlbaren Beistände des heiligen Geistes hielt ich die Neujahrs-Frühpredigt über die Worte aus der Offenbarung: "Siehe, Ich komme als ein Dieb. Selig ist der Mann, der da wachet und hält seine Kleider, daß er nicht bloß wandele und man die Schande seiner Blöße sehe." Des Geistes Wehen war spürbar. Zuletzt bat ich den HErrn unter vielen Thränen, mir doch die unsägliche Freude zu bereiten, und doch eine Seele wenigstens aus dem Schlafe der Sünde zu erwecken und mir an diesem Tage zu schenken. Nach einigen Tagen erfahre ich: Bertha Achterberg (Du kennst sie persönlich — sie fuhrt die Wirtschaft bei Oberstlieutenants, Prediger Achterbergs Schwester, und ist jetzt, während v. Wolden's abwesend sind, gleichsam die Kastellanin des Schlosses —) habe am Neujahrsmorgen sehr geweint und fast den ganzen Tag in geistlichen Büchern gelesen. Vergangenen Montag geht meine Frau zu ihr und sagt mir, als sie nach einigen Stunden zurückkommt, mit freudestrahlendem Angesicht: Unsere Schwester Bertha läßt Dich herzlich grüßen. Kaum konnte ich meinen Ohren trauen. Denn obwohl der HErr schon seit 6 Jahren an dem Herzen dieses Mädchens gearbeitet hatte mit unermüdeter Hirtentreue und Geduld, so war mir doch eben wegen dieses ihres langen Widerstandes oft sehr bange ihretwegen, ja ich dachte schon bisweilen, der heilige Geist werde sich am Ende ganz von ihr zurückziehen. — Meine Frau erzählte mir dann, wie die theure Bertha ihr das ganze Herz ausgeschüttet habe und wie sie nicht anders glauben könne, als daß Jene Gnade gefunden vor den Augen des HErrn. Meine Freude kannst Du Dir leicht denken, mein süßes Herz. Vorgestern Abend besuchten        wir beide        das neugeborne Kindlein. Ihr Angesicht        war

so klar und hell        vor der Freude, die ihr Herz        bewegte. In ihrem Liederschatz lagen viele        Zeichen.        Auf meine Frage,        ob dieselben alle eine        Bedeutung hätten,        sagte sie:        ja; besonders aber        sei ein Lied, was ihr        vor

Allen gefalle. Sie schlug es auf. Es fängt an: Nimmst Du mich noch an, theurer Heiland! Kann nach so langem Widerstreben Deine Liebe noch vergeben, was ich frech gethan? Nimmst Du mich noch an? — Das ganze köstliche Lied bezeichnet ihren Lebenslauf so genau, daß ich erstaunt war und während des Lesens mehrmal vor Freude lächeln mußte. Darauf sähe ich sie an und fragte sie: "Bertha, sind Sie Sein?" Nach wenigem Schweigen erwiderte sie: "Ja, ich kann's nicht anders sagen." Gestern Abend war sie in der Donnerstagsabendstunde; am Mittwoch hatten wir uns dort zusammen gar köstlich erbaut — und heute gegen Abend besuchte sie uns wieder. Aus ihrem ganzen Wesen geht es aufs deutlichste

Knak. 2.Aufl.        10

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hervor, daß der HErr sie zu sich gezogen hat aus-lauter Güte. — Wie ich i zuversichtlich hoffe, wird sie Ihm mit großer Entschiedenheit Nachfolgen, um i so mehr, da ihr natürlicher Charakter immer eine große Bestimmtheit hatte, ( die der HErr nun gewiß durch Seinen Geist verklären wird. Am Mon- < tag hatte meine Frau mit ihr gebetet, heute forderte sie mich vor dem s Weggehen wieder dazu auf — mein Herz hüpft mir vor Freude. Der ) HErr hat mein Neujahrsgebet herrlich erhört; gelobt sei Sein köstlicher : Name in Ewigkeit. Danke        Ihm        mit mir        und        trage mich        Aermsten auch        ^

ferner auf Deinem Herzen,        sowie        meine arme        Gemeinde,        die gefundenen        -

und die verlornen Schäflein. O        daß ich        nur        freudiger wäre bei Seinem        s

heiligen Dienst und Ströme lebendigen Wassers von meinem Leibe flößen 1 zu Seinem Preise.        ^

Der Brief ist unterschrieben: "Dein blutsverwandter Gustav." !

... Mit der Familie seines Patrons, namentlich mit der Frau ! v. Wolden, unterhielt Knak nach Potsdam hin einen tief eingehenden ( Briefwechsel, von dem in den "Zeugnissen" (s. auch Kap. 33) einiges j zum Druck gelangt ist. Das innige Verhältniß löste sich auch nicht, j nachdem Herr v. Wolden im Jahre 1846 wirklich Wusterwitz ver-! kauft hatte. Der letzte Dienst, den derselbe seinem geliebten Pastor als Patron beweisen konnte, war, daß er von dem Käufer sich das Z Wort geben ließ, für den Fall, daß Knak versetzt würde, zu dessen Nachfolger einen von den beiden Candidaten zu erwählen, die ihm ! Knak vorschlagen würde (Straube oder Wittenberg). Wenn dann 1 später von Berlin aus Knak zu seinem früheren Herrn Patron 1 nach Potsdam kam, dann gab es jedesmal große Freude. Einmal, ^ als gerade mehrere Offiziere zum Besuch da waren, holte Herr i v. Wolden, unbekümmert um diesen Besuch, um 9 Uhr Bibel und ) Gesangbuch hervor und legte sie zum großen Erstaunen der Gäste, vor Knak auf den Tisch mit den Worten: "Herr Pastor, ganz. -wie bei uns zu Hause." Und in das arme Pfarrhaus Wilhelms- ) straße 29 in Berlin floß manche reiche Gabe von Potsdam her als : Dank für früher empfangenen Segen, nicht blos von Seiten der früheren Frau Patronin, sondern auch von Seiten des Herrn j v. Wolden.        )

Welcher reiche Segen von den Besuchen Knaks im Hause: seines Patrons in Wusterwitz auch für die dort für kürzere oder längere Zeit weilenden Gäste abgefallen ist, davon wird die Ewig- ^ keit einst Zeugniß geben; uns ist aus vielen nur ein Zug spezieller 1

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bekannt geworden, daß ein Fräulein Bertha v. Nappard ans Potsdam, eine Freundin der Frau v. Wolden, reichen und überschwenglichen Segen durch Knak in Wusterwitz empfangen hat. Ein von Wusterwitz an dieselbe nach Potsdam geschriebener Brief ist in den Zeugnissen unter Nr. XXVII abgedruckt worden. — Wir werden dieser selben theuren Jungfrau später in unserer Geschichtserzähluug wieder begegnen.

Der neue Besitzer von Wusterwitz. Herr Knaak, hat sein beim Kaufe des Gutes gegebenes Versprechen in ausgedehnter Weise gehalten, denn er hat nicht blos bei dem ersten, sondern auch beim zweiten und dritten Wechsel der Pfarrstelle diejenigen Pastoren berufen, die Knak als seine Nachfolger sich wünschte.

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Der Pastor und die Gemeinde.

War die Erregung, die Knaks entschiedenes Auftreten in der Gemeinde hervorbrachte, wirklich, — wie dies selbst von ernsten und gläubigen Pastoren damals geurtheilt wurde — eine krankhafte? Man hat darauf hingewiesen, das mancher der ersten Erweckten nicht Stand gehalten, mancher andere als ein Heuchler entpuppt worden sei, und daß, wie dies namentlich die Behörden wiederholt betonten, gerade durch diese Weise dem Separatismus Thür und Thor geöffnet fei. Ich meinerseits habe noch niemals den Kirschbaum einer krankhaften Erregung zeihen können, wenn ich sah, wie er chm Frühling sich über und über mit Blüthen bedeckte, von denen hernach nur eine kleine Zahl wirkliche Kirschen zeitigte, während die Mehrzahl taub abfiel. Die nüchternen Leute, welche einer so »ach außerordentlichen Maßen angelegten Natur, wie Knak. und ihrem hohen Schwünge nicht zu folgen im Stande sind, sollten sich dadurch nicht veranlaßt sehen, sie herabzusetzen. Eine Vergleichung ihrer Gemeinde mit der Knakschen würde einen besseren Maßslab zur Beurtheilung der Echtheit seiner Art der Arbeit abgeben.

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Wie sah es denn etwa nach Jahresfrist in der Gemeinde aus. die Knak als eine völlig verwilderte überkommen hatte? Kirche und Pfarrhaus reichte nicht hin, um die Zahl derer zu fassen, die ernstlich den Frieden in Jesu suchten. In vielen Häusern wurden die Spielkarten verbrannt oder weggeworfen, die entsetzlichen Unsittlichkeiten Zwischen den jungen Leuten, die sich an das nächtliche Flachsschwingen knüpften, waren beseitigt, die Mägde sangen anstatt dessen ihre geistlichen Lieder Zu ihrer Arbeit, die Wildheit der jungen Leute, welche Zotenlieder singend die Nächte auf der Straße zubrachten, war vertilgt bis auf die letzte Spur; die nächtlichen Tanzvergnügen hörten aus und die jungen Burschen mußten die bestellte Musik wieder nach Hause schicken, weil die Mädchen erklärten, sie wollten lieber in der Bibel lesen, als ihre Zeit mit jener leidenschaftlichen Lust vergeuden. Verstockte Sünder toben laut, kommen aber bald reumüthig ihre Sünden bekennend zum Pastor; Kinder werden von ihren Eltern am Gebet verhindert, besiegen aber durch ihre Standhaftigkeit und gute Führung den Widerspruch der Eltern. Hochzeitzüge ziehen mit rauschender Musik durch die übrigen Dörfer, so wie sie aber Wusterwitz erreichen, verstummt die Musik; alte Zwistigkeiten sind versöhnt, Zucht und Ehrbarkeit ist mit den Hausandachten in die Häuser zurückgekehrt. So stand es nach Jahresfrist.

Man konnte ja nicht sagen, daß alle Gemeindeglieder bekehrte Leute waren; allein einen tieferen Eindruck hatten selbst die unbe-kehrten empfangen von der Macht des Worts und von der überwältigenden Liebe des Pastors. Wenn sie dessen Bemühungen zur Begründung einer guten Sitte und zur Herstellung eines christlichen Gemeindelebens zuerst mit Unwillen und Widerstreben ausgenommen, auch wohl offenen Widerspruch erhoben hatten, so hörte dieser Widerspruch je länger je mehr auf und machte dem Vertrauen Platz, daß der Pastor, der es doch so gut mit ihnen meine, ihnen nichts Schlechtes vorschlagen werde.

Diese Stimmung trat z. B- bei der Wahl eines neuen Küsters hervor. Knak wünschte für die erledigte Stelle einen Mann zu haben, der den Herrn Jesum von Herzen lieb habe. Eine Anzahl Bauern dagegen sprachen unter sich: Wenn zu dem frommen Pastor noch gar auch ein frommer Küster kommt, dann wird es gar nicht mehr ausznhalten sein; sie beschlossen, die Wahl zu hinter-149

treiben: Da läßt Knak sämmtliche Wirthe in den Schultzenhof Zusammenkommen, betet mit ihnen, und fordert dann alle Einzelnen ans, zu sagen, was sie gegen Hoppe hätten. Da spricht dieser dieses und jener jenes. Knak läßt sie ausreden, und sagt dann, nachdem er die Einwendungen Einzelner ruhig widerlegt hat, mit seiner lieblichen herzgewinnenden Stimme: "Aber Hoppe ist doch ein Mann, der mit seinem ganzen Hanse dem HErrn dienen möchte, und das ist doch wohl die Hauptsache!" Dann wendet er sich an Einen der Bauern mit der Frage! "Hast du etwas gegen meinen lieben Hoppe?" Der antwortet "Nein." Als der zweite und dritte auch Nein gesagt hatte, wagte keiner der Folgenden, noch Einwendungen zu erheben, Alle knieen auf Knaks Aufforderung nieder zum Gebet und Knak dankt mit ihnen dem HErrn, daß Er ihnen einen so frommen lieben Küster bescheert habe. Der laute Schlußgesang verkündet es den draußen Harrenden, daß Alles zum Besten ausgefallen sei. Der treue Hoppe aber ist hernach seines Pastors rechte Hand geworden in der Seelsorge für Junge und Alte in der Gemeinde.

Der Zeugengeist des treuen Hirten aber gewann je länger je mehr die Herzen für den Herrn Jesum. Und wenn, wie dies ja überall im Reiche Gottes geschieht, auch die Zeiten der Ermattung mit Zeiten des Aufschwungs wechselten, so hat es doch an letzteren während der ganzen Zeit von Knaks Wirksamkeit in Wusterwitz nie gefehlt, ja auch auf die benachbarten Gemeinden ging je länger je mehr ein reicher Segen von der gesegneten Gemeinde Wusterwitz ans.

Da ein großer Theil der Korrespondenz, die Gustav mit seinem Karl über alle diese Erlebnisse gepflogen hat, zu unserem lebhaften Bedauern verloren gegangen ist, geben wir aus den Briefen Gustavs an seinen lieben Heinrich Wittenberg etliche Mittheilungen.

7. Febr. 1840. — "Fragst Du mich, wie es hier im Reiche Gottes sieht, so muß ich mein Antlitz vor Scham und Beugung verhüllen und doch zugleich mit Dank und Freude Dir sagen, daß der HErr nicht aufhört, uns zu segnen und zu mir dem elendesten Seiner Knechte gnädiglich Sich zu bekennen. In allen meinen Gemeinden ist ein Regen unter den Todtengebeinen — auch in den 3 Filial-Dörfern, besonders in Ritzig, wo mir der HErr am Neujahrstage die unaussprechliche Freude schenkte, daß ein junger Kossäth, der schon eine ganze Zeit vorher sehr beunruhigt gewesen war, mit zerbrochenem Herzen seine Sünden bekannte und zu JEsu


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kam. Außer diesem sind vor Kurzem ebendaselbst noch mehrere ihm benachbarte Colonisten aufgewacht und wollen nun nichts wissen, als Jesum Christum den Gekreuzigten. Meilenweit kommen gnadenhungrige Seelen hieher, um das Wort des Lebens zu hören; in Schlönwitz, einem 2 Meilen von hier entfernten Dorfe, ist seit Kurzem eine große Bewegung entstanden, die den dort stehenden ganz unerleuchteten Prediger in große Verlegenheit seht. Daß Satan alles das nicht ruhig mit ansehen kann, sondern nach seiner Mordbegier darnach aus ist, das Werk des HErrn zu zerstören oder doch zu hindern, liegt am Tage. O Bruder, Bruder, laß uns heilige Hände aufheben ohne Zorn und Zweifel und beten an allen Orten; denn -es ist die letzte Stunde! Laß uns Jesum bitten, daß Er uns auch ganz besonders vor der Pestilenz, die im Finstern schleichet, ich meine vor dem sogenannten weichen Christenthum, dem Halbiren zwischen Gott und Welt und vor aller Lauheit bewahren wolle, damit unsere Lichter brennen, wenn Er kommt. Entschiedenheit will unser theurer Immanuel, und so wir Ihn verleugnen, will Er uns auch verleugnen. Nein ab und Christo an, sei die Loosung — und: Mein Freund ist mein und ich bin Sein — Hallelujah!"

30. Jan. 1844. — Freue Dich mit uns und lobe den Namen des HErrn; denn Er thut Wunder. Seit dem neuen Jahre hat Er uns gnädiglich heimgesucht mit Frühregen und Spatregen. — Die Thränensaat geht auf, die Freudenernte beginnt. Es regt sich unter den Todtengebeinen; Männer und Frauen, Jünglinge und Jungfrauen und Kinder wachen auf — und das Himmelreich leidet Gewalt. In meinem armen Hause sind jetzt lauter Gotteskinder; Florchen Allius, Linchen Wieland, die seit einiger Zeit bei uns ist, und unser Dienstmädchen haben bereits Frieden im Blute des Lammes gefunden — auch in Zetzin regt sichs und zwar besonders unter den Kindern, die schmerzlich nach Gnade weinen und schreien.

Ach und was für Nachrichten aus Zarben und der dortigen Umgegend hätte ich Euch mitzutheilen und aus Schweden — wie viel Wunderbares!

Der Herr Jesus führe Dich bald in meine Arme.

Dein

Gustav.

1. März 1844. — Vor einigen Stunden erst bin ich von Alt-Stüdnitz zurückgekehrt, wo ich schon seit einem Jahre einen Besuch schuldig war. Die Reise ist von unbeschreiblichem Segen gewesen. Der HErr hat mich ärmstes Würmlein dazu gebraucht, unter dem dortigen Gesinde ein, wie ich hoffe, Mächtiges Feuer anzuzünden. Der Wind wehet, wo Er will — und wenn Jesus der Lydia das Herz aufthut, dann hat sie Acht auf Sein Wort und das schwächste Zeugniß von dem Gekreuzigten kann dann in Seiner Hand Wunder verrichten. Ich sollte durchaus noch heute dort bleiben — das


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Verlangen der erweckten Seelen nach Speise ist unbeschreiblich groß; da ich aber zu heut Abend eine Erbauungsstunde in Wusterwitz festgesetzt hatte, so riß ich mich fast gewaltsam los.

5. Dezbr. 1845.— Daß der HErr mit Dir ist, erquickt mein Herz und ich weiß, auch Du freust Dich, wenn ich Dir sage: Er ist auch mit mir. Ja, es ist, als wollte Er uns wieder einmal in Gnaden heimsuchen mit einem Regen Seines Geistes, nach dem ich schon so lange gelechzt lind qeseufzet habe. Ein Paar Dienstmädchen haben sich vor Kurzem aufgemacht, Sein Antlitz zu suchen; eine von ihnen ging soeben jauchzend ihre Straße; denn der HErr hatte ihr zngerufen: "Fürchte Dich nicht, glaube nur!" Und siehe, sie konnte glauben und schmeckte Seinen Frieden. Hilf beten, lheuerstes Herz! daß die Gnadenwinde stärker wehen und das Feuer entzünden, von welchem Jesus einst wünschte, es brennete schon.

7. Febr. 1848. — In Wusterwitz ist jetzt eine wunderbare Bewegung. Der Geist der Gnade und des Gebetes ist über die Gläubigen ausgegossen und unter den Kindern der Welt ist ein Fragen nach dem Wege zur Seligkeit; mehrere Seelen sind erweckt und zum Glauben gekommen — andere suchen den HErrn — die Erbauungsstunden sind gedrängt voll und wir spüren die Nähe des HErrn mit Freuden und Lobgesang. O daß die selige Verheißung der gestrigen Loosung an uns armen Knechten des HErrn bald möchte in Erfüllung gehen! Wie lechzt und verlangt unsere Seele danach. Aber Gebet, Gebet — o was vermag das, wenn es ernstlich ist und im Namen JEsu vor den Vater gebracht wird! —

Ein Beispiel von der Macht des Gebets berichtet er brieflich seinem Karl in folgenden Worten:

"Herr Prediger! Sie haben mich losgebetet!"

Bei uns hat der HErr wieder Großes gethan, deß loben und preisen wir Ihn mit Freuden. Ich schrieb Dir wohl schon einmal von einem kranken an der Auszehrung leidenden jungen Schneider in W., den ich öfters besuchte und auf das Eine Nothwendige ernstlich hinwies. Aber sein Herz blieb steinern und wollte sich nicht erweichen lassen. Selbstge-rechtigkeit war der feine Strick, an welchem Satan den armen Wurm gefesselt hielt. Dabei gab er im Allgemeinen wohl zu, daß er auch ein Sünder sei, die "Gebote" übertreten und Gottes Zorn verdient hätte; aber sein Herz fürchtete sich nicht vor Gott. Scham und Schmerz über seine Sünden war an ihm nicht zu finden, auch dachte er noch zuviel ans Wiedergesundwerden und sorgte mehr für den Leib, als für die Seele. Mein Herz war gewöhnlich tief betrübt, wenn ich von ihm zurück kam. Sein Zustand verschlimmerte sich aber von Tage zu Tage, und vor etwa acht Wochen bat er mich, ihm das heilige Abendmahl zu reichen. Mit banger

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Seele ging ich zu ihm; er streckte mir verlangend die Hände entgegen. Ich betete erst um Gnade, hielt ihm das Gesetz dann ernstlich vor und ermahnte ihn, sich darnach gründlich zu prüfen, damit er das heilige Abendmahl nicht unwürdig genieße. Er weinte bitterlich, bekannte seine Sünden, sprach seine Sehnsucht nach Vergebung und Gnade schmerzlich aus und empfing unter der Bedingung aufrichtiger Buße von mir im Namen des HErrn die Absolution und den Leib und das Blut des HErrn. Von der Zeit an hatte ich gute Hoffnung für ihn; nachher wurde sie mir wieder getrübt und fast ganz genommen; denn je schwächer sein Leib wurde, desto kränker und elender schien auch seine Seele zu sein. Ich sagte ihm nun, wie auch früher schon ganz unverhohlen, daß ich sein Ende sehr nahe glaubte, ich bat ihn flehentlich, doch um Gnade wie der Zöllner und Schächer und um. Erbarmen zu schreien, damit seine arme Seele nicht verloren gehe; ich betete mit ihm — und das schien ihm sehr lieb zu sein — aber ein wahrhaftes Zeichen des neuen geistigen Lebens konnte ich doch nicht an ihm bemerken, ja manchmal kam es mir vor, als sei seine Seele ganz erstorben. In der letzten Zeit hatte ich soviel Arbeit, daß ich ihn nicht gut besuchen konnte, meine Frau vertrat dann meine Stelle. Kam ich aber einmal wieder, so freute er sich doch und sprach feine Sehnsucht nach mir aus. Zwei Tage vor seinem Heimgang war ich zum vorletzten Mal bei ihm und fand ihn so schwach, daß ich fast jede Minute glaubte, er würde sterben; die Beklemmung und der Mangel an Luft, den er fühlte, ließ ihn nur wenig — so schien eS mir — merken auf das, was ich sagte; nachdem ich. mit ihm gebetet, ermahnte ich ihn nochmals mit schwerem Herzen, doch, seine Seele zum HErrn zu erheben, um Schächersgnade zu seufzen uni» sein ganzes Vertrauen auf Jesu Verdienst zu setzen.

Seinem alten Schwiegervater sagte ich beim Weggehen: Es wird nicht lange mehr währen; kommt aber die Todesstunde wirklich, so ruft mich, und sollte es auch um Mitternacht sein. Was geschieht? Am Sonntage vor dem Himmelfahrtsfeste Morgens vier Uhr kommt ein Bote von dem Kranken zu uns: Ich möchte doch ja gleich zu ihm kommen, er hätte ein schmerzliches Verlangen nach mir. Unser Mädchen, aus Sorge für mich, verzieht noch ein wenig, mich zu wecken. Da kommt ein paar Minuten darauf der alte Schwiegervater selbst, und sagt zu dem Mädchen: Wecke ja den Herrn Prediger, mein Schwiegersohn sehnt sich gar zu sehr nach ihm. Man weckt mich nun und sagt mir vom Verlangen des Kranken. Ich erstaune, ziehe mich schnell an, seufze zu unserm HErrn und eile hin. Als ich ins Zimmer trete, stehen die Verwandten weinend um sein Bett. Ich komme näher und ergreife seine Hand. Er lag, wie es mir schien, schon im Todesröcheln. Einmal war er schon ganz kalt gewesen. Seit 1 Uhr Nachts hatte er schon nach mir verlangt und sich immer nach der Thür umgesehen, ob ich nicht käme. Seine Verwandten hatten mich aber so frühe nicht stören wollen und der HErr hatte die Sehnsucht des Sterbenden nur dadurch vermehrt. Darauf sagte ich: Lasset uns beten !

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Ich bettelte nun um Gnade für den Elenden, hielt dem HErrn in meiner Schwachheit Sein Wort vor, und suchte ihn bei Seinen süßen Verheißungen fest zu fassen: Als ich Amen sage und mit dem Kranken etwas sprechen will, winkt er mit der Hand und spricht gleichsam voll Hast: Beten! weiter beten! Ich fange also von Neuem an, mit wachsender Zuversicht die Barmherzigkeit des mitleidigen Hohenpriesters anzuflehen, und der heilige Geist vertrat mich Armen mit unaussprechlichem Seufzen. Während meines Gebetes schrie der Sterbende einige Male dazwischen — seine Augen waren geschlossen: Gnade, Erbarmen! Gnade, Erbarmen! Die Umstehenden weinten. Als ich aufhörte zu beten, und mir ein Gesangbuch ausbat, um dem Sterbenden ein köstliches Lied vorzulesen, rief er wieder mit steigender Begierde — wie ein Hirsch schreiet nach frischem Wasser —: Ach beten, weiter beten! Und so mußte ich nun zum dritten Mal mein Herz und Stimme zu den Bergen erheben, von denen uns Hülfe kommt, zu dem HErrn, der auch vom Tode errettet. Mein Glaube, meine Freudigkeit wurde immer größer. Ich wurde immer kühner und dreister, bat den HErrn um Seines Namens Ehre und Verherrlichung willen, Sich des Elenden zu erbarmen -— und siehe, während ich betete, hörte das Röcheln des Sterbenden fast, ganz auf, ja es war mir, als müßte die Seele sich schon vom Leibe getrennt haben. Als ich Amen sagte und mich niederbückte, sähe ich auf dem Angesichte des Sterbenden einen stillen Frieden. Ich fragte ihn: Lieber Köller, habt Ihr Frieden? seid Ihr erquickt? Er neigte freundlich das Haupt, seine Rechte aber erhob er und fühlte damit umher. Ich denke, er will mir die Hand reichen, ergreife daher die seine; doch er windet sie leise los aus der meinen und streichelt mir mit seiner Hand die Wangen. Ich frage ihn: Köller, solle,: wir ein Lied singen? Ja, lispelt er; aber sachte! Da sangen wir denn nun einige Verse aus dem Liede: "O Welt ich muß Dich lassen," und die zwei letzten von: "O Haupt voll Blut und Wunden;" darauf bücke ich mich wieder auf ihn nieder und spreche ihm tröstlich zu. Da öffnet er plötzlich die Augen, welche vor Freude glänzten; eine himmlische Freundlichkeit breitet sich über sein ganzes-Gesicht, und mit lauter, Heller, fröhlicher Stimme ruft er sich schäme mich,., die Worte niederzuschreiben): Ja, mein lieber Prediger! Sie haben mich* losgebetet, nun hat mich mein Heiland angenommen — aus Gnaden! (welche beiden Worte er stark betonte). Dabei zog er seine beiden dürren. Hände unter der Bettdecke hervor und streichelte mir mit unbeschreiblicher: Freundlichkeit die Wangen. Wie mir zu Muthe war, das kann ich nicht aussprechen.— Ja, Jesus nimmt die Sünder an, Hallelujah! Ich mußte nun Abschied non dem theuren Bruder nehmen, denn ich fühlte diese selige Verwandtschaft mit ihm. — Um 10 Uhr Vormittags entschlief er sanft und freundlich. Lobe den HErrn, meine Seele!

Aber die Frucht seines Glaubens hat sich auch noch gezeigt. Vorher-war er immer unzufrieden gewesen mit seiner Pflege, die er hatte, uni» besonders gegen seine alte Schwiegermutter hatte er einen förmlichem

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'Widerwillen. Wie wurde nun alles so anders; mit der größten Zärtlich- ^ keil und Innigkeit dankte er den Seinen für die große Liebe, die sie ihm ! während seiner langen Krankheit erwiesen; gegen seine alte Schwiegermutter i war er aber ganz besonders herzlich, und bat sie, doch ja nicht von seinem I Bette zu gehen, ehe er stürbe. Darauf nahm er noch mehrere Male den z liebreichsten Abschied von den Seinen, drückte sein Verlangen nach mir i Elendem noch einige Male sehr stark aus, verwies einigen seiner Bekannten, i die auch dazu kamen, und ihn wegen seiner vielen Leiden bedauerten, diese ! Aeußerungen freundlich, indem er ihnen des Heilands Leiden dagegen i stellte, wogegen die seinigen wie nichts wären, segnete sein Knäblein noch ß und übergab es dem HErrn, und ging dann — wie ich nicht anders als k zuversichtlich glauben kann — hinüber ins himmlische Vaterland, wie der Z 4wme Schächer.        1

Nachmittags erzählte ich nach der Predigt die ganze Geschichte der 1 Gemeine, und durch die ganze Kirche ging ein lautes Schluchzen. Ich 1 aber muß mich herzlich schämen, daß ich früher so lau gewesen bin in der 1 Sorge und im Gebet für den Entschlafenen: es ist einzig und allein des i HErrn Werk, und Ihm,        ja Ihm        allein        gebühret alle Ehre!        ß

Bei seinen Predigten sprach Knak nicht objektiv über sein Thema. Z sondern legte sich innig in die einzelnen Persönlichkeiten hinein, sie 1 mit seiner ganzen Liebe umfassend. Hatte er namentlich auf dem Z Gebiet der Seelsorge etwas Wichtiges erlebt an seiner Person oder ' mit Anderen, so mußte er es seiner lieben Gemeinde direkt mit- i Heilen, und flocht es wohl auch in eine Predigt hinein. Ja er ; redete auch wohl einmal diesen oder jenen persönlich an. In einer ^ der Missionsfestpredigten, die er von Berlin aus als Gast in seiner Men Gemeinde hielt, sieht er mit einem Mal seinen lieben alten Schönfeld aus Rietzig sitzen. Sofort hält er still und fährt dann fort: "Da bist du ja, mein alter, lieber Bruder Schönfeld! Ach. dessen Bekehrungsgeschichte muß ich euch doch erzählen. Ich hatte schon Jahr und Tag gepredigt; aber in meinem lieben Rietzig hatte sich Niemand bekehrt. Als ich nun auch einmal gepredigt hatte, und eben betrübt von dannen fahren wollte, weil sich Niemand zum .HErrn wendete, da steht mein alter Schönfeld da an einer Ecke mit Thränen in den Augen. Ich rufe ihn sofort heran und frage nach der Ursache seiner Thränen ; da fängt er mit vielen Thränen an, seine Sünden zu bekennen. O wie jauchzte da mein Herz! Der Herr Jesus hat ihm auch alle seine Sünden vergeben. Das .glaubst du doch noch, mein alter lieber Freund? Du wirst doch Leinen Heiland nicht verlassen haben?"

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Wie sehr die Gemeinde dem treuen Seelsorger folgte in allen seinen wohlgemeinten Bestrebungen für ihr Seelenheil. das bezeugte sein Kampf gegen den Branntwein. Am 25. Sept. constituirte sich der Enthaltsamkeitsverein für die Männer, am 26. der für die Frauen, und am 5. März 1846 trat der für die Kinder hinzu. Lange Listen füllten sich mit Hunderten von Unterschriften unter die Statuten. Etliche Namen wurden gestrichen, zum Zeichen, daß die gelobte Treue nicht gehalten, worden war. Es sind aber immerhin noch jetzt ein Häuflein alter, die bis zur Stunde treu geblieben sind, und eine große Zahl solcher, welche die gelobte Treue bis in den Tod bewahrt haben, auch wirklich gerettete Säufer. Und die Gemeinde hat bis ans diesen Tag den Segen von diesem Kampfe gegen den Alkohol, daß von diesem Leib und Seele zerrüttenden Getränk bei Familienfesten kein Tropfen getrunken wird.

Dieser Einfluß Knaks auf die Gemüther in seiner Gemeinde dauerte noch lange selbst nach seinem Weggange. Deß war der Pastor Görcke Zeuge, als Knak im Jahre 1864 oder 1865 sein geliebtes Wusterwitz einmal wieder zum Missionsfest besuchte. In der Gemeinde lebte ein Mann, der einmal als Jüngling in lieblicher Weise dem HErrn gedient und von Ihm gezeugt hatte, darnach aber der Welt wieder zugefallen war. Als nun Knak mit den Kindern katechisirte, kam er ans den Spruch: 'Wer ihm selbst Schaden thut, den heißet man billig einen Erzbösewicht" 'Spr. 24, 8). Da hielt er eine Weile inne, wurde sehr erregt und sprach: "Ich kenne einen Mann dieser Gemeinde, der den HErrn verlassen hat, und jetzt der Welt und dem Satan dient. Wenn er hier wäre, wollte ich ihm sagen: Du bist ein Erzbösewicht." Alle Augen richteten sich auf den Mann, der wirklich zugegen war. Beim Heimgange redete diesen einer seiner Genossen an: "Das wirst du dir doch nicht gefallen lassen!" Jener aber antwortete: "O du kennst ihn nur nicht, und weißt nicht, wie treu und gut er es mit mir meint."

Und der so sehr gefürchtete Separatismus? Nun er hat es ernstlich genug auf die Gemeinde abgesehen gehabt. Die bekannten Apostel der Separation, Marseille, Wolf — dieser heißgeliebte und unter so viel Thränen von Knak erbetene und geistlich gezeugte Ernst Wolf — und Kindermann, der als Kandidat durch Knak erweckt

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war, brachen nun in die Gemeinde und machten sich an die Erweckten, bei denen sie als frühere nahe Freunde Knaks wohl bekannt und beliebt waren. Da hat es heiße Kämpfe gegeben; einmal wurden dem treuen Küster Hoppe zwei Lehrer zugeschickt, die: die ganze Nacht mit ihm über die Separation disputirten; aber-schließlich den Beweis aus der Schrift schuldig blieben. Knak warnte,, ermahnte, betete und bat, und schickte, wo eines seiner Schäfleim. in eine fremde Parochie verzogen war, seinen treuen Hoppe hin,, um zu warnen und das bereits gefangene Schaf wieder zu befreien-Und so ist es geschehen, daß aus der ganzen Parochie Wusterwitz. Niemand in die Separation gegangen ist, als zwei Bauern aus Rietzig, die die Gemeinde verließen aus Aerger darüber, daß sie: die von ihnen beanspruchten Sitzplätze in der Kirche nicht erhielten.

Und die Jrvingianer und die Seefeldianer und die Springer? Nun, sie haben in Pommern Rumor genug gemacht. In Wusterwitz haben sie nichts ausgerichtet. Die Letztgenannten pflegten mit der-Hand nach dem heiligen Geist zu greifen und den Mund weit aufzureißen, damit er hineinkomme. Eines Tags erschienen drei Frauen, dieser Gesellschaft in Knaks Hause, um diesem Erweckten auch die-Gabe des heiligen Geistes zu erflehen. Sie beteten vor ihm in ihrer Weise, wobei die Worte sich immer wiederholten: Nimm: ihn gefangen! Nimm ihn gefangen! Als alles nüchterne Zureden, und wiederholtes Ermahnen sich fruchtlos erwies, ergriff Knak ein: Glas Wasser und goß es der am lautesten schreienden Frau in den Mund. Das half — aber gründlich! Von dieser Sorte von. Geistlern ist die Gemeinde für immer verschont geblieben.

Und wie sieht es heute aus nach vierzig Jahren? Der Pastor Görcke von Wusterwitz, der fünfzehn Jahre lang die Stelle bekleidet hat, schreibt mir: "Ich muß mit Beugung vor dem HErrn bekennen, daß die meisten durch Knak Erweckten, welche ich kennen. gelernt habe, sich als einfältige, lautere und gediegene Christen be^ währt haben." Zwei notorische Säufer, die durch Knak erweckt: wurden, haben bis in ihr Greisenalter hinein Treue gehalten. "Als-ich die Nachricht von seinem Tode durch die Zeitung erhielt, eilte-ich zu einem seiner geistlichen Kinder; ich fand ihn unter Thränen dem HErrn dankend für den durch Knak vermittelten Segen; ich-eilte zum zweiten und fand ihn eben so. Ich bin nicht zum Be-

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gräbniß des Verstorbenen gereist; denn ich wußte, meine Gemeinde wollte an diesem Tage vor dem HErrn erscheinen. Abends war die Kirche voller Trauernden. Wir konnten nur danken für das, was der HErr an uns und dem lieben Vater gethan; aber wir konnten das Trauern nicht lassen; denn von den Lieben scheiden, thnt weh! "

28.

Knak als Bansiihrer.

Knak als Bauführer und Bauunternehmer? Welcher von seinen Freunden lächelt nicht, wenn er das liest! Und doch ist er beides gewesen. Nun, es kamen auch wunderliche Dinge dabei vor. Ein Tischler, welcher eine Oberstube, den Bodenflur und drei Kammern zu dielen hatte, stellte 41^ Schock Nägel in Rechnung und bekam sie bezahlt. Ein regelmäßiger Anschlag war gemacht, Zimmermann und Maurer hatten darauf hin ihre Arbeiten übernommen, und hatten das ausbedungene Geld empfangen, und schließlich fehlen die mitveranschlagten Bodenluken und die Treppe. — Und doch bei alledem hat Knak in seinen fünfzehn Amtsjahren in Wusterwitz mehr ansgerichtet und gebaut, als sein Amtsvorgünger in 40 Jahren. Denn dieser hinterließ alles in desolatem Zustande seinem Nachfolger, Knak hat alles in bestem Stande dem seinen überliefert.

Zunächst war ein Umbau und Anbau im Pfarrhause selbst die dringendste Nothwendigkeit, schon durch die einfachen Gesundheitsverhältnisse unabweisbar geboten. Und doch, woher nehmen? Die Regierung drang damals noch nicht so wie heute, in die Verpflichteten, nnd die Gemeinde war blutarm. Der Patron hatte den Pastor sehr lieb; aber eine so große in die Tausende gehende Ausgabe für ihn machen, das war ihm doch zu viel. Da starb am 15. Jan. !839 Knak's Stiefschwiegermutter, Frau Pastorin Amalie Wendt. Dieselbe hatte in ihrem Testament ausgesetzt einhundert Thaler für ihr treues Dienstmädchen, zweihundert Thaler zum Bau des Pfarrhauses mit der Bedingung, daß in demselben Jahr der Bau begon-

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nen würde, sonst sollten die Pastorleute diesen Posten erben, und-dreihundertsünfundzwanzig Thaler zur Ausrüstung eines Missionars-der Berliner Muttergesellschast. So begann Knak den Bau in Gottes Namen, und der Bau wurde zu Ende geführt. HernaG erwiesen sich die Wirthschaftsgebäude als nicht nur sehr kläglich, sondern auch lange nicht zureichend; Knak verwandte fast sein ganzes kleines Vermögen dazu, um sie neu herzustellen. Denn seine Pfarre von 400 Thaler Einkommen gab es nicht her.

Kaum war das Pfarrhaus vollendet, so unternahm Knak den Erweiterungsbau der viel zu kleinen Kirche und dazu den Bau des Kirchthurms, und Zwar — durch freiwillige Beiträge. Es ist zum Erstaunen, mit welcher Willigkeit die armen Leute ihre Säcklein aufthaten. Schließlich war jedoch Kraft und Willigkeit erschöpft,, und noch fehlte eine bedeutende Summe. Aber Knak verstand sich auf das Bitten, nicht blos bei seinen lieben Leuten, sondern auch bei seinem lieben König, dem himmlischen sowohl als dem irdischen. Wer, der jemals in seinen Gebeten das dreifach wiederholte: Bittet' Bitte! Bitte! gehört hat, ist im Stande, den Ton und die Stimme zu vergessen sein Lebenlang! Die Gnadengesuche bei Sr. Majestät wurden zweimal abschläglich beschicken, das dritte Mal erhielt er das fehlende Geld.

Außer der Kirche und dem Pfarrhaus in Wusterwitz wurdem während der 15jährigen Amtsthätigkeit Knaks die sämmtlichen Schul- und Küsterhäuser der Parochie, sowie die Kirche in Rietzig neu gebaut, die in Gersdorf wesentlich umgebaut. Da erfüllte sich, das Wort: "Zum Laufen hilft nicht schnell sein!" Knak als Bauunternehmer! Und welcher Andere hätte das ausgeführt in. seiner Zeit und mit seinen Mitteln!

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Familienleben und Persönliche Erlebnisse.

Wer in das Wusterwitzer Pfarrhaus eintrat, den mahnte eine vierfache Sammelbüchse daran, daß in demselben ein Pastor wohnte, welcher ein warmes weites Herz hatte für alle Angelegenheiten des Reiches Gottes, lieber den: einen Fach stand die Ueberschrift: "Für die Bibelgesellschaft", über dem anderen "Für die armen Heiden", über dem dritten "Für christliche Erbaunngsschristen", über dem vierten "Für die Annen." Ueber dem Ganzen ein Bild des gekreuzigten Heilandes mit der Ueberschrift: "Das that ich für dich!" und der Unterschrift: "Was thust du für mich?"

Trat der Gast dann in das Zimmer, so sprach ihm ans der ganzen Anordnung die Umsicht einer sorgsamen Hausfrau entgegen. Kostbare Möbel und dergleichen fehlten, aber alles war gemächlich, sauber und ordentlich. Der geistige Verkehr aber ließ sofort fühlen, daß man unter Kindern Gottes sich befand. Der Hausvater brachte jedem ein zärtlich warmes, liebevolles Herz entgegen, gepaart mit heiligem Ernst und fröhlichem Sinn, der Friede Gottes sprach aus dem schönen Johannes-Angesicht, die lang herabhäugenden Haare verliehen dem Ganzen etwas Poetisches, Jmponirendes und Gewinnendes. An dem Familieuverkehr war sofort zu erkennen, daß die sorgsame Hausfrau mit fast ängstlichem Eifer bedacht war um das Wohlsein des geliebten Hausherrn. Die beiden Eheleute waren wie für einander zur Ergänzung geschaffen. Knak der ideale, allezeit in Gedanken der Ewigkeit lebende Knecht Gottes, seine Mathilde die sorgsame, sparsame, liebende Hausfrau, die alles Irdische, alle Sorge, alle Unbequemlichkeit nach Möglichkeit abwehrte, daß nur nichts an ihren geliebten Eheherrn irgend wie störend oder auch nur beunruhigend herantrete. Er der phantasievolle Dichter, sie der klar durchdringende Helle Verstand und die praktische Tüchtigkeit. Und alle individuelle Verschiedenheit zur Ergänzungs-Einheit verklärt durch gemeinsame Liebe zum HErrn und durch eine aus diese gegründete gegenseitige Liebe zu einander.

Am 13. Sept. 1835 wurde die glückliche Ehe gesegnet durch die Geburt eines lieblichen Töchterleins, welches am 2. Oct. in dem

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/heiligen Taufe den Namen Maria Elisabeth Martha empfing. Beide Eltern übergaben dies Kindlein bald nach seiner Geburt dem HErrn mit der Bitte, ER wolle dasselbe selig machen, und wolle es, falls ein längeres Leben in dieser argen Welt sein Seelenheil gefährden würde, lieber durch einen frühen Tod zu sich nehmen, so lange es noch in der Taufgnade lebe. Vater- und Mutterherz hielten auch stille, als Er am 4. März 1837 das süße Kindlein wieder zu sich nahm. Beide Elternherzen wurden damals schmerzlich bewegt durch das Gebühren des überspannten Kandidaten Kindermann. ihres Hausfreundes, der sich für das Leben des Kindes mit solcher Vermessenheit betend ins Mittel warf, daß er gelobte» er werde die Kanzel nicht wieder besteigen, wenn der HErr dieses ^ liebliche Kindlein sterben ließe. Die bekümmerten Eltern konnten, wenn auch mit Weinen, sprechen: "Der HErr hats gegeben, der HErr hats genommen, der Name des HErrn sei gelobt." Ja, sie konnten auch bei der am 3. Juni 1837 geborenen Maria Magdalena Elisabeth, und der am 28. April 1839 geborenen Magdalena Hanna dasselbe Gebet thun, wie bei dem Erstlinge. Als es aber dann am 22. Febr. 1840 dem HErrn gefiel, auch die Magdalena Hanna ^ zu sich zu rufen, soll die Mutter, wie sie dies später ihrer Schwester klagte, bei den später gebornen Kindern: Jonathan Johannes /Moritz Friedrich (geb. 10. Jan. 1841), Johannes Karl Gustav David (geb. 27. Oct. 1842), Hanna Elisabeth Christiane (geb.

1. April 1848). doch gebebt haben, als sie thun wollte, wie zuvor, und sie hat darüber oft geweint und um so angelegentlicher für das Heil der Kinder gesorgt und gebetet.

Gustav war über den Tod seines heißgeliebten Magdalenchens tief betrübt, aber auch im HErrn getröstet. Er schreibt an seinen .Heinrich:

Die durchgrabene Hand unsers Immanuels hat uns aus Liebe geschlagen, .mein Bruder! unser jüngstes Töchterchen Magdalena, fromm wie eine Taube, an der wir durch unseres Jesu Gnade viel Freude hatten, ist vor etwa 14 Tagen sehr unvermuthet heimgegangen; sie war nur wenige Stunden krank und starb an innerlichen Zahn-Krämpsen. Unter Thränen der Wehmuth konnten wir Ihm danken, von dem wir wissen, daß Er Gedanken des Friedens mit uns hat und nicht des Leides und nicht von Herzen die Seinen plaget; und je mehr wir die Herrlichkeit bedenken, mit .' der unser seliges Kind dieses Thränenthal vertauscht hat, desto getroster

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sind wir und haben Gnade, daß wir uns rühmen können der Trübsal, und die gebenedeite Hand des HErrn küssen, die uns aus mütterlicher Treue züchtiget und uns mit Seilen der Liebe heimathwärts zieht. Ich konnte meiner theuren Mathilde zurufen:

"Mutterherze, willst Du klagen über das entschlafne Kind,

Das die Engel heimgetragen, wo die Selgen alle sind,

Aus der Erde Nacht und Grauen, aus der Welt und ihrer Pein,

In des Paradieses Auen, in den ew'gen Sonnenschein? —

Zwar es waren süße Stunden, als sie Dir am Busen lag,

Als Du ihre Lieb empfunden, die aus holden Aeuglein sprach;

Aber trockne nur die Thräne und vergiß den stillen Harm:

Unsere theure Magdalene ruht in Jesu Schooß und Arm."

Doch ich darf nicht viel schreiben, lieber Herzensbruder! weil ich in der letzten Zeit und auch bis jetzt noch körperlich ziemlich angegriffen bin. Der HErr hat mir viel selige Arbeit geschenkt — mit bußfertigen und gnadenhungrigen Sündern und Sünderinnen zu beten und sie zu trösten mit dem Evangelium des Friedens. In Rietzig, wo es bis zum neuen Jahre fast ganz finster war, ist das Licht des HErrn besonders aufgegangen und hat so manche Seele erleuchtet; lobe den Namen unseres süßen Jesu, dem allein alle Ehre gebührt, uns aber nichts als Schmach und Schande.

Wie innig und herzig der Vater mit den Kindern, die ihm später geboren und vom HErrn gelassen wurden, verkehrt hat. davon giebt sein Gedicht Zeugniß, welches in den Berichten der Werderschen Bibelgesellschaft von 1845 abgedruckt ist als Gespräch eines Vaters mit seinem fünfjährigen Töchterlein:

Matth. 21,19.

Mel.: Laßt uns Alle fröhlich sein.

Kind. Vater, weißt du's ganz gewiß, wenn ich heute sterbe,

Daß ich dann das Paradies und den Himmel erbe?

Vater. Ja, mein Herzenstöchterlein! Engel werden kommen Und dich sauft aus aller Pein holen zu den Frommen.

Kind. Werd' ich meinen Heiland dann auch im Himmel sehen?

Blickt Er mich auch freundlich an, wird mich nicht verschmähen? Vater. Nein, Er wird dich inniglich an Sein Herze drücken Und mit Liebesküssen dich süßiglich erquicken.

Kind. Wird man dorten auch noch krank, wie in diesem Leben? —

Und welch' eine Speis' und Trank wird mir da gegeben?

Knak. LAufl.        11

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Vater. In dem schönen Himmelssaal weiß man nichts von Leiden, D Nichts von Krankheit, Nacht und Qual, sondern nur von Freuden. D Manna wird von Seinem Tisch dir der Heiland schenken        »

Und mit Lebenswasser frisch wunderbar dich tränken.        >

Kind. Bitte, Vater! Eines noch möchtest du mir sagen:        W

Was für Kleider werd' ich doch in dem Himmel tragen?        »

Vater. Herrlich ist das Himmelskleid und von weißer Seide,        »

Christi Blutgerechtigkeit ist dort dein Geschmeide.        »

Ja, wenn du im Vaterland stehst vor Seinem Throne»        I

Schmückt dich Seine Liebeshand gar mit einer Krone.        V

Eine Harfe giebt Er dir freundlich in die Hände,        >

Daß du Ihn mit Liebsbegier preisen kannst ohn' Ende.        »

Kind. Vater, ach wie freu' ich mich auf das liebe Sterben,        I

Weil ich dann ja sicherlich soll den Himmel erben!        »

Zu seinem Geburtstagsfest konnte Knak sich freuen wie ein I glückliches Kind. Da eilten dann aber auch Alle, ihm durch ein > kleines Geschenk eine Freude zu bereiten. Denn sie wußten, wie » dankbar und glücklich er über Alles sein konnte. Im Jahre 184AI hatte er die Freude, seine alte Mutter zu diesem Tage bei sich zir I sehen. Dieselbe schrieb Tags darauf an ihr Enkelkind Bertha I Steffelius einen einfachen Bericht über die Weise, wie der Tag ver- 4 laufen sei. Wir theilen denselben mit als Zeugniß dafür, wie 1 auch^die Patronatsfamilie und Fernestehende es sich nicht" nehmen > lassen wollten, den geliebten Pastor zu erfreuen.        1

Wusterwitz, 14. Juli 1843.        !

         An Onkels Geburtstag war es hier sehr schön. Wir hatten

die Stube mit schönen Kränzen geschmückt, und auch den Tisch, wo seine Geschenke lagen, mit einem Kranz umgeben.— Die Fräuleins vom Hofe kamen auch schon früh, dann kam Onkel in die Stube, setzte sich zuerst j hin und spielte das schöne Lied aus dem Liederschatz: "Dem blutgen Lamme, das sich für meine Noth," was wir alle sangen, dann betete er, und war sehr gerührt von der Güte des l. HErrn, und wir waren es auch alle. Danu s besah er sich mit kindlicher Freude seine Geschenke; ach, hättet Ihr Euch doch : alle mit uns freuen können! Du wirst wohl gern sehen, mein Berthchen» ! wenn ich Dir sage, was Onkel bekommen hat. Erstens von Deinen lieben ! Eltern Halstücher und Schnupftücher, letztere hatte ich gewaschen, und als er sie sähe, freute er sich, und nahm gleich eines in Gebrauch; von mir hatte er schon vorher Stiefeln erhalten, weil er sie zur Reise brauchte; doch

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erhielt er noch einige Kleinigkeiten. Von Fräulein Emma erhielt er 6 recht schöne Chemisettes und aus Stettin von mehreren jungen Mädchen ein Paar sehr schön gestickte lange Stiefeln und 6 Päffchen recht sauber mit einem Steppsaum genäht, dann von Fräulein v. Rappard, die hier zum Besuch ist, eine von ihr selbst verfertigte Uhrschnur, von Fräulein Achterberg eine sehr hübsche Tasse mit eineni sauberen Rosenkranz umgeben, von Clärchen Weiß einen wollenen Shawl, von Tante Mathilde einen Tnlar, und von Jettchen Höpfner ein Trageband, von Frau Oberstlieute-»aut hatte er schon vorher ein schönes Christusbild auf Porzellan erhalten, sie konnte leider nicht bei uns sein, weil sie ihrer Tochter, die aus Berlin kam, entgegenfuhr. Die kleine Anna, Oberstlieutenants Tochter, brachte sehr schöne Erdbeeren aus ihrem Garten, und der kleine Moritz einen Blumenstrauß. Auch erhielt er von einem seiner Freunde ein schönes Bild, die Abnahme unsers lieben Herrn Jesu vom Kreuz, und von einem andern Freunde eine saubere Tasse, worauf steht: Aus Dankbarkeit. Siehst Du, mein Herzchen, nun denke ich nichts vergessen zu haben, der liebe Onkel hat sich über Alles so herzlich gefreut. Zu Mittag kam Onkel Görcke, der jetzt in Polzin badet, mit dem Prediger Noack aus Wusterbart, und Nachmittag Prediger Achterberg — aus Rützow mit seiner Familie.

Ein gastlicheres Pfarrhaus, als das zu Wusterwitz, dürfte es kaum jemals gegeben haben, und wie viel Segen die Gäste, die ans- und eingingen, mitgenommen haben, das wird erst die Ewigkeit offenbaren. Mir, dem Herausgeber, wird es unvergeßlich bleiben, daß ich im Jahre 1845 einmal dies gesegnete Haus betreten durfte. Ich hatte mich in der deutschen und französischen Schweiz als Can-didat vielfach bereits in erweckten Kreisen bewegt, und galt, obschon »och ziemlich unreif, unter ihnen, wie ein "Bruder im HErrn." Aber in Wusterwitz konnte ich nichts anderes denken und fühlen, als: "Hier weht ein Geist, der weit über alles hervorragt, was du bis jetzt an geistlichem Leben gesehen und erfahren hast." Dieser stille Friede, dieses ungesuchte, so zur Natur gewordene einfältige Bekennen des Herrn Jesu, diese Innigkeit der warmen Liebe drückte mich so in Scham zu Boden, daß ich mir immer sagen mußte: "Ach,könntest du jemals diese Reife christlichen Lebens erreichen!"

Soeben war Gustav Jahns wunderbares Gedicht: "Das hohe Lied in Liedern" erschienen. Knak hatte es mit Entzücken begrüßt, sein Karl sofort wunderbar schöne Töne etlichen Hauptliedern untergelegt, und seinem Gustav dieselben natürlich in Abschrift sofort zugestellt. Sie lagen auf der Physharmonika, ich

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mußte sie singen, auch Knak sang, dazu die ergreifende Erbauungs-stunde der Abendandacht. Ich nahm einen tiefen Eindruck mit hinweg, und so wird es vielen ergangen sein.

Mein theurer Freund, der Superintendent Petrich in Nakow (früher in Dobberphul und Bahn) hat sich als Candidat, als er im Juli 1837 Wusterwitz besuchte, auch einen Segen mitgenommen. Er hatte, als er vom Wittenberger Prediger-Seminar ans eine Reise nach Pommern machte, auch von dem großen Aufsehen gehört, welches der junge Pastor in Wusterwitz durch seine Erbauungsstunden machte. Er reiste hin, und berichtet: "Ich blieb einen Tag und eine Nacht bei ihm, und seine Liebe, überströmend wie immer und meine Seele suchend, fand im Gespräch. Gebet, Gesang überall Fäden, sich um mich zu legen und mich in die Welt des Glaubens — die mehr war, als die mir nicht fremde weltgläubige Wissenschaft — emporzuheben. Zu besonderem Segen wurde mir aber ein Wink über mich selbst. An jenem Abende hatte er in der Kirche eine Erbauungsstunde zu halten, und da auch die Rede davon gewesen, daß ich zu Hause gepredigt hatte, drang er so lebhaft in mich, ihm diese Erleichterung zu bereiten, daß ich mich entschloß, mit Benutzung jener Predigt die Ansprache zu übernehmen. Er war nachher zwar gleich liebevoll, aber stiller, deutete auf weitere innere Erfahrungen hin, und da er wohl merkte, wie ich das still hinnahm, aber nicht verstand, sagte er mir, seine Frau hätte beim Zubettgehen geäußert: Ach. wenn ich mich doch auch so zu Bette legen könnte, wie der junge Candidat! Ich hatte nämlich auch von dem Glück eines ruhigen Gewissens, auch beim Einschlafen, gesprochen. Ich war zwar nicht überzeugt, aber der Stachel blieb sitzen, und wurde ein gutes Samenkorn, für das ich dem theuren Knak noch heute danke."

An Missionsfesten war das Pfarrhaus mit Gästen fast überladen, zu anderen Zeiten selten ganz von ihnen leer. Den Armen gegenüber hatte der Pastor stets das Herz und die Hand offen. Da die Stelle kaum 400 Thaler trug, ist es fast ein Räthsel, wie das Nöthige allzeit vorhanden sein konnte; denn auch zu Missions-sest- und anderen Reisen wurde viel verbraucht. Zwar hatte Knak ein kleines Vermögen; aber der eigentliche Schlüssel zur Lösung des Räthsels war seine Mathilde, die unter Gottes sichtbarem Segen


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Alles zusammen zu halten, auch das Geringste zu verwerthen und sich und ihr Haus zu beschränken verstand. Sie schonte dazu die eigene Leibeskraft nicht. Ihr Gustav hat es vielleicht auf Erden »ie erfahren, daß sie heimlich die geringsten Knechts- und Magdsdienste verrichtete, z. B. gelegentlich auch wohl schon um 4 Uhr früh mlfstand, um Häcksel zu schneiden, — damit nur ja niemals ihr Gustav in seinen Lieblingsausgaben für die Armen und für das Reich Gottes beschränkt werde.*) Für Putz und eitlen Tand war kein Pfennig vorhanden, für die Mission aber jährlich 25 Thaler regelmäßiger Beitrag, abgesehen von den Collectenbeiträgen und außer-

*) Wie nothwendig es war, daß die wirthschastlich umsichtige Mathilde ihrem idealen Gustav zur Seite stand, davon gab eine ergötzliche Scene Zeugniß, die sich auf dein Zarbener Pfarrhofe ereignete. Knak hatte dort gepredigt; er ivollte nach Wusterwitz zurück. Die Gäste begleiteten ihn zum Wagen. Da ruft Görcke plötzlich zu Knaks Knecht: "Was Tausend, du hast ja meine Pferde angespannt, was ist das?" — "Ja, sagte der Knecht, dat is wahr, ick heww' mit Jehann (Görcke's Knecht) dat all äverlegt, uns' Pier' sinn zwarsten bäter as de Zarbenschen, äwer se sinn to jung, un könen dat veele Reisen nich gaud maken; de Zarbenschen sinn öller, da heww' wi tauscht; so is dat bäter!" — Natürlich gab es ein großes Gelächter und die Pferde mußten wieder umgespannt werden. Die beiden Knechte aber konnten dies kaum verstehen. Waren ja doch ihre Herren Brüder mit einander, und war doch der Rath, den die Knechte mit einander gepflogen hatten, so selbstverständlich vortrefflich gewesen.

Ein ander Mal kommt ein Mann zu Knak, sagt, er heiße St. und sei aus Klützow; er bringe einen Gruß von dem Colporteur Radtke, der ließe ihn bitten, Knak möchte dem St. doch die zehn Thaler, die er gebrauchte, leihen. Knak hat nur fünf in der Tasche, die giebt er ihm und schickt ihn dann zu seiner Frau, die solle doch die andern fünf dazulegen. Als am folgenden Tage Radtke in das Pastorhaus kam, hielt ihm die Frau Pastorin vor, warum er Leute zu ihnen sendete um Geld, die sie noch nie gesehen hätten, wie diesen St. — "Ja. Frau Pastorin, den habe ich auch nie gesehen!"— Da schlug sie die Hände zusammen und rief: "Siehst du, Gustav, nun haben wir's! Radtke kennt den Mann gar nicht!"— Er antwortete aber ganz ruhig: "Laß sie nur, Mathilde, sie haben das Geld und wir haben Gottes Lohn."

Ein ander Mal kam ein Mann von Berlin, den Knak aber kannte. Derselbe hatte einen sehr abgetragenen Rock an. Knak fragte ihn, ob er keinen bessern hätte. — "Hätte ich einen bessern, so hätte ich ihn wohl angezogen, da ich Sie besuche." — Sofort zieht Knak seinen neuen Nock, den er erst zweimal angezogen hatte, aus und giebt ihn seinem Freunde. Als derselbe sich weigert, sagt er: "Laß doch nur, ich kann mir schon eher wieder einen neuen machen lassen."

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ordentlichen Gaben. Dabei kam eigentlicher Mangel nie vor. Im Gegentheil, Freundesliebe beschaffte manches, was auch über das unmittelbar Nothwendige hinaus ragte; z. V. einmal im Jahre 1844 eine wunderschöne Bollermannsche Physharmonika, zu deren wunderbar zarten Klängen er so gern die weichen lieblichen Melodien seines Karl sang. Gustav bekümmerte sich auch gar nicht darum, wenn Mathilde den Koffer packte zur morgenden Abreise, ohne daß noch ein Pfennig Reisegeld verhanden war. Denn wiederholt ereignete es sich, daß noch in der letzten Stunde von irgend einer vorher nicht geahnten Seite her das nöthige Geld ankam. Nie ist eine Reise aus Mangel an dem Röthigen abbestellt worden. Es war überhaupt, als habe Gott der HErr einen besonderen Engel zum Schutz seines geliebten Knechts bestellt. Denn einmal gingen die vom Pastor selbst gelenkten Pferde mit dem Schlitten auf spiegelglatter Bahn durch. Der Kutscher war schon abgeworfen, Knak ergriff die Zügel und schrie zum HErrn: "Herr Jesus, erbarme dich meiner!" und siehe, an einem Prellstein, als die Pferde eben um eine gefährliche Ecke biegen sollten, stehen sie wie gebannt still mitten im rasenden Lauf und gehen bis ins Dorf, wo Knak seinen Gottesdienst hielt. Ein andermal kehrte Knak mit Weib und Kind auf einem Einspänner von Zarben zurück. Die Axe brach, der Wagen wurde umgeworfen; Alle sielen heraus; aber keiner hatte sich beschädigt. Jonathan, der zwischen die Scheren gefallen war, schmiegte sich, als die Mutter ihn aus den Arm nahm, innig an dieselbe an und zeigte dabei immer nach dem Himmel. Wie aber die Eltern daheim ihr lautes Dankgebet thun, da sagt das Knäblein: "Habt ihr nicht die schönen Männer gesehen, die sich vor die Pferde stellten und sie aufhielten?"

Im Jahre 1837 und 1838 wurde Knak von einer heftigen Krankheit befallen, die ihn lange Zeit an den Rand des Grabes brachte. Er selbst und die Seinigen waren auf einen tödtlichen Ausgang gefaßt. Mathildens Aufzeichnungen vom 23. Aug. 1838 berichten auch von schweren innerlichen Anfechtungen, die er in dieser Krankheitszeit erfahren hat. Unter Thränen klagte er sich an, die Warnungen, nicht zu sehr sich anzustrengen, überhört zu haben. "Das macht aber mein starrer unbeugsamer Sinn, nun muß meine arme Gemeinde darunter leiden!" Es kamen Zeiten

vor, wo der Geist ganz umnachtet und alle Hoffnung auf die Gnade des HErrn verloren zu sein schien. "Nein, nein," antwortete er dann auf die tröstende Zufprache — "ein unnützer Knecht, nichts als Böses, nichts als Sünden, unnütz, schlecht, zu schlecht!" Als Mathilde halblaut für ihn betete, drückte er ihr ihre Hände und sprach: "Ach Mathildchen, was macheich dirfür Noth! Und was werde ich dir für Noth machen!" — "Hast du vielleicht ein Lied im Sinn, das wir dir singen sollen. Väterchen?" — "Ach ja, singt: Ich armer Mensch, ich armer Sünder!" Als die Umstehenden es unter Thränen sangen, versuchte er mit einzustimmen; aber seine Stimme war schon seit zwölf bis vierzehn Tagen völlig verloren. Später verlangte er das Lied: "Wer weiß, wie nahe mir mein Ende!" An neunmal schien der Erstickungstod da zu sein. Da sprach er öfters: "HErr, ich bin in Deiner Hand, dn wirst mich erlösen von dem Leibe dieses Todes", auch den andern Vers: "Lobe den HErrn, ineine Seele, und vergiß nicht, was Er dir Gutes gethan hat." Unter den unsäglichen Schmerzen war er still und geduldig. Trat aber der Schein der Besserung ein, so 'sagteer: "Ach, wenn mir der HErr noch einmal hülfe! Aber der Mensch ist eine Bestie, ich würde es doch vergessen! " Dann sprach er von seiner Lust, abzuscheiden und bei Christo zu sein. Seine Gemeinde hat es ihm gewehrt. Sie richtete ein Stundengebet ein, so daß unaufhörlich Tag und Nacht um das Leben gefleht wurde, das die Aerzte längst aufgegeben hatten. Endlich hob der HErr die Geißel des Todes hinweg, langsam erholte sich der kranke Leib, und Gustav konnte gegen Ende 1838 mit seiner Mathilde dafür danken, daß die Stricke des Todes zerrissen und er dem Lande der Lebendigen noch einmal wieder gegeben war.

Er besuchte in den Jahren 1839 und 1840 das Seebad und lm Jahre 1841 eine Wasserheilanstalt in Neu-Stettin.

Wie er nach wiedergekehrter Gesundheit den HErrn von innigstem Herzensgründe loben und preisen konnte, wie er aber auch noch mitten in der Kur nicht lassen konnte, zu zeugen von seinem Heilande, und wie in seiner Abwesenheit sein Herz sich nach seiner Gemeinde zurücksehnte, das bezeugt uns der Brief, den er von Neu-Stettin aus den 9. Juni 1841 an seinen Heinrich schrieb:

Neu-Steltin, 9. Juni 1841.

....... Ich lobe mit Dir Seinen herrlichen Namen, ich möchte gerne

mit Dir aufs Angesicht fallen und anbeten zu Seinen durchgrabenen Füßen; denn Er ist's werth für Seine Todesmühe, für Seine Geduld, die V unsere Seligkeit ist, daß Ihn jeder Pulsschlag ehre, jeder Odemzug Ihm I danke. Seine Güte ist es auch, daß ich, unter den Elenden der Elendeste nicht gar aus bin. Er hebt mich und trägt mich wie auf Adlersflügeln; und obwohl ich Ihm leider! keine Sache recht mache, und zu Allem, was-Ihm gefällt, von mir selbst ganz untüchtig und ungeschickt bin, so hört Er doch, nach Seiner grenzenlosen Barmherzigkeit, nicht auf, Sich mein immer wieder und wieder anzunehmen, mich immer wieder zu reinigen und von, meinen Gebrechen mich zu heilen, so daß ich vor Erstaunen und Verwunderung oft nicht weiß, was ich sagen soll und ausrufen muß: Wer kann die Breite und Tiefe, die Höhe und Länge Deiner Liebe begreifen, HErr I Gott Zebaoth, unser Heiland! Seine Treue bürgt mir auch dafür, daß.-Er, der das gute Werk in mir angesangen, es sicher vollenden wird zu, Seinem Preise. Ihm gehöre ich ganz und gar, mit Seel und Leib — und will Ihm, ja Ihm nur leben, der für mich gestorben und auferstandew ist; denn Er ist's gar, ja Er ist der Schönste unter den Menschenkindern, holdselig sind Seine Lippen; mein Freund ist weiß und roth, auserkoren unter vielen Tausenden. Sein Haupt ist das feinste Gold, Seine Kehle ist süß und ganz lieblich, Hallelujah! — Könnt ich nur recht von Liebe« sagen, lieber Gott was braucht ich mehr? Soll ich's sagen oder fragen, wie dann meiner Seele wär', Wenn sie ganz an Jesu hinge, sich und-Alles fahren ließ? — Ich bin ganz gewiß, es ginge mitten in das Paradies! — Was wirst Du aber dazu sagen, mein theures Herz! daß ich von Neu-Stettin aus an Dich schreibe?— Ich denke mich zur Stärkung meiner immer noch geschwächten Kopfnerven eine Zeitlang hier aufzuhalten und die Wasserkur zu gebrauchen. Gestern erst kam ich hier an und predigte am Missionsjahresfeste. Pastor Hänike und Lehmann, zwei theure Kinder Gottes, hielten Ansprachen an die versammelte Gemeinde. Der HErr war mitten unter uns. Das Missionswerk ist ein Werk des Glaubens, der Liebe, der Hoffnung; dies war unser Thema; Hänike sprach über den. ersten, ich über den zweiten, Lehmann über den dritten Theil. Unsere armen Reden kamen mir vor, wie eine dreifältige Schnur, von Jesu zusammengeflochten. Möchte Sein Wort nicht leer zurückkommen, sondern D ausrichten, was Ihm gefällt und wozu Er es sendet! Uebrigens aber fühl' ich mich hier bis jetzt noch etwas unheimlich; denn die friedliche Stille-unsres einsamen Dörfchens sticht gar zu sehr ab gegen das ungewohnte Gewühl und Getreibe der lauten und ach, wohl sehr weltlich gesinnten Stadt. Ich sehne mich schon jetzt nach der trauten Heimath, in die Liebes-arme des treuen Weibes und der süßen Kinder gar herzlich zurück. Bitte mit mir den HErrn, Du vielgeliebter Bruder! daß Er die Kur an mir segne nach Seiner Güte und auch die Zeit meines Hierseins gnädiglich abkürze, oder doch mir und Anderen zum bleibenden Segen gereichen lasse."

Der HErr fand es überhaupt für gut, Seinen begnadigten' Knecht durch manche tiefe Trübsal zu führen. Eine der allerschwersten war die, daß sein Ernst, dieser innig Geliebte, dessen Schwanken zwischen Welt und Geist er durch fünf Jahre mit fast mütterlicher Liebe und Zärtlichkeit mit seiner beständig treuen Fürbitte begleitet hatte, nun aus einmal als separater Lutheraner ihm einen sehr hochfahrenden Brief schrieb, sein Christenthum alseinen ungenügenden Standpunkt charakterisirte, ja selbst seine ernsten Bedenken über seine Stellung zum HErrn bekundete. Gustav schüttete seinen tiefen Schmerz gegen seinen Karl in der gewohnten demüthig ergebenen Weise aus — er ging sehr tief: "Ich sage noch einmal: Es ist mir recht, wenn ich mit Füßen getreten werde, und ich kann dem HErrn danken, daß Er mich treulich gedemüthigt! Strafe mich auch, mein geliebter Herzenskarl, wenn du mich sündigen siehst! Thue es ja, wenn und da du mich lieb hast. Hat dir Ernst nie etwas von seinen Bedenken über mich mitgetheilt? — Vielleicht Anderen? Das thut mir wehe. Doch stille, stille! Ich will denken, der HErr hat's ihn geheißen, wenigstens was mich betrifft, um mich elenden Wurm in den tiefsten Staub zu beugen, was für mich von unaussprechlichem Segen ist. Doch weiß ich, daß Jesus mein Jesus ist, und daß ich Sein Glied bin, wenn auch das allerschwächste, — und das ist ein unbeschreiblicher Trost! Nun aber, mein süßes Herz! nimm für diesmal fürlieb; denn ich bin durch den Brief an Ernst doch etwas angegriffen. Bete für mich,, daß ich immer geringer werde in meinen Angen, denn wer sich selbst erniedrigt, soll erhöhet werden! Du aber hast mich lieb, so elend wie ich bin; nicht wahr, mein Karl? O bleibe mir hold und trage mich auf Deinem Herzen wie bisher, und laß uns Ihm treu sein bis in den Tod!"

Die Pietätslosigkeit. welche Knak hier in einem unter viel Schmerzen und Thränen gezeugten geistlichen Sohn entgegentrat, stand leider nicht vereinzelt da. Sie ist einer der charakteristischen Züge, welche die lutherische Separation der vierziger Jahre in Pommern kennzeichnete, und in unchristlichem pharisäischem Richten auf den Kanzeln und unter den Kanzeln, bisweilen in widerwärtiger Gestalt sich geltend machte. Gerade dieser Geist aber widerte den in Christo geläuterten inwendigen Menschen in unserm KnaL

in der Weise an, daß er, wie mancher andere ernste Christ, sich durch denselben die Stellung anweisen ließ, welche er dieser gerade die geistlich angeregten Kreise Pommerns bis ins innerste Lebensmark erschütternden Bewegung gegenüber einzunehmen hatte.

30.

Die Missionsfesle in Wusterwitz.

Die erste Jahres-Feier seines Hochzeitstages beging Pastor Anak am 10. Okt. 1835 damit, daß er einen Misstonsgottesdienst in größerem Maßstabe in seinem Wusterwitz hielt. Diesem folgte 16 Tage später der Zusammentritt ernster Missionsfreunde zu einem besonderen Mssionshülfsverein für die Berliner Missionsgefellschaft. Die Statuten wurden am 26. Oct. desselben Jahres unterzeichnet, und die nächste Jahresfeier am 5. Oct. 1836 hieß ein Missions fest, welcher Name seitdem stehend geworden ist für geistliche Volksfeste, die zum Mittelpunkt zwar die Misstonssache hatten, zum Zweck und Ziel aber neben der Erweckung des Sinnes für die Heidenbekehrnng auch die Erweckung und Anregung des geistlichen Volkslebens. Diese Missionsfeste, von denen die Wusterwitzer nächst denen in Jassow und Trieglaff die ersten in Pommern waren, wurden die mächtigsten Hebel, um den Samen des neuen Lebens in die großen Massen der Bevölkerung zu tragen. Die Leute kamen zu denselben von 6—10 Meilen weit zusammen, Pastoren aus den fernsten Gegenden begegneten sich. Der Schmuck und der Glanz des Festes mit Blumen und Guirlanden, die Mannigfaltigkeit der begabtesten Redner, die festliche Stimmung der zu Tausenden zusammengeströmten Massen. Ne volltönenden Lieder mit Posaunenklang, die freie Bewegung unter dem freien Himmel, der Austausch der Herzenserfahrungen, das Alles wirkte zusammen, um diese Misstonsfeste Hunderten zur Geburtsstätte des ewigen Lebens zu machen. Namentlich die zarbener, die zühlsdorfer, die trieglaffer, die pflugrader, die beiers-Horfer, die Neumecklenburger und viele viele andere Missionsfeste haben

Teichlichen Segen ausgestreut in die Nähe und die Ferne. Oben an standen die Feste von Wusterwitz. Wer von den Erweckten das erreichen konnte, ein solches Fest mitgefeiert zu haben, der zehrte noch das ganze Jahr von dem Segen desselben.

Bereits das erste wusterwitzer Fest, bei welchem Görcke predigte und Knak die Nachrichten mittheilte, sammelte in der mit Kränzen und Guirlanden geschmückten Kirche eine Festgemeinde, die kaum Platz fand. Die Collecte brachte neben einem goldenen Ring 124 Mk. 40 Pf., und die erste Jahreseinnahme 607 Mark. Sechs Feste wurden in der Kirche gefeiert, beim siebenten (1842) ging dies nicht mehr. Die schon Tags zuvor im Pfarrhause eingekehrten Prediger, die von allen Seiten herbeigeströmten Gäste (von einem benachbarten Städtchen allein vierzehn Wagen) ließen bald die Unmöglichkeit erkennen, an dem heißen Tage (30. Aug.) in der Kirche ein Unterkommen zu finden. Schnell wurde vom Herrn Patron die Erlaubnis; erbeteil, das Fest auf einer Anhöhe im herrschaftlichen Park zu feiern, und eben so schnell ein Festplatz hergerichtet. Mit dem Liede: "O heilger Geist, kehr' bei uns ein" zog die Festgemeinde singend über die Dorfstraße und den Herrenhos und durch den Herrschaft-Fichen Garten dem Festplatze zu. Voran gingen die Prediger, ihnen folgte die 1200 Personen zählende Festgemeinde. "Wunderbar selige Gefühle bewegten die Herzen unter diesem Wallen des Haufens nach dem Berge Zion" (so heißt es in einem Berichte über -dies Fest). Oben angelangt, wurde, heute zum ersten Mal, das von Knak zu diesem Feste gedichtete, später so bekannt gewordene 'Festlied "Aus der Näh' und aus der Ferne" gesungen. Vier Festredner, Korth, Nagel, Obenaus und Zahn sprachen zur Versammlung, Knak hielt das Schlußgebet; die Versammlung sang das ebenfalls zu diesem Fest gedichtete Schlußlied: "HErr, Du hast uns reich gesegnet!" und unter dem Gesänge "Nun danket Alle Gott" zog die Festgemeinde wieder dem Dorfe zu. Die Collekte Hetrug 195 Mark nebst einem goldenen Ring. Zu der Jahressamm-Lung hatten 73 Ortschaften 1260 Mk. 57 Pf. zusammengetragen.

Nachdem noch mehrere Feste in den folgenden Jahren im herrschaftlichen Park gefeiert worden waren, wurde für die späteren Der Platz am Pfarrhause zum Festplatz eingerichtet. Der Frauen-Spinnverein hatte vierzig Recken Leinewand gesponnen, um ein

sehr schönes, auf vierzig Säulen ruhendes, mit Blumenguirlandem zu einem Tempel hergerichtetes Gezelte herzustellen, in welchem Hunderte Schutz fanden gegen Regen und Sonnenschein, welche beide bei dem Fest nicht fehlten. Bald wurden die Feste ausgedehnt, ein besonderes in einem Filial, Gersdorf oder Rietzig, auch ein Kinderfest hinzugefügt, und am Tage nach dem Feste feierten die zurückgebliebenen Gäste — deren oft sechzig im Pfarrhause sich, einfanden — gemeinsam das heilige Abendmahl. Das waren köstliche Feste. Das eine derselben, sammt seiner gesegneten Reise», die ihn hinbrachte, hat Br. Görcke in seiner biedern treuherzigen Weise in den Werderschen Bibelberichten (1846, S. 5) beschrieben, (ein anderes Knak selbst in demselben Blatt 1849, S. 44 ff.)

Gern würden wir beide Berichte, die ganz köstliche Bilder Zeichnen, ausführlich mittheilen. Der Raum nöthigt uns, daß Wirrnis mit dem einen einzigen (ebenfalls von Knak selbst beschriebenen) begnügen, welches wir in den "Zeugnissen" abdrucken lassen werden (s. Zeugnisse XI). Aus einem dritten dieser Festberichte (Werdersche Bibelberichte 1846, Nr. 10—13) können wir uns nicht enthalten, hier noch einige Züge mitzutheilen.

Für diesmal war der Pfarrgarten zum Festplatz eingerichtet. Die mehrere Fuß hohe Treppe der Hiuterthür, die in den Garten führt, wurde zur Kanzel. Vor derselben wurde ein einfacher Altar aufgerichtet, neben dem zu beiden Seiten zwei große mit lieblichen Blumen zart umwundene Kreuze standen. Ueber der Kanzel und dem Altar» die mit weißen Tüchern bekleidet waren, erhob sich eine hohe Laube mit grünem Dach. Um die Festredner vor den brennenden Sonnenstrahlen zu schützen, und zur Beschattung der Festgenossen, war von dem einen Ende des Hauses bis beinahe zum andern ein großes Segeltuch von weißer Leinwand ausgespannt. Während diese mit erwartungsvoller Freude und stillem Gebet um Festsegen getroffenen Vorbereitungen die Arbeit des Vortages ausfüllten, kam ein Wagen nach dem andern mit den sehnlich erwarteten Festgästen aus der Ferne ungefähren. Das gab köstliche Freuden des Wiedersehens. Die Herzen schlugen schon höher und die Zungen sangen: "Heilig, selig ist die Freundschaft und Gemeinschaft, die wir haben, und darinnen uns erlaben!" Abends 9 Uhr ging es in die Kirche zur Vorbereitungspredigt, es°

war eine Büßpredigt über Ps. 51,3.15.— Am 23. Morgens sieben Uhr fuhren drei Wagen mit fröhlichem Gesang nach dem eine halbe Meile entfernten Filial Rietzig zur Vorfeier. Auch hier war die Kirche mit Blumengewinden und Kränzen festlich geschmückt, die Festpredigt lud auf Grund von Matth. 11, 28 die Mühseligen und Beladenen zum HErrn und zeigte, wie die Mühseligen und Beladenen unter den Heiden Ruhe gefunden hätten beim HErrn. Dann betrat ein anderer Festredner die Kanzel, um von den seligen Früchteil der Mission unter den Heiden zu berichten; ein dritter zeigte auf Grund von Matth. 9. 37 u. 38, wie groß die Ernte und wie wenige die Arbeiter seien; ein vierter beschloß die Feier mit Gebet. Singend und lobend kehrten die Feiernden nach Wusterwitz heim, woselbst die Menge der Festbesucher auf den Straßen hin und her wogte, und das Pfarrhaus von Gästen gedrängt voll war. Um drei Uhr begann nun das eigentliche Fest. Eingangsgebet, Liturgie, Gesänge der Gemeinde und des Sängerchors wechselten lieblich mit einander ab, bis Görcke aus Zarben über Ps. 68, 8 eine gewaltige Predigt hielt, in der er hinwies auf die Bahn, die wir dem HErrn machen sollen zum eigenen Herzen und zu den Heiden. Dann verkündigte ein zweiter Festprediger die Gewißheit der Gnadenverheißung für die Heiden auf Grund von Nöm. 11,25. 26. Darnach trat Br. Prietsch, der eben nach Afrika ausgesandt werden sollte, auf, um Zeugniß zu geben von dem, was ihn unter die Heiden trieb, und um die Fürbitte der Missionsgemeinde zu erbitten. Eine Schlußansprache und Gebet endete das Fest. In der Collekte fand sich neben einhundertunddreizehn Thalern eine goldene Kette und ein Paar von Kinderhand für die Mission gefertigte Strümpfe. "Am Morgen nach dem Feste (so schließt der von Knak selbst geschriebene Bericht) erquickte der überschwänglich gnädige HErr neun seiner armen in Wusterwitz über Nacht gebliebenen Zeugen noch an seinem Altar durch das Sakrament Seines Leibes und Blutes, nachdem Br. Görcke über 2Mos. 19,22 eine zur Buße erweckende und im Glauben stärkende Beicht-Vorbereitung gehalten, aus eine so unaussprechliche Weise, daß wir in Wahrheit trunken waren von den reichen Gütern Seines Hauses und immer nur loben und danken, und zu seinen durchgrabenen Füßen uns hätten satt weinen mögen. Die meisten der Brüder zogen

bald darauf fröhlich ihre Straße, der theure Pastor G- aber hielt uns zur Nachfeier des herrlichen Festes noch eine gar köstliche Abendandacht in der hellerleuchteten Kirche über die Worte: "Wie lieblich find Deine Wohnungen, Herr Zebaoth!", worin er die großen Gnaden- und Segensströme, die der HErr in diesen Tagen wieder über uns ausgegossen, mit untermischten lieblichen Erzählungen von der Kraft des göttlichen Worts, noch einmal so recht lebhaft vor unsere Seele führte und uns aufs Dringendste zur Dankbarkeit und zur Uebergabe des ganzen Herzens an einen solchen HErrn aufforderte. Wir aber können nichts weiter, als mit verhülltem Angesicht in seliger Scham und Freude ausrufen: "Lobe den HErrn, meine Seele, und was in mir ist, seinen herrlichen Namen; lobe den HErrn, meine Seele, und vergiß nicht, was ER dir Gutes gethan hat! Amen!"

Der Segen, der von diesen Missionsfesten ausgieng, ist unberechenbar. Jeder Pastor, der denselben in Wusterwitz einmal geschmeckt hatte, gönnte ihn seiner eigenen Gemeinde, und so entstanden aus dem Wusterwitzer Verein heraus in dem Umkreise der sich dort zuerst sammelnden Festgemeinde nach und nach die Mis-sionshülfsvereine von Zizeneff, Belgard, Schivelbein, Venzlaffs-hagen, Rützow, Grost-Grünow, Janikow-Köntopf, Lubow, Tempelburg, Claushagen, Neu-Stettin. Für einen großen Theil der alten Knak'schen Leute in allen diesen Orten aber ist noch heute das Fest in Wusterwitz das Missionsfest.

Der erste Amtsnachfolger Knak's hat einmal zusammengerechnet, was allein aus dem Wusterwitzer Verein während der Amtsführung Knak's an die Hauptkasse in Berlin abgeführt worden ist. Es war die Summe von 12,501 Mk. 1 Pf. baar — ohne die sonstigen Gaben an Kleidungsstücken. Leinwand und Geschmeide. Letztere Gaben (das Geschmeide) waren ziemlich bedeutend. Ein armer Mann gab den Rock vom Leibe für die Kaffern in Jtemba. Reiche Leute gaben ihre ^Schmucksachen. Knak drang nämlich wiederholt energisch auf die Ablegung alles nichtigen und unnöthigen Tands-gegenüber der entsetzlichen Noth der Heiden, und ging dazu mit gutem Beispiel voran. Einmal mußte in Ermangelung des baaren

Geldes der größte Theil seines Silberzeuges in die Missionskasse.-Das trieb auch andere. Im Jahre 1839 konnte er nicht weniger als 19 goldene Ringe, ein Paar goldene Ohrringe und eine goldene Tuchnadel einsenden. Ueberhaupt gingen während seiner Amtsführung in Wusterwitz bei ihm für die Mission ein sechsunddreißig goldene Ringe, fünf Paar goldene Ohrringe, drei goldene Broschen, zwei goldene Kreuze, eine goldene Kette, eine Tuchnadel, fünf silberne Ringe, ein Paar silberne Strickscheiden, eine silberne Uhr, ein silbernes Näh-Etui, ein silberner Halsschmuck — außer, was er selbst geopfert hatte, und das schrieb er nicht an, sondern sandte es einfach ein. Wie viel Segen mögen blos diese Opfer denen eingebracht haben, die sie in Einfalt und Freude dem HErrn darbrachten.

31.

Ein gesegnetes Seebad.

Wir haben oben berichtet, daß im Jahre 1838 unter den übermenschlichen Anstrengungen seines Amts die Kraft des theuren Knak zusammenbrach, und er in ein hitziges Nervenfieber verfiel, aus welchem er nur langsam sich erholte. Im Juli dieses Jahres ging er deßhalb mit seiner Frau in das Seebad nach Colberger Deep. Dies ist eigentlich kein Badeort, sondern ein ganz geringes Fischerdorf. Dennoch ist von demselben ein Segen ausgegangen, ivie vielleicht kaum von der größten Seebäder einem, in denen Hunderte von Predigern und anderen ernsten Christen zusammen kommen.

Freilich im ersten Sommer mußte er sich dort ganz still verhalten. Sonntags fuhr er nach Zarben hinüber zu seinem geliebten Moritz Görcke; denn Zarben liegt nur eine Postmeile von Deep entfernt. Er mußte auf dieser Fahrt jedesmal zwanzig Minuten trug durch den Camper See fahren, einen Binnensee, der mit der" Ostsee in Verbindung steht. Gewöhnlich ist das Wasser der Fuhrt kaum zwei Fuß tief, bei hohem Wasfer steigt es etwas, und wen ' die Fuhrt verfehlt, kann auch leicht in die Untiefen gerathen. Als er nun einmal von Zarben nach Deep zurückfuhr, leitete er den Einspänner selbst; er verlor die Fuhrt und gerieth in immer tieferes Wasser. Da springt seine besorgte Mathilde schnell ans dem Wagen ins Wasser, fühlt mit den Füßen nach den Wagenspuren, ergreift das Pferd beim Zügel und leitet es herum, so daß sie der Gefahr entgingen.

"Im Sommer 1839 (so erzählt Görcke) besuchte er wieder sein ihm liebgewordenes Deep. Damals drang er in mich, am 24. Juni, einem Wochentage, das erste Missionsfest in Zarben zn feiern. Ich zweifelte, ob ich in der Woche dazu die Leute in die Kirche bekommen könnte; aber ich mußte seinem Zureden nachgebcn. Als wir zusammen zu Mittag aßen, und ich kleingläubig eben wieder geäußert hatte: Werden auch Leute zur Kirche kommen? trat der Briefträger ein und brachte einen Brief von einem Landschullehrer bei Stettin, der mir schrieb: Eine Bauerfrau hat den beiliegenden schweren Ring mir für die Mission übergeben mit dem Aufträge, ihn dahin zu senden, wo das erste Missionssest gefeiert werden würde, und da es das Missionsfest in Zarben ist, übersende ich Ihnen denselben. Nun! sagte der liebe Knak, das ist ein Angeld auf ein gesegnetes Fest; aber sollte die Bauerfrau ihren Ring für die Mission opfern, und wir wollten die unsrigen auf den Fingern behalten? Und damit opferten er und seine Mathilde auf einem .Teller ihre Trauringe, und der Teller machte die Runde und sieben goldene Ringe wurden für die Mission mit Freuden geopfert. Die .Kirche fanden wir wider alles Erwarten gedrängt voll, und es war eine überaus gesegnete Festfeier, bei der der Bruder Knak die Nachrichten mit den eindringendsten Anwendungen mittheilte." So hat also auch an den später so reich und überreich gesegneten Zarberner Missionsfesten das Seebad von Deep und der kranke Pastor Knak in demselben seinen guten Antheil. Er hat die Bedenken Görcke's überwunden, daß er in Gottes Namen begann.

Das Jahr 1840 brachte unsern Knak wiederum nach Deep. Diesmal waren die drei Freunde Knak, Straube und Görcke zusammen dort, und ihre Frauen dazu. Das muß ein köstliches Bad gewesen sein. Görcke berichtet von demselben: "Wir hielten Amschichtig bei uns die Morgen- und Abendandachten. Zu letzteren fanden sich außer unseren Wirthsleuten bald einzelne andre ein, deren Zahl sich von Tag zu Tage mehrte, bis endlich ziemlich alle Bewohner des Dörfleins sich dazu einstellten. Man bemerkte an Allen die größte Aufmerksamkeit und besonders, wenn Bruder Knak die Andacht hielt, das durch viele Thränen sichbare Gerührtsein. Und dennoch konnten wir von keiner Seele sagen, daß sie aus dem Sündenschlafe wirklich erweckt sei. Sie waren alle noch zu gute Leute. Als wir den Tag vor unserm Scheiden von der See nach dreiwöchentlichem Aufenthalt uns auf einer der höher» Dünen befanden, vereinigten wir uns zu der gemeinsamen Bitte zu dem HErrn, daß Er das von uns gepredigte Wort doch nicht wieder leer .zurückkommen lassen, sondern Gnade geben möchte, daß es Frucht wirke für das ewige Leben. Wir gaben uns das Versprechen, mit dem Gebete für das Dörflein nicht nachzulassen, bis der HErr uns erhören und seinen Geist über die Leutlein ausgießen würde. Nun fragten die lieben Brüder von Zeit zn Zeit bei mir an: Regt sich denn noch nichts in Deep? Aber immer mußte ich verneinend antworten.

Als ich nach Jahresfrist eines Sonntags aus der Kirche zur Pfarre ging, kamen mir dreizehn Männer und Frauen nach, denen ich es gleich ansah, daß es Deeper Leute waren. Als ich sie im Hause fragte, was ihr Begehr sei, standen sie alle mit Thränen in den Augen da und sagten: Ach, wir sind so betrübt über unsere Herzen. Der HErr unser Gott hatte es so gut mit uns gemeint, er sandte die drei Prediger zu uns, die uns den Weg zum ewigen Leben zeigten, und wir haben uns doch nicht bekehrt und die Gnadenzeit verträumt. Nun ist's uns leid und nun wird uns der HErr wohl nicht mehr gnädig sein. Als ich fragte: Wer ist der beküm-mertste von euch?, da wiesen sie alle auf eine kleine junge Frau, und die stand da und rang die Hände und jammerte: Ich gehe verloren, ich komme in die Hölle, mein Herz ist gar zu verkehrt und böse. Als ich sie fragte: Ist denn der Herr Jesus todt?, sah sie mich mit großen Augen an und sagte: Nein! Nun, sagte ich, dann hat es keine Noth: Er ist heute, gestern und in Ewigkeit derselbe. So wir unsere Sünden bekennen, ist Er treu und gerecht, daß Er uns unsere Sünden vergiebt und reinigt uns von aller Untugend. Aber während ich mich noch bemühte, ihr zu zeigen, daß sie, weil sie ihre Sünden erkenne und bekenne, weiter nichts solle, als glauben,

Knak. 2. Aust.        12

daß der Herr Jesus ihr Heiland sei, der sie erlöst habe, und sie j fei durch solchen Glauben gerecht, so jammerte sie schon wieder: l Ach, ich gehe verloren, ich komme in die Hölle, ich bin zu schlecht, j Ich fragte noch wiederholt: Ist denn der Herr Jesus todt? und j wiederholte, was ich ihr gesagt hatte; aber meine Zeit war ver-gangen, ich mußte zum Filial, sagte es den Leuten und bat sie, nur bald wieder, zu kommen, daß ich ihnen weiter den Weg des t Heils zeigen könnte, betete mit ihnen knieend und entließ sie. Als sie aber auf der Dorfstraße waren, dachte meine Kleine: Was fragte er doch immer: Ist denn der Herr Jesus todt? Und mm I erinnerte sie sich, was ich weiter gesagt und wurde darüber im Glauben so fröhlich, daß sie mehr nach Hause sprang, als ging. Nach einigen Tagen kam sie schon voll Glaubens wieder zu mir ^ und brachte eine Nachbarin mit, daß ich ihr auch helfe, daß sie ) das Evangelium faßte, und von nun an ging es wie ein zündendes ^ Feuer durchs Dorf, daß ihrer Viele sich zum HErrn bekehrten. Ach, was wurden das nun für liebliche Leute. Besuchte mich doch einmal ein junger Prediger ans Württemberg, um das kirchliche Leben i in dieser Gegend kennen zu lernen. Wir gingen Beide auch nach j Deep. Als wir über die große Wiese vor Deep gingen, waren -alle Deeper beim Heuen. Einet fragte: Papa! giebt's heute Gottes : Wort? Und als ich sagte: Ja, wir baden, und wenn wir zurück- -kommen, kann's geschehen, da warfen sie Alle die Harken hin und- ' eilten ins Dorf; und als wir aus der See zurückkamen, saßen sie : Alle schon bereit, das Wort des HErrn ausgelegt zu hören. Ich zeigte ihnen wieder, wie wir armen Sünder allein durch den Glauben gerecht würden ohne des Gesetzes Werk. Dabei weinte ein junger Mensch bitterlich. Ich fragte ihn nachher, warum er so sehr weine, und er klagte mir nun seine Sündennoth, und daß er noch nicht zum Frieden kommen könne, so daß ich ihm sagen mußte:. Mein Sohn, das habe ich eben auseinander gesetzt; aber du hast vor Betrübniß und Angst über deine Sünden nichts gehört. Ich wiederholte, was ich gesagt hatte. Da trat der liebe Württemberger vor und sagte: "Lieben Leute hört, was ich euch zu sagen habe. Ich habe Glauben an meinen Heiland gehabt, als ich zum Besuch in diese Gegend kam. Aber als ich hier die gläubigen Leute kennen krnte, Alle so voll der ersten Liebe, so freudigen Glaubens und-so gesalbt in ihren Gebeten, da wurde ich irre an mir selbst und meinte, mit meinem Glauben sei es alles noch nichts ; aber durch das eben ausgelegte Wort habe ich wieder Frieden und Freude des Glaubens bekommen; o nehmt's doch zn Herzen und glaubt es doch, wir werden selig ohne des Gesetzes Werk alleine durch den Glauben." Wir beteten noch einmal und daun gingen wir unseres Weges und die Leute fröhlich wieder aus Heuen. Von diesen Leuten sind die meisten schon entschlafen und werden dem Bruder Knak noch im Himmel danken. Denn cs waren doch besonders seine erschütternden Ansprachen, die sie vom Todesschlaf erweckt hatten." So weit Görcke.

Der größte Segen ging aus dem gesegneten Ostsee-Strande im Jahre 1842 hervor. Das große Loos zog damals der Pastor Licht. Da der HErr hernach diesen seinen Knecht gewürdigt hat, ein Lichtträger für viele, und seine Gemeinde, ein Feuerheerd für eine weite Umgegend zu werden, so müssen wir ein wenig weiter ausholen: Am 6. Febr. 1807 wurde auf dem Vorwerk Hohenbruch bei Arnswalde in der Neumark dem Condukteur Gottlieb Licht und seiner Frau Elisabeth Nöstel ein Sohn geboren, welcher in der heiligen Taufe die Namen Georg Eduard Wilhelm empfing. Schon m seinen frühen Knabenjahren arbeitete in ihm der Zug des Vaters zum Sohne, er betete, obgleich mehr in kindlich unbewußtem Sinn. Vom zwölften Jahre ab besuchte er die Bürgerschule zu Arnswalde, von Neujahr 1822 ab das Gymnasium zu Stargard in Pommern; Ostern 1827 ging er mit dem Zeugniß Nr. II zur Universität Berlin ub, woselbst die Vorträge von August Neander besonders erwärmend auf ihn einwirkten. Im Febr. 1832 nahm er nach wohlbe-jmndenem erstem theologischen Examen eine Hauslehrerstelle beim Grafen Blücher in Finken bei Röbel an. Sein Körper war damals durch lange fortgesetzte Kränklichkeit und akute Krankheiten so geschwächt, daß er nimmer ein Pfarramt übernehmen zu können meinte, und um nur sein zweites Examen machen zu können, seine Hauslehrerstelle aufgeben mußte. Mitten in großer Leibesfchwäche machte »ud bestand er sein zweites Examen und folgte, noch immer so lrank, daß er kaum an eine Anstellung denken konnte, dennoch einem ganz unerwartet an ihn gelangten Ruf in das Pfarramt zu Zühls-

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dorf bei Arnswalde. Er übernahm dasselbe in der zweiten Hälfte des Oktober 1834, fast auf denselben Tag wie Knak sein Wusterwitz, und fand in Zühlsdorf genau dieselben Zustände der Verwilderung in der Gemeinde vor, wie Knak in Wusterwitz. Er arbeitete, so viel sein schwacher Leib dies gestattete, mit aller Treue, auch nicht ohne Segen. Seine Predigten waren biblisch und obgleich nicht immer packend, doch so gesegnet, daß Etliche durch dieselben vom Sündenschlaf aufgeweckt wurden. Im Febr. 1842 verfiel er in eine so schwere Nervenkrankheit, daß sein Leben an einem Faden hing. Im Sommer mußte er zu seiner Stärkung ins Seebad. Der HErr lenkte es, daß er nach Treptower Deep kam, während Knak in dem benachbarten Colberger Deep badete. Mit ihm und Straube und Görcke und Kundler und v. Löper schloß er bald enge Freundschaft und empfing namentlich von einem in Zarben gefeierten Missionsfeste einen unauslöschlich tiefen Eindruck. Von dem Tage ab war sein Herz für immer an das heilige Missionswerk gebunden mit unlösbaren Banden. Daß er sofort nach seiner Heimkehr einen Missionsverein gründen müsse, das stand ihm fest und wurde im folgenden Frühjahr ausgeführt. Schon in Deep fing er an, Erbauungsstunden zu halten. Auf der trieglaffer Conferenz empfing er neue tiefe Eindrücke. Wie er nun zum ersten Male nach seiner Heimkehr in seinem Filial Kratznick predigte, sahen die beiden bibel-gläubigen Bauern Hartwig und Dolgner ihn ganz verwundert an; er konnte es deutlich auf ihrem Gesichte lesen, wie sie staunten^ ihn so predigen zu hören. Als er nach beendigtem Gottesdienste die Kirche verläßt, steht der alte Hartwig an der Thür, sieht ihn zärtlich an, drückt ihm die Hand spricht: "Dat was een schön Bad! So man noch 'n Poar Moal!"

Auf dem Wusterwitzer Missionsfest, das er besuchte, bekam er neue unauslöschliche Eindrücke. Bald darauf besuchte ihn Knak in Zühlsdorf. Ueber diesen Besuch schreibt Licht im Kleinen Sammler (1878, 3. Quartal):

"Unvergeßlich ist es mir, wie Knak zum ersten Mal in meine Gemeinde kam. Es war an einem Wochentage, ich ließ in dem großen Bauerndorfe Haus für Haus die Leute einladen, um 8 Uhr in die Pfarre zu kommen. Da standen sie in dem großen Wohnzimmer Kopf an Kopf, auch der Flur war ganz mit neugierigen


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Hörern gefüllt, denn es war damals etwas ganz Ungewohntes, daß in der Woche von einem fremden Prediger das Wort Gottes sollte ausgelegt werden. In der Mitte der Versammlung stand Knak. Er ließ singen: 'Jesus nimmt die Sünder an.' Dann das gewaltige Gebet, in dem er den Sohn Gottes mit Glaubens-Händen herunter in unsere Mitte zog und darauf das Wort Gottes Hesekiel 33, 11: 'So wahr als ich lebe, spricht der HErr, Ich will nicht den Tod des Sünders rc.' Meine alten Bauern standen wie angewurzelt; über manche der gebräunten und gefurchten Wangen stoffen Bnßthränen, wie noch nie zuvor. Das Wort hatte gezündet. Loderte auch das Feuer, welches der HErr so gerne brennen sieht, nicht sofort auf, so brach es doch bald hernach durch, daß es lichterloh ausschlug und fast kein Haus davon unberührt blieb. Die nächste Folge war die Gründung eines Missions-Vereins , der alljährlich ein Missionsfest für Kinder und ein anderes für Erwachsene feierte, wo Ströme des lebendigen Wassers sich ergossen und wo dann besonders wieder der Pastor Knak es war, der die zündenden Funken in die Umgegend warf; denn zu dem großen Missionsfeste kamen die heilsbegierigen Seelen nicht blos aus der Nachbarschaft, aus dem Umkreise von 5—6 Meilen fanden sie sich ein, wurden in der Gemeinde eingnartiert und feierten so zwei Tage mit uns. Die zweite Frucht dieser Erweckung war die Gründung zweier Rettnngshänser für verwahrloste Knaben und Mädchen. Knak hat gesungen: 'Wenn Gottes Winde wehen von: Thron der Herrlichkeit und durch die Lande gehen, dann ist es sel'ge Zeit.' Solch selige Zeit habe ich mit ihm in den vierziger Jahren verlebt und dafür preise ich meinen Gott."

Wenn wir nun von den köstlichen Missionsfesten in Zühlsdorf und von der gewaltigen Erweckungszeit in jener Gemeinde und deren Früchten spezieller berichten wollten, so müßten wir fast dasselbe von Zühlsdorf erzählen, was wir eben von Wusterwitz erzählt haben.*) Zühlsdorf wurde ein Feuerheerd des geistlichen

*) Am dritten dieser gesegneten Feste lernte ich, der Herausgeber, den theuren Knak persönlich kennen. Den Eindruck jenes Festes, wie man von der hochgelegenen Kirche aus von allen Richtungen her haufenweis die Gäste zu Fuß und zu Wagen ankommen sah, sowie auch die einsame Flöte, welche ich, um Mitternacht aufwachend und an das Fenster tretend, blasen hörte: "Wie schön leucht

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Lebens für die Umgegend auf weite Entfernungen hin, und noch bis aus diesen Tag gehören die Zühlsdorfer Missionsfeste zu den am reichsten gesegneten und besuchtesten in der ganzen Neumark.

Nur eine liebliche Frucht können wir hier nicht verschweigen.

Etwa acht Tage nach Knaks erstem Besuch in Zühlsdorf waren vergangen, da trifft Licht den Bauer Fr. Krause auf der Wiese, seine Sichel streichend. Er klopft ihn auf die Schulter und fragt freundlich: "Wie geht's, lieber Krause?" Dieser fährt zusammen, sieht ihn verwundert und ernst an und sagt mit zögernder Stimme: "Recht gut, Herr Pastor, das Fieber bin ich, Gott sei Dank, los!" — "Ich frage nicht nach Eurem Leib, sondern nach Eurer Seele!" — "Ja, da steht es sehr schlecht; ich weiß nicht, was ich machen soll!" — "Und was fehlt Euch?" — "Meine Sünden drücken mich, jetzt weiß ich's und fühle es immer mehr, daß ich unzählige Sünden begangen habe. Schon so oft habe ich den lieben Gott gebeten, Er solle mir doch die Unruhe aus meinem Herzen nehmen; es ist aber, als hörte Er mein Gebet nicht!" — "Ihr sagt, Ihr habt den lieben Gott angerufen? Kann ein Sünder wohl einen lieben Gott haben? Ist Gott nicht ein verzehrendes Feuer für die Sünder? Lieber Krause, ehe Ihr den lieben Gott um etwas bitten könnt, müßt Ihr machen, daß Ihr einen lieben Gott bekommt. Habt Ihr denn noch nie zum gekreuzigten Heiland gebetet?" "Nein." — Nun wies ihn Licht hin auf die Gnade des Herrn Jesu, der gestorben ist, um Sünder selig zu machen, und ermahnte ihn zum Gebet und Forschen in der Schrift. — Am nächsten Sonntag sieht er den lieben Mann mit leuchtendem Auge und verklärtem Angesichte in der Kirche sitzen. Was war mit dem Mann geschehen?

An jenem Mittwoch, wo sein Pastor mit ihm sprach, trägt sich der Mann immer mit dem Gedanken herum, der Pastor hat

uns der Morgenstern!" werde ich nicht leicht vergessen. Ich hatte heftige Zahnschmerzen, gegen welche Knak Franzbranntwein mit Salz in's Ohr gegossen an-wandte. Hernach habe ich ihn öfters scherzend daran erinnert, welchen Antheil der Branntwein an unserer ersten Bekanntschaft gehabt habe. Aber für solche Scherze, auch wenn sie harmlos waren, und für Humor hatte er kein Organ. Dann schüttelte er wohl freundlich lächelnd den Kopf und schwieg oder sprach: "Du bist aber ein böser Mensch."

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gesagt, du sollst zum Herrn Jesus beten. Es wird Abend, es wird spät. Da endlich bittet er den Herrn Jefum, Er möge doch die Angst seiner Seele von ihm nehmen. So schläft er ein — und schläft doch nicht. Es war ein wunderbarer Zustand. In diesem Zustand sieht er den Herrn Jesum an seinem Bette stehen, der ihn mit unbeschreiblicher Milde und Freundlichkeit anblickt und ihn bei Namen nennt. Verwundert und staunend richtet sich Krause auf, sieht den Heiland, den er sofort erkennt, mit Furcht an, die ihm jedoch gar bald verschwindet, und fragt: "HErr, woher kennst Du mich?" — "Schon vor drei Jahren, als du auf deiner Wiese hinter dem Haselstrauch lägest und betetest, schon da habe ich nach dir gesehen und dein Gebet erhört. Sei getrost und fürchte dich nicht, deine Sünden sind dir vergeben; ich will dich erhören." — Nun erinnerte sich Krause daran, daß er unter jenem Strauch vor drei Jahren, durch eine Pfingstpredigt angeregt, zum ersten Mal in seinem Leben aus tiefem Herzen heraus gebetet hatte. Von jetzt ab konnte Krause glauben, daß ihn: seine Sünden vergeben seien, seine Unruhe ist dahin, sein Aeußeres und sein ganzes Leben ist wie umgewandelt.

Im Jahre 1845 hörte Licht auf der Berliner Pastoral-Con-ferenz Wichern über die Nettungshäuser sprechen. Aus Berlin zurückgekehrt, theilt er am nächsten Sonntag seiner Gemeinde mit, was er in Berlin gehört hatte. Lassen wir ihn selbst aber weiter erzählen:

"Das Wort zündete. Der Bauer Friedrich Krause kam am Abend zu mir und sagte: Herr Prediger, bauen Sie ein Rettungshaus. Ich gebe hundert Thaler und der Bauer Gottlieb Krause will 50 Thaler geben. Herr Krause, sagte ich, Geld genug ist da; aber am Glauben fehlt es bei mir, darum müssen wir warten, bis der HErr auch den Glauben schenkt. So war die Sache ab-gethan. Eines Morgens gehe ich durchs Dorf, da steht der fünfjährige Sohn eines Trunkenboldes an der Mistpfütze, taucht seine Kruste Brod ins Mistwasser und ißt sie dann. Das war mir doch zu stark. Ich brachte den Knaben zu ordentlichen Leuten und, als diese fortzogen, zu Friedrich Krause. Da kam das Hungerjahr 1847. Schaaren von Bettelkindern durchzogen die Dörfer. Das kann unmöglich so fortgehen, sagte ich mir; es ist gewiß der Wille Gottes»

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daß den Kindern geholfen werde. Dieser Gedanke bewegte mich wieder an einem Sonnabend Nachmittag lebhaft auf meinem Spaziergange. Da stehe ich plötzlich stille und spreche: HErr, mein Gott, wir haben ja schon ein Rettungshaus! Der arme Junge ist ja bei Krause, dieser hat keine Kinder, er will ja so gern dem HErrn dienen, so wird er mit Freuden seine beiden Häuser und Ländereien zum Rettungshause hergeben. Nun laufe ich, was ich laufen konnte, zu Krause und sage zu ihm: Weißt du schon, wir haben ein Rettungshaus, auch schon einen Hausvater. Der Mann sieht mich ganz verwundert an und fragt staunend: Aber sagen Sie doch, wie hat sich das zugetragen, wo ist denn das Rettungshaus? Hier bei dir, mein Sohn, und du bist der Hausvater und deine Frau wird Hausmutter. Ganz starr vor Verwunderung steht der Mann eine ganze Zeit schweigend vor mir, dann sagt er:. Ist das Gottes Wille, dann geschehe Sein guter und gnädiger Wille. Aber Gottes Willen muß ich erst ganz klar erkannt haben.. Führet uns Gott ohne unser Zuthun in diesen Tagen ein armes-Kind zu, so will ich daraus erkennen, daß mich Gott zu diesem Werk gebrauchen will. Bis dahin lassen Sie uns schweigen gegen die Menschen und viel sprechen mit unserm Gott. Dann fielen wir nieder und flehten den HErrn an, daß Er uns Seinen heiligen Willen möge kund thun. Da erhalte ich am folgenden Mittwoch einen Brief von dem frommen Einnehmer Homuth in Arnswälde. Derselbe schreibt: Fräulein Ramm, die sich hier der Armen mit großer Treue annimmt, kommt gestern in die Wohnung einer Frau. Die Stube ist leer, in einer alten Bettstelle ist Stroh halb verfault aufgeschüttet. Sie will die Stube verlassen, da fängt es an in dem Stroh zu rascheln. Sie tritt an die Bettstelle, untersucht das Stroh und da findet sie zu ihrem Entsetzen zwei nackte Kinder, einen Knaben und ein Mädchen. Wir haben uns entschlossen, sür die armen Kinder zu sorgen; kannst Du uns nicht eine Familie in Zühlsdorf Nachweisen, wohin wir die Kinder bringen können? Am Rande des Briefes stand noch: Man kann nicht wissen, ob dies nicht dev Anfang eines Rettungshauses wird. Als ich diesen Brief dem Friedrich Krause vorgelesen hatte, da sprach er mit großer Bewegung : Ja, es ist des HErrn Wille, ich bin zu Allem bereit. An Homuth schrieb ich: Deine beiden Kinder bring uns nur und eine ganze

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Mandel Kinder dazu, wir haben schon ein Rettungshaus. Die weitere Geschichte dieses Rettungshauses ist eine Kette von lauter Wundern der göttlichen Hülfe; wie Er bei unserer großen Ungeschicklichkeit und Untüchtigkeit das Werk erhalten und hat wachsen lassen, darüber allein kann ich ein Buch schreiben. Im Jahre 1853 bauten wir das sehr schöne Mädchenhaus. Hierzu gebrauchten wir 4000 Thaler. Der HErr segnete meinen Aufruf in den Zeitungen, so daß die 4000 Thaler bei Heller und Pfennig eingefandt wurden. Was haben wir da nicht alles an den Kindern erlebt!"

Am 22. nach Trin. 1854 hielt Licht seine Abschiedspredigt in Zühlsdorf, um in das Pfarramt in Wulkow bei Alt-Ruppin überzusiedeln. Dort hörte er im Spätherbst 1864 auf einen: benachbarten Missionsfest den Missionar Güldenpfennig über die bei der Zerstörung der Berliner Misfionsstation Gerlachshoop gefangenen Baffuto - Kinder berichten. Er faßte die Geschichte in einen besonderen Traktat zusammen, der in 366,600 Exemplaren verkauft wurde und 6000 Thaler einbrachte. Ein zweiter ähnlicher Traktat brachte 1500 Thaler. 1867 gründete er mit Güldenpfennig den Sammelverein und gab den kleinen Sammler heraus, der gegenwärtig in 17,500 Exemplaren verbreitet wird; die Sammlungen des Sammelvereins, welcher alljährlich Tausende von Thalern zusammenbringt, sind eine reiche, ergiebige Einnahmequelle für die Berliner Mission, und der kleine Sammler weitaus das anziehendste unter den von dieser Gesellschaft herausgegebenen Blättern. Und ein Rettungshaus hat der HErr Seinem lieben Knechte Licht auch in Wulkow wieder bescheert. — Und das Alles ist nur etwas von dem äußerlichen Segen. Wie viel ist in den Seelen angeregt worden durch den kleinen Sammler und die Vorträge des Bruder Licht.

Und die Quelle von all dem Segen? Sie führt in das Seebad von Deep zurück. Ja, der alte Bauer Hartwig hatte in der That recht, wenn er sagte: "Dat was een schön Bad!" Auf Deep selbst ist aber auch der Segen jener ersten Badesaison hasten geblieben. Als zehn Jahre später der Pastor Unger dort badete» erzählten die Leute noch mit Begeisterung von den Knak'schen Er-banungsstunden, und ließen nicht nach mit Bitten, bis er selbst dieselben wieder fortsetzte.

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Ein zweiter Feuerheerd in Pommern.

Nachdem Knak seinen Freund Görcke in Pyritz allein gelassen Hatte (1834), wollte dem über die viele Arbeit und das tägliche Aygelaufenwerden die Kraft nicht ausreichen; es waren zu viele Fische in seinem Netz, das Netz zerriß und er konnte nicht, wie es im Evangelium heißt, seinem Gesellen rufen, der hatte mit feinem Wusterwitzer Netz allermeist selbst zu thun. Als er eines Abends unter der Last fast zusammeubrach, beteteer: "HErr, gieb mir neue Kraft oder ein anderes Amt!"

Am folgenden Tage brachte der Bote einen Brief vom Kölnglichen Konsistorium zu Stettin mit der Nachricht, er sei zum Pastor nach Zarben bei Treptow a. R. berufen. Die Behörden meinten, den für Pyritz gefürchteten Ausschreitungen am besten dadurch Vorbeugen zu können, daß sie Görcke versetzten. Zugleich beabsichtigten sie, in wohlwollender Anerkennung seiner Treue demselben eine weniger aufreibende Stellung zu geben.

Derselbe stellte sich den Herren zu Stettin vor. Der alte Geh. Rath v. Mittelstädte, Direktor der zweiten Abtheilung der Königl. Regierung, redete ihn an: "Das Konsistorium, mein lieber G., hat nur die Sorge, daß es mit dem Conventikelwesen in Zarben wieder ' anfangen wird." — "Mit Gottes Hülfe!" antwortete G. — "Wie? Das besorgen wir ja eben!" — "Ja, was soll ich denn da? Ich denke, Gottes Wort predigen? Nun, dann wird's der HErr auch segnen, und kommt dann eine Seele, betrübt über ihre Sünden, so kann ich doch nicht sagen: Gehen Sie nur, im Hause darf ich mit .Ihnen nicht reden? Ich muß doch mit ihr aus Gottes Wort reden, und mit ihr beten?" — "Gewiß." — "Nun," so fuhr G. fort, "so ist auch das Conoenükel fertig; denn diese Seele bringt bald eine .zweite mit, und so fort; da kann ich doch nicht sagen: Nein, nun sind's zu viele, die in den Himmel wollen, das geht nicht!?" — Da lächelte der alte Herr und sprach: "Nun, machen Sie nur, Ler H Err sei mit Ihnen!''

Da gab es im Juni 1836 einen schweren Abschied von Pyritz; gruppenweise hatten sich die Posten aufgestellt mit Blumensträußen,

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der letzte eine und eine halbe Meile von der Stadt entfernt. Sie versprachen für einander zu beten.

Als Görcke nun das Dorf vor sich liegen sah. wo er unter des HErrn Gnadenhülfe seine Arbeit thun sollte, ließ er den Fuhrmann erst halten, und rief zuvor mit den Seinigen den HErrn an, daß Er seinen Einzug segnen wolle, daß Ihm viele Kinder in der Gemeinde geboren werden möchten, wie der Thau aus der Morgenröthe, und daß der HErr. seine Schwachheit ansehend, ihm so schwere Kämpfe wie in Pyritz ersparen wolle. Das Gebet hat der HErr wunderbar erhört. Schon am Nachmittage des Sonntags seiner Antrittspredigt kam eine Frau und bat um genauere Anweisung, wie sie ihrer Sünden ledig werden und zum Frieden kommen könne. Und diese Frau brachte, gerade wie Görcke in Stettin dem alten Herrn v. Mittelstädt prophezeit hatte, schon nach etlichen Tagen eine zweite, dann eine dritte mit sich, und bald war das Pfarrhaus in Zarben wieder gefüllt mit gnadenhuug-rigen Seelen. Die Feindschaft regte sich natürlich auch bald. Wieder kamen Commissarien von Stettin, um die Sache zu untersuchen. Sie fanden nichts zu tadeln. Der Eine gab das Urtheil: "Hier ist ja keine Spur von Schwärmerei, sondern das nüchternste fromme Wesen! Wollte Gott, es sähe in der ganzen Provinz so aus!"

Es war so wohlthuend, daß die Mittel zur Erregung des Feuers in Zarben durchaus einfach waren, nüchtern und lauter. Görcke wachte mit Sorgfalt darüber, daß die Sache nicht in ungefüges Gefühlswesen ausartete, erduldete das Heulen und Schreien mit nervösen Zuständen durchaus nicht, sondern erklärte, als dergleichen sich einstellen wollte, ganz entschieden, er werde kein Wort iveiter reden, wenn nicht Ordnung gehalten werde. Das Mittel, mn die Leute zur Erkenntniß ihrer Sünden zu bringen, waren einfach die zehn Gebote mit der lutherischen Erklärung, das Mittel, die Bußfertigen Zum Glauben zu rufen, die einfache Predigt vom Kreuze Christi ohne irgend welchen rednerischen Schmuck oder Gefühlsaufregung. Freilich beides nicht ohne die beredte Rhetorik des Herzens, dem man es anspürte: "Was ich euch sage von der Sünde, das habe ich an mir selbst erfahren, denn ich erkenne mich als den vornehmsten unter den Sündern, und was ich euch sage vorn Glauben, das habe ich selbst erlebt. In Jesu ist wirklich

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Vergebung der Sünde, und der Friede Gottes das köstlichste Heil» was einem Menschen widerfahren kann. Dies köstlichste Heil besitze ich, und gönnte es so gerne euch allen!"

Von den erhebenden Thatsachen im Einzelnen, so wie im: Ganzen, die sich nun in dem hmterpommerfchen Dorfe vollzogen» geben die Werderschen Bibelberichte von 1845 und 1846 köstliche-ausführliche Berichte, auch des Verfassers "Sieben Bücher preußischer Kirchengeschichte" III, S. 100 ff. theilen wichtige Einzelnheiten-mit. Uns nöthigt hier der Raum, uns nur auf Weniges zu beschränken.

Der Büdner B. litt öfters am Fieber. Sein Geld war verbraucht, er konnte nichts mehr für Arznei erübrigen. Dies war-zu einer Zeit, wo er daran gedachte, nach Zarben überzusiedeln» weil dort jetzt ein frommer Prediger sei. Eines Tages geht er mit: seiner Frau und denkt: Wenn dir der liebe Gott doch zu etwas-Geld verhülfe, daß du gesund werden könntest. Kaum hat er dies-gedacht, so sieht er vor sich auf dem Wege ein Viergroschenstück.. Er geht in die Apotheke und läßt sich ein Fiebermittel geben, fragt» was es kostet, und — es kostet gerade vier Groschen. Das sieht: er als einen Fingerzeig Gottes an, daß er in die Zarbener Parochie ziehen soll. Er zog hin, seine Frau war bald erweckt und gläubig» er selbst blieb kalt und unzugänglich, seine Frömmigkeit war nur- j eine äußerliche gewesen. Da kommt der Lehrer zu ihm und bittet , ihn, doch auch einmal in die Erbauungsstunde zu kommen. Er ' wagt nicht gerade nein zu sagen; als aber der Lehrer ihn wirklich abholen will, da versteckt er sich schnell in den Kuhstall, denn er-fürchtete den Spott der Leute. Der Lehrer sucht und findet ihm endlich in seinem Kuhstall und zieht ihn hervor. Sein Versprechen: direkt brechen wollte er auch nicht gerade; er geht also mit, und« wie er Görcke nun zeugen hört von der Sünde des Herzens, da. erkennt er sein eigen Bild; zerschlagen offenbart er sich dem Pastor» daß er keine Ruhe finden könne, selbst wenn er den HErrn anrufe» im Stall und in der Stube, oder wo er wäre. Görcke war natürlich hoch erfreut, und pries ihm die Gnade Gottes über die verlorenen Sünder, und rief endlich dem immer noch Zweifelnden zut Wer Gott nicht glaubt, der macht Ihn zum Lügner. Von jetzt ak konnte er glauben und fröhlich sein und auch vor anderen bekennen.

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Wie völlig fern von Schwärmerei die Neubekehrten in der einfachen Katechismuswahrheit lebten, das hatte eben dieser B. einmal zu bezeugen Gelegenheit, als er eines Tages von Treptow vom Markt zurückkehrte.

Mit ihm zusammen (so berichtet Görcke) gehen mehrere arge Spötter aus seinem Dorfe. Sie erzählen, ihn zu ärgern, allerlei Geschichten von den Frommen. Er bleibt ruhig und erwidert kein Wort. Endlich sagt einer: Nun B-, du gehörst ja auch zu der Klasse, was sagst du denn dazu? Da antwortete er: Ihr bemüht euch umsonst, die Frommen schlecht zu machen. So schlecht könnt ihr uns doch nicht machen, als wir sind. Da verstummten anfangs Alle, denn solche Antwort hatte Niemand erwartet. Endlich sagt einer: Ich denke, ihr haltet euch für besser, als alle Anderen und verdammt sie. Nein, sagt B., wir halten uns für die vornehmsten unter allen Sündern und sind es auch. Ein anderer sagt: Weshalb hältst du dich für einen so großen Sünder; was hast du denn gethan? Ach, sagt B-, ich bin getauft, ich habe in der Taufe und Einsegnung dem Teufel entsagt und dem dreieinigen Gott mich ergeben und Ihm gehorsam zu sein versprochen bis in den Tod, habe aber alle seine Gebote übertreten und übertrete sie noch so oft. Ich soll Gott über Alles fürchten, lieben und vertrauen und habe Ihn nicht gefürchtet, geliebt und Ihm vertraut. Oft habe ich seinen Namen gemißbraucht, sogar geflucht, leichtfertig geschworen, bei seinem Namen gelogen und betrogen, nie von Herzen Ihn angerufen, Ihn gelobt, Ihm gedankt. Manchen Feiertag habe ich nicht geheiligt, die Predigt und Gottes Wort verachtet, am lieben Sonntag dem Teufel in böser Lust gedient. Eltern und Obrigkeiten war ich oft ungehorsam, und ob ich gleich Niemand todtgeschlagen habe, habe ich doch oft mit dem Herzen durch Hassen, Neiden, Zürnen getödtet und werde noch oft aufbrausend und heftig. Als er so alle Gebote durchgeht und bei jedem sich selbst anklagt, sind Alle still, hören zu, fühlen sich getroffen, ja bekennen, daß sie auch nicht besser gewesen sind und hören gänzlich auf zu spotten, ja bitten, daß er ihnen vergeben solle, und daß er doch öfter darüber mit ihnen sprechen möchte.

Möge diese eine Geschichte (als eine unter sehr vielen ähnlichen) genügen, um darzuthun, wie nüchtern und echt evangelisch die ge-

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wattige Geistesbewegung in ihren Ansängen war, die hernach vorr Zarben und Wusterwitz aus ihre Schwingungen über ganz Pommerland hin Verbreitet hat. Daß Knak an all diesen Gottesthaten seine innige Freude hatte, das ist selbstverständlich, eben so, daß er bald ein mitthätig eingreifender Faktor der Bewegung wurde. War er ja doch mit Görcke durch Freuudschafts- und Familienbaude innig verbunden, und führten ihn doch Seebad und Missionsfeste zum öfteren in die Zarbener Parochie.

Wenn er dann kam, so war das eine Freudenbotschaft für all die vielen Erweckten, die in Zarben und der Umgegend wohnten. Wie ein Lauffeuer wurde die Nachricht verbreitet, "daß der mit den langen Haaren" wieder da sei. — Wie es bei solchen freiwilligen Botengängen zuging, davon nur ein Beispiel.

Der Tagelöhner Ehr. Pagel hatte mehreren Freunden in umliegenden Dörfern versprochen, er wolle es ihnen sofort mittheilen» wenn Knak angekommen wäre- Als nun Knak im Frühjahr 1842 einmal wieder kam, macht sich mein Arbeitsmann sofort auf den Weg. Unterwegs trifft er (so schreibt Görcke) mit einem Schlächtergesellen zusammen, mit dem er folgendes Gespräch hatte.

"Der Schlächter frägt: Wo willst du hin? Der Arbeitsmann antwortet: Nach Charlottenhof, Spie, Prettmin. Bork, Naugardt. Schlächter: Was willst du da? Arbeiter: Ihnen sagen, daß der Prediger Knak Abends in Zarben eine Erbauungsstunde halten wird. Schlächter: Na, das wird dir auch sehr sauer werden, wird's mir doch schwer, ein weit kleineres Ende zurückzulegen. Arbeiter: Ich glaub's; du Haft auch ein weit größeres Gepäck auf deinem Rücken. Schlächter: Ich? Was habe ich an, blos dies und das; du hast ja weit mehr an als ich. Arbeiter: Ja! du hast aber noch deine Sünden dazu, und ich nicht. Schl.: Oho! hier kann man die Sünden nicht los werden. A.: Wer sie hier nicht los wird, behält sie ewig. Schl.: Hierüber kann sie Niemand vergeben; der Prediger Knak kann es doch nicht. A.: Ein Prediger wohl von sich selbst nicht; aber der kann es doch, der sie der Sünderin vergab die seine Füße mit ihren Thränen benetzte. Schl.: Ja Jesus; aber der ist nicht hier und kann nicht überall sein. A.: Oja, der ist wohl hier. Er hat gesagt: wo zwei oder drei in seinem Namen sind, da bin ich mitten unter ihnen. Schl.: Ach, das kann ja nicht

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sein. A.: Nicht? Er kann nicht überall sein? Sage einmal: Wie viel Sonnen giebt es? Doch nur eine. Kommt sie nicht alle Tage zn allen Menschen ans der ganzen Erde? Und sie ist doch nur des HErrn Geschöpf. Sollte Er es nicht vielmehr können? Schl.: O ich bete auch, daß der liebe Gott mir Segen gebe zu meinem Geschäft. A.: Das ist wohl gut; aber es ist noch etwas Größeres, darum wir bitten müssen. Betest du wohl um das Heil deiner Seele? um deine Bekehrung? Schl.: Wenn der liebe Gott mir beute zehn Kälber giebt, will ich mich auch bekehren. A.: Da kannst du dein Herz kennen lernen, wie irdisch und fleischlich es gesonnen ist; die aber fleischlich gesinnt sind, mögen Gott nicht gefallen. Wer so denkt, kann nicht Vergebung der Sünden empfangen. Bekehre dich, sonst wirst du nicht selig. — So sind sie geschieden. — Zur Erbannngsftunde waren an diesem Abend aus neunzehn Dörfern gläubige Seelen bemerkt worden. Wenn Knak kam, war's immer Festtag. Der HErr gab ihm, gewaltig zu reden und nicht wie die Schriftgelehrten."

So weit Görcke: "Wenn Knak kam, war's immer Festtag." Deutlicher kann man nicht seine Mitarbeit bei den Erweckungen jener Zeit bezeichnen. Deshalb darf man wohl anuehmen, daß an der großartigen Geistesbewegung, die in der Adventszeit 1843 begann und sich über die nächsten drei bis vier Jahre hin erstreckte, auch Knak seinen reichen Antheil hatte. Er hat von den wunderbaren Anfängen einmal im Juli 1844 in Elberfeld gezeugt. Die Predigt und in derselben den eingehenden Bericht über die ersten Monate sener Erweckung gedenken wir in den "Zeugnissen" Nr. IX abzudrucken, verweisen also auf diesen Bericht. An dieser Stelle geben wir nur den Auszug aus einem Brief, den Görcke mitten aus den Anfängen der großen Bewegung heraus am 3. Febr. 1844 an Straube schrieb, und der vollständig abgedruckt ist in den Werderschen Bibelberichten 1844, Nr. 17—20. Derselbe dürfte wohl eins der merkwürdigsten Dokumente aus der Erweckungszeit unseres Jahrhunderts sein.

"Ich will an Dich schreiben, weiß aber wahrlich nicht, wie ich ansangen soll. Wären wir beisammen, so würde ich sagen, laß uns erst einen Lobpsalm singen und dazu auf Deiner Physharmonika spielen. Ja» hätte ich tausend Harfenspieler und noch, mehr Sänger, sie sollten erst alle.

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Anstimmen: Hallelujah, Lob, Preis und Ehr' sei unserm Gott, je mehr und mehr für alle seine Werke. Aber was ist denn geschehen? wirst Du fragen. Das Wort des HErrn Jes. 35 ist an uns in Erfüllung gegangen: Die Wüste und Einöde wird lustig sein und das Gefilde wird fröhlich stehen und wird blühen wie die Lilien. Sie wird fröhlich stehen und blühen in aller Lust und Freude. Oder, wie C. P. sagt, der HErr hat die Zornwolke, die über Zarben stand, fortgenommen und läßt nun die lichte Gnadensonne scheinen. Höre nur:

Den ersten Adventssonntag hatten wir noch über große Dürre zu Etagen. Selbst die Gläubigen schienen sehr zu schlafen. Ich hatte den Brief an die Gemeine zu Laodicea zum Text genommen. Auch die Gläubigen wurden hart angegriffen. Seit jener Zeit schienen die Beter eifriger zu werden, die Erbauungsstunden wurden voller. War Mondschein, so besuchte ich die auswärtigen Dörfer und hielt überall Abendandachten, Doch bekehrt wurden nur einzelne Personen. Unter diesen war der Bauer B. in Z. Seine Frau war lange in dem HErrn, seine Schwiegermutter wollte es sein, hatte aber noch nie recht Buße gethan, und sein Hausgesinde schlief noch den ewigen Todesschlaf. Er selbst sah es gern, wenn -ich Erbauungsstunde in seinem Hause hielt, erkannte die Wahrheit, aber war ihr noch nicht gehorsam geworden. Nun wurde er krank. Die -Krankheit war nicht zum Tode. Ihm siel es schwer aufs Herz, daß er 'schon so lange Gottes Wort gehört und doch noch unbekehrt sei. Er sing, an mit Ernst zu beten, und bald konnte er voll Freuden sagen: Mir ist-Barmherzigkeit widerfahren. Rührend ist's gewesen, als er zuerst sein, "Vaterhaus besuchte. Der Vater ist unser alter Schulz, der auch schon? Lange Gottes Wort hörte, ohne wahrhaft umgewandelt zu sein. Als er »«ans Haus kommt, muß er erst vor der Thür stehen bleiben und sich ausweinen. Endlich tritt er ein. Die Familie sitzt um einen Tisch. Die -Seinigen haben schon von seiner Bekehrung gehört. Thränen, stille Thränen ^entguillen den Augen der Eltern und Geschwister bei seinem Eintritt. Da -öffnet er den Mund, erzählt, was der HErr Großes an ihm gethan hat, und bittet sie, nun doch auch zu eilen, daß sie ihre Seelen retten. Das -Ast sehr gut, mein Sohn, sagt noch unter Thränen der alte Vater, wir. wollen Ernst machen, ja wir wollen Ernst machen mit Gottes Hülfe.

Von G. und Z. hörte ich köstliche Sachen. Ich erzähle Einiges. 'Der Sohn eines Händlers in G., zwanzig Jahre alt, wird über seine Sünden betrübt, weiß aber wohl erst selbst nicht recht, was ihn drückt. -Sein stilles Wesen fällt dem Vater aus. Dieser schickt ihn zum Arzt in die Stadt. Der Arzt erklärt, leiblich fehle ihm nichts. Da geht der-ßunge Mensch unter die Gläubigen. Hier wird ihm erst der elende Zustand > seines Herzens klar. Er wird so unruhig über seine Sünden, daß er die ganze Nacht nicht schlafen kann. Er betet und Morgens früh kann er "glauben, steht auf und geht freudig die Stube auf und ab. Sein Vater Hagt: Was ist dir? Er sagt: Bringe Licht, Vater, so will ichs dir sagen.

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Als der Vater mit Licht kommt, spricht der Sohn: Vater, vorher warS dunkel, da konnten wir nichts sehen, nun sehen wir Alles; so wars in meinem Herzen dunkel, da ich nicht glaubte, jetzt ists Licht, nun habe ich Frieden mit Gott. Der Vater wird entrüstet, schilt und spricht von Enterben. Aber nicht lange hernach, und er bittet die gläubigen Seelen im Dorfe, doch auch bei ihm sich einmal zu erbauen. Daß sich der junge L. bekehrt hat (so heißt der junge Mensch), verbreitet sich bald zur allgemeinen Freude in Gützlaffshagen. Einige Tage darauf kommt er nach G. zum Küster, der früher sein Lehrer gewesen. L. ist da, heißts im Dorf, und siehe, in zehn Minuten ist des Küsters Haus von gläubigen Knechten voll, die alle den neuen Bruder sehen und Herzen wollen. Unbeschreiblich ist die Scene gewesen, wie Alle die Arme nach ihm ausgestreckt haben. — Eben auch in G. fragt nach einer Erbauungsstunde der Lehrer einen Bauer, ob er sich denn nicht auch bekehren wolle. Nein! antwortet derselbe, ich will mich nicht bekehren und will auch wehren, so viel ich kann, daß sich Niemand in meinem Hause bekehre. Das hört in der Nebenstube, die auch voll Menschen steht, des Bauern etwa dreizehnjährige Tochter, welche schon Glauben hat, schreit heftig weinend laut auf: Ach Gott, erbarme Dich doch, erbarme Dich doch, mein Vater will sich nicht bekehren, so geht er ewig verloren. Das ist dem Vater durchs Herz gedrungen und er hat schon am anderen Tage die Gläubigen gebeten, zu ihm zu kommen, er wolle sich auch I bekehren. — Nun bin ich bis zum Fest gekommen. Das Fest führt mich von G. hinüber bis zu uns. Von da ab ist's über meine Gemeinde gekommen, wie das Brausen eines gewaltigen Windes. Zu K. und hier waren die Gläubigen Abends bis elf und zwölf Uhr im Gebet zusammen und Morgens fanden schon um drei Uhr wieder Versammlungen statt zum Gebet. Als mein Küster O. am Weihnachtsmorgen aus seiner Hinterthür herausgetreten war, hatte er rund herum in allen Häusern singen gehört. Am dritten Weihnachtstage kamen etwa 28 Knechte und Mägde aus unserem Z. zu mir und erklärten, daß sie sich bekehren wollten. Ein reicher Segenstag war der Sylvesterabend. Schon den ganzen Nachmittag hatte ich das Haus voll von Seelen, die getröstet sein wollten. Um fünf Uhr Abends gings in die erleuchtete Kirche, welche so voll war, wie am Missionsfeste. Der HErr gab außerordentlich viel Gnade. Nach der Predigt sangen wir: Segnet uns zu guterletzt. Darauf sprach ich den Segen und ließ dann

singen: Nun wollen wir uns scheiden!        — (Wir brechen des Raums

willen hier ab, so schwer es uns wird, denn die köstlichsten Einzelzüge werden noch berichtet in dem langen Bericht; einiges davon ist abgedruckt in dem zweiten Theil (Zeugnisse) in der Festpredigt, die Knak in Elberfeld gehalten hat.)

Große Thaten Gottes geschahen in jenen Jahren. Die Ausläufer der Bewegung konnte ich, der Herausgeber dieser Biographie, im Aug. und Sept. 1845 noch mit meinen Augen sehen. Ich reifte §»»r. LAufl.        13

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vierzehn Tage lang mit Görcke durch alle die aufgeweckten Ortschaften, Zarben, Gützlaffshagen, Pyritz, Zühlsdorf, Wusterwitz» Rützow, Simötzel. Ich sah Schaaren der Gläubigen in ihrer nüchternen, stillen, seligen Freude, hörte die Züge der Erweckten Nachts», geistliche Lieder singend, als sie heimkehrten aus den Erbanungs-stunden. Als wir in einem Dorfe um Mitternacht ankamen, mit in der Schmiede etwas ausbesfern ließen, hatte sich binnen zehi^ Minuten die Nachricht verbreitet, Görcke sei in der Schmiede, undl die große Stube füllte sich zum Erdrücken, Görcke mußte mitten) in der Nacht ihnen eine Erbauungsstunde halten.

Unter diesen Bewegungen fehlte natürlich Knak nicht; wie selig) theilte er mit seinem lieben Moritz Arbeit und Freude! Sein Herze! ging in Sprüngen, als er den Geistesregen in Strömen rauschen) hörte. Damals dichtete er das Lied:

Die selige Zeit.

Mel.: Valet will ich dir geben.

Wenn Gottes Winde wehen Vom Thron der Herrlichkeit Und durc die Lande gehen, Dann ist es set'ge Zeit; Wenn Schaaren armer Sünderl Entflieh'n der ew'gen Gluth, Dann jauchzen Gottes Kinder Hoch auf vovs gutem Muth.

Wenn hier ein Auge thronet Vor bittrer Seelenpein, Und dort cinZ Herz sich sehnet Nach Jesu Gnadcnschein; Wenn geistlich Taube hören Und-! Stumme schrei'n und stehn Zum großen HErrn der Ehren, Dann ist's gar§ wunderschön.

Wenn Lahme fröhlich springen Und geistlich Todte schnell AuSl Sündengräbern dringen, Dann tönt's in Zion hell; Dann freu'n sich; Jesu Glieder und drücken Voller Lust die neugebor'nen Brüder An diel bewegte Brust.

Dann steigen heil'ge Flammen Hinauf zu Gottes Thron Und Alles-, rühmt zusammen Den Vater, Geist und Sohn, — Des Vaters Gnadentriebe, Des Geistes Muttertreu', Und ach, des Sohnes Liebe Erhebt ein Jeder frei.

"Komm", rufen brünstig Alle, "Und hilf, dreiein'ger Gott, Daß Satans Reich zerfalle Und Dir, Herr Zebaoth, Bald auf der ganzen Erde, So weit Dein Name dringt, Ein Lob bereitet werde, Das unauf-' hörlich klingt!"


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in Gützlaffshagen und den dazu gehörenden Filialen thut, mit Augen gesehen und mit Ohren gehört hatte. Was Joel 2 geschrieben steht, geht dort augenscheinlich in Erfüllung. Mein Herz jubelt und frohlockt, daß der HErr sich so herrlich ausmacht, Sein Volk heimzufuchen, und die Gebete Seiner armen Kinder so überschwänglich zu erhören. O könnte ich zu dir hinüberfliegen und mündlich erzählen, wovon mein Herz so voll ist, und mit euch niedersinken vor dem Throne des Lammes, das da würdig ist, zu nehmen Preis und Ehre und Lob von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen!"

Aber waren denn Zusammenkünfte, Gesänge, Gebete, Buß-bekenntnisse und Lobgesänge die einzige Frucht jener Erwecknngszeit? Die Antwort kann man finden in dem Bericht, den der damalige Pastor Lenz in Gützlaffshagen (jetzt Superintendent in Wangeriii) in der Ev. Kirchenzeitung abgab über das, was er in seiner eigenen Parochie gesehen und erlebt hatte. Er war kein Freund von lebhaften Gefühlsäußerungen, sah auch die ganze Bewegung mehr mit vorsichtigem, kritischem Auge an; aber auch er konnte nicht umhin, in den köstlichen Lebensfrüchten, die aus den Bekehrungen erwuchsen, das kräftige Arbeiten des heiligen Geistes zu erkennen. Wenn nicht blos ganze Haufen kamen, um Frieden in den Wunden des HErrn und Vergebung der Sünden zu erbitten, sondern wenn dann in Folge der Bekehrung der Holzdiebstahl aufhörte, der Branntwein aus den Häusern verschwand, langjährige Feindschaften ausgesöhnt, die Karten verbrannt, Branntweinschenken geschlossen wurden, wenn das Raufen, das Zotensingen und der Unfug auf den Dorfstraßen völlig aufhörte» wenn am Osterfest der Krüger vergeblich Geld um Geld bot, um einen Musikanten zum Aufspielen für den Tanz zu gewinnen, wenn Puppenspieler weiter ziehen mußten, weil Niemand ihre Künste zu sehen begehrte, wenn arme Hirten, die Sonntags nicht in die Kirche gehen konnten, früh am Tage hingingen, um ihre Andacht zu verrichten, so waren das greifliche Beweise, daß es bei diesen Erweckungen sich nicht um bloße Gefühlsäußerungen, sondern um eine wirkliche Umwandlung des ganzen Lebens durch die Kraft des heiligen Geistes handelte (vergl. des Verfassers Sieben Bücher Preußischer Kirchengeschichte Bd. III, S. 112 ff.). Ich war im Jahre 1844 in Möttlingen und 1845 in Zarben und habe beide Gemeinden in der Blüthezeit ihrer Erweckung mit Augen gesehen.

13*

Er sandte es seinem Karl und schrieb dazu: "Dieses Lied schenkte mir der wunderbare König der Ehren, als ich von Zarben Zurückkehrte und die Wunder der Gnade, die Er dort und besonders


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Aber kräftiger, gesunder, nüchterner und viel tiefer gehend erschien) mir die Pommersche Bewegung.

Dieselbe erstreckte sich über größere Strecken von Pommerland; in Pflugrade bei Naugard, in Rützow, Simoizel, Robe (woselbst! damals Görcke's Schwager Kundler — jetzt Ober-Consistorialrath! in Berlin — Pastor war), Zedlin, Voigtshagen, Nehmer, Semerow-und vielen anderen Orten kamen ähnliche Erweckungen vor, wies in Zarben und Wusterwitz. Da nun die Camminer Gegend vm0 Anfang des Jahrhunderts her, die Stolper durch die Belowschej Bewegung, die Gegend von Neu-Stettin in Gramenz durch k. Meinhof und Herrn von Senfft, die Greifenberger Gegend durch Dum-! mert in Trieglaff in ähnlicher Weise angeregt war, so konnte manj wohl sagen, ganz Pommerland begann zu brennen in heiliger Gluth. Die Pastorat-Conferenzen und die Missionsfeste trugen die Flammen^ von Ort zu Ort weiter. Besonders aber das Missionsfest vom Zarben wurde das großartigste von ganz Pommerland. Bis zu! 5000 Seelen versammelten sich daselbst. Das Dorf war in diesen! Tagen wie ein Jahrmarkt mit Hunderten von Wagen angefüllt,! das Pfarrhaus bewirthete bis zu 150 und jedes einzelne Bauern-Z Haus bis zu 60 Gästen.

Und alles dies Leben hat seine Segensspnren hinterlassen Mi auf diesen Tag. Freilich die brennende Gluth der ersten Liebe ist! verschwunden; aber wenn man namentlich Zarben und Wusterwitz! mit anderen Porochien ihrer Umgebung vergleicht, so ist doch noch! immer zu erkennen: "Dies sind Orte, die der heilige Geist zumz Schauplatz seiner besonderen Gnadenarbeiten sich auserlesen hat!"

33.

Reisen zu Missionssesten.

Knak sah die Reisen zu Conferenzen, Predigten und Missions- , festen nicht als bloße Ausspannung von der gewöhnlichen Arbeit; an, sondern war sich der vollen Verantwortlichkeit für die Zeit, die

er unterwegs zubrachte und der Aufgabe, die er zu leisten hatte, vor Gott mit heiligem Ernst bewußt. Er war hierin völlig eines Sinnes mit seinem Moritz Görcke. An Letzterem habe ich 1845 es erlebt, daß während der vierzehn Tage, daß ich mit ihm zusammen auf Feste reiste, keine fünf Minuten vergingen, wo er nicht bei der einen Hauptsache gewesen wäre. So oft wir einen neuen Fuhrmann bekamen, hatte er in den nächsten zwei Minuten ihm auf die liebevollste und natürlichste Weise die Frage nach seiner Stellung zum HErrn ins Gewissen gerufen. Wenn ich darüber staunte, wie er hierzu so immer bereit sein könne, antwortete er: Ja, ich weiß ja nicht, ob ich jemals wieder mit ihm zusammen komme, und wenn er dann einmal in der Ewigkeit mir vorwerfen sollte: Du bist eine ganze Stunde mit mir gefahren und hast mir nichts gesagt, hättest du mich gewarnt, so wäre ich jetzt nicht verloren, was sollte ich dann wohl antworten? — Eine Unterhaltung, welche er einmal auf dem Postwagen geführt hat, ist in den Werderschen Bibelberichten mitgetheilt. Sie ist in den "Zeugnissen" XIU abgedruckt worden. O, wenn alle Knechte Gottes nur gesammelt genug wären, so zu thun, wie viel Segen könnte da gestiftet werden. Du darfst nicht sagen: Ja, das kann nicht Jeder! Lebtest du so beständig in der Gemeinschaft mit deinem Gott, wie diese beiden Gottesmünner. du könntest es auch.

Einmal, als Knak eine größere Reise zur Abhaltung einer Predigt machen mußte, empfahl er sich einer christlichen Freundin zur Fürbitte: "Ich bitte Sie auf das Flehentlichste, meiner vor dem HErrn zu gedenken, daß ich im vollen Segen Seines Evangelii reise und Nichts suche, als Seines heiligen Namens Ruhm und Ehre. Ich fühle mich so untüchtig, auch nur etwas zu denken als von mir selber — ach, ich bin in mir selbst arm und schwach; aber ich lehne mich auf meinen allmächtigen Freund, der Sich nicht schämt, die Seinen Brüder zu heißen, und mir so tröstlich zürnst-Laß dir an Meiner Gnade genügen, denn Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Nicht wahr, meine sehr theure gnädige Frau» Sie wollen mich mit Ihrer treuen Fürbitte begleiten?" — Später berichtet er dann, wie er gereist ist. Er spricht seinen Schmerz aus über den vielen Unglauben, dem er begegnet ist: "Wie wurde mir oft so weh ums Herz bei dem Gedanken, daß sie Alle mit dem

Blute des Lammes theuer erkauft sind, und doch die Wenigsten» nach Ihm fragen. "Es ist keine Furcht Gottes vor ihren Augen." » Das war der schmerzliche Eindruck, den die Leichtfertigkeit, die» Ueppigkeit, die unnützen Worte und das eitle Wesen der Mehrzahl» auf mich machte. Oft konnte ich's nicht unterlassen, aus dem Dampf- » oder Postwagen ein schwaches Zeugniß von der Gnade und Wahr-» heit, die in Christo Jesu sind, abzulegen und der HErr bekannte» sich zu Seinem Worte. Auch viele Traktate haben wir (der Can-1 didat Höppner war mein Begleiter) als geistliche Samenkörnlein aus-1 streuen können, deren Frucht vielleicht erst die Ewigkeit offenbaren » wird. Die Schnelligkeit, womit wir auf der Eisenbahn dahin flogen, I erinnerte uns an die noch rastlosere Eile der Gnadenzeit, die nimmer I wiederkehrt und die wir sorgfältig auskaufen sollen. Auf dem » Wege von Hannover nach Minden erquickte uns der HErr durch » das Zusammentreffen mit einem Proselyten, einem Judenmissionar » Neander, den wir im Postwagen kennen lernten, unaussprechlich. » Einige Minuten waren unsre Augen gehalten worden, daß wir uns I nicht erkannten; aber als der HErr uns die Augen öffnete und wir » nun, einer an dem andern das Siegel der Gotteskindschaft erblickten, » da konnten wir auch nicht anders, wir mußten uns um den Hals » fallen und im seligen Gefühl des Einsseins in dem HErrn so innig I vertraut mit einander umgehen, daß die übrigen Passagiere erstaunten, I während unsere Lippen Überflossen von dem, weß das Herz voll » war, und wir uns gedrungen fühlten, Ihm ein lautes Loblied an- V zustimmen. Br. Neander ist von allen bekehrten Juden, die ich I kenne, derjenige, der durch sein zartes, inniges, von der Liebe zu I dem Herrn Jesu glühendes Wesen auf mich den tiefsten Eindruck I gemacht hat. Uns wurde so wohl bei einander, daß wir uns bald ! mit dem brüderlichen Du anredeten, und wer uns so sah, denken s mußte, wir wären seit zwanzig Jahren bekannt und die vertraute- I sten Freunde. Der Herr Jesus war in unsrer Mtte und darum ß brannten auch unsre Herzen so — ja Er küßte uns mit dem Kuß « Seines Mundes. Mit schmerzlicher Wehmuth trennten wir uns in i Minden — aber wir fühlten uns für die Ewigkeit verbunden im Geiste. !

Solche selige unvergeßliche Gnadenstunden habe ich noch gar ! viele verlebt — und ein jedes solches Zusammentreffen mit einem ' vorher unbekannten Bruder erschien mir immer als ein Liebesgruß S

-der Leutseligkeit und Freundlichkeit Gottes unseres Heilandes» und als ein Vorgeschmack der Herrlichkeit des ewigen Lebens. Ein theurer Freund in Frankfurt a. M. sagte in seligem Gefühl dasselbe zu mir: Dieses wunderbare Band der Gemeinschaft in dem HErrn, dieses Sichkennen und so innig Verwandtfühlen beim ersten Zusammentreffen gehört eigentlich schon mit zum Schauen; und nicht wahr, meine theure Freundin! es ist also? — "Aber ach, was wird es werden, wenn der Geist sich heimwärts schwingt, wo von allen Seinen Heerden ohne Kummer und Beschwerden ewig Hallelujah klingt!"

So voller Ernst und Zeugnisses, so voller Erquickung waren oft diese Reisen. Ein Mitreisender hat mir berichtet von einer Fahrt, die er als Gymnasiast mit Knak, Straube und anderen auf einem Omnibus, den der Buchhändler Weiß zu diesem Zweck in Stettin gemiethet hatte, von Trieglaff nach Wusterwitz zum Mis-siousfest gemacht hat. "Das war ein Loben und Preisen und Singen und Erzählen von der Liebe des HErrn, daß die ganze Reise Eine Erbauungsstunde war. Unterwegs kamen sie bei einem Krug vorbei, aus welchem Tanzmusik erscholl. Sofort sprang Knak aus dem Wagen, und als er hiueintrat, verstummte die Musik, er redete den Leuten ins Gewissen. Sein Friede und Freude strahlendes Gesicht, und die innigen Ansprachen, die ich von ihm hörte, haben mich meine Jugendzeit durch nicht verlassen."

Lieblich müssen auch die Missionsfestfahrten gewesen sein, die Knak von Garz a. O. aus nach Marwitz machte. Das Dorf liegt eine gute Stunde Wasserfahrt auf der Oder zwischen grünen Wiesen jenseits der Stadt. Die Missionsfreunde fuhren in größeren und kleineren Kähnen zum Fest und zurück. "So Abends bei prachtvollem Mondenschein unter dem lichten glänzenden Himmel fuhren wir heimwärts und stimmten Liebes-, Lobes- und Dankeslieder unserem Heilande an — die von den kleineren schwimmenden Kirchlein ausgenommen und beantwortet wurden, wie sie ringsum vorn und hinten, rechts und links auf der dunklen Fluth um das größere Kirchenschiff sich sammelnd und haltend heimwärts zogen. So lieblich hat mich fast kein Missionsfest erquickt, wie dieses. Es gemahnte uns an den See Genezareth — und an den lieben, lieben HErrn mit seinen Jüngern!"

Wohin Knak kam, da strömten denn auch von Nahe und Ferst die Gäste zusammen. Auf dem Zühlsdorfer Missionsfest fiel ihm» wie Licht berichtet, regelmäßig der Frühgottesdienst (7 Uhr) am Festtage zu, und hier war es besonders, wo er gewaltig predigte und wo Ströme lebendigen Wassers von ihm auf die große Festversammlung Herabflossen. Das war auch allgemein bekannt, darum eilte jeder» der nur konnte, um diesem Frühgottesdienst beizuwohnen. Ein Bauer erzählte mir, er sei die ganze Nacht gegangen, um nur den Frühgottesdienft nicht zu versäumen. Er wußte dann aber auch die Herzen zu fassen, daß sie etwas Mitnahmen. "Dal was een mächtiger Prediger, sagte einmal ein Bauer, bei dem ging. Allens ut Liewe! Un wenn er anfung to beden, denn weent awer ook Allens, un mußt up de Knee."— Als er einmal in Nahausen gepredigt hatte, sprach vier Jahre später ein Bauer, der einen andern Festprediger heranholte, und hörte, wie von jenem Fest und-von Knak gesprochen wurde, plötzlich sich umwendend: "Dat hakt noch fast!" — Ein Mädchen sagte von Knak's Predigt: "Was ich da gekriegt habe, das werde ich ihm in der Ewigkeit noch danken!"— Cleophea Zahn, die Vielgekannte Tochter der mehr gekannten und genannten Anna Schlatter, Ehefrau des Superintendent Zahn in Callies, schrieb einmal, als Knak in Callies gepredigt hatte, einer Freundin das charakteristische Wort: "Der Knabe mit der Schleuder ist hier gewesen."

Er verstand es, seine Seele hineinzulegen in die Seele dessen» mit dem er sprach. Davon berichtet Pastor Paul:

"Als ein junger Christenmensch wurde ich bei einer solchen Festversammlung von älteren, erfahrenem Gottesmännern ihm zugeführt und ihm wohl als ein werdendes Gotteskind vorgestellt. Er trat in seiner ganzen, vollen, liebenswürdigen Persönlichkeit auf mich zu und "Friede sei mit dir, mein Bruder!" war das erste Wort von seinen Lippen — dann nahm er mich unter den Arm» und in einem herzlichen Zwiegespräch, hin und her wandernd, tauschten wir Mund gegen Mund Bekenntnisse von der Liebe Jesu zir uns armen Sündern und von unserer Liebe und Dankbarkeit gegen Ihn aus. Hatte der feierliche Gruß etwas Ueberwältigendes für mich, so daß ich ihn noch heute lebendig in meinem Herzen höre, — das Zwiegespräch machte uns zu Brüdern im HErrn. Der liebe Bruder mochte wohl an die Worte aus der Reise-Instruction Jesu unwillkürlich gemahnt sein Matth. 10,12. Wo ihr in ein Haus gehet, so grüßet dasselbe, und so es dasselbige Haus werth ist, wird euer Friede auf sie kommen. War's aber nicht werth, so wird sich euer Friede wieder zu euch wenden. Gott dem HErrn sei Dank, daß das Haus meiner Seele durch das Erbarmen des Heilandes den Frieden Gottes geschmecket hat und noch schmecket."

Wo er in eine Gemeinde kam, konnte er auch mit den Leuten reden, als sei er ihr eigener Pastor. Wie Viele sind ihm nach der Predigt nachgegangen, und haben ihm ihr Herz ausgeschüttet und Rath von ihm geholt für ihre Seele.

Als er einmal zu Gründlers Zeit in Nahausen war, besuchte er mit diesem zusammen an einem Sonntag Nachmittag eine Kranke. Dort erfährt er, daß die Wirthe der Gemeinde sich um dieselbe Stunde beim Schulzen versammelten, um ihre gemeinsamen Angelegenheiten zu berathen. Er ist erstaunt, daß die Wirthe von Nahausen den Sonntag zu solchen Versammlungen benutzen, zumal da die mächtige Bewegung der Herzen aus der Zeit der Erweckung noch im frischesten Gedächtniß Aller war, und dringt in G-, daß er die Gemeinde ermahne, daß sie die Versammlungen auf einen Wochentag verlege. G. macht Gegenvorstellungen:: Er habe zwar stets mit tiefem Bedauern diese Sonntagsverfamm-lungen gesehen — aber zu ändern sei das nicht: es sei eine zu tief eingewurzelte Gewohnheit und werde von den Leuten als eine Entheiligung des Sonntags kaum gefühlt. Knak meint: Darum muß man ihnen das Gewissen schärfen! G. schüttelt den Kopf und mahnt ab. Es Hilst nichts. Freundlich sieht Knak den. kleingläubigen Bruder an, reicht ihm die Hand und fragt: Wollen wir's denn nicht einmal versuchen? G. schlägt ein, und Beide gehen in die Gemeinde-Versammlung zum Schulzen. Dies war der alte liebe glaubensfeste Schulze Behrendt. Dort ergreift Knak das Wort, und der HErr gab ihm ein freudiges Aufthun seines Mundes. Die Aelteren unter den Wirthen entsinnen sich noch, deutlich dieser Versammlung und bezeugen einmüthig, daß Knak' ihre Herzen mächtig ergriffen habe. "Wie weenten All, als de:

Mngar!" Und daß die Thränen aus der Tiefe gequollen waren, davon gab der einmüthige Beschluß Zeugniß, den die Versammlung auf Antrag des Schulzen faßte: Hinfort nie mehr am Sonntage eine Gemeinde-Versammlung zu halten! Sie haben es beschlossen und thun darnach noch bis auf den heutigen Tag.

hat ihn einmal seinem Herzenskarl gesungen und gedichtet, als dieser von ihm nach einem Besuche Abschied nahm. Da sang er:

Zieh in Frieden deine Pfade,

Mii dir des großen Gottes Gnade Und Seiner Heilgen Engel Wacht!

Wenn dich Jesu Hände schirmen,

Gehts unter Sonnenschein und Stürmen Getrost und froh bei Tag und Nacht!

Leb wohl! Leb wohl im HErrn!

Ich lasse dich nicht gern Aus den Armen,

Vergiß mich nicht in Seinem Licht,

Und wenn du suchst Sein Angesicht! *)

34.

Weitere Nachrichten von dem fernwohnenden Freund.

Durch seine Versetzung nach Pommern war Knak in ganz neue Umgebungen versetzt, und der alten lieben Heimath ziemlich entrückt. Denn mit einem Einspänner brauchte er damals vier Tage, um Berlin zu erreichen. Sein Verkehr mit seiner Mutter und seinem Herzenskarl war also vornämlich aus das Gebet und auf briefliche Mittheilungen beschränkt. Er war trotz der Hemmungen des Raums unverändert innig und traut. Und weil Knaks Leben mit diesem Leben seines Jugendfreundes so eng verwachsen und verflochten blieb, wird es gestattet sein, auch die Hauptzüge des letzteren wenigstens kurz zu skizziren. Straube

*) Später hieß es: Zieht in Frieden eure Pfade,

Mit euch des großen Gottes Gnade Und Seiner heilgen Engel Wacht! Wenn euch Jesu Hände schirmen,

Gehts unter Sonneirschein und Stürmen Getrost und froh bei Tag und Nacht! Lebt wohl! Lebt wohl im HErrn!

Er sei euch nimmer fern Spät und frühe,

Vergeht uns nicht in Seinem Licht, Und wenn ihr sucht Sein Angesicht.

Fuhr er allein zu Mifsionsfesten, dann wurden seine Reisen oft die Geburtsstätte seiner köstlichsten Lieder, namentlich der Missionslieder. Es wurde damals besonders Werth darauf gelegt, auch auf die Weisen der Volksmelodieen geistliche Lieder zu dichten. So kommt er eines Tags (es war der 23. Juli 1846) auf der Durchreise zum Missionsfest in Bublitz nach Coprieben zum Br-Sondermann: "Ach, theurer Bruder, setz' dich doch an das Klavier und spiele die Melodie Morgenroth!', ich habe soeben nach dieser Melodie ein Lied gedichtet." Und so sang er — zum erstenmal das Lied, das seitdem von Hunderttausenden gesungen ist: "Laßt mich gehn! Laßt mit gehn! daß ich Jesum möge sehn!" Im Diakonat in Bublitz bei seinein lieben Heinrich Wittenberg wurde es am 25. Juli zum ersten Male von einer Schaar dort versammelter Christen nach der Melodie: "Morgenroth, Morgenroth, leuchtest mir zum frühen Tod", gleichsam als christliches Soldatenlied, ein Gegenstück zu jenem weltlichen, gesungen. Späterhin hat Kuaks lieber Organist an der Bethlehemskirche, der blinde Voigtläuder, die liebliche Weise componirt, nach welcher jetzt das Lied gewöhnlich gesungen wird. Eine viel tiefere Melodie freilich hörte ich in Litthauen. Niemand weiß, wer sie componirt hat, sie ist aus dem tiefen frommen Volksbewußtsein heraus gewachsen. Die Hörte ich zum ersten Mal — es war Knaks Geburtstag — in Litthauen singen, als mir fünf Wagen mit Missionsfestgästen das Geleite zur Eisenbahn gaben. Das ebenfalls so vielfach auf Missionssesten gesungene Lied: "Komm, ach komm aufs Heidenfest", Hat er aus dem Wege zum Missionssest in Labes im März 1845 gedichtet. — So wußte Knak die Zeit seiner Reisen auszubeuten. Wir schließen dieses Kapitel mit der Mittheilung des Verses, mit welchem auf Misstonsfesten die Gäste entlassen zu werden pflegen. Ursprünglich war er nicht zu diesem Zweck gedichtet, sondern Knak

mußte noch ein Jahr länger warten, bevor er in das ersehnte-Pfarramt eintreten konnte. Er schloß, nachdem er am 5. Dezember 1835 die Ordination empfangen hatte, am 8. desselben Monats, durch Vaters Hand gesegnet, den heiligen Ehebund mit seiner geliebten Braut, uud das glückliche Ehepaar bezog innigst dankbar am. 28. Dezember desselben Jahres das Pfarrhaus zu Werder bei Jüterbog, welches an dem Tage eine Segensstätte wurde für die gesegneten Leute, die in demselben wohnten, und für die Gäste,, die aus- und eingingen. Werder wurde bald der Sammelpunkt aller suchenden und gläubigen Seelen der Umgegend. Was Wusterwitz und Zarben für Pommern, das wurde Werder in anderer, aber ähnlicher Weise für die Mark. Die Missions- und Bibel-Feste, und die Kindermissionsfeste wurden der Fcuerhecrd für weitere Kreise. Daneben ging der durch die organisatorische und musikalische Begabung Straube's vermittelte Segen von jetzt ab in immer fernere Kreise.

Er erlebte die große Freude, daß auch sein alter Vater für das Verständniß der freien Gnade in Christo Jesu völlig erschlossen wurde. Derselbe segnete am 21. August 1841 das Zeitliche. Sein Sterbebette war ein Siegesbette: "Ich sterbe nun, lieben Kinder," sprach er Morgens acht Uhr zu dem Sohn und den ihn umstehenden Verwandten; "ich fühle schon das Todesröcheln" Tieferschüttert beugt sein Karl sich über ihn und fragt: "Hoffest du denn selig zu sterben, mein theurer Vater?" — Da bekennt er mit Bemüthigem Herzen: "Mein lieber Sohn, ich habe m meinem LeHen, in meinem Amt viel gesündigt, viel versäumt, viel versehen, ich bin ein armer, ohnmächtiger, sündiger Mensch ; aber ich Hoffe, aus Gnaden wird Gott mir alle meine Sünden vergeben und mich selig machen um Christi willen!" — "Also nicht aus Verdienst?" — "Nein, nein, nicht aus Verdienst, mit meinem Verdienst ist es nichts; aus Gnaden, nur aus Gnaden!" Dann betete er: "Ach, mein Gott! Du hast mir unendlich viel Gutes gethan in meinem ganzen Leben; füge allen Deinen Segnungen noch die hinzu, daß Du mir aus Gnaden ein seliges Ende schenkest!" — Dann segnete er seinen Sohn und dessen: Familie, segnete die Hausgenossen und Verwandten, segnete seine Amtsbrüder und Gemeinde, und trug seinem Karl auf, alle die-

jenigen, die er wissentlich oder unwissentlich beleidigt hätte, in seinem Namen um Vergebung zu bitten. Nach einiger Zeit betete er: "Ach HErr, ich bin viel zu geringe aller der Treue und Barmherzigkeit, die Du an mir armem Sünder gethan hast!"-— Darauf: "Vater, in Deine Hände befehle ich ureineu Geist, denn Du hast mich erlöset, Du treuer Gott!" und mit schwacher Stimme: "Herr Jesu, nimm meinen Geist auf!" Dann begann der Todeskampf. Er betete leiser, man verstand nur noch die Worte: "HErr, hilf mir überwinden, hilf mir kämpfen!" Bald darauf hatte er seinen Geist in die Hände des Vaters zurückgegeben. Die Umstehenden sangen: Wenn ich einmal soll scheiden, beide Verse. Nach einer athemlosen Stille von zwei Minuten drückte sein inniggeliebter Karl dem Heimgegangenen Pilger die Augen zu: O HErr, laß mein Ende sein, wie das Ende dieses Gerechten!

In seine Pfarre zurückgekehrt, arbeitete Straube in seiner lieben Gemeinde unter reichem Segen des HErrn weiter. Wie in Mittenwalde als Candidat, so hatte er in Werder als Pastor bald eine ganze Reihe von Vereinen gestiftet. Am 7. Mai 1838 entstand die Werdersche Bibelgesellschaft, am 12. August 1841 der Traktatverein, im Juni 1845 der Enthaltsamkeitsverein. Der nächste Missionsverein umfaßte die Stadt Jüterbog mit größerem Umkreise, während ein besonderer Kindermisstonsverein sich auf die Parochie beschränkte; die Bibelgesellschaft umfaßte immer größer werdende Kreise, die Zahl der Bibelzettel wuchs von Jahr zu Jahr, schon wurden dieselben in die böhmische, polnische, englische, litthauische, norwegische Sprache übersetzt, und erschienen auch, mit Liederversen vermehrt, ähnlich den Losungen der Brüdergemeinde als "Lebensbaum" in Tausenden von Exemplaren. Aus seinen heft-weise geschriebenen Correspondenzbüchern für die Bibel-Lese-Vereinsmitglieder wurden gedruckte Berichte, die zuerst unter dem Titel: "Berichte der Werderschen Bibelgesellschaft", später "Werdersche Bibelberichte", und nach seinem Weggang von Werder "Christliche Vereinsberichte" genannt wurden. Zu diesen gesellten sich seit 1844 die kleinen Bibel- und Missionsberichte für Kinder; ein besonderer Bibel-Lern-Verein bot armen Kindern die Gelegenheit dar, ein neues Testament nebst Psalter sich ohne Geld zu

verschaffen, wenn sie nämlich zuvor ein ganzes biblisches Buch auswendig gelernt hatten; ein Freitags-Gebetverein (angeregt durch 4 den Superintendenten Fleischhauer in Tennstädt) versammelte seit: z 1848 eine Anzahl ernster Beter alle Freitag-Abende zu gemein- j samem Gebet. Und was Straube anfing, hatte mit des HErrn , Hülfe einen gesegneten Fortgang, so daß seine Versendung von 1 christlichen Schriften bald den Umfang einer kleinen Buchhandlung z annahm. Dabei erwies sich die christliche Liebe erfinderisch in immer 1 neuen Mitteln, an die Herzen auch der Fernstehenden heranzukommen. 1 Biblische Bilder und gute Traktate wurden zu billigem Preise, Bibel- « verse in großem Druck wurden zum Aufhängen in dem Zimmer Z zubereitet, Tabeablätter (Wockenbiiiden für das Spinnrad) mit I Bibelstellen und Liedern wurden augefertigt, Ziehkästlein mit aus- E erlesenen Sprüchen wurden zusammengestellt; eine Perlmuschel bot z Brief-Oblaten, mit Bibelstellen bedruckt, dar. Besonders wirksame- « Mithelfer für die Erweckungsarbeiten seines Gustav wurden die z "Bibelberichte" und der "Reisepsalter."        I

Die Idee zu dem letzteren entstand 1842 auf einer Reise z durch die sächsische Schweiz auf der Bastei. Es hatte den lieben ! Pastor Straube gejammert, in den Fremdenbüchern oft Aeuße- V rungen zu begegnen, daß arme Weltkinder in der Natur Trost für i die Seele und Schwärmerei in Idealen suchten, die doch ihre Z Befriedigung nur im Herrn Jesu finden können. Deßhalb beschloß H er eine Sammlung christlicher Natur- und Reiselieder zu veran- 1 ftalten, die, von der Natur ausgehend, auf Gottes Wort und auf i Gott den Vater und danach auf Gott den Sohn und Gott den i heiligen Geist hinwiesen. Die ersten hundert Exemplare schenkte n er den Fremdenführern in der sächsischen Schweiz, damit sie für- ) den Erlös sich Bibeln kaufen könnten. Das Büchlein fand uner- 1 warteten Anklang und mußte nach und nach mit einer Reihe von ^ Anhängen versehen werden. Es ist längst stereotypirt und im ^ Jahr 1880 bereits die (50ste) Jubelausgabe gedruckt worden. : In diesem Reisepsalter fanden allmählich die schönsten Lieder- ( von Knak, dann auch von denen, die den Freunden nahe standen» ^ Moritz Görcke, Flora Knak, Karoline Straube, Knapp, Träger» Karl Straube (Vater), Karl Straube (Enkel), Maria Straube, Spitta, Arndt, Klee, Langbecker, neben auserlesenen älteren

Liedern von Luther, Gerhardt, Tersteegen, Neander, Zinzendorf und anderen ihren Platz. Von Gustav Knak sind allein zweiundachtzig Lieder in der Sammlung, von Moritz Görcke sechzehn» so daß dieser Neisepsalter so recht ein Psalter geworden ist fnr die Lebensreife, die die beiden Freunde mit einander gemacht haben. Eine Neiseharfe brachte die Melodiken zu den Liedern, zum großen Theil von Karl Straube selbst componirt, der noch außerdem zur Ehre des HErrn eine ganze Anzahl von geistlichen lieblichen Liedern, seit 1870 auch .Kriegs- und Vaterlandslieder herausgab. Die "Werderschen Bibelberichte" aber vermittelten namentlich in den Zeiten der Erweckungen von Wusterwitz und Zarben einen lebendigen Gebetsverkehr zwischen den Tausenden von Lesevereinsmitgliedern, denen sie als Organ der gegenseitigen Mittheilnng dienten, so daß sie den Segen dieser Erweckungen bis in ferne Länder hineintrugen.

Das schöne Familienleben Straube's wurde im Jahre 1844 schmerzlich zerstört durch den am 11. September erfolgten Heimgang seiner theuren Gattin, die der Schwindsucht erlag. Das war ein seliges Triumphbette des Glaubens, welches fast in Schauen übergegaugen war, wie es wenige erlebt haben. Schwer wird es mir, hier nicht die Hauptzüge aus den Kämpfen und Siegen jener wunderbaren Tage mitzutheilen. In den Werder'schen Bibelberichten sind sie ausführlich zu lesen. In den Zeugnissen Nr. XI^II. ist der Bericht über den wunderbar herrlichen Siegesabschied dieser theuren Seele mitgetheilt worden.

Da dem einsamen hülflosen Wittwer Niemand zur Erziehung seiner fünf verwaisten Kinder zur Seite stand, war es wiederum: sein alter Gustav, der in ihn drang, nicht länger als durchaus nöthig, Wittwer zu bleiben. Er hatte für ihn eine Gehülfin, die er seit Jahren als eine Jüngerin des Herrn Jesu kannte, ersehen, und Karl sah in dieser Fürsorge des treuen Freundes den Wink' vom HErrn, dem er in kindlichem Glauben folgte. Wiederum bahnte der HErr die nicht ganz leichten Wege in wunderbarer Weise, so daß er am 23. Mai des kommenden Jahres Fräulein Bertha v. Rappard (die wir bereits oben in Kap. 26 als Freundin: der Frau v. Dollen kennen gelernt haben) seinen Kindern als zweite treue Mutter zuführte; ihm selbst gab der HErr in ihm

Leichen Ersatz für das, was Er genommen hatte. So war abermals Knak in der Hand des HErrn das Werkzeug, dem treuen Freunde seiner Jugend sein Haus bauen und lieblich schmücken zu helfen, ihm zur innigsten Freude und dem HErrn zum Preise.

35.

Knak auf den Pastoraleonferenzen.

die Pastoren selbst von der Gemeinde ans berechtigte Anforderungen stellte. So entstanden die Zusammenkünfte der Pastoren, zunächst in kleineren, dann in immer größer werdenden Pastoraleonferenzen. Daß aus diesen Knak, der vom HErrn gewürdigt war, einer der Hauptfaktoren zur Weckung des christlichen Lebens zu sein, eine hervorragende Wirksamkeit übte, wird man von vorn herein annehmen; aber er gab auf diesen Conferenzen nicht nur, sondern empfing auch. Sie wurden für ihn selbst ein höchst wichtiges Mittel, um ihn vorzubereitcu und tüchtig zu machen zu größeren Aufgaben, die seiner in seinen späteren Lebensjahren warteten. Wir müssen daher auf diese Pastoraleonferenzen, namentlich so weit sie Knak's Leben berührten, hier spezieller eingehen.

Die durch Görcke und Knak in Pommern angeregte kirchliche Lebenserwecknng war, wie wir bereits eben andeuteten, zwar die einschneidendste, aber nicht die einzige aus diesem Jahrhundert. In der Umgegend von Camniin brannte bereits iin vergangenen Jahrhundert, durch den Pastor Beyer in Fritzow, einen Pietisten, Schiller von Woltersdorf angeregt, ein geistliches Feuer, das noch lange vor den Geistesströmungen angezündet worden war, die den Heimsuchungen der Freiheitskriege entquollen. Schon in den zwanziger Jahren bestanden im Gegensatz zu dem öden Nationalismus der Geistlichkeit, fast in allen Dörfern der Camminer Synode Privat-Conventikel, in welchen die Heilssuchenden sich durch die Predigten der altpietistischen Schule und durch Gebet und Gesang erbauten. Knak, als er als Candidat von Pyritz aus 1834 mit Görcke eine Reise durch diese Gegend machte, war ganz entzückt über das Leben, was er dort vorfand, und Görcke schrieb, da schon damals ein geistliches Leben auch unter den Pastoren zu erwachen begann, voller Freude an Straube, sie hätten binnen zehn Tagen zehn gläubige Pastoren kennen gelernt, was damals etwas sagen wollte. Diese geistliche Bewegung Inder Cammin-Wolliner, Treptow - Greifenberger, Naugardter Gegend — dem sogenannten frommen Winkel von Pommern, ging später theils in das wiedererwachte Leben der Landeskirche auf, theils in allerlei Separatismus über. Ueber diese Bewegung giebt des Verfassers Buch: "Sieben Bücher preußischer Kirchengeschichte" Bd. III, S. 3 ff. ausführliche Nachricht.

Knak. LAufl.        14

Unabhängig von dieser Camminer Bewegung, entstand in der-Stolper Gegend feit den zwanziger Jahren vornehmlich durch die -hinreißenden Predigten der adeligen Gutsbesitzer, der Herren: v. Below und v. Senfft-Pilsach eine andere tief einschneidende geistliche Bewegung, die der Verfasser in seinem "Geistlichen Ringen und Regen am Oftseestrande" beschrieben hat. Die Ausläufer dieser Bewegung berührten sich mit den oben genannten; Herr v. Seufft hielt auch in Cammin seine Erbauungsstunden und Herr v. Thadden-Trieg--laff war der Schwager und Gesinnungsgenosse des Herrn v. Senfft»! der namentlich in dem benachbarten Rottenow bei Greifenberg hungrige Hörer vorfand. Auch diese Bewegung hat ihre Träger zum Theil au die Gichtelianer, Jrwingianer. Baptisten, Seeseldianer, Springer»! Methodisten abgegeben, während der gesunde Kern derselben ebenfalls zur Kräftigung der wiedererwachenden Landeskirche beitrug.

Als zu diesen beiden sehr scharf einschneidenden Bewegungen) die Görcke-Knaksche in Pyritz, Wusterwitz, Zarben und die von: diesen Mittelpunkten aus erreichten Umkreise hinzukamen, glaubte) die kirchliche Behörde, welche ähnliche Ausschreitungen befürchtetes wie die eben erlebten, zunächst eine abwehrende Stellung einnehmen-zu müssen, und betrachtete sie mit Mißtrauen, wie wir oben aus' ihrem Verhalten in Bezug auf Pyritz und Wusterwitz ersehen) haben. Allmählich füllte sich aber auch die Behörde mit positiv' christlichen Elementen. Männer wie Ritschl und v. Mittelstädt in ) Stettin konnten nicht auf die Dauer der frischen Geistesbewegung nur abwehrend gegenüber stehen; dieselbe enthielt zu viel von dem, was ihnen selbst das Höchste war, der Wiederkehr zu dem Glauben an Christum den Gekreuzigten. Andererseits wurde die separirt-lutherische Bewegung in Schlesien (Scheibe!, Huschke) mit ihren Ausschreitungen eine neue Warnung zur Vorsicht gegenüber dem Conoentikelwesen, und die bureaukratische Polizeigewalt, welche kirchliche Regungen durch Gensdarmen und Dragoner in Schranken ' halten zu können meinte, drang auch auf strenge Unterdrückung: der Conventikel. Auf diese Weise geschah es, daß die kirchlichen Behörden, — welche ja bei der traurigen Verquickung von Kirche uud Staat, an der die Kirche damals fast noch mehr litt als -heute, ihre Instruktionen von Altenstein und Bischof Neander em-. psingen — mit der Strömung des geistlichen Lebens, die sich in den

Die Pastoralkonferenzen der Jahre 1830 bis 1860 nehmen in der kirchlichen Entwicklung unseres Jahrhunderts eine viel Bedeutendere Stellung ein, als die der siebziger Jahre. Sie waren ein Ersatz für eine in dem Organismus unserer Kirche vorhandene empfindliche Lücke. Die Universitäten haben sich ja bis auf den heutigen Tag nicht von der Thorheit einer völlig autonomischen Wissenschaft, die ihre Autorität nur in sich selbst habe, losgemacht. Diese Thorheit ist auf anderen Gebieten erträglich, auf dem der Kirche verderblich; denn hier muß Gottes Wort und die kirchliche Lehre die Norm sein, an welcher auch die Erziehung derer zu bemessen ist, die einst Diener der Kirche sein sollen. Im Anfänge unseres Jahrhunderts aber waren die Lehrstühle der Theologie vorzugsweise mit Rationalisten, dann mit Kritikern, dann mit Vermittlungstheologen besetzt, und hatten je länger je mehr die Fühlung verloren mit dem eigentlichen Leben der Kirche, und entsandten vielfach Geistliche in die Gemeinden, welche zum Theil absolut unfähig waren, die religiösen Bedürfnisse der letzteren auch nur zu verstehen, geschweige zu pflegen. Das Mittelglied, welches in ihrer Erziehung den Uebergang von der abstrakten Wissenschaft zum praktischen Amt vermitteln sollte, fehlte. Gegen diesen Mangel erhob sich das in der Gemeinde sowohl, als in wirklich gewissenhaften Pastoren immer schärfer Hervortretende Bedürfniß, auch praktische Anleitung zu einem gesegneten Weiden der Heerde Christi zu empfangen, — und Mar trat dies Bedürfniß in um so schärferem Maße hervor, als Bas christliche Leben in den Gemeinden angefacht war und an


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Gemeinden und der Geistlichkeit mit Macht Bahn brach, in einen gewissen Gegensatz traten. Und dadurch gerade wurde es nöthig, daß die »eil angeregten christlichen Kreise sich in sich selbst sammelten und im l'rüderlichen Verkehr sich gegenseitig stärkten, ergänzten und erzogen.

Ein wesentlicher, ja der erste Hauptheerd dieses Conferenz-lebens war Trieglasf bei Greifenberg i. Pom. Herr v. Thadden, eng befreundet mit den Leitern der Stolper, so wie der Canmnner frommen, ein hoch begabter, ernst-frommer, humoristisch-witziger, > »inantisch-ritterlicher Mann, vereinigte in sich alle die Eigenschaften, die nöthig sind, um solche Conferenzen zu elektrisiren. Ein Mann von ökumenisch-christlichem Geist, liebewarmem Herzen für Alles, was den Herrn Jesnm lieb hat, unterstützt von einer eben so bedeutenden als ernstfrommen Frau, wußte den Geistlichen der Pvmmerschen Kreise, die aus dem Winterschlaf mit erwachten, sein Halls zu einem mit Begeisterung bewunderten und mit dankbarer Liebe benutzten Sammel- und Erguicknngsort zu machen. Mink, Görcke, Stranbc, später Licht, Besser, Nagel, Meinhold, 6-nen, Korth, Wetzcl, Lenz, Baltzer, Böttcher-Pinne, und eine ganze Neihe der bedeutendsten Geistlichen fehlten natürlich nie auf diesen Conferenzen, die in dem ehrwürdigen gottgesalbten Pastor Dämmert in Trieglasf ihren geistlichen Mittelpunkt fanden. Da bat es Tage gegeben, die von den Conferenzbesuchern mit feurigen Buchstaben unauslöschlich in das Herz geschrieben wurden. Brüderlicher Verkehr in Gesang, Gebet, Erbauung aus Gottes Wort, Studium der Schrift, Besprechung der kirchlichen Hauptfragen, Mitteilung über Amtserfahrungen, Belehrung und Förderung in der praktischen Führung des geistlichen Amtes, das alles getragen von einer wahrhaft großartigen Gastlichkeit, welche für hundert versammelte Raum zu schaffen wußte, der geistliche Verkehr allzeit »wderirt durch den unerschöpflichen Humor des Tyrannen von Trieglasf (die Apostel waren zur Herberge bei einem mit Namen DlMNNus), — das alles gab eine geistliche Anregung von einer Fmligkeit und Stärke, daß man nicht zu viel sagt, wenn man behauptet, Ströme von Lebenswassern sind von den trieglaffer Konferenzen ausgeflossen über ganz Pommerland. <1>)

        <1> Eine nähere Beschreibung dieser Conferenzen siehe in Wangemanns'. Sieben Bücher Preuß. Kirchengeschichte, Bd. III, S. 66 ff.

Aus diesen Conferenzen waren neben Dummert, vornehmlich' Görcke, Knak, Baltzer, Korth die Vertreter des innerlich warmen Lebens in Jesu. Sie waren es, denen besonders die Morgen-und Abend-, die Anfangs- und Schlußgebete übertragen wurden. Und hier fanden namentlich Knak und Görcke Gelegenheit, das; Feuer, das in ihrem eigenen Herzen brannte, auch in den Herzen von hundert mitversammelten Pastoren und Laien anzuzünden. Die gesalbten und geisterfüllten Ansprachen dieser begnadigten Knechte des HErrn leben bis heute unauslöschlich in der Erinnerung derer, die das Glück hatten, sie hören zu können. Aber sie erstarkten auch selbst in diesem brüderlichen Verkehr und wurden vor den Einseitigkeiten des Pietismus bewahrt, da sie sahen, daß Männer der verschiedensten Eigentümlichkeiten und Interessen, Männer des scharfdenkenden Verstandes. Männer des organisatorischen Talentes, Männer der speculativen Philosophie mit ihnen gemeinsam die Kniee beugten vor Christo dem Gekreuzigten, und diesem einen Hauptinteresse alle übrigen unterordnen lernten; und wenn sie sahen, daß im lebhaften Austausch der Geister auch solche geistliche Dinge und Interessen zur Geltung kamen, die ihrem engen pietistischen Gesichtskreise bis vahin ferngelegen hatten.        )

Welcher Geist auf den ersten Trieglaffschen Conferenzen herrschte; davon hat Knak zum Oefteren ein Beispiel erzählt von einem für ihn selbst unvergeßlichen Abend. Die Worte, mit denen er die Geistesbewegung dieses Abends zu berichten pflegte, waren faß stehend und fast wörtlich übereinstimmend mit einer schriftlichen Aufzeichnung ohne Namen, die mir einmal in die Hände gefallen ist, so daß ich glaube, diese schriftliche Aufzeichnung rührt von Knak selbst her. Sie lautet:

"Auf der Conferenz war die Frage wegen Wiedertrauung Geschiedener (Maresch aus Jassow), dann die Frage nach der Geltung der symbolischen Bücher in der unirten Kirche verhandelt worden. Am Abende des zweiten Tages fangen die vierzehn vereinigten Brüder noch einige Verse aus dem Liede: Singt dem HErren frohe Lieder, wobei uns diesmal besonders feierlich zu Muthe war. Alle standen, nur Dummert saß am Tische, weil er wegen der Schwachheit seiner Füße nicht gut längere Zeit stehen konntet Der letzte Ton des Liedes war verhallt. Da erhob der ehrwürdige

Dummert noch einmal seine Stimme zum HErrn, und indem er sich aufs tiefste beugte und immer kleiner und kleiner wurde vor dem HErrn, bat er Ihn mit einer unaussprechlichen Salbung um die Erlaubnis; und Gnade, so elend er auch sei, auf seine 'geliebten Brüder', mit denen er sich so innig gelabt und erquickt habe, wie einst Moses auf das Volk, den Namen des HErrn legen und sie segnen zu dürfen. Viele weinten während dieses Gebetes still vor sich hin, manche schluchzten laut, andere waren tief ergriffen und warfen sich in den Staub, ihr Antlitz zu verhüllen. Es war, als hieße es: Zeuch deine Schuhe aus, denn die Stätte, da du stehest, ist heiliges Land. Der König aller Könige war mitten unter die Versammelten getreten, und wir fühlten Seinen Odem. Nun stand der theure Gottesmann Dummert auf, und bat die Brüder nieder-zuknieen, und sich die Hände zu reichen, damit er auf die Engver-bundenen den Segen des HErrn erflehen könne. Und als die Versammelten so weinend und betend mit vor Freuden bebenden Herzen im Staube lagen, da erhob der ehrwürdige Vater seine kindliche thränenerstickte Stimme zu Ihm, und flehte Ihn um Seinen Segen an; und siehe, da riß sich ein Segens- und Friedensstrom ans dem hohenpriesterlichen Herzen des Herrn Jesu in unsere blutarmen Herzen hinein, daß Leib und Seele vor heiligem seligem Schauer erzitterten, und die Thränen unaussprechlicher Freude von den Augen strömten. Als wir anfgestanden waren, sangen oder vielmehr weinten alle den Vers: Die wir uns allhier beisammen finden. Dann fiel einer dem andern mit einer Zärtlichkeit, die nicht aus-zusprechen ist, um den Hals. Es war eine Liebe über uns ausgegossen, daß wir gar nicht mehr wußten, ob wir noch ans Erden seien. Alle konnten einander gar nicht los lassen, weinten noch lange nachher im Stillen fort. Dummert aber saß da mit glänzendem Angesicht, und rief so fröhlich wie ein Kind uns zu: Siehe, wie fein und lieblich ist es, wenn Brüder einträchtiglich beisammen sind.'"

Mit den vierziger Jahren begann die Frage der lutherischen Separation auf den trieglaffer Conferenzen in den Vordergrund zu treten, namentlich nachdem Nagel der Nachfolger Dummerts geworden war. Dadurch wurden die Mitglieder genöthigt, sich in die vielen bisher ferner gelegenen Fragen nach der Bedeutung der

große Güter der HErr auch ihm und der Kirche insgesammt in der heiligen Taufe und im heiligen Abendmahl anvertraut habe. In späterer Zeit konnte er am Tage vor seinem Tauftag schreiben (<;. Aug. 1869): "Mein Tauftag ist der herrlichste auf meiner ganzen Pilgerschaft, und der Taufsegeu reicht in die ewigen Ewigkeiten hinein. Helft mir Elenden loben, preisen, anbeten; die Güte des HErrn ist es, daß ich nicht gar aus bin!"

Die Mitglieder der trieglaffer Conferenz nahmen je länger je niehr gegen die Union, wie sie von der Behörde gehaudhabt wurde, eine abwehrende Stellung ein. Sie konnten sich der Ueberzeugung nicht verschließeil, daß im Kampfe der Landeskirche gegen die sepa-rirten Lutheraner den letzteren vielfach schweres Unrecht geschehen sei, daß tadeluswerthe Uebergriffe in das Gebiet der rein kirchlichen Fragen vorgekonnnen waren. Herrn v. Thaddens ritterlich romantischer Geist wurde durch die "hönigcrnsche Dragonade" zur lebhaftesten Sympathie erweckt, bis zu dem Grade, daß er, der Christ mit dem weitesten Herzen, sich in die engen Schranken der lutherischen Separation begab, ein Schritt, der seine Erklärung zum Theil in seiner Neigung zu paradoxen und phantasievolleu Unternehmungen findet. Anders gestaltete sich die Sache in Nagel. Dieser hatte mit seinem scharfen, klaren Geist die Punkte, in denen die Union der Kirche Unrecht that, erkannt, hatte sich auch in Gemeinschaft mit Hollaz, Gaedeke, Meiuhold zu weitergehenden Schritten dem Kirchenregiment gegenüber bewogen gefühlt, bis zu einem gewissen Ultimatum hin, das er der Behörde stellte, und welches, als es nicht in seinem Sinne berücksichtigt wurde, ihn in die Separation trieb sammt Hollaz und Gaedeke. Meinhold wurde durch seine Besonnenheit zurückgehalten.

Jetzt trat die Frage, welche Stellung er zu dieser Bewegung einnehmen wollte, auch an Knak heran. Derselbe schreckte sonst vor energischer Verfolgung dessen, was er für recht erkannte, keineswegs zurück. Als auf der trieglaffer Conferenz die Frage nach der Wiedertrauung solcher, die ohne Grund von Gottes Wort geschieden waren, erörtert wurde, als Maresch in Jassow und v. Gerlach in Berlin auf diesem Gebiete die ersten praktischen Schritte thaten, war er einer der ersten gewesen, die sich für die strengere Praxis entschieden erklärten. In einem vorkommenden Falle ver-

weigerte er entschieden die Trauung, selbst auf die Gefahr hin, darüber sein Amt zu verlieren, und späterhin richtete er unter dems 4. März 1843 eine Jmmediat-Vorstellung an den König mit der ') dringenden Bitte, Fürsorge zu treffen, daß nicht das Gewissen der Geistlichen in peinlichen Conflikt gebracht werde dadurch, daß ihnen, vom Kirchenregiment befohlen würde, ein eheliches Band einzusegnen, welches sie auf Grund der heiligen Schrift als Sünde erkennen müßten. Er bekam unter dem 29. Juni desselben Jahres einen von Eichhorn und Savigny Unterzeichneten Bescheid, der seinen "frommen Ernst" wohlwollend anerkannte; und wir dürfen wohl annehmen, daß die nicht lange darauf erfolgte Verordnung, daß:j ein Geistlicher zur Einsegnung einer solchen Ehe nicht gezwungen werden solle, mit auf Grund der sehr dringenden und warmen Vorstellung Knaks erlassen worden ist.

Deshalb sahen die Augen vieler frommer Christen auch in der Frage nach der lutherischen Separation, welche im Jahre 1847 zum zweiten Mal namentlich in Pommern in den Vordergrund trat, auf Knak und Görcke, welche Stellung diese zu ihr einnehmen würden-

An Knak war die Frage schon einmal herangetreten, wie wir oben gesehen haben, durch die "Fußtritte," die er von seinem Ju- z gendfreund Wolff, der recht eigentlich "sein Brod gegessen hatte"' empfing. Jetzt wurde er besonders durch die rechthaberische, lieblose, ja nicht selten pharisäische Weise, mit welcher die Mehrzahl der Austretenden sich selbst als die "Treuen, die um ihres Glaubenswillen Amt und Brod darangäben," und die Nichtaustretenden als-die "Weltlichgesinnten, die um des Brods willen heilige Güter > opferten," bezeichnten, auf das empfindlichste zurückgestoßen. Dieser Geist des sich selbst rühmenden Ich widersprach zu sehr der Demuth, mit welcher Knak überall den Herrn Jesum voranstellte, und die Weise, wie bei den Separaten der Begriff "Kirche" vielfach an die Stelle trat, die nur dem Herrn Jesu gebührt, und wie dieser Kirchenbegriff je länger je mehr in den eines Comglomerats von gewissem Dokumenten und kirchlichen Rechten und Ordnungen sich verknöcherte, trieb Knak dazu, in entschiedenen Gegensatz zu dieser neuen Bewegung zu treten, und Knaks nüchterne Frömmigkeit und tief innerlicher, christlicher Ernst war in Pommerland eine der festesten Mauern, die denk Umsichgreifen des Separatismus entgegengestellt wurden.

Das Jahr 1848 kam mit seiner März-Revolution und dem Beginn des Umsturzes aller Verhältnisse. Während selbst tapfere Männer damals dem Sturm aus dem Wege gingen, hat Knak nie einen Augenblick gewankt oder gezagt. Vierzehn Tage nach den Märztagen (5. April 1848) schüttet er sein Herz gegen seinen Jugendfreund Wiese aus:

O theurer Bruder! In welchen düstern Zeiten leben wir doch — welche Gräuel geschehen vor unseren Augen — wie ist die Gottesfurcht ausgestorben und der Glaube erloschen. Das Thier steigt aus dem Abgrund und Satan hat einen grimmigen Zorn. Wie war Dir denn zu Muthe in den grauenvollen Tagen des Aufruhrs und der Empörung? Der alte Goßncr schreibt mir: "Die Hölle schien losgelassen und die alte Schlange vorn Himmel gefallen zu sein."

Ich schäme mich in der Seele meiner unglücklichen Vaterstadt, und-mein Herz blutet, wenn ich bedenke, wie der HErr jetzt "den Fürsten den Muth nimmt und schrecklich ist unter den Königen auf Erden" (Ps. 76, 13).

Nun kann man's wahrlich mit Händen greifen, daß "einem Könige nicht hilft seine große Macht; ein Riese wird nicht errettet durch seine große Kraft; Rosse helfen auch nicht, und ihre große Stärke errettet nichts und verflucht ist der Mann, der sich auf Menschen verläßt und hält Fleisch für seinen Arm und mit seinem Herzen vom HErrn weicht." O bitte, schreibe mir, was machen Eure Prediger dort? Blasen sie auch die Posaune laut im Namen des HErrn und verkündigen dem rebellischen Volke ihre Uebertretung und dem Hause Jakobs ihre Sünden? 4Mose16 sollte in alle Zeitungen gerückt werden. Wenn wir jetzt schweigen, so muffen die Steine schreien. Gott der HErr bewahre uns nur, daß wir nicht sauer süß und Finsterniß Licht heißen, sondern einhergehen in des HErrn Kraft. Denn Er lebt noch, der einst zu Jeremia sprach: "So begürte nun deine Lenden und mache dich auf und predige ihnen alles, was ich dir heiße.. Fürchte dich nicht vor ihnen, als sollte Ich dich abschrecken. Denn Ich will dich heute zur festen Stadt, zur eisernen Säule und zur ehernen Mauer machen im ganzen Lande wider die Könige Judas, wider ihre^ Fürsten, wider ihre Priester, wider das Volk im Lande, daß, wenn sie gleich wider dich streiten, sie dennoch nicht sollen wider dich siegen; denn Ich bin bei dir, spricht der HErr, daß Ich dich errette."

Könnten wir uns doch nur einige Stunden von Angesicht sehen,, theurer Herzensbruder! und auch unsere Herzen gegen einander ausschütten und uns die Hände reichen zum Kampf auf Leben und Tod unter dem herrlichen Panier des Kreuzes unseres Herrn Jesu Christi! Ganz aus dem Herzen geschrieben sind mir die Worte der evangelischen Kirchenzeitunx Nr. 25 d. I. Der HErr gieße über uns aus den Geist der Gnade und. des Gebets, den Geist der Kraft und der Demuth, den Geist der Liebe und--

Sakramente, der Ordination, der Union und Confession, des landesherrlichen Episcopats, des Patronats hinein zu denken. Das) geschah mit dem ganzen Ernst christlicher Männer, die ihr erstes! und höchstes Kirchenregiment in den Händen des Herrn Jesu wußten. Damals trat die Frage nach der Bedeutung der Sakramente auch, an Knak heran. Görcke hatte seine Stellung zu der lutherischen) Lehre bereits in Pyritz gefunden. Er kaufte einmal auf einer! Auktion die lutherischen Vekenntnißschriften. Er las sie mit allem) Ernst durch und rief dann mit tiefer Bewegung aus: "Kinder, nun: weiß ich, was wir sind, wir sind Lutheraner; denn gerade das, was hier steht, ist das, was wir lehren." Er hatte dann Luthers sämmtliche Werke mit allem Fleiß durchftudirt, so daß diejenigen, welche meinen, der Pommersche Pietismus berücksichtige ohne nöthigej wissenschaftliche Begründung nur die Bedürfnisse des religiösen) Gefühls erweckter Gemeindemitglieder, weit irren. An Knak trat) die Frage in einer trieglaffer Conferenz zum ersten Mal heran. P. Kaufmann hatte in einem Vortrag den Satz entwickelt, daß die Wiedergeburt in der heiligen Taufe als dem Bad der Wieder-) gebürt und Erneuerung des heiligen Geistes ihren prinzipiellen Sitz habe. Das war Knak und Vielen fremd; denn die Wurzel ihres neuen geistlichen Lebens führte ohne Rücksicht auf die Taufe unmittelbar in das Wort Gottes, Buße, Glauben, Gebet zurück. Dem P. Kaufmann wurde lebhaft widersprochen, namentlich auch von Knak. Er berief sich auf Luther. Knak holte eine Leiter herbei, und langte aus der Thaddenschen Mbliothek den betreffenden Band von Luthers Schriften herunter. Er schlug auf, las vor, und fand, daß Luther gerade so redete wie Kaufmann. Er fügte betreten hinzu: "Ja, ich muß sagen, daß mir gar nicht wohl dabei ist!" Die lutherische Lehre vom Abendmahl hatte er, ohne viel darüber nachzudenken, einfach als die Lehre der Schrift angenommen. Jetzt begann er zum erstenmale darüber nachzudenken, welche Stellung die Sakramente in der Heilsordnung, dem Wort und den Vorgängen im Innern des Gläubigen gegenüber einnehmen. Der Gegenstand wurde später auf vielen Conferenzen weiter diskutirt. Das Resultat war, daß Knak mit ganzer voller Ueberzeugung die Objektivität und Realität der Heilswirkungen der Sakramente erfaßte und geltend machte. Jetzt erst wurde ihm klar, welche

des Glaubens, der die Welt überwindet und mit David jubelt: "Gott ist 4 unsere Zuversicht und Stärke, eine Hülfe in den großen Nöthen, die uns z getroffen haben. Darum fürchten wir uns nicht, wenn gleich die Welt 1 unterginge und die Berge mitten ins Meer sänken, wenn gleich das Meer s wüthete und wallete und von seinem Ungestüm die Berge einfielen, f Dennoch soll die Stadt Gottes fein lustig bleiben mit ihren Brünntein, i da die heiligen Wohnungen des Höchsten sind. Gott ist bei ihr da- i rinnen, darum wird sie wohl bleiben; Gott hilft ihr frühe!"        4

Als dann die Wogen des Aufruhrs höher gingen, schreibt er j unterm 30. Aug. 1848 an seinen Wittenberg:        1

         Mir wird es doch immer klarer, daß die letzten Tage vor der j

Thür sind, denn die Ungerechtigkeit nimmt im vollsten Sinne überhand — j ach und die Liebe, wie erkaltet sie in so sehr Vielen. Der HErr bewahre 1 uns nur in Gnaden vor dieser geistlichen Pestilenz, die im Finstern schleicht, I vor dieser Seuche, die im Mittage verderbet, und schenke uns allezeit offene > Augen, die was taugen, und Oel in unsere Lampen und umgürtete Lenden, z daß wir bereit seien, wenn um Mitternacht das Geschrei ertönt: Der 8 Bräutigam kommt!        ß

Unsere unterm 12. Juli an den König gerichtete Petition um An- H ordnung eines allgemeinen Buß- und Bettages ist nicht erfüllt worden. — I Der König hat sie dem interimistischen Minister Ladenberg übergeben, und 1 dieser antwortet unterm 17. d. M., daß wichtige Gründe vorhanden seien, 1 weßhalb in gegenwärtiger erregter Zeit unser Wunsch unerfüllt bleiben 4 müsse. Nun, wir wollen stille sein und desto ernstlicher im Geheimen 4 mit dem Könige aller Könige reden, der gesetzt ist, Israel Buße zu geben 4 und Vergebung der Sünden. Sein Arm ist ja noch unverkürzt, Seine f Ohren sind noch nicht dicke geworden, und Er sucht ja auch heute noch 4 unter Seinem geistlichen Israel, ob Jemand sich eine Mauer machte und ^ wider den Riß stände gegen Ihn für das Land, daß Ers nicht verderbete ! sEzech. 22, 30). Mich dünket, die Kirche des HErrn wird bald wieder ihren eigentlichen Schmuck anziehen, nämlich die Schmach Christi, die ein größerer Reichthum ist, als die Schätze Egyptens, — der Dornenkranz steht ihr hie-nieden doch am Besten und unterm Kreuz gedeiht sie auch am schönsten. Möchte dann nur unser Glaube rechtschaffen erfunden werden, und köstlicher -als das vergängliche Gold!

Eine der guten Früchte» die das Jahr 1848 mit sich Brachte, war die von dem Ministerium selbst proklamirte Trennung des Staats von der Kirche. So wenig diese von den gläubigen Pastoren gesucht worden war, so bereitwillig erkannten sie in der-

-selben ein Mittel, um die Kirche von dem in Sachen der Union und Separation ausgeübten, vielfach als verderblich und zerstörend erkannten Druck der weltlichen und staatskirchlichen Behörden und Maßregeln zu befreien. Der Zustand in der Kirche war damals der der größten Nathlosigkeit. Der Staat wollte sie aufgebeu, was sollte sie, die bisher am Gängelband desselben gegangen war, aufaugeu? Superintendent Otto in Naugard stellte sich im Verein mit Mila und Meinhold-Daber für Pommern an die Spitze, und forderte alle diejenigen, die sich ans Grund des lutherischen Bekenntnisses um sie schaaren wollten, auf, zusamineuzutreten zu einem "Verein für die Reorganisation der lutherischen Kirche." Das Ministerium Schwerin erkannte den Verein offiziell an, und pflog mit demselben offizielle Verhandlungen, so daß die Correspondenzen des Vereins in den ersten Jahren unter portofreiem Rubrum gingen als "Herrschaftliche Dienstsachen." Viele gar nicht positive Elemente der Pommerschen Geistlichkeit erkannten bei ihrer Angst um das Znsammenbrechen der Kirche in dem Verein einen Rettungsanker und streckten die Hand nach ihn: ans, — doch freilich nur so lange, als die Gefahr drohend schien, hernach waren sie bald wieder unsichtbar. Dagegen alle entschieden positiven Elemente sammelten sich in Naugard um Superintendent Otto. Die trieglaffer Con-ferenzen — was hätten sie in dieser Zeit für einen Segen wirken können — existirten ja nicht mehr. Jetzt traten die Nangarder an ihre Stelle. Das war die letzte Segensfrucht der trieglaffer Conferenzen, daß die positiven Geistlichen Pommerns unter einander Fühlung gewonnen hatten, und daß sie — trotz mancher durch die Separation in ihre Reihen gerissenen schmerzlichen Lücke—, doch bereits als compakte Masse in Naugard zusammentraten und nun den Kampf um die heiligen Güter der Kirche in geschlossenen Reihen führen konnten.

Knak gehörte zu den ersten, die sich dem Verein anschlossen. Er wußte, daß seinem öcmnenischen Herzen durch den Zutritt zu dem confessionell orthodoxen Verein ein Opfer nicht zugemuthet wurde. Er schreibt unter dem 26. Aug. 1848 an Wittenberg: "dem Naugarder Verein zur Reorganisirung der lutherischen Kirche habe ich mich angeschlossen, da die wahre Union mit den Reformirten» ja der evangelische Bund dadurch nicht gefährdet ist."

O was waren das für Tage in Naugard! Tage ernstem. Forschens, Ringens, Betens, gesegnete Tage für alle Besucher der-Conferenz. Zu den Aufgaben der trieglaffer waren neue größere hinzugekommen. Man mußte die theoretischen Erörterungen über die Fragen von Kirche, Sakrament, Bekenntniß auf dem praktischen Gebiete auskämpfen. Was gab es da für tief einschneidende Vorträge, was für inhaltreiche Diskussionen. Die Geister platzten zwar auf einander, aber im innersten Herzen wußten sie sich einig. Wenn unter Otto's meisterhafter Leitung Männer wie Meinhold,. Euen, die beiden Wetzel, Korth, Lenz, Kundler, Bnsch, Mila, Meinhold-Daber, Zöller, Knak, Görcke und viele andere ihre von Gott ihnen verliehenen Gaben an die Lösung der einen Frage setzten, was der Kirche noth thue, um nach Innen und Außen das zu. sein, was sie nach dem Willen des Herrn Jesu sein sollte, — dann . mußte ja Tüchtiges als Resultat hervorgehen. Knak besuchte diese Conferenzen, wenn auch nicht regelmäßig, so doch sehr häufig; er betheiligte sich mehr an den praktischen, seelsorgerischen und pädagogischen Fragen, und wenn er in die Diskussion eingriff oder betete, so war es immer, als ob ein Glas mit köstlichem Oel ansgegossen wurde. Otto ljetzt emeritirter Consistorialrath im Königreich Sachsen) -schreibt von Glauchau aus an den Herausgeber (11. Nov. 1878) > über Knaks Theilnahme an den Naugarder Conferenzen: "Sein, theologisches Wissen war mehr intensiver als extensiver Art. In der Liebe zum HErrn war er tiefer gegründet, als wir Alle — diese Jesusliebe war aber mit Kirche und theologischer Wissenschaft wenig vermittelt. Ich habe mich immer gewundert, daß er unsere Conferenzen so fleißig und so regelmäßig besuchte. Er hätte das gewiß nicht gethan, wenn ihm die Liebe zum HErrn und die Treue gegen die lutherische Kirche nicht gleichbedeutend gewesen wäre. Ich erinnere mich nicht, daß er in Naugard irgend einmal in den Gang der Verhandlungen eingegriffen oder über kirchenregimentliche Fragen sich ausführlich geäußert hätte. Dennoch war er ein gern gesehenes, ich möchte sagen, unentbehrliches Mitglied. Ich habe oft gesehen, daß, wenn im engeren Kreise die Brüder an einander geriethen und Gefahr vorhanden war, daß sie, das Sachliche aus den Augen Verlierend, nur ihre Sondermeinungen mit persönlicher Energie zu. vertheidigen suchten—, daß dann Knak, ich möchte sagen, nicht im.

klarer Erkenntniß des Stadiums, in welches die Diskussion getreten war, sondern instinktiv herausfühlend, daß Persönliches zu stark und breit hervorträte, die betreffenden Combattanten so lange küßte, bis sie still waren. Die Debatte blieb selbstverständlich auf sich beruhen — und zu Schaden kam Niemand dabei."

Ich möchte hinznfügen, er küßte nicht blos die Combattanten zusammen, sondern er betete und bat sie auch zusammen mit seiner lieblichen Energie. Und sein theologisches Wissen war nicht so unvermittelt durch die Wissenschaft, wie das den draußen Stehenden erscheinen mochte. Er wollte nur nicht damit hervortreten. In Privat-Gesprächen bin ich oft erstaunt gewesen über seine Fähigkeit, auch im Dispntiren, und die Belesenheit, die da zu Tage kam. Jedenfalls war der Dank und Lohn für die Dienste, die er der Nangarder Conferenz brachte, der, daß die Conferenz ihm ihrerseits eine tiefe, klare Einsicht in die kirchlichen Zeitfragen verschafft, und ihn dazu befähigt hat. späterhin in dieselben in Berlin auf der Werder'schen Kreissynode mit der Energie und dem Erfolge einzugreifen, die keiner von feinen wissenschaftlich gebildeteren Freunden aufzuweisen hatte.

Auch die Naugarder Conferenzen fanden ihr Ende. Otto ging, kampfesmüde geworden, in das Ausland; Kundler, der nach ihm die Conferenz leitete, wurde in das Kirchenregiment berufen. Es schien eine Zeit lang, als habe die Naugarder Conferenz ihre Aufgabe erfüllt — oder nicht erfüllt. Die Stellung der kirchlichen Behörden zu den Conferenzen hatte sich völlig geändert, der Plan, die Kirche zur Selbständigkeit zu entlassen, war mit der Wiedererstarkung der Staatsautorität aufgegeben worden. Die selbständige Bewegung der Geister wurde den Behörden unbequem. Während sie früher jede Zuschrift einer Conferenz wohl erwogen und beantworteten, übergingen sie jetzt dieselben mit Stillschweigen. Unter der Hand hörte man, daß diese oder jene Aeußerung übel vermerkt worden war. Die Conferenz begann, als keine Antworten eintrafen, auch mit ihren Anschreiben inne zu halten. Zwischen der Behörde und den Trägern des neuerwachten kirchlichen Lebens, das die Konferenzen vertraten, war die Fühlung verloren gegangen zu beiderseitigem Schaden, denn es stellte sich nun gegenseitiges Mißtrauen -ein. Das war eine böse Sache; das Kirchenregiment hätte es nicht dazu kommen lassen müssen, denn in den Conferenzen gab es edle. Kräfte, mit denen sich etwas anfangen und bauen ließ, und die Pietät selbst den nicht wohlwollenden Kirchenbehörden gegenüber war in der Naugarder Conferenz so stark, daß z. B. als einmal der Bischof Ritschl gerade am Tage einer Naugarder Conferenz den Ort passirte, die ganze Conferenz wie ein Mann sich zur Post begab, um ihm ihre Ehrfurcht zu bezeugen. Das Mißtrauen führte zu Mißdeutungen. Der vorkommende Fall, daß als in den Sachen der Wiedertrauung Geschiedener die Conferenz sehr vernünftiger Weise beschloß, es wäre doch nicht gut, daß in so wichtigen Angelegenheiten der einzelne Pastor nur nach seinem subjektiven Ermessen handele, ihm müsse ein Veirath von den erfahrenstell Pastoren der Provinz gegeben werden, damit er dort sich Belehrung und Auskunft suchen könne, war von mir, dem Berichterstatter, in einem gedruckten Bericht so bezeichnet worden, als sei eine Aufträgal-Jnstanz (ich hatte den Ausdruck damals vielfach in politischeil Blättern gelesen und unverstanden gebraucht) eingesetzt worden, um der Willkühr der Einzelnen entgegen zu treten. Dies Wort wurde in höheren Kreisen mit Nachdruck aufgegriffen, meine Einsprache, das Wort gehöre nur mir persönlich, als dem Berichterstatter, half nichts; das böse Wort wurde als Belag gebraucht, dein Könige vorzustellen, daß die Naugarder Conferenz schon mit Etablirung besonderer geordneter Organe im Gegensatz zu den ordentlichen umginge. — Ein Druckfehler (Otto hatte in einer Broschüre geschrieben: "Der H. Ober-Kirchenrath," der Setzer hatte gefetzt: "Der Herr O. Kirchenrath") wurde als Zeugniß beabsichtigten Mangels an Pietät ausgelegt —, es mochte ja auch noch anderes hinzukommen; kurzum das Herz des seligen Königs wurde auch gegen die konfessionellen eingenommen und der Ev. Allianz zugewandt. Der Zeitpunkt ging verloren, wo es möglich war, auf einer von Gott selbst zugerichteten kräftigen Grundlage die lutherische Kirche in Preußen zu reorganisiren. Der Zankapfel blieb, und die die Kirche zerfleischenden Zustände, die an die Namen Sydow, Hoßbach, Lisco sich' knüpfen, waren vorbereitet.

In dieser Zeit stand es eine Zeitlang in Frage, ob die lutherischen Vereine sich auflösen sollten. Meinhold trat in den Riß.. Die Camminer Conferenzen lösten die Naugarder ab. Knak blieb — jetzt schon in Berlin, — auch diesen treu. Es war mir, dem Herausgeber, jedesmal eine besondere Festesgabe, wenn es mir vergönnt ivar, meine innigst geliebten Brüder Knak, Straube, Görcke in Cammin in Einern Zimmer zu beherbergen. Die Conferenzen wurden von jetzt ab mehr Pastoral-Conferenzen. Knak konnte aus seiner reichen Lebenserfahrung manchen reichen Segen mitbringen. In den Camminer Conferenzen wurde namentlich der gottesdienstliche Theil besonders gepflegt, eben so die Fragen des praktischen Amts-lebeus und der thätigen Mitarbeit für die innere und äußere Mission. Wer einmal einem solchen Camminer Conferenz - Gottesdienste, mit der tief ernsten Meinhold'schen Beichtrede, dein von den Versammelten nach dem Psalmton wechselseitig gesungenen !30. Psalm, der kräftigen, inhaltreichen Katechismuspredigt, der reichen, kirchlich-organisch gestalteten Liturgie vor und nach der Predigt und beim Abendmahl beigewohnt hat, wer einmal den Domchor ans dem hohen Chor die alten klassischen kirchlichen Weisen nnd die Gemeinde das "Laßt mich gehen!" in volltönendem Chor hat singen hören, dem wird das bis in den Tod unvergeßlich sein. Ja, wie oft ist mir dabei das Wort: "Wie lieblich sind Deine Wohnungen Herr Zebaoth" vor die Seele getreten. Knaks innerste Seele hat sich daran erquickt, und er hat es sich nicht nehmen lassen, diese köstlichen Tage unter seinen pommerschen Brüdern zu verleben, dis ihn: sein zunehmendes Alter die Reise verbot. Einen Segen aber brachte er mit, wohin er kam. Und das Eine bleibt als gewiß stehen, daß wenn die spätere Haltung der pommerschen Pro-vinzialsyuode in kirchlichen, und die Haltung der Pommerschen Gemeinden in politischen Angelegenheiten nach der positiven Seite hin so überraschende Resultate zu Stande brachte, und wenn diese Resultate zum großen Theil der Entwicklung des kirchlichen Lebens ilnd des frommen Sinns in den Gemeinden, und den Pommerschen kirchlichen Vereinen zu verdanken ist, Knak an diesem Segen einen nicht geringen Antheil hatte.

36.

Der Wecker hebt aus zur Abschiedsstunde.

Obschon durch wiederholte Seebad-Kuren die Folgen der ernstlichen Krankheitsanfälle immer wieder gehoben wurden, erwies es sich doch je länger je klarer, daß die Kräfte des Genesenen zu der großen Arbeitslast, die die Verwaltung von drei Kirchen und das tägliche Angelaufeuwerden in der Seelsorge mit sich brachten, auf ' die Dauer nicht ausreichten. Ergreifend sind die Bitten, die Knak an feinen Heinrich zur Aushülfe, namentlich in den Festzeiten richtete,

-        sowie die demüthige Ergebung, wenn die ersehnte Hilfe ausblieb.

Einmal schreibt er:

Mein theures süßes Herz!

Einer trage des Andern Last, so werdet Ihr das Gesetz Christi erfüllen!

Dein armer Gustav ist in einiger Noth. — Dein Glaube könnte

-        ihm helfen. Siehe, geliebtes Herz! am nächsten Sonntag ist, wie Du weißt, Ernte-Dankfest. Da habe ich wieder 4 mal zu predigen. Doch

brücken und mit Dir mich dessen zu freuen, der unsere Liebe ist. Ich wollte Dir dann bis Polzin Sonnabend zu Mittag gegen 12 Uhr einen Einspänner entgegen schicken und Dich ebenso, wann Du wolltest, wieder zurückbringen lassen. Steffen (der Herr, bei dem Wittenberg Hauslehrer war) ist nicht böse, wenn Du einen Tag später kommst, weil Du mir einen so großen Liebesdienst erwiesen hast. Setze Dich nur in meine Lage, mein süßes, theures Herz! und liebe dann Deinen Dir so innig verbundenen Gustav als Dich selbst, ja um des HErrn willen einmal mehr als Dich selbst, denn wir sollen ja auch das Leben für die Brüder lassen. Aber bin ich auch nicht allzusehr zudringlich? Und was wird Deine Auguste sagen, die so sehr für Dich besorgt ist, und was Dein lieber Vater, Deine liebe Mutter? Werden sie mir auch nicht zürnen, daß ich Deine Hülfe begehre, der Du doch so schwach bist? Die lieben Herzen brauchen nur Glauben zu haben, wie ein Senfkorn, denn zürnen sie mir nicht nur nicht, — nein, sie helfen mir dann Dich bitten, wenn Deine Liebe zu mir Armen Dich nicht schon so stark zu mir zöge. Nun, des HErrn Wille geschehe und Er sei gelobt für Alles. Kommst Du, so will ich dem HErrn freudig danken, daß Er meines Angesichts Hülfe und mein Gott ist — kommst Du nicht, so will ich stille sein und Ihm danken, daß Er mich treulich demüthigt. Er lenke Dein Herz, und was Er Dir saget, das thue! — Grüße Deine theuren Herzen alle von mir aufs Innigste und schreibe mir ein paar Zeilen; ich aber will den HErrn bitten, daß Er mit Dir und nur thue nach Seinem Willen.

Dein Gustav.

Wie dringend mußte die Leibesnoth sein, die solche Briefe erpreßte, und wie zart ist die Rücksicht, dem theuren Freunde von 5 Predigten nur eine zu übertragen, damit er nicht selbst über die Kraft arbeite! Und die theuren Kosten der weiten Reise, für die er doch aufkommen mußte, und als Entgelt, die Erleichterung um Eine Predigt von fünfen!

Aehnliche Briefe aber wiederholten sich. Wittenberg kam, so oft er irgend konnte; bisweilen aber verboten es ihm seine Eltern, weil auch er schwächlich war. Dann tröstete ihn Knak, weil er wußte, es mache ihm selbst Schmerz: "Mache Dir jakein schweres Herz darüber, der HErr wird mir nahe sein mit Seiner Kraft und Hülfe,

so ich auf Ihn harre          Jesus aber, unser leutseliger Heiland,

wolle Dir und mir und allen Seinen Kindern eine unaussprechliche Festfreude schenken, um Seines Namens willen."

Im Jahr 1844 schien es, als ob sich für den durch seine Leibesschwachheit sehr Geprüften eine Thüre im Wupperthal aufthun

Knak. 2. Aust.        15

.bas würde mit des HErrn Hülfe gehen, wenn nicht zugleich an diesem Tage die nun endlich fertige Kirche zu Gersdorf eingeweiht und Beichte und Abendmahl darin gehalten werden sollte. Die Anstrengung würde .daher wohl fast zu groß für mich sein, wiewohl ich weiß, daß der HErr den Müden Kraft giebt und Stärke genug den Unvermögenden. Kannst du es nun übers Herz bringen, mein Heinrich, daß ich nächsten Sonntag, Alles zusammengenommen, fünf Predigten halte? Ich weiß, es ruft in Deinem Herzen, während Du diese Frage liesest: "Nein, ich muß hin, ihm zu helfen, — und es wird gehen durch des HErrn Kraft, wiewohl .ich sehr schwach bin an mir selber!" Herzensheinrich! bitte, bitte, schlag' mir diesen Wunsch nicht ab,— ich hoffe, er ist nicht unbillig — nur eine Predigt sollst Du mir abnehmen; denn mehr werde ich Dir nicht übertragen dürfen. Aber bitte, besprich Dich auch nicht mit Fleisch und Blut — denke an Sarah, die nicht ansahe ihren erstorbenen Leib, — hebe Deine Augen uuf zu den Bergen, von dannen die Hülfe kommt; fürchte Dich nicht, glaube nur! Alle Dinge sind möglich Dem, der da glaubet! Ja, der Glaube kann Berge versetzen; Ohnmächtige macht er stark, daß sie laufen und nicht müde werden, daß sie wandeln und nicht mattt werden. Und -das Gebet des Gerechten — wieviel vermag es, wenn es ernstlich ist! — Versprochen wirst Du Dich wohl sonst noch nicht haben? Mich verlangt iso von ganzem Herzen, Dich einmal wiederzusehen und an mein Herz zu


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wolle. Er wurde aufgefordert, in Elberfeld eine Bibelfestpredigt zu halten. Die Absicht war, ihn kennen zu lernen, und eventua-) liter für eine im Wupperthal vakante Pfarrstelle zu berufen. Er, hielt die köstliche Predigt, die wir in den Zeugnissen unter Nr. IX abgedruckt haben. Die lieben Wupperthaler aber sind zum Theil absonderliche Christen. Viele von ihnen meinen nicht blos, daß das Beste gerade gut genug für sie ist — das wäre ihnen ja nicht zu verdenken —, sondern sie meinen auch, daß jeder Pastor es für ein besonderes Glück und Vorzug halten muß, gerade ihr Pastor zu sein. Denn an christlichem Selbstbewußtsein haben Viele von ihnen eben keinen Mangel. So wurde denn Knaks Predigt einer; scharfen Kritik unterworfen. Der Herausgeber kam in dieser Zeit nach Elberfeld und mußte über Knak alles mögliche berichten. Ich sagte, sie sollten mit beiden Händen zugreifen. Er fand aber keine Gnade vor ihren Augen. Auf diese Weise hat das Wnpperihal unfern Knak verscherzt, und das liebe Pommerland die Freude und den Gewinn gehabt, ihn noch längere Zeit zu besitzen, und Berlin, ihn zu erhalten. Knak hatte seinen Gewinn, in Gemeinschaft mit dem Candidaten Albert Höppner, der später sein Nachfolger in Wusterwitz wurde, eine schöne erfrischende Reise gemacht und reichen Verkehr mit christlichen Brüdern genossen zu haben. Ein anderer! Gewinn war, daß Knak in Elberfeld zum ersten Mal das Mann-, script eines der wunderbar schönen Pfeil'schen Herzensgesänge in die Hand bekam, der ihn so ergriff, daß er nicht nachließ zu suchen und zu forschen, bis er ein Exemplar der ganzen Sammlung dieser köstlichen Lieder erhalten hatte, die er dann mit innigster Herzens-^ freude neu zum Druck beförderte.

Im Herbst 1846 schien es abermals, als ob der HErr Seinen treuen Knecht in ein minder schweres Arbeitsfeld setzen wollte. Er hatte gepredigt; eine fremde Dame hatte dem Gottesdienst beigewohnt und suchte nach demselben den Pastor aus. Verlegen kommt sie mit ihrem Anliegen hervor: "Ich hatte etwas auf dem Herzen» nachdem ich Sie und Ihre Gemeinde im Gotteshanse gesehen und dem Gottesdienst beigewohnt habe, will es mir fast schwer werden» es auszusprechen; aber ich habe vom HErrn die Weisung dazu.. Wir haben keinen Seelsorger in unserem Stift und ich bin gekommen» Sie zu fragen, ob Sie diese Stelle annehmen wollen."

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Knak war über diese Eröffnung der Domina des Stiftes Halenbeck sin der Provinz Brandenburg an der mecklenburger Grenze gelegen) sichtlich betroffen. Gerade in dieser Zeit hatte sein Patron das Gut verkauft und der neue Patron Herr Knaak wurde in den nächsten Tagen erwartet. An seiner Leibesschwachheit trug er ja allzeit schwer. Dazu war das Einkommen der neuen Stelle der Art, daß manche Sorge und manche Entbehrung, die ihn bei dem so kärglichen Einkommen der wusterwitzer Stelle bei seiner wachsenden Kinderzahl doch auch ab und zu drückte, mit einem Mal gehoben schien. Er hatte nicht den leisesten Schritt von sich aus gethan; alles war so ungesncht gekommen. Er glaubte die Stimme des HErrn zu hören, der ihn rufe. Er antwortete daher der Frau Domina: "Ja. ich werde kommen, wenn ich einen gläubigen Nachfolger meiner Gemeinde übergeben kann!"

Er hatte ja die Zusage des früheren Patrons in Bezug auf diesen Punkt. Seine Gedanken richteten sich auf Straube und seinen geliebten Heinrich Wittenberg (damals Diaconus in Bublitz). Straube war mit seiner eigenen Gemeinde so fest verwachsen, daß Knak sich gleich sagte, er werde nicht kommen. Ebenso sehr war er dagegen auch überzeugt, sein Wittenberg müsse kommen. Er schreibt ihm am 5. Okt. 1846:

"Mache Dich, sobald Du diesen Brief empfangen, auf und komme in meine Arme. Ich habe einen Ruf in eine andere Gemeinde erhalten, den ich als vom HErrn gekommen betrachten zu müssen glaube. Alles Nähere

mündlich        Du bist es, dem ich (nächst Straube) am liebsten die theure

Heerde übergäbe, mein süßes theures Bruderherz        Komm auf der Stelle

her, getragen von den Flügeln der Gnade unseres Gottes, und laß' uns weinen und anbeten zu den Füßen Dessen, deß Name heißt Wunderbar, und der in den Schwachen mächtig ist."

Wittenberg konnte persönlich nicht kommen; seine schriftliche Antwort war nicht direkt ablehnend, obschon ihm bei seiner eigenen körperlichen Schwachheit die drei Kirchen Bedenken erregten. Knak lud ihn zum 18. Okt. zum Enthaltsamkeitsfest ein, wo er sich dem neuen Patron gleich durch eine Ansprache vorstellen könnte. Ihm wurde es immer gewisser, sein geliebter Heinrich werde sein Nachfolger sein. Er schließt den Brief mit den Worten: "Doch Alles, wie Jesus will; verzeih mir, daß ich mein Herz in diesen

15*

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flüchtigen Zeilen gleich so herausschüttete. Bete viel für Deinen tiefte bewegten Bruder — die Gemeinde weiß schon etwas davon — es wird.? noch viele Thränen kosten. Ich küsse Dich im Geist. Dein Gustav."

Als Wittenberg auch diesmal nicht persönlich kommen kannte,1 übersandte Gustav ihm unterm 23. Okt. die Nachricht, der neuA Herr Patron habe ihn zu seinem Nachfolger berufen. Er war glücklich:)!

"Komm mit Deiner Auguste in unsere offenen Arme und laß Dir: umständlich Alles erzählen von der wunderbaren Führung unseres getreuen) HErrn. Es wird mir sehr schwer werden, das theure Wusterwitz zu vevsi lassen; aber der Gedanke, daß Du, mit dem ich so ganz ein Herz und eineß Seele bin, mein Nachfolger wirst, ist mir wie Honigtropfen in den bitternh Kelch. O wie innig hat uns doch Immanuel verbunden, Du geliebtes Seele, und wie köstlich ist cs, daß Du meine Gemeinde und diese Die schon so genau kennt und so herzlich lieb hat. O Heinrich, das Band desA heiligen Geistes, die Bande des Blutes Jesu, die uns umschlingen, sind!? doch wunderherrlich und unzerreißbar. Nun aber lebe wohl und laß uns' einander betend auf dem bewegten und doch in Jesu Willen so seliglichE ruhenden Herzen tragen. Friede sei mit Dir, Du süßes Herz!"

Knak glaubte hier gewiß des HErrn Willen erkannt zu haben, daß er nach Halenbeck sollte, und seine eigene Wünsche gingen so' bestimmt auf diese Stelle, daß er im Geiste sich schon zur Abreise^ schickte.

Inzwischen hatte Wittenberg einen schweren Kampf zu bestehen. Er fürchtete sich, Nachfolger eines Mannes, wie Knak zu werden,', seine schwache Leibesbeschaffenheit schreckte zurück vor der schweren. Aufgabe, der sein Vorgänger fast unterlegen war, und doch konnte er den an ihn ergangenen Ruf nicht ohne Weiteres ablehnen. Er reiste Ende Oktober nach Wusterwitz, um sich mit Knak zu besprechen. Unterwegs in Kollaz drangen seine alten Eltern in ihn, nicht sofort direkt zuzusagen, weil sie für die Gesundheit des geliebten Sohnes fürchteten. In Wusterwitz wurde von beiden Freunden alles unter Gebet reiflich überlegt; das Resultat war, daß Wittenberg sich dem Patron Herrn Knaak präsentirte und von ihm das mündliche Versprechen erhielt, er wolle ihn vociren.

Nach Bublitz zurückgekehrt, fand Wittenberg volle Freudigkeit für Wusterwitz und beschloß, da inzwischen Knak auch die Zustimmung seiner Eltern erlangt hatte, die Stelle anzunehmen. Eben-

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schickte er sich an, zu seinem Superintendent zu gehen, um seine Stelle zu kündigen, als auf dem Wege ihm ein Brief eingehändigt wurde, der ihm die direkte Dotation des Major v. d. Dollen für Koprieben, eine Stelle, um die er sich früher einmal beworben hatte und die seiner und seiner Eltern Wünschen durchaus entsprach, überbrachte. Dieser Ruf erschien Wittenberg so überwältigend als ein Ruf des HErrn, daß er seinem Gustav abschrieb. Doch schrieb er zum Schluß: "Könntest Du nicht in Wusterwitz bleiben und keinen gläubigen Nachfolger bekommen, so würde der Major vielleicht noch jetzt mich loslassen; aber das ist wohl nur ein Gedanke der Liebe zu Dir, mein Herz."

Knak war, als er diesen Brief empfing, in seinem Herzen erschüttert. Eine so schöne Aussicht schien ihm verloren gehen zu sollen. Herr Knaak. der neue Patron, hatte sein Versprechen nur in Bezug auf Wittenberg gegeben. Würde er auch wohl einen Anderen nach Knaks Wunsch vociren? Ein Gerücht gieng ihm zu, einer der Gutsbesitzer habe geäußert, man wolle einen Nachfolger wählen, der den vierten Mann am Kartentisch abgäbe. Ein trüber Schleier breitete sich über sein Herz. Er schreibt an Wittenberg unter dem 3. Noo. 1846.

Wusterwitz, 3. Nov. 1846.

Mein süßes theures Herz!

Was soll ich sagen?— Die Hand auf den Mund legen muß ich und wenn auch unter Thränen und in tiefer Bewegung meines armen Herzens den HErrn preisen, daß Er's mit Dir so wunderlich und so selig geführt hat und Dich Seine Gnadenspur so deutlich sehen läßt. Ja, Seine Wege sind eitel Güte und Wahrheit und Seine Gedanken über unsere Gedanken, des Friedens und nicht des Leides. Mir aber ist's jetzt, als läge ein schwerer Stein auf meinem Herzen und als hinge der Himmel voll dunkler Wolken. Ich stehe rathlos in mir und hebe mein Auge still und sehnsuchtsvoll zu den Bergen, von denen die Hülfe kommt. "Fürwahr, Du bist ein verborgener Gott, der Gott Israels, der Heiland," so spreche ich mit dem Propheten und harre erwartungsvoll des HErrn und seiner weiteren Führung. Wolf schreibt mir soeben, ich dürfe nicht lange mehr schwanken — er sei überzeugt (ganz objectiv die Sache betrachtet), daß ich dem Ruf nach Halenbeck folgen solle — er halte es für unrichtig, daß ich mein Gehen abhängig mache von der Wahl des Nachfolgers — auf eine bestimmte Person dürfe ich seiner Meinung nach nicht dringen. Was soll

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ich nun thun? Herr Knaak ist verreist — ich glaube, es bleibt mir nichts übrig, als ihn zu fragen, ob er mir erlauben will, ihm einige gläubige ! Kandidaten vorzuschlagen, und ob ich gewiß darauf rechnen könne, daß er! einen davon wählen werde. Verspricht er mir dies, so denke ich, in deS! HErrn Namen den an mich ergangenen Ruf anzunehmen und Ihm meines Wege getrost zu befehlen. Hilf Deinem armen Gustav beten, mein Heinrich! ; den ich so unaussprechlich lieb habe. O trage mich auf dem Herzen und) bitte den HErrn, daß Er mich ganz stille mache. Verzeih diese flüchtigen Zeilen; ich bin aber körperlich und geistig zu sehr angegriffen, als daß ich. mehr schreiben könnte. Der Herr Jesus sei mit Deinem Geiste. Grüße) Deine liebe theure Auguste und sei gegrüßt von meiner Mathilde und von ! meinem lieben Albert Höppner, der gerade bei mir ist und sich mit uns über den freundlichen Weg des HErrn mit Dir aufs Innigste freut.

Friede sei mit Dir und Deinem tief bewegten, aber auf das Lamm) Gottes schauenden

Gustav.

Knak ahnte, als er diesen Brief schrieb, nicht, daß der genanntes Kandidat Albert Höppner der Mann sei, den Gott der HErr später? zum Nachfolger für ihn ersehen hatte. Das aber stand in ihm! fest, lieber den Ruf nach Halenbeck ablehnen, als seine Gemeinde in die Hände eines ungläubigen Nachfolgers übergehen zu sehen. ^ Die Abwesenheit seines Patrons, des Herrn Knaak, kam höchst) ungelegen. Die Zeit des Präsentationsrechtes der Frau Domina lief ab. Er bat sie schriftlich, so lange mit der Besetzung der Stelle' zu zögern, bis er eines gläubigen Nachfolgers versichert sei, dc^ ohne diese Bedingung er die Stelle nicht annehmen könne.

Ueber das Alles konnte Knak nicht zu innerer Ruhe kommen. Es war ihm doch in seinem Herzen so gewiß geworden, daß er gehen und daß Wittenberg sein Nachfolger werden müsse. Er sah in dem Schluß-Passus des Wittenberg'schen Briefes einen Wink, daß er noch einen letzten Versuch machen müsse. Er besteigt also den Schlitten und fährt zu seinem Freunde v. d. Dollen, um ihn zu bewege», daß er Wittenberg sein Wort zurückgebe. Noch hat er Koprieben nicht erreicht, da wirft er mit dem Schlitten um, so daß der Herr v. d. Dollen ihn mit den Worten empfängt: "Siehst du, Knak, das kommt davon, daß du denkst, du gehst des HErrn Wege, und gehst doch deine eigenen." Trotzdem bewilligte er dem Freunde die Bitte, er wolle Wittenberg loslassen, wenn es KnaL

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gelänge, denselben zum freiwilligen Ausgeber: der ihm zugedachten Stelle zu bewegen.

Nun drang Knak abermals ir: Wittenberg, den er persönlich in Bublitz aufsuchte. Derselbe brachte die Sache im ernsten heißen Gebet vor den HErrn.

Inzwischen traf aber auch von der Frau Domina eine Antwort ein des Inhalts, daß sie, wenn sie nicht die Präsentationsfrist versäumen wollte, einen längeren Aufschub nicht bewilligen könne, also zur Wahl eines anderen Candidaten schreiten werde.

Nun war Knak seiner Sache gewiß, der HErr hatte deutlich gesprochen: Er sollte nicht nach Halenbeck gehen. Damit waren aber auch alle seine inneren Kämpfe beendigt, und der Sieg über seine Wünsche errungen. Jetzt kann er wieder jubeln und fröhlich sein, und an seinen Heinrich (untern: 17. Dez. 1846) schreiben:

Der HErr hat Alles wohl gemacht. Hallelujah!

Mein süßer theurer Herzens-Heinrich!

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Gedanke meiner Liebe zu Dir, mein Herz!" Die ersten Worte dieses SatzeK hatte ich nicht gehörig bedacht — sonst wäre vielleicht diese ganze Unruhe nicht entstanden ; einige andere Stellen Deines l. Briefes deuten aber auch.) wieder darauf hin, daß Du größere Freudigkeit hättest, nach Wusterwitz zu gehen als nach Koprieben — und daß Dein Gewissen nicht ruhig sei. -Doch still hiervon — ich habe mich dem HErrn zu Füßen geworfen und--Ihn angefleht, mich vom Haupte bis zur Fußsohle in Seinem Blute zu., waschen und meine Sünde zu tilgen wie den Nebel und meine Miffethat wie eine Wolke — und die Reise nach Koprieben und zu Dir ist für mich, von großem Segen gewesen, und ich hoffe, ich werde dem HErrn noch, droben dafür danken. Verzeiht Ihr mir nur auch, Ihr süßen Herzen! und erhaltet mir Aermsten Eure so köstliche Liebe! Möchte auch Euch aus. dieser Kittern Arznei ein Segen erwachsen und auch diese Führung Euch zum Besten dienen durch Sein Erbarmen! Verzeihe, daß ich nun abbreche, Du süßes theures Herz! und sei nun wieder zufrieden, liebe Seele, denn der HErr thut Dir Gutes — und durch Seine Gnade wollen wir uns» wenn Du erst in Koprieben bist, oft — ach recht oft sehen und mit ein--ander beten, loben und danken. Nicht wahr, mein Heinrich! und Du theure' Schwester, Ihr wollt mich lieb behalten um Jesu willen und mir alle-Sorge, die ich Euch verursacht, liebreich verzeihen. Ich bitte Euch flehentlich» darum. Friede sei mit Euch!

Wir haben diese ganze Angelegenheit darum so ausführlich mitgetheilt, weil aus dem Berichteten ersichtlich ist, wie tief sie in Gustavs Herz einschnitt, und wie schwer der Kampf war, den er-zu bestehen hatte, und wie herrlich der Sieg. Und der HErr hatte Seinem Knechte ein Besseres Vorbehalten.

37.

Abschied von Wusterwitz.

Wie eine Oase in der Wüste, hatte in der langen Zeit des dürren Rationalismus die böhmisch-lutherische Kirche in Berlin (einst erbaut für die ausgewanderten böhmischen Christen) den heils-suchenden Seelen Pflege für ihre Seele und lauteres Lebensbrod gewährt; die Namen Jaenecke und Goßner leuchten hell in der neueren Kirchengeschichte von Berlin. Nach Goßners Amtsniederlegung hatte dessen Nachfolger, Pastor Köppe, durch seinen Ueber-

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tritt zu den Jrwingianern dem gesammelten Häuflein der Gemeinde großen Schmerz und Gefahr bereitet. Es galt einer: Mann zu finden, der in: Stande wäre, das Gebliebene zu halten und das Zerstreute wieder zu sammeln. Die Gedanken der Gläubigen richteten sich auf Knak, der ihnen, wie wir oben berichtet haben, schon seit seiner Kandidatenzeit bekannt, lieb und werth geworden war und der auf Goßners Kanzel schon damals manche einschneidende Predigt gehalten hatte.

Eine Botschaft der Gemeinde (bestehend aus den beiden Kirchenvorstehern Herren Schubert und Kropatschek) begab sich im Spätherbst 1849 nach Wusterwitz, um Knak zu bitten, Seelsorger der verwaisten Gemeinde zu werden. Knak legte die Angelegenheit vor seinen HErrn, und stand von dem Gebet auf mit der völligen Gewißheit, was des HErrn Wille sei. Er gab den Abgeordneten die Antwort:

"Zu dieser Stelle hat mich der HErr berufen, und von hier gehe ich auch nur fort, wenn ich erkennen kann, daß Er es ist, der mich zu einem andern Amte beruft. Ich will es daran erkennen, ob mein Patron nur mit einen: gläubigen Pastor die Stelle wieder besetzen will." Sein Herr Patron, mit welche::: er allezeit in einem sehr freundlichen Verhältniß gestanden hatte, antwortete ihm: "Was* wollen Sie mir erst drei vorschlagen, nennen Sie den, den Sie am liebsten haben möchten, den will ich wählen." Und so ist es geschehen. Später ist der Sohn seines lieben Bruder Görcke Pastor zu Wusterwitz geworden, und hat dort fünfzehn Jahre lang im Amt gestanden und Knaks Gemeinde in seinem Sinne geweidet. Knak aber, nachdem er seiner Sache vor Gott gewiß geworden war, verschlug es durchaus nichts, daß Freunde ihn darauf aufmerksam machten, die Stelle an der böhmischen Kirche trage nur sechshundert Thaler, und davon müsse er an seinen Emeritus, dem alten Goßner, so lange derselbe lebe, zweihundert abgeben. Er dachte, der HErr, der mich dorthin ruft, wird mich dort auch ernähren. Und so ist es ebenfalls geschehen. Jetzt war Alles in Ordnung, jetzt ging Knak in Gottes Namen nach Berlin, seiner Geburts- und Vaterstadt zurück.

Mit welchen Gefühlen er von Wusterwitz schied, das bekundet uns der Abschiedsbrief, den er wenige Stunden vor seiner Abreise an seine vertrautesten Freunde in der Nachbarschaft schrieb:

Wenn ich je gewünscht habe, sliegep zu können, so ist es jetzt, wo mir die Eile des Dampfwagens zu langsam scheint, um zu Dir zu kommen, Dir um den Hals zu fallen, Dich zu küssen mit dem heiligen Kuß und Dir abzubitten, wo ich Dir irgend auch nur im Mindesten wehe gethan habe. Die liebe theure Domina hat geantwortet — sie kann sich auf nichts mehr einlassen , da ihr Präsentationstermin zu Ende läuft, und hat die Kandidaten Rothe und Besser aufgefordert, in Halenbek zu predigen, und dann aus ihnen (wie ich zu der Gnade des HErrn hoffe, meinen geliebten Bruder Rothe zu wählen. Wir sind sehr froh, daß wir nun bestimmt wissen, woran wir sind, und können dem HErrn von ganzem Herzen für Seine wunderbare Führung, deren Seligkeit wir erst droben ganz erfahren werden, danken und lobsingen. Unaussprechlich süß ist mir der Gedanke, daß der alte theure Rothe, den ich nächst Dir am liebsten zu meinem Nachfolger gehabt hätte, die Stelle in Halenbek bekommen dürfte; seufze mit uns darum, wenn's der HErr Dir erlaubt, und hilf mir auch darum bitten, daß mein Verhältniß zu dem hiesigen Patron durch Sein Erbarmen ein gesegnetes werde und bleibe. O wenn der HErr seiner armen Seele zur Buße und zum Glauben hülfe — wie wollt' ich Ihn preisen! An den lieben Dollen habe ich bereits geschrieben — beide Briefe gehen morgen früh zugleich ab; ich habe ihm auch den Schluß Deines Briefes, den ich in der Eile nicht gehörig erwogen hatte, mitgetheilt. Du schreibst: "Könntest Du nicht in W. bleiben und keinen andern gläubigen Nachfolger bekommen, so würde der Major vielleicht noch jetzt mich loslassen; aber es ist wohl nur ein

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Wusterwitz, 16. Febr. 1850.

Jesus Christus gestern und heute und derselbe in Ewigkeit! Amen.

Geliebte, theure Geschwister!

(v. d. Dollen, Steffens, Wittenberg und Alle, die meiner dort in Liebe gedenken.)

Wie wehe mir das thut, daß ich vor meinem Abschied von hier Euch 'nicht mehr von Angesicht habe sehen können, weiß der treue HErr, dessen heiliger Wille mich von hinnen ruft. Vorigen Montag war ich entschlossen, Euch zu besuchen,— aber theils meine körperliche Angegriffenheit, theils der unsichere Weg, theils ein Begrabniß, welches ich unvermuthet an -diesem Tage noch zu besorgen hatte, hielten mich zurück. Nun schriebe ich 'Euch wenigstens gern einen recht langen Brief und schüttete mein volles Herz noch einmal so recht innig gegen Euch aus; — aber ich habe nur -noch wenige Stunden Frist, dann muß ich wie einst Ezechiel (Kap. 12) mrein Wandergeräthe nehmen und von dannen ziehen in heißen Wehmuths-schmerzen, aber mit dem Gebet Davids: Meine Seele ist stille zu Gott, der mir hilft. Er hat sich in dieser letzten Zeit noch überaus gnädig an mir bewiesen, hat mich über manchen steilen Berg auf Adlersflügeln hinweggetragen, Sein Name sei hochgelobt in Ewigkeit! Nächsten Mittwoch gedenke ich in Berlin einzutreffen. Sonntag Reminiscere ist der Tag meiner Einführung. Der Herr Jesus, der mich armes Würmlein aus Seinem hohenpriesterlichen Brustschilde trägt, schreibe meinen Namen auch in Euer treues Bruderherz, daß Ihr meiner in Eurer Fürbitte vor dem Thron des Lammes gedenkt; denn ich bedarf es sehr. Verzeiht mir Alles, womit ich Euch je betrübt habe, auch mein bisheriges Schweigen und daß ich nicht mehr habe zu Euch kommen können. Habt tausend Dank für Eure beschämende Bruderliebe gegen mich Elenden; der Herr Jesus vergelte sie Euch mit reichlicher Erquickung vor Seinem Angesicht. Ich wohne in Berlin: Wilhelmsstraße Nr. 29. Meine Wohnung steht, wie mein armes Herz Euch mit tausend Freuden allezeit offen; unaussprechlich sollte es mich freuen, wenn ich recht bald Einen oder den Andern von Euch dort Herbergen könnte. Lebt wohl, lebt wohl im HErrn, Er sei Euch nimmer fern, spät und frühe — vergeßt mein nicht in Seinem Licht und wenn Ihr sucht Sein Angesicht. Ich küsse Euch im Geiste mit dem Gruße der zärtlichsten Liebe. An dem diesjährigen Misstonsfeste Hieselbst hoffe ich Euch, so der HErr will, von Angesicht zu sehen. Friede, Freude im heiligen Geiste sei mit Euch allewege. Lebt wohl, lebt wohl im HErrn, der unsers Lebens Leben ist, mit Eurem durch Jesu Blut bis in den Tod getreuen Bruder

G. Knak.

Wir schließen diesen Abschnitt damit, daß wir den Liebesgruß, den Knak bei seinem Scheiden seiner Gemeinde zurückließ, und die von einem einfachen Gemeindeglied des Filials Gersdorf darauf rrtheilte Antwort hier mittheilen.

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Knaks Abschiedsgruß an seine Gemeinde in Wusterwitz.

Jesus Christus gestern und heute, und derselbe auch in Ewigkeit. Mel.: O Welt, ich muh dich lassen.

Lebt wohl, ihr theuren Herzen,

In Ihm, der uns mit Schmerzen Vom ew'gen Zorn befreit!

Lebt wohl in Jesu Wunden,

Die uns so eng verbunden,

Daß uns nicht scheidet Raum noch Zeit.

Auf Ihn nur laßt uns schauen,

Und unbeweglich trauen Dem starken Gottessohn.

Daß wir in Freud' und Plagen Mit Wahrheit dürfen sagen:

Ich Hab' nur eine Passion!

In Seinen Liebesarmen,

Umschlossen von Erbarmen,

Hat man's unsäglich gut.

Er will uns fest umfassen,

Er kann uns nicht verlassen;

Wir kosten Ihm sein theures Blut.

Wohlan, so laßt uns schwören,

Daß wir nur Ihm gehören,

Bis unser Aug' einst bricht:

Ja, Jesu, süßes Leben,

Wir bleiben Dir ergeben,

Laß leuchten uns Dein Angesicht!

Wir flehn in Deinem Namen:

Begieß, o HErr, den Saamen,

Den Du hier ausgestreut.

Und hilf, daß alle Seelen Marias Theil erwählen,

Dich selbst, Du Quell der Seligkeit.

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Weck auf die sichern Herzen,

Die mit der Sünde scherzen Auf breiter Höllenbahn,

Und die in eignen Werken Noch ihre Hoffnung stärken,

Erlöse bald von ihrem Wahn!

Sei Du mit Deinem Knechte,

Der hier die Gnadenrechte In Schwachheit hat bezeugt.

Und der voll tiefer Wehmuth Sich Deinem Ruf in Demuth, Getrost und unter Thränen beugt.

Salb' aber auch mit Oele Des theuren Bruders Seele,

Den Du erwählet hast,

Die Schäflein nun zu weiden,

Die Du erkauft mit Leiden — Und mach' ihm süß die sel'ge Last.

Stärk' alle Deine Kinder,

Daß sie als Ueberwinder Im Glaubenskampf bestehn,

Bis wir auf Salems Zinnen, Wenn Du uns rufst von hinnen, Im ew'gen Licht uns wiedersehn!

II.

Antwort aus der Gemeinde.

So lang' in gutem Frieden War uns das Glück beschieden Durch Sie, o theurer Mann,

Den Weg des Heils zu hören,

Wie man sich muß bekehren;

Wie Jesus nimmt die Sünder an.

Wir müssen billig klagen Und mit Betrübniß sagen,

Wir haben's oft veracht't.

Wir haben Gottes Treue Mit Buße und mit Reue Im rechten Sinne nicht betracht't.

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Noch leben wir hienieden,

Doch Gott hat Sie beschieden An einen andern Ort.

Was sollen wir noch fragen?

Wir müssen stille sagen:

Wahrhaftig bleibt des HErren Wort.

Nun denn, Sie müssen scheiden,

Sie müssen Gersdorf meiden Nach Gottes treuem Rath;

So ziehn Sie denn in Frieden Und streuen Sie hienieden Noch reichlich aus die Himmelssaat.

Wir sind zwar schwache Glieder,

Doch wünschen wir Jhu'n wieder Viel Segen und Gedeihn.

Wir wünschen auch nicht minder,

Daß Ihre Frau und Kinder Sich mögen alles Guts erfreu'n.

Wir wünschen Jhn'n die Gnade,

Daß auf dem Lebenspfade Sie noch recht lange stehn,

Daß Sie noch lange Zeiten Auch Ihre Kinder leiten,

Den rechten Weg des Heils zu gehn.

Wir danken für das Lieben,

Das Sie so oft getrieben,

Uns Segen zu erflehn.

Wir danken für die Lehren,

Die Sie uns ließen hören,

Daß wir zu Jesu möchten gehn.

Nun möge Gott uns leiten,

Daß wir auch All' bei Zeiten Vom bösen Wege gehn,

Damit wir einst im Himmel Nach diesem Weltgetümmel Uns freudig können wiedersehn.

Vierter Abschnitt.

38.

Amtsantritt in Berlin.

gelten mag ein Prediger von der Gemeinde, die ihn beriefe so sehnlich erwartet worden sein, als Knak von der Bethlehems-gemeinde in Berlin. Dieselbe war verwaist, — ihr letzter Pastor war nach kurzer Amtsführung zu den Jroingianern übergegangen; die Lücke, welche ein Jänicke und Goßner durch ihr Scheiden zurückgelassen hatten, wurde immer schmerzlicher gefühlt, und dies um so schmerzlicher, als der Schwiegersohn Jänicke's, der unter der gesalbten Canaanssprache manche Verirrung nicht verhüllen konnte, der einzige Spender von Wort und Sakrament war, auf den die drei Gemeinden, die böhmisch-lutherische und die böhmisch-reformirte in Berlin, und die böhmische Gemeinde in Rixdorf sich angewiesen sahen. Knak war Vielen, ja den meisten wahren Christen in Berlin bereits aus seiner Candidatenzeit, dann durch die Kunde von seiner einschneidenden Wirksamkeit in Wusterwitz bekannt, ja Vielen von früher her ein Wecker zum Leben geworden, einzelne Predigten, die er in der Zwischenzeit in Berlin hielt, hatten mächtigeingeschlagen. Dazu kam, daß das Jahr 1850 als der Blüthe-und Höhepunkt des durch die Freiheitskriege neuerwachten, durch den frommen König Friedrich Wilhelm IV. so reichlich gepflegten, und unter ihm so hoffnungsvoll gewachsenen kirchlichen und geist-

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lichen Lebens bezeichnet werden dürste. — Es ist also nicht zw verwundern, daß unter solchen Umständen die Versetzung Knak's nach Berlin als ein Ereigniß betrachtet wurde, und daß so, wie christliche Liebe dem arm aus Wusterwitz Geschiedenen seine neue Wohnung in Berlin neu möblirt, und Küche und Speisekammer wohlgefüllt übergab, so auch nun zu seiner Einführung sich Alles herandrängte, was irgend nur einen Platz in der Kirche finden mochte.

Wie bei großen Festtagen, so hatte auch zu diesem Segenstag der Abend zuvor schon seine Weihe und seine Feier. Als der neuerwählte Pastor von der Feier einer silbernen .Hochzeit am 23. Febr. in sein Hans zurückkehrte, fand er dasselbe besetzt von einer Schaar von — meist jungen Leuten, die den neuen Seelsorger mit einem schönen für ihn gedichteten Liede und dem Gesang anderer geistlicher Lieder begrüßten. Sein Herzenskarl war mit unter den Sängern. Derselbe legte in einen: innigen Gebet auf den Knieen den neuen Pastor, sein Amt und seine Gemeinde dem HErrn der Heerschaaren an das Herz. Darauf wurde der Friedensgruß der neuen Gemeinde an ihren Seelsorger gesungen, worauf dieser mit freudigbewegtem Herzen sich als ein ganz untüchtiges Werkzeug dem HErrn darstellte, damit dieser es tüchtig machen wolle. Nach etlichen Schlußversen ermahnte der theure Mann alle Anwesenden und sich selbst, daß sie mit ihrem ganzen Leben den HErrn preisen möchten, der sie mit seinem kostbaren theuren Versöhnerblut erkauft und zi: Erben des ewigen Lebens berufen habe. Ties bewegt schieden die Feiernden aus dem böhmischen Pfarrhause Wilhelmstraße 29. Nicht oft dürfte ein Pastor wohl solche Vorfeier zu seinem Amtsantritt gehabt haben. Sie war unserm Knak ein Angeld darauf, daß, wenn er viel in Wusterwitz zurückgelassen hatte, er in Berlin Viel, vielleicht Mehr dafür wieder finden würde.

Am folgenden Tage als am 24. Febr., Morgens 10 Uhr, begann die Feier der Einführung. Die Kirche war bis auf den letzten Mnkel so gefüllt, daß Hunderte zu ihrem tiefsten Schmerz, wieder umkehren mußten. Rührend war das aus tiefem Herzen gesprochene "Gott vergelts Ihnen" einer ganz alten Frau, welcher-Straube den Eingang durch die Sakristei noch ermöglichte. Die-Gemeinde sang mit einem Brausen aus einer höhern Welt ihr: "Allein Gott in der Höh sei Ehr", ein auserwählter Sängerchor -

verschönte die Liturgie durch eingelegte Festgesänge. Dann sang die Gemeinde: Komm heiliger Geist, Herre Gott, und unter dem dritten Verse geleitete der Superintendent Kober den neuen Pastor vor den Altar; ihm zur Seite standen als Assistenten der Pastor Kunze und Gustavs Herzenskarl. Nachdem auf Grund von ICor. 3,11—16 der Superintendent den Neueinzuführenden ermahnt, gehoben, gewarnt und gestützt hatte, legte er ihm die Frage vor, ob er mit Gottes Hülfe als ein treuer Hirte diese seine ihm jetzt überwiesene Heerde zu weiden gedächte. Er gelobte dies mit den Worten: "Ja, so wahr mir Gott helfe, durch Jesum Christum!" und wurde darauf seiner Gemeinde vorgestellt als ihr neuer Hirte, und sie ermahnt, ihm auf Grund von Hebr. 13,17- zu gehorchen und zu folgen. Die drei Einführenden legten dem Pastor mit einem Segenswunsche die Hand auf, und geleiteten ihn dann in die Sakristei, woselbst sie ihn bald allein ließen, damit er sich zu seiner Antrittspredigt in der Stille vor dem HErrn sammeln könne. Die Gemeinde sang inzwischen das Passionslied: "Der am Kreuz ist meine Liebe, meine Lieb ist Jesus Christ" — ein Lied, dessen Inhalt wenige Menschen so an sich erfahren und durchlebt haben, wie Knak.

Als Text hatte derselbe ICor. 2,1—5 erwählt, das Be-kenntniß des Apostels Paulus zu der Thorheit des Kreuzes Christi. Zur Einleitung hatte er Hes. 12,3 genommen: "Darum du Menschenkind, nimm dein Wandergeräthe und ziehe am lichten Tage davon vor ihren Augen! Von einem Ort sollst du ziehen an einen andern Ort vor ihren Augen!" Er hob seine Bibel empor: "Dies," rief er, "ist mein Wandergeräth, das habe ich genommen, und bin ausgezogen von meinem mir unvergeßlichen Wusterwitz hieher zu dir, liebe Bethlehemsgemeinde. Aber wie komme ich zu dir? — Nicht mit hohen Worten oder hoher Weisheit. Ach nein, das ist Seine Sache nicht, auch nicht meine. Sollte ich hohe Worte zu euch reden, könnte ich nicht euer Prediger sein.

Ich komme zu euch, um euch zu verkündigen die göttliche Predigt, ja nicht Menschenwort und Menschenweisheit, sondern Gottes Wort und Weisheit zu eurer Seligkeit. Und welches ist nun der Kern und Stern dieser göttlichen Predigt? V. 2: "Ich hielt mich nicht dafür, daß ich etwas wüßte unter euch ohne allein


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Jesum Christum, den Gekreuzigten." Ja, m. L. das ist der Hauptpunkt unsers Wissens und Predigend. Dahin müssen alle Predigten zielen. Wirkt die Predigt den Glauben an Jesum Christum den Gekreuzigten in euren Herzen, dann hat sie das gewirkt, was euch selig macht in Zeit und Ewigkeit. Meine Aufgabe ist also, da doch in keinem Andern Heil ist, als in Ihn:, euch das Kreuz dieses treuen Heilandes recht vor die Augen zu malen, das Wort vom Kreuz euch zu bezeugen bei jeder Gelegenheit, damit ihr euren einigen Seligmacher immer besser kennen lernt.

Wenn nun Jemand aber mich fragt, wie mir denn eigentlich bei meiner Arbeit zu Muthe sei, so ist das ausgesprochen vom Apostel Paulus V. 3: "Und ich war bei euch mit Schwachheit und mit Furcht und mit großem Zittern." Wenn das der heilige Apostel Paulus voll sich bekannte, o wie viel mehr muß es ein so armer Nachfolger desselben, wie ich bin! Ja, ich muß es euch ebenfalls bekennen, daß ich mich bei keiner Predigt elender und ärmer fühle, als bei der Predigt von Jesu Christo, dem Gekreuzigten; denn die Sache übersteigt ja all' unser Denken, Seine Liebe ist zu unergründlich tief, so daß meine sehr schwachen Worte immer nur ein ganz klein wenig davon andeuten können. Der HErr aber wolle gnädig dazu Helsen, daß auch ich mit Paulus sprechen könne: "Und mein Wort und meine Predigt war nicht in vernünftigen Reden menschlicher Weisheit, sondern in Beweisung des Geistes und der Kraft, auf daß euer Glaube bestehe nicht auf Menschen Weisheit, sondern auf Gottes Kraft."

Er wandte sich zuletzt an den Kirchenvorstand und die drei vor dem Altar sitzenden Amtsbrüder und wußte jedem ein Segenswort des Dankes und der Liebe und Ermahnung zu sagen. Zum Schluß der Predigt strömte sein volles Herz über in heißes Bitten uild Flehen zu dem König und Hohenpriester Seiner Christenheit, worauf die ganze Gemeinde wie aus einem Munde sang: "Die wir uns allhier beisammen finden, Schlagen unsre Hände ein, Uns auf Deine Marter zu verbinden, Dir auf ewig treu zu sein. Und zum Zeichen, daß dies Lobgetöne Deinem Herzen angenehm und schöne, Sage Amen und zugleich Friede, Friede sei mit euch!" — O es war spürbar, daß der HErr Seinen Frieden über die in Seinem Namen versammelte große Christenschaar ausgoß.

Knak. L Aufl.        16

Auch die kirchlichen Anzeigen, die der Predigt folgten und ß bei denen sonst die Gemeinde von dem Eindruck der Predigt ans-zuruhen pflegt, wurden an diesem Segenssonntag noch Veranlassung ^ zu einer besonderen Feier. Die Bethlehemsgemeinde hatte, wie schon oben bemerkt, ihren neuen Seelsorger mit einem Friedensgruß bewillkommt. So wie von seiner alten Gemeinde der Dichter mit einem Gedicht entlassen war, so wurde er von seiner neuen Gemeinde mit einem Gedicht empfangen. Und wie dort die Gemeinde aus das Abschiedsgedicht des Pastors im Liede geantwortet hatte, so antwortete nun der neue Pastor im Liede auf den Liedesgruß der neuen Gemeinde. Beide Gedichte haben wir in den "Zeugnissen" mitgetheilt Nr. XII und XIII. Damals waren sie zum ersten mal gemeinsam abgedrnckt und mit ihnen zugleich das-Lied, welches 113 Jahre zuvor zur Einweihung der neuerbau lew Bethlehemskirche am Sonntag Jubilate 1737 gesungen worden ^ war. An dieses Lied nun erinnerte der Pastor die Gemeinde, und« machte die alte böhmische Gemeinde von 1737 zur mitfeiernden,, ß indem er die beiden letzten Verse jenes alten Liedes zu singen bat. I Der letzte derselben lautet: "Er segne dieses Bethlehem zu vieler-Seelen Leben, Damit es wie Jerusalem kann Seelen-Manna geben:. Ja vieler Herzen Krippelein Nehm' Er als Seine Wohnung ein Zum Preise Seiner Gnade!" — Diesen Segenswunsch sangen die-Vorfahren im höheren Chore mit zur Einführung des neuen Pastors. Er ist erfüllt in Kraft!

Nachdem darauf der Pastor sein Herz in einem innigen Dank--gebet ausgeschüttet, und mit der Gemeinde für den alten Gottesmann Goßner, der da krank lag, zu inniger Fürbitte sich verbunden hatte, segnete er die Gemeinde. Diese sang: "Nun, hierzu sage Amen, Verkläre Deinen Namen In einer jeden Seel: Verschließe sie aufs Beste In Deiner Wunden Veste, Gekreuzigter Immanuel!" — Reich gesegnet gingen die Gemeindeglieder in ihr Haus, der Pastorin fein Gebetskämmerlein — und dann frisch ans Werk!

39.

Ein neuer Wirkungskreis.

Die Vertauschung des stillen Friedensortes einer hinterpom-merschen Landpfarre mit der Hauptstadt des Landes, die damals nicht blos ein Mittelpunkt der sogenannten Intelligenz, sondern auch des wirklichen christlichen Lebens von Deutschland war, versetzte unseren Knak in eine ganz neue Welt von Beziehungen, Umgebungen, Anschauungen, und stellte ihn vor neue, große Aufgaben. Freilich so leicht fand er sich nicht hinein, sein liebes stilles Landleben entbehren zu müssen. "Dann und wann die Mauern der Stadt zu verlassen, ist mir sehr nothwendig," schrieb er an seinen Karl. Mit seinen lieben Freunden in Wusterwitz blieb er in beständigem Verkehr durch Gebet und Briefe. Dieselben konnten es auch gar nicht dulden, daß ihr geliebter Pastor in Berlin mit seinen 400 Thalern Gehalt sollte darben müssen, schickten also in den ersten Jahren, bis der HErr die nöthige Hülfe von einer andern Seite her sandte, reichlich Lebensmittel. Einmal erhielt er zwanzig Gänse in einem Jahre zugeschickt, und keine, die wie manche Zehnt-Gänse den magern Kühen Pharaos glichen. Ab und zu machte sich auch ein Wusterwitzer, den die Sehnsucht trieb, oder den Geschäfte nöthigten, auf den Weg nach Berlin, nnd da gab es dann viel Segen im Gespräch und Gebet und manche Thräne beim Abschied. Manches Missionsfest brachte den gesuchten Festredner auch hinüber nach seinem Zarben, Wusterwitz, Pflugrade, Neu-Mecklenburg, Blankenfelde re. zum fröhlichen Wiedersehen. Die alten Vereinsconferenzen in Naugard wurden besucht, neue kamen hinzu in Gnadau und Angermünde, wohin gleich im ersten Jahre Knak mit Göschel, Bachmann, Schulz, Graf Schlippenbach, Karbe, Mühlmann, Salin und anderen Freunden sich begab, um eine Petition um Vertretung der lutherischen Kirche in den Consistorien entwerfen zu helfen. Mit den übrigen confessionellfesten Brüdern berieth er damals die nöthigen Schütte, um das kirchliche Recht der Gemeinden gegen die aus dem willkürlichen Vorgehen fanatischer Unionsfreunde drohenden Gefährdungen zu sichern, und reichte zu diesem Zweck seinerseits

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im December 1853 in Gemeinschaft mit seinen Kirchenvorstehern eine Vorstellung bei der Kirchenbehörde ein.

Aber dies Alles waren ja doch nur die Nebenarbeiten. Seine Hauptkraft richtete Knak auf die Seelenpflege seiner Gemeinde in spezieller Seelsorge, Besuche an Krankenbetten, bei Familienfeiern, Begräbnissen und in Trauerhäusern, sowie auf die Pflege mit Wort j und Sakrament, und freundliche Zwiegespräche mit denen, die vielfach das gesegnete Pfarrhaus der böhmischen Kirche aufsuchten. Tie Andachtsstunden in dem Betsaal des letzteren faßten oft nicht ^ die Menge der Besucher. Dieselben füllten nicht blos den letzten Winkel des Saales und seinen Eingang, sondern auch Flur und ^ Treppe, ja draußen standen sie noch auf dem Hofe, um nur irgend ein Wort noch mit heimnehmen zu können. Hier konnte Knak in ^ altgewohnten Wegen einhergehen; von dem "Bibellesezettel" seines Karl bestellte er gleich in der ersten Woche 500 Exemplare. In der dicht mit Zuhörern gefüllten Bethlehemskirche sah man damals neben Handwerkern und Tagelöhnern ordenbesternte Herren, Minister, Präsidenten, Generäle, Grafen und Herren, nicht selten auch Glieder der königlichen Familie. Die hervorragendsten Männer suchten Knaks näheren Umgang und Freundschaft. Wir nennen hier nur Graf Stollberg, die beiden v. Gerlach, v. Senfft. Büchsel, Kleist - Retzow , Hengstenberg, Minister v. Raumer, Laneizolle, j Göschel, — zu denen Allen er in eine mehr oder weniger enge persönliche Beziehung trat. Er aber bewegte sich in allen hohen und höchsten Kreisen mit derselben Einfachheit und Unbefangenheit, wie einst unter seinen Wusterwitzer Bauern. Für ihn gab es keinen Maßstab zur Beurtheilung des Werths einer Verbindung als den, ob der Betreffende ein bekehrter Christ war oder ein Ungläubiger, ob er ihm dienen konnte oder nicht — was sonst für Titel, Ehre und Würden ihm auhafteten, das blieb stets in der nöthigen bescheidenen Entfernung, und den Freunden in Pommern, wenn sie einmal in der Wilhelmsstraße ihr stets offenes Quartier nahmen, wehte aus dem Pfarrhause des gefeierten Berliner Kanzelredners die- H selbe Lust entgegen, wie aus dem armen pommerschen Pfarrhause in Wusterwitz. Besondere Freude hatte Knak am Verkehr mit dem Minister von Raumer, der sein persönliches Beichtkind und ihm durch seine Demuth und seine Bescheidenheit sehr theuer und werth geworden war.

Das große Ansehen, welches Knak in seiner ganzen Umgebung genoß, gab ihm Muth und Freudigkeit dazu, daß er in Gemeinschaft mit fünf andern Geistlichen am 29. März 1851 dem Könige persönlich die Bitte vortrageu konnte, daß er doch nicht durch Wiedergestattung der öffentlichen Häuser die öffentliche Sittlichkeit gefährdet werden lassen möchte.

Eine ganz besonders liebliche Scene, die er seinem Herzenskarl ausführlich schildert, möge uns ein Beweis sein, in wie nahen Verhältnissen Knak in jenen Jahren zu den höchsten und allerhöchsten Herrschaften stand.

Am 5. Mai 1857 bereitete die kranke Prinzessin Louise ihre Abreise nach Bad Voll vor. Knak, der so manches Mal sie in ihrer Kraukheitsnoth besucht und im Gebet gestärkt hatte, fühlte sich anl Morgen des Tages der Abreise innerlich tief bewegt, und dieser seiner innern Stimmung entsproß das nachfolgende Gedicht:

Du ziehst von Deinen Lieben fort An einen fernen, fremden Ort,

Zu suchen Ruh' und Frieden dort.

O möchte Dir Dein Ziel gelingen!

O möchten Deine Fesseln springen Und Du hindurch zur Freiheit dringen!

Doch soll es in Erfüllung gehn Und Du zum Leben auferstehn,

So mußt Du nur auf Jesum sehn.

Den Deine Sünd' ans Kreuz geschlagen, Der Gottes Zorn für Dich getragen,

Nur Er kann stillen Deine Klagen. ^

O ruf Ihn unablässig an

Den mitleidsvollen Schmerzensmann,

Der Dich vom Tod erretten kann.

Er merkt auf Deines Herzens Sehnen,

Ihn rührt Dein Seufzen, Ach und Stöhnen, Er zählt all Deine Kummerthränen.

Verzweifle nicht an Seiner Macht,

Er hilft oft, ehe wir's gedacht,

Und führt ans Licht uns aus der Nacht.

Halt' an mit ernstem Flehn und Ringen,

Such' Ihm ans Mutterherz zu dringen,

Und Ihn im Glauben zu bezwingen.

Wie wirst Du dann so selig sein,

Wenn endlich nach der langen Pein Dir lacht der Gnadensonne Schein!

Wenn alle Wolken uns verschwunden,

Und Du, geheilt durch Jesu Wunden,

Den ew'gen Friedensport gefunden!

Nachdem er diese Verse zu Papier gebracht, fehlte ihm nur sein Herzenskarl, der sie in Töne setzen könnte, denn die Zeit, sie ihm zu schicken, war nicht vorhanden. Da kam ihm zu rechter Zeit Vr. Wendel, der diesen Dienst leistete. Und so gingen die Beiden noch Abends 8sts Uhr hinaus zur Prinzessin, die bereits Alles zur Abreise bereitet hatte. Die Beiden wurden trotzdem gern vorgelassen, die Prinzessin las das Lied, Wendel sang cs zum Fortepiano. Da flössen reichliche Thränen; endlich fielen Alle auf die Kniee, um die theure Kranke dem HErrn im Gebet zu befehlen. Zum Schluß sangen sie: Zieht in Frieden eure Pfade. Dann gingen die Beiden mit einander. Der Wagen fuhr vor, und die Prinzessin fuhr zum Anhalter Bahnhof. Schon am folgenden Tage erhielt Knak von ihr ein warmes Dankschreiben, begleitet von einem prächtigen silbernen Kelch mit der Inschrift: Louise 1851.

Dergleichen konnte unfern Gustav erquicken, daß er sich freute wie ein Kind. Der Kelch freilich mußte sicherlich bald genug die Wanderschaft antreten; seine Freunde haben davon nicht viel zu wissen und zu sehen bekommen, dergleichen gehörte OKrisio in paup6ribu8. Und der hat seinen einfältigen Knecht dafür in Gnaden bewahrt, daß er über solche irdische Gnadenerweisungen dennoch lernte, nicht zu trachten nach hohen Dingen, sondern sich herunter zu halten zu den Niedrigen. — Hierzu bekam er gleich in seinem ersten Amtsjahre noch eine besondere Aufforderung von ganz unerwarteter Seite her, — die aber für seine spätere Lebens-thätigküt von tiefer, einschneidender Bedeutung wurde.

Im Jahre 1850 machte der Chinesen-Apostel vr. Gützlaff seine wunderbaren Reisen durch Deutschland, um in einer fast unausführbaren Reihe von Predigten das große finstere China den Misssonsfreunden aus Herz zu legen. Er pflegte sich überall an die Frauen besonders zn wenden, sie zu einer Couferenz ein-Zuladen und sie für die Stiftung eines Frauen-Missions-Vereins zu erwärmen. Eine solche Versammlung edler Damen fand am 2. Juni 1850 auch im Hause des Geh.-Raths v. Rohr statt. Es waren nicht viele erschienen; und die erschienen waren, brachten keineswegs ungetheilte Geneigtheit dem neuen Unternehmen entgegen, da bereits ein Frauen-Missionsverein für die Bildung des weiblichen Geschlechts im Morgenland bestand. Gützlaff hielt es daher für augezeigt, noch eine zweite Versammlung zu berufen, in der er den Gegenstand noch näher auseinander setzen wollte. Diese Versammlung fand am 5. Juni in dem Betsaale des böhmischen Pfarrhauses statt. Jetzt fand er mehr Zustimmung, das erstgebildete Comitö wurde verstärkt, und der Königin Elisabeth die nnterthänige Bitte vorgelegt, das Protektorat über den neugebildeten Verein zn übernehmen, was dieselbe auch durch ein huldvolles Schreiben vom 4. Juli allcrgnädigst bewilligte. Schon am 21. Oktober desselben Jahres wurde die Missionarin Nenmanu im Missionshausbetsaale durch Knak zu ihrer Reife nach China eingesegnet. Derselben konnte bei der gänzlichen Unbekanutschaft mit den Verhältnissen von China eine bestimmte Instruktion nicht mitgegebeu werden, nur im Allgemeinen wurde ihr die Aufgabe gestellt, unter den chinesischen Frauen eine Missionsthätigkeit zu suchen und dabei Mutterstelle zu vertreten an den armen Chinesen-Mägdlein, die von ihren unmenschlichen Müttern dem Tode preisgegeben wurden. Schüchtern wurde die Bemerkung hinzugefügt: "Ja, möchte es möglich sein, Rettungs-Häuser für diese armen unglücklichen Minder dort zu gründen!" Dies war der Anfang der späterhin so gesegneten Wirksamkeit des Findelhauses Zu Hongkong. Knak schrieb am Weihnachtsfest 1850 einen ernsten Brief an alle seine lieben Amtsbrüder, die er von den Missionsfesten her in großer Zahl kannte, und bat um Theilnahme durch Gebet und Gaben. Unter dem Protektorat ihrer Majestät der Königin führte Mathilde Knak den Vorsitz in dem Frauenverein

dessen Pflege von jetzt ab Knaks köstlichste Heiden-Missionsarbeit war. Das Jahr war noch nicht verflossen, als die Frau Missionarin Neumann bereits die Aufnahme der ersten zehn armen chinesischen Findelkinder berichten konnte. — Wie dieses Werk sich unter dem Segen des HErrn herrlich entfaltet hat bis auf den heutigen Tag. das werden wir später darlegen. Hier haben wir zunächst einer anderen höchst wichtigen Arbeit zu gedenken, zir welcher der HErr seinen Knecht berief.

40.

Knak auf General-Kirchenvisitationen.

Zu den mancherlei Versuchen, welche der in Gott ruhende König Friedrich Wilhelm IV. machte, um der verloren gegangenen Gottesfurcht die Wege zur Rückkehr in unser deutsches Volk bahnen zu helfen, gehörte auch die Wiederbelebung des alten gesegneten Instituts der allgemeinen General-Kirchen- und Schul-Visitationen. Commissionen von Geistlichen und Laien, der Generalsuperintendent an der Spitze, durchzogen eine ganze Ephorie und besuchten Kirche für Kirche, Schule für Schule, hielten überall Ansprachen und Besprechungen mit Pastoren und Gemeinden» und ließen die Anregung zu ernsterer Vertiefung in den Christenberuf zurück. Von diesen Visitationen ist seit den ersten fünfziger Jahren ein großer Segen ausgegangen, und sehr zu beklagen, daß in unfern Tagen für Venusdurchgänge mehr Gell vorhanden ist, als für die Bereitung der Wege des Adventskönigs.

Eine der ersten dieser General-Kirchenvisitationen (vielleicht die erste), fand in der Templiner Synode statt. Knak war natürlich Mitglied der Commission. Sein Andenken steht seit jenem Jahr (1852), wie einer der dortigen Pastoren schreibt, in gesegneter Erinnerung; namentlich datirt einer seiner Schullehrer seine Erweckung von einer Predigt Knaks.

Im Spätherbst desselben Jahres machte Knak die General-Visitation im Nimptsch-Frankeusteiner Kreise mit. und predigte unter andern in Nimptsch, Dirsdorf, Nosenbach und Frankenstein und hielt zum Schluß die Beichtrede in Jordausmühl. Seine Dirsdorfer Predigt vom großen Abendmahl war eine gewaltige Elias-Weckstinune.        Eine vornehme Dame, welche als zwölf-

jähriges Kind diesem Gottesdienst beiwohnte, schreibt jetzt nach 28 Jahren, nie werde sie den Eindruck, den sie damals empfangen habe, vergessen: "Es drang wie ein Schrei durch die Kirche, ein Schluchzen und Weinen, das wohl Keiner, der es erlebt, je vergessen kann. Alls hiesigein Dorf war die Frau eines schlimmen Demokraten und notorischen Säufers in der Kirche. Sie erzählte dann ihrem Manne die Predigt; dieser kehrte von Stund an um, und ist vor wenigen Jahren — nach menschlicher Beurtheilung selig heimgegangen." Dieselbe Dame hat später noch manchen Segen aus dem Verkehr mit Knak empfangen. Durch das Lesen seiner Lebensbeschreibung wurden ihr die Eindrücke jener Predigt wieder: wach, und gestalteten sich zn folgendem Liede:

"Du bist mein!" das war das Siegel,

Was er an der Stirne trug.

Seiner Seele wuchsen Flügel,

Auf nach Zion ging sein Flug.

Seine Augen sah'n alleine Seinen Jesum und sonst Nichts,— Darum strahlen sie im Scheine Himmlischen Verklärungslichts.

Engelhand den Mund ihm rührte Mit der Kohle vom Altar,

Drum die Rede, die er führte, Wie ein heil'ges Feuer war.

Heil'ges Feuer, — anzuzünden Buße, wahres Sündenleid,

Angefacht von Gottes Winden,

Von dem Thron der Herrlichkeit.

Ach wie rief er, laut und dringend,

"Kommt, denn Alles ist bereit" —

Heiß um jede Seele ringend,

Kommt, ach kommt! — noch ist es Zeit! —

Heil'ge Hände hob zum Beten Auf er, Zorns und Zweifels frei,

Kindlich vor den HErrn zu treten,

Stets im Herzen heil'ge Reu'. —

Heil'ge Scham und heil'ge Liebe,

Sündenschmerz und Jubelion,

Preisend stets mit heißem Triebe Seinen Heiland, Gottes Sohn.—

Ja, so ist er uns begegnet Hier auf unsrem Pilgerpfad; —

Und er hat auch uns gesegnet,

Ist mit uns dem HErrn genaht.

O das waren sel'ge Stunden,

Unvergeßlich — gnadenreich —

Und jetzt hat er überwunden,

Leuchtet einer Sonne gleich. —

Seinen Jesum darf er sehen,

Denn er zog in Salem ein;

Darf im Paradiese gehen, —

Ja, ihm wird wie träumend sein.

Am Nachmittag desselben Tages (4. November) predigte Knak in Rosenbach über Marc. 6, 34. Der damalige Pastor Fichtner in Rosenbach (jetzt Superintendent in Neusalz) schreibt über diese Predigt: "Dieselbe war für alle Zuhörer so mächtig ergreifend, daß ich ihre Wirkung in den Herzen der Gemeinde noch lange deutlich wahrnehmen konnte, und der festen Überzeugung bin, sie wirkt noch heute in Vielen von denen, die sie einst hörten und heute noch leben, fort. Es war dies Zeugniß insbesondere auch für mich, der ich erst wenige Monate vorher als junger und noch sehr der Anregung und Kräftigung bedürftiger Geistlicher in das Pfarramt zu Rosenbach eingetreten war, Eine wichtige Mitgabe für mein ganzes Amtsleben, für welche ich meinem lieben HErrn und dem theuren Bruder stets dankbar gewesen bin und bis zum Schluß meines Lebens dankbar bleiben werde. Der HErr wolle ihn droben noch dafür segnen."

Einer der Mit-Visitatoren aber, der damalige Pastor von Deutmannsdorf, jetzige Schulrath Spieker, berichtet über diese Visitation: "So viel steht fest, daß Knak's ganze Persönlichkeit damals gewaltig, ich möchte sagen erschütternd wirkte, und daß ein unaussprechlich reicher Segen von seinen Zeugnissen ausgegangen ist. Ich selbst habe ihn bei jener Gelegenheit erst kennen gelernt; aber mein tägliches und stündliches Zusammensein mit ihm zwei Wochen hindurch hat einen so gewaltigen Eindruck auf mich gemacht, daß ich als ein völlig Anderer von der Visitation wieder zurückkehrte, wie mir das auch von den Gliedern meiner Familie und meiner Gemeinde vielfach gesagt wurde. Ich kenne keine zweite Persönlichkeit in meinen: Leben, die so tiefe Eindrücke aus mein inneres Leben.hervorgebracht und in mir zurückgelassen hätte. Seitdem bin ich ja sechsundzwanzig Jahre älter geworden und beurtheile Manches mit größerer Ruhe; aber dankbar werde ich dem seligen Knak ewig bleiben."

Schon einige Wochen vorher war Knak in dem reich gesegneten Hause des Kammerherrn Graf Egloffsteiu in Schwusen bei Glogau gastlich eingekehrt. Er war so glücklich, die zweite Frau des Herrn Grafen, Agnes, geb. Freist: von Korff aus Schön-bruch, diese Hochbegnadigte Magd des HErrn, in der Höhe ihres Lebensglücks noch persönlich kennen zu lernen. Er schreibt unter den: 11. Oktober 1852 an seinen Karl aus Schwusen: "Die liebe Agnes ist unbeschreiblich froh und grüßt auch Dich von Herzensgründe. O welch einen HErrn haben wir doch! Wer kann die Länge und Breite, die Tiefe und die Höhe Seiner Liebe ermessen!" Im Mai des folgenden Jahres freilich schreibt er einen andern Brief an den edlen Grafen: "Mit tiefer Wehmuth meines Herzens gehe ich daran, einige Zeilen an Sie zu richten und Ihnen zu sagen, daß mich nicht leicht eine Nachricht so erschüttert hat, als die Kunde von dem Heimgange Ihrer theuren Frau Gemahlin. Ich sinke mit Ihnen nieder vor dem Throne des wunderbaren Königs der Ehren und rufe aus: Fürwahr, du bist ein verborgener Gott. Lu Gott Israels, unser Heiland!" Am 23. Mai hatte die theure

Frühvollendete ihren kurzen aber so reich gesegneten Lebenslauf' beschlossen. Von dieser Zeit aber war Knak einer der geschätztesten: und geliebtesten Hausfreunde des Egloffstein'schen Hauses, auch im Berlin, und hat in demselben reichen Segen empfangen und zurückgelassen für Viele.

Seit diesen Reisen nach Schlesien waren die Fäden für-Knak wiederum nach einer neuen Provinz hin geknüpft, und überströmend von Dank sind die Berichte von den Missiousfesten aus Schlesien, namentlich den Gegenden von Glogau und von Nimptsch-Frankenstein, die Knak im Laufe der folgenden Jahre-besucht hat. Er schreibt an seinen Karl im September 1855: "Auf meiner Reise nach Schlesien hat der HErr mich Elenden -reichlich gesegnet und auf Adlersflügeln hin- und zurückgetragen,, die Pflanzen, die Seine Gnade vor drei Jahren durch die Geueral-visitation dort gepflanzt hat, wachsen und gedeihe:: gar lieblich zum Preise des HErrn, ich aber muß mich herzlich schämen und freue mich nur, daß ich einen Heiland habe, der von: Kripplein bis zum Grabe, bis zum Thron, da man Ihn ehret, mir, dem: Sünder zugehöret."

Bereits im folgenden Jahre 1853 sehen wir unser:: Knak! berufen, auf der General-Visitation in Elbing mitzuwirken, neben Volkening, Sartorius» Consistorialrath Weiß, Regieruugs- und Schulrath Starke, Superintendent Egger, Consistorialrath Hohen-' feld und Sieffert. Er faßte den ihm gewordenen Auftrag sehr ernst auf. An seinen Freund Sauberzweig (s. Kap. 47) schreibt er: "Mit Furcht und Zittern gehe ich dorthin — dem: es ist eine Wüste, in die wir kommen, in Elbing kein einziger gläubiger Prediger — aber des Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist. Darum bitte und beschwöre ich Euch: Gedenkt mein! — Jeden Morgen um 6 Uhr habe ich mit meiner Gemeinde verabredet, das Antlitz des HErrn gemeinsam mit ihr zu suchen. O schließt Euch an! Bitte! Bitte! Dann ziehe ich im Aufblick auf' den allmächtigen JEsus mit Freuden meine Straße, und der HErr s wird Sein Würmlein nicht zu Schanden werden lassen." Ihm s durchdrang eine Ahnung, daß Ströme des lebendigen Wassers aus-diesem Gotteswerke hervorquellen würden, deshalb befahl er sW auch dringend der Fürbitte seines Karl:

"O hilf beten, daß ein Feuer angezündet werde, daß die Todtengebeine zum Leben kommen; hilf beten, daß unsere Posaunen einen guten Klang geben; daß der HErr seine Pfeile schärfe, daß sie Mark und Bein durchdringen und der Sünder Herz bezwingen. Wir hatten gestern die letzte Betstunde in der Kirche und wollen uns womöglich alle Morgen um sechs Uhr vor dem Gnadenthron vereinigen im Gebet und Flehen.

Mein Karl wird gewiß dicht neben seinen: armen Gustav im Geiste knieen und ihm Feuer in's Herz hineinbeten und Salbung auf die Lippen. O Karl und Bertha! Ihr seid ja Beide so von Herzen Eins in dem HErrn, bitte, bitte, legt doch dem HErrn Sein Wort Matth. 18 zu Füßen und werdet Eins in dem Flehen um Ausgießung Seines Geistes über uns arme Würmlein. Dann werden wir und Ihr die Herrlichkeit Gottes sehen; ja thut dem Himmelreich Gewalt für die armen Blinden in Elbing und bringt die armen Taubstummen zn dem HErrn, daß Er sein Hephata spreche. Lieb wäre es mir, Herzenskarl, wenn Du mir zum Sonntag nach Elbing hin etwa zweihundert Bibellesezettel schicktest — schicke doch auch an Mathildchen etwa hundert. Von meinen Konfirmanden wollen gern noch eine Anzahl etliche haben."

Auf der Reise nach Elbing kehrte er auch in dem reich gesegneten Rappard'schen Hause in Pinne im Posenschen ein. welches für einen weiten Umkreis ein Leuchtthurm und ein Feuer-heerd bereits seit Jahren geworden war. Wir bedauern herzlich, daß wir nicht auch anderen durch eingehende Schilderung dieses Segensortes ein wenig von dem Segen mittheilen können, der von demselben ausgegangen ist. Aber das Leben Knaks ist nicht von hervorragender Bedeutung für diesen Ort gewesen. Zwar hatte er den Herrn v. Rappard bereits als Candidat in Berlin bei S. Elsner kennen gelernt, auch hatte der reich begnadigte Pastor Böttcher in Pinne auf Missionsfesten in Wusterwitz und an anderen Orten vielfach mitgewirkt, allein diese beiden Lebenskreise waren doch zu sehr von einander geschieden, als daß eine Hereinziehung des Pinner Lebensbaumes in die Lebensbeschreibung Knaks gerechtfertigt erschiene. Wir begnügen uns daher, hier mitzutheilen, daß Knak am Abend seiner Ankunft in Pinne eine Erbauungsstunde über die Worte: "Meine Lieben, wir sind nun

Gottes Kinder!" gehalten und mit einem tief ergreifenden Gebet: beschlossen hat. Am andern Morgen begab er sich mit seinem geliebten Freunde Böttcher in die Kirche, sie knieten beide vor dem Altar nieder und erflehten gegenseitig für die Person und die Gemeinde des anderen, Böttcher insonderheit für die bevorstehende General-Visitation in Elbing, den Segen des HErrn. Dann setzte Knak seine Reise fort.

Diese elf Tage (26. Juni bis 6. Juli 1853) umfassende Visitation ist eine der fruchtbarsten gewesen von allen, die gehalten worden sind. Knak hat über dieselbe zwei besondere Predigten, gehalten, die in den "Zeugnissen" abgedruckt worden sind.

Aus einem anderen Bericht entnehmen wir folgende Einzel-' heiten: "Die große Marienkirche war jedesmal, und wenn dies-möglich gewesen wäre, je länger je mehr mit Zuhörern erfüllt. Man rechnet 3000 und inehr; denn es war kein Raun: in dem. Schiff und in den Emporen, der nicht in Anspruch genommen: wäre, und Andacht, Stille und Weihe ruhte auf der Versammlung allzumal und bis zum letzten Augenblick." Ein Abendgottesdienst: aus jener Visitation wird den Elbingern unvergeßlich bleiben, so lange noch einer von den Tausenden leben wird, die ihn mitgefeiert haben. Hören wir Knaks eigenen Bericht, den er an. Straube noch von der Reise aus sandte:

häufiger durch die Versammlung. Seht, fuhr ich dann fort, wie der HErr^ bei Euch anklopft, hört, wie ernst und freundlich Er zu Euch redet! Hab! Ihr Euch schon von Ihm finden lassen und könnt Ihr getrost vor Seinen Richterstuhl treten, wenn Er Euch jetzt von hier abriefe, wenn Sein Blitz Euch schlüge?

Es war Nacht in der Kirche, der HErr ging durch Elbing — ein. Orkan brauste unter beständigem Blitzen und Donnern durch die Lust, der Regen strömte gleich einem Wolkenbruch herab. Da entstand auf einmal lautes Schluchzen, Zittern, ängstliches, immer lauter werdendes Flüstern»

—        eine ganze Anzahl Frauen sank auf die Kniee — ich mußte schweigen

—        der Herr Zebaoth redete; aber ich blieb auf meinem Posten und seufzte: zu dem HErrn, der Sein Wort durch mitfolgende Zeichen bekräftigen wollte-Die ängstliche Pause währte etwa eine Viertel Stunde — hinaus gingen, nur Wenige, die nicht fern von den Eingängen standen — die Uebrigen waren zu fest eingeschlossen. Es hätte schauerlich werden können, wenn es-irgendwo eingeschlagen hätte, und die Feuerglocke geläutet worden wäre.. Doch der HErr war bei uns, mein Herz war getrost. Auf einmal begann. Consistorialrath Weiß in das ängstliche Schluchzen hinein den Vers zu singen: Ach bleib mit Deiner Gnade. — Die Orgel fiel alsbald ein, und. nachdem drei Verse gesungen waren, schwieg die Orgel — und ich konnte fortfahren mit der Predigt unter der gespanntesten Theilnahme und tiefsten Bewegung, und die circa 30(X) Seelen bitten und beschwören an Christi Statt, ihr Ohr nicht gegen tue Stimme Gottes, der sie heute durch Seinen Ernst und Seine Gnade zur Buße leiten wollte, zu verstocken, sondern im Hinblick auf das Weltgericht, an welchem Alle vor dem Herrn Jesu erscheinen müssen, Ihm ihre Herzen zu schenken. Unter abnehmender Finsterniß und allmähligem Aufhören des Gewitters konnte ich zuletzt mit Loben, Danken, Beten schließen und dem Herrn Jesu die ganze Stadt zu Füßen legen, vom Oberbürgermeister bis zum ärmsten Tagelöhner. Groß war die Bewegung — unvergeßlich wird Vielen diese Stunde bleiben. Der Segen wurde ertheilt, der Schlußvers gesungen — die Sonne leuchtete freundlich durch die hohen Kirchenfenster. O hilf beten, theuerstes Herz» daß dem HErrn in Elbing Kinder geboren werden, wie der Thau aus der Morgenröthe."

Aus diesem Bericht Knaks ist die große Gefahr nicht einmal ersichtlich, in der die ganze Gemeinde gestanden hatte. Es hatte während des Gewitters mit einem Mal einen gewaltigen Krach gegeben, die Fenster klirrten und Alles war in die ängstlichste Erregung gerathen. Viele kamen auf den Gedanken, es habe eingeschlagen, ein Angstschrei ging durch die Versammlung: die Menschenmenge gerieth in Bewegung und es hätte in dem Gedränge Entsetzliches geschehen können, wenn der HErr die Gebete seiner?

Der HErr ist mit uns gewesen vom ersten Tage an; — vorigen. Sonntag Abend hielt ich über Ezech. 33,11 den ersten Abendgottesdienst», der schon sehr besucht war, in der Marienkirche ; am Montag Abend predigte Volkening vor gedrängter Versammlung; Dienstag predigte er über-die Gerichtsreife unserer Zeit vor noch größerer Zuhörerzahl, und gestern. Abend, als ich über Zachäus den Abendgottesdienst hielt, war die Kirche so gefüllt, daß alle Gänge besetzt waren und kein Apfel zur Erde konnte-Während meiner Predigt zog ein Gewitter herauf, der Himmel wurde: immer dunkler, ich konnte zuletzt nur mit Mühe die Worte des Textes-lesen. Blitze zuckten durch die dunkle Kirche, Donner rollten. Ich war gerade bei den süßen Worten des HErrn: Zachäe, steig eilend hernieder», denn ich muß heute in deinem Hause einkehren, und wandte dieselben auf alle die Seelen an, die wie Zachäus zerschlagenen Herzens wären und-gnadenhungrig sich nach dem Herrn Jesu sehnten. Ich fragte hinein in die Tausende, wie es mit ihnen stände, ob sie schon im Gefühl ihres Sündenelends die Hände nach dem Heiland ausgestreckt hätten, und wie: Zachäus des Friedens theilhastig worden wären. Die Blitze zuckten immer:


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Knechte nicht gehört, und dem bewegten Meere Ruhe geboten hätte. Als man die Kirche verließ, ging der Fuß über die zertrümmerten Dachziegel und Fensterscheiben; in der Nähe der Kirche war ein Giebel eingestürzt, rings um die Stadt wareu entsetzliche Verheerungen. Der HErr aber hatte Seine Knechte bewahrt und Sein Volk. Gustav aber schrieb an seinen Karl nach beendigter Arbeit am 8. Juli von Stettin aus einen Brief voll Löbens und Dankeus:

"Lobe den HErrn mit mir im tiefsten Staube, wie Du mit mir Seinen herrlichen Namen angerufen und mich auf den Händen getreuer Fürbitte getragen hast. Er hat über Bitten und Verstehen an mir Elenden -gethan und wir singen mit Woltersdorf: "Ich schäme mich mit Freuden!" Die Hütte ist zwar ziemlich angegriffen, aber das schadet nichts — der Dienst unseres Immanuel ist gar zu köstlich und Sein Joch so sanft und leicht. Du wirst wahrscheinlich sehr bald durch den Prediger Nohde in Elbing um lausend Bibellesezettel gebeten werden.

Daß der HErr die angezündeten Funken, die Er durch mich ausgestreut, schüren wolle, daß Sein Feuer in Elbing lichterloh anfange zu brennen, Seinem herrlichen Namen zum Ruhme und Preise! Bitte, bitte, laß uns fortfahren mit Bitten und Flehen im Geist und mit Danksagung! — Er ist wahrhaftig auf dem Plan und die Zeit ist wiederum da, daß des Menschen Sohn verklärt werde. Er hat einen Hunger und Durst nach Seinem Worte ausgegossen, der erstaunlich ist."

Es waren noch nicht acht Tage seit der Elbinger Visitation vergangen, als bereits eine reife Frucht derselben eingeheimst werden konnte. Am 4. Juli hatte Knak die Abendpredigt über Luc. 8,4—15 -svom Sämann) gehalten und dabei, um die Weise, wie der Samen ausgenommen wird, speziell zu zeichnen, die Geschichte von der Bekehrung eines Säusers durch eine Predigt in der Bethlehemskirche erzählt. Hier in Elbing befand sich unter den Zuhörern auch ein solcher unglücklicher Branntweinsknecht, sonst ein arbeitsamer, wirth-schastlicher, ja kirchlicher Mann; aber machtlos gegen die Versuchungen des Branntweins. Dieser ging nach gehörter Predigt still und in sich gekehrt nach Hause und gab dort die bestimmte Erklärung ab, von nun an wolle er ein anderes Leben führen und das Teufels-Zeug, den Branntwein, nicht mehr trinken. Darauf blieb er still für sich, ging dann mit Seufzen zu Bett und brachte die Nacht in reichlichen Thränen schlaflos zu. Er fühlte alsbald einen Fieberfrost, der seinen Leib schüttelte; er ermahnte die Seinigen, er selbst

fand vollen Frieden und Vergebung der Sünden, wiederholt gedachte er des in der Predigt empfangenen Segens und also ist er am dritten Tage selig heimgegangen. Ein Schlagfluß hatte seinem Leben ein plötzliches Ende gesetzt.

41.

Ein satanisches Bubenstück.

Knak war kaum von der gesegneten Elbinger Visitation zurück, M er von der Höhe, die ihn Gott hatte ersteigen lassen, in die tiefsten Tiefen gezerrt wurde, in den Schmutz und Koth der Gassen. Zuerst flüsterten sich die Leute es heimlich ins Ohr; dann hieß es: Wahr muß es doch sein, denn der Aktuarius will's ja beschwören, er war ja mit dem Pastor R. hier und beider Aussagen stimmen völlig überein. Dann zischten die Leute auf der Straße hinter Knak her und spieen vor ihm aus und überhäuften ihn mit den fürchterlichsten Schmähungen und Verwünschungen. Die Sache war sonnenklar erwiesen. "Der Vormund des betreffenden Kindes hatte ja selbst aus Knaks Hand die Beschwichtigungsgelder erhalten; und ein Prediger wird doch nicht gegen den andern ohne Grund dergleichen aussagen; ja, hätte er gelogen, so wäre er seines Amts verlustig. Die Sache muß wahr sein!" — Knak war der Spott der Leute geworden, man zeigte mit Fingern auf ihn.

Was war geschehen?

Dem Pastor Knak war die unentgeltliche Benutzung der an die Predigerwohnung anstoßenden Wittwenwohnung des böhmischen Pfarrhauses bewilligt worden. Der Regen war durch das schadhafte Dach gedrungen, Knak bat sich also von dem zweiten Prediger R., der in demselben Hause wohnte und den Schlüssel zu dem Boden oberhalb der Wittwenwohnung in Händen hatte, denselben aus. Der Unglückliche, meinend, ihm solle der Gebrauch des Bodens entzogen werden, weigert sich; aber in seinem Aerger und Verdruß geht er weiter. Schon früher hatte er wiederholt Jntriguen gegen Goßner

Knak. L Aufl.        17

eingefädelt, um denselben zu verdrängen und selbst in die Hauptstelle einzurücken; jetzt faßte er einen ähnlichen, aber aus der Hölle geborenen Plan, Knak zu stürzen. Anstatt den Schlüssel auszuliefern, schreibt er ihm unter dem 19. Juli 1853, er fordere jetzt Knaks Mitwirkung zu einer Kirchen- und Gemeinde-Restauration. Denn, so schließt er, ein von Ihnen begangenes Aergerniß, worüber ich nur unter vier Augen mit Ihnen sprechen kann, wäre ganz geeignet, daß der HErr uns zürne und sein armes Würmlein Jakob gar zertrete. Was besagt Hoheit und Würde vor Menschen bei unserer Sündigkeit und jämmerlichen Blöße! Mit der vollkommensten Hochachtung zeichnet        N. N.

Sieger oder Märtyrer!

Knak befürchtete, der arme Mann habe irgend eine Geistesstörung erlitten; er beschloß daher, lieber die Sache unberührt zu lassen, und die Benutzung des Bodenraums über der Prediger-wittwenwohnung einstweilen aufzugeben. Wie erstaunte er aber.) als er bereits am folgenden Tage einen Besuch erhielt von einer Wittwe Sch., die in Begleitung ihrer Tochter erschien, unter sichtlichem Widerstreben Mittheilung machte über einen Besuch, deu sie gestern von gedachtem Prediger R. erhalten habe. Derselbe habe ihr unter dem Schein warmer Theilnahme für sie und für Knak mitgetheilt, die Sache sei ja doch bereits publik, der Vormund des außerehelichen Kindes ihrer Tochter habe ja bereitsalles bekannt gemacht, derselbe habe ja in Raten von 100, 50 und-25 Thalern die betreffende Entschädigungssumme direkt aus der Hand des Pastor Knak empfangen. Letzteren dürfe man aber doch, nicht gerade ins Unglück bringen, er sei so ein frommer Mann, der den ganzen Tag bete. Er habe deshalb auch im Sinne, dir ganze Sache zu verdecken. Ihm könne sie sich vertrauen, er sei. Knaks guter Bruder und habe die Sache schon einmal todt gemacht, und wolle das auch jetzt wieder thun. Darauf sei, so fuhr die Wittwe fort, der Mann sortgegangen mit dem Versprechen, ihr bald neue Nachricht zu bringen. Schon vor einem halben Jahre, fügte sie hinzu, sei ein ihr ganz unbekannter Mann bei ihr gewesen und habe Aehnliches über Knak geäußert; derselbe sei aber bald-mit Zittern davon gegangen. Sie sei auch zu dem Kr., dem be--zeichneten Vormunde des Endes gegangen, derselbe aber habe ihr mit Erstaunen geantwortet, er wisse von Nichts.

Knak erwog, was er zu thun habe; kam aber auch jetzt wieder zu dem Entschlüsse, diese schauerliche, an Wahnsinn grenzende Ver-läumdung des unglücklichen Feindes aus sich beruhen zu lassen, und die Sache dem HErrn anheimzustellen.

Aber kaum waren abermals 24 Stunden vergangen, da kam Herr Schubert, Kirchenvorsteher der böhmisch-lutherischen Gemeinde zu ihm, um zu berichten, daß er Abends zuvor um zehn Uhr einen Besuch von dem Pastor R. empfangen habe, der ihm dieselbe Geschichte als unumstößliche Wahrheit erzählt habe mit dem Bemerken: "Jetzt hat Gott der HErr den Pastor Knak in meine Hände gegeben." Schubert, der seinen Ohren nicht trauen wollte, begab sich am andern Morgen noch einmal in R.'s Wohnung, um ihn zu fragen, ob er bei seiner Aussage verharre. Derselbe bejahte dies nicht nur, sondern auch der gerade bei ihm weilende Kr., der sogenannte Vormund, bestätigte seine Aussagen mit der Versicherung, er habe persönlich die betreffenden Gelder aus Knak's Hand in Empfang genommen. Am Abend desselben Tages kam nun auch noch der zweite Kirchenvorsteher Kropatschek, zu berichten, daß auch ihm von Seiten R.'s dieselben Eröffnungen gemacht seien. Er tröstete den schwer Verläumdeten mit der Versicherung, N. habe bereits gegen Goßner intriguirt und ihm bei der Gelegenheit gesagt: Verbreiten Sie nur die Gerüchte, sie mögen wahr sein oder nicht.

Unter solchen Umständen war längeres Schweigen unmöglich. .Knak berichtete also unter dem 25. Juli direkt an das Königliche Konsistorium und beantragte um der so schwer angegriffenen Amtsehre willen die schleunigste Untersuchung, welche auch sofort einge-leitet wurde.

Während der sünfwöchentlichen Dauer der Untersuchung wurde von den Verläumdern nichts unversucht gelassen, um der Verläum-dung in den Augen der Masse Glaubwürdigkeit zu verschaffen. Außer dem angeblichen Vormund Kr., einem Winkelconsulenten. ließ sich noch ein Aktuarius St. herbei, in Begleitung mit R. die Gemeinde, namentlich in Rixdorf, zu durchziehen und unter Bezeichnung der Folio-Nummer der Vormundschastsakten, in welchen alle Verhandlungen schwarz auf weiß nachgelesen werden könnten, die

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Richtigkeit der Anschuldigungen zu bekräftigen. Das genügte natürlich vollständig, um in den Augen der großen Masse die Sache als bewiesen erscheinen zu lassen; die wenigen Nüchternen und Wohlgesinnten konnten nicht aufkommen. Knak wurde in seinem eigenen Hause mit Schmähbriefen verfolgt. Es war eine furchtbare Zeit, in welcher es galt, Geduld und Glauben der Heiligen zu bewähren.

Inzwischen nahm die von Seiten des Consistorii angestrengte Untersuchung einen sonderbaren Verlauf. Der vorgeladene Kr. erbot sich, alle seine Behauptungen eidlich zu erhärten, wiederholte die Angabe vom Aktenfascikel und Journal-Nummer in dem Re-positorium der Vormundschaftsakten, und fügte hinzu, die betreffende Person habe später geheirathet und wohne nebst ihrem Manne Namens N. N. jetzt in Wrietzen. Es wurde amtlich nachgefragt.. Die Journal-Nummer ergab, daß die betreffende Sache nicht vor-. gekommen sei, aus Wrietzen berichtete die Ortsobrigkeit, ein Mann mit dem angegebenen Namen wohne dort nicht, habe dort auch nie gewohnt. Von Neuem vorgefordert, entschuldigte sich Kr. mit, Gedächtnißschwäche, und gab einen andern Namen und eine andere Journalnummer an. Das ganze Repositorium der Vormundschaftsakten wird durchsucht, kein Aktenstück der bezeichnten Art aufgesunden, auch der neue angegebene Name ist in Wrietzen durchaus fremd. Alle betreffenden Zeugen werden vernommen und der End-entscheid des Consistorii dem Pastor Knak unter dem 2. Sept. mit-getheilt» daß das Consistorium die Ueberzeugung gewonnen habe, die ganze Beschuldigung beruhe auf einer Verläumdung, und daß das Consistorium die weitere Verfolgung der Verläumder der Königlichen Staatsanwaltschaft übergeben habe. Hengstenberg trat in der Evangelischen Kirchenzeitung mit dem Aufsatz: "Kain erhob sich wider seinen Bruder Habel" für Knak warm in die Schranken.

des HErrn willen muß man sich freuen und sich danach sehnen, daß die Lügen, womit halb Berlin erfüllt ist, ausgedeckt werden."

Auch das Consistorium hatte gegen den Pastor R. die Disci-plinaruntersuchung mit Anklage aus Amtsentsetzung eingeleitet. R. wurde für schuldig befunden und wirklich seines Amtes entsetzt. Bald darauf (13. März 1854) starb er eines plötzlichen jähen Todes. Er hatte früher öfters geäußert, man würde ihn nur als Leiche aus dem Hause bringen. Jetzt erfüllte sich dies Wort auf furchtbare Weise. Der Urtheilsspruch des Gerichtshofes über Kr. und St. ließ länger auf sich warten. Endlich erfolgte die mündliche Verhandlung bei verschlossenen Thüren am Sonnabend vor dem 17. Mai auf dem Kriminalgericht. Sämmtliche Zeugen waren zugegen. Der unglückliche Kr. war auf die Vorladung nicht erschienen. Gegen ihn und St., seinen Genossen, wurden sechzehn Zeugen vernommen, unter ihnen die Mutter des unglücklichen Kr., die gegen den eigenen Sohn unter vielen Thränen Zeugniß ablegte. Der Staatsanwalt beantragte acht Wochen Gefängnißstrafe für Kr. und vier Wochen für St. Der Gerichtshof erkannte auf ein Vierteljahr Gefängniß für Kr. Der Präsident des Gerichtshofes gab hierauf das Resums und brachte in demselben zur Kenntnis;, daß bereits einige Zeit vor dem Termin Kr. ein Schriftstück eiugereicht habe, worin er alle seine gegen Knak gethanen Anssagen zurückuimmt, als Lügen, zu denen er durch R. bestochen worden sei.

Gustav schrieb unmittelbar darnach den ganzen Verlauf seinem Karl, und bemerkte dazu: "Der getreue Heiland schenkte mir großen Frieden während der Verhandlungen und des Zeugenverhörs, dem ich beiwohnte, und ich bin unaussprechlich froh, daß nun Alles hinter mir liegt, ausgenommen den reichen Segen, den mir diese Trübsal gebracht hat, und von dem ich hoffe, er werde noch viel friedfame Früchte der Gerechtigkeit nach sich ziehen." An Sauberzweig schrieb er: "Dank Euch für Eure getreue Fürbitte, Ihr lieben treuen Herzen, die mich getragen und so erquickt hat, daß ich das Herbe in der betrübenden Angelegenheit fast gar nicht geschmeckt habe. Als ich auf dem Criminalgericht stand, und beinahe zwei Stunden warten mußte, ehe die Sitzung ihren Anfang nahm, dachte ich viel an meinen gekreuzigten Heiland, der einst verfpeit und mit Fäusten geschlagen als der Allerverachtetste vor dem weltlichen Ge-

richt stand für mich, für mich — und mein Herz wurde mit großem Frieden erfüllt. Ich nahm mein neues Testament heraus, und schlug es auf, und traf beim ersten Aufschlagen Psalm 7. — O leset ihn durch, und betet mit mir an den gnädigen und barmherzigen HErrn, dem allein aller Ruhm gebühret und alle Ehre in Ewigkeit!"

Aber was antwortete Knak, nachdem seine Unschuld durch Gott und Menschen erwiesen war, einem befreundeten Prediger? Derselbe war gekommen, ihn zu beglückwünschen darüber, daß der HErr ihm geholfen habe wider seine Feinde. — Ja, da hätte mancher wohl mit eingestimmt in Jubel und Dank. Knak aber sprach mit ernsthafter Stimme und Geberde: "Schweig ganz still, mein Freund! Wir sind Alle ein ehebrecherisches Geschlecht!" — So sehr war unter allem Dankgefühl für die Aufdeckung der Ver-läumdungen doch in ihm das Bewußtsein lebendig, daß es Gnade und nichts als unverdiente Gnade sei, wenn er von einer That bewahrt geblieben war, zu welcher die Wurzeln vermöge der Erbsünde in seinem Herzen so gut, wie in dem jedes anderen Sterblichen schlummerten.

Der liebe Leser aber möge mir verzeihen, wenn ich diese entsetzliche Begebenheit offen und klar mitgetheilt habe. Ich denke mir, ähnliche Bubenstreiche werden auch noch andere treue Gottesknechte in den kommenden Jahren zu erfahren haben. Dann möge Jedermann sich wohl hüten, vor der Zeit zu richten, auch da, wo offenbare Beweise vorgebracht werden. Satan ist jetzt sehr zornig und hat bereits Schlimmeres vorbereitet.

Für unseren Knak aber war das Fegefeuer der Schmähungen, durch welches er unschuldig gehen mußte, eine treffliche Vorbereitung auf das viel intensivere Schmachtreiben, das er ein halbes Lebensalter später um des HErrn willen zu erdulden hatte. Gottes Pädagogik wird von Menschenaugen immer erst hinterher erkannt, geht aber weit über alle Menschengedanken und Menschenwege.

42.

Ein gesegnetes Pfarrhaus.

Der Landpastor, der aus der Provinz nach Berlin kam Md in das Pfarrhaus Wilhelmstraße 29 eintrat, sei es, um dort zu wohnen, sei es, um dort nur einige Stunden zu weilen, sah sich plötzlich wie in eine andere Welt versetzt. Es war kein Pfarrhaus wie in der Provinz, aber auch kein Pfarrhaus wie in der Hauptstadt. Die ganze Umgebung edel, einfach, sauber, gemüthlich, der Hauch, der das Ganze durchdrang, ein seelenvoller, ich möchte fast sagen, heiliger — und das Alles doch ohne jegliche überspannte oder anfgetriebene oder aufgetragene Geistlichkeit, alles so natürlich, so innig, so herzlich. Man fühlte sich wie in einem Friedenshafen. Einer derjenigen Hausfreunde, die ihre Herberge in der Wilhelmstraße zu finden pflegten, schreibt nach Knaks Tode: "Berlin ist für mich eine andere Stadt geworden, seit ich meine fast dreißigjährige Herberge bei Knak verloren habe."

Das gerade war Knaks Eigenthümlichkeit, daß die Höhenpunkte des geistlichen und christlichen Lebens, die mancher andere ehrliche Christ entweder nur zeitweilig erklimmt oder, wenn er sie erklommen hat, mit dem Bewußtsein genießt, "du bist nun einmal auf der Höhe," ihm zur Natur und zu dem gewohnten Wege geworden waren. So lebte er auch in Betreff der äußeren Sorgen durchaus nach dem Worte: Trachtet am ersten nach dem Reiche Gottes und seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches alles Zufällen. Wirklich wahr ist es, was einer seiner Freunde schrieb: "Keine irdische Sorge konnte ihn bewegen. Er lebte in Wahrheit, was das Irdische betrifft, wie die Lilien auf dem Felde, wie die Vögel unter dem Himmel!" Für jeden Dritten mußte es ein unlösbares Räthsel bleiben, wie Knak in Berlin bei einem Gehalt von zuerst 400, dann 600 Thalern, das sich mit der Zeit auf etwa 800 steigern mochte, nicht blos sorgenfrei leben, sondern auch eine allezeit offene Hand haben, und wie er dabei zwei Söhne studiren lassen und die Hochzeit zweier Töchter ausrichten konnte. Die Armen kannten das Haus in der Wilhelmstraße ganz vor-

Während die Staatsanwaltschaft zögerte und die verläumde-rischen Gerüchte sich immer tiefer in die Herzen der Massen hineinfraßen, mußte noch am 2. März 1854 Mathilde an Karl schreiben: "Schmach geht über uns; aber der HErr tröstet uns." "Wir haben Euch manches zu erzählen von den großartigen Teufelslügen von R. und seinen Genossen. Noch ist er im Hause und geht frei umher; aber dennoch liegen seine Lügen schon aufgedeckt da. Uns gebührt nichts, als Schmach und Schande; doch um des Namens

trefflich. Wenn sein geliebtes "Mütterlein" ihn manchmal bat» nicht so viel wegzugeben, dann antwortete Knak mit unbeschreiblicher Freundlichkeit: "Mütterlein, so lange ich etwas habe, muß ich auch den Armen geben." Bis zu seinem Tode mußten daher die Genügen auf seine Hemden ganz besonders achten und sie einschließen: er gab sie immer weg, wenn er darum gebeten wurde» und zwar meistens gerade die besten, denn schlechte, sagte er» können ja den Leuten nichts helfen. Einmal, etwa sechs Jahre vor seinem Tode, schrieb er an seine verheirathete Tochter in Dün-now und bat, schleunigst eirr Paar Beinkleider von ihrem Schneider für ihn machen zu lassen, weil er die seinigen habe wcggebew müssen, und er in Verlegenheit kommen könnte, wenn ihm mit den letzten, die er behalten hatte, etwas passirte. Wurde er dann zur Vorsicht gemahnt, daß doch seine Gaben nicht vielleicht an Unwürdige verschwendet würden, so antwortete er wohl: "Gottes Wort ermahnt uns an vielen Stellen zum Geben, nirgends aber zur Vorsicht im Geben; ich kann auch nicht Jedem in's Herz sehen» j der mich bittet, so muß es wohl so gefährlich nicht sein, wenn einmal meine Gabe gemißbraucht wird." Der Herausgeber erachtet nun zwar diese Weise, die Pflicht des Gebens auszuüben, ber aller Anerkennung und Bewunderung der umfassenden warmen Liebe, die ihr zu Grunde Liegt, doch nicht für richtig. Die Schrift j mahnt nicht blos zur Vorsicht im Geben, sondern verbietet sogar "im Namen des HErrn," den muthwilligen Bettlern zu geben» nach der Regel: "Wer nicht arbeitet, der soll nicht essen." Dies Verbot würde 2Thess. 3, 6 nicht so dringend scharf ausgesprochen worden sein, wenn der heilige Geist nicht gewußt hätte» daß durch unterschiedloses Geben sehr großer Schade angerichtet werden kann. Aber bei Knak beruhte diese unterschiedslose Wohl-thätigkeit einmal auf der Weitherzigkeit seiner Liebe und zürn andern darauf, daß ihm die Gabe der Prüfung der Geister in Bezug: auf Personen nicht in hervorragendem Maße zu Theil geworden war. Er glaubte ziemlich harmlos, was ihm gesagt wurde, und-war dabei so glücklich, es nicht jedes Mal zu erfahren, wo er betrogen worden war.

Das Wort: "Herberget gern!" ist wohl kaum in einem andern Hause von Berlin in der Ausdehnung geübt worden, wie bei

Knak. An einem der Kirchentage hatte er siebzehn Pastoren bei . sich zum Logirbesuch, einmal vierzig Personen als Nachtgäste im Laufe eines Vierteljahrs. Man muß bedenken, was dazu in Berlin gehört. Es war ja allerdings immer alles sehr einfach im Hause; aber wie oft konnte man Gastfreunde rühmeil hören: Hier kann man sich in Berlin doch einmal satt essen, hier gibt es doch einmal ein ordentlich Stück Brod und Fleisch. Freilich, wenn er dann mit den Seinen allein war, behalf er sich zeitweise doch auch etwas kümmerlich.

Der Sohn eines seiner Freunde kam als Student nach Berlin. Da der Vater unbemittelt war, lud ihn Knak sofort ein, so lange bei ihm zu essen, bis er Freitische anderweitig gefunden haben würde. Und so theilte Knak gern mit dem Jüngling seine sparsame Mahlzeit, obschon derselbe, dankbar für die empfangene Liebe doch bisweilen, die Bedeutung und Stellung Knaks in der Kirche denkend, bei sich selbst sprach: "Dieser berühmte und vielgeliebte Mann hat zum ganzen Mittagbrod nichts als Kartoffeln und Schinken!"

Die Kehrseite von dieser allzeit offenen Hand des treuen Knechtes war daun aber die allzeit offene Hand des HErrn gegen seinen lieben Knecht. So lange die Stelle nur 400 Thaler betrug, kamen zeitweise fast alle Tage Kisten mit Lebensmitteln. Dankbare Freunde, namentlich von den Orten her, wo Knak auf Mis-sionsfesteu reichen Segen hinterlassen hatte, sandten hier einen Laib Brod, dort eine Gans, dort einen Mispel Kartoffeln, dort einen Nehbraten, dort einen Schinken. Gewöhnlich kam solche Sendung an, wenn die leergewordene Speisekammer doch die Hausmutter etwas besorgt machen wollte. "Siehst du, Mathild-chen," pflegte Knak dann mit freudestrahlendem Blick zu sagen», "siehst du, der HErr sorgt für uns!" — Später wurden die Sendungen von Außen sparsamer, aber dann eröffnete der HErr andere Hülfsquellen. Und die Probe auf die Rechnung, welche Knaks Wirthschaftssystem regierte, war, daß den zurückgebliebenen: Kindern weder nach dem Tode der Mutter, noch nach dem Tode des Vaters eine einzige unbezahlte Rechnung präsentirt wurde. — Denn beide Eltern pflegten alles, was sie kauften, baar zu bezahlen, und wußten ebensowenig von Vermögen-Sammeln, als.

von Schuldenmachen. Die Gewissenhaftigkeit Knaks im Wieder- z bezahlen des Geborgten ging bis in's Kleinste. Einmal, als er > die Droschke mit einem Herrn Kammergerichtsrath getheilt hatte, « und kein kleines Geld bei sich hatte, sandte er demselben am fol- ! genden Tage seinen Beitrag, begleitet von dem auf einer Blumen- I karte zierlich geschriebenen Bibelverse: "Seid Niemand nichts schuldig, j denn daß ihr euch untereinander liebet!"        I

Sehr gern sah Knak auch ebenso seine Freunde zu geselliger i Vereinigung in seinem Hause um sich. Das waren liebliche Er- I quickungsstunden für ihn sowohl, als für seine Gäste. Bei diesen ! Abenden liebte er die Musik sehr; seine beiden Söhne sowohl, als 1 die Töchter sangen und spielten, und gern sah er es, wenn ! die Freunde auch ihren Theil beitrugen. Als einmal einer der Z Freunde mit seiner Marie eins der schönen Mendelssohn'schen Duette j gesungen hatte und ihn fragte, wie ihm die Musik gefallen habe, j antwortete er: "Die Musik ist sehr schön; aber ich weiß nicht, i warum immer so viel von Liebe darin die Rede sein muß." Als I der Freund ihm entgegnete: "Aber ist es dir nicht auch köstlich z gewesen, deine Frau lieb zu haben und von ihr geliebt zu wer- I den?", antwortete er schnell mit glücklichem Lächeln: "Ja, wenn von Frau die Rede ist, habe ich nichts dagegen!" — "Aber von § Ler Braut?!" — "Ja freilich, daran habe ich noch nicht gedacht," z und somit war er ausgesöhnt mit den Duetten. Er liebte sonst s nur geistliche Musik und besuchte gern geistliche Concerte. Bei ! den geselligen Abenden aber wußte er immer auch für geistliche Speise zu sorgen. Gewöhnlich holte er diesen oder jenen herbei, von dem er wußte, daß er sonderliches aus seinem Leben und geistlichen Erfahrungen mittheilen könne. Doch durfte derselbe auch ja nicht zu lang erzählen, damit der freien Unterhaltung die Zeit verbleibe, die ihr nach seinem feinen Takte gebührte. Er selbst aber wußte überall, wo er zu Gesellschaften eingeladen wurde, mit einer unvergleichlichen Unbefangenheit sehr bald das Gespräch auf Geistliches zu wenden. Er erzählte dann mit wunderbarer Anziehungskraft aus seinem Leben, oder er holte mit kindlicher Naivität ein schönes Gedicht vor, welches er in ergreifender Weise vorlas,— oder einen Brief, auch wohl einen Passus aus einer Predigt. Den Studenten und Candidaten, die er an gewissen

Abenden um sich in seinem Hause versammelte, hat er in aller Liebe unvergeßliche Samenkörner, mitunter auch Spieße und Nägel in's Herz geworfen.

Die Seele des ganzen Hauses war, obgleich unbemerkt und unerkannt, seine Mathilde, die von Vielen falsch beurtheilte. Dieselbe war, obgleich innerlich zartweiblich besaitet, doch von einer gewissen harten Rinde umgeben, konnte sehr scharf und hart urthei-len, und wo sie unangenehm berührt wurde, sich auch — mit einer fast scheiten Verlegenheit — in sich selbst zurückziehen. Ihren innersten Herzenskern ließ sie nur vor Wenigen offenbar werden. Sie hatte nicht den innerlich-leichten fröhlichen Sinn ihres geliebten Gustav; sie trug an den eigenen Sünden sehr schwer und kämpfte viel, obgleich sie ihres Gnadenstandes allzeit gewiß war. Ein Gebetslebeu führte sie im steten Umgänge mit dem HErrn, wie wellige. Sie wußte, wie arm sie selbst und wie reich der HErr war. Ihre ganze Lebensaufgabe erkannte sie darin, dem geliebten Gustav eine treue Gehülfin zu sein. Im Aeußerlichen wußte sie alles so zusammenzuhalten, durch Sparsamkeit und ordentliche Ausnutzung und Vertheilung das geringe Vorhandene zu .mehren, und wo Mangel eintreten wollte, vor ihrem Gustav denselben so zu verbergen, daß dieser nie etwas davon erfuhr. Auch das geringste Steiulein suchte sie ihm aus dem Wege zu räumen. Sie that ihm Liebes und kein Leides sein Lebenlang. So ging sie still und unscheinbar ihren Weg, und wenige ahnten, welch köstlich tiefer Schatz unter der scheinbar rauhen Hülle verborgen lag.

In sinniger zarter Weise wußte sie ihrem Gustav besonders oie Familienfeste auszuschmücken. Als am 12. Juli 1858 an Gustavs Geburtstage diesem vom HErrn ein besonderes Geburtstagsgeschenk in der Person eines Schwiegersohnes, des Pastors Preuß in Carnitz, gemacht worden war, trat die eigentliche Geburtstagsfeier für den Vater an dem Tage etwas in den Hintergrund. Auf einmal kommt Mathilde fröhlich herbei, nimmt den geliebten Gustav am Arm, führt ihn in das Nebenzimmer und zeigt ihm eine lange gedeckte Tafel mit seinen Geburtstagsgeschenken und einem Zettel: "Geben ist seliger, denn Nehmen!" Da fand denn der beglückte Vater eine Menge von Geschenken; aber kaum eins» das er für sich behalten konnte. Da konnte er nun selbst Spender sein, und es war lieblich anzusehen, wie er nun Alles vertheilte unter seine lieben Kinder daheim und auch die fernen inr China. Dazu pflegte er mit lieblichem Lächelu einen liebgewor--denen Spruch zu sagen: "Vater heißen, Kinder haben, das erfordert Gaben!" Also pflegte die liebe Hausehre ihrem Gustav seinen: Geburtstag sinnig auszuschmücken, jedesmal in anderer Weise. Obschon Mathilde des Hauses Mutter war, im vollen Sinne des-Worts, die das ganze Hauswesen auf betendem Herzen trug und mit: mütterlicher Sorgfalt pflegte, so hatte sie doch für alle Interessen:, des Reiches Gottes, insonderheit, so weit sie in den Wirkungskreis ihres Mannes hineinragten, ein warmes Herz und eine-offene, ja auch zur Mitarbeit stets bereite Hand. Eine große und -hingebende Thätigkeit entfaltete sie im Dienst der sieben Goßner.'schen: Kleinkinderschulen; insonderheit aber war ihr das geliebte Bethesda». das Findlinghaus in Hongkong wie ein Augapfel. An den armem chinesischen Waisenkindlein übte sie wirklich Mutterpflicht und ver--zehrte sich für sie in Muttersorgen die ganzen neunzehn Jahre? hindurch, während derer sie das Amt einer Vorsteherin des chinesischen Frauenvereins bekleidete. Ihr Gustav war hierbei, so wiesle seine Gehülfin als Frau war, ihr treuer Gehülfe und Berathem und Mitvorsteher an diesem gesegneten Samariterwerk, welches», wie wir später sehen werden, je länger je mehr sein innerstes Herz, beschäftigte und erquickte.

In der Erziehung seiner Kinder war Knak ein glücklichem Vater. Zwar mußte er auch das Wort erfahren: "Kleine Kinder», kleine Sorgen! Große Kinder, große Sorgen!", mußte auch am und mit ihnen das Wort erfahren, daß der Geist weht, wo er will», und daß der natürliche Mensch nicht immer sofort von der Gnade überwunden wird, sondern oft große Kämpfe und Schmerzen verursacht, ehe er sich unter das süße Joch Christi beugt. Aber auch dies Alles vermochte den Frieden und Glauben des Vaters nicht zu stören; er kannte die Macht des Gebets und der Fürbitte, und kannte auch die Wahrheit des Worts: "Wo die Sünde mächtig, geworden ist. da ist die Gnade viel mächtiger geworden," dies ließ ihn hoffen und glauben so lange, bis er die herrliche Erfüllung seiner Gebete vor Augen sah. O wie konnte er dann innerlichfröhlich und selig sein über jeden Brief eines seiner geliebtem

Kinder, aus welchem er die Arbeit und Früchte des heiligen Geistes erkannte, und konnte nicht blos dem HErrn auf den Knieen danken, sondern auch die ihm nahe Stehenden zu Mitgenossen feiner innersten Herzensfreunde machen.

Als seine geliebte älteste Tochter Maria, seine Mirjam, oder sein Reh, wie er sie zu nennen pflegte, die Freude seiner Augen und die Lust seines Herzens. mit ihrem Manne, dem Pastor Ernst Preuß in Carnitz, später nach Dünnow verzog, hat Knak von da ab in dem Dünnower Pfarrhause seine Sommer-Erholung gesucht, und mit den lieben Kindern und Enkeln, ich möchte sagen, wieder ein Kind sein können. Sein Zweiter, sein geliebter Jonathan, machte ihm den Kummer, daß er das Studium der Theologie, zu dem er innerlich keinen Beruf in sich verspürte, zuerst mit dem der Jurisprudenz, dann mit der militärischen Laufbahn vertauschte. Vater und Mutter hätten gar zu gern gesehen, daß alle ihre Kinder im geistlichen Stande dem HErrn gedient hätten. Aber als Jonathan dann sich zu einem tüchtigen, allgemein geachteten und geliebten Offizier entwickelte, da war es der Vater in seinem Herzen auch zufrieden, und er konnte dem HErrn auch für die Führungen danken, die er mit diesem seinem geliebten Sohn gegangen war. Und als nun am Palmsonntage 1871 Jonathan, mit dem eisernen Kreuz geschmückt, aus Frankreich zurückkehrte, und auf dem Durchmarsch durch Berlin es möglich machte, den geliebten Vater (während das Hauptlied um zwei Verse verlängert gesungen wurde) wenigstens für einige Minuten in der Sacristei zu sehen, als er da sein heißgeliebtes Kind, unversehrt und unverletzt aus Feindesland zurückgekehrt, dankbar für alle treue Bewahrungen, an sein Vaterherz drücken konnte, da erlebte er mit diesem seinem lieben Sohn eine der glücklichsten Stunden seines Lebens. Gleich nach der Kirche eilte er zu einem seiner Freunde, um ihm die Freudenbotschaft mitzutheilen. Der aber antwortete ihm: "Du brauchst mir gar nichts zu erzählen, ich weiß schon Alles!" Seine Frau war nämlich in der Kirche gewesen und hatte in der Predigt alles erfahren. Das volle Vaterherz hatte es nicht lassen können, seiner lieben Bethlehemsgemeinde, die ja mit ihrem geliebten Pastor Freude und Leid zu theilen gewohnt war, gleich die frohe Botschaft mitzutheilen. Seinem alten Freund und Bruder aber, dem Superintendent Lenz aus Pommern, der um jenr Zeit gerade in Berlin war, um mir, dem Schreiber dieses Buchst in Gemeinschaft mit Schulz und Knak am 27. März zu meinem^ Geburtstag nach dem 25jährigen Amtsjubiläum, die Glückwünsche der: pommerschen Amtsbrüder zu überbringen, nahm Knak den Lorbeer-i kranz, den er für seinen eignen, ebenfalls gesund aus dem Krieges zurückgekehrten Sohn sich verschafft hatte, mit liebendem Drängen ohne? Weiteres ab, um ihn für feinen geliebter: Jonathan zu verwenden.

An feinem zweiten Sohn Johannes erlebte der Vater die.-Freude, daß er im Studium der Theologie verharrte. Er hatte? die Me Hoffnung, derselbe werde einmal in seine Fußstapfen treten, und sein Amtsnachfolger an der Bethlehemskirche werden. Er ver- : folgte dessen innere Entwicklung mit der größten Freude, und als,.^ noch während Johannes auf der Universität war, der durch wieder-i holte Krankheitsansälle fortgesetzt auf Todesgedankeu gerichtete Vater'! erwog, er könne doch vielleicht sterben, bevor derselbe in das Amt: getreten wäre, so setzte er für ihn am 27. Okt. 1863, an dessen.! einundzwanzigstem Geburtstage, mit Bleistift (auf der Reise) geschrieben, seinen letzten Willen auf, um ihn zu einem Gott wohl--! gefälligen Weinbergsarbeiter einzusegnen. Das Schriftstück lautet:

Die Güte des HErrn ist es, daß wir nicht gar aus sind, und Seine-Barmherzigkeit hat noch kein Ende.

Mein Herzenssohn Johannes!

Eben bin ich von meinen Knieen aufgestanden und habe alle meine: Lieben und auch heute sonderlich Dich vor den Thron der Gnade nieder-gelegt. Ich habe den HErrn gebeten, Dich zu einer Posaune Seiner Gnade zu machen. Was hätte ich lieber gesehen, als daß Du mit meinem theuren Jonathan zusammen den Ruhm des Schönsten unter den Menschenkindern in heiligem Wetteifer einmal verkündigtest, zumal da der treuen Arbeiter im Weinberge Gottes so wenige sind! Da dies aber der ewigen Weisheit meines Gottes nicht zu gefallen scheint und mein geliebter Jona-nathan zu dem köstlichen Amt, das die Versöhnung predigt, keine Neigung, fühlt, so kannst Du Dir wohl denken, wie sehr mich darnach verlangt, daß Du nun gleichsam mit verdoppeltem Eifer der heiligen Ideologie obliegen und Dich vom Geiste der Wahrheit zu einem geheiligten Rüstzeuges in der Hand des HErrn bereiten lassest.        '

Vergiß es nie, mein Sohn! daß Du ohne Jesum nichts vermagst? (r>3 orlAsr-!) und daß Du in Ihm bleiben mußt, wenn Du Frucht bringen.


271-285

271

willst zum ewigen Leben! oratio, lrioditatio, tootatio kaoiunt tdoo-iogurn. Das Gebet steht billig voran, weil es die Kräfte der zukünftigen Welt sich im Glauben zueignen und die selige, stärkende Glaubensluft fort und fort einathmen muß. Trachte darnach, mein Herzenskind, daß Du, wie Dein Name Dich ermahnt, Johannes dem Täufer in heiligem Ernst rechtschaffener Buße und Johannes dem Apostel in seliger Liebe zu dem Sohne Gottes ähnlich werdest. Du mußt abnehmen, wenn Christus in Dir eine Gestalt gewinnen soll; und an der für Dich durchbohrten Brust Jesu mußt Du liegen, wenn Du andere arme Sünder zu diesem himmlischen Gnadenstuhl wirksam locken willst. Halte Dich nie selbst für klug, mein Sohn! Denn unser Wissen bleibt hienieden allezeit Stückwerk und den Unmündigen ist es geoffenbaret. Ersiehe Dir das geistliche Fühlhorn, das Dich falsche Lehre (und hätte sie noch so hübschen Schein) von der Lehre des untrüglichen Wortes Gottes genau unterscheiden lehrt. Meine Schafe hören Meine Stimme, sagt der gute Hirte — eines Fremden Stimme hören sie nicht. Suche in Deinem Glauben allezeit darzureichen Bescheidenheit: Denn den Demüthigcn ist der große Gott gnädig und hold und sie sind auch den Menschen werth. Das verborgne Leben in Christo mit Gott sei Dein Hauptanliegen und daß Du in dem Examen des Erzhirten und Bischofs der Seelen bestehen mögest: "Simon Johanna, hast Du mich lieb." Dein Herz müsse immerdar sein, wo Dein Schatz ist, auch im Kreise der Commilitonen, wo man den HErrn zu verleugnen gar oft versucht wird. "Schreib es an die Stirne mir, daß ich angehöre Dir!" — Das erstehe Dir, wo Du gehst und stehst. — Stelle Dich ja nicht der Welt gleich, auch nicht der Studentenwelt, sondern wandle vor dem allmächtigen Gott, dessen Bote Du werden willst. Bitte den heiligen Geist, daß Er Dich alles lehre und Dir ein immer zarteres Gewissen schenke: Denn nur, welche der Geist Gottes treibet, die sind Gottes Kinder.

Und nun lebe wohl, mein theures Herzenskind! Küsse Deiner treuen Mutter die lieben Hände und suche ihr zu vergelten, was sie an Dir gethan und fortwährend thut. Du weißt nicht, wie lange wir noch im Thränenthal sein werden. Die Zeit ist kurz; Alles, was nicht aus Jesu fließt und Ihn nicht zum Zweck hat, ist völlig wer 1Hlos, so viel die Welt auch davon halten möge. Hebe Dir diese in zärtlichster Liebe geschriebenen Zeilen sorgfältig auf, betrachte sie gleichsam als den letzten Willen Deines der Ewigkeit zueilenden Vaters und vergiß nicht, daß auch Du hienieden keine bleibende Stätte hast.

Grüße alle Lieben, die süße einzige Mutter, den theuren Jonathan, das traute liebe Lieselchen, die geliebte Tante Lottchen, die theure Clara, auch Schadow und den lieben Stäge, Johanna nicht zu vergessen.

Friede sei mit Dir!

Dein getreuer Vater.

Sage Mütterchen, daß mir ganz wohl ist.

272

Nun, sein letzter Wille an seinen Johannes ist der Vorstehende .'Mief nicht gewesen. Der HErr hat seinem Knecht noch fünfzehn Jahre des Lebens hinzugelegt. Derselbe hat es noch erleben können, daß sein Johannes ordinirt, hernach als Schloßprediger in Kreppelhof und damach als Pastor in Zedlitz eingeführt werden konnte.

Zu der Ordination konnte der Vater nicht persönlich kommen. Er schrieb ihm also zu derselben einen väterlichen Segensbrief voller Liebe und heiliger Weisheit, welchen wir in den "Zeugnissen" mit-getheilt haben (Nr. XXII).

Im folgenden Jahre hatte er die große Freude, .es zu erleben, daß sein Johannes sich mit Elisabeth, der Tochter seines alten Freundes, des Rittergutsbesitzer Andrae, verlobte. Er hatte diese Jungfrau längst in seinem Herzen als diejenige angesehen, von der er wohl herzlich wünschte, daß sie einst seines Sohnes Lebensgefährtin sein möchte. Die beiden jungen Leute hatten einander auch seit Jahren gegenseitig ins Herz geschlossen, ohne daß eins dem anderen davon etwas sagte. Endlich war es Johannes zur inneren Gewißheit geworden; er hielt um die Hand seiner Elisabeth an, und sie selbst ertheilte, ebenso wie die beiden sehr glücklichen Mitväter, ihr Jawort. Knak schrieb damals am 26. Juni 1869 an seinen Karl: "Die gnädige Führung mit unserem Johannes, die uns als ein holdseliges Leuchten der Erquickung von dem Angesicht des HErrn und als ein Gnadenhändedruck Seiner unaussprechlichen Liebe mit Freude und Dank erfüllt." Es war dies eine der letzten Freuden von Mathilde. Dieselbe erlebte die Hochzeit des jungen Paares nicht mehr. Gustav erlebte sie und sang auch ihnen zum 26. Juli 1870 das Lied, das er einst seinem geliebten Heinrich gesungen hatte: "O ihr selgen Beide," welches sein Karl natürlich componirt hatte. Ihm selbst aber ging in dem Glück des Neuvermählten Paares ein neuer Lebensstern auf.

Nach etlichen Jahren konnte der glückliche Vater gegen seinen Johannes sein Herz ausschütten mit den Worten: "Daß ich von Euch, die die selige Mutter mir geboren, dessen gewiß sein darf, daß Ihr Sein Schmerzenslohu sein und bleiben wollt, und daß Du ein Botschafter bist an Christi Statt, und auch nichts wissen willst, als Jesum den Gekreuzigten, und daß die traute Elisabeth, die mir von ihrer frühsten Kindheit an wie an's Herz gewachsen

273

war, wirklich Dein Weib ist, und daß ich in Dünnow die süße Maria so glücklich weiß mit ihrem Manne, und mich meiner süßen Enkelkinder freuen darf — ja was soll ich zu dem Allen sagen? Danken, danken, loben, preisen, anbeten und immer wieder rufen: Hallelujah!"

Auch seine jüngste Tochter Elisabeth, die nach dem Tode der Mutter seinem Hauswesen Vorstand, und mit kindlicher Liebe und Fürsorge die unausfüllbar scheinende, von der Mutter gelassene Lücke fast ausfüttte, seine zärtlich geliebte "Haustaube" konnte Knak noch als Pfarrfrau sehen. Er konnte sie dem Prediger Hammerschmidt vor dem Altar als Gehülfin und Genossin seiner Freude und Arbeit übergeben und hatte noch eine Zeit lang die Freude, dieselben in Berlin in der Hülfspredigerstelle an St. Lucas in der Nähe zu behalten, bis Hammerschmidt nach Güstebiese und von dort nach Lipke als Pastor versetzt wurde. In das nun einsam gewordene Haus nahm Knak eine Enkelin und zu deren Erziehung und seiner eigenen Pflege eine Pflegetochter seines Mitvaters Andrae ins Haus, Frl. Nosa Langhof, von der er später wiederholt mit innigster Dankbarkeit bekannt hat, daß sie mit ihrer kindlichen Liebe und Treue ihm so lieb geworden sei, wie ein eigenes Kind.

Die Großvaterfreuden genoß Knak vornehmlich in Dünnow. Er konnte ja freilich auch noch Kinder seiner übrigen Kinder Herzen und segnen und durch die Taufe dem HErrn übergeben. Aber in Dünnow konnte er noch Jahre lang die geistliche Entwicklung seiner geliebten Enkel mit Augen schauen. Da konnte er mit innerster Herzensfreude den Kindern ein Kind werden, mit ihnen am Strande sich jagen und ihre kindlichen Spiele mitmachen, sie in ihren Studien überwachen — wobei seine Mirjam auch noch mit lateinisch lernen mußte—; er konnte ihnen vom HErrn erzählen und in die jungen Seelen unsterblichen Samen säen. "Ich habe", so schreibt er einmal von Dünnow aus, "mit den geliebten Enkelkindern, die in zärtlichster Liebe an mir hangen, heute einen Bund geschlossen, daß wir uns den ganzen Tag über von den süßen Jesus-Augen leiten lassen, und Ihm deßhalb immer nach den Augen sehen wollen. Es war mir eine Lust, zu sehen, wie freudig sie dazu bereit waren." Da hatte er seine Lust und seine Augenweide, so daß er alle Jahre innerlich erquickt und fröhlich von seiner Sommerfrische vom Ostseestrande zurückkehrte.

Knak. 2 Aufl.        18

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An seinen Karl schreibt er: "Mir ist hier sehr wohl unter den geliebten Kindern, die mich auf Händen tragen, und umgeben von den herzigen Kiudeskindern, die mir Alles, was ich wünsche, an den Augen absehen möchten."

Ein tiefer Schmerz war ihm auch hier nicht erspart. Er mußte sein heißgeliebtes Enkelkindlein Elisabeth an den Herrn Jesum abgeben für die ewigen Hütten. Dies Kind hatte seinem Herzen besonders nahe gestanden. Deßhalb entlockte ihm ihr Scheiden liebe wehmuths- und doch so trostesvolle Herzensklänge, denen er in einem lieblichen Liede Ausdruck gab, welches wir in den Zeugnissen (XXIX) mitgetheilt haben.

Wir schließen dieses Kapitel mit der Mittheilung von der Feier eines Tages, der in Knaks Herz einen warmen Sonnenstrahl, warf, des Tags seiner silbernen Hochzeit, des 10. Okt. 1859. Seiire Mathilde hatte sich etwas Besonderes ausgedacht. Diesmal sollte die Braut den Bräutigam überraschen und beschenken. Sie hatte also alle nächststehenden Freunde zum Abend eingeladen, wie er das so gerne hatte. Dann hatte sie heimlich zwei seiner Predigten nachschreiben und durch den Druck veröffentlichen lassen-Den reichen Erlös derselben hatte sie in Gestalt von blanken Silberthalern in Silber-Papiernetzen verborgen, die von einem hellstrahlenden Weihnachtsbaum als Früchte herabhingen, bestimmt zu Gaben für das geliebte Bethesda in Hongkong. Die goldene Krone an der Spitze trug auch etliche Goldstücke. Nachdem alle Gäste versammelt waren und sie gemeinsam in Gesang und Gebet und Schriftwort den HErrn gepriesen hatten, führte Mathilde ihren nichts ahnenden Gustav in die Nebenstube vor den brennendem Christbaum. Elisabeth, die Haustaube, trat hervor und sagte das-nachfolgende von Moritz Görcke verfaßte Gedicht auf:

Mein Väterchen! Wenn's mir doch heut nur glückt!

Ich bin von der Mutter abgeschickt

Und soll Dir ein Brautgeschenk von ihr bringen.

Da ist's. Ein wunderbarer Baum,

Wie man ihn je gesehen kaum,

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Die Früchte sind aber darin bedeckt.

Es hat sie die Liebe so tief versteckt,

Die mag sie nicht gleich zur Schau hier tragen.

Sie stammen von Dir, sind nicht für Dich,

Sie schmeckten andern schon süßiglich.

Ich werde Dir gleich die Lösung sagen.

Doch, Väterchen! Heut ist Hochzeitstag,

Wo doch ein Bräutigam nicht zürnen mag.

Was Mütterchen hier sich ausgesonnen,—

Ich sage, daß sie's nicht nöthig Hab',

Weil es doch manchen so innig lab', —

Das hat sie mit Zagen nur begonnen.

Sie sagte: Das macht allein mir Muth,

Daß Heiden und Christen es kommt zu gut.

Und ich sag': Väterchen wird sich freuen.

Was meine liebe Mutter thut,

Die ihm fünfundzwanzig Jahre so innig gut,

Das ist ihm lieb. Sie darf's nicht bereuen.

Ich weiß, mein Väterchen theilt gern aus.

Nimm Deine Predigten nur heraus.

Gieb Deiner Gäste jedem eine.

Die Thaler kamen dafür schon ein,

Sie sollen für China's Bekehrung sein,

Und Gott sei Ehre dafür allein.

Darnach wurden an jeden der Gäste Exemplare der Predigt zum Andenken vertheilt. Der überraschte Silberbräutigam war wie verklärt über die sinnige Liebe der geliebten Silberbraut und stand wirklich wie das Kind vor dem Christbaum.

43.

Eine gesegnete Gemeinde.

Jeder Pastor, dem der HErr ein fromm Gemahl bescheert hat, lebt in zwiefacher Ehe. Seine zweite Braut, sein zweites Weib, mit dem er in innigstem Liebesverbande eins ist, ist seine Gemeinde, die Genossin seiner Freuden, die Gehülfin seiner

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Arbeiten, die miterlöste Eklekte, von der Johannes im zweiten Briefe schreibt V. 1: "Die auserwählte Frau und ihre Kinder, die ich lieb habe in der Wahrheit."

Zur Erfüllung solcher Aufgaben und solchen Verbandes scheint nun freilich kein Ort ungeeigneter, als das große Berlin mit seinen fluktuirenden Massen, mit seinen ungeheuren ungläubigen Majoritäten, mit seinen Zerstreuungen und Genüssen. Jn-deß wie das Wort richtig ist: "Wo ein Aas ist, da sammeln sich die Adler," so ist auch das Gegentheil richtig: "Wo ein lebendiger Bekenner ist, da sammeln sich die Bekenner," und wo der Pastor wirklich ein lebendiges Centrum ist, in sich und seinem Heiland gesammelt, da sammelt sich auch ganz naturgemäß und wie von selbst um ihn eine Gemeinde. Dies ist wohl selten in so gesegneter Weise geschehen, als in der Bethlehemgemeinde zu Berlin.

Knak lebte mit seiner Gemeinde in beständigem gegenseitigen Rapport. Besonders in direkter ernster Gebetsgemeinschaft. "Wir Pastoren, schrieb er einmal, versichern uns nicht genug der Hülfs-truppen. Ich sage oft zu meiner Gemeinde: Wenn ihr etwas von mir haben wollt, müßt ihr es erbitten." Namentlich mit seinen nächsten Mitarbeitern an der Gemeinde war er im Gebet vereinigt. Während so viele Pastoren klagten, daß die Gemeindeältesten, die ihnen zur Seite gegeben werden, ihr Presbyter-Amt so auffaßten, daß sie der Pfaffenherrschsucht eine Schranke setzen müßten, konnte Knak dem HErrn danken dafür, daß nie eine Differenz zwischen ihm und seinen vielgeliebten Kirchenrathsgliedern vorgekommen ist. Er schrieb einmal: "Ich kniee stets mit meinem Gemeindekirchenrath vor jeder Sitzung nieder!" Wie eng aber die Bande der Pietät und der Liebe waren, die nicht blos den Gemeindekirchenrath, sondern auch das größere Collegium der Gemeindevertreter mit ihm verband, das bekundete sich alsbald nach seinem Tode, indem beide Collegien den Wunsch des Verstorbenen, sein Sohn Johannes möchte sein Nachfolger werden, durch einstimmige Wahl desselben erfüllten! — Und das in Berlin! der Stadt der stolzen Intelligenz!

Auf der Kanzel stand Knak nicht blos als Verkündiger des Worts, sondern, so wie er zu dessen Auslegung die seelsorgerischen

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Erfahrungen aus dem Verkehr mit seiner Gemeinde allzeit heranzog, so theilte er von seinen eigenen Erlebnissen, häuslichen sowohl, als amtlichen, und von allem, was ihm in der Entwicklung des Reiches Gottes wichtig erschien, die Hauptsachen allzeit seiner Gemeinde mit. um sie zur Mitfreude, Theilnahme und Fürbitte aufzurufen. Das band die Seelen so innig persönlich an ihn. Um keines seiner Gemeindeglieder, auch diejenigen, die nicht regelmäßig, vielleicht auch gar nicht die Gottesdienste besuchten, unaugeredet und unangeregt zu lassen, machte er nicht blos in sämmtlichen Häusern seine Hausbesuche, sondern richtete auch bei wichtigen Gelegenheiten an sie Hirtenbriefe, welche gedruckt an jeden Einzelnen gelangten. Diese Hirtenbriefe athmen so viel Liebe, mütterliche Sorge um die Seelen, heiligen Ernst, Mahnung, Belehrung und Trost, daß wir nicht umhin konnten, etliche derselben in den "Zeugnissen" mitzutheilen (XIV bis XVIII). Vielleicht wird durch sie der Segen, den sie zuerst verbreiteten, bei Manchem noch einmal aufgefrischt werden.

Tief ergreifend aber war es, wenn Knak mit seiner Gemeinde selbst das heilige Abendmahl empfing. Einer seiner Freunde, der es ihm öfters spenden durfte, schreibt darüber: "Wenn er laut in der Gemeinde seine Herzensbeichte sprach in tiefster, tiefster Demuth — traten mir die Thränen der Scham und der Beugung ins Auge; aber die ganze Gemeinde schluchzte mit mir, dem Beichtvater. Da sah man sein gebrochenes Herz; aber hinreißend war auch die Glaubenszuversicht, mit der er hinnahm das Wort: "Sei getrost, mein Sohn, dir sind deine Sünden vergeben."

Zu anderen Zeiten rief er seine Gemeinde im Allgemeinen oder bei besonderen Angelegenheiten zum Gebet auf, auch durch gedruckte Anschreiben. Ein besonderer Sonnabend-Gebetsverein hatte die hervorragend ernsten Beter seiner Gemeinde und weitere Kreise zu einem engen Gebetsbunde vereinigt.

Aehnlich wie zum Gebet, wußte er auch zu den Collekten seine Gemeinde aufzurufen. Ueber die Weise, wie er einmal eine Collekte für Jerusalem eingesammelt hat, schreibt er selbst:

"Am Sonntag vor acht Tagen sagte ich der Berliner Gemeinde, ich würde mich sehr freuen, wenn sie mir ihr Scherflein für Jerusalem ins Haus brächten und ich dann zugleich ihnen die Hand drücken und von dem

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herrlichen Heilande ein Wörtlein mit ihnen reden könnte. Zu dieser Bitte hat der HErr sich gnädig bekannt. Die lieben Herzen kamen mit großer Freude und als fröhliche Geber. Eine Dienstmagd aus Schlesien, welche vor M/2 Jahren etwa in unserer Kirche erweckt worden ist und mich schon so lange gerne einmal hatte sprechen wollen, aber aus Bangherzigkeit nicht gekommen war, freute sich so sehr, daß sie nun auch kommen durfte, daß sie mir gleich vier Thaler von ihrer Ersparnis' für Jerusalem mitbrachte.

Bis jetzt sind mir 120 Thaler gebracht worden.

Und die Zwiegespräche mit so vielen lieben Seelen haben mein Herz inniglich erquickt."

Knak begnügte sich nicht mit den amtlich Vorgeschriebenen Gottesdiensten. Außer den Sonntags-Predigten, die er in Berlin und in seinem Mal Rixdorf hielt, hielt er jeden Montag Abend eine (bereits von Jänicke und Goßner geerbte) Wiederholung der Predigt des vorhergegangenen Sonntags, die jeden ersten Montag im Monat zu einer allgemeinen Missionsstunde sich umgestaltete; jeden Donnerstag Abend um halb acht Uhr hielt er eine Bibelstunde im böhmischen Betsaal, die an jedem dritten Donnerstag zu einer Missionsstunde für Bethesda wurde; jeden Sonnabend früh sieben Uhr hatte er eine Bibel- und Betstunde im böhmischen Betsaal. Letztere ist dem auserlesenen Kreise, der an ihr sich betheiligte, bis in die letzten Lebensjahre des Heimgegangenen mit unauslöschlichem Segen im Herzen geblieben. Da gestattete er seinem vollen liebewarmen, von der Liebe Christi durchdrungenen Herzen freie Aussprache, überzuströmen ohne Schranken. In der heiligen Gebets-Wartezeit zwischen Himmelfahrt und Pfingsten wurden diese Andachten täglich gehalten. Sie troffen von Segen.

Die Predigtweise Knaks in seiner Gemeinde war einfach und doch dabei hoch besaitet und hochbeschwingt: in jedes Wort legte er sein von der Liebe Jesu durch glühtes Herz. Darum erfüllte sich auch das Wort, das einer seiner Hörer einmal sprach: "Wo Knak predigt, da schlägt es ein." Das Urtheil eines anderen: "Zu viel Liebe, das war die Stärke der Knak'schen Predigten, und auch ihre Schwäche — wenn anders das eine Schwäche sein kann," trifft doch nur theilweise zu. Knak war ja, so wie er in seinen jüngeren Jahren auch körperlich eine Johannes-

Und voller Früchte vor alHn Dingen,

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Erscheinung war, so durch und durch eine Johannesseele — aber -er konnte auch darin dem Johannes gleichen, daß er die Rede der Donnerkinder annahm, und die Buß-Axt des Johannes des Täufers den Hörern ernstlich an ihre Lebenswnrzeln legte. Dann wieder konnte sein heiliges Staunen über die Größe der Liebe Gottes und die Wunder seines Heilsraths tief in die Seele der Hörer einschneiden, und seine Freude am HErrn reizte in ihrer so ungekünstelten Weise und ihrer stets gleichen Innigkeit den Hörer zum Mitgenießen derselben. Knak konnte den einfachen Worten, Nachrichten, Bitten schon durch den Ton seiner Stimme einen besonderen, fast unwiderstehlichen Nachdruck geben — freilich zwar nur für Solche, die nicht blos für die Liebe Christi insgemein, sondern auch für die besondere Weise, wie dieselbe sich in Knaks Seele ausgestaltet hatte, ein geistliches Verständniß und geistliche Verwandtschaft hatten. Männer, bei denen der reflektirende Verstand überwog, konnte er geradezu abstoßen. Ein ernst frommer Pastor, der aber vorwiegend mit dialektischer Verstandesschärfe begabt war, wandte sich am Schluß einer der ergreifenden Predigten, die Knak in Farben hielt, an den Herausgeber dieser Lebensbeschreibung mit den Worten: "Höre mal, du, predigt Knak immer so? Der will einen ja graulich machen. In meinem Leben gehe ich nicht wieder auf ein Missionsfest, wo Knak Predigt!"— Jndeß solche Urtheile mögen wohl sehr selten und vereinzelt geblieben sein, Tausende und Zehntausende werden ihm noch in der Ewigkeit danken für den Segen seiner Vorträge.

Knak verstand es, sich tief in die Herrlichkeiten eines einzelnen Bibelworts zu versenken; dann aber legte er sich auch wieder mit der ganzen Wucht dieses Bibelworts mit innigster Liebe werbend hinein in die Seelen seiner Hörer, um dieselben mit zum HErrn zurückzunehmen.

Ein Pastor sollte einmal an einem Leichenbegängniß theil-nehmen, bei welchem Knak die Grabrede hielt. Er war etwas früher auf dem Gottesacker angekommen. Da sah er eine Anzahl Leute, die ihr großes Butterbrod (auf dem Kirchhofe!) verzehrten und sich über das Theaterstück unterhielten, das sie Abends zuvor gesehen hatten. Auf einmal hieß es: "Sie kommen!" Schnell stürzten die Männer ins Leichenhaus und kamen eben so schnell

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verpuppt wieder heraus. Die halbverzehrten Butterbrode warerr im Leichenhaus deponirt, ein schwarzer Mantel hing um ihre Schultern, ein breitkrämpiger Hut saß auf ihrem Kopf, die Falten des Gesichts waren in ernste Züge gelegt; so gings zum Grabe mit der Leiche. Knak hielt eine ernste und schöne Leichenpredigt. Plötzlich aber wendet er sich von dem Trauergefolge ab zu den Todtenträgern; sie hätten einen ernsten und wichtigen Dienst, der ihre Herzen besonders auf die Ewigkeit vorbereiten könnte; aber sie ständen in der Gefahr, ihr Amt mechanisch zu verrichten und als Todte die Todten zu begraben. Sie möchten sich aber wohl vorsehen, daß sie nicht mehr Schaden als Segen von ihrem ernsten Berufe empfingen.

Ueber die Weise, wie sich Knak an die Seelen heranlegte in seinen Predigten, äußert sich ein anderer Pastor aus eigener Erfahrung in vorliegenden Worten: "Fliegenden Laufes eilt KE dem fliehenden Sünder nach, um sein Antlitz Jesu, der Liebe, zu-znkehren und ihn vom Abgrunde zu retten, dem er blindlings zustürzt; endlich hat er ihn ereilt, jetzt faßt er ihn, der aber läßt lieber den Rock in seines Verfolgers Händen, und von Neuem erhascht, reißt er aufs Neue sich los. Aber die Liebe, die sich-keine Ermattung, keine Rast verstattet, gewinnt doch endlich Ziel und Sieg, und der fest ergriffene Sünder wird fast in einem Augenblicke zugleich erfaßt vom Schrecken über die Sünde, die ihn ewigem Verderben zutrieb, und vom Jubel über die Gnade, die sich seiner auf ewig erbarmen will. Oft sind schon Kandidaten recht reflektirende Hörer; aber ich hörte mit athemloser Seele, ganz hingenommen von dem gewaltigen Eindruck, den meine Seele empfing."

Der selige Präsident v. Gerlach (nach anderen Herr v. Thaddenst soll gesagt haben: "Knak hat nur eine Predigt, aber die ist gut." Auch dieses Urtheil ist nur theilweise richtig. Wahr ist es, wenn es besagen will, daß in jeder Knakschen Predigt alle Hauptstücke von Buße und Glauben in stets gleich eindringlicher Liebeswärme den Hörern in Herz und Gewissen gerufen wurden; nicht zutreffend würde es sein, wenn man damit sagen wollte, Knak habe im eng-begrenzten Gedankenkreise allezeit im Wesentlichen dasselbe gesagt. Wenn Männer, wie der Minister von Raumer, General von Sommerfeld, General und Präsident von Gerlach, Jahre lang,

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fast sonntäglich Knaks Predigten hören konnten, so können dieselben doch nicht eben einseitig und geistlos gewesen sein. Es liegen zwei Sammlungen von Predigten» die über die Evangelien und die über die Episteln des Kirchenjahres, gedruckt vor, man möge Nachlesen und urtheilen, ob da Einseitigkeit oder Engheit oder Geistesarmuth zu finden ist.

Eben so völlig verfehlt ist die Meinung, Knak habe sich auf seine Predigten nicht sorgsam vorbereitet. Er hat dies vielleicht sorgsamer gethan, als viele seiner Amtsbrüder, obgleich nicht in der gewohnten Weise des Aufschreibeils und wörtlichen Memorirens. Er äußerte sich gegen seinen Freund Böttcher über seine Vorbereitungen auf die Predigt: "So viele, die meine Predigten hören, bilden sich ein, daß dieselben nur extemporirte Herzensergüsse seien. Das sind sie aber nur in den wenigsten Fällen. In der Regel bereite ich mich durch gründliches Meditiren darauf vor. Ich pflege zuerst ans einer guten Postille eine Predigt zu lesen, und denke daun mit Benutzung dessen, was mir beim Lesen besonders zu Herzen gegangen, recht gründlich über den Text nach. Meine Hauptvorbereitung aber besteht im Gebet um. den heiligen Geist für mich und die Hörer. Wenn es mir nicht selten begegnet, daß ich in der Predigt von dem durch Meditation gesammelten Stoff nichts vorbringe, indem die Predigt einen davon abweichenden Lauf nimmt, so schreibe ich dies der besonderen Wirkung des heiligen Geistes zu." — Dem Herausgeber ist es öfters begegnet» daß er Knak bei den Vorstudien zu seinen Predigten fand. Wie konnte dann sein Mund übergehen über die wunderbaren Tiefen und neuen Lichter, die ihm bei der Meditation aus dem lieben Gotteswort aufgegangen waren.. "Ich habe mich," so schreibt er einmal an einen Freund, "an den süßen Ostergeschichten förmlich geweidet. Gestern hatte ich die Geschichte von der glückseligen Maria Magdalena, heute die der Emmausjünger. Wie wundervoll kann doch der werthe heilige Geist erzählen, wie reißt es einen mit fort, als erlebte. man Alles mit!"

Daß Knaks ungewöhnliche Predigtweise auch ihre Critiker und scharfen Gegner fand, darf niemand befremden. Ueber einen öffentlichen Angriff, den er erfahren mußte, äußerte er sich gegen Wittenberg unter dem 8. Okt. 1857 folgendermaßen:

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8. Okt. 1857         Ohne Zweifel geht die Klage über moderne

Hredigtweise im Volksblatt gegen mich, denn ich habe im Juni auf dem Misstonsfest in Strehlen (Schlesien) über Apstg. 10 gepredigt, auch die Geschichte von der kleinen Marie nütgetheilt. Es thut mir wehe, daß der Einsender jenes Artikels nicht nach der Predigt zu mir gekommen und mir in brüderlicher Liebe gesagt hat, woran er sich in meiner armen Predigt gestoßen — durch Gottes Gnade würde ich ihm still gehalten haben. Sehr schmerzlich aber ist es, daß er meine armen Worte so jämmerlich entstellt, und nun diese Entstellung der Oeffentlichkeit übergeben hat. Ich habe in Betreff dessen, was ich über die Rechtfertigung und Heiligung gesagt habe, ein gutes Gewissen vor dem HErrn; denn ich bin ein Gottloser und will und kann nicht anders vor Gott gerecht werden, als wie ein Zuchthäusler, Wenn auch das innerliche Gift des Sündenaussatzes bei mir nicht so heraus-Hebrochen ist, als bei dem armen Sünder im Zuchthause, — das ist ja -aber nichts als pure Gnade. Doch, warum sage ich Dir das, mein Herzensheinrich? Du weißt ja selbst, was wir sind und daß wir keinen anderen Trost haben, als des Lammes Blut. Gott der heilige Geist aber wolle den scharfen Tadler zum armen Sünder machen, dann werden ihm die Leute im Zuchthause nicht zu schlecht sein. Merkwürdig ist es, daß mir -gerade über diese arme Predigt — (ach, ich fühle es ja tief, daß mein Elend in allen Stücken auch in der Verkündigung des göttlichen Wortes groß ist) ein Brief zugekommen ist, worin der HErr für den reichen Segen, den Er geschenkt, gepriesen wird und ich gebeten werde, doch ja fortzufahren, in so einfacher Weise das Wort vom Kreuze zu verkünden. Und ich selbst muß sagen, daß ich unter dem bestimmten Gefühl der Nähe unsres kostbaren HErrn gepredigt habe, nachdem ich in großer Schwachheit auf die Kanzel gegangen war. Doch das sage ich nur Dir, theucrstes Herz! und will mich sonst sehr gerne unter die Hand meines getreuen Gottes demüthigen, der mir auch jene Anklage gewiß für meinen inwendigen Menschen segnen wird. Der HErr segne den Verfasser jenes Aufsatzes gnädiglich, und wende den Schaden ab, den derselbe durch des Teufels Neid noch bringen könnte.

Seine Gebete vor der Predigt in der Sakristei waren oft Einschneidende Bußgebete. Seine Unwürdigkeit, das Wort Gottes Zu verkündigen, trat chm hier so lebhaft vor die Seele, daß er schier meinte, er dürfe es gar nicht wagen, die Kanzel zu besteigen. Wie oft hat er mir in der Sakristei gesagt: "Ach, ich bin so arm, so elend, möchtest Du nicht für mich auf die Kanzel steigen? Und da ist hier noch der theure N. und der theure N., die könnten ja Alle predigen!" Freilich in der Regel kam dann, wenn er gepredigt hatte, der Ton des Dankens und des Jauchzens zur Geltung zum Preise des HErrn. der ihm gnädig beigestanden hätte.

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Von solchen Predigten mußten Segensbäche in die Herzen strömen. "Ich weiß viele," so schreibt eines seiner Gemeindeglieder, "die überwunden wurden von seiner Liebe, wenn die Ströme des lebendigen Wassers von seinem Leibe sich ergossen, wenn er uns zurief: Mud wenn dein Herz sagt lauter Nein, laß doch Sein Wort gewisser sein. O gehe, wie du bist und kannst, du wirst auch kriechend angenommen von Dem, dem allemal das Herze bricht, wir kommen oder kommen nicht!'"

Von den vielen nur einige Beispiele! Eine ernstchristliche Frau schreibt mir über die Weise, wie sie als elfjähriges Kind durch Knak in den ersten Jahren seiner Thätigkeit an der Bety-lehemskirche erweckt worden sei, folgendes:

"Ich mochte ungefähr elf Jahre alt sein, als ich jene Stunde erlebte, die ich Zeit meines Lebens nicht vergessen werde. Als der liebe Pastor Knak auftrat, lauschte ich mit gespannter Aufmerksamkeit; derselbe sprach so herzlich zu uns, daß mir jedes Wort ins Herz drang. Seine dringende Bitte an uns Kinder ging dahin, der Sünde und dem Teufel zu entsagen und uns dem Herrn Jesu ganz zu ergeben. Er erinnerte uns an unsere Taufe und hielt uns vor, wie wir den Taufbund gebrochen und den Herrn Jesum durch unsere Sünde betrübt hätten. — Der liebe Pastor sprach sehr laut und bat uns dringend, ja mit Thränen, wir möchten auf seine Worte hören. — Ja, er ging so weit, daß er mit Mark und Bein durchdringender Stimme ungefähr folgende Worte sprach: 'Ich beschwöre euch, meine lieben Kinder, daß ihr euch ganz dem Herrn Jesu zu eigen übergebet.' Zuletzt kniete er mit uns nieder, hielt ein herzliches Gebet und sagte in unser aller Namen den Taufbund. — Meine Thränen flössen reichlich, und ich bat den Heiland mit kindlich aufrichtigem Herzen, mir alle meine Sünden zu vergeben und mich selig zu machen."

Von dem Segen, den ein Trunkenbold in einer Predigt in der Betlehemskirche empfangen hat, berichtet Knak selbst auf der Elbinger Visitation. Der Mann, wohnhaft in der Nähe von Berlin, war durch den Trunk tief gesunken, hatte Weib und Kind vielfach gemishandelt und seiner achtzigjährigen Mutter bitteres Herzeleid bereitet. Nichts schien ihn von seinem Todeswege ab-

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bringen zu können. Da fordert einmal der Bruder des Unglücklichen diesen auf, mit jzu Knak in die Kirche Zu kommen. Der-HErr segnete das Wort. Der Säufer ging still und in sich gekehrt nach Hause; dort betete er viel und inbrünstig, bat den Seinen alles ab, womit er sie so tief gekränkt hatte. So blieb er, ohne viel zu essen und zu trinken, bis zum dritten Tage im. Gebet, bis er der Vergebung seiner Sünden gewiß geworden, zu. Knak schickt, um das heilige Abendmahl zu empfangen. Dieser eilt hin, aber der HErr war ihm schon zuvor gekommen und hatte den. begnadigten Sünder selig zu sich heimgerufen.

Eine Frau schreibt:

"Ach, wäre ich doch nur im Stande, die unzähligen Gnadenerfahrungen aufzuschreiben, die ich in der Betlehemskirche erfahren habe. Noch in der süßen Heimath droben werde ich die rechten. Worte finden. Da wird mein Mund voll Lachens sein, da werde ich meine Krone und meiner Kinder Kronen an die unsers heißgeliebten Vaters Knak binden, und die legen wir zusammen zu den. Füßen des Lammes nieder." Diese Frau, Tochter eines katholischen, Vaters und einer evangelischen Mutter, in einer evangelischen. Schule unterrichtet und in der katholischen Kirche confirmirt, verfiel nach der Confirmation in die Welt, ließ sich auch bereden, mit auf den Tanzboden zu gehen, ohne jedoch dort rechte Befriedigung Zu finden. Da kommt eines Tages an sie die Aufforderung, doch auch mit zu Knak in die Kirche zu kommen. Gleich die erste Predigt schlug mächtig ein. Sie mußte persönlich zu ihm. Nnn steht sie mit Angst und Beben vor dem geistesmächtigen Manne. Dieser -aber hatte mit seiner herzlichen Liebe bald alle ihre Angst überwunden und sie konnte glauben. "So — sprach Knak — nun bist du meine geliebte Tochter," fiel mit ihr auf die Kniee und erflehte über sie den Segen des HErrn. Ihr Entschluß, zur evangelischen Kirche überzutreten, stand fest. Sie sagte es dem Vater. Der brach aber bei den Worten der Tochter fast zusammen und rief unter Hellen Thränen aus: "Ich bin nicht Schuld daran.. Nun gehst du verloren!" — Ihr war aber der Stachel zu tief ins Herz gedrungen. Sie konnte selbst durch die Thränen des Vaters sich nicht zurückhalten lassen; sie ging wieder zu Knak und-empfing das heilige Abendmahl. Von ihren beiden Töchtern, die.


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der HErr ihr später bescheerte, ist die eine selig gestorben, Knak hat sie begraben, die andere ist Diakonissin geworden und dient noch heute in diesem Berufe dem HErrn. Ihren alten Vater aber, den Katholiken, hat Knak später mit seiner Frau zur goldenen Hochzeit eingesegnet.

Eine ganz ergreifende Zuschrift von einer armen Gelähmten, die doch auch gerne ihren Beitrag zur Zeichnung des Bildes ihres theuren geistlichen Vaters geben wollte, ist zu umfangreich, um hier noch nütgetheilt zu werden. Sie ist in den Zeugnissen XXXIV nütgetheilt, und wir beschließen diesen die schönen Gottesdienste in Bethlehem betreffenden Abschnitt mit einem Herzenscrguß, den eine frühere Dienstmagd zu dem vorliegenden Lebensbilde unter dein 20. Okt. 1878 eingesandt hat.

"Ach, es war ein Fest für uns beide (mich und meinen verstorbenen Mann, der damals mein Bräutigam war), wenn wir in jenen Jahren 1850—1853 konnten zusammen in die Bethlehemskirche gehen zu dem lieben Seelsorger, sein süßes Wort zu hören. O, wie selig war man da in der kleinen lieben Gemeinde. Ach es war da allezeit, als wenn man schon im Paradies wäre; denn dort war man nicht auf der Erde; denn der liebe Seelsorger stand da als der Sonnenschein, der die Herzen durchscheint. Ach und das unvergeßliche Beten mit seiner Gemeinde auf den Knieen liegend! O! o! wie betele der liebe Seelsorger für seine Gemeinde! Für jedes Herz hatte er Trostwörter, die jeden erquicken mußten. Ich hatte alle vierzehn Tage einen Sonntag zum Ausgehen; der wurde auch benutzt, zweimal zur Kirche; das war unser Beider Freude. Ach, und so des Abends beim Herausgehen aus der Kirche wurde gesungen bis auf die Straße: Laßt mich gehn! Der liebe Seelsorger war damals mein Vater und Berather. Ach, wie oft habe ich mit ihm in der Vethlehemskirche gesprochen! Ja, getröstet, gerathen! Ja, es lag Wunderkraft in seinen Worten."

Mögen diese wenigen Mittheilungen über den Segen der Gottesdienste in der Betlehemskirche, — die aus einer großen Menge anderer heraus gegriffen sind — für unser Lebensbild genügen. Nur das eine möge hier noch erwähnt werden, daß ein früherer Domkandidat aus den Jahren 1858 und 1859 mittheilt, er habe in dem Theil der Domgemeinde, der seiner besonderen Seelsorge


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überwiesen war. mehrere erweckte Christen gesunden, "bei denen eA sich im näheren Verkehr herausstellte, daß sie sämmtlich treue Anhänger des Pastor Knak waren, ihm persönlich nahe standen, weil sie die erste Anregung zu einem neuen Leben durch ihn empfangen hatten, und obgleich Glieder der Domgemeinde, doch nicht von Knak lassen wollten und konnten."

Wenn die Gottesdienste der Hauptkanal der Segnungen waren, die von dem theuren Knak in seine Gemeinde flössen, so waren sie doch nicht der einzige. Ganz besonders gesegnet waren auch seine Confirmandenstunden. lieber dieselben ist mir eine Zuschrift von einer früheren Confirmandin zugegangen, die ich dreimal, und jedes Mal mit heißen Thränen gelesen habe: Sie möge das Einzige sein, was wir über diesen Theil der Wirksamkeit unseres theuren Heimgegangenen hier mittheilen.

"Als ich von Ostern 1851 ab den Konfirmanden-Unterricht besuchte (bis 1852), war er mir und uns Allen der treueste, liebevollste und unermüdliche Lehrer. Nie ließ er sich durch Heftigkeit Hinreißen, und selbst der größten Unwissenheit setzte er Geduld und Liebe entgegen. War aber ein Kind besonders stumpf oder leichtsinnig, so preßte ihm dies Thränen des Schmerzes aus. Wir alle liebten und verehrten ihn und waren glücklich, ein Wort des Lobes von ihm zu hören. Ihm war jedes Kind gleich, mochte es die Tochter eines Professors oder einer Comtesse oder das Kind eines schlichten Handwerkers oder Bauern sein; alle wurden in einer Stunde unterrichtet. Das Andere gehörte nach seiner Auffassung nicht in den Konfirmanden-Unterricht. Aber er wurde von Allen verstanden, und oft war es erstaunlich, wie muthig und unerschrocken die sonst etwas schüchternen Mädchen aus Rixdorf antworteten. Hier ein Beispiel. Wir waren bei der Erklärung des fünften Gebots angekommen, und der Herr-Pastor erläuterte den Unterschied zwischen dem groben und feinen Todtschlag und Mord und sagte, daß viele Menschen durch den übermäßigen Genuß geistiger Getränke sich selbst das Leben verkürzen, und so sich tödten, und daß leider ein Trunkenbold so weit sinken könne, daß er fast mit dem Vieh auf gleicher Stufe

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stehe und das Ebenbild Gottes in ihm nicht mehr zu erkennen sei. Da stand ein sonst ganz blödes Bauermädchen, Namens N., auf und sagte ganz laut: "So is et, Herr Pastor, so is et, wie Sie sagen." Hast du denn davon schon etwas gesehen, liebe Tochter? fragte der Pastor. "Na freilich. Ehe Sie hier predigten, hat mein Vater getrunken und uns alle geschlagen; aber dann ging er auf Zureden der Mutter in die Kirche, wie Sie, Herr Pastor zum erstenmal in Nixdorf predigten. Am Abend ging er dann nicht wie sonst in den Krug, und nun geht er jeden Sonntag in die Kirche, und erst gestern hat er zur Mutter gesagt: Mutter, ick war schlecht, ick war wie ein Thier; aber wenn Gott mir weiter hilft, lasse ick das Trinken."

Unser Pastor war über diese Geschichte sehr erfreut und versprach, nach der nächsten Predigt, die er in Rixdorf halten würde, die Eltern zu besuchen und er hat gewiß Wort gehalten.

Sehr eindringlich hat er mit uns über das sechste Gebot gesprochen und unter Andern wörtlich gesagt: Ihr jungen Mädchen müßt sein, wie eine schöne Rose, die umgeben ist von Dornen. Wenn eine leichtsinnige Hand sich ausstreckt, sie zu brechen, die muß sich an den Dornen stechen; aber die Rose muß ungebrochen bleiben. O wie schrecklich ist es, wenn eine Braut das Zeichen der Jungfräulichkeit vor dem Altar nicht mehr tragen darf. Möchte keine, nicht eine einzige, mir den Schmerz bereiten. Aber wenn dennoch manche von euch einen sittlichen Fall thun sollten, und ihr kommt daun durch Gottes Gnade wieder zur Erkenntniß, dann fliehet zu Jesu und bekennt eure Schuld; der die Magdalena nicht verstoßen hat, wird auch die Gefallene wieder aufnehmen. Schweigsamer als sonst gingen wir nach Hause. Jede hatte ihre eigenen Gedanken, die bei den meisten wohl ernster Art sein mochten.

Manches Jahr war seit dieser Stunde vergangen. Eines-Tages kommt Jemand zum Pastor und bittet ihn dringend, so bald wie möglich nach der Charite zu kommen, da ihn eine schwer Kranke sehnlichst erwarte. Den Namen weiß er nicht; aber er nennt die Nummer des Saales, in welchem die Kranke liegt und-sagt, die Wärterin würde schon aufpassen. Sobald er konnte», ging er hin, und wen fand er? Eine von seinen früheren Kon-

firmandinnen. O, sie war oft so tief bewegt gewesen und hatte zu schönen Hoffnungen berechtigt und lag nun hier gebrochen an Leib und Seele. Sie war das einzige Kind hochachtbarer Leute. Als die Wärterin mit dem theuren Pastor ans Bett der Kranken kam, verbarg sie ihr Gesicht in den Händen und wollte vor Schmerz und Scham vergehen. Der Geistliche konnte vor innerer Bewegung zuerst nicht sprechen; als er sich etwas gefaßt, sprach er seinen tiefen Schmerz aus, sie hier zu finden.. Sie weinte lange und heftig. Dann nahm sie die Hand vom Gesicht. Der Pastor wollte ihr seine Hände reichen; sie aber sprach: Herr Pastor, ich bin's nicht werth! ich bin's nicht werthIch habe die Hoffnung meiner Eltern vernichtet, Ihre Lehren vergessen. .Ich bin schlecht, o zu schlecht. Aber Sie haben mir im Unterricht vor vier Jahren gesagt, daß der Herr Jesus die Magdalena nicht verstoßen hat, und auch jedes reuige Herz zu Gnaden wieder aufnimmt. Ach, wird Er denn mich annehmen? Da nahm mein theurer lieber Pastor ihre Hände in die seinigen und sagte ihr viele Trostworte. Ja, sagte sie, das ist nichts für mich; ich bin von Kindheit in Gottes Wort unterwiesen. Ach, ich bin zu schlecht, für mich giebt's keine Vergebung! "Glaubst du, daß Alles» was in der Bibel steht, Gottes Wort ist?" fragte der treue Seelsorger. Ja. "Glaubst du, daß Gott lügt?" Nein! Nun, dann steht auch für dich das Wort geschrieben: Das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, macht uns rein von aller Sünde, und ferner: Wer den Namen des HErrn wird anrufen, soll selig werden. Dies fing. "Aber Sie, Herr Pastor, können Sie mir vergeben? Ach, Sie haben sich so um uns und um mich gemüht," und wieder weinte sie heftig. Und meine Eltern, meine Mutter; ach, meine arme liebe Mutter, sie kann nicht hierher kommen, sie muß sich meiner schämen, und mein Vater thuts nun und nimmermehr." Alle Andern waren tief mitergriffen. Der Geistliche sprach noch Manches mit den Andern. Spurlos ist es bei Keinem geblieben. Alle im Saal weinten mit. Der Pastor betete laut und ging; aber nicht nach Hause, sondern direkt zu den Eltern. In ergreifender Weise schilderte er den Zustand des Mädchens. Der armen Mutter wollte das Herz brechen vor Liebe und Jammer; aber der Vater war härter. "Sie hat Schmach und Schande über uns

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gebracht und wir find den Leuten zum Spott geworden! (So rief er entrüstet aus.) Ueber meine Schwelle kommt sie nicht mehr. Meine Frau mag zu ihr gehen, ich werde sie nicht zurückhalten; aber ich gehe nicht!" Nun aber zeigte sich die Liebe und Milde gegen den fühlenden Mitchristen. Der theure Pastor hielt ihm das Gleichniß vom verlornen und wiederaufgenommenen Sohn vor und sagte, daß die Tochter wohl nach menschlichem Ermessen nicht inehr ins Elternhaus kommen werde, da sie im letzten Stadium der Krankheit sei. "Mein Freund, üben Sie das göttliche Recht der Vergebung. Ihr Herz spricht ja doch anders, als der Mund. Wir wollen zusammen zu ihr gehen." — Ich werde es mir noch überlegen und Ihnen, Herr Pastor, Bescheid sagen.

Und der Bescheid war gut. Das Vaterherz hatte gesiegt. Von dem Wiedersehen kann ich nichts erzählen. Aber der Pastor sagte, als er diese Geschichte in der Kirche erzählte: Es war zu ergreifend, als daß ich's wiedersagen könnte. Sie nahm noch mit den Eltern das heilige Abendmahl und starb bald darauf, der Vergebung ihrer Sünden gewiß. Der nun selig Entschlafene hielt die Grabrede und schloß mit den Worten: "So wird Freude sein im Himmel über einen Sünder, der Buße thut, vor neunund-neunzig Gerechten, die der Buße nicht bedürfen."

Das Samenkorn, das Knak in Predigt und Unterweisung «msgepflanzt hatte, pflegte und begoß er in der speziellen Seelsorge, die er mit großer Treue übte. Wo er hörte, daß eins seiner Schäflein in die Ferne gezogen war, hatte er dasselbe sicher an einem der nächsten Tage aufgesucht. Er machte da keinen Unterschied zwischen Vornehm und Gering, — nicht einmal in der Sprache; denn diejenigen Dinge, die er zu bringen hatte, bedarf der Vornehme genau so wie der Geringe. Da konnte er dann mit solchem liebewarmen priesterlichen Mitleid das Verwundete verbinden, mit so ernstem, strafendem Wort den Trotz entwaffnen, mit so inniger Liebe locken, daß die Meisten bald genug den theuren Vater in seiner Wohnung aufsuchten. In der gesegneten Stube Wilhelmsstraße 29, in welcher der alte Jänicke gestorben ist, haben Generäle, Grafen, Gelehrte, Pastoren, Kandidaten, Handwerker»

Knak. 2. Aust.        19

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Tagelöhner mit Knak auf den Knieen gelegen, und er hat auf sie seine segnende Hand gelegt. Gab es in einer Familie seiner Gemeinde ein Ereigniß ernster oder fröhlicher Art, fei es eine Krankheit, ein Sterbebett, eine Hochzeit, ein Kiudtaufen, ein großer Verlust oder eine besondere Freude, so wurde Knak entweder gerufen oder er kam freiwillig. Immer aber brachte er einen Segen mit. Es war, als wenn eine geistliche Atmosphäre um ihn gebreitet '? war, in die jeder der Anwesenden mit eintreten mußte, er mochte wollen oder nicht. Nie hat er bei solcher Unterhaltung einen ) Scherz gemacht oder eine witzige Anekdote erzählt, und doch hatte ^ Jeder, wenn er nach Hause ging, das Gefühl, das war nicht ) blos ein gesegneter, sondern auch ein erquicklicher köstlicher Abend! !

Wie er auch bei solchen Gelegenheiten einen Segen zurück- ; zulassen verstand, darüber geben wir die nachfolgende Mittheilung einer Freundin:

"Es war auf der Hochzeit einer lieben Freundin, welche der ^ liebe Pastor Knak getraut hatte, und fand die Festlichkeit im ,) Englischen Hause statt. — Die Braut stand meinem Herzen sehr -nahe, dieselbe ist längst heimgegangen, — es war die Gattin des 1 jüngst nun auch Heimgegangenen Herrn Daniel Kampfmeyer. — Welche Freude war es für mich, den lieben Pastor Knak an der ? Hochzeitstafel zu sehen und zu hören! — Wir sangen manch schönes Lied, so z. B.: 'Ich bete an die Macht der Liebe.' Der Pastor sprach jede Zeile vor. Nach aufgehobener Tafel ging ich mit meiner lieben Marie Kampfmeyer, welche im bräutlichen Schmuck ' prangte und mir so lieblich erschien, im Saal umher. Wir hatten s uns herzlich lieb und unsre Freundschaft im Kindergottesdienst und Kindermissionsstunden geschlossen. So wurde manch trauliches Wort gewechselt. — Dann sprach die Freundin herzlich, doch fast . ernst: 'Nun muß ich dich aber unserm lieben Pastor Knak vor- I stellen!' Kaum wollte ich es zugeben, — denn eine angeborne s Schüchternheit war mir stets eigen. Doch der innige Wunsch, mit ^ dem Pastor Knak ein paar Worte wechseln zu dürfen, überwand i meine Aengstlichkeit. — Bald saß ich neben sdem theuren Pastor , und derselbe sprach so herzlich und freundlich zu mir, daß ich bald unbefangen mit ihm reden konnte. Von dem, was er sprach, ist mir besonders eine Frage im Gedächtniß geblieben. Der Pastor r

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fragte: Was ich wohl dazu meinte, ob die Leute hier (der Pastor meinte die Dienerschaft) nicht den Eindruck bekommen werden, daß es doch ein Unterschied sei, wenn die Welt Hochzeit feiert, — oder wir, die wir den Herrn Jesum dazu eingeladen? — Von Herzen bejahte ich dem lieben Pastor seine Frage und hätte, o so gern noch ein wenig mit ihm geredet, doch derselbe war von verschiedenen Seiten zu sehr in Anspruch genommen.—

Später war es mir noch einmal vergönnt, mit dem lieben Pastor wieder auf einer Hochzeit zusammen zu treffen. Leider war derselbe dort nur auf kurze Zeit anwesend. Die Braut war des Pastors Knak Beichtkind. Die Hochzeit wurde im Hause im engen Familienkreise gefeiert. — Doch mehrere Freundinnen waren auch zugegen. Zu uns sagte der liebe Pastor beim Abschied — nachdem er uns Allen herzlich die Hand gereicht hatte — mit freundlicher aber durchdringender Stimme: 'Sind dies auch alle Jungfrauen, die dein Lamme Nachfolgen?' — Seine Worte machten auf uns einen tiefen Eindruck."

Auch auf seinen Erholungsreisen konnte er seiner zurückgelassenen Kranken nicht vergessen. Er trug sie nicht blos auf liebewarmein Herzen und im Gebet vor den HErrn, sondern ersetzte seine Seelsorge auch aus der Ferne fort. Unter dem 18. Aug. 1866 schreibt er von Dünnow aus an ein krankes Gemeindeglied:

Liebe theure Freundin in dem HErrn!

Hier sitze ich in früher Morgenstunde bei meinen lieben Kindern und Kindeskindern, und gedenke an Sie und alle Ihre Lieben. Dem Herrn Jesus habe ich die ganze Gemeinde und auch sonderlich die Kranken zu Füßen gelegt, und es treibt mich nun die Liebe, Ihnen einen Morgengruß aus Herzensgründe zuzurufen, da ich Sie von Angesicht jetzt nicht sehen und meine Kniee an Ihrem Krankenbette nicht beugen kann. Wie gern wäre ich noch vor meiner Abreise mit meiner geliebten Frau zu Ihnen gekommen, um zu sehen, wie Sie sich befinden und wie es Ihrer Seele ergehe — aber es fanden sich allerlei Hindernisse, und auf einmal war die Stunde der Abreise da, und wir mußten davon eilen. Eine Zeit der Erholung war uns Beiden dringend nöthig und wir freuen uns und danken dem getreuen Heiland von Herzen, daß wir im Kreise unserer theuern Kinder und Kindeskinder ein wenig ausruhen dürfen.

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         Morgen gedenke ich hier zu predigen, denn wenn ich gar nicht

predigen dürfte, würde mir zu Muthe sein, wie dem Fischlein außerhalb des Wassers. O liebe theure Schwester Schubert! Was für ein kostbarer unvergänglicher Schatz ist doch das süße Wort Gottes! Es zeigt uns zwar unser tiefes Sündenelend, und unsre große Schuld und Missethat; aber es offenbart uns ja auch zu unserem süßen, seligen Trost die freie Gnade und das große Liebeserbarmen Gottes unseres Heilandes, der sich selbst für uns arme verlorne Würmlein dargegeben und geopfert und alle unsere Schulden mit Seinem kostbaren Blute vollkommen bezahlt und ge-tilget hat. Wer an Ihn von Herzen glaubt und Seinen herrlichen Namen anruft, der wird nicht gerichtet, und aller seiner Sünden wird nimmermehr gedacht, denn das Blut des Lammes Gottes redet besser als Abels Blut, und tilgt alle Sünde wie den Nebel. Freuen Sie sich, liebe Schwester, daß der heilige Geist auch Ihre Augen geöffnet hat für die Marlerschönheit unseres allertheuersten Heilandes und daß auch Sie in Seiner Nägel Mal erblicken Ihre Gnadenwahl. Sie ruhen auf Ihrem Krankenlager in seinem Arm und Schoß, wie ein Kind in der Mutter Armen ruht. Sie brauchen sich nicht vor dem Tode zu fürchten, denn der HErr Jesus hat dem Tode seinen Stachel genommen, und Leben und unvergängliches Wesen an das Licht gebracht. Sie sprechen auch, wie der selige Zinzendorf: "Drum will ich, wenn ich zu Ihm komm, nicht denken mehr an gut und fromm, sondern da kommt ein Sünder her, der gern durchs Lösegeld selig wär!" Der HErr Jesus stärke Ihren Glauben, theure Freundin! und ziehe Ihr und mein Herz immer tiefer in Seine Wunden hinein, "daß wir vorm Feind können sicher sein." Er segne Ihren theuren Mann und vergelte Ihnen Allen die Liebe, die Sie uns erwiesen, in Gnaden mit himmlischen Gütern. Er segne Ihren lieben theuern Sohn, Ihre liebe Schwiegertochter und die geliebten Enkelkinder allesammt und lasse sie aufwachsen als Pflanzen der Gerechtigkeit zu Seines herrlichen Namens Preis und Ehre. Wir Alle senden Ihnen Allen, jedem einzeln die allerwärmsten und herzlichsten Grüße. Vielleicht ist der liebe H. so freundlich und sagt uns mit einigen Zeilen, wie es Ihnen Allen und besonders auch wie es Ihnen ergeht. Herzliche Grüße an alle unsere Freunde, die nach uns fragen. Der HErr JEsus Christus sei mit Ihrem Geist!

Ihr getreuer Freund und Seelsorger

G. Knak.

Ja, Knak hatte eine wirkliche Gemeinde, mitten in dem großen Babel Berlin eine Gemeinde, die man in menschlicher Schwachheit eine Gemeinde der Heiligen nennen konnte. Er hatte in derselben Glieder, die er nicht blos innigst liebte, sondern die er auch hoch

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ehrte, weil der Herr Christus in ihnen in besonders lieblicher und kräftiger Weise Gestalt gewonnen hatte. Von solchen, die bereits der oberen Gemeinde angehören, nennen wir drei Namen» Frl. v. Hochwächter, Frau Generalin v. Budritzka und Fräulein Clara v. Bodeck. alle drei ihrer Zeit Vorstandsmitglieder des Bethesda-Vereins. Von Frau v. Budritzka schrieb er bald nach ihrem Heimgange an Frau Bertha Straube die köstlichen Worte: "O was habe auch ich an ihr verloren — ein Beichtkind, wie es wohl nur wenige giebt, die mir ihr ganzes Herz im kindlichsten Vertrauen ausschütten konnte und fast nie von mir ging, ohne erst die Kniee mit mir gebeugt zu haben. Als ich ihr am Mittwoch vor ihrem Heimgang das heilige Sakrament gereicht hatte und sie dann fragte, ob sie nun glücklich sei, da ging ein solcher Sonnenglanz von himmlischer Freude über ihr Angesicht, daß ich einen ähnlichen Anblick noch nie in meinem Leben gehabt habe. Das Sprechen wurde ihr unsäglich schwer; aber es war, als wenn ihr ganzer verborgener Mensch des Herzens mit sanftem und stillem Geist, der so köstlich ist vor Gott, in die äußere Erscheinung träte, auf daß ich ihn noch einmal sehen könnte und mich daran erquicken. Es war das letzte Mal, daß ich sie sah. Du kannst dir leicht denken, wie mir zu Muthe war, als ich die verwaiste Familie hellt am Altäre des HErrn erblickte."

Fräulein Clara v. Bodeck aber, diese vielgeprüfte und viel-bewährte Dulderin und Bekennerin, möge mit ihrem letzten Gruß an ihre geliebte Bethlehemsgemeinde, den sie in ihrem vierundsechzigsten Lebensjahre kurz vor ihrem Heimgange eigenhändig schrieb und ihrer vertrautesten Freundin mit dem bestimmten Wunsche übergab, ihn sofort nach ihrem Tode dem theuren Pastor Knak zuzustellen, diesen Abschnitt beschließen:

Den 9. Februar 1862.

Mein geliebtes Bethlehem!

Was bist Du mir, Du geliebte Kirche, für ein "Himmelan" gewesen, für ein wahrhaftiges, an mir geschehenes Wort: "Er wird die Elenden sättigen;" o, was für eine Bürgschaft des Vaterhauses droben! Wenn ich so in Deine heilige Stille trat, überall umleuchtet mit den heiligen Sprüchen der Schrift, meinen Platz vor dem Altar nahm, die Sakristei-Thür sich aufthat, der Diener Gottes vor den Altar trat, mit der Gemeinde

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auf die Kniee fiel, mit ihr betete — o mein Gott! mein heiliger Gott! da warst Du ja mitten drinnen, "Gott ist gegenwärtig!" Und nun die Absolution "an Christi Statt!" Können wir so große Sünder, immer wieder angefallen von der Erb- und Temperaments-Sünde, es je genug danken, daß der heilige, barmherzige Gott uns solche Gnadenanstalt, wie uns die Kirche ist, hier im Pilgrimsthale gegeben — in seinem Wort, in seiner Absolution, im heiligen Sakrament? O Gott, unmöglich! Ach! wir Bethlehemiten find ein gar seliges Gemeinlein. Wie haben wir uns unter einander so lieb — wie grüßen wir uns, wenn wir uns auch nicht beim Namen zu nennen wissen! Wir waren ja der geliebten Kirche angehörig, die Gott so sehr begnadigt von jeher.— Ja, ich sehe mich jetzt auch im Geiste in diesem Heiligthume umher und grüße jeden Platz, dem Zuhörer den reichen Segen der Nachwirkung des gehörten Wortes wünschend, wie nun erst den Altar und die Kanzel! Und Du, geliebtes Pastor-Hans! — Wie grüße ich Dich, Du Bethlehem, in Deiner Missionsarbeit und Gebet! Was bist Du mir Unaussprechliches gewesen — Bethesda, Hongkong — in China mitten drinnen — aller Welten Raum verschwunden — Du liebes Haus dort, der Wunder-Gnaden voll, von Gottes Barmherzigkeit ! — Es ist mir das eine der allergrößtsten Gnadengaben Gottes gewesen, dazu zu gehören.— Es ist damit etwas Großes, den letzten Befehl, ja Bitte (so lieblich sind die Worte unseres Erlösers: Gehet hin und lehret alle Heiden!) in sein wärmstes Interesse zu nehmen. Welch eine Strömung heiliger Freude und Liebe kommt da auch ins eigene Herz! — Sagen läßt sich solches nicht, es muß empfunden sein. Wie erbitte ich diesen Segen den Meinigen, meinen Freunden, ja allen Menschen! Mein trautes, mein herzliebes Bethlehem, lebe wohl — Gott befohlen!"

44.

Merkwürdige Gebetserhörungen.

Daß unser HErr und Gott noch heute Gebete erhört, gerade wie zu EM Zeiten, das würden alle Christen täglich erfahren können, wenn sie mehr darauf achteten und — mehr wirklich beteten. Der selige Pastor Knak war ein Beter, wie wenige. Er redete mit seinem Heilande, als wenn derselbe unmittelbar vor ihm stände, und riß durch die Inbrunst, Kraft und Zuversichtlichkeit seiner Gebete nicht selten auch solche mit fort, deren Glaube zu.

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schwach war, um selbst also zu beten. Die Kraft seiner Predigten und die Quelle des Segens seiner Arbeiten lag zum nicht geringen Theil in seinen Gebeten. Darum hat er auch Erhörungen erlebt, die an das Wunderbare grenzen, und von denen wir einige der hervorragendsten hier mittheilen wollen.

In den Werder'schen Bibelberichteu vom 1859 wird folgendes ans unmittelbarer Mittheilnng des Pastor Knak über die Genesung der Frau eines Malers berichtet:

"Rufe Mich an in der Noth, so will Ich dich erretten und du sollst Mich preisen!" (Ps.50,15).

Am 1. Dezember des Jahres 1858 besuchte ich eine Kranke, die zu meinen Beichtkindern gehört, sie ist mit einem gläubigen Stnbenmaler verheirathet und hatte bereits seit einem Vierteljahr an schwerer Krankheit zu leiden. Am Tage vor meinem Besuch war sie so schwach, daß sie, als ihr das Bett gemacht wurde, in Ohnmacht fiel, und so antwortete sie heute auf meine Frage, wie es ihr gehe: "Sehr elend," war aber übrigens getrost und dem HErrn ergeben. Nachdem ich mancherlei mit ihr gesprochen, und ihr auch die Gebets - Erhörung des lieben B. erzählt hatte, forderte ich sie und die Wittwe N., bei der sie wohnt, zum Gebet auf, und flehte selbst kindlich zum Heiland, Er wolle diese Seine Magd, die seit einem Vierteljahr Sein Haus nicht habe besuchen können, doch zum lieben Weihnachtsfest wieder gesund machen. Darauf nahm ich Abschied von ihr, in der festen Hoffnung, der HErr werde an ihr thun, was Ihm wohlgefällt. Am Nachmittag desselben Tages, als ich gerade im Begriff bin, mein Haus zu verlassen, höre ich die Klingel, ich öffne die Thür und vor mir steht eine meiner früheren Konfirmandinnen, die bei der Wittwe N. schneidern lernte, und sagt mit tiefer Bewegung, sie habe mir eine unbeschreibliche Freude mitzutheilen. Die junge Frau, bei der ich Bormittag gewesen und für deren Genesung ich gebetet, sei sehr bald, nachdem ich sie verlassen, gesund aufgestanden und voll Löbens und Dankens für die wunderbare Hülfe des HErrn. Ihr Manir, der in Geschäften abwesend war, fand am Abend, als er schweren Herzens und auf den Tod seiner Frau fast schon vorbereitet, nach Hause zurückkehrte, dieselbe völlig genesen. Sie ist mm bereits zweimal im Hause des HErrn gewesen, und sagte mir»

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als ich sie besuchte, mit strahlendem Gesicht: "Wen der Heiland gesund macht, den macht Er ganz gesund."

Von einer ähnlichen wunderbaren Gebetserhörung berichtet eine Frau, die als Dienstmagd früher in Berlin gelebt hatte» dieselbe, deren Dankbekenntniß für den in der Bethlehemskirche empfangenen Segen wir oben mitgetheilt haben.

Dieselbe kam eines Tages zu Knak, um ihm -ihre Noth zu klagen. Ihre Herrschaft habe bei ihrer siebenjährigen kinderlosen Ehe nicht gelernt, was Mutterliebe sei, und gestatte auch ihr namentlich nicht, die Kirche zu besuchen. Knak forderte sie auf» mit ihm niederzuknieen und gewann Freudigkeit, für die Herrschaft zu beten, daß Gott der HErr ihren harten Sinn wenden und namentlich der suchenden Magd die Gelegenheit öffnen wolle, dir Kirche zu besuchen. Und siehe, schon als sie nach Hause zurückkehrt» kommt ihr die Frau in ganz anderer Weise entgegen als sollst; sie war weich und freundlich und gestattete nicht blos, daß dir fromme Magd des Sonntags die Kirche besuche, sondern gab auch noch die Erlaubniß, den Montags-Gottesdiensten und den Donnerstag-Abendstunden, ja sogar den Betstunden, die vierzehn Tagr vor Weihnachten alle Morgen früh sieben Uhr gehalten wurden» beizuwohnen. Alle Leute waren verwundert, wie diese Frau mit einem Male wie umgewandelt war; sie, die früher so stolze undunzugängliche Frau, sprach nun mit ihren Umgebungen freundlich» nahm die Kinder der Nachbarn auf den Arm und herzte sie und hielt ihre fromme Magd wie ein Kind im Hause.

Zwei andere wunderbare Gebetserhörungen werden mir durch zwei Pastoren berichtet; der eine erzählte aus seinem eigenen Leben» der andere aus dem eines ihm sehr nahestehenden Greifes; die Namen beider muß ich natürlich verschweigen, aber beide Pastoren sind mir als fromme zuverlässige Knechte Gottes bekannt.

Der erstere berichtet, er sei durch Gott den HErrn in eine Lage versetzt worden, welche es ihm zur dringenden Nothwendig-keit machte, in möglichst kurzer Zeit in den heiligen Ehestand zu treten. Völlig rathlos, wohin sich zu wenden, geht er zu seinem väterlichen Freunde und Rathgeber Knak. Dieser wußte auch keinen andern Rath, als mit seinem jungen Freunde auf die Kniee zu fallen und den HErrn um seinen Rath und Hülfe anzurufen. —

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Und siehe, schon nach wenigen Tagen fand der junge Mann ungesucht, was er erbeten hatte, eine fromme Jungfrau, die er früher nicht einmal dem Namen nach gekannt hatte; er wurde mit ihr ein für alle Mal aufgeboten und zu einem für Beide reich gesegneten Ehestand eingesegnet. Er schließt seine Mittheilung mit den Worten: "Nicht wahr, das ist doch auch ein Stück aus dem Gebetsleben des lieben seligen Bruders!"

Der andere Pastor berichtet mit den eigenen Worten des gedachten Greises Folgendes:

"Zu dem schweren Kreuz, das mir der HErr auferlegt hatte» kam ein anderes, fast noch schwereres, ein Hauskreuz. Meine Frau quälte und verfolgte mich unausgesetzt mit einer maßlosen Eifersucht und ließ mir weder Tag noch Nacht Ruhe. Ich konnte es nicht mehr ertragen, und eilte eines Tages fast in Verzweiflung zu Knak, und schüttete mein Herz ihm aus. Da warf er sich mit mir auf die Kniee und betete inbrünstig und glaubensvoll aus der Tiefe seines und meines Herzens. Gestärkt und beruhigt ging ich nach Hause, und — meine Frau empfing mich freundlich und hat nie wieder ein Wort von Eifersucht gegen mich geäußert."

Von einer anderen wunderbaren Gebetserhörung berichtet Pastor Preuß, der Schwiegersohn des Pastor Knak. Einmal kommen auch Knaks beide Söhne Jonathan und Johannes nach Dünnow. Sie badeten alle vier mit einander. "Vater und ich, so erzählt Preuß, waren schon aus dem Bade und angekleidet, die beiden aber blieben zu lange im Wasser, sie hatten die Passion, nach dem Riff zu schwimmen. Ich will ihnen winken, — da sehe ich Johannes sinken — Vater sah es auch — nur noch die Hände ragten aus dem Wasser. Ich rief Jonathan zu, der weiter ins Meer geschwommen war. Derselbe kehrte um, um sich zu erholen, weil er fühlte, daß ein Krampf ihn packte. Vater war fort. Johannestauchte noch einmal auf — ich rief einem andern guten Schwimmer zu — alles Andere ist meinem Gedächtniß entschwunden. Da schwamm Jonathan kräftig hin zu Hans, dessen Finger ich noch sah:, Jonathan packte ihn und schleppte ihn. Ich eilte zurück zu Vater; der trat eben hinter einer Badehütte hervor und sagte sehr ernst und ruhig: Ich habe zum HErrn geschrieen! Ich antwortete: Er ist gerettet! Als ich mich umsah, standen sie beide nahe am Strande im Wasser."

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Seinen Mitvater Andrae hat Knak mit seiner Gebetsruhe oft in große Unruhe versetzt. Derselbe schreibt mir: "Sein inniger intimer Verkehr mit dem HErrn, das Bedürfniß, nichts zu beginnen, was Ihm nicht erst ganz besonders vorgetragen war, hat mich früher oft ungeduldig, ja unzufrieden gemacht. Wie oft Z. B. wenn ich mit ihm oder allein abreisen wollte, und wenn es mir die allerhöchste Zeit schien, das Haus zu verlassen, sagte er ganz ruhig: So, nun wollen wir beten." Mehrere Male habe ich ihm erwidert: Gut, wenn du es durchaus willst, so wollen wir es thun, obgleich ich keinen Segen davon habe, denn es beunruhigt mich, daß wir dann unmöglich noch den Zug erreichen! Aber ich habe doch einen Segen gehabt, und niemals habe ich so einen Zug versäumt. Entweder begegnete uns, wo sonst keine Droschke zu haben war, plötzlich ein leerer Wagen, oder ein Bekannter bot einen Platz an; ein paar Mal hatte sich die Abfahrt des Zuges verspätet, kurz versäumt wurde nichts. Ich möchte nicht rathen, ihm dies nachzumachen; aber für ihn war es das Richtige, und später haben auch mich die durch ihn so veraulaßten Verzögerungen nie beunruhigt. Dieser innige Verkehr mit dem HErrn, dies Ruhen in Ihm war auch die Ursache des seltenen Vertrauens, das ihm überall entgegeugebracht wurde. Die Hohen der Erde, die auf ihren Thronen fitzen, wie die armen Bauersleute, suchten seinen Rath und seinen Zuspruch."

Ja, Knak war ein Kind, ein Kind Gottes und hatte Kiudes-.glauben und Kindesrecht. Deshalb konnte er so erhörlich beten.

45.

Krankheit und Genesung.

In seinen jüngeren Jahren hatte Knak öfters, und immer wieder seinem Karl geschrieben, wie er so gern sich verzehren möchte im Dienst seines Heilandes. Das waren nicht leere Worte und Vorsätze gewesen, sondern was der Jüngling sich als Ziel setzte, führte der Mann aus. Knak's mancherlei Arbeiten, die in der Gemeinde sowohl, als die großen über die Schranken des engeren

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Berufskreises hinausragenden, waren für ihn aufreibender, als sie für manchen anderen gewesen sein würden. Denn er bewegte jeden Gegenstand, der ihn beschäftigte, und jede Person, die er lieb hatte — und derer waren Viele — im innersten Herzen und vor Gottes Angesicht. Darüber geschah es denn recht oft, daß seine Kraft an ihren Grenzen angekommen war, und daß Nerven, Unterleib, Nierenleiden und heftige Kopfbeschwerden eine zeitweilige Ausspannung unumgänglich nöthig machten. Und da hat der HErr auf wunderbare Weise dafür gesorgt, daß die Mittel zu einer Bade- oder Erholungsreise, wofür die schwachdotirte Pfarre ja nicht hinreichte, niemals fehlten. Einmal kam der Cultus-Minister in eigener Person in das böhmische Pfarrhaus, um Knak die Nothweudigkeit einer Erholungsreise vorznstellen und ihm zugleich zu eröffnen, daß er für die Mittel selbst Sorge tragen werde. Bisweilen aber schickte der HErr die Genesung auch als besondere Gebetserhörung.

Unter dem 30. Juli 1859 schreibt Knak vom Seebad Rewahl aus an seinen Heinrich.

Den 5. Juli fuhr ich mit meinem theuren Haus, den der HErr seit Weihnachten in Gnaden zu Sich gezogen hat und der uns sehr viel Freude machte, voraus nach Stettin und mit dem Dampfschiff nach Cammin, wo ich über Nacht blieb bei dem theuren Wangemann. Es war der Fiebertag, aber es muß wohl viel für mich gebetet worden sein, denn mir war sehr wohl zu Muth bis an den Abend. Unterwegs ließ mich Johannes einen Spruch ziehen; ich zog den süßen: "Da ward Sein Name genannt Jesus"— in diesem Namen liegt mein Himmel und all mein Heil beschlossen für Zeit und Ewigkeit. Um 6 Uhr sollte das Fieber kommen — Johannes zählte die Minuten; als aber die Stunde vorüber war und das Fieber blieb aus, da kam mein Herzens-Johannes und hielt mir wieder sein Spruchkästlein hin; ich zog im Aufblick auf den HErrn und erhielt den Spruch: "Ich bin der HErr dein Arzt!" wobei ein seliger Schauer der Gegenwart Gottes durch meine Seele zitterte. Seitdem bin ich frei geblieben von dem Fieber und habe 8 Tage später es gewagt, in der See zu baden. Lobe den HErrn, meine Seele, und was in mir ist, Seinen herrlichen Namen! Er wird es auch Euch in Gnaden gedenken, daß Ihr so treulich für mich gebetet habt.

Freilich waren bei Knak weder Krankheiten noch Erholungs-Zeiten völlige Ausspannung von der Arbeit. Beide brachten ihre Besonderen Segnungen und Früchte für ihn selbst und für Andere.


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Einmal hat eine schlaflose Nacht im Jahre 1870, die er in einer^ längeren Krankheit einsam zubringen mußte, uns als Frucht das; nachfolgende köstliche Lied verschafft:

Wenn ich Nachts nicht schlafen kann,

Blick' ich auf den Schmerzensmann,

Der für mich so manche Nacht Hat durchbetet und durchwacht.

Vor mir steht Gethsemane Und das namenlose Weh',

Welches da Sein Herz durchdrang,

Als Er mit dem Tode rang.

O wie hat Er auf den Knien Sich um mich da müssen müh'n, Daß Sein blut'ger Arbeitsschweiß Floß zur Erden hell und heiß.

Seine Stellvertretershuld Mahnt mich ernst an meine Schuld» Die, wo Er sie nicht gebüßt,

Mich zur Hölle stürzen müßt'.

Wenn mein Herz daran gedenkt Und ins Liebesmeer sich senkt,

Und der Mann von Golgatha Tritt mir Selber fühlbar nah' —

Dann muß ich mich dankbar freu'n» Daß ich durfte schlaflos sein,

Weil ich Den im Geist erblickt,

Der mir Seel' und Leib erquickt.

Unter Seiner Gnadenhut,

Ganz besprengt mit Seinem Blut» Ties im Herzen Fried' und Ruh', Schließ' ich nun die Augen zu.


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Im folgenden Jahre 1871 in der Adventszeit erlitt Knak einen jähen Treppensturz, der ihn dicht an die Thür des Todes brachte. Er hatte eine Kranke besucht in einem ärmlichen Quartier mit sehr steiler Treppe. Beim Heimgange verfehlt er in der Dunkelheit die oberste Stufe, und stürzt, den Kopf nach unten, jählings herab. Die unteren Stufen waren von Stein, so daß nach Menschendenken es unmöglich war, daß er nicht den Kopf zerschellte. Aber unweit der letzten Stufen nahm der Körper eine plötzliche Wendung, daß der Hauptstoß nicht den Kopf, sondern die Schultern traf. Er mußte theils an den erlittenen Quetschungen, theils an der Nervenerschütterung leidend, längere Zeit im Bett bleiben. Aus diesem heraus schrieb er mit Bleistift an seinen geliebten Schwiegersohn Ernst Preuß die folgenden Worte:

Berlin, 16. Dezbr. 1871.

Meine süßen Kinder!

Vom Bette aus schreibe ich diese flüchtigen Zeilen mit wunderbarem Dankesgefühl gegen den übermütterlichen HErrn, der mein Leben vom Tode errettet hat. Ja, es war nur ein Schritt zwischen mir und dem Tode. Ja, ich durste während meines jähen Sturzes von der ziemlich steilen Steintreppe die Umarmung eines Engels erfahren, der mich armes Würmlein herumhob, damit ich nicht auf den Kopf, sondern auf die rechte Seite fallen möchte. O wie theuer ist Deine Güte, mein Gott, daß wir Menschenkinder unter dem Schatten Deiner Flügel sicher wohnen! Was Ps. 34 steht: Er bewahret ihm alle seine Gebeine, daß derer nicht eins zerbrochen wird — ist buchstäblich an mir erfüllt worden. O des treuen HErrn! Preiset Ihn mit mir und sagt auch Euren süßen Kindern, daß sie dem Heiland meinetwegen danken.

Einige Wochen später schreibt er:

die Hände gebunden hätte. Der getreue Erzhirte wollte aber Seinen armem elenden Knecht wieder einmal besonders nehmen und mit Trübsal heim--suchen, damit ich inne würde, daß es lauter unverdiente Gnade ist, wenn Er ein so elendes Werkzeug in Seine heilige Jesushand nimmt, und daß -Er dasselbe, wenn es Ihm gefällt, ohne Weiteres bei Seite werfen kann. Ich habe in Folge eines lebensgefährlichen Treppensturzes, den ich auf dem Wege zu einer kranken gläubigen Seele, die das heilige Abendmahl begehrte, in der Dunkelheit und, weil mir die Lokalität fast ganz unbekannt war, , am Sonnabend vor dem Todtenfest nach meines Gottes Rath und Willen erlitt, beinahe fünf ganze Wochen von Seiner Gnade in der Gemeinde schweigen müssen, und die Lektion, die ich lernen sollte, hieß: So ihr stille bliebet, so würde euch geholfen." Er hat mich gezüchtiget. aber Er gab mich dem Tode nicht;" auch hat Er mir nach Ps. 34 bei jenem schauerlichen Sturz "alle meine Gebeine bewahret, daß deren nicht eins zerbrochen wurde;" aber Er hatte mir eben etivas zu sagen und ich hoffe, ich habe Ihn verstanden und in der ernsten Schule auch ein wenig gelernt für die Ewigkeit, der ich ja näher und näher komme.

Der HErr hat ihn aber in solcher Gednldschnle nicht blos selbst geduldig sein gelehrt, sondern hat ihn auch tüchtig gemacht, Andere Geduld in Krankheiten zu lehren, wie dies auch der nachfolgende Brief bezeugt, den er an den Mann seiner Schwester Tochter (Hauptmann Louis Märker) schrieb, als derselbe in schwerer Krankheit darnieder lag. Wir hoffen» der Brief werde auch andere trösten;, deßhalb Heilen wir ihn mit.

Berlin, 2. Febr. 1873.

Berlin, 12. Jan. 1872.

Theurer in dem HErrn geliebter Bruder!

Der Herr Jesus Christus sei mit Deinem Geiste!

Mit diesem Segenswunsche begrüße ich Dich von Herzensgründe zum neuen Jahre und danke Dir im Namen des HErrn für alle Deine mir bisher erwiesene Bruderliebe und für alle Hülfe und Theilnahme, die Du unserem geliebten Bethesda auf Hongkong auch im vergangenen Jahre wieder erwiesen hast. Ich hätte Dir längst schon, nach meiner Gewohnheit, geschrieben, wenn nicht der HErr Selbst dazwischen getreten wäre und mir

Mein theurer Louis!

Mit Betrübniß höre ich, daß Du noch immer leidend bist und daß die-gehoffte Genesung noch immer nicht eintreten will. Wir tragen Dich auf betendem Herzen; aber wir wollen den großen Arzt der Seele und des Leibes noch ernstlicher anflehen, daß Er Seine Segenshand nach Dir ausstrecken und Sich durch Seine Hülfe an Dir und allen Deinen Lieben, verherrlichen wolle. Als ich im vorigen Jahre nach einem gefährlichen Fall genöthigt war, Wochen lang das Zimmer zu hüten, schlich sich die Ungeduld manchmal in mein armes Herz und es wollte mir zu lange währen; aber der treue Heiland brachte mich bald wieder zurecht und rief mir das Wort in die Seele: "So du stille bliebest, so würde Dir geholfen." Da bat ich Ihn um ein stilles geduldiges Herz und stellte es Ihm anheim, wann Er mir helfen wollte; und da wurde ich froh und konnte mit Seinem Wege zufrieden sein; denn Seine Gedanken über uns find lauter Gedanken des Friedens und nicht des Leides — das ist gewißlich»

wahr. Nun hat Er auch Dich einmal besonders genommen, mein Herzens-Lonis! und es ist Ihm bei Deiner Krankheit vor Allem um Deine theuer erkaufte Seele zu thun. Die möchte Er so gerne ganz zu Sich ziehen, denn Er hat unser Aller Herz so geschaffen, daß es nirgend anders Ruhe findet, n allein in Ihm. Seine Liebe hat uns erlöset mit dem kostbaren Löschende Seines Blutes, als Er am Krenzesstamme der ganzen Welt Sünde tn g und Sein Leben an unsrer Statt zum Schnldopfer dahin gab. Und dm lim sucht Er uns, wie ein Hirte sein verlornes Schaf, und kommt mit Luve und mit Leide und klopft bei uns an, ob wir uns nicht zu Ihm reyren und Sein Schmerzenslohn werden möchten. "Er harret darauf, di^ Er uns gnädig sei und hat Sich ausgemacht, daß Er sich unser er-balme!" O so richte denn Dein bekümmertes Herz zu Ihm, dem besten Fl unde empor, Du theurer Louis! und laß Dein Hauptbegehren Seine

0        >ude sein und die Vergebung Deiner Sünden durch Seinen heilbringenden

1        lusnamcn: "Denn Er heißet Jesus, weil Er Sein Volk soll selig machen von ihren Sünden." Gottlob, daß Er keinen hinausstößt, der zu Ihm kommt und freundlich ist der Seele, die nach Ihm fraget. Ja, wer Ihn von ganzem Herzen sucht, der findet Ihn und "wer den Sohn Gottes hat, der hat das Leben" und kann auch in der Trübsal singen: "Der HErr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln." Lebe wohl, Du theurer Freund! ich befehle Dich und die Deinen, die ich Alle von Herzen grüße, den treuen Händen Dessen, der den Elenden herrlich helfen und die Mühseligen und Beladenen gnädiglich erquicken will. Wie wollen wir uns mit Euch freuen, wenn bald gute Nachricht von Deinem Befinden kommt.

Lisbeth grüßt Dich und Euch Alle mit mir von Herzen. Liebe Dein Dich herzlich liebender Onkel

In treuer Gustav.

Die Erholungszeiten nach solchen Heimsuchungen und nach der Abspannung der Arbeitskräfte benutzte Knak in der ersten Zeit am liebsten zu Besuchen bei seinem lieben Moritz in Zarben und bei seinem "Herzeuskarl," später bei seinen verheirateten Kindern. Da konnte er der Ruhe, die der HErr Seinem lieben Knechte schenkte, mit inniger dankbarer Freude genießen: "O daß Ihr auch hier sein könntet (schreibt er einmal von Zarben aus an seinen Karl), in dieser lieblichen Einsamkeit, in dieser Friedenshütte, und wir mit einander den Namen Jehovah's preisen könnten, in dem der Liebe und der Freude Quell entspringt. Ich fühle recht, wie wohl mir die Ruhe thut für Leib und Seele, und wie sie mich unter des HErrn Segen stärken wird zur neuen Arbeit im Weinberge des HErrn!"

Köstlich war es ihm, ab und zu in das Haus feines Herzenskarl einzutreten. Dieser hatte seit dem 24. April 1856 sein geliebtes .Werder (bei Jüterbog) vertauscht mit einem neuen Wirkungskreis, der ihm in Falkenhagen bei Petershageu i. d. Mark vom HErrn überwiesen wurde, und hatte dort seine uns ans den früheren Mittheilungen bereits bekannt gewordene gesegnete Wirksamkeit fortgesetzt. Wenn nun irgend etwas Wichtiges zu thun, zu berathen oder mit einander zu genießen war, dann rief Gustav seinen Karl hinüber nach Berlin oder suchte ihn in Falkenhagen auf. Dabei kam einmal der merkwürdige Fall vor, daß Knak bereits am Schalter sein Billet gelöst und den Fuß in das Coups gesetzt hatte, als eine innere Stimme ihm sagte: Du darfst heute nicht fahren. Er sucht diese Stimme zu unterdrücken, sie kehrt aber immer wieder, und zuletzt mit solcher Bestimmtheit, daß Knak zum Schalter zurück-kehrt, und dort zu seiner eigenen Verwunderung das Geld für das gelöste Billet unbeanstandet zurück erhält. Was trifft er zu Hause?: Die dringende Bitte eines schwer kranken, ihm sehr lieben Gemeindegliedes, daß er doch sofort kommen und ihm vor dem fühlbar nahen Ende das heilige Abendmahl reichen möchte. Von dort zurückgekehrt, findet er in seiner Wohnung einen Freund, einen armen Pastor, Vater von dreizehn Kindern, der in bitterster Noth, um 25 Thaler verklagt, nicht aus noch ein weiß. Knak konnte sofort einen feiner wohlhabenden Gönner aufsuchen, der die 25 Thaler schenkt, und die Beiden können mit einander jubeln und danken. Erreichte aber Knak sein geliebtes Falkenhagen, dann konnte er sich so völlig glücklich fühlen bei feinem Karl. Das war ein idyllisches Ruheplätzlein, ein singendes und betendes Pfarrhaus, wie kein zweites.

Früh morgens wird der geliebte Gast, wenn es Zeit ist, bereits durch mehrstimmigen Gesang aus dem Schlummer geweckt. Dann geht es an das Harmonium zur gemeinsamen Andacht. Und im Laufe des Tages setzt sich der Hausvater gern hier und da an sein -Harmonium und entlockt demselben süße Töne in geheiligter Phantasie, oder er nimmt das liebe Bibelbuch vor, und überträgt das -Kapitel, das ihm der Gast wünschend vorlegt, oder den Psalm, der ihm selbst eben das Herz bewegt, in wunderbar schöne Melodien, die ihm der HErr in dem Augenblick ins Herz giebt. Zu Mittag singt der Vater mit all den vielen Gästen, die in dem

Hause kaum jemals fehlen, stehend um den Tisch herum vierstimmig das Gebet: "Komm, Herr Jesu, sei unser Gast, und segne, was du uns bcscheeret hast" —, jeder Gast findet neben seinem Couvert ein liebliches Blumensträußlein, und unter der Serviette einen kleinen, mit einem Bibelspruch bedruckteil Zettel, der wohl zur Unterbrechung der um die heiligen Neichsangelegeuheiteu sich bewegenden Unterhaltung, in einer lieblichen Kette von Allen der Reihe nach vorgelesen wird, wobei man oft staunt, wie treffend gerade dieser Spruch seinem Besitzer zugestellt war. Dann wird mit einander bei Tische gesungen und schließlich die Tafel wieder mit dem vierstimmigen Dank: "Wir danken Dir, Herr Jesn Christ, daß Du nufer Gast und Geber gewesen bist! Amen!" beschlossen. Am Nachmittag tönt es wieder von lieblichen Liedern, bis zuletzt der gefeierte und geliebte Gast, der bereits seine Ruhestätte gefunden hat, noch mit einem mehrstimmigen Liederoers, der vor seiner Thür erschallt, zur Ruhe gesungen wird.

Solche erquickliche Tage in dem singenden Pfarrhaus habe ich manche erlebt, die ich nie in meinem Leben vergessen werde. Und auch Gustav konnte sich so innerlich an der Liebe, die ihn trug, und den Gesäugen und Gebeten, die ihn umgaben, erquicken. So ging Gustavs Leben auch in späteren Jahren mit dem seines Karl Hand in Hand. Die lieben Kinder in Falkenhagen, insonderheit Karl und Marie, waren mit besonderen Gaben der Musik und Dichtkunst begabt und haben auch ihren Beitrag und Angedenken in dem "Neisepsalter" hinterlassen. Beide sind, gleich ihrer Mutter, in der Blüthe ihrer Jahre gestorben, Karl als Missionszögling in Basel. Dieser, in dem sich die musikalische Begabung der Straube'schen Familie besonders ausgeprägt hatte, hinterließ eine Darstellung von der Gewalt der Orgel, so wie eine Charakterisirung der verschiedenen Tonarten, mit welcher er das in Worte zu kleiden verstand, was andere wohl unverstanden in ihrem Herzen ahnten. Wir glauben bei der innigen Verflechtung der Knakschen und der Straubeschen Familie, und insonderheit da Straube ja die musikalische Hälfte des dichterischen Gustav war, es wohl verantworten zu können, und uns dabei den Dank manches musikalisch gebildeten Freundes von Knak zu erwerben, wenn wir dieses — nicht umfangreiche, höchst interessante Schriftstück in den "Zeugnissen" mit veröffentlichen (Nr. XI.II).

K>,ak. LAufl.        20

Die innige Liebe, welche Knak mit seinem Herzenskarl verband, hat ausgehalten bis an den Tod. Es war ein großer Trost füv Gustav, daß er sich der Fürbitte seines Karl jeder Zeit gewiß wußte: "An eure Fürbitte denke ich mit Freuden (so schreibt er an Karl 1852) im Gefühl meiner tiefsten Schwachheit und Untüchtigkeit. Ich weiß, Ihr arbeitet mit, wie Moses aus dem Berge, während Josua kämpfte."

Nach ernsteren Erschöpfungen freilich genügte ein Aufenthalt ) im Freundeshause nicht, da mußte eine ordentliche Badekur unternommen werden. Aber wohin Knak in das Bad ging, dahin nahm, i er auch einen Segen für die Badegäste mit.        !

Im Juli und August 1854 besuchte er die Wasserheilanstalt ' zu Schweizermühle bei Pirna im Bilaer Grunde. Von dort schreibt er gleich am ersten Sonntag nach seiner Ankunft seinem Karl: ; "Das war ein rechter Tag der Erquickung vor dem Angesicht des        -

HErrn, ein Sabbathstag, den der HErr gemacht hat. O, daß        !

ich doch überall, wohin ich komme, ein guter Geruch Christi sein möchte! Ob ich hier irgend einer Seele zum Segen werden darf?'

Ich weiß es nicht, aber ich sehne mich so sehr danach! Doch der i HErr muß es thun; meine Seele ist stille und wartet Seiner i Stunde!"— Schon wenige Tage später kann er seinem Karl berichten, daß der HErr ihm wunderbarer Weise einige Seelen zugeführt habe, die nach Ihm fragten. Ein Lieutenant v. W. ans R.        1

und dessen junge Frau wurden von der Gnade Gottes mächtig ergriffen: der Mann bestellte sofort eine Hirschberger Bibel, um weiter forschen zu können, und lud Knak dringendst ein, auf der ^ Rückreise nach Berlin in R. bei ihm Station zu machen. Auch der Badearzt, vr. H., wurde kräftig angefaßt und bat selbst Knak, ? daß er doch den Kurgästen alle Morgen eine Morgenandacht halten ! möchte. — Knaks Urlaub war nicht lang genug, um die Kur voll- ) enden zu können. Aber der HErr half auch hier wunderbar dadurch , daß die beiden treuen Kirchenvorsteher der böhmischen Gemeinde, Herr Schubert und Kropatschek, auf eigene Hand beim Consi- ' ftorium einkamen, daß dem stellvertretenden Prediger Frantz die Erlaubniß zur Verrichtung von Amtshandlungen ertheilt wurde»

Auf diese Weise hatte der HErr selbst wieder ohne sein Zuthuu dafür gesorgt, daß die Kur vollendet werden konnte.

"Im Jahre 1856 brachte Knak fünf Wochen in dem schwarz-burgrudvlstadter Vadeort Blankenburg zu. Ueber das, was dort sein Wort ausgerichtet, wie es rumort und darnach dennoch auch etliche Seelen als gefangene Fischlein dem HErrn eingebracht hat, berichtet der Pastor Unger in Gössitz (damals in Blankenberg) folgendes:

Im August 1856 kam ich auf einer Thüringer Reise eines Abends spät nach dem Badeorte Blankenburg bei Rudolstadt. Im Gasthof zuin goldenen Löwen einkehrend, fand ich im Gastzimmer viel Menschen, welche eine sehr erregte Unterhaltung mit einander pflogen. Ich hörte bald den Namen Knak zu wiederholten Malen nennen. "Nein, so ein Prediger ist mir noch nicht vorgekommeu; noch nie in meinem Leben habe ich dergleichen predigen hören." "Ich kann mich nicht genug verwundern, wie ein Berliner Prediger irr nuferer Zeit noch solche finstere Ansichten vor-trageu kann," rief ein Anderer ans. "Das war ja auch zu toll. Mai: sollte es nicht für möglich halten, in unserer aufgeklärten Zeit noch solche Dinge zu hören." "Das muß ich aber sagen," rief ein Dritter drein, "mir ist ganz warm geworden bei dieser Predigt. Der Berliner Prediger meinte es doch gut, er sprach so recht von Herzen und so liebreich, einige Mal wurden mir wirklich die Augen feucht." "Das mag sein, wie ihm wolle," fuhr ein Vierter darein, "er hat uns Alle schlecht gemacht. Wir thun, wie wir können, unsere Pflicht und Schuldigkeit; wie kann der Berliner Prediger uns so verdammen! Er kennt uns übrigens gar nicht, und wenn wir Alle unsere Fehler haben, so schlimm steht es doch nicht mit uns, wie er es machte." "Er hat aber sehr liebreich und herzlich von Jesu geredet." bemerkte wieder Einer "das muß ich ihm nachrühmen. Ich habe noch nie so herzlich von Jesu reden hören. Ich könnte den Prediger wirklich noch mehr hören. Ob er auch wohl in Berlin solche Predigten hält? Mich bat die Predigt so aufgeregt» daß ich die Nacht lange nicht habe eiuschlafen können." — Bis dahin hatte ich still zugehört. Nun ergriff ich das Wort und sagte: "Es ist hier von dem Pastor

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Knak die Rede, den kenne ich sehr gut, er ist mein lieber Freund; ich bin auch ein Prediger, nicht gar weit von hier, in Blankenberg, und ich muß Ihnen sagen, daß der Herr Pastor Knak nichts anderes predigt, als was in der Bibel steht. Das steht ja auf allen Blättern zu lesen, daß wir arme Sünder sind und verloren gehen müßten, wenn der Herr Jesus, der Sohn Gottes, nicht für uns eingetreten wäre, und daß wir nur durch den Glauben au den Herrn Jesum gerecht und selig werden können. Das predige auch ich sonntäglich." Jetzt trat ein älterer Herr mit einem weißen Halstuch aus dem offenstehenden Nebenzimmer herein und rief aus: "Meine Herren, das sind übertriebene und überspannte Dinge; ich bin auch ein Geistlicher und ich denke, ich predige auch Gottes Wort. Aber solchen finsteren Lebensansichten huldigt in meinem Lande Baden längst Keiner mehr. Da ist man doch humaner und schreckt die Leute nicht mit dem Teufel, wie der Berliner Prediger in seiner Predigt gethan hat. Es ist doch Mangel an Bildung, wenn man die Menschen geradezu verdammt." — Dadurch, daß ich mich des Pastors Knak angenommen und ihn muthig vertheidigt hatte, war ich Einigen interessant geworden, besonders dem Bade-arzte Fr., welcher an mich herantrat und sehr freundlich mit mir redete, mir auch sein Notizbüchlein reichte und mich bat, meinen Namen einzuschreiben, er werde einmal nach Blankenberg kommen und sich erkundigen» ob ich so lebte, wie ich predigte. Diese für mich sehr merkwürdige Unterhaltung der Badegäste über Knak war mir ein recht schlagender Beweis und Beleg dafür, daß Gottes Wort Rumor macht. Vielleicht hat es in dem Rudolstädtscheu Blankenburg lange nicht so rumort in den Herzen, wie nach der Predigt Knaks. Zwei Jahre später, 1858, kam ich zur Pastoral-Eonserenz nach Berlin und logirte bei Knak. Ich erzählte ihm von jenem Abend im Gasthof zum goldenen Löwen, wie seine Predigt in Blankenburg vor zwei Jahren gewaltigen Rumor angerichtet habe. "Ja, sagte er, lieber Bruder, der HErr hat Seinen Segen auf mein dortiges schwaches Predigen und Zeugen gelegt. Einige liebe Menschen haben mir dort warm die Hand gedrückt, besonders der Kaufmann N-, das ist eine theure Seele. Kommst du vielleicht bald wieder dort hin, dann möchte ich dich bitten, für ihn ein Büchlein mitzunehmen, das köstliche Beicht- um

Communioubüchlein der Gräfin Ludämilia Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt. Denke dir, diesen Schatz habe ich dort aus einem Winkel hervorgeholt, ganz vergilbt und vergessen, diese unvergleichlich herrlichen Gebete der theureu, ihren Jesum so innig liebenden Gräfin. Man hat sie mir mitgegeben, und da habe ich sie neu drucken lassen. Ich will dir ein Exemplar geben und auch eins für den lieben Kaufmann N. dort." Ich machte meine Rückreise über Blankenburg, um mich meines Auftrags zu entledigen, und lernte in dem Kaufmann N. einen lieben gläubigen Mann kennen, der mit großer Rührung und Bewegung vom lieben Herrn Pastor Knak sprach und bekannte, daß er ihm seine Erweckung und sein neues Leben durch Gottes Gnade zu danken habe."

So haben die fünf Wochen Badeerholung Knaks nicht blvs dem HErrn etliche liebe Seelen zugeführt, sondern uns auch das köstliche Beicht- und Evmmnnioubüchlein der Gräfin Aemilie Juliane wieder zugänglich gemacht, von welchem Knak nie anders, als mit dem dankbarsten Entzücken sprach.

Einen ganz besonders reichen Erntesegen aber haben ihm selbst und Vielen die Wochen eingebracht, die Knak im Juli 1857 in Bad Oeynhausen znbrachte. Er schreibt an seinen .Karl: "Der Balsam der Gemeinschaft lieber Kinder Gottes, deren hier eine ganze Anzahl ist. würzt Bad und Brunnen, und ganz ohne Verkündigung Seines süßen Wortes läßt der gute Hirte mich auch hier nicht sein; — und wo Er Gelegenheit giebt, wer wollte Ihm answeichen?" —

Er war noch nicht lange in Oeynhausen gewesen, als der HErr ihm zeigte, daß er nicht blos, um Segen zu empfangen, sondern auch um Segen zu vermitteln, nach diesem Ort gewiesen war. Eines Tages sieht er, als er einsam seinen Weg nimmt, über ein eisernes Gitter gelehnt, einen bleichaussehenden jungen Mann, in dessen Angesicht Verzweiflung sich abmalt. Derselbe blickt starr in die Fluthen, die unter ihm dahinfließen, und erschrickt, als er plötzlich von Knak liebevoll angeredet wird. Es muß ein langes herzeindringendes Gespräch gewesen sein, das die Beiden mit

einander pflogen, denn der junge Mann war von Stund an wie gefesselt an Knak, dem er später gestand, er sei eben im Begriff gewesen, sich in die Fluth zu stürzen. Als ein fröhlicher Christ hat er darnach, seines Heilandes gewiß, den Badeort verlassen.

Unter den Pastoren, die in jenem Jahre dort sich aufhielten, war auch der junge Pastor Wedepohl, der bereits im Jahre zuvor als Badeprediger die Rosen-Monate des heiligen Predigtamtes dort verlebt hatte. In diesem Sommer nun sollte er an einem Sonntag eine Bibelstunde halten. Er war gewohnt, zu seinen Predigten und Bibelstunden mit viel Gebet und Arbeit sich vorzubereiten, und fühlte sich dabei bisweilen etwas schmerzlich berührt, wenn Amtsbrüder in der väterlichen Absicht, dem jungen Anfänger zurecht zu helfen, bisweilen etwas scharf, auch wohl hart kritisirten. An jenem Abend kam er ziemlich erschöpft in die Kirche. Er hatte an dem Tage bereits Vormittags gepredigt und das Sakrament verwaltet, Nachmittags katechistrt und eine Reise von drei Stunden gemacht, und mußte, aus natürlichein Grunde diesmal nicht so sorgsam vorbereitet als sonst, vom Wageir unmittelbar in die Sakristei. Als er dort durchs Fenster schaut — o wehe! — fünf Pastoren kommen gerade auf die Kirche zu? Also fünf scharfe Recensenten! — Er erbat sich Freudigkeit und Segen vom HErrn und hielt dann in Gottes Namen seine Bibelstunde. — Als er von der Kanzel herunter kommt, richtig einer der Pastoren kommt direkt auf ihn zugeschritten. "Was wird der nun wohl zu kritisiren haben!" seufzte der junge Pastor. Aber stehe, der Prediger nimmt ihn in den Arm, giebt ihm einen Bruderkuß und spricht: "Dem HErrn sei Dank auch für dieses Zeugniß!" — Das war köstlicher Balsam in das junge Herz. Von jetzt ab war der Bund zwischen den Beiden geschlossen, der nicht blos Wedepohl, sondern auch Knak und insonderheit dessen Frau so viel Segen eingebracht hat. Einige Jahre später, als Wedepohl einmal die Festpredigt für den chinesischen Frauenmissionsverein in der Bethlehemskirche zu halten hatte, erschreckte Knak den jungen Bruder mit dem überraschenden Erbieten, ihn Du anzureden. "Nein, das geht nicht, stammelte dieser heraus, — ich bin ein viel zu junger Bruder!" — Nun, antwortete Knak, giebt es denn nicht in einer Familie auch ältere und jüngere Brüder? — "Nein, sagte

der andere, Sie können ja mein Vater sein!" — "Nun wohl, war die Antwort. Vater und Kinder nennen sich auch Du." — Kurz (so schreibt Wedepohl) kurz, ich war überwunden und fing mit dem Dn schüchtern an, bis es gut ging." —

Im Jahr 1858 hielt Knak gemeinschaftlich mit Volkening ein Missionsfest in Minden. Nicht weit von dort war Wedepohl .Hülssprediger in Hartum und wohnte in einem Colonatshause. Er war bereits für den chinesischen Frauenvercin erwärmt worden und wünschte, daß Knak auch nach Hartum käme, weil dort eine ganze Anzahl erweckter Landleute wohnte, die für die Mission ein warmes Herz hatten. Er sprach schüchtern seine Bitte aus. Er wagte nicht zu hoffen, daß Knak in das ganz arme Colonats-hänschen kommen und in demselben predigen würde. Indes; Knak sagte sofort zu. Doch wir lassen Wedepohl selbst weiter erzählen: "Alsbald wurde von Freunden ein schöner Kutschwagen geliehen, und in demselben giugs nach Hartum. Dort also bewohnten wir ein großes altes Colouatshaus, ganz nach alter westfälischer Weise eingerichtet, vorn ein großes Thor mit großen Flügelthüren, so daß man mit einem Fuder Heu hineiufahren kann, dann die große Tenne so lang wie eine Kirche und so breit, daß man mit einem Wagen darauf wenden kann, zur Rechten und zur Linken offene Viehställe, das Dach von Stroh, oben der freie Heerd, von wo der Rauch in die Höhe steigt, die Balken ganz schwarz färbt und sich rechts und links Ausgänge aus dem Hause sucht, denn ein Schornstein ist nicht da. Es war etwa acht Uhr Abends, als wir ankamen. Der Kutscher, mit den lokalen Verhältnissen unbekannt, fuhr auf eine Düngergrube vor dem Hause zu, die tief und voll Wasser war, und so wären wir fast vor der Hausthür verunglückt, wenn es der HErr nicht den nervigen Fäusten der Freunde, die schnell Zugriffen, hätte gelingen lassen, den Wagen fest zu halten und vor dem Sturze zu bewahren. Das Haus war dicht gedrängt voll Menschen, es war oben an den Stubenthüren und der schwarzen Heerdwand schön illuminirt; das Bild des Gekreuzigten dort aufgehängt, war mit vielen Lichtern umkränzt. Nach dem Gesänge mit Harmomumbegleitung. der kräftig in die Nacht hinausschallte, predigte Knak mit frischer Kraft und inniger Liebeswärme über Zachäus, was fast wörtlich paßte (nur die Maulbeerbäume waren nicht da), weil eine Menge: von jungem Volk oben über den Viehställen ihren Platz erwählt hatten. Nun nahm der theure Bruder mit all unserer Armuth vorlieb, das Kämmerlein, in welchem er von dieses Tages drei! Predigten (und viel Predigen macht den Leib müde) und Reisen ansruhte, kann nicht ärmlich genug gedacht werden. Da bewies er, wie so oft bei den Reisen in Westfalen, wo er so oft auf einem Ackerwagen auf einem Sack voll Heu sitzend (denn anders waren diese unchaussirten Bergwege mit ihren tiefen Geleisen und' ihren vielen Kieselsteinen nicht zu passiren), mitten zwischen einer fröhlichen Schaar von Landleuten von einem Festorte zum andern gebracht wurde: Ich kann hoch sein und kann niedrig sein. Da waren viele Herzen in der Gemeinde Hartum warm geworden. Am nächsten Tage kam sofort einer, der bis dahin ein Widersacher gewesen war, und brachte einem andern einen Beitrag zun; Gehalte eines Hülfspredigers. und im Pfarrhause hatte morgens eine zukünftige Diakonissin ihren Koralleuschmuck, den sie bei der Konfirmation neu empfangen hatte, bei Knaks Neiseeffekten niedergelegt. Von da an nahmen die Leutlein innigen Antheil an allein» was das Findelhaus und auch Knaks Haus betraf. Jetzt sangen sie das Lied dieses Sängers noch viel lieber auf der großeil Tenne-am Sonntag Abend bei den öffentlichen Hausandachteu. Mit Freuden kam einer und erzählte, wie er hinter einem andern, der bis dahin ein stolzer Pharisäer war, unbemerkt hergegangeu sei und gehört habe; wie er still für sich gesungen habe: Laßt mich gehen. Als die Chinesin Ahow in Berlin getauft wurde, schriest ihr ein Mädchen (die nachher Diakonissin wurde und jetzt auch schon: beim HErrn ist) einen Gratulationsbrief im Namen der übrigen Kinder, und die Gemeinde sandte ein Pathengeschenk von vierzehn Thalern, wozu siebzig fröhliche Geber beitrugen.

Nachdem Wedepohl nach Exter als Pastor versetzt war» mußte Knak alle Jahre auch nach Exter. Im Jahre 1862 kam er zum ersten Mal. Wedepohl schreibt:

"War das ein Festtag! — Die Kirche war viel zu klein. Des Presbyters Königs großes Colouatshaus neben der Kirche war von der treuen Frau Friederike und den Ihrigen auch zu einem schönen Gotteshause eingerichtet. Da wurde an zwei Orten zugleich gefeiert, Morgens und Nachmittags, da mußte denn der Theure stets zweimal hinter einander predigen», in der Kirche und irn Hause, also viermal au einem Tage, es flosscn Ströme des lebendigen Wassers von seinem Leibe; aber auch des Schweißes sehr viel, daß es eine besondere Gnade des HErrn war, daß er immer so gesund davon kam. Wie wurde das Feuer des HErrn angczündet, wie entbrannten die Herzen in Liebe zürn Heilande, und er selbst bekam seinen guten Theil mit. Wie ist der Mann in Erter geliebt! Wenn der unser Pastor wäre! sagte ein Jüngling, der, obwohl von Gott stark geschlagen», hart widerstrebte, dann bekehrte ich mich auch."

Seit 1855 trat Lemgo mit iu die Reihe der Orte, die Knak in Westfahleu zu besuchen pflegte. Als er das erstemal dort am Souutag Vormittag predigte, hatte das dortige Wiukelblatt mit seinen Schmähungen und Verdächtigungen dafür gesorgt, daß die Kirche gedrängt sich füllte. Juden kamen und Judengenossen. Mau hatte sich auf einen schönen Spaß präparirt. Aber die würde- und liebevolle Erscheinung ließ die Bosheit sich schämen und Biele wurden iu innerster Seele erquickt. Anderthalb Stunden voll Lemgo bildete sich eilt kleiner Verein für Bethesda-Hongkong. Nachmittags giugs dorthin — nach Heiden — und er predigte dort vor Freund und Feind. — "Die armen Juden!", sagte er einmal. "sie gehen verloren, wenn sie sich nicht zum Herrn Jesu bekehren." Es war ein halb Dutzend Juden iu der Kirche, — die gaben hernach ihr Missiousopfer mit den übrigen, haben sich auch nicht beim Cultusmiuister auf Grund des Kauzelparagrapheu beschwert oder über eine "Judeuhetze" Lärm gemacht. Die Reisen in Westfahleu waren zumeist, namentlich als Knaks Jahre zuuahmeu, recht beschwerlich. Die gewöhnliche Reise war, drei Meilen Landweg von Herforst nach Lemgo, dann von dort nach Heiden, dann nach Exter und Hartum. Einmal auf einer Fahrt von Oldendorf nach Exter saß er auf dem Wagen einer reichen Bauernfrau, die einen eigenthümlichen Schwarmgeist hatte und den Pastoren die Wiederkunft Christi verkündigte. Sie hielt dies für ihren besonderen Lebensberuf. Knak versuchte ihr unterwegs ihre Thorheit deutlich zu machen. Sie wurde empfind-' sich und platzte endlich heraus, er wisse doch, daß das ihr Wagen sei und sie ihn aus Liebe fahre. Da trat ihr Knak aber sehr ernst entgegen und sprach: "Aber, liebe Frau» Sie bedenken wohl nicht» daß es eine Ehre für Sie ist, einen Knecht des HErrn Jesu zu: fahren. Wenn Sie denken, ich müsse um Ihrer Wohlthat willen

Ihnen die Wahrheit verschweigen, so werde ich sofort hier aus dem Felde aussteigen und lieber zu Fuße gehen! ", worauf jene besänftigt bat, er möchte doch weiter mit ihr fahren.

Sein liebes Exter, Lemgo und Hartum find ihm aber allezeit liebe Orte geblieben, wohin er gerne zurückkehrte.

Seitdem sein Schwiegersohn Preuß Pfarrer in Düuuow ; bei Stolpmünde in der Nähe des Ostseestrandes geworden war, K wurde dieser liebe Ort für deu alternden Vater Badekur- und ( Erquickungsort zugleich. Seine übrigen Kinder pflegten auch wohl ^ dort hinzukommen, und er wurde von deu Lieben gepflegt und auf Händen getragen. In dem benachbarten Stolpmüude pflegte er das Seebad zu benutzen, zuerst warm, dann bis in sein siebzigstes : Jahr hin kalt; dazu trank er Vichy-Brunnen. Dabei gönnte er ( sich ganze volle Erholung und wurde mit deu Kindern ein Kind ' und mit den Enkeln ein ganz kleines Kind. Wie reichlich er dort ) die Großvaterfreuden genossen habe, das haben wir oben (Kap. 42) erzählt. Dieses liebliche Familienglück war seine letzte irdische § Freude. Unmittelbar aus demselben heraus ging er, wie wir später sehen werden, in die himmlische Gemeinde nach Hause, dorthin, wo es keine Krankheit und Ermattung mehr giebt.

46.

Erweiterung des Arbeitskreises durch Vereine, Schriftstellerei, Correspondenzen, Missionsfestreisen, Einstuß auf Amtsbrüder.

So weit umfassend die Kreise waren, in denen nach den vorstehenden Mittheilungen Knak seine einschneidende Wirksamkeit entfaltete, so ist mit ihnen doch nur der engere Umfang seiner reichen Geistesthätigkeit angegeben. Sein für alle Interessen des Reiches Gottes warm schlagendes Herz konnte ihn nicht kalt lassen gegen -irgend welche gemeinsame Thätigkeit zur Bekämpfung vorhandener

Schäden oder zur Auffindung neuer Lebensadern, oder zur Los-machung neuer Kräfte im Reiche Gottes. Während er also seinen alten Vereiusverbiudungen völlige Treue hielt, namentlich die Versammlungen der lutherischen Vereine iu Pommern, Sachsen, Schlesien und der Mark besuchte, auch für die Abhaltung besonderer Infam-meiikünfte iu Berlin seinen böhmischen Betsaal oder sein eigenes gastliches HauS allzeit offen erhielt, während er auf den freieren Pastoral-Eoufereuzcn zu Berlin und Guadau durch seine Gebete und durch Mittheilung eigener Lebenserfahrungen vielfache Anregung bot, trat er in das Comitö fast aller kirchlichen Vereine, die während der ersten fünfzehn Jahre seines Wohnens in Berlin entstanden und bestanden. Und er war in deu Comiles kein stummes Mitglied, sondern legte überall seine geprüfte Lebensweisheit und sein durch den beständigen Gebetsverkehr mit dem HErrn geheiligtes und geweihtes Urtheil, das oft fast wie durch einen feinen geistlichen Takt, ja ich möchte sagen Instinkt klar das richtige traf, in die Wagschaale, und nicht selten mußten Männer von viel schärferem Verstand, größerer Gelehrsamkeit und praktischerer Hebung und Gewandtheit zugesteheu, daß Knak mit seinem kindlich-lauteren Sinn tiefer geschaut hatte, als sie mit ihrem gelehrten Wissen. So war er Mitglied des Comitös der Berliner Missionsgesellschaft, des Männer-Vereins für die chinesische Mission, der Juden-Missionsgesellschaft, des Männer-Kranken-Vereins, Vorsteher der sieben Goßner'scheu Meinkinderbewahranstalten, Mitvorsteher der Bibel- und Traktat-Gesellschaft und mancher anderen Vereine, deren Bestrebungen er mit der ganzen Hingabe seines Jesum liebenden Herzens zu befördern suchte. Daß er nicht in das Kuratorium des Goßner'scheu Missions-Vereins eiutrat, war nicht seine Schuld. Wir werden den Grund späterhin aus Knaks eigenem Munde hören. In deu; Eomitö der Berliner südafrikanischen Gesellschaft aber ist Knak mit ganzem vollen warmen Herzen thätig gewesen und hat demselben die allerwesentlichsten Dienste geleistet bis an sein Ende. Ebenso umfaßte er mit ganzer voller Liebe, die sich auch durch die mancherlei trüben Erfahrungen nicht beirren ließ, das Werk der Judenmission. Er pflegte die Juden unser Brudervolk zu nennen, und es war ihm Herzens- und Gewissenssache, dem Volk, aus dem der Heiland der Welt dem Fleische nach stammte, und das Ihn an das Kreuz ge-


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schlagen hat, den Segen des Kreuzes nachzutragen. Seine letzte: Festpredigt sür die Judenmission in Berlin hat er noch in seinem-Todesjahr gehalten. Die Wege der sieben Goßner'scheu Kleinkinder-' bewahranstalten betrieb er mit besonderer Vorliebe. Er verkehrte: so gern mit den Kleinen. Diese Thätigkeit erwarb ihm aber auch-zugleich die Achtung und das Vertrauen der hohen Protektorinnen, dieser Vereine, der Königin Elisabeth und der Kaiserin Angusta, und gab ihm auf diese Weise ein Pfund in die Hand, welches er" ^ bei geeigneter Gelegenheit, wo es galt, wichtige Interessen des-Reiches Gottes zu fördern, wohl auszunntzen verstand.

Einen sehr bedeutenden Theil seiner Zeit verwandte Knak aus' seine Korrespondenz, die sich über einen weiten Umkreis erstreckte.. > Durch seine Missionsfestvorträge war er in weitesten Kreisen bekannt,. < und hatte das Vertrauen des weitgrößesten Theils seiner Hörer in.! dem Maße erlangt, daß sie gern mit ihren Herzensanliegen sich an: ihn wandten. Wollte man das Material, das hier vorliegt, anch> nur in den Hauptzügen verarbeiten, so würde sich sehr leicht ein. sehr köstliches Lebensbuch und ein geistlicher Führer Herstellen lassen», von dem noch heute Hunderte würden Segen schöpfen können, die-Knak persönlich kennen zu lernen nicht Gelegenheit hatten. Wir-haben uns beschränken müssen» in den "Zeugnissen" nur eine kleine-Auswahl zu geben von Trost-, Ermahnungs-, Aufmuuteruugs-, Warnungsbriefen für Kranke und Gesunde, Suchende und Sichere.. Das ist aber das Eigentümliche > was sich bei all den Hunderten:: von Briefen Knaks, die der Herausgeber dieser Lebensbeschreibung:, gelesen hat, wiederholte, daß jeder Brief, den er schrieb, — und wenn er die äußerlichsten Dinge zur Veranlassung hatte, etwas-Geistliches, und zwar aus der Tiefe heraus, mitbrachte. Die meisten Briefe, auch die kürzesten, athmen Freude und Dank vor Gott, und geben dem Leser geistliche Richtung, und Zwar ganz, ungesucht und natürlich, so daß man merkt, der Schreiber spricht aus dem Element heraus, in dem er beständig lebt. Ueberall fühlt: man sich umweht von der Liebe zum Herrn Jesu und zu den Brüdern».. überall erkennt man die ungeheuchelte Demuth und das liebewarme Herz, überall wird man wohlthuend berührt durch die gesalbte»

wirklich heilige Sprache auch auf der kleinsten Korrespondenzkarte. Wie Knak überall, wo er in eine Gesellschaft trat, eine geistliche Atmosphäre um sich verbreitete, so duftete aus seinen Briefen überall ein süßer Geruch Gottes, ein Duft des Friedens und des Lebens in Gott.        ^

Ein Schriftsteller im eigentlichen Sinn des Worts ist Knak nie gewesen. Seine Predigten (ein Jahrgang über die Evangelien, einer über die Episteln), die gedruckt vorliegeu, sind den gehaltenen uachgeschrieben. Zu seinen früheren Gedichtsammlungen fügte er im Jahre 1850 eine kleine Nachlese "Liebe um Liebe," in welcher die schönsten seiner Lieder, z. B. "Laßt mich gehn," und: "Wenn Gottes Winde wehen," abgedruckt sind. Die schönsten von Knaks Liedern, 82 an der Zahl, sind in Straubes Neisepsalter abgcdruckt. Seine Lieder entquollen ihm aus seinem überströmen-dcn Herzen, entweder bei besonderen Veranlassungen, oder wenn er auf Reisen allein im Wagen sitzend, sich ungestört von den Aufgaben und Arbeiten seines Berufs in die Liebe des HErrn versenken konnte. So faßte ihn einmal, als er am Ostseestraud einsam sich erging, und dabei: "Schönster Herr Jesu" sang, angesichts des weiten Meeres die heilige Gluth der Begeisterung, daß, als das Lied beendigt war, er fortfnhr zu singen:

"Groß, hehr und mächtig,

Wunderbar und prächtig Ist des Meeres dunkle Fluth.

Jesus ist größer,

Er, des Meeres Schöpfer,

Der uns erkauft mit seinem Blut!"

So hoch begabt er selbst als geistlicher Liederdichter war, so schien er auf die eigenen Gedichte gar nicht viel zu geben. Er sang sie und gab sie und gebrauchte sie, wie der Vogel sein Lied singt zur Ehre des HErrn, ohne weiter darüber zu reflektiren. Dagegen von anderen Dichtern sprach er dann mit Begeisterung; Knapp und Spitta und Zinzendorf konnten ihn in Entzücken versetzen, und unvergleichlich schön verstand er es, die Lieder in Gesellschaften vorzulesen, deren Schönheit erst durch sein Lesen zu rechter Geltung gebracht wurde. Hatte er aber Gelegenheit, einmal solche Gedicht-

sammlung oder ein anderes werthvolles Buch zum ersten oder zunL neuen Abdruck zu bringen, dann war das ein Jubelfest für ihn.

So gab er die Gedichte des Ministers v. Pfeil wieder heraus, und das Beicht- und Communionbuch der Gräfin Aemilie, Juliane vom Schwarzburg-Rudolstadt. Ganz besondere Freude aber hatte ev au den zarten, sinnigen Liedern einer deutschen Dame aus Rußland» die er unter dem Namen "Maiblumen" herausgab, Lieder, die wirklich ; duften, wie ein frischer Maiblumenstrauß. Da die Dame den Er- , i trag für diese Sammlung der Verwendung Knaks überließ, so ) o stiftete er eine eigene Maiblumenkasse, die bei den wiederholten ) o Austagen, die das Büchlein erlebte, sich recht erfreulich füllte. Das- ^ ( Geld wurde für die Heidenmission verwandt.        ^

         ^ ^

Die Hauptthütigkeit Knaks aber gehörte nicht der Arbeit mit s der Feder, sondern dem Zeugniß der unmittelbar sich gebenden ^ Persönlichkeit an. Deshalb sind besonders seine Missiottsfest-- ! reisen von einem ganz unberechenbaren Segen für Viele geworden ^ durch alle Provinzen des Vaterlandes. Wie viel sie für Pommern und die angrenzenden Theile der Neumark waren, haben wir bereits im dritten Abschnitt unserer Biographie dargelegt. Seit Knak nach Berlin übergesiedelt war, dehnten sich diese Reisen sowohl, als der ^ an sie sich knüpfende Segen über sämmtliche Provinzen des Vater--landes aus. Wir haben bereits oben gesehen, wie die General- ! Visitationen in Schlesien und Preußen ihm die Wege nach diesen beiden Provinzen, und eine Badekur den Weg nach Westfahlen geöffnet hat. Als sein Name bekannter wurde, wollte inan ihn überall ^ haben; man rief ihn nach dem Warthebruch, nach der Provinz Sachsen, der Uckermark und den übrigen Theilen des preußischen Vaterlandes. Die Namen Langenweddingen, Schwufen, Ober--Weistritz, Neu-Mecklenburg, Lorenzdorf, Bagemühl, Wallmow» Ratzebuhr, Bahn, Langenbielau, Schönfließ, Breitebruch, Költschen» Wobbermin, Rosenthal, Magdeburg, Praußw. geben nur eine kleine ganz unvollständige Auslese der Ortschaften, die wir in seinen Briefen erwähnt gefunden haben. Es kam einmal vor, daß wäh- ^ rend er an zwei hinter einander folgenden Sonntagen daheim zwei Predigten zu halten hatte, er die Tage der Woche mit sechs Missionsfestpredigten ausfüllte.

Aber auch bei den Missionsfestrcisen haftete der Segen nicht blos an seinen Predigten, sondern an seiner ganzen Person. Schon die Reise selbst brachte oft ihren besonderen Segen, wie z. B. die Heimreise vom Jastrower Missionsfest, über welche er unter dem 8. Sept. 1858 au Wittenberg berichtet:

Wir haben eine köstliche Reife gehabt; unser Postwagen war von Jastrow ab eine fahrende Kirche. Die Gnadenarbeit an dem Herzen des l. v. P. ist wohl unverkennbar. Der heilige Geist erinnert ihn an Alles, was er in seiner Kindheit aus dem Munde des theuren Görcke gehört. Auch das Dienstmädchen, welches mit uns fuhr, schien eine ernstlich all-gefaßte Seele zu sein. Das Fest hatte die Herzen mächtiglich bewegt — auch v. P.'s Schwester und Schwager haben einen liefen Eindruck empfangen, so daß der letztere, obwohl mehrmals dringlich aufgefordert, sich doch nicht hat entschließen können, jenen Ball zu besuchen, dessen wilde Musik wie eill Geheul des erbitterten Teufels in unseren Ohren klang. Es hat den Doctor vielmehr innerlich empört, daß solche Störungen des festlichen Tages geduldet wurden. Wer weiß, ob diese Seele nicht bald ins Netz des Evangeliums kommt und — ich wünsche Dir von Herzen diese Freude» Du theures Herz! Bruder Warnitz, mit dem ich auf's Innigste verbunden worden bin, hielt uns, nachdem wir Jastrow im Rücken hatten und dem HErrn zu Ehren ein Loblied angestimmt, eine köstliche Morgenandacht über die Worte: Daran haben wir erkannt die Liebe, daß Er sein Leben für uns gelassen hat und wir sollen auch das Leben für die Brüder lassen. Wir beteten mit einander, sangen wieder und waren sehr froh und selig in dem HErrn Jesu. In Schneidemühl schrieb v. P. noch einige Zeilen mit Bleistift an seine Schwester Marie, die im Siechenhause Bethesda ist, und die ich sehr gut kenne, und gegen 1 Uhr trennten wir uns mit Lob und Dank gegen den HErrn. Br. Warnitz und v. P. reisten noch bis Br. mit einander.

Als ich ins Coups trat, fiel mir ein junger Mann, der mir gegenüber saß, außerordentlich ins Auge. Man konnte es ihm ansehen, daß er Talent besaß, auch einen gewissen natürlichen Adel hatte, wiewohl er auch seine Friedlosigkeit nicht verbergen konnte. Es entspann sich zwischen uns. ein Gespräch, das wieder abgebrochen und dann auch wieder angeknüpft wurde — und er schüttete mir allmählig sein Herz aus. Der arme junge Mann kam mir vor wie jener Unglückliche, der auf dem Wege von Jerusalem nach Jericho unter die Mörder gefallen war, und lag da blutig halb todt. Er hat allen Glauben verloren und Satanas zog ihn mit Windesschnelle dem Abgrund entgegen. Jetzt war er im Begriff, als Schauspieler in einer kleinen Stadt sich sein Brod zu verdienen; das Engagement dazu-hatte er bei sich und zeigte mirs. Ich schauderte und er selbst fühlte meinen inneren Widerwillen dagegen. Seit seiner Einsegnung ist er nicht zum.

Heiligen Abendmahl gegangen, vielleicht auch nicht zur Kirche. Ich bat ihn, um Montag zur Kirche zu kommen, und er versprach es halb und halb; auch versprach er, mich am vorigen Montag besuchen zu wollen. Ich mußte viel für ihn seufzen. Er kam wirklich am Montag — ich konnte ihm ernstlich zu Herzen reden; und er ging am Montag Nachmittag mit in die Missionsstunde, die Prochnow hielt —; gestern war er wieder hier und will bleiben — wir hoffen, ihm eine Stelle zunächst als Schreiber zu verschaffen. Die Bruderliebe, die er von noch einigen meiner Freunde genossen, ist ihm wie eine glühende Kohle aufs Herz gefallen.        )

O helft beten, daß der Unglückliche gerettet und ein Werkzeug der - Gnade Gottes werde zum Dienst in Seinem Weinberge.

Lebt wohl! — Ich danke Euch innigst für Eure Liebe. Grüßt Alle, die unfern HErrn Jesum und Seine Erscheinung lieb haben. Behaltet lieb        ^

Berlin, 8. Aug. 1858.        Euren getreuen Bruder s

Gustav.        ^

Einen Segen trug Knak. wohin er kam, mit sich in das Hans,        j

das ihn beherbergen durfte. Man freute sich und erbantc sich an        .

ihm schon durch die Weise, wie er in ein Haus eintrat. Es war,        -

als käme en: Friedensbote, der Reiches mitbringen mußte. Er hatte etwas Verklärtes in seinem Auge und Angesicht; die tiefe, barmherzige Liebe, die sein Herz durchdrang, machte, daß man sich wohl fühlte in seiner Nähe; namentlich jüngere Familienglieder hatten schon davon ihren Segen, wenn sie ihn blos aus der Ferne ansehen I durften. Wie viel mehr war es aber, wenn er dann einige jener gesalbten Worte an einen Jüngling oder eine Jungfrau richtete, die diese nie in ihrem Leben vergaßen! "Für meine liebe Frau und Kinder, so schreibt mir ein Pastor, war es allemal ein Fest, wenn sie ihn sehen durften. Es war auch ein Strahl aus geöffnetem Himmel, die Offenbarung eines wiedergeborenen Herzens, ein Abglanz der Freundlichkeit unseres Heilandes!" Ein anderer Pastor schreibt mir, daß er als Jüngling von Knak dei: Rath erhalten habe, er solle sich bei allen Dingen sragen: "Gefällt es Dir, lieber Heiland, oder gefällt es Dir nicht!" Der Rath habe ihm großen Segen eingebracht in seinem Leben. Ein anderer Pastor schreibt mir, daß in seinen Gymnasiastenjahren zu Stettin das immer seine schönsten Abende gewesen seien, wenn Knak einmal beim Buchhändler Weiß eingekehrt sei. "Ich war froh, wenn ich ihn nur von fern ansehen konnte! Allemal wirkte seine Gegenwart auf mich, wie eine Büßpredigt: Warum kannst du nicht auch so

sein, so freudestrahlend?', und wie eine Erquickung, denn ich sah, daß Alles allein auf die Gnade ankomme." Als derselbe Jüngling später nach Berlin kam, wurde Knak sein Beichtvater. Er erzählt von den gesegneten Gesprächen, die er damals mit ihm führen durfte. Von einem Beichtgespräch berichtet er: ""Er fragte nicht viel, er drängte nicht auf methodistische Bekehrung, sondern sagte vielmehr: "Du bist nicht dankbar für die vielen empfangenen Gnaden. 'Wer Dank opfert, der preiset mich, und das ist der Weg, daß ich ihm zeige das Heil Gottes. Die Freude im HErrn ist meine Stärke.'" Ich hatte eine ernste Strafrcde erwartet, aber wie viel tiefer schnitt diese Weise ein!"" Von gewaltsamem methodistischem Andrängeil war er überhaupt kein Freund. Er wollte dem Worte allein die Ehre lasseil und dem heiligen Geist, das Herz sür den HErrn zu gewinnen. Als einmal einer der Studenten, die sich bei ihm zu versammeln pflegten, mit krampfhafter Erregung seine Buße bekundete, berührte ihn das sehr unangenehm.

Eine besondere Weihe wußte Knak den geselligen Versammlungen nach der kirchlichen Feier der Missionsfeste zu geben. Es war fast unmöglich, daß der leichtfertige gesellige Ton, in den namentlich jüngere'Pastoren in unseren Tagen so leicht verfallen, daß sie die edle Zeit mit Scherzen und Anekdoten und Besprechung weltlicher Angelegenheiten ausfnllen, lange anhielt, wo Knak in der Gesellschaft war. Während anfangs der Eine dies, der Andere das mit seinem Nachbar zu sprecheil hatte, und auch Knak einfach mit seinen Nachbarn das Gespräch führte, verstummten nach und nach die Zwiegespräche der Andern von selbst, und bald hing Alles an dem Munde des Einen, der nicht etwa durch lauter gesprochenes Wort, sondern durch seine fesselnde Erzählungsweise zum Aufhorchen trieb, so daß nicht selten Alle durch Knaks Wort sich so gehoben fühlten, wie in einer Weihestunde, die man sollst nicht so leicht im Freundeskreise erlebt.

Nicht selten kam es auch vor, daß, wenn er aus der Kirche trat, Männer und Frauen mit Thränen im Auge ihm dankten, oder ihn noch um ein besonderes seelsorgerisches Zwiegespräch baten, oder (namentlich in Orten, wo er öfter gepredigt hatte) ihn einluden, diesen oder jenen Kranken zu besuchen. Und wie gern leistete er solcher Einladung Folge, und wie viel Samenkörner mögen da ausgestreut sein, deren Ernte bereits in die ewigen Scheuern ein-

Knak. LAufl.        21

gesammelt ist. Es war ihm aber fast unmöglich, solche Einladungen abzuschlagen, er mochte so matt oder abgespannt sein, wie er wollte.

Einmal hatte er in Conradswaldau gepredigt. Nach dem Gottesdienst überbringt ihm die junge Comteß aus O.-Weistritz einen Gruß von ihrer durchlauchtigen Frau Mutter mit der dringenden Bitte, doch auf der Reife in O.-Weistritz vorznsprechen» woselbst diese theure Frau durch Krankheit an die Stube gefesselt war. Knak glaubte, bei seinem bereits mehr als genug besetzten Reiseprogramm, diese Bitte nicht erfüllen zu dürfen, lieber seine abschlägige Antwort traten der Comteß, die der geliebten Mutter so gerne die Erquickung eines seelsorgerischen Besuchs des theuren Gottesmannes gegönnt hätte, die Thränen in die Augen. Knak reiste ab; aber als er mit seinem Begleiter auf dem Wagen saß, blieb er eine Zeit lang ganz still; dann sprach er plötzlich: "Die Thränen der Comtesse bannen mich; ich muß den Umweg machell und die Frau Gräfin besuchen!" Und so that er.

Wenn er auf Misstonsfcstbesuchen mit seinen Amtsbrüdern im Garten spazieren ging, so hat mancher auch dort seinen Segen empfangen. Ein Pastor schreibt: "Einmal, als ich noch Kandidat war, und ich mit ihm und einem Dritten im Garten auf und ab ging, blieb er plötzlich stehen, hielt uns Beide an der Hand und sprach mit einer unaussprechlichen Freude: "O was haben wir doch für einen herrlichen Heiland! Man bedenke: Umsonst! Ans lauter Gnaden! O wer doch erst recht danken könnte!" — Die Beiden waren tief ergriffen. In ähnlicher Weise hat er auf Viele einen tief gesegneten Eindruck gemacht. Vor mir liegen eine ganze Allzahl von Zuschriften von Pastoren, Candidaten, Missionaren (unter anderen auch des Miss. Heese ans Riversdale), die bekennen, daß sie die erste Anregung zu einem Leben in Gott oder zur Wahl ihres geistlichen Berufs von Knak auf Missionsfesten erhalten haben.

Der Segen, der von Knak ausging bei solchen Missionsfesten» erstreckte sich auch bis auf seinen Schlaf. Da bei seiner Nervenschwäche ein ungestörter Nachtschlaf ihm Lebensbedürfniß war, und Nothwendigkeit, wenn er am andern Tage frisch sein sollte zur Predigt, so war ihm nichts unlieber, als wenn er einen Schlafkameraden hatte, der hörbar schlief. Daß ihm selbst dies auch ab        !

und zu begegnete, davon hatte er keine Ahnung. In einer Nacht.

kann aus gedachtem Gründe sein Schlafkamerad (P. E- Quandt) nicht einschlafen. Knak schläft bereits ganz fest und ganz vernehmlich. Da plötzlich hält er inne, wird ganz stille und spricht im Schlaf: "O du mein süßer Herr Jesus!" — dreht sich um nnd schläft weiter. Sein Schlafkamcrad hat von diesen Worten einen solchen Segen gehabt, daß ihn es nicht gereut hat, in seiner Nachtruhe ein wenig verkürzt gewesen zu sein.

Der größte Segen der Missionsfeste knüpfte sich freilich an die Predigten selbst. Da predigte schon das Angesicht des Redners. Stieg er auf die Kanzel, selbst noch erfüllt von dem Zwiegespräch mit dem HErrn, das er in der Sakristei gehalten hatte, dann konnte mall nicht selten sein Angesicht leuchten sehen, wie von Mosis Glanz. Einmal (so wird uns berichtet), als er in Siegroth predigte, vermochte er im Anfang nichts hervorzubringen, als das eine Wort: "Jesus!" — Dann hielt er inne; aber sein Auge leuchtete von einem solchen Verklärnngsglanz, daß Viele den Eindruck bekamen: Er hat den HErrn von Allgesicht geschaut! lind in Thränen ansbracheu, ehe er noch ein Wort weiter gesprochen hatte. Ein anderes Mal erhielt ein Knabe von dein Gebet, das der Predigt voranging, einen so tiefen Eindruck, daß er das Gotteshaus mit dem Entschluß verließ: Ach, könntest du doch auch ein solcher Geistlicher werden. Jetzt ist er ein Geistlicher und arbeitet im reichen Segelt. Ein anderes Mal hörte ein junger Lehrer eine Missions-predigt von Knak. Er hatte früher die Unterweisungen in der Religion mehr äußerlich aufgefaßt und keine Befriedigung dabei gefunden. Null hörte er Knak über Luk. 19,10 predigeil. "Fremdartig (so berichtet er) und doch wieder so selbstverständlich wurden Erzählungen eingeflochten; so hatte ich es nie gehört. Zum ersten Mal hörte ich von der Kanzel: 'Der mich verlorenen und verdammten Menschen erlöset hat.' Er sucht auch dich, auch für dich vergoß er sein Blut, um dich zu seinem Eigeuthum zu erkaufen. Ich weiß nicht wie lange, aber lange redete er, und ich bedauerte, daß er schon aufhörte. Was muß ich thun, daß ich selig werde?' Diese Frage ist seitdem der Anfang meines Suchens gewesen und ich bin dabei geblieben. Vertraut mit Bibel, Gesangbuch und Katechismus, sind mir seitdem die Religionsstunden meine liebsten Unterrichtsstunden gewesen!"

Pastor U., Böttcher in Pinne, berichtet über den Eindruck, den Knaks Missionsfestpredigten machten:

Die gewaltigsten Predigten von ihm hörte ich auf Missionsfesten im Wartebruch. Wenn er da auf die Kanzel kam, dann blickten Hunderte, oft Tausende von Angesichtern auf ihn mit mildem Lächeln, als ob ein Engel Gottes vor ihnen erschienen wäre. Die Herzen fühlten sich schon erbaut, noch ehe er seinen Mund aufthat. Seine Predigt, im Anfänge ruhig und gehalten, nahm einen immer cindringenderen und zuletzt einen so erschütternden Ton an, daß die Bußthränen in Strömen flössen und auch laute Bußseufzer gehört wurden. Vielleicht haben bei solcher Bewegung auch die erregten Nerven des Redenden und des Hörenden ihre Nolle mit gespielt; aber Thatsache bleibt es darum doch, daß es Segenspredigten f und Segensfeste waren im besten Sinne des Worts.        )

Superintendent Petrich berichtet von einer Missions-Predigt, die Knak in Bahn 1865 gehalten hat in der Zeit, wo die gewaltsame Bewegung der Ausklärungsfrennde gegen Petrich, als den ^ Vertreter des alten Bibelglaubens, in Scene gesetzt wurde, in Folge , derer Petrich mit Hülfe der "Union" schließlich wirklich das Feld räumen mußte. Petrich schreibt: "Sein Zeugniß, das auch viele Gegner hörten, war gewaltig, erschütternd, die Feinde des Glaubens niederschmetternd, die Freunde aufrichtend. Vor der Menge Auswärtiger. die gekommen waren, empfanden die Gegner das wie eine Niederlage; aber sie konnten gegen den Geist, der hier geredet hatte, nicht aufkommen. Nur ein älterer, früher in Pyritz erweckter Manu, der aber in Unlauterkeit gerathen war, wußte sich vor dem Eindruck dieser Predigt nicht anders zu retten, als daß er sprach: Das ist der alle Knak nicht mehr; er ist ein anderer geworden!"

Ein anderer Pastor berichtet, Knak habe einmal ihm die Worte, daß man Gott zum Lügner mache, wenn man das Zeugniß von Christo nicht annähme, so ins Gewissen geschleudert, daß er den Eindruck nie vergessen Habe.

Ein anderer Pastor gibt dem überwallenden Gefühle seines Herzens in einem Dankschreiben den folgenden etwas begeisterten Ausdruck: "In meinem Herzen schallt die Rede: "Der HErr hat dir, dem größten unter den Sündern, ich wenigstens kenne keinen größeren — die Gnade verliehen, mit einem solchen Mann in nähere Berührung zu kommen — aber du hast ihn nicht benutzt, wie du solltest, und ihm nicht gedankt, wie du solltest!' — Herzeus-

mann! Im Augenblick, als du von mir warst, ward es dunkel vor meinen Augen; es war, als wäre mir die lichte Himmelspsorte weit ausgethan gewesen, aber durch meine Schuld plötzlich vor mir verschlossen worden. Das was Du, oder weit mehr die Art und Weise, wie Du aus dem Bahnhof zu L. über die Gemeinschaft der Heiligen gesprochen hattest, trat mir gleich bei meiner einsamen Heimfahrt und seitdem fort und fort in so entzückender und doch auch für mich Armseligen wieder so darniederschlagenden Herrlichkeit vor die Seele, daß ich eher keine Ruhe finden kann und werde, bis ich durch unseres Herrn Jesu Gnade weiß und erfahren habe, daß ich — wenn auch als der Allerletzte — doch auch dazu gehöre.         Ich danke Dir, lieber Bruder! ich danke Dir von

Herzen, ich danke Dir im Namen unseres Herrn Jesu für den theuren herrlichen Liebesdienst, den Du uns armen Seelen im L....r Kreise gethan hast! Ich danke dem HErrn für das, was Er durch Dich insonderheit mir gewährt hat, und bitte Ihn, unfern lieben HErrn, Er wolle mir hinfort noch mehr gewähren. Meine Frau freut sich wie eine .Königin, daß sie Dich wenigstens gesehen hat. Das Herz ist ihr bei Deinem Anblick aufgegangeu. — Die Gnade unseres Herrn Jesu sei mit Dir und Deinem Hause! Bete, ach bete für mich und meine Gemeinde. Einen Mann, der in so kurzer Zeit mir so viel durch die Gnade des Dreieiuigeu gegeben, als Du — habe ich bisher noch nie kennen gelernt. Ich kann nur des HErrn Namen loben und preisen und benedeien, daß Er mir's eiugegeben hat, Dich rufen und bitten zu lassen; ich kann Dir nur nochmals danken, kindlich danken, daß Du gekommen bist, und den HErrn bitten, Er wolle auch um dieses uns erwiesenen Liebesdienstes willen — überschwänglich an Dir thun, über Bitten und Verstehen. Gedenke meiner. Die Gnade sei mit Dir. Dein N. N."

Wir müssen uns mit Gewalt losreißen von einer Menge ähnlicher Zeugnisse, die in Hunderten von Briefen an den theuren Knak enthalten sind, die alle von dem Segen zeugen, den der lheure Gottesknecht auf seinen Missionsfestreisen zurückgelasfen hat. Wir machen daher den Schluß dieses Kapitels mit dem Bericht von den Früchten, die eine Missionsfestpredigt Knaks brachte, welche dieser im Anfang der fünfziger Jahre in Wobbermin. einem Dorfe an der pommersch-märkischen Grenze, gehalten hat. Viele Festgäste waren aus der Nähe und der Ferne gekommen. Auch ein etwa dreizehnjähriger Bauernsohn aus der Nachbarschaft. Als nun Knak von der Gewalt des Fürsten der Finsterniß mächtig gezeugt hatte und von der größeren Siegesgewalt der Gnade, da traf der Pfeil des Worts diesen Bauernsohn. Er, sonst ein geweckter Knabe, wird eine Zeit lang wie tiefsinnig und geht immer umher mit dem Gedanken, er werde verloren gehen, während der heilige Geist ihm doch bezeugte, daß auch für ihn der Herr Jesus gestorben sei. Der Vater des Knaben wird unwillig, und hält schließlich derbe Prügel für das beste Gegenmittel gegen die Verrücktheit seines Sohnes. Als er mit dem Mittel nicht durchdringt, übergibt er den Sohn dem Lehrer, daß er damit fortfahre. Der hat auch redlich das Seinige gethan, bis eines Tages der abermals hartgezüchtigte .Knabe vor dein Angesicht des Lehrers auf seine Kuiee sinkt, und mit herzzerreißender Stimme ausrnft: "Herr Jesu, erbarme Dich meiner, und erbarme Dich meines armen Lehrers!" Da entsinkt diesem der Stock; er ist aber auch völlig unfähig, heute weiter zu unterrichten. Er eut- , läßt seine Schüler. Und daheim nimmt ihn der HErr ins Gebet.

Die Sache spricht sich herum; eine Erweckung ergreift die ganze Schule und darnach das ganze Dorf. Der Lehrer aber, der sich gründlich bekehrte, war nach kurzer Zeit Rettungshausvater und nach ein Paar Jahren Missionar unter den Heiden.

Das etliche Früchte von den Missionspredigtreiseu des Br.

Knak. Wo sich der HErr so sichtlich zu denselben bekannte, da konnte der theure Gottesknecht mit einiger Seelenruhe die Vorwürfe hinnehmen, die ihm einer seiner Freunde in der Gegenwart des I Herausgebers machte: "Ich möchte wohl wissen, was dieser seiner ! Gemeinde gegenüber für ein Gewissen haben mag, daß er sie so § oft zu Festreisen verläßt!" Ich denke mir, daß wenn mau andern Predigern ohne Rüge es gestattet, ihre Blumen, ihre Studien, ihre Sammlungen zu pflegen, man es auch Knak nicht vorwerfen sollte. k daß er von der ihm vom HErrn verliehenen Gabe Gebrauch machend, es nicht lassen konnte, mit Hinopferung seiner Leibeskraft auch in ^ ferne Gegenden hinaus zu zeugen von Dem, der seines Herzens Trost und Licht und einzige Passion war!

47.

Eine gesegnete Gemeinde in der Nenmark.

Der Segen, den eine Gemeinde in der Gegend von Landsberg au der Warthe durch Knaks Missiousfestprcdigten empfing, und der von dort auf weitere Kreise sich verbreitete, ist so reich, daß wir demselben ein besonderes Kapitel widmen müssen.

Im Jahr 1840 kam ein Pastor, der mit Knak zusammen das zweite Examen bestanden hatte, nach Beiersdorf bei Laudsberg au der Warthe. Die ans vier Dörfern bestehende Gemeinde war nicht blos arm, sondern auch geistlich stumpf und verwahrlost. Der frühere Geistliche war dein Trunk ergeben gewesen und starb im Jrreuhause; in seinem Hause wurde Karten gespielt, ja die Knechte gingen, wenn im .Kruge kein Tanzvergnügen war, in das Pfarrhaus, um sich dort lustig zu vergnügen; so daß es zu verwundern war, daß überhaupt noch irgend etwas von Respekt vor Gottes Wort und vor dem geistlichen Amte übrig geblieben war. Die Bauern nährten sich kümmerlich im Sommer vom Steinesuchen, im Winter vom Holzfahren, weil das magere Land den nöthigen Unterhalt nicht hergab. Hierüber riß das Laster der Trunksucht in der Gemeinde ein, und mit ihr die Verwahrlosung des Ackerbaues, und mit dieser die Verarmung.

Als nun P. Sauberzweig sein Amt alltrat, begann er zunächst, das Evangelium in aller Einfalt zu predigen. Er verstand es, den Nagel auf den Kopf und damit den Sündern ins Herz zu treffen, denn er war ein Volksprediger wie Wenige. Dann aber that er auch Fleiß, die Bauern zu belehren, wie sie ihre Aecker nutzbarer verwerthen konnten; sie ließen sich weisen und wurden dem Pastor dankbar und erkenntlich, dessen liebevolle Sorge um ihr äußeres Wohl sie ja nicht verkennen konnten. Sie ließen es sich gefallen, daß er ihnen nun aus Enthaltsamkeitsschriften selbst von der Kanzel aus vorlas; die Frucht war ein blühender Euthaltsarnkeitsverein, der Vielen die Thür zu einem neuen Leben wurde, trotzdem daß sie in der Stadt manchen Spott zu erdulden hatten, wenn sie dort Bauern aus anderen Dörfern auf das Zutrinken nicht Bescheid thun wollten.

In den so vorbereiteten Boden fiel der Saame der Missionsfestpredigten. die besonders durch Knak und neben ihm durch Licht, Görcke, Kropatschek, Fittbogen und Böttcher (Pinne) Niemschneider und Andere gehalten wurden» und erzeugte neue ungeahnte Früchte geistlichen Lebens.

nicht die Bitte abschlageu, und bisweilen wurden au 7 Missionsfeste in einem Jahr im dortigen Kreise gehalten und hätten noch mehr-gefeiert werden können» wenn die geeigneten Festprediger zu haben gewesen wären.

So kamen einmal auch die Leute von Brieseuhorst, einem äußerlich armen, aber innerlich reich gesegneten Dörfleiu, mit der Bitre zu Sanberzweig: er möchte ihnen doch Knak zum Missious-festreduer verschaffen, der damals bereits in Berlin wohnte, und in dem Jahre schon einige Mal zu Misfionsfesten im Kreise gekommen war; sie meinten, sie wollten ihn gern mit einem Einspäuuer holen lassen. "Ja, liebe Leute, das geht nicht. Dazu braucht er zwei Tage zur Herreise und zwei zur Rückreise, also mit dem Festtage zusammen 5 Tage, so lange kann er um eines Festes willen von Berlin nicht abkommcn, dazu hat er nur eine schwache Stelle, und kann die Reisekosten so oft nicht bezahlen." Doch rührte ihn das dringende Verlangen und das Anerbieten der lieben frommen Leute so, daß er das alles an Knak schrieb, ob derselbe vielleicht mit der Post kommen möchte. Und richtig, er kam, brachte sogar seine Mathilde noch mit. und erquickte sich au der Einfalt und Frömmigkeit der lieben Leute so herzinnig, daß er bei Tische zu seiner Frau sagte: "Liebe Mutter! Gerade, wie in Wusterwitz!" Vor der Abreise kam der Ortsschnlze, um im Auftrag der Gemeinde die Reisekosten aus der Gemeindekasse zu zahlen. Aber er sollte noch ein besonderes Daukbarkeitszeugniß aus der Gemeinde erhalten.

Ueber Mittag hatten ihm die Kartoffeln so schön geschmeckt, daß er äußerte, wenn er doch solche auch in Berlin haben könnte. Warum nicht? antwortete Sanberzweig; aber der Transport würde ihren Werth weit übersteigen. In demselben Sommer fuhr Sauberzweig mit einem Gutsbesitzer zur Einweihung eines Betsaals in das Warthebrnch. Auf der Rückfahrt holten sie eine Frau ein und nahmen sie auf ihrem Wagen eine Strecke mit. Sie gab sich als eine Schifferfrau zu erkennen, die auch durch Knaks Predigten bereits einen reichen Segen empfangen hatte, und nun gern erbötig war, ihm einen Mispel Kartoffeln auf dem Kahn mit nach Berlin zu nehmen. Einige Bauern brachten die Kartoffeln zusammen, andere fuhren sie nach Fichtwerder an der Warthe, wo der Schiffer-sie eiulud, und der liebe Knak nebst seiner Frau waren nicht wenix

überrascht, als die Schifferfrau sie in Berlin aufforderte, den Mispel Kartoffeln am Kahn sich holen zu lassen, den die warthebruchischen Missionsfreunde ihm übersendeten.

Einmal wohnte ein ganz weltlich gesinntes Mädchen aus dem Warthebruch dem Beyersdorfer Missionsfest bei, nnr aus Neugierde, veranlaßt durch ihre Bekannten, nicht aus Herzensdrang. Fröhlich und lustig fuhr sie hin, still und in sich gekehrt fuhr sie heim. Ihre Eltern, die nicht mit zum Fest gekommen waren, merkten sofort, daß eine Veränderung mit ihr vorgegangen sei. Sie lehnte deren Aufforderung, doch mit zum Tanzvergnügen im Dorfe zu gehen, entschieden ab, bat vielmehr um die Erlaubnis;, zu ihrer Erbauung die Stunden in der Diaspora-Gemeinde zu besuchen. Da sie treuer als je zuvor ihren häuslichen Pflichteil Vorstand, ließen ihre Eltern sie gewähren und haben es nicht bereut.

Unter den vornehmen Damen, die sich von dem beiersdorfer Feste ihren Theil mit nach Hause nahmen, war auch eine katholische Gräfin Schlabrendorf, die mit innigster Dankbarkeit von dem Segen sprach, den sie durch Kuak und die übrigen Festprediger erhalten hatte. Sie schrieb nach einem Feste an Fran Sanberzweig: "Mir ist unaussprechlich wohl geworden, seit ich auf den; Angesichte jener theuren Menschen den Wiederschein des Lichtes gesehen habe, das von Zion aus geht!"

Auch eine Frau Rittmeister v. B. wohnte nebst ihrer Schwester einem Missionsfest zu Veyersdorf bei, auf welchem Knak predigte. Nach einigen Tagen kam der Herr Rittmeister und sagte zu Sauber Zweig, seine Frau habe nach dem Feste eine solche Unruhe bekommen, daß er sie wohl nicht wieder werde Hinreisen lassen können. "Ei, lautete dessen Antwort, das ist ja schön, da arbeitet ja der Geist Gottes an ihr." Und was geschah? Im nächsten Jahr war die Frau Rittmeister nebst ihrer Schwägerin wieder dort, und mit ihr die sämmtlichen Knechte ihres Gutes, die der Herr Rittmeister auf Erntewagen hingeschickt hatte. Beide Damen sind entschiedene Bekennerinuen des HErrn geworden, und sind in Ihm selig entschlafen. Dem Herrn Rittmeister aber ist Sauberzweig später als Mitglied der August-Conferenz in Berlin wieder begegnet. Da erzählte er ihm, er habe in seinem neuen Schloß auch eine Kapelle erbaut und für Leine Gemeinde eine Diakonissin als Krankenpflegerin angestellt.

Der in Laudsberg bereits bestehende Missionshülfsvereiu konnte,, weil die Einrichtung bestand, daß die Synodalen der Reihe nach die Festpredigten halten mußten, mochten sie nun ein Interesse für die Mission haben oder nicht, zu rechter Bluthe nicht gelangen. Das jammerte Sauberzweig, der in Zühlsdorf bei Br. Licht mit Augen gesehen hatte, welcher Segen von einem Feste ausgehew konnte, wenn die rechten Prediger kämen. Und die rechten Prediger waren besonders Knak und Görcke. Knak wohnte damals noch in Wusterwitz—au l() Meilen schlechten sandigen Weges von Bcyersdorf entfernt, deßhalb wurde die Verabredung getroffen, Knak solle alljährlich zu Licht nach Zühlsdorf und ein Jahr um das andere nach Beyersdorf bei Laudsberg und zu Br. Fittbogen nach Neinucckleuburg bei Friedeberg kommen. So fing Sauberzweig au, abgelöst von dem offiziellen Missionsfest in Landsberg, seine eigenen hernach so gesegneten Missiousfeste in Beyersdorf zu feiern. Die Leute kamen, besonders angezogen durch Knak, bald zu Hunderten zu Fuß und zu Wagen mit Gesang heran, so daß das Dorf am Festtage einer Wagenburg glich, und schon im Morgengottesdienfte die Kirche die Menge der Gäste nicht fassen konnte. Die Gemeinde Beyersdorf selbst sah den Tag, obwohl das Fest in der Woche und im Juli gefeiert wurde, als einen hohen Festtag an, an welchem alle Feldarbeit ruhte, und zu welchem gebacken, geschlachtet und die Häuser gereinigt wurden, wie zu den Hauptfesten der Kirche. Aber auch das geistliche Leben und Regen in der Gemeinde wurde nun lebendig, und nicht blos in Beyersdorf, sondern auch in der ganzen Umgegend. Besonders schloß sich auch die im Warthebruch weit verzweigte Diaspora der Brüdergemeinde an. Aus vielen Gemeinden kamen die Erweckten mit der Bitte, doch auch bei ihnen ein Missionsfest: zu feiern, zu Sauberzweig, der sie natürlich an ihren zuständigen: Pastor verwies. Sie wollten aber alle gern Knak zum Festprediger haben. Da hat manche Gemeinde ihren Pastor aus dem Schlaf aufgeweckt, denn er konnte seinen besten Gemeindegliedern ja doch


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Aehnlich wie der Frau Rittmeister ging es einem Pastor. Zauberzweig berichtet: "Nach einem Missiousfest kam ich zu einem Superintendenten O-, der fragte mich lächelnd, was ich denn für ein Fest gefeiert habe? O, sagte ich, noch ganz voll davon, ein köstliches! ein köstliches! Er: Aber Br. Heinzelmann war hier und sagte, er reise nie wieder znm Missionsfest, er habe die ganze Nacht nicht schlafen können. 'Das ist ja köstlich,' sagte ich, 'der wird schon wieder kommen' — und es ist geschehen. Als ich nach einem späteren Feste den lieben Knak zu Wagen nach Vieh auf die Post brachte, erzählte er mir, nach dem Feste sei ein großer Mann ihm in die klammer nachgekommen und sei ihm mit Thrünen um den Hals gefallen."— Doch hören wir HeinzelmannS eigene Worte:

"Ich war ein beliebter Prediger, welcher schöne Kanzelreden hielt, um Alles nicht wider die Schrift sein wollte, und doch keine Ahnnng hatte, daß ich in Sünden todt sei. — Mit mehreren Amtsbrndern hatte ich ein sehr fröhliches Kränzchen, in dem von Allem geredet wnrdc, nnr nicht von dem Einen, was Noth thnt. — In unserer Gegend kamen die Missionsfeste ans, zu denen namentlich auch der selige Knak gerufen wurde, und zu denen der Zndrang groß wurde. Einst wurden diese in unserem Zusammensein verspottet. Mir kam die Frage auf die Lippen, ob denn von den Spöttern schon Jemand dort gewesen sei und den Mann gehört habe? Es ergab sich: Niemand! Ich erklärte, das nächste Mal würde ich hingehen, es sei doch immer eine theologische Erscheinung. — Ich hielt mein Wort, und hörte Knak znm Schluß des Festes predigen über den Text: Ich will ihm eine große Menge zur Beute geben, und er soll auch die Starken zum Raube haben. — Ich war tief erschüttert ohne das geringste klarere Verständniß. Ich kam zerschlagen nach Hause, und lag den andern Tag unfähig , zu jeder Arbeit auf dem Sopha. — Unser Hausarzt kam, wie öfter, am Nachmittage heran, und meine Frau erzählte ihm meinen wunderlichen Zustand seit dem Besuch des Festes. Er rieth dringend .Zerstreuung, und nahm mich gleich auf seinem Wagen mit.

Leider half sein Mittel. — Doch beredete ich nach einem .Jahre, als Knak wieder an demselben Ort predigte, einige Bauern -ÄUs meiner Gemeinde, mit mir zu dem sonderbaren Pastor zu fahren. Er predigte über die Worte: Sie liebet viel, denn ihr-sind viele Sünden vergeben. — Ich hörte ganz starr und seltsam, durch und durch afficirt der Predigt zu ohne eigentliches Verständniß. — Nachher baten mich zwei Bauern, sie doch zu dem Pastor zu bringen, sie möchten mit ihm sprechen! Ich that es. Knak sprach sehr herzlich mit ihnen. Als sie fertig waren, blieb ich noch mit ihm allein in der Stube. Er sah mich an und fragte: Und Sie, lieber Bruder? — Dabei breitete er seine Arme ans, ich sank hinein, und weinte seit langen, langeil Jahreil znm ersten Male sehr lange, und ging ohne jede Unterhaltung. Nur das blieb, so oft ich an den Augenblick dachte, mußte ich weinen. — Die Welt war mir verleidet, meine Kränzchenbrüder jagte ich sehr unhöflich fort. Ich war gern allein. Es gingen noch Monate hin, ehe Klarheit in mich kam, ehe ich mein erstes Gebet zum Heiland that, des Inhalts: Bist du der Gott, der Sünder selig machen kann, so laß mich das all meinem Herzen wissen, lind ich will dir dafür dienen mein Lebelang.

Der Herr Jesus hat mich seine Gnadenmacht wissen lassen. Mein Dienen ist ein oft sehr kümmerliches gewesen.

Knak wurde mein bester Freund. Er hat sehr oft in meiner Gemeinde Feste gehalten, und durch ihn sind Viele zum Leben aus Gott gekommen.

Mich hat er verstehen gelehrt das Wort Zinzendorfs, Menscheil würden nicht sowohl durch die Worte des Predigers bekehrt, als durch die Wärme, die der Redner gleichsam ausschwitze."

Heinzelmann ist später von Lorenzdorf bei Veyersdorf nach Boytzenburg in der Ukermark versetzt worden. Er hat durch seine gewaltigen Misfionsfestpredigten Vielen einen reichen Segen vermitteln dürfen.

Von einem anderen "Starken," den sich der HErr zum Raube holte, erzählte mir ein Pastor Folgendes:

Ein Bauer, der einmal Knak gehört hatte, nahm seinen Schulzen mit nach Beyersdorf, wo Knak predigen sollte, und sprach zu ihm: "Unter den Predigern ist einer, wenn du den hörst, mußt du weinen, dn magst wollen oder nicht." — "Dat will wi doch moal ierst sehen," sagt der Schulze. Sie stellen sich in dem

weiten Kreis, der die Kanzel mngiebt, so daß der Schulze vorn steht. Da tritt ein gesalbter Prediger auf und redet recht vom Herzen. Als er anfhört und die Kanzel verläßt, sieht sich der Schulze um und sagt: "Ick ween' uich!" Der Bauer antwortet: "Töw man (Warte nur)!"— Ein anderer Prediger redet recht erbaulich und tritt zurück. Der Schulze sieht sich um und sagt: "Ick ween' uich!" Der Bauer antwortet: "Töw man!" Nun kommt der liebe Knak mit feiner starken klangvollen Stimme. Der Schulze kann seiner Bewegung nicht gebieten, er weint, daß ihm die Hellen Thränen herunter laufen. Da sagt der Bauer: "Schulze, dir weenst jo!" — "Ach, schwieg doch," antwortet der Schulze, "wer kann den hüren un kolt bliewen!"

Von Veyersdorf ans verbreitete sich der Missionsfcstsegen über das ganze Warthebrnch. In einem Sommer (1854) feierte Knak dort in 3 Tagen (20—22. Juni) drei Feste in drei je drei Meilen von einander entfernten Ortschaften. "Am ersten Tage (so berichtet Sauberzwcig) in Drewitz bei Cüstrin. Sein Zeugniß daselbst faßte so an, daß ihm am anderen Tage noch mehrere Einwohner des j dortigen Dorfes folgten nach den: Dorfe Spiegel im Warthebruch. !        Dort zog während        seiner Predigt über die        fernen Anhöhen ein Ge-

I        Witter mit        Donner        nnd Blitz herauf. Br.        Knak benutzte dies, wie

einst in Elbing bei der Kirchenvisitation, mahnte an den Donner !        des letzteil        Gerichts, und forderte dringend        nnd brünstig zur Buße

l        auf. Alle        knieten        nnd sprachen mit ihm        das Sündenbekenntniß,

' worauf er sie absolvirte. Es war ein ergreifender Augenblick; man spürte das Regen des heiligen Geistes in der Versammlung und Niemand verließ während des, wenn auch nur kurzen Schauers den Festplatz. Eine Frucht des Festes war die Erweckung einer befreundeten Gutsbesitzerfrau, die in Frieden als ein Gotteskind nach wenigen Jahren heimgefahren ist. Auch die Drewitzer Gäste waren aufs Nene so ergriffen, daß sie, statt am nächsten Tage heimzukehren, auch dann wieder dem lieben Knak nach Zechow folgten, drei neue Meilen weiter, und Haus und Hof dem HErrn befahlen.

Auf einem Fest war die Frau des Pastor Sauberzweig schon Durch das Festlied, welches Knak, wie immer, so erwecklich vorsprach, sehr ergriffen. Sie suchte das Lied in allen Gesangbüchern, ohne Es zu finden. Als sie, Knak darum fragte, meinte er, sie würde

es in den Gesangbüchern allerdings vergeblich suchen. Es war." das Lied: "O, was bin ich doch in Jesu." — Er hatte es in der Nacht zuvor auf dem Postwagen als Gegenstück zu dem bekannten Kirchenlied: "Ach, was sind wir ohne Jesnm" gedichtet. Es ist in den "Zeugnissen" Nr. XXXV, S. 135 abgedrnckt.

So hat Knak in Sauberzweigs Gemeinde nnd Familie, und durch ihn in der ganzen dortigen Umgegend einen reichen Segen zurückgelassen; — der liebe Sauberzweig ist jetzt 75jähriger Pastor in Bagemühl in der Ukermark. Er hat den Missionsfcstsegen nicht in Veyersdorf zurückgelassen, sondern nach der Ukermark verpflanzt Seiner Dankbarkeit gegen Knak hat er, sehnlich zurückblickend nach seinem heißgeliebten Beyersdorf, in folgenden Worten einen warmen Ausdruck gegeben:

mein Haus mit so unendlicher Liebe an dem lieben Onkel Knak und wird seiner und der gesegneten Stunden seiner Gemeinschaft nie vergessen. Möchte der HErr uns einst ihn ans Gnaden wieder scheinen lassen, — dann haben wir's gut!"

48.

Knuts direkte Arbeiten in der Heidcnmifsion. Hongkong.

Die japanesisehe Gesandtschaft, welche 1802 in Berlin erschien, machte ihrer Zeit ein großes Aufsehen durch alle Schichten der Bevölkerung. Wie die Japanesen wohnten, wie sie sich kleideten, was sie aßen, wie sie bei der Audienz ans den Knieen mit der Stirn auf die Erde geneigt znm Könige heranrntschten und rückwärts wieder zur Thür hinaus, davon wurde haarklein in allen Zeitungen berichtet, nnd der neugierige Spree-Athener verschlang damals jeden kleinsten Bericht über diese wunderlichen Fremden. Wie viele, selbst ernste Christen und ernste Prediger, mögen aber wohl damals auf den Gedanken gekommen sein, daß es doch heilige Bruderpflicht sei, diese Fremdlinge, für die ja auch das Blut des Herrn Jesu geflossen ist, nicht wieder ans dem christlichen Berlin abreisen zu lassen, ohne ihnen von dein Heil in Christo gesagt, und ihnen dasselbe angeboten zu haben! Knak, der alle Dinge von dem Centrum des Evangelii aus ansah. hätte es sich zur schweren Sünde gerechnet, wenn er diesen Liebesdienst unterlassen hätte. Er verschaffte sich also, da eine japanesische Bibel nicht zu haben war, eine chinesische und erbat bei den Japanesen eine Audienz, um ihnen eine Ansprache halten und ein Geschenk überreichen zu können. Die Audienz wurde bewilligt, und am 2. August 1862 konnte Knak seine Ansprache (ins Holländische übertragen) lesen, und seine Bibel überreichen. Wie ein Kind freute er sich über den "kräftigen Händedruck," den er von den Japanesen empfing. Er sah darin ein Zeichen von der Freundlichkeit des HErrn. In die Ansprache legte er sein ganzes warmes Herz und sprach mit apostolischen Worten. Sie lautete:

Theure Herren und Freunde!

Schreiber dieses ist ein Prediger des Wortes Gottes in dieser Stadt, "der von ganzem Herzen wünscht, daß es Euch zeitlich und ewiglich wohl gehen möge.

Ihr seid aus weiter Ferne hierher gekommen, und man hat Euch im Lande der Christen herzlich willkommen geheißen. Ihr habt hier so manches Schöne in Kunst und Wissenschaft gesehen und gehört, und es soll Euch in unserer Mitte wohl gefallen haben. Aber das Schönste, Beste und Herrlichste, was wir Christen haben, kennt Ihr leider noch nicht, und mein Herz brennt vor Verlangen, daß Ihr es möchtet kennen lernen.

Unser größter Schatz und edelstes Kleinod ist das Wort des lebendigen Gottes, welches Er, der allmächtige Schöpfer Himmels und der Erde, uns aus Gnaden geoffenbart hat. Als unser Volk das Wort Gottes noch nicht kannte, saß es, wie alle Heiden, in Finsterniß und Schatten des Todes, lebte ohne Trost und Hoffnung und betete stumme Götzen an, die nicht sehen und hören und auch nicht helfen können.

Das Wort Gottes ist sehr ernst und heilig und schärfer denn kein zweischneidiges Schwert; aber es ist auch süßer als Honig und köstlicher - als Gold und viel feines Gold.

Es sagt uns, daß wir allesammt abgefallene Sünder sind und das Gesetz des allmächtigen Gottes in Gedanken, Worten und Werken vielfältig übertreten haben. Dieses heilige Gesetz lautet also: "Ich bin der HErr, dein Gott."

Mit unseren Sünden und Uebertretungen haben wir Gottes Zorn mnd Ungnade, zeitlichen Tod und ewige Verdammniß verdient. Doch "also hat Gott die Welt geliebt, daß Er Seinen eingebornen Sohn gab, auf baß Alle, die an Ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben."

Der Sohn Gottes, unser Heiland und Seligmacher, ist vor 1862 Jahren im jüdischen Lande geboren, hat in Knechtsgestalt 33 Jahre auf der Erde gewandelt, große Zeichen und Wunder gethan, als das Lamm Gottes die Sünde der ganzen Welt auf sich genommen und am Stamme des Kreuzes Sein Blut zur Versöhnung für Alle vergossen: "Die Strafe unserer Sünden lag auf Ihm, und durch Seine Wunden sind wir geheilt." ""Das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, macht uns rein von aller Sünde," denn Gott will uns alle unsere Missethat vergeben, wenn wir uns unter Seine gewaltige Hand demüthigen und unser ganzes Vertrauen auf das Verdienst unseres großen Mittlers und Stellvertreters Jesu Christi setzen.

Ja, Gott will unser gnädiger Vater sein durch Jesum Christum, Seinen lieben Sohn.

Wer an den Sohn Gottes glaubt und Seinen Namen anruft, der soll nicht gerichtet und verdammt werden, sondern das ewige Leben haben; -wer aber an den Sohn nicht glaubt, der wird das Leben.nicht sehen, sondern

der Zorn Gottes bleibt über ihm; denn es ist in keinem Andern Heil, ist -auch kein anderer Name den Menschen gegeben, darinnen sie können selig werden, als allein der Name des Herrn Jesu Christi.

Auch Japan und China müssen sich zu des Herrn Jesu Füßen werfen und Ihn um Gnade bitten, wenn sie nicht verloren gehen wollen. — Darum schreibe ich diese Worte an Euch, liebe Herren und Freunde! O, zürnet mir nicht — ich habe Euch sehr lieb, weil der Sohn Gottes auch für Euch Sein Leben zum Schnldopfer gegeben hat, und ich wünsche sehnlichst, daß Ihr Ihn möget kennen lernen; ja, ich bitte Euch flehentlich an Christi Statt: Lasset Euch durch Ihn versöhnen mit Gott!

Ich habe den Herrn Jesum schon gebeten und will Ihn ferner bitten, daß Er Euch und Euer großes Volk durch Seinen heiligen Geist erleuchte und bekehre; und ich wünschte dringend, Ihr nähmet etliche christliche Prediger mit Euch in Eure Heimath, die Euch und Euren Landsleuten das -große Wort Gottes verkündigen könnten. Lebet wohl und verzeihet mir, wenn ich aus herzlicher Liebe zu Euch das theure Wort GotteS in chinesischer Schrift Euch hierbei zum Andenken überreiche.

Friede sei mit Euch und Heil Eurem Volke durch Jesum Christum, unfern Heiland, welchem sei Ehre und Preis in Ewigkeit, Amen.

Berlin, 2. Aug 1862.        Euer Freund und Diener

G. Knak,

Prediger an der böhmischen Kirche zu Berlin.

Die Japanesen nahmen Ansprache und Geschenk mit orientalischer Höflichkeit an, schickten aber bald nach ihrer Abreise von einer der nächsten Stationen ans — ich glaube, es war Magdeburg — die Bibel an Knak zurück mit dem Bemerken, sie besäßen bereits in ihrem Lande eine eigene sehr vortreffliche Philosophie, die ihren Ansprüchen und Bedürfnissen völlig entspräche.

Dies hielt Knak nicht ab, im Jahre 1870, als eine chinesische Gesandtschaft in Berlin erschien, auch dieser einen gleichen Liebesdienst zu erweisen. Diesmal erwählte er den Herausgeber dieser Lebensbeschreibung zum Begleiter. Das christliche Findelhaus auf Hongkong gab einen willkommenen Anknüpfungspunkt. Die lange Drachenflagge (ein blauer Drache auf weißem Tuch) flatterte vom Dach des Nöte! äo Ronio mit mächtigem Gepränge über die Straße und die anstoßenden Dächer. Am 29. Januar Mittags halb ein Uhr traten wir ein. Zwei Boten des Evangeliums standen vor drei ungläubigen Heiden, die uns herzlich die Hand reichten und sich mit uns um einen runden Tisch stellten, auf

Knak. 2. Aufl.        22

welchen die Hände gestützt waren während des nachfolgenden Gesprächs. Knak holte seine Bibel hervor und aus derselben seinen Brief, der durch einen chinesischen Missionszögling ans dem Berliner Misfionshaufe in die chinesische Sprache übertragen. Aehn-liches enthielt, wie der obenstehende an die Japanesen. Der eine der Gesandten ergriff den Brief und durchflog ihn schnell und aufmerksam. Dann wandte er sich an mich mit den Worten: "In ähnlicher Weise hat mich ein englischer Geistlicher angeredet, dem habe ich geantwortet: Wenn dein Gott ein Gott der Liebe ist, wie kommt ihr Christen dazu, Kriege zu führen? Ich: Es giebt unter den Christen zweierlei Menschen, die einen führen Kriege, die anderen predigen den Frieden. Wir beide sind Friedensverkündiger und halten den Krieg für ein großes Uebel. Er: Aber manche Chinesen, die von christlichen Missionaren getauft wurden, sind hernach Mörder und Seeräuber geworden! Ich: Wenn sie Seeräuber wurden, so haben sie das nicht vom Christenthum und aus der Bibel gelernt. Unser Christenthum und unsere Bibel lehren uns, Gott über alle Dinge lieben und die Brüder lieben, nud redlich zu wandeln vor Jedermann. — Die beiden Gesandten nickten freundlich und gaben ihre Zustimmung zu erkennen. Ich konnte also fortfahren, ihnen zu erzählen von dem Findelhause in Hongkong, dessen Vorsteher Knak, und den Zielen der äußern Mission für die Heiden, deren Vorsteher ich sei. Dann antwortete der eine: Ja, ihr müßt euren Missionaren sagen, daß sie sich nur mit der Religion befassen und das Wort des Friedens nach China bringen, und sich nicht in Politik mischen, dann werden wir sie lieben und ehren. In ähnlicher freundlicher Weise wurde das Gespräch noch einige Zeit fortgesetzt. Ich habe es hernach fast bedauert, mitgegangen zu sein. Denn da Knak der englischen Sprache nicht mächtig war, mußte ich vornähmlich die Unterhaltung führen, wie viel ernster und eindringlicher und aus dem Centrum heraus würde der theure Knak gesprochen haben. Diesmal aber wurde die Bibel nicht zurückgeschickt.

Am 8. Juni 1873 übersandte Knak dem Schah von Persien» da er eine Audienz nicht erlangen konnte, wenigstens mit einem ernsten Brief begleitet, ein neues Testament in persischer Sprache (eine ganze Bibel war nicht zu haben).

"Und wie stand es in Beyersdorf 1855 gegen 1840? klein Krugbesuch, kein Tanz, kein Nothfnhrwerkcn mehr. Neben einem blühenden Enthaltsamkeits-Verein noch ein Jünglings-nnd Jungfrauen-Verein, der einen Sonntag um den andern im Pfarrhanse zusammen kam; sehr rege Theilnahme der Konfirmirten an den kirchlichen Katechisationen im Sommer-Halbjahre; sie kamen oft bis znm zwanzigsten Jahre. — Sonntags Nachmittags, wenn der Pastor oft etwas matt von den Filialen kam, fand er das Haus voll Gemeindeglieder, da wurde vorgelesen, christliche Unterhaltung geführt, viel aus dem Neisepsalter gesungen, wobei mir meine große Mädchenschaar sehr zu Statten kam. Dies Alles mehr oder weniger die Frucht der Aussaat des lieben Bruders Knak. Ja, auch aus der Landsberger Gegend und aus Beiersdorf werden viele dem lieben Knak in der Ewigkeit noch danken, was er durch des HErrn Gnade an ihren Seelen gethan hat. Und ich? Ich habe ihm, mit dem ich mal anno 1832 am grünen Tisch im Konsü storio gesessen, aber damals noch unbekannt, ich habe ihm auch viel zu danken und den HErrn zu loben, daß er diesen seinen Knecht mir zugesandt, mich durch ihn Znm armen Sünder gemacht hat, der nur von Erbarmen lebt und zehrt. Und was ist er meiner Familie, meinem Weibe und meinen Kindern geworden? Wenn diese innige Liebe zum HErrn, zum Missionswerk, zum. Diakonissen-Dienst hatten, — das Werkzeug dazu in der Hand des HErrn ist der liebe selige Knak gewesen, — und darum hängt.

Er schreibt darüber an seinen Karl: "Du weißt, daß der an Diamanten nnd Juwelen so reiche und doch so unsäglich arme Schah von Persien hier gewesen ist nnd all das glänzende Elend der Welt zn hören nnd zu sehen gekriegt hat, was seiner armen Seele nicht helfen kann. Ich habe es nicht lassen können, zu versuchen , ob ihm nicht ein persisches Neues Testament nnd ein Brief in die Hände zu bringen sei. N. N. wollte es durch den Leibarzt befördern. Ob es gelungen ist, weiß ich nicht; der HErr aber weiß es. und mir ist ein Stein vom Herzen. Schließe die Angelegenheit in Deine treue Fürbitte ein, mein Karl!"

Die vorstehenden Mittheilungen eröffnen uns einen Blick in Knaks Herz, nnd lassen uns erkennen, in welchem Geist er das heilige Heidenmissionswerk insgemein betrieb. Ihm war es nicht um die Romantik fremder Länder und Völker, nicht um eine einmal ans der Tagesordnung der christlichen Liebeswerke stehende Arbeit, nicht nur Freude an fremden Erlebnissen nnd an den Fortschritten des Reiches Gottes, nicht um die Anregung, die aus der Mission in die eigene Gemeinde znrückfloß — in erster Linie zn thun, sondern im herzlichsten Mitleiden sehnte sich sein Herz, daß den armen Heiden das Heil Christi gebracht nnd daß die Liebes-schuld der Christenheit an die Heiden wirklich abgetragen werde: und wie Salomo, weil er nicht Neichthmn, Glück lind Ehre, sondern        das        Eine was Noth        thut,        in        erster Linie suchte, auch die

anderen        Stücke alle als Gnadenlohn        mit        empfing, so sielen auch Knak,

weil er jene Hauptsache mit so brünstiger heiliger Samariterliebe voranstellte, alle jene Nebeneinkünfte der Mission sowohl für die Gemeinde, als auch für seine eigene Person reichlich zu.

Sein warmes Herz trieb ihn aber, daß wo irgend eine Unternehmung für die Evangelisation der Heiden in Berlin auftauchte, er sich mit ganzem vollem Ernst derselben annahm und ihr mit voller Kraft diente. Die ihm zunächstliegende Missionsthätigkeit war die        des        seligen Goßner.        Er        bot        demselben auch sofort seine

Dienste        und        Hülfe an. Er        stieß        bei        ihm auf ein unerwartetes

Hinderniß. Er schreibt darüber am 4. April 1850 seinem Karl:

Mein süßer Herzenskarl!

Ich bedarf Deines brüderlichen Rathes in einer Angelegenheit, die mir so wichtig und folgenreich erscheint, daß ich nicht umhin kann, Dich aufs Dringendste zu bitten: Komm morgen mit dem ersten Zug in meine Arme. Mein Verhältniß zu Goßner ist seit einigen Tagen —, ja seitdem er erfahren, daß ich der Muttergesellschaft, mit der ich doch fünfzehn Jahre lang bin verbunden gewesen, meine schwachen Dienste nicht entziehen zu dürfen meine, — wiewohl ich ja auch bei ihm und seiner Mission, soviel meine Zeit mir erlaubt, thätig zu sein bereit bin — ein gespanntes geworden. — Wir haben vergangenen Dienstag Abend ein sehr ernstes Gespräch gehabt, welches ich Dir mündlich ausführlich mittheilen werde, und gestern hat er mir einen Brief geschrieben, der mich aufs Ernstlichste zu einer ganz bestimmten Erklärung gegen den alten lieben Mann auffordert. Ich würde den HErrn verleugnen, wenn ich schwiege; ja ich würde dem lieben Goßner selber schaden und ihn in seinem Eigensinne bestärken, darum bitte ich Dich recht flehentlich: Komm morgen, damit ich mit Dir zusammen unter dem Kreuze des HErrn und mit betendem Herzen die Antwort schreiben könne, die womöglich morgen noch in seine Hand kommen muß, weil am Sonnabend die nächste Missions-Conferenz Goßners stattfindet.

An Goßner hat er hernach seinen Brief abgeschickt; aber, wie er in einem späteren Schreiben an Karl bemerkt, eine Antwort darauf nicht erhalten. Die faktische Antwort war, daß die Leitung der Goßnerschen Mission von dem Pfarramt der böhmischen Kirche gelöst wurde, und daß Knak nicht Gelegenheit fand, sich direkt an derselben zu betheiligen. Er hat ihr später auch innerlich ferner gestanden, trotz dem, daß sein weites öcumenisches Herz ihm gebot, die Collecten seiner allgemeinen Missionsstunden, so wie der Mifsionsfeste in Rixdorf zwischen der Berliner, der chinesischen und der goßnerschen Mission gleich zu theilen, und der letzteren, wo er konnte, bereitwillig zu dienen.

Wir bedauern lebhaft diesen Zwiespalt zwischen den beiden treuen Gottesknechten, denn wäre Knak in der Leitung der Goßner'schen Mission gewesen, so war mit Sicherheit zu erwarten, daß die beiden Missionen in eine einzige mit der Zeit zusammenwuchsen. Nun aber, von Goßner zurückgewiesen, wandte Knak seine ganze volle Kraft der Berliner Mission und der gleich in demselben Jahre durch Gützlaff in's Leben gerufenen chinesischen Missionsgesellschaft zu. Als diese letztgenannte im November 1851

ihr erstes Jahresfest feierte, machte Knak eine merkwürdige Erfahrung. Er schreibt darüber seinem Karl:

Einige Stunden vor dem Feste sage ich zu Marie: Ich wünschte, daß die heutige Kollekte 200 Thaler betragen möchte. Marie: O Vater, was du dir auch denkst! Ich: Nun, es könnte ja ein reicher Mann gleich 50 Thaler auf einmal in's Becken legen! Marie (ungläubig lächelnd): Vater, du hoffst zu viel. —> Etwa zehn Minuten darauf klingelt's. Ich erhalte einen Brief von Gr. A., worin er mir mittheilt, er könne leider nicht zur Kirche kommen, schicke aber hier seinen Beitrag zur Kollekte mit — 50 Thalernü Zusammen waren nun 150 bis 155 Thaler den Abend eingekommen. Heute Vormittag kommt die eine Tochter von Vater K. und bringt mir im Namen desselben 50 Thaler für den Verein mit der Bitte, den Namen des Gebers nicht zu nennen.— Siehe, da sind die 200 Thaler und noch etwas drüber. Der HErr hat so gnädig geholfen, daß heute von unserm Verein 1200 Thaler an Neumans geschickt werden, womit sie die Erbschaft Gützlaffs übernehmen und zugleich noch ihren Lebensunterhalt bis zum nächsten Jahre bestreiten können. O daß wir glauben könnten — wir würden die Herrlichkeit Gottes sehen! —

Ein gar liebliches Missionsfest feierte Knak in seinem Filial Nixdorf. Es war seit 1848 unter den Missions - Hülssvereinen eine gewisse Lauheit eingetreten. Man hatte auf Mittel gesonnen, den Missionsgeist wieder anzufrischen. Der Hülfsverein in der Frankfurter Straße hatte den Vorschlag gemacht, ein Fest auf dem Lande in der Nähe zu feiern, und in gemeinsamem Spaziergange hinauszupilgern. So versammelten sich am 8. September 1850 die Missionsfreunde am halleschen Thor; Candidat Walter, damals Diaconus an der Dreifaltigkeitsgemeinde (jetzt Superintendent in Gramzow), ordnete die Züge, die sich, Missionslieder singend, in Bewegung setzten. Ein Geist inniger Liebe und Begeisterung umfaßte die Pilgernden, die in zwei parallelen Abtheilungen getrennt, auf beiden Seiten der Chaussee hinzogen. So wallten die Haufen, die Posaunenbläser voran, die drei Festredner in der Mitte, unter dem Gesang der Choräle: Lobe den HErrn, und O heil'ger Geist, durch das lange Dorf der Kirche zu, die sich bald als viel zu klein erwies. Doch hatten die Festordner dies schon voransgesehen, hatten Kanzel und Altar im Freien errichtet, und das Fest wurde in reichem Segen gefeiert. Knak hielt über Joh. 4,19—25 eine gewaltige Predigt, durch welche namentlich auch ein Mann, der

siebzehn Jahre lang der Kirche entfremdet gewesen war, wieder-gewonnen wurde. Allgemein wurde der Wunsch ausgesprochen, dies Fest alljährlich zu wiederholen, was auch geschehen ist, bis dem später zu erzählenden Copernicus-Streite auch dieses Fest zum Opfer fiel.

Der Berliner Missionsgesellschaft hat Knak durch seine Gebete, seine oft sehr tiefblickenden Rathschläge und die Wärme seines Eifers, die auch die erkalteten Herzen zu beleben verstand, in ihrem Centrum in Berlin eben so wesentliche Dienste geleistet, wie durch seine Missionsfestpredigten in der Peripherie der Hülfsvereine. Es würde unschicklich sein, wenn der Herausgeber seine Berufung in das Amt der Missionsdirektion auch mit zu dem Segen rechnen würde, den Knak der Berliner Mission zugewandt hat. Aber als Biograph darf er es nicht verschweigen, daß wenn aus der amtlichen Wirksamkeit desselben der Berliner Mission ein Segen erwachsen ist, dieser vornämlich und in erster Linie ans Knak zurückzuführen ist.

Nach des seligen Wallmann Tode war das Comits in Verlegenheit um einen Nachfolger. Knak schlug mich (den Schreiber dieses) vor, stieß aber auf ganz energischen Widerstand bei Hengsten-berg. Dieser hatte allerlei über meine Person und meine Ante-cedentien gehört, das ihn zu der Meinung veranlaßte, ich sei durchaus nicht die geeignete Persönlichkeit. Und er mag ja darin auch ganz vollständig Recht gehabt haben. Als Knak seinen Antrag zurückgewiesen sah, geschah es wiederholt, daß andere Persönlichkeiten, die vom Comits ins Auge gefaßt waren, ablehnten. Darauf kam Knak immer wieder und wieder mit seinem Anträge. Ich selbst wußte von dem Allen nichts, und mir lag kein Gedanke ferner als der, mein heißgeliebtes Cammin mit dem öden Berlin, und meine mir ans Herz gewachsene Thätigkeit in der Gemeinde und im Seminardirektorat mit der mir ziemlich in fernem Hintergründe liegenden Arbeit an der Heiden-Mission zu vertauschen. Ich erinnere mich sehr deutlich, daß Ostern 1864, da Knak mir die erste Eröffnung machte und in seiner bohrenden Weise mich zu bestimmen versuchte, ich die ganze folgende Nacht keine Minute Schlaf fand, denn mein ganzes Innerstes widerstrebte, und doch fühlte ich, daß ich der geistigen Macht, die von Knak aus auf mich

Andrang, auf die Dauer keinen Widerstand entgegensetzen würde. Ich war daher herzlich froh und dankte meinem Gott auf den Knieen, als nach einigen Wochen wiederum die Nachricht eintraf, das Comits habe abermals meine Wahl abgelehut. Nun war alles stille — lange Monate —; da höre ich unter der Hand, daß von hier nnd da Petitionen ans den Hülfsvereinen in Berlin eingegangen seien um meine Wahl. Knak hatte in Gemeinschaft mit seinem .Karl den großen Kreis ihrer Freunde aufgefordert, man möchte doch an das Counts berichten, was man von mir wisse, damit dem durch Hengstenbergs vorgefaßte Meinung über mich verbreiteten ungünstigen Urtheile ein Gegengewicht bereitet werde. Die Freunde hatten in großer Anzahl der Aufforderung der Beiden entsprochen. Knak war fröhlich in seinem Herzen, jetzt dicht vor der Erfüllung des Wunsches zn stehen, dessen Inhalt ihm im Gebet zur Gewißheit geworden war. Aber zwei Worte des mächtigen Hengstenberg im Comits genügten, alle Anstrengungen Knaks zu Nichte zu machen. Die Worte lauteten: "Bestellte Arbeit!"

Knak betete weiter nnd gab seinen Plan nicht auf. Und siehe, alle vom Comits ins Auge gefaßten Kandidaten zu der Stelle lehnten ab, oder man nahm aus anderen Gründen Abstand von ihnen. Bereits hatte die Vakanz anderthalb Jahre gedauert, und hie Sache schwebte so, daß das Comits durchaus nicht mich erwählen wollte, und ich durchaus nicht nach Berlin mochte, und mich über jede Nachricht innigst freute, die mir die Aussicht eröffnete, in meinem heißgeliebten Cammin bleiben zu dürfen, welches mir über die Gefahr, fortzumüssen, nur noch inniger ans Herz gewachsen war. Und in der Mitte zwischen diesen beiden entschieden nicht Wollenden stand Knak mit seinem Gebet.

Endlich in gänzlicher Verlegenheit, einen Anderen zu bekommen, wählte mich das Comits. Knak war naiv genug, mir dies offen zu sagen und mir es nun zur Gewissenspflicht zu machen, in solche Verhältnisse und Umgebungen einzutreten. Nun mit meinem Wollen oder Nichtwollen hatte er leichtes Spiel; Knak stand mir in seiner gottgeheiligten prophetischen Persönlichkeit so hoch, daß wenn er mir eine Sache ins Gewissen schob, ich nicht leicht Nein zu sagen im Stande war. Aber nun erhob sich eine andere Schwierigkeit. .Ich hielt nnd halte bis auf diesen Tag die Arbeit der lutherischen

Vereine — mögen immerhin ihnen Schlacken und Gebrechen anhaften — für ein heiliges von Gott selbst gewirktes Glaubenswerk, und ihre Bestrebungen für heilige Ziele, welche die Mitglieder unter Selbstverleugnung um des HErrn willen verfolgen. Mein Herz und Gewissen war an diese gebunden. Seit einer Reihe von Jahren hatte ich die Redaktion des Centralblatts dieser Vereine geführt mit ganzer Liebe und Hingabe. Diese Arbeit erachtete ich als eine-von Gott mir übertragene, der ich mich nicht entziehen durfte, wenn ich dieselbe nicht in treue zuverlässige Hände abgeben konnte. Ich stellte also, da sich kein geeigneter Nachfolger in der Redaktion fand, die Bedingung, daß ich auch als Missionsdirektor dieselbe fortführen müsse. Als das Comits selbstverständlich diese Bedingung zurück-wies, war ich in meinem Herzen innigst erfreut, von dem schweren Gange nach Berlin entbunden worden zu sein.

Aber Knak ruhte auch jetzt nicht. Nun mußte sein Karl an die Reihe, und er drang so lange in ihn, bis dieser sich zur Ueber-nahme der Redaktion bereit erklärte. Knak war überglücklich. Er schrieb am 19. Juni 1865 an Straube zurück: "Deine rührende Bereitwilligkeit, die schwere Redaktion zu übernehmen, wird dir der HErr reichlich segnen." Bald darauf besprachen sich die Beiden mit P. Behrendts in Praedikow, und dieser, ebenfalls ein warmer Mifsionsfreund, entschloß sich zu dem Opfer. Nun das waren allerdings diejenigen Hände, in welche ich am liebsten und mit vollem Vertrauen das Blatt übergeben konnte. Mir war also die letzte Rückzugslinie abgeschnitten. Ich versuchte noch eins. Ich schrieb an alle meine confesfionellen Freunde, und erbat ihren Rath, was sie für wichtiger hielten, ob ich in meiner bisherigen Arbeit bleiben oder gehen sollte. Meinhold, mein alter treuer Kamerad, ging voran: "Hier in Cammin hat dich Gott gesegnet, und hat dir deinen Wirkungskreis angewiesen; da mußt du bleiben. Ob es in der Mission glücken wird, das kann man nicht wissen, zumal du die Gabe, anfassend zn predigen oder fesselnd zu erzählen, nicht hast! Also du bleibst!" — Ich freute mich herzinniglich. Aber dann kam der nächste Freund brieflich: "Die Mission ist zu wichtig, sie fordert auch dies Opfer, du gehst!" —so kamen Zug um Zug an die fünfzig Briefe. Der eine sagte: Du bleibst, der andere: Du gehst: und ich war bei Nr. 50 so klug wie bei Nr. 1.

Da schließlich mußte eine Entscheidung getroffen werden. Ich» versammelte zehn meiner nächsten und urtheilsvollsten Freunde in Roman zu Knaks späterem Mitvater, dem Rittergutsbesitzer Audrae. Ich bat die Conferenz, endgültig über mich zu entscheiden, ich sei willenlos, und wolle in ihrem Ausspruch den Willen des HErrn erkennen. Die Berathung nahm zwei Tage in Anspruch. Das Resultat des ersten war, ich solle bleiben; das des zweiten, ich solle gehen. Innerlich gebrochen, ergriff ich die Feder und schrieb an das Comits, ich sei bereit zu kommen. Knak, als der Brief im Counts vorgelesen wurde, forderte dasselbe auf, niederzuknieen, und legte den Neuerwählten dem Herrn Jesu im heißen Gebet ans Herz. Das waren aber schwere Monate bis Michaelis in Cammin. Da bin ich oft händeringend an den geliebten Stätten und Häusern vorübergegangeu, die mir ins Herz hineingewachsen waren. Wiederholt hatte ich Rufe, die an mich von anderen Orten her ergangen waren, abgelehnt und dazu immer gesagt: Wenn aber an irgend einen andern Ort, dann nach jedem andern, nur nicht nach Berlin.

Und null kam ich in Berlin an; meine beiden lieben Mitarbeiter Kratzenstein und Plath holten mich vom Bahnhof ab. Mir war auf dem Wege nach der Sebaftianstraße zu Muthe, als sollten mir die hohen Häuser über dem Kopf zusammen fallen — bis — ich den Fuß über die Schwelle des Missionshauses setzte. In de in selben Augenblick nahm mir der HErr die Last ab. Ich bekam volle Freudigkeit, und nie ist es mir hernach leid gewesen, den Schritt gethan zu haben, der mir der schwerste in meinem Leben gewesen ist. Mit dem theuren Professor Hengstenberg bin ich auch hernach in Ordnung gekommen. Zuerst hat er sich in mein Dortsein gefunden, hernach hat er sich darüber gefreut und hat mir noch auf dem Sterbebette seine Liebe und sein Vertrauen kundgegeben.. Und die Gabe, anfaßlich aus der Mission zu zeugen, hat mir der HErr hernach auch noch geschenkt. Knak aber war noch am Abend meiner Ankunft im Missionshause und erflehte den Segen des HErrn ans mich herab. Hernach konnte er am ersten Montag im Dezember im Missionsbetsaal mich der versammelten Missionsgemeinde vorstellen, worauf ich meine erste Missionsftunde hielt. Knak aber ist mein treuster Fürbitter und väterlicher Berather gewesen und geblieben bis an sein Ende.


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Eine besondere Freude war es ihm, daß er mich Zu meiner Visitationsreise durch Afrika einsegnen konnte. Unvergeßlich wird es mir und vielen bleiben, wie er am Abend vor meiner Abreise in seiner Ansprache die Missionsgemeinde mit den dringlichsten Worten zur Fürbitte aufforderte: "Und wenn einer von Euch einmal sollte des Abends bereits zu Bett gegangen sein (so sprach er), und sollte im Bett eingedenk werden, daß er vergessen hat, für den lieben Missionsdirektor zu beten, so bitte ich ihn, daß er noch einmal aufstehe und das Gebet thne." Ich machte dann meine Reise durch Südafrika. Es war, als ob alle Hindernisse und Schwierigkeiten wie fortgebannt waren von meinem Wege. Keine Axe zerbrach, kein Ochse fiel, kein angeschwollener Stroni hielt mich auf, — "wie mit der Uhr in der Hand," so sprach der alte Präsident Götze in seiner Begrüßungsansprache nach meiner Rückkehr, sei ich durch Afrika gereist, überall fast nach der Minute eintreffend, wie ich beabsichtigt hatte. Alle Leute in Afrika selbst waren erstaunt. Und der Grund? Nach meiner Rückkehr haben mir viele gesagt, sie hätten die Ermahnung Knaks wörtlich befolgt. Deshalb war es aber auch hernach für Knak ein fortwährender Frendenzug, als auf seine Veranlassung hin ich achtzehn Wochen lang jede Woche in einer anderen Kirche Berlins über meine Reise einen fortlaufenden Bericht vor der stets zahlreich versammelten Missionsgemeinde halten konnte. Inbrünstiger als Knak hat wohl Niemand für die Mission gebetet.

Und doch war die Mitarbeit an der Berliner Missionsgesellschaft nicht die Hauptrichtung seiner direkten Missionsthätigkeit. Diese ging nach China hin.

Wir haben bereits oben (Seite 230) gesehen, wie durch Gütz-laff angeregt, Knaks theure Frau an die Spitze eines chinesischen Frauenvereins getreten, und wie die Arbeit dieses Vereins im Jahr 1850 durch die Abordnung der Frau des Missionar Neumann in Angriff genommen war.

"Zion, heb am Elend an!" das sollte auch dieser junge Verein erfahren. Das Neumannsche Ehepaar bekam die Weisung, sich besonders an Gützlaff anzuschließen — sie kamen an und fanden Gützlaff todt. Im Jahre 1852 wurde der Frau Neumann Fräulein

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Julie Poser zur Hülfe geschickt — nach kurzer Zeit war auch diese heimgegangen. Dann sandte der Verein die Schwestern Charlotte Süsseroth und Elisabeth Nagel der Frau Neumann zur Hülfe. Sie waren noch nicht in China angekommen, da trifft sie die Nachricht, das Neumann'sche Ehepaar sei krankheitshalber bereits von China abgereist und auf der Rückreise nach Europa. Befreundete Missionarsfamilien nahmen sich der beiden einsamen Schwestern an, welche die Pflege der fünf vorhandenen armen Findelkinder übernehmen sollten. Dieselben bezogen mit den vom Männerverein ansgesandten Missionaren Hanspach und Göcking das leergelassene Neumannsche Haus (eine gemiethete Wohnung, die einstweilen zu einem Findelhaus eingerichtet war). Sie hatten ihre schwere Arbeit an den kranken, krätzigen, verkommenen Kindern. Aber kaum haben sie sich hineiugearbeitet, so ruft der HErr die Schwester Charlotte am 26. Nov. 1855 heim. Lisette Nagel war allein!

Alle diese so schnell auf einander folgenden Schläge erweckten daheim die bange Sorge, ob der eingeschlagene Weg der gottgewollte sei. Die Frage wurde erörtert, ob nicht lieber die Findelkinder in chinesischen Familien und Schwester Lisette einstweilen in einer deutschen Familie nntergebracht werden solle. Die Antwort des Missionars Hanspach lautete: "Das Findelhaus anfgeben kann nur der, welcher der Meereswelle gleicht, weil er keinen Glauben hat an den HErrn, es auch nicht in Seinem Namen angefangen hat;" die des Br. Göcking lautete: "Was das Bestehen des Findelhauses betrifft, so ist vor allem unser herzlicher Wunsch, daß der HErr Ihnen gebe, im Glauben auszuführen, was im Glauben ungefangen ist!" Damit war die entscheidende Antwort gegeben.

Aber wahrlich Glauben war nöthig. Die beiden Brüder zogen meistens missionirend im Lande umher. Was sollte die einsame Schwester Lisette anfangen, wenn sie erkrankte? wenn etwas Außerordentliches vorkam mit den kranken Kindern? Wie, wenn in den unsicheren Zeiten, wo Gesindel vielfach umherstreifte, das einsame Haus von Strolchen überfallen wurde?

Die Lage der Dinge verlangte gebieterisch die Aussendung einer Familie von Hauseltern. Sie wurden gesucht und gesunden in den Personen des Schuhmacher Ladendorff und seiner Frau Md seiner Tochter Bertha. Diese drei wurden am 3. Okt. 1856

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durch Knak in der Bethlehemskirche abgeordnet und langten am 8. März 1857 wohlbehalten in Hongkong an, in einer Zeit, wo soeben wieder der Krieg zwischen England und China ansgebrochen war und Aller Leben in Gefahr stand. Unter solchen Umständen kamen die Neuausgesandten der einsamen Schwester Lisette, deren Kinderzahl sich bereits auf sechzehn vermehrt hatte, zu rechter Zeit.

In demselben Jahre bahnte der HErr einem armen chinesischen Waisenkinde die Wege bis nach Berlin. Dasselbe hieß Ahow-(eigentlich Tshau-How).

Die Eltern dieses Kindes waren Hungers gestorben, als das Kind vier Jahre alt war. Eine heidnische Nachbarin hatte sie au sich genommen und bis zmn dreizehnten Jahre gepflegt, und sie dann als Sklavin an eine Chinesin nach Hongkong verkauft. Jene Chinesin vermiethete sie an eine englische Dame, die sie mit nach London nahm. Hier sah sie ein deutscher Kaufmann ans Quedlinburg, Namens Nienäcker, der sich früher in Hongkong aufgehalten hatte. Dieser schrieb an den Frauenverein nach Berlin, der sich bereit finden ließ, sie zu erziehen, damit sie vielleicht als Lehrerin in ihr Vaterland zurückkehren könne. Am 9. Nov. 1857 kam sie an. Knak nahm sie wie ein Kind in sein eigenes Haus. Frl. Amalie Heidsiek übernahm 1858 die Erziehung des jungen Fremdlings, der nun unter der christlichen Umgebung den Herrn Jesum fand und mit herzlichem Verlangen die heilige Taufe begehrte. So wurde Knak die köstliche Freude zu Theil, ein wirkliches chinesisches Heidenkind persönlich taufen zu können. Die Taufe fand vor dichtgedrängter Versammlung in der Bethlehemskirche am 14. April 1859 statt. Taufzeugen waren unter anderen die sämmtlichen Glieder des kleinen Missionshülfsvereins zu Hartum. Sie brachten ein Pathengescheuk von 13 Thlr. 20 Sgr. 9 Pf. und die Mädchen schrieben dem lieben Täufling, der den Namen Maria Elisabeth Sen erhielt, einen besonderen herzigen Pathenbrief, den der Pastor Wedepohl persönlich überbrachte. Auch die Königin Elisabeth hatte unter besonderen Segenswünschen ein Pathengeschenk von 25 Thalern übersandt. Geistliche Taufzengen waren die Pastoren Overbeck, Straube und Bernsee. Die Engel Gottes waren zugegen bei der Feier. Diesen 14. April aber war in Knaks Leben ein Licht- und Jubeltag, am den er später vielfach mit Dank gegen den HErrn znrückdachte.

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Mit der wachsenden Zahl der Findelkinder auf Hongkong stellte sich immer mehr das Bedürfniß nach Vermehrung der Zahl der pflegenden Schwestern heraus, insonderheit nachdem Bertha Ladendorff seit dem 25. Juli 1861 mit dem befreundeten rheinischen Missionar Louis in den Ehestand getreten war. So wurden im April 1863 die Schwester Louise Brand und im Jahr 1864 die Schwestern Louise Süß und Panline Lesemann nach Hongkong abgeordnet. Knak, der dem ganzen Werk wie ein Vater Vorstand, pflegte die abreisenden Schwestern bis Hamburg zn geleiten, um sie selbst auch auf das Schiff zu bringen. In diesem letzten Jahre 1864 beschloß er, mit ihnen bis nach London zu gehen, wohin sein Karl ihn begleitete. Es war eine reich gesegnete Reise; besonders aber war die Rückreise durch ein ganz merkwürdiges Ereigniß ausgezeichnet.

Knak fuhr an einem Sonnabend nach Hamburg ab. Da man den folgenden Tag, einen Sonntag, auf der See zuzubringen ge-nöthigt war. wandte sich Knak an den Capitän, einen ernsten, schweigsamen, zurückhaltenden Seemann, mit der Bitte, einen Schiffsgottesdienst halten zn dürfen. Der Capitän antwortet kein Wort. Auf die erneute Bitte giebt er eine ausweichende Antwort. Als Knak zum dritten Mal bittet, da spricht er geradezu es aus: "Alle Zeichen sind am Himmel, daß wir morgen ein heftiges Unwetter haben werden, da wird Ihnen das Predigen schon von selbst vergehen!" Das war eine doppelt niederschlagende Antwort. Knak aber geht es wie ein Licht durch die Seele, und er bittet weiter: "Wenn wir aber den HErrn dringend um gutes Wetter bitten, und der HErr erhört uns, geben Sie dann die Erlaubniß?" Da wurde der Capitän ungeduldig und sprach: "Ich habe Ihnen gesagt, daß morgen schlechtes Wetter sein wird, wozu fragen Sie denn immer wieder?!" — Die Passagiere gingen in ihre Kabine. Knak that sein dringendes inständiges Gebet. Am andern Morgen stehen sie auf. Kein Wölkchen am Himmel, die Meeresfläche glatt und eben wie ein Spiegel. Strahlend vor Freude geht Knak auf den Capitän zu, der ihm zuerst scheu aus dem Wege zu gehen versucht, aber nun schließlich die Erlaubniß zum Gottesdienst nicht versagen kann. Da hat es denn eine köstliche Feier gegeben und mit den Passagieren hernach tief eingehende Gespräche, an denen sich zuletzt auch der Capitän betheiligte.

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Von jetzt ab aber behandelte dieser Knak mit der zuvorkommendstem Aufmerksamkeit bis ans Ende der Fahrt, und nahm dann vom ihm einen bewegten Abschied.

Unter der Pflege der neuausgesandten Schwestern wuchs die Zahl der Findelkinder von Jahr zu Jahr, so daß schließlich das gemiethete Haus auf Morrison Hill zu klein wurde, und auf den Bau eines neuen größeren Hauses Bedacht genommen werden mußte. Dasselbe erhielt den Namen Bethesda. Ehe es fertig war, gab es manchmal dringende Noth und ernste Gebete und herrliche Aushülfe vom HErrn, der gläubige Gebete zn erhören verheißen hat.

Im März 1860 sollten und mußten zu einem bestimmten Tage 500 Thaler beschafft werden. Alle Versuche Knaks, sie geborgt zu erhalten, schlugen fehl. Für den Nachmittag des Tages hatte Knak mit Videbandt, Arndt und Stephan einen Besuch beim Pastor Hecker in dem benachbarten Lindenberg verabredet. Ja, sollte er gehen in seiner Unruhe? Seine Mathilde wollte ihn fest,, sehr fest zurückhalten von dem Besuch, da er die Zeit doch zur Beschaffung des Geldes gebrauchte. Denn am Abend mußte es nothwendiger Weise bei Frl. v. Bodeck, der damaligen Schatzmeisterin des Vereins, eingezahlt sein. Er fragt den HErrn. Eine klare und bestimmte Stimme sagt ihm, er soll reisen.

Die Brüder kommen um zwei Uhr in Lindenberg an. Man setzt sich zu Tische, Knak neben die Hausfrau. Er konnte es ihr nicht Verschweigen, daß er hier in großer Unruhe des Gemüths verweile, und bäte, gleich nach Tische ihn mit ihrem Einspänner nach Berlin zurückzubefördern, denn am Abend acht Uhr müßten die 500 Thaler bei Frl. v. Bodeck sein; er flehe zum HErrn, derselbe möge ihm andere Wege zeigen, denn alle bisher eingeschlagenen seien vergeblich gewesen; er seufze zum HErrn, daß derselbe doch seinen und anderer Leute Glauben nicht zu Schanden werden lassen möchte. Seine Mathilde sei fast unwillig gewesen, ihn hieher reisen zu lassen, indeß habe es ihn wie mit innerer Macht immer wieder hergezogen.

Die Frau Pastorin erschrak, dann goß sich eine stille Freude

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über ihre Seele. Gerade Tags zuvor war an ihren Mann ein Kapital von 500 Thalern ausgezahlt worden. Sollte das hier die Hülfe aus der Noth fein? Sie sagte Knak kein Wort, ging aber ganz leise in ihres Mannes Zimmer, und ließ diesen dorthin rufen. Derselbe fürchtet, sie sei krank geworden und kommt erschreckt hin; sie aber eröffnet ihm Knaks Noth und Verlegenheit. "Mit Freuden!" antwortet er; "ich bin froh, wenn ich das Geld aus dem Hause habe. So kehrte die Frau Pastorin in die Gesellschaft zurück, und sagte dem theuren Knak, er könne ruhig bis zum Aufbruch der Uebrigen dortbleiben, denn die 500 Thaler, die er suche, seien schon gefunden, und zwar in Lindenberg, wohin es ihn innerlich so stark gezogen habe.

Das war ein Wunder vor Aller Augen; in tiefer Bewegung konnte Knak in seinem brünstigen Gebete seines Herzens Lob und Preis Ausdruck geben. Die müßigen Zinsen wurden pünktlich entrichtet und nach wenigen Jahren das Kapital zurückbezahlt.

Im Mai 1864 wurden mit einem Mal zwei unverzinsliche Darlehen, eins von 600 und eins von 100 Thalern, die für Bethesda geliehen waren, gekündigt, gerade zu einer Zeit (so schreibt Knak), wo uns an der Summe, die wir vierteljährlich für Haushaltungskosten hinüber senden müssen, noch mehrere hundert Thaler fehlten. Wir blickten sehnsuchtsvoll hinauf zu den Bergen, von dannen die Hülfe kommt. Und sie kam wunderbarlich. Denn gerade in jenen Tagen erhielt ich aus Königsberg einen Brief von einem Freunde (dem inzwischen am 25. Sept. 1880 selig Heimgegangenen treuen Gottesknecht, dem alten Grünewald), worin er anfragt, wie es mit unserem Missionsbetrieb gehe und einen Blick in unser Schuldbuch für Bethesda zu thun wünscht. Ich setzte mich sogleich hin und stattete ausführlichen Bericht ab, sagte ihm. auch von den 700 Thalern, die uns gekündigt seien. Vierzehn Tage darauf schrieb derselbe Freund, er trage unsere Angelegenheit stehend und liegend auf dem Herzen, und ganz kürzlich kommt ein Geldbrief von ihm an mit 700 Thalern, die er im Namen des HErrn und zur Abtragung jener beiden Darlehen Zum Geschenk machte,, voll Dankens und Preisens gegen den herrlichen Heiland, der ihn den armen Knecht würdige, ein Stäublein zum Bau Seines großen Tempels beitragen zu dürfen. Da hüpften unsere Herzen vor

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großer Freude, und wir fielen dem wundervollen Lebensfürsten Mit beschämtem Gemüthe zu Füßen."

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Person des Rektor Klitzke, der mit Freuden hinausging und das Werk in Hongkong unter reichem Segen des HErrn geleitet hat bis aus diesen Tag. Im März 1867 wurde er abgeordnet, am 19. Mai (an demselben Tage, wo Knak an Südafrika die Freude erlebte, daß uns die Station Zoar wieder geschenkt wurde) trat er seine Arbeit an. Der frühere Hausvater Ladendorff kehrte nach Berlin zurück, wo er im März 1871 heimging. Neue Schwestern gingen in den folgenden Jahren hinaus, Fanny Schröder und Emilie Josephson im Jahre 1874. Letztere hat der HErr nach langer schwerer Krankheit am 19. Dezember 1878 heimgerufen.

Knak ist wegen seiner Thätigkeit für Hongkong vielfach getadelt worden. Man warf ihm vor, daß er durch dieses sein Separatunternehmen die Kräfte zersplittert und namentlich durch seinen Einfluß bei den Misstonsfreunden die Arbeiten des chinesischen Mäuneroereins lahm gelegt habe; daß er also um eines an sich unbedeutenden, und im Vergleich zu der Gesammtaufgabe der Missionirung Chinas kaum uennenswerthen Unternehmens willen die eigentliche Aufgabe der Sendung von Missionaren geschädigt habe. Wir können diesen Vorwurf nicht für gerecht halten. Jeder erhält für die von ihm geleitete Missionsarbeit so viel, als er glaubt. Wäre Glaube und Liebe genug bei dem Männerverein gewesen, so hätten demselben die Mittel wohl nicht fehlen sollen. Aber die Wichtigkeit dessen, was durch Bethesda für die Mission gewonnen wurde, darf auch nicht unterschätzt werden.

Das Findelhaus von Hongkong hatte (1875) beim fünfundzwanzigjährigen Jubiläum des Vereins über zweihundert arme, dem grausamen Tode von ihren entmenschten Müttern preisgegebene Kinder für das Reich Gottes und das ewige Leben gerettet, von denen damals bereits elf als christliche Ehefrauen getaufter Chinesen in besonderer Arbeit für das Reich Gottes unter ihren Landsmänninnen standen. Außerdem war das Findelhaus eine stets offene Herberge gewesen für die deutschen Missionare aller in China arbeitenden Gesellschaften. Denn weil Hongkong der Schlüssel für das Innere von China ist, so mußten die deutschen Missionare, ehe sie an ihre Arbeit gingen, allemal Hongkong passtren; und sie fanden dort allezeit die liebevollste Pflege und Knak. LAufl.        23

Nachdem das Findelhaus auf Hongkong mit einem Aufwands von 24000 Thalern erbaut und eingerichtet worden war, trat -eine neue Sorge ein. Es stellte sich je länger je mehr heraus, daß die Hauseltern von Bethesda, die ja nur schlichte Handwerkerleute waren, doch der schwierigen Aufgabe, einem solchen Haushalt vorzustehen, nicht gewachsen waren. Die mancherlei Unzuträglichkeiten, die vorkamen, erweckten den Wunsch in Knak, einen ordi-nirten Pastor draußen als Hausvater zu haben. Er trug die Sache dem HErrn im Gebet vor. Aber der ließ ihn lange vergeblich suchen. Endlich fand sich der Pastor Horter von Naumburg in Schlesien bereit» ein hervorragend begabter und für diese Aufgabe vor andern geeigneter Mann. Knaks Herz ging in Sprüngen. Aber um so tiefer wurde er betrübt, als kurz vor -der zur Abreise bestimmten Zeit Horter schrieb, daß er den dringendsten Bitten seiner Gemeinde, die den zärtlich geliebten Seelsorger nicht lassen wollte, nachgegeben habe und bäte, ihn seines für Bethesda gegebenen Versprechens zu entbinden. Das war ein harter Schlag. Aber Knak faßte sich im Glauben. Er schreibt darüber im April 1865 an eine Freundin: "Der HErr Hat uns etwas Besseres zugedacht, und Er wird's auch geben, das äst meine Hoffnung — und nicht wahr? Sie helfen beten, daß meine Hoffnung, die gewiß auch die Ihrige ist, nicht zu Schanden werde." — Nun kam abermals eine schwere Geduldsprobe. Alles -Suchen nach einem geeigneten Geistlichen für Bethesda blieb Jahre lang vergeblich. Auch lastete ein anderer nicht leichter Sorgenstein auf dem Unternehmen. Die Beiträge hatten bisher kaum ausgereicht, um die laufenden Kosten zu decken; woher das Gehalt für den Geistlichen nehmen, das (viel zu gering) auf 800 Thaler veranschlagt wurde? Diese letzte Sorge wurde zuerst gehoben. Eine durch viel Kreuz geläuterte edle Dame, Frau v. Veltheim, geb. v. Mitzlaff, schenkte das Capital von 16000 Thlrn.. von dessen Zinsen das Pfarrergehalt bestritten werden sollte. Das -Gehalt war nun da, aber der Pfarrer dazu war nicht zn finden. Die Briefe und Gebete des theuren Knak wurden immer dringlicher. Endlich, endlich zeigte der HErr den rechten Mann in der

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Einweisung in ihr Amt; und späterhin in Kriegs- und Verfolgungs-zeiten ein Asyl, und in Krankheitszeiten einen Genesungsort. ! Dazu war das Haus selbst eine laute Predigt von der christlichen Samariterliebe, die den hartherzigen Chinesen das Christenthunr ! praktisch vorlebte, wie dies P. Stephan in der Jahresfestpredigt von 1872 mit den Worten ausführte: "Predigt denn allein das Wort? Ist nicht die That, wenn sie von Dem zeugt, der gekommen ist, die Sünder selig zu machen, fast noch eine lautere Predigt, als die des Worts? Die Steine jenes Rettungshauses auf Hongkong, das Sparrwerk seines Gebälkes, sein Hansgeräthe, die Kindlein, die in demselben gesammelt werden, mn in die Arme des treusten Kinderfreundes Jesu und an das Herz des großen Königs gelegt zu werden, die Pfleger, die ihrer warten, ja Alles, was in diesem Hause geschieht und was von hier ans an ihm geschieht: es zeugt und predigt: Jesus ist König und hat ein Reich auf Erden, dessen Glanz jetzt erst hier und dort hervorglänzt, der aber einst die Welt erfüllen wird, wenn jener Stein, welchen Daniel sah, wird zum Berge geworden sein!'" ; Ja. die praktische Predigt, die das Findelhaus in Hongkong den        ^

heidnischen Chinesen hielt, war so einschneidend, daß selbst die        j

chinesischen Mandarinen davor erschraken, und während sie früher nicht einen Finger rührten, um der armen weggeworfenen Kinder sich zu erbarmen, nun schon selbst auch heidnische Findelhäuser ^ bauten, um zu zeigen, daß sie sich nicht durch die christliche Liebe überflügeln lassen wollten. Freilich sind diese heidnischen Findelhäuser klägliche Carrikaturgestalten, eine Nuß ohne Kern. Was soll der Schein der Samariterliebe, wenn diese selbst fehlt? Und wo soll dieselbe Herkommen, als aus dem Glauben an den Herrn Jesum?

Aber der Segen von Bethesda griff auch weiter. Jetzt zeigt an jedem Sonn- und Festtag die bis tief ins Meer hin sichtbare deutsche Flagge auf dem Dach von Bethesda den Schiffern im Hafen, daß an dem Ort deutscher Gottesdienst sei und ladet ein mit dem bedeutungsschweren Wort: "Kommt, denn es ist Alles bereit!" Und mancher ist gekommen und hat seinen reichen Segen mitgenommen. Die zahlreichen deutschen Landsleute in Hongkong aber haben sich um unser Kirchlein von Bethesda zu einer be-

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sonderen Gemeinde gesammelt, die von P. Klitzke regelmäßig mit Wort und Sakrament bedient wird. Unter allen Weißen des Orts, Engländern wie Deutschen, hat das Fiudelhaus ein solches Ansehen erlangt, daß sie alljährlich eine Collekte von über 1600 Thalern aufbringen, eine dankenswerthe Hülfe zur Deckung der jährlich etwa 8000 Thaler betragenden Kosten.

Im Jahre 1875, bei Gelegenheit des 25jährigen Stiftungsfestes, wurde der Versuch gemacht, ein Eben-Ezer zu setzen dadurch, daß die circa 5000 Thaler Schulden, die noch auf dem Bau lasteten, durch eine außerordentliche Sammlung gedeckt würden. Der HErr legte Segen auf dies Unternehmen, denn die größere Hälfte der Schuld wenigstens konnte noch in diesem Jahre abgetragen werden.

Im Jahre 1877 kan: Pastor Klitzke zu einer einjährigen Besuchsreise nach Deutschland, und konnte mit Knak noch alles Nöthige besprechen für den Fall seines Todes. Als er im folgenden Jahre zurückkehrte nach China, mußte der Schreiber dieses Lebensbildes an des theuren Knak Statt denselben einsegnen. Der liebe Vater selbst stand bereits am gläsernen Meer, woselbst er sicherlich auch ferner seine fürbittenden Hände erhebt für seinen Augapfel, das geliebte Findlingshaus Bethesda!

Und der Segen des theuren Vaters wird von diesem Gottesban sicherlich auch nach seinem Tode nicht weichen. Man hat wohl gefürchtet, jetzt, nachdem Knak nicht mehr so dringend bitten und betteln könne bei Gott und Menschen für sein liebes Bethesda , werde dasselbe wohl in Mangel und Noth gerathen. Wir können uns das nicht denken. Denn "was unser Gott geschaffen hat, das will Er auch erhalten, Darüber will Er früh und spat mit Seiner Gnade walten." Und wir richten hiermit an alle bisherigen Freunde von Bethesda die Bitte: Lasset das heilige Werk nicht aus Euren Gedanken, aus Eurer Liebe und Euren Sorgen los! Betrachtet es als ein Vermächtnis des seligen Vaters Knak! Und damit dies desto wärmer geschehe, möge er selbst Euch seine Bitte vorlegen mit den Worten eines Briefes, den er im Jahr 1861 an eine edle Dame und Mitarbeiterin für Hongkong als Begleitung zu einem photographischen Bilde von der Bethesda-Familie nach Schlesien sandte:

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Beifolgend übersende ich Ihnen mit großer Freude das "Bild der Familie im Findelhause" nebst Erläuterung und den ersten Quartalbericht dieses Jahres, dessen Inhalt Sie, wie ich hoffe, erfreuen wird. Nicht wahr, Sie hängen sich nun auch das Bild der Familie im Findelhause unv die beiden mitfolgenden Bilder von Amalia und Maria in Ihrem Wohnzimmer auf, so daß sie Ihnen immer vor Augen sind und Sie fleißig aller der theuren Herzen vor dem HErrn gedenken können? Mir ist es oft, wenn ich die Bilder betrachte, als müßte ich mit jedem einzelnen, mit den Großen und den Kleinen, reden und sie auf das Lamm Hinweisen, welches der Welt Sünde trägt — und als fragten sie mich, ob ich auch treulich für sie bete. Der Beruf unserer theuren Geschwister draußen ist ebenso köstlich als schwer. Und Satan hat einen großen Zorn darüber, daß die armen Kindlein ihin entrissen sind: Darum müssen wir sie Alle desto treuer auf fürbittendem Herzen tragen, damit alle List und Gewalt des bösen Feindes, womit er ihnen nachstellt, an der allmächtigen Gnade und dem gnädigen Schutze des HErrn zu Schanden werde und das liebe Findelhaus dastehe als ein Licht auf dem Leuchter und als eine Stadt auf dem Berge.

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Knak als Reichsanwalt «nd Zionswächler.

Für den evangelischen Christen, dessen Denken von Kind auf in die Anschauungen des solu (durch den Glauben allein) hiuein-gewöhnt wird, ist eine Gefahr vorhanden, daß ihm die Reichs-Idee des Reiches Gottes Zurücktritt, und daß er die Rettung der eigenen Seele allen andern Interessen Voranstellt. Und doch giebt es ein höheres Ziel, selbst als die Rettung der eigenen Seele, nämlich den Leib Christi. An dem Leibe Christi sind die einzelnen Glieder nicht blos Einzel-Individuen, sondern sie sind eben Glieder, gehören einem Organismus an, und haben Rechte und Pflichten nicht blos in Bezug auf ihre persönliche Stellung zum HErrn, sondern auch in Bezug auf die übrigen Glieder und den Organismus des Ganzen, gleichwie der HErr in seinem hohenpriesterlichen Gebet betete: "daß sie alle Eins sein, ich in ihnen und sie in mir, und sie unter einander Eins seien."

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Wer Knak für einen engen Pietisten hält, hat ihn eben so wenig in seinem innersten Wesen verstanden, als wer meint, er sei ein vornämlich weich und weiblich angelegter Charakter gewesen. So wie seiner zartesten und weichen Innigkeit ein Mannesmuth. eine Heldenhaftigkeit zur Seite ging, die man bei stärkeren Charakteren nur selten in dem Maße findet, so ging seinem Pietismus auch ein warmes Gefühl für die weiteren Linien des Reiches Gottes zur Seite. Er war eben nicht Pietist, sondern nur Liebhaber Jesu, — sein Motto war: "Sie sahen Niemand als Jesum allem!" —. aber er sah nicht blos den Jesum. der für unsere Sünden geblutet hat, sondern auch den Jesum, der gesagt hat: "Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden", und der ein Königreich gestiftet hat, das über alle Crea-tnren sich erstreckt, in alle bürgerliche und natürliche Verhältnisse hineinragt, um alles heiligend zu dnrchdringen, auf daß Christus sei Alles in Allem! — Deshalb hatte er einen so sehr scharfen Blick für die Verfassnngsfragen der Kirche, für die Schranken der Wissenschaft gegenüber der Offenbarung, für die solidarische Gemeinschaft der Glieder des Reiches Gottes.

Je seltener in unseren Tagen Männer von dieser Weite des geistlichen Blicks gefunden werden, desto weniger ist Knak in seiner Stellung als Zionswächter verstanden, desto schiefer und ungerechter ist er beurtheilt worden. Knak hatte ein tiefes Verständnis dafür, daß eine einzige Achans-Sünde (Josna 7) ganz Israel straffällig macht, und daß ein wenig Sauerteig den ganzen Teig durchsäuert, und daß jede einem Christen zur Kenntnis; gekommene Sünde in der Gemeinde ihn selbst, vor Gott sträflich und ver-dammlich machen würde, wenn er nicht dagegen sein Zeugniß erhöbe und alles thäte, um das Aergerniß aus der Mitte zu schaffen. Nach dieser Seite hin steht Knak groß da. Unerschrockenen Muths und mit unumschränkter Freimütigkeit zeugte er für die Wahrheit und gegen die schleichende Pest und die gleißende Heuchelmaske der Sünde vor Hoch und Niedrig, vor gläubigen Pastoren und ungläubigen Spöttern. Er kannte kein Mäntelchen, keine politischklugen Erwägungen , sein Grundsatz war: "Gott fürchten ist Weisheit und Meiden das Böse ist Verstand." Und sein steter inniger unmittelbarer Verkehr mit dem HErrn schärfte ihm das Auge,

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daß er nicht selten auch in schwierigen Fragen weiter, tiefer und klarer sah, als berühmte Führer, die in den Kreisen der Gläubigen fast unbedingte Autorität genossen. So war Knaks Auge allzeit offen für die Schäden und Gefahren der Kirche, und was er als solche erkannt hatte, deckte er auf und verfolgte es mit einer Ausdauer, Zähigkeit und Energie, daß er, wenn wir auch nichts weiter von ihm wüßten, schon mn dieses einen Charakterzugs willen zu den Großen in Israel gezählt zu werden verdient.

Zu solcher Stellung als Reichsanwalt und Zionswächter gehört freilich ein in Christo völlig gebrochenes und völlig geheiltes Herz, ein Lossein vom eigenen Ich und ein beständiges Leben in Christo und Seinem Wort, ein völliges Uuterordnen der eigenen Meinung und des eigenen Interesses unter die Interessen des Reiches Gottes, wie man es sonst wohl bei den alten Profcten findet. Ich glaube, daß alle diese Eigenschaften Knak nicht in geringerem Grade beigewohnt haben, als jenen großen Profeten. Da ich indeß wohl annehmen darf, man werde meinem, als des dankbaren persönlichen Freundes Urtheil nicht völliges Vertrauen schenken, so möge es mir gestattet sein, hier eine Reihe von Zeugen, meistens Pastoren, Männern der verschiedensten Charakteranlagen und Anschauungen von der Kirche, die aber alle Knak aus dem intimsten Umgänge und aus nächster Nähe kannten, zeugend anzuführen.

Ein ernster Christ aus Schlesien hatte Knak noch nicht predigen hören. Einmal auf einer Reise nach Berlin geht er in die Bethlehemskirche, steht aber zu seiner nicht geringen Enttäuschung Görcke die Kanzel besteigen. Dieser fängt an, aus den früheren Zeiten der Pommerschen Erweckungen zu erzählen und von dem Segen, der aus Knaks Erbauungsftnnhen geflossen sei. Als Knak, der neben der Kanzel sitzt, dies hört, wird er tief roth vor Scham, bedeckt sein Gesicht mit beiden Händen und sucht es hinter der Chorbrüstung zu verstecken, und steht, da das nicht gelingt, auf, um sich hinter der Kanzel zu verbergen. Der liebe Christ, der dies berichtet, fügt hinzu, von diesem Anblick habe er einen so tiefen Eindruck und Segen empfangen, wie kaum je zuvor aus einer Predigt.

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"Keine Trockenheit der Stimmung iso berichtet der Pastor Vorberg aus Lemgo), keine Verstimmung, keine scherzhafte Vergleichung fand Anklang und Verständnis; im Verkehr mit dem lieben Knak, so daß er manchmal viel an mir zu tragen hatte." — "Was mir mn meisten an ihm imponirt hat (so schreibt ein anderer), ist nicht blos sein Mannesmuth bei einem so weichen Herzen, sondern auch seine Klarheit in der Lehre, die er durch persönlichen Verkehr mit dem HErrn errungen hatte, und nicht ans Dogmatiken." — "Ein Mann (so schreibt Knaks Mitvater, der Rittergutsbesitzer Andrae), ein Mann, so überströmend von Liebe und Güte, und doch ein echtes Donnerskin-d, wo es galt, die Sünde zu strafen und des HErrn Gnade zn verkündigen, ist mir nicht weiter vorgekommeu» ein reich begabtes, von Herzen de-müthiges Gotteskind, ein voller Edelmann. Ja, edel war Alles an ihm und um ihn; vor allem Unreinen, Gemeinen zog er sich krampfhaft zusammen, wie eine Sinnpflanze. Kein Schmutz konnte

ihn berühren, keine irdische Sorge ihn bewegen.        "In den

aufgeregtesten Coufliktzeiten, wo die festesten Charaktere in Aufregung und Unruhe verfielen, hatte man in seinem Hanse den stets gleichen Eindruck eines stillen und ungestörten Friedens, überall das Gleichgewicht durch die ruhige Hingabe in Gottes Hände." Ein Mitglied des Oberkirchenraths schrieb mir einst: "Ich habe lief auf den Grund seiner lautern Seele, seiner ungefärbten Herzenseinfalt, seiner zartsinnigen Liebe Hindurchblicken und an seiner standhaften unerschütterlichen Glanbensgewißheit und Be-kenntnißtreue mich erbauen dürfen."

Wir geben noch drei etwas ausführlichere Zeichnungen, die des Superintendent Siegel, die des Pastor Wetzel-Plathe und die des Pastor Unger in Gössitz, welche alle drei dem Verewigten innigst nahe verbunden waren. Superintendent Siegel schreibt:

Unser lieber Knak lebte Christum, wie wohl nur Wenige, und die Herrlichkeit des HErrn spiegelte sich in ihm, und leuchtete bei ihm überall durch für die, die ein Auge dafür haben, und auch wohl einmal für solche, die sonst kein Auge dafür haben. Er war ein Unikum, wie ich nie ein zweites gekannt habe. Ja, ich würde kaum geglaubt haben, daß solch eine Persönlichkeit existire, wenn ich sie nicht in Knak geschaut hätte. Solch Line Wahrheit, solch eine Lauterkeit, solch eine Zartheit, solch eine Treue,

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solch ein niemals und durch nichts angekränkelter Glaube, wie in ihm war, wird nicht sehr oft gefunden. In unserer langjährigen Bekanntschaft und Bruderschaft habe ich ihn immer als denselben erfunden, als Einen, der immer das volle Bewußtsein hatte, unter den Augen seines HErrn zu wandeln, und niemals habe ich ein Wort von ihm gehört, oder etwas von ihm gesehen und erkannt, das nicht damit, ich möchte sagen im naturnothwendigen Einklänge gestanden hätte. Ja, ich konnte mir Knak gar nicht anders denken, als im steten, persönlichen Verkehr mit dem HErrn. Dabei war ein Grundzug in seiner Seele, der arme Sünder, der aber jubelt, daß er einen Heiland hat, und daß ihm Gnade wiederfahren ist.

Pastor Wetzel schreibt:

Mein theurer Herzensbruder Gustav war so eine einfache Natur, so-ein Mann aus einem Stücke, daß er überall ganz und klar erkennbar sich allenthalben gab und darstellte. "Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir; und was ich lebe im Fleisch, das lebe ich im Glauben des Sohnes Gottes, der mich geliebet hat und sich selbst für mich dargegeben. Ich weiß nichts, als Jesum Christum, den Gekreuzigten." Diese Bekenntnisse St. Pauli gebeir Br. Gustavs Portrait. Darum war sein Wandel auch eigentlich nicht auf Erden, sondern in vollster Wahrheit und Ausgestaltung im Himmel, von dannen er wartete seines Heilandes Jesu Christi des HErrn. An Seiner Gnade hatte er volles Genüge. Auf diesem Boden erwuchs die Frucht der Liebe, die er in St. Johannis Weise nicht nur predigte, sondern allseitig übte. Bruder Gustav ist fast der einzige unter meinen Freunden, den ich nicht als einen für mich Begrabenen habe lieben dürfen, ehe man seinen Leib in die Erde gebettet hat. Seine Liebe war treu, selbstlos frisch, wie die Jugend, allezeit thätig, im Kämmerlein wie nach außen. Wie verschieden geartet wir nach der Gnade Gottes waren (er scheinbar so weit, ich so eng, — er so ganz Gefühl, ich in logischer Schärfe), wir waren ganz eins und verstanden einander. Sein Leben bewegte sich in Jesu allein, ohne jeden Seitenblick, im Centrum bei aller sündlichen Schwachheit, oder vielmehr um der Armsünderschast willen. In Br. Knak, der nur ein Christ und ein ganzer Christ war, hat sich das Wunder des Christenthums vollzogen, die thalsächliche Vereinigung des Getrennten, Unterschiedenen, ja vielleicht Gegensätzlichen. Wie Johannes, der Donnersohn, der Apostel der Liebe, so hat der theure Bruder gestanden. Du weißt, wie falsch ihn diejenigen beurtheilt haben, welche meinten, er sei ein weichlicher, verwaschener Gefühlsmensch. Sein Zeugniß rollt, wie die Donner Gottes und doch wie das Getön der Harfenspieler. O, er war auch im Einzelnen sehr, sehr scharf im Urtheil, daß ich oft vergebens versuchte, dasselbe zu mildern. Im Laufe seines späteren Lebens hat er gezeigt, wie scharf confessionell er war, der doch den christlichen Bruder in allen Denominationen anerkannte und thatsächlich liebte. Wer hat, wie er, für das Bekenntniß gestritten und Schmach getragen! Fast mochte ich sagen,


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das Johannesartige war seinem Körper ausgeprägt, die athletische Fmur mit dem Kiudergesicht. In seinen jungen Jahren hätte ich für einen Johanneskopf kein passenderes Modell in der ganzen Welt gewußt, als den seinen. — Es haben sich Viele an ihm auch in ihrem Urtheile versündigt, deren Auge nicht einfältig war und dies nicht nur seine Feinde» sondern auch seine Freunde.

Pastor Unger schreibt:

O der unvergleichliche Knak! An ihm habe ich recht sehen können» wie das Christenthum nicht Denksache, sondern Lebenssache ist. Knak machte auf mich den Eindruck einer durch und durch geheiligten Persönlichkeit» eines Mannes, in welchem Christus nach dem Wort des Apostels Leben und Gestalt gewonnen. Ich kenne viele Prediger, in deren Leben es doch auch profane Gebiete giebt. Bei Knak sah man keinen Unterschied zwischen pastoralem, geistlichem und weltlichem Lebensgebiet. Knak war ganz Pastor» Pastor bis in die Spitze seines kleinen Fingers und nichts anderes als Pastor. Er war derselbe auf der Kanzel wie unter der Kanzel, derselbe an Kranken- und Sterbebetten, wie im geselligen Freundeskreise. Viele sind oberflächlich berührt von dem Einen Nothwendigen, Andere sind halb durchdrungen von dem Einen Nothwendigen, Knak war es ganz. Sein Leben ging auf in dem Einen, was Noth thut. Er war Pastor aus Einem Guß und Christ aus Einem Guß. Den Christen, den Pastor und den Menschen konnte man bei Knak nicht unterscheiden. Es giebt liebe gläubige Leute, auch Pastoren, die im geselligen Verkehr den Eindruck von Weltkindern machen, deren Weise und Ton der Unterhaltung nicht recht in Einklang steht mit der Mahnung des heiligen Apostels: Lasset kein faul Geschwätz aus eurem Munde gehen; lasset nicht von euch gesagt werden Narretheidinge oder Scherz, welche euch nicht ziemen. Anders bei Knak. Knak war im Freundeskreise heiter, überaus heiter, er war nichts weniger» als ein trübsinniger Pietist; der tiefe Gottesfriede, der Friede der Versöhnung, den er im Herzen trug, leuchtete aus seinen Augen und sprach aus allen seinen Worten. Aber seine Heiterkeit war allezeit eine Heiterkeit in der Furcht Gottes. Ein schlechter Witz aus dem Munde Knaks ifl mir undenkbar. Knak machte den Eindruck eines Christen, der vollen Ernst damit macht, seinen Wandel in der heiligen Allgegenwart Gottes zw führen. Daher auch seine Gebete Gebete waren, wie ich sie kaum je aus dem Munde eines Pastors gehört habe. Ich habe ihn oft beten hören in den sieben Jahren, wo ich Hauslehrer in Werder beim lieben Pastor Straube war. Bei seinen Besuchen, die er fast in jedem Jahre seinem "Herzens-Karl" machte, sprach er dann meistens das Gebet in den Morgen- und Abendandachten. Aber welch ein Beten war das! Welche Brünstigkeit, die aus jedem Worte, die schon aus der Betonung eines jeden Wortes sprach! Es durchschauerte mich manchmal, weil sein Beten sich gerade so anhörte, als ob der Heiland persönlich vor ihm stände, wenn

«r nun in tiefster Gebeugtheit, im Staube vor Ihm liegend, der Sündenwurm, seine Rede vor Ihm laut werden ließ. Wenn man Knak beten hörte, dann wußte man, was Gebetsinbrunst ist. Welches harte Herz hätte bei solchem Beten nicht erweicht werden sollen! Und dabei die edle Sprache, sowohl in seinem Beten, als in seinem Predigen.

Wenn man nach den obenstehenden Zeugnissen kaum noch Zweifelhaft sein wird, daß so leicht kein Zweiter in Berlin zu dem Amt eines Zionswächters so von Gott zubereitet gewesen ist, wie der selige Knak, so liegt uns nun ob, in einzelnen Zügen ans seinem Leben zu zeigen, wie er dies Amt geführt habe:

Wie Knak bereits von Wusterwitz aus in der Angelegenheit der Wiedertrauung Geschiedener schriftlich, und bald nach seiner Uebersiedelung nach Berlin in Angelegenheiten der öffentlichen Häuser in persönlicher Audienz sich an den König gewendet habe, das haben wir bereits oben gesehen. In der Confliktzeit nun kränkte es den ehrerbietigen Unterthan und warmen Fnrbitter oft sehr tief, wenn er den geliebten König dnrch mancherlei jedem treuen Preußen tief ins Herz schneidende Vorfälle innerhalb und außerhalb der Volksvertretung schwer betrübt wnßte. Ans einer der gesegneten Conferenzen von Geistlichen und Laien, die Herr von Kleist-Retzow damals in Kiekow abhielt, gab Knak (5. Nov. 1862) seinem nach dieser Seite hin gepreßten Herzen in einem so ergreifenden Gebete Ausdruck, daß die Versammlung sofort beschloß. in einer persönlichen Audienz dem Könige eine Unter-thänigkeits- und Ergebenheitsadresse zu überreichen. Eine Deputation, bestehend aus Knak und Straube und dem Superintendent Lenz wurde erwählt, und erhielt am 13. Nov. die erbetene Audienz. Die Drei wohnten mit einander in der Wilhelmstraße und fuhren nach einem brünstigen Gebet Knaks alle Drei in einer zweisitzigen Droschke zum Königlichen Palais. Im Vorzimmer seufzte Knak: "Lieber Lenz, bleib nur nicht stecken in Deiner Ansprache!" dann, sich umsehend: "Ach, wie schön ist es hier im Vorsaal des Königs (im Fahnenzimmer), wie schön muß es erst im Himmelssaal beim Himmelskönig sein!" — Dem Könige wurden die Augen naß, als Lenz seine Ansprache hielt und darnach Knak die (von Lenz verfaßte) Adresse las, und er antwortete aus seinem innersten landesväterlichen Herzen heraus

Bisher noch nicht veröffentlichte Worte, welche Knak folgendermaßen ausgezeichnet hat:

"Meine Herrn! Ihre Ansprache sowohl wie Ihre Adresse haben mich tief ergriffen. Sie haben Recht, es ist eine böse Zeit, in der wir leben, und die Könige haben in dieser Zeit einen schweren Stand. Was mich besonders schmerzt, das ist der Geist der Lüge, der jetzt überall verbreitet ist und auch mir meine Tendenzen und Aeußerungen falsch auszulegen sucht. Ich habe in manchen Beziehungen noch einen schwereren Stand, als inein seliger Bruder, welcher die Revolution auf der Straße zu bekämpfen hatte, während ich vornehmlich mit jenem Geist der Lüge zu kämpfen habe. Ich werde aber mit Gottes Hülfe fest bleiben in dem mir von Ihm zugewiesenen Amt, und unseren Gegnern widerstehen, so lange als möglich mit der Rede, wenn's aber nöthig werden sollte, auch mit dem Arme. Es schmerzt mich um so mehr, daß man meine Worte und Maßnahmen also verdächtigt, als doch jeder, der mich kennt, und mir näher tritt — wenn wir auch alle unsere Fehler haben, — doch das wenigstens wird anerkennen müssen, daß ich's aufrichtig meine und die Wahrheit liebe. Sie haben mit Recht in Ihrer Ansprache gesagt, daß Sie von der Noth-wendigkeit der Armeercorganisation in Ihrem Berufe wenig Verständniß haben können! Aber jene Maßnahmen beruhen auf einer langen Erfahrung. Doch unsere Feinde wollen eben auch diese im Kriegsheer ruhende Macht des Königthums nicht, daher ihre Angriffe auf die Armee und auf alle Obrigkeit, vom Polizeisergeanten an bis zu den höchsten Aemtern und Autoritäten. Alles wird in der Presse verdächtigt, verdreht und angefeindet. Darum weisen Sie in Ihrer Adresse mit Recht auf das Wort Gottes und die Religion als die Grundlage aller Ordnung, und es ist auch meine Ueberzeugung, daß wir daran festhalten müssen. Unsere Widersacher Hachen eben deßhalb auch das Wort Gottes und den Glauben zu untergraben, weil sie wissen, daß damit Alles fällt. Ich bin auch auf diesem Gebiete nicht verstanden worden, ich will nur ein Beispiel anführen. Sie wissen, daß ich die Civilehe in exceptionellen Fällen gewünscht habe, weil Ich die vielen Klagen und Beschwerden der Leute kaum mehr ertragen konnte und — glauben Sie mir — ich habe an diesem Tisch in diesen Sachen manche schwere Arbeit gehabt. Es war mir damals schmerzlich, Haß das Herrenhaus diese Vorlage ablehnte. Seitdem ich aber gesehen habe, daß man mich auch hierin mißverstanden, und aus einer erceptionellen Line allgemeine Civilehe machen wollte, habe ich diese Sache ganz fallen lassen. Nun ich hoffe, es wird besser; durch die Deputationen und die denselben -gegenüber gethanenen Aeußerungen von mir wird meine eigentliche Gesinnung je länger je mehr verbreitet und bekannt werden."

Nachdem der theure König dann noch einen jeden von uns nach seinem Wohnort und Namen gefragt hatte, drückte er jedem herzhaft und Eraftig die Hand und rief uns ein herzliches Lebewohl! zu. Wir zogen

uns darauf mit den Worten: "Gott segne und stärke Ew. Majestät!" ausr dem Kabinet*) des Königs zurück und verbeugten uns. Se. Majestät traten aber noch einmal vor und sprachen: Ich wollte nur noch ein Beispiel anführen, wie sehr meine Worte falsch ausgelegt werden. Sie wissen, was ich etwa vor einem Jahre in Letzlingen über die Wahlen gesprochen habe;, ich erinnerte noch vor einigen Tagen die Geistlichen daran, die dabei gewesen waren und jetzt wieder unter der dortigen Deputation erschienen. Es bedurfte damals nur einer Rectification des in der Zeitung über meine kleinen Aeußerungen erschienenen Berichts. Am andern Tage aber berichtete die Magdeburger Zeitung: Es sei überhaupt nicht wahr, daß ich jene Aeußerungen gethan. So ist überall die Lüge geschäftig. Leben Sie wohl! Und als wir eben in den Vorsaal traten, rief er uns nach: "Ich danke Ihnen noch einmal?"

Eine zweite Gelegenheit, vor dein König zu zeugen, bot Knak die Haltung des Abgeordnetenhauses zu den Ministern in der Conflikt-Periode. Es war Knak unmöglich, die Würde des Königs sich getrennt zu denken von der seiner ersten Diener, und er sah jeden Angriff auf diese als einen Angriff auf den König selbst an. Wenngleich er hierin nicht ganz Recht hatte, so gaben doch verschiedene an sich der Form nach als Pietätslosigkeit erscheinende Aeußerungen im Abgeordnetenhause ihm Veranlassung zu dem Wunsch, den König zu versichern, daß Viele im Lande über diese Pietätslosigkeit betrübt seien, und zugleich den König zu bitten, daß er gegen diesen Schaden, der durch das dem ganzen Lande gegebene böse Beispiel die Hauptgrundlage des Volkswohls, die Pietät annage, Abhülfe verschaffen möchte. Er erhielt zu seinem Vornehmen die Zustimmung des Herrn v. Bismarck, der die von Mühlmann mit Hülfe ernster Christen verfaßte Adresse zubilligte und die Audienz beim Könige vermittelte. Knak wurde in Gemeinschaft mit P. Hingmann am 19. Juni 1865 zum Könige befohlen. Der König nahm die Adresse sehr beifällig auf und erwiderte herzlich dankend. Die königliche Antwort wurde mit Genehmigung Sr. Majestät veröffentlicht, und dreitausend Exemplare derselben durch den christlichen Bürgerverein verbreitet.

*) Die Adresse war im großen Vorsaal gelesen, ebenso die Antwort dort gegeben. Dann hatte der König die Deputaten in sein Kabinet geführt und dortr. frei mit ihnen geredet.

Diese Audienz hat viel Staub aufgewirbelt. Die sämmtlichen ^liberalen Blätter schlugen Lärm und auch der Pastor Rhode an "der Marcuskirche erhob seine Stimme, um öffentlich Knak zu beschuldigen, daß er den König zum Eidbrnch habe verführen wollen. Als Knak in Gemeinschaft mit P. Berner und P. Haendler Rhode persönlich besuchte, versprach derselbe, es öffentlich aussprechen zu wollen, daß er den Ueberreichern der Adresse mit jenem Ausdruck Unrecht gethan habe. Allein die Sache nahm eine andere Wendung. Hengstenberg erklärte sich auch gegen das Vorgehen Knaks. und bestimmte durch seinen Einfluß selbst solche Pastoren, die an der Abfassung der Adresse mitgearbeitet hatten, daß sie sich nun gegen die Adresse erklärten. Das Consistorinm (und nach ihm in zweiter .Instanz der O.-Kirchenrath) begnügte sich, als Knak über Rhode's Beleidigungen Beschwerde führte, damit, zu erklären, daß es überzeugt sei, daß die Verfasser der Adresse nur von der lautersten Gesinnung geleitet morden seien, lehnte aber ab, in die Discussion einzutreten in einer Sache, die bereits der Oeffentlichkeit angehöre und also auch auf dem Wege der Oeffentlichkeit erledigt werden müsse. Schlimmer wurde die Sache, als Hengstenberg im Vorwort zu 1866 die Ueberreichung der Adresse sehr scharf tadelte. Er erklärte dieselbe für eine politische Demonstration, von der der Geistliche sich fern halten müsse, und rechnete sie zu den "Schäden und Zerrüttungen, welche durch Einmischung der Theologen in die Politik angerichtet" wurden. "Wenn man eine mnthwillige Ausnahme von dem nächsten Berufskreise mache und der Fuß sich dann an einen Stein stieße, so sei dies nur die gerechte Vergeltung für den "gegebenen Anstoß." — Wir können diese scharfe Kritik Hengstenberg's nur lebhaft bedauern, und das um so mehr, als dieselbe zugleich Bismarck traf, der die Adresse zugebilligt, und den König, der sie mit huldvollem Dank angenommen hatte. Wir können auch Knak, der von Hengstenberg um seine Autorisation zu dem Schritt befragt wurde, nur beistimmen, wenn derselbe sich auf Hes. 33 beruft, wo den Zionswächteru befohlen wird, den Warnungsruf zu erheben, da wo die Wurzeln des Landeswohls angetastet werden, — wie dies ja durch eine Verletzung der im vierten Gebot vorgeschriebenen Ehrerbietung gegen die Obrigkeit (die Adresse hatte sich nicht gegen die Opposition des Abgeordnetenhauses, sondern

nur gegen die maßlose Form, in der sie vorgebracht war, ausgesprochen) sicherlich geschieht. Knak schrieb einen eingehenden Brief an Hengstenberg: dieser lehnte indeß ein öffentliches Eintreten nr die Discussion ab» und öffnete die Spalten seines Blattes nur zu einer einfachen Entgegnung Knaks, die sehr würdig — und nach-unserer Ueberzeugung mit unwiderleglichen Gründen bewaffnet — in Nr. 12 der Ev. K.-Zeitung S. 141 ff. abgedruckt ist. Leider wurde durch diesen häuslichen Zwist innerhalb der Reihen der Gläubigen deren Kraft nicht wenig geschwächt und der Grund zu einem gespannten Verhältniß zwischen zwei Richtungen der Bekenner gelegt, der bis zum Tode der beiden theuren Männer nie völlig ausgeglichen worden ist.

Viel tiefer einschneidend war die Weise, wie Knak das Zionswächteramt gegen einen jungen Doktor der Philosophie übte,, welcher mit bedeutenden Kanzelgaben ausgerüstet und behauptend,, er sei ein geprüfter Kandidat der Theologie, seine Zeugnisse lägen nur in Petersburg, woselbst er sich um eine Predigerstelle beworben habe, durch seine namentlich die Frauen zur Begeisterung hinreißenden Predigten sich einen sehr großen Zulauf verschaffte. Knak nahm den jungen Kandidaten zuerst in gutem Glauben auf, und wie er sich über jede frische Kraft im Reiche Gottes freute,, so glaubte er auch in den Predigten dieses jungen Mannes eine willkommene Hülfe zum Bau von Zion erblicken zu dürfen, verkehrte also mit ihm innig und ernst. Aber bei diesem Verkehr ließ ihn sein scharfes geistliches Auge sehr bald entdecken, daß irgendetwas nicht in Richtigkeit sein müsse. Bald munkelte man und sprach es dann, je länger je sicherer aus, der Doktor habe niemals ein theologisches Examen gemacht, und alle über seine angeblichen Papiere gethanen Aussagen seien unwahr. Viele, auch ernste Christen, begnügten sich diesen Gerüchten gegenüber damit, daß ja die Sache nicht erwiesen sei, und fanden sich damit gegenüber der Pflicht, Unwahrheiten zu entlarven, sehr leichten Kaufes ab. Knak aber durchdrang ein jäher Schreck bei dem Gedanken, daß Jemand mit einem jahrelang mit Bewußtsein festgehaltenen Bann auf dem Gewissen, sich als Knecht Christi auf die Kanzel stellen

und des HErrn Wort in seinen Mund nehmen sollte. Er stellte den Mann zur Rede, und ließ, als derselbe die Wahrheit der über ihn umlaufenden Gerüchte in Abrede stellte, keinen Schritt ungethan, um die Wahrheit ans Licht zu bringen. Er schrieb persönlich an diejenigen, mit denen derselbe früher verkehrt hatte, und dann an das betreffende Konsistorium, vor dem er die Prüfung bestanden haben wollte. Von diesem erhielt er auch unter dem 25. April 1861 die Antwort, daß niemals ein Kandidat genannten Namens in seine.! Akten existirt habe, daß also ein solcher niemals vor dieser Behörde ein Examen bestanden habe. Nun waren dem Manne die Wege, ferner zu leugnen, abgeschnitten, er legte ein renmüthiges Geständnis; ab, und das genügte abermals vielen, auch ernstlich christlichen Pastoren; Knak aber nicht. Er verlangte von ihm die rechtschaffene Frucht der Buße, daß er sich des Prcdigens, zu dem er ja durchaus keine Licenz anfweisen konnte, enthalten, in die Stille gehen, seine Examina machen und dann sehen solle, wie der HErr weiter ihn verwenden wolle. Anstatt diesen Rath zu befolgen, fuhr der junge Manu fort, Predigten und Erbauungsstunden zu halten; dann nahm er eine Stelle als Prediger an, in der das Konsistorium nicht seine Oberbehörde war, und fuhr fort, ohne Licenz zu predigen. Knak redete mit ihm auf das Ernftlichste, bat ihn flehentlichst, zu schweigen und in der Stille seine Arbeiten zu machen, ja er erbot sich, wenn er dadurch in pecuniüre Bedrängnis; käme, ihn in sein Hans aufzunchmen und für ihn zu sorgen. Er aber gebrauchte diese Eröffnungen zu der Behauptung, Knak sei nun ganz mit ihm einverstanden und es sei alles gut. Knak sah mit innerem Entsetzen, wie der Weihrauch den jungen Mann immer mehr benebelte, und sprach — fast prophetisch — die Befürchtung aus, "daß vielleicht zuletzt ein tiefer Fall, zur Schmach des herrlichen Jesusnamens, ihm die ernste Wahrheit, daß Gott die Lügner umbringe — vielleicht zu spät ins Gewissen rufen dürfte." — Dem N. N. aber wiederholte er, wenn er schwiege und seine Pflicht in Betreff des Examens erfüllte, so werde er mit Freuden schweigen und Alles zudecken; "führe er aber fort, in solcher Weise und gegen den Willen der geistlichen Obrigkeit den Bund des HErrn in seinen Mund zu nehmen, so müsse er. Knak, gegen ihn zeugen." Und das hat er redlich gethan im Namen des HErrn und im Eifer um die Ehre.

des heiligen Predigtamts. Er ist darüber vielfach gelästert, geschmäht und verdächtigt worden, als sei sein ganzer Eifer nur Eifersucht darüber, daß N. jetzt die durch Knak gezeugten geistlichen Kinder mehr fessele, als dieser. Er hat das ruhig und still um des HErrn willen getragen, nicht ahnend, daß noch schwerere Zeiten kommen würden.

N. hatte, zum Theil auf Grund der dringenden Mahnungen Knaks, endlich sein erstes theologisches Examen in Halle gemacht, und wie er sagte, "glänzend" bestanden, das Zeugnis; — wie es scheint, noch gar nicht oder soeben empfangen, als in Knaks Wohnung zerknickt an Leib und Geist eine Persönlichkeit eintritt, um ihm ihre mit jenem jungen Manne gemachten Erfahrungen mitzu-theilen. Wir können natürlich in die tief betrübenden Einzelheiten dieser grauenhaften Enthüllungen, die wir aus den eigenen handschriftlichen Aufzeichnungen der betreffenden Persönlichkeit genau kennen, hier nicht näher eingehen, und müssen uns begnügen mit der Aufdeckung derjenigen Thatsachen, die geeignet sind, Knak's um dieser Angelegenheit willen mit Schmach und Koth beworfenen ehrlichen Namen zu vertheidigen. Denn man hat ihn keiner geringeren Sünde geziehen, als daß er, um persönlichem Haß zu fröhnen, Geheimnisse, die unter dem Siegel der Beichte ihm anvertraut seien, aus Neid und Eifersucht an die Oeffentlichkeit gebracht habe; Beschuldigungen, denen gegenüber Knak so rein ist, wie ein neugeborenes Kind.

In dem Begleitschreiben, mit welchem die gedachte Persönlichkeit die Geschichte ihres Unglücks einsendet, spricht sie geradezu aus: "Mich treibt dazu die Stimme Gottes, die mich einen Bann brechen heißt, unter dem ich, nach Leib und Seele zusammengebrochen, nun seit länger als fünf Jahren geschmachtet habe," sie fordert Knak auf, "fest in die Verhältnisse einzugreifen," und autorisirt ihn, von der ihm übergebenen Schrift "jeden beliebigen Gebrauch zu machen." Es ist also von einer Verletzung des Beichtgeheimnisses von Knaks Seite auch nicht im Entferntesten die Rede. Dieser hatte ganzes volles Recht, die Wege einzuschlagen, die er eingeschlagen hat, nämlich zunächst dem Cons.-Präsidenten Hegel die ganze Sache mitzutheilen und darnach auf dessen Veranlassung die betreffenden Schriftstücke dem K. Consistorio zur weiteren Behänd-

lung der Angelegenheit einzusenden. In welchem Sinne Knak den ganzen Schritt that, daß es nichts weniger als persönlicher Haß. sondern nur der Eifer um die Ehre Gottes war, was ihn trieb, darüber hören wir seine eigene Worte» die er schrieb, bevor er mit sich klar war über die zu unternehmenden Schritte: "Es hat mich mit Grauen und Entsetzen erfüllt und in schauerliche Satanstiefen blicken lassen. Die Ehre des lebendigen Gottes erfordert, daß jener Mund geschlossen werde. Was meine Ehre betrifft, so kann ich es ertragen, geschmäht zu werden; aber ich darf mich nicht theilhaftig machen fremder Sünden aus falschem Mitleid, welches genau besehen, Grausamkeit gegen den Unglücklichen wäre und Verrath am HErrn (Offenb. 2, 20). Der HErr wird mich mit seinen Angen leiten; ich werde, im Bewußtsein meines eigenen Elendes, als ein Sünder, der von Gnade lebt, betend und flehend um Licht und Weisheit, aber festen Schrittes das gesteckte Ziel verfolgen. O, daß ich dem unglücklichen Manne noch einmal beweisen könnte, daß ich nicht sein Feind bin, sondern ihn gerne retten möchte vom Verderben!"

In diesem Sinne ist Knak seinen Weg fest und unbeirrt durch die fast maßlosen Schmähungen, die er zu erdulden hatte, gegangen. Unter dem 30. April 1867 schreibt er an Straube: "Immer wieder und wieder kommen anonyme Briefe an mich, die mit der Anrede: "Jesuiten-General" überschrieben sind, die ich aber nicht weiter gelesen habe. Satan hat einen großen Zorn; aber der in uns ist, ist stärker, denn der in der Welt ist." Eine Krankheit, die der betreffende N. durchzumachen hatte, wurde von einem ernstgläubigen Pastor öffentlich auf Knaks Schuld-Conto geschrieben. Ein anderer ernstgläubiger Geistlicher tröstete den N. darüber, daß Knak ihn also verfolge, mit den Worten: "Je pietistischer die Leute find, desto grausamer sind sie." Ein anderer, ebenfalls ernstgläubiger Pastor, nannte Knaks Briefe "Uriasbriefe;" ein anderer hoch-gestellter gläubiger Geistlicher sagte in N.'s Gegenwart zu Knak: "Es hat uns betrübt, daß Sie sich seit Jahren unberufen zu unseres Herrn Gottes Staatsanwalt aufgeworfen haben." Der Beschuldigte selbst warf ihm vor, "er habe in ihm alle Geistlichen, ja die Glieder des Leibes Christi geschändet." Kurzum, Knak erhielt einmal wieder reichlich Gelegenheit, den Segen zu erfahren. den der HErr denen verheißt, die um der Gerechtigkeit willen geschmäht und ge-

Knak. 2 Aufl.        24

lästert werden. — Und er trug es, wie ein stiller Dulder, seines Heilandes gewiß, gern und ohne Murren. Die Folge der durch das Consistorium angestrengten Disciplinaruntersnchung war, daß dem betreffenden N- die ertheilte Licenz zum Predigen wieder entzogen wurde, und er später aus der Landeskirche austrat. Er suchte nach einigen Jahren (1876) durch eine Denunziation beim Consistorium ein Disciplinarverfahren gegen Knak zu Wege zu bringen,, wurde aber mit seinem Anträge abgewiesen.

Noch in einer anderen, jenseits der Grenzen seines nächsten Berufs liegenden tief schmerzlichen Angelegenheit, die freilich auf einenl ganz anderen Gebiete lag, mußte Knak als Anwalt für das-Evangelium auftreten:

Im Jahre 1874 erfuhr die evangelische Kirche und das erhabene preußische Kölligshaus den Schmerz, daß die Königin-Wittwe, Marie von Baiern, Tochter des frommen Prinzen Wilhelm, zur katholischen Kirche übertrat. Knak war ihr bereits früher im Juni 1852 vorgestellt worden, und hatte von ihr den Eindruck empfangen, wie er selbst sich ausdrückte: "Das ist eine Magd des HErrn!" Auch er erfreute sich der besonderen gnädigen Zuneigung der hohen Frau in dem Maße, daß beim Tode seiner Frau sie ihm ein eigenhändiges warmes Beileidsschreiben übersandte, welches wir weiter unten mittheilen werden. Um so tiefer war Knaks Schmerz, als diese viele ernste Evangelische tief erschütternde Nachricht ein-traf. Er konnte es nicht lassen, an sie selbst zu schreiben. Brief und Antwort entziehen sich natürlich jetzt noch der Veröffentlichung; nur das eine können wir sagen, daß Knaks Brief wie eine Prophetenstimme klang voll tiefen Ernstes und allerwärmster Liebe, wie nur ein Seelsorger zu seinem Beichtkinde sprechen kann, und daß die Antwort der Königin den warmen Dank athmet, den ihr selbst in dieser Angelegenheit die sorgsame fürsorgende Liebe Knaks abnöthigte.

Wie Knak auf der Fr.-Werderschen Synode, in der Sydow-schen Angelegenheit, in Bezug auf Pearsall Smith und Georg Müller, bei Gelegenheit der Oktober- und August-Conferenz und zuletzt der christlich-sozialen Bewegung als Zionswächter mitgewirkt hat, das werden wir in den folgenden Kapiteln erfahren.

50.

Knak auf der Friedrich-Werder'schen Synode.

Daß Knak die Bestrebungen der lutherischen Vereine mit warmem Herzen und eigenster Ueberzeugung sich ungeeignet hat, das haben wir bereits oben erwähnt. Daß er dieselben in ihrer Tiefe erkannte und auch mit ganzer Hingabe der ganzen Person vertrat, werden wir in diesem Kapitel sehen. So lange er noch ohne Beschwerden reisen konnte, versäumte er keine der wichtigereil lutherischen Conferenzen in Pommern, Brandenburg und Sachsen, viele wurden in seinem eigenen Betsaale abgehalten. Diejenigen, die das Bestreben dieser lutherischen Vereine nur im Eifern um Ver-' -        sassungsformen, oder um vergilbte Dokumente, oder in den Versuchen

der Repristination einer veralteten Dogmatik finden zu dürfen meinen, sollten sich doch einmal Rechenschaft über die Frage geben, ob Knak, dieser Gottesmann, der mit jeder Faser seines Lebens unmittelbar in dem Herzen seines Jesu wurzelte, sich für solche Ziele wohl würde haben begeistern können. Wie warm er aber an allen Bestrebungen der Lutheraner Theil nahm, darüber hier nur ein Passus aus einem Brief, den er am 5. Okt. 1867 über die Camminer Conferenz jenes Jahres, der er beigewohnt hatte, an seinen Karl schrieb: "Es waren unbeschreiblich gesegnete Tage und ich habe Dich sehr vermißt. Die gottesdienstliche Feier im Dom und besonders die Feier des heiligen Abendmahls waren wie immer herzhin-

nehmend und Mark und Bein erquickend          Ich könnte Dir auch

die vortreffliche Eingabe zeigen, die wir Mitglieder des lutherischen Vereins nebst einigen anderen Brüdern gegen die Denkschrift des Ober-Kirchen-Raths an den Cultus-Minister gerichtet haben mit der Bitte, unser Anwalt gegen die Anklagen der Denkschrift bei Sr. Majestät dem Könige zu werden." Diese vielbesprochene Eingabe, um derentwillen Meinhold, als — nicht Verfasser, sondern erster Unterzeichneter bekanntlich später zur Verantwortung gezogen wurde, hat also Knak mit berathen, mit angenommen und mit unterschrieben. Deutlicher konnte er seine Uebereinstimmung mit den Bestrebungen der lutherischen Vereine wohl kaum bekunden.

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Einen sehr wesentlichen Dienst konnte Knak den lutherischen Vereinen bereits in den ersten Jahren seiner Wirksamkeit in Berlin leisten.

Hengstenberg hatte, obschon seit den vierziger Jahren im Wesentlichen die Stellung theilend, die die lutherischen Vereine gegen die Union einnahmen, dennoch gegen diese Vereine ein — Vielen damals unerklärliches — Mißtrauen, das ihn öfters zu ungerechten und verletzenden und schadenden Seitenblicken und Seitenhieben in der Eo. K--Zeitung veranlaßte. Späterhin ist der Grund mir klar geworden; er lag darin, daß im innersten Herzen Hengstenberg die spiritualistische, die Vereine die realistische Richtung vertraten, und daß nur das offenkundige gegen lutherische Gemeinden und die lutherische Kirche begangene Unrecht Hengstenberg veranlaßte, als deren Anwalt aufzutreten. Knak nun wünschte nichts sehnlicher, als daß diese Mißstimmung beseitigt werde. Wie dies ihm gelungen ist, darüber möge der Superintendent Otto (später Cons.-Nath in Glauchau) selbst berichten:

Weitere wird sich finden." Ich: Es kann nicht sein. Knak, "Ich bitte dich um unserer Kirche willen." Ich: Laß mich! Knak: "Ich bitte dich um des Herrn Jesu willen." Ich: Dann muß ich freilich gehen; aber nun bitte ich auch dich ernstlich, dich zehnmal zu besinnen, ehe du den Jesus-Namen für deine Zwecke herbeiziehst; du möchtest sonst leicht in Gefahr kommen, dein eigenes Meinen und Wollen mit diesem hochheiligen Namen durchzusetzen.

Also ich mußte nun gehen. Ich erkundigte mich bei einem andern Freunde sorgfältig nach der Zeit, wann H. gewöhnlich nicht zu Hause sei. Diese Zeit wählte ich. Ich klingelte, nannte meinen Namen; das Mädchen ging, kam wieder: "Der Herr Professor läßt Sie bitten, einzutreten." Er war also doch zu Hause. — Und wie wurde ich empfangen: Ich mußte mit ihm in das Familienzimmer gehen, wurde in wahrhaft lieblicher Weise unterhalten und zu Abend bewirthet. Es gab sich nun von selbst, daß ich mein Herz ausschüttete. H. erkannte an, daß er Unrecht habe, meinte auch: er habe Vorurtheile gegen uns gehabt — Genug: der Erfolg war ein vollständiger. H. hat uns nicht weiter widerstanden; er neigte sogar je länger desto mehr zu uns herüber. —

Das hatte Knak in seinem ungestümen Drang nach Frieden und Versöhnung zwischen "Gotteskindern" erreicht. Ich bin überzeugt, daß Knak die Sache dem HErrn vorgetragen hatte, vielleicht auch mit Ihm redete, als ich bei H. war, und der HErr hatte den Gang wunderbar gesegnet.

Von dem Tage ab hörte Hengstenberg's Polemik gegen die lutherischen Vereine auf. er machte deren Sache so sehr zu der seinigen, daß es ihm sogar nicht lieb war, daß die Lutheraner noch eine eigene Monatsschrift Herausgaben. Sein von ihm selbst erwählter Nachfolger und Erbe in der Redaktion der Eo. Kirchen-Zeitung, Superintendent Tauscher, hat dies Blatt ausgesprochener Maßen zum Organ der lutherischen Vereine und der August-Conferenz gemacht.                

Unter dem 27. Febr. 1860 erschien der Königliche Erlaß über die Fortbildung der evangelischen Kirchenverfassung in den östlichen Provinzen der Monarchie, in dessen H 6 ausdrücklich bestimmt wird, daß durch den Erlaß "in dem Bekenntnißstande der Gemeinden und in ihrer Stellung zur Union nichts geändert wird." Wenn nun daneben in diesem Erlaß dem neu zu bildenden kirchlichen Gemeinderath die Stellung zugewiesen wird, daß er "die Kirchen-Gemeinde in ihren inneren und äußeren Angelegenheiten zu vertreten habe," ja wenn in der Erklärung das noch mißverständlichere Wort ge-

braucht wird, der kirchliche Gemeinderath sei "für die inneren und äußeren Angelegenheiten derselben gleichmäßig bestellt," ja wenn den kirchlichen Gemeinde-Organen in Bezug auf liturgische Fragen --also auch den Gebrauch der Spendeformel, der doch mit der Geltung der Bekenntnisse in der allerengsten Verbindung steht — eine gewisse fast an Souveränität grenzende Gewalt eingeräumt wurde, so sahen die lutherischen Vereine in diesen Bestimmungen Gefahren für die zukünftige Entwicklung der kirchlichen Verhältnisse, gegen welche so allgemein gehaltene Erklärungen, wie "in dem Bekennt-mßstande der Gemeinde wird nichts geändert" einen genügenden Schutz nicht darboten. Es wurde also darauf gedrängt, daß in jedem einzelnen Gemeindestatut, und später beim Zufammeutreten der Kreissynode in dem Kreissyuodalftatut, der geschichtlich gegebene, und als solcher vom Kirchenregiinent oft genug mit allgemeinen Ausdrücken anerkannte Bekenntnißstand der einzelnen Gemeinden, als Grundlage des Gemeindestatuts ausdrücklich ausgesprochen werde. Der beschränkte Unterthanenverstand vermochte es nicht zu fassen, warum, wenn jene allgemein gehaltenen Versicherungen doch sicherlich in ihrem Wortlaute ernstlich gemeint waren, man die Spezialisirung für den einzelnen Fall zurückwies, und je mehr man eine gewisse Gereiztheit in der Zurückweisung der nach der Meinung der betreffenden Interessenten selbstverständlichen Forderung und einen Unwillen gegen die Petenten wahrzunehmen glaubte, desto mehr wurden letztere mit Mißtrauen gegen die ganze neue Einrichtung erfüllt. Daß die Befürchtungen der konfessionellen nicht aus der Luft gegriffen waren, bezeugten die spätem Ereignisse in Bahn und Königsberg in der Neumark, woselbst konfessionelle Geistliche, im letzten Grunde recht eigentlich um ihrer Treue gegen das lutherische Bekenntniß willen, sich veranlaßt sehen mußten, von ihrer Gemeinde zu scheiden, oder andere Vorkommnisse, wo treuen Geistlichen der Antritt einer Stelle, zu der sie erwählt waren, unmöglich gemacht wurde, weil es einer Agitation gelungen war, die lutherische Spendeformel zu entfernen, oder solche Ereignisse, wie am heiligen Kreuz in Berlin, wo ein Pastor um seiner Treue gegen das lutherische Bekenntniß willen geradezu von seiner Gemeinde verdrängt wurde, weil die Gemeinde-Organe die lutherische Spendeformel abgeschafft hatten, oder wie in den letzten Jahren in

St. Jacob! in Berlin, wo wiederholt Männer, die ausgesprochener Maßen im Widerspruch mit dem kirchlichen Bekenntniß stehen, zum Pfarramt gewählt worden sind. Solche Gefahren, wie so manche andere Consequenzen, die später den Behörden selbst sehr lästig geworden sind, schauten die Confessionellen vielleicht klarer als die Behörden, und suchten denselben gleich beim Beginn der neuen Ordnung einen Damm entgegenzustellen durch die Festsetzuug des Bekeuntnißrechts im Gemeindestatut selbst und hernach im Statut der Kreissynode. Ihre Befürchtungen, die man damals als un-nöthige Oppositioil scharf tadelte, ja in positiv christlichen Kreisen und Zeitschriften schmähete und verdächtigte, sind leider schon heute glänzend gerechtfertigt worden, und wer weiß ob, wenn die Kirchenbehörde damals hätte sehen können, was jetzt an St. Jacobi geschehen ist und in Zukunft in viel ausgedehnterem Maße geschehen wird, sie dann die Anträge der Confessionellen so schroff abgewiesen hätte, wie es geschah.

Knak nun, dem sein Zusammengehen mit den Confessionellen einen klaren Einblick in die Tragweite der in Frage stehenden Verordnungen verschafft hatte, säumte nicht, von vorn herein die erforderlichen Schritte zu thun. Zwar für die Sicherung des Be-kenntnißstandes seiner Gemeinde hatteer nicht nöthig, besonders zu sorgen; dieselbe war der Union nie beigetreten, hatte im Gegentheil dadurch, daß ihr der böhmisch-lutherischen eine böhmisch-reformirte Gemeinde kirchlich organisirt gegenüber stand, die beste Gewähr für ihr unbestreitbar confessionelles Recht. Aber zum ersten Mal trat .ihm praktisch die Gefahr gegenüber in der unterm 7. Dez. 1864 an "den Gemeinde-Kirchenrath der böhmisch-lutherischen und reformirten Gemeinde" erlassenen Aufforderung, die Wahl eines Gemeinde-Nettesten für die "Gesammt-Parochie" zum Abgeordneten für die zum -8. Februar 1865 zum ersten Mal zusammenberusene Kreissynode vorzunehmen. Hier mußte Knak in Gemeinschaft mit seinem ihm durchaus treuergebenen Gemeinde-Kirchenrath eine Remonstration einlegen, da eben die böhmisch-lutherische und die böhmisch-refor-Mrte Gemeinde keine Gesammt-Parochie bildeten, also doch unmöglich durch ein und denselben Vertreter repräsentirt werden konnten. Der Entscheid des Consistorii- vom 21. Dez. d. I. fiel denn auch dahin aus, daß die beiden Parochien, eine jede einen besonderen Vertreter zur Kreissynode erwählen sollten.

Einer merkwürdigen Scene erinnere ich mich allerdings, die einige Monate nach meinem Wittenberger Vortrag über die "Gcmeindeordnung" sich zwischen mir und Knak zutrug. Der Vortrag war gedruckt worden. Der Setzer hatte das mit H. — Hochwürdige abbrevirte Prädikat des Oberkirchenraths für "Herr" gelesen und also gesetzt: Der Herr Oberkirchenrath. Hengstenberg hatte darin eine Verhöhnung des Oberkirchenraths gefunden und in seiner Vorrede zur Evangelischen Kirchenzeitung mich wacker gestriegelt, wie er denn überhaupt anfänglich auf unser lutherisches Vereinswesen übel zu sprechen war. — Nun hätte ich Hengstenberg persönlich aufsuchen und ihm seinen Jrrthum aufdecken können. Allein ich habe von je her eine förmliche Aversion vor allem Antichambriren bei hohen Personen — ganz gleich, ob berühmte Gelehrte oder fürstliche Personen — gehabt, und konnte mich zu einem solchen Gange nicht entschließen, wiewohl mich unsere Freunde darum baten. Ich zog es vor, dem guten Hengstenberg zu grollen und die Gelegenheit zu erwarten, um Revanche zu nehmen. Gerade in der Zeit, wo Hengstenberg's Stellung zu uns lebhaft besprochen wurde, besuchte ich Knak — wenige Wochen nach jenem Vorworte (es mag Anfangs der fünfziger Jahre gewesen sein). Mich sehen und auf mich losgehen — war eins. Die gute Seele konnte den Gedanken nicht tragen, daß ein solches Mißverständniß zwischen Hengstenberg und uns bestehen bleiben solle. Knak: "Du mußt zu Hengstenberg gehen." Ich: Ich gehe nicht zu Hengstenberg, was soll ich da? mich entschuldigen, verantworten? Nimmermehr. Knak: "Du mußt zu H. gehen. Das


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Als darnach die Kreissynode wirklich zusammentrat, reichte Knak in Gemeinschaft mit seinem Laien-Deputaten, Herrn Karl Kampffmeier, eine Erklärung ein, "daß ihre Theilnahme an dieser aus sehr verschiedenen Bestandtheilen zusammengesetzten Synode die nothwendige Voraussetzung habe, daß an dem Bekenntnißstande der böhmisch-lutherischen Gemeinde und ihrer Stellung zur Union nichts geändert werde, daß also die Beschlüsse der Kreissynode für die von ihnen vertretene Gemeinde nur so weit verbindlich sein könnten, als sie dem lutherischen Bekenntniß nicht widersprächen.'" Die aus die oben erwähnten beruhigenden allgemeinen Bestimmungen in dem Königlichen Erlaß gestützte Weigerung des Vorsitzenden der Synode, die Erklärung der Vertreter der böhmisch-lutherischen Gemeinde entgegenzunehmen, veranlaßte letztere, mit einer vom 25. Febr. 1865 datirten Eingabe direkt an das Königliche Konsistorium sich zu wenden. Sie führten darin aus, daß sie als Vertreter einer niemals der Union beigetretenen Gemeinde sich zur Abgabe einer Erklärung,, wie die gedachte, berechtigt erachtet hätten, und zu einer solchen um so eher Veranlassung gehabt hätten, als unter den stimmberechtigten Gliedern der Synode auch solche Elemente sich befänden (Sydow, Lisco), mit denen gemeinsam über den Bau der Kirche und die geistliche Förderung der Gemeinden zu berathen. ihnen (den Einsendern) etwas schlechthin Unmögliches sein dürfte, weil dieselben als Mitglieder des Unionsoereins sich verpflichtet hätten, für die echte evangelische Union gegen confessionelle und hierarchische Bestrebungen einzutreten. Solchen Elementen könnte doch unmöglich ohne Weiteres Sitz und Stimme eingeräumt werden, deshalb könnten sie (die Einsender) nur ihre Erklärung sesthalten und bäten daher, sie von der Theilnahme an den Verathungen und Beschlüssen einer Versammlung, in welcher so gefährliche Elemente Sitz und Stimme haben dürften, zu entbinden. Denn "wenn Johannes nicht einen Augenblick, an der Stelle bleiben wollte, wo der gefährliche Jrrlehrer Cerinth weilte, so müßten wir zittern, und fürchten, daß der HErr seine Hand ganz von uns abwenden werde, wenn wir mit offenbaren Feinden unseres allerheiligsten Glaubens an fremdem Joch ziehen wollten."

Das Consistorium antwortete unter dem 6. April 1865, daß die "Erklärung" allerdings überflüssig gewesen sei, der Superinten-

dent also mit der Ablehnung derselben nur seine Pflicht gethan habe, weil der Inhalt derselben bereits in jenem Allerhöchsten Erlaß vom 27. Febr. 1860 enthalten sei. Die Entbindung von der Theilnahme an der Kreissynode aber könne schon aus dem Grund nicht bewilligt werden, weil jeder Christ pflichtmäßig berufen sei, für die gute Sache des Evangelii freudig und standhaft einzutreten, und weil gerade in der gegenwärtigen Zeit und unter diesen Verhältnissen, wo es gelte, für das Bekenntniß zu kämpfen und mit Gottes Hülfe zu siegen, es für einen ernsten Christen nicht recht, sein könne, seinen Posten zu verlassen.

In den letzten Worten erkannte Knak die Weisung von seinem HErrn und Heiland, was ihm zu thun obliege. Er ging auf seinen Posten in der Kreissynode, um mit des HErrn Hülfe dort für das-Bekenntniß wider die Irrlehre mannhaft zu streiten und zu siegen.

Gleich die nächste Kreissynode des Jahres 1866 bot die Gelegenheit dazu dar. Das K. Consistorium hatte unter anderen Propositionen die Besprechung über das Tischgebet und die Hausaudacht und die Kircheuzucht als geeignete Mittel zur Hebung des christlichen Lebens in den Gemeinden der Synode aufgegeben. Pa-, stör Sydow hatte sehr vornehm die gedachten Stücke bezeichnet als-solche Mittel und Mittelchen, mit denen das Kirchenregiment nun schon seit 25 Jahren operire, obgleich mit denselben bisher kein anderes Resultat erzielt worden sei, als das Wort, was Jemand von der Flora der Mark Brandenburg gesprochen habe: "'Alles-keimt getrocknet auf!'; er kenne fromme Christen, welche alleäußeren Formen des Christenthums und darum auch Hausandachten und Tischgebet aus jenem Grunde verwürfen." Knak trat ihm mit Gottes Wort (1Tim4,4.5. ICor. 10,31. 5Mos. 6,6. 7. Col. 3,16) und mit der bekannten drastischen Erzählung über die Creaturen Gottes, im Viehstall, die kein Tischgebet nöthig hätten, entschieden entgegen.

Als er später von Sydow einen heftigen Angriff zu bestehem hatte in Betreff des Amtsbegriffs, erinnerte er Letzteren an das Ordinationsgelübde, durch welches doch jeder Geistliche verpflichtet würde, entweder nach der Bibellehre zu amtiren, oder wenn dieselbe seinen Anschauungen nicht entspräche, dies der geistlichen Behörde, die ihn in Verpflichtung genommen, ehrlich anzuzeigen.. Dies traf einen empfindlichen Punkt. Der Prediger Müller von

Her Jerusalemskirche erklärte, der Bischof Neander habe ihm unmittelbar nach seiner Ordination selbst das Ordinationsgelübde also gedeutet, daß dasselbe nicht eine Verpflichtung, sondern nur eine apostolische Ermahnung bedeute; dem Consistorium aber von seiner Abweichung von der kirchlichen Lehre seinerseits Anzeige zu machen, könne er sich nicht verpflichtet erachten, da er ja offen und vor Jedermanns Augen predige. Als aber nun Knak Müller direkt fragte, ob er für seine Person denn wohl zu der lutherischen Erklärung des II. Artikels mit voller Ueberzeugung Ja sagen könne, antwortete dieser mit Entrüstung, das sei Inquisition. Eine große Bewegung entstand. Man hörte Worte wie "Wir müssen die Synode verlassen, solche Inquisition können wir uns nicht gefallen lasten." Die Gedanken der Herzen waren offenbar geworden. Knak aber stellte mit seinen: Freunde Kampffmeier gemeinsam den Antrag: "Die Synode wolle mit uns einstimmig und einhellig erklären und bekennen, daß ein jeder Ordinand vor seiner Einweihung zum heiligen Predigtamt ein wirkliches und wahres Gelübde abzulegen habe" — ein Antrag, welcher auf der Synode von 1866 noch nicht zum Austrag kam.

Knak nahm aus diesen Vorfällen Anlaß, ein Schreiben an das Moderamen der Kreissyuode zu richten, in welchem unter direkter Verweisung auf das Vorgefallene der Wunsch ausgesprochen wurde, daß "alle Mitglieder der Synode, die auf gleichem positivem Grunde stehen, mit immer größerem Ernste gegen den verderblichen Sauerteig der falschen Lehre der in der Synode befindlichen negativen Elemente zur Ehre Gottes und zum Besten der mit Christi Blut theuer erkauften Seelen ritterlich zu kämpfen sich gedrungen fühlen möchten," zugleich bittet er das Moderamen, diese wichtige Sache um Gottes willen mit freudigem Muth in die Hand nehmen zu wollen. Da das Moderamen dadurch, daß Superintendent Kober die Superintendentur niedergelegt hatte,- unvollzählig war, sandte Knak feinen Bericht und Bitte direkt an das Consistorium, welches auch unterm 2. Februar eine Antwort ertheilte.

Diese Antwort war in hohem Grade anerkennend und er-muthigend, und sprach die Freude der Behörde darüber aus, daß ""Gott der Herr (Knak) die Gnade verliehen habe, mehreren abweichenden und bedenklichen Aeußerungen gegenüber ein kräftiges und entschiedenes Zeugniß für die lautere Wahrheit des Evangelii abzulegen." Unser Herr Jesus Christus hat gesagt: Wer mich bekennt vor den Menschen, den will Ich wieder bekennen vor meinem himmlischen Vater. Sie dürfen sich dieser gnadenreichen Verheißungen getrösten und Dem vertrauen, der auch verheißen hat, Sein Wort werde nimmer leer zurückkehren," der HErr werde dies Zeugniß nicht ohne nachhaltigen Segen lassen. Dem Antrag Knaks aber, auf disciplinarischem Wege gegen solche Ausschreitungen vor-Zugeheu, könne aus dem Grunde nicht Folge gegeben werden, weil damit die Freiheit der Discussion gefährdet werden würde; Aufgabe der Kreissynode selbst aber sei es, solchen unevangelischen Tendenzen entgegenzutreten, deshalb habe das Consistorium das Promemoria Knaks zu den Akten der Kreissynode abgegeben.

Der oben erwähnte Knaksche Antrag von 1866, die bindende Kraft des Ordinationsgelübdes betreffend, fand feine Erledigung erst auf der Kreissynode des 29. April 1868. Knak lehnte den Vorschlag des Vorsitzenden, denselben zurückzuziehen» entschieden ab. Derselbe wurde von der Synode mit großer Majorität angenommen. Das Sitzenbleiben der Minorität aber veranlaßte Knak dazu, daß er unter dem 28. Mai 1868 abermals beim K. Consistorio vorstellig wurde, und auf Grund der "erschütternden Thatsache," daß eine Anzahl Geistlicher im Stande gewesen wäre, gegen jenen Antrag zu stimmen, den neuen Antrag stellte» das Consistorium wolle um Gottes willen mit aller Entschiedenheit eine klare Erklärung über die Verbindlichkeit des Ordinationsgelübdes ablegen, zugleich aber die dissentirenden Mitglieder zur Rechenschaft ziehen und nicht gestatten, daß diejenigen, die ihre Differenz mit der Kirchenlehre und ihren negativen Standpunkt so offenkundig kundgegeben haben, länger als stimmberechtigte Mitglieder angesehen werden.

"Denn, wenn — was der HErr in Gnaden verhüten wolle! — die grundstürzende und seelengefährliche Ansicht jener dissentirenden bisherigen Mitglieder der Synode jemals Platz gewönne, so würde sowohl Ein Kömgl. Hochwürdiges Consistorium, als auch die Gemeinde der mit dem Blut des -Sohnes Gottes theuer erkauften und in Seinen Tod getauften Christen Jegliche Garantie dafür verlieren, daß die durch die Ordination in den Schafstall der Kirche feierlich eingeführten Hirten wirklich als getreue Hirten und nicht vielmehr als "Miethlinge," ja als "Diebe und Mörder'"" darin schallen und walten wollten. Meiner innersten Ueberzeugung nach» ist das bei der Ordination geforderte und geleistete Gelübde gleichsam der heilige Fahneneid, den ein Jeder, der als Gottes Diener und Haushalter über Gottes Geheimnisse ein Pfarramt in der Kirche Christi zu bekleiden wünscht, zu beschwören hat; denn dieses heilige Amt kann ihm nur unter der Bedingung übertragen werden, daß er sich feierlich verpflichtet, dem. Herrn Jesu, als dem zur Rechten des Vaters sitzenden allmächtigen Haupt Seiner Gemeinde, treu und gehorsam zu sein, und Ihn als "das Fleisch gewordene Wort, das im Anfang war und bei Gott war," und "durch welches alle Dinge gemacht sind, der heiligen Schrift gemäß und in Ueber-einstimmung mit den drei ökumenischen Bekenntnissen (als worauf er ja ausdrücklich verpflichtet wird) festiglich zu bekennen und die ihm anvertrauten Seelen zu Christo dein Lamme Gottes, dessen Blut rein macht von allen Sünden, in aller Lauterkeit und Wahrhaftigkeit hinzuweisen.. Es darf daher ohne völlige Preisgebung des edlen Weinbergs Gottes an "die wilden Säue" (Ps. 80,14), dem einzelnen Prediger unmöglich frei-stehen, über die verpflichtende oder nicht verpflichtende Kraft des Ordinationsgelübdes zu denken, was ihm beliebt, und zwar umsoweniger, als ja Niemand gezwungen wird, durch Ablegung jenes Fahneneides bei der Ordination in das heilige Predigtamt einzutreten, sondern der Eintritt in dasselbe vielmehr eines jeden freiste Entschließung ist und bleiben muß. Hat nun aber Jemand einmal den Fahneneid des Ordinationsgelübdes geleistet, und ist er — und zwar unter dieser Bedingung — und mit dem Vertrauen Seitens der geistlichen Behörde, daß es ihm mit jener feierlich übernommenen Verpflichtung ein wirklicher Ernst sei, in den Schafstall der Kirche Christi eingeführt worden, so bleibt ihm nur übrig, entweder seinem Gelübde gemäß das heilige Amt zu verwalten, oder aber^. falls er etwa späterhin seine Ueberzeugung ändern sollte, dieses als ein ehrlicher Mann seiner Behörde anzuzeigen und um Entlassung aus einem Amte zu bitten, welches er ja ohne Heuchelei und ohne schwere Beschädigung des eigenen Gewissens und der ihm anvertrauten Seelen nicht länger zu verwalten im Stande sein würde.

Ehrerbietigst

Knak, Pastor.

Das Consistorium antwortete unter dem 15. Juni 1868, erkannte Knaks guten Willen an. forderte ihn aber im übrigen auff die Maßnahmen der Kirchenbehörde ruhig abzuwarten. In seinem Bescheid auf das Synodalprotokoll führt es mit aller Entschiedenheit aus. daß das von dem Ordinanden abgelegte Gelübde ganz unzweifelhaft und selbstverständlich ein wirklich bindendes Gelübde sei, daß das Kirchenregiment auch sich feiner Befugniß, diejenigen».

Ae dieses Gelübde gebrochen hätten, aus dem Amt zu entfernen» Lewußt sei; dagegen etwa zu Tage tretende unberufene Provokationen, die darauf zielten, die dermalen im Amte gewesenen Geistlichen einer allgemeinen Prüfung und Sichtung nach Maßgabe des Ordinationsgelübdes zu unterwerfen, von der Hand weisen müßte, vielmehr jeden einzelnen Fall nach Berücksichtigung der Verhältnisse besonders benrtheilen werde.

Knak ließ sich durch die in den letzten Worten enthaltene Rüge nicht beirren. Denn so gut wie das Consistorium seinerseits verpflichtet war, auf die bestehenden Verhältnisse in der Kirche und in der Geistlichkeit weise Rücksicht zu nehmen, da plötzliches scharfes Abschneiden der kranken Glieder ja nicht der einzige, ja auch kaum der richtige Weg gewesen wäre, einen Schaden zu heilen, an dessen Entwickelung die Kirche selbst in ihrer Totalität schuldig ist, eben so wenig konnte es dem erwachten Gewissen verboten sein, aus der Mitte der Geistlichkeit heraus den Antrag auf Heilung zu stellen; und zwischen einer unbefugten Provokation und einem ordnungsmäßig gestellten Antrag ist doch auch ein Unterschied. Knak stellte also angesichts dieses Synodalbescheides gleich auf der Synode von 1869 den weiter gehenden Antrag: "Ein Hohes Kirchenregiment wolle geneigtest anordnen, daß an diejenigen im Predigtamt der evangelischen Landeskirche stehenden Geistlichen, welche erklärter-maßen Mitglieder des sogenannten Protestantenvereins sind, eine amtliche Aufforderung zum Austritt aus diesem Verein ergehe." Zugleich gab er unterm 14. April 1869 die Erklärung ab. daß er Männer, welche sich durch ihr Ordinationsgelübde nicht für gebunden erachteten, die wahrhaftige Gottheit unseres HErrn und Heilandes Jesu Christi und unsere Versöhnung durch Sein theures Blut zu bekennen, unmöglich als solche betrachten könne, mit denen er sich Zu irgend einer kirchlichen Aktion vereinigen dürfe. Er müsse daher, so sehr auch ihm die Heilung der in der Vorlage berührten, namentlich die Prostitution betreffenden Schäden selbstverständlich am Herzen liege, jegliche Betheiligung an einem von den gedachten Männern in Angelegenheit der fraglichen Punkte beabsichtigten Schütte gewissenshalber auf das Entschiedenste ablehnen."

Wir machen hier einen Halt. Knak hat auf den späteren Kreissynoden noch manches wackere Bekenntniß abgelegt, und manchen tapferen Einbruch in das Feindeslager gewagt. Abeo nicht mehr als Vorkämpfer. Der Kampf gegen den Proteftanten-verein war von der Berliner Pastoral-Conferenz, später von dem Köuigl. Consistorium selbst ausgenommen. Knak hat um der demnächst zu berichtenden Episode willen seit 1868 die Stellung eines Vorkämpfers im Kampf gegen den stolzen ungläubigen Neuglauben aufgeben müssen, und trat mit seiner Person mehr in die zweite Linie. Es würde die Grenzen dieser Biographie überschreiten» wenn wir auf die nun folgenden Kämpfe näher eingehen wollten. Hier können wir nur das constatiren, daß Knak, so lange als er Vorkämpfer der Orthodoxen in der Friedrich-Werderschen Synode war, die Aufgabe glänzend gelöst hat, die ihm das Konsistorium, als es seinen Antrag auf Entbindung von der Theilnahme au der Synode ablehnte, gestellt hatte. Ohne alle Menscheusurcht, jede blos politische Erwägung verschmähend, jede Vermittlung und Verwischung der Gegensätze von der Hand weisend, ist er oft seinen eigenen Freunden und Parteigenossen nicht blos das lebendige Gewissen, sondern auch ein snkant torridlo geworden; hat aber seinen Heiland und dessen geoffenbartes Wort selbst der heißesten Feindschaft gegenüber mit einer Entschiedenheit und Nückhaltslosigkeit bekannt, die ihm unter den entschiedensten Bekennern aller Jahrhunderte einen ehrenvollen Platz sichert. Man hat so oft die Klage gehört» die den Kreissynoden zur Berathung überwiesenen Gegenstände seien unbedeutend, darum die Sitzungen selbst langweilig, inhaltsleer, sie böten nicht Stoff zu wirklicher ernster Erbauung der Kirche. Knak hat gezeigt, was bei einem unerschrockenen Vorgehen auch aus solchem Stoff zu machen ist. und wo ständen wir heute, wenn jede Kreissynode einen Bekenner und tapferen Kämpfer aufzuweisen gehabt hätte, wie Knak?

Es bleibt uns nun noch übrig, zum Schluß dieses Kapitels eine Episode zu zeichnen, die der Kreissynode von 1868 angehörend, auf das Tiefste in Knaks Leben einschneiden und einen großen Theil der christlichen Welt in Bewegung setzen sollte. Auf der Synode von 1867 hatte Pastor Lisco den "kirchlichen Bericht" abgestattet. In demselben war er auf die "kaum glaublichen" Urtheile der Confes-sionellen über ihn und seine Freunde näher eingegangen, und hatte dann in allgemeinen Zügen das Sonst und Jetzt in Bezug auf die sittlichen und die intellektuellen Zustände des christlichen Lebens gezeichnet. Dabei hatte er unter anderem geäußert:

Und wie steht es mit der christlichen Erkenntniß? Jene einheitliche religiöse Weltanschauung, die auf der festen Grundlage orthodoxer protestantischer Theologie ruhend, die Gemnther unserer Väter so tief befriedigte, wenn sie sie im Spiegel der Klopstock'schen Dichtung betrachteten» steift dahin, ein gewaltiger Culturprozeß hat sie aufgelöst, hat sie auch in denen unwiederbringlich zerstört, die sich selbst Orthodoxe nennen zu dürfen glauben. Die Naturwissenschaften haben das Weltbild der biblischen Schriftsteller durch ein anderes ersetzt, in welchem für das die Weltgesetze durchbrechende Wunder keine Stelle blieb; die Geisteswissenschaften haben mit einer alle Demuth der Theologie weit übertreffenden Bescheidung die Unzulänglichkeit des menschlichen Erkennens zur adäquaten Erfassung des Ewigen und Unendlichen zum Bewußtsein gebracht, sie haben erkennen gelehrt, daß Alles, was über Gott ausgcsagt werden kann, nur Bild ist und Gleichniß einer mit Wort und Gedanke nie zu umspannenden Wirklichkeit, sie haben damit jedem Fanatismus die Wurzel abgegraben; Kritik und Geschichte haben die religiöse Entwicklung der Menschheit, die biblischen Thatsachcn, die Bedeutung der religiösen Begabung des Einzelnen in einem neuen Licht schauen gelehrt; das deutsche Volk erwartet mit heiterem Muthe den Riesen, der diesen Strom der Wissenschaft umzukehren nöthigen wird.

Dieser Auslassung Lisco's hatte auf der Synode Knak in Gemeinschaft mit zwölf andern Geistlichen und fünf Laien eine Erklärung entgegengesetzt, in welcher die Unterzeichner bekunden,

        daß sie, außer Stande, unmittelbar nach der Vorlesung jenes

Liscoschen Synodalberichtes eine Verwahrung einzulegen, jetzt, zumal nachdem derselbe durch besondern Abdruck und durch den Gemeindekirchenrath der Jerusalems- und Neuen Kirche Verbreitung gefunden, gegen die demselben zu Grunde liegende theologische Anschauung protestiren. Diese Theologie führe zum Bruch mit der Kirche. Sie leugne das Wunder, sie erkenne die Bedeutung Christi, wie das Athanasische Bekenntniß als zweite Person der Gottheit ihn hinstelle, nicht an; solcher Glaube habe keinen Grund mehr in der evangelischen Kirche. Solche Lehren zu verbreiten sei ein Unterfangen, dem die Kanzeln unserer Landeskirche nicht offen stehen dürften. Die Männer dieser Richtung suchten unter dem Schilde der Union dem bewußten Unglauben eine berechtigte Stelle zu erringen. Der Satz, daß auch in den Orthodoxen die alte protestantische Weltanschauung untergegangen, werde als eine Verdächtigung zurückgewiesen. Die gesicherten Resultate der Wissenschaft seien mit ihrer christlichen Weltanschauung wohl, vereinbar.

Im weiteren Verlauf der Debatte setzte Knak sich das Ziel, Lisco aus der klüglich gewählten Form eines "objektiven Berichts" über den gegenwärtigen Standpunkt der religiösen Intelligenz hervorzutreiben zu einem offenen Bekennen der eigenen subjektiven Stellung, die Lisco zu den angegebenen Fragen nach dem Wunder, den Aussagen über Gott rc. einnehme. Lisco wand sich sehr klüglich, um diesem offenen Bekenntniß zu entgehen und warf in gewandter Fechterkunst Knak die Frage entgegen, derselbe werde doch, um nur Eines zu erwähnen, schwerlich mit der Bibel glauben, daß die Erde feststehe und die Sonne sich um dieselbe bewege. Knak nahm keinen Anstand, ihm sofort zu erwidern: "Ja, das thue (glaube) ich, ich kenne keine andere Weltanschauung, als die der heiligen Schrift!" —, worauf Lisco, sichtlich gehoben durch das Siegergefühl, den Fragen des lästigen Gegners entgangen Zu sein, mit scharfer Ironie antwortete: "Da habe ich Sie verkannt. hochgeehrter Herr Prediger, ich bitte ergebenst um Entschuldigung. Ihre Orthodoxie steht unaiigefreffen da und strahlt Lm herrlichsten Glanze!"        

Als Knak zu seinem Platz zurückkehrte, wollte er einem seiner Mitkämpfer die Hand reichen. Derselbe weigerte sie ihm mit den Worten: Knak, du bist dumm! — In den nächsten Wochen konnte man in vielen Blättern eine Aeußerung desselben Geistlichen wiedergegeben finden, die dahin lautete, Knak habe in den Jahren, wo er hätte studiren müssen, nicht studirt, und jetzt sei es zu spät» mm es nachzuholen. Diese Aeußerungen waren nur die ersten Anfänge zu einer Bewegung, die sich von jetzt ab erhob, deren Erklärung nach Jahrzehnten, wenn über den Vorfall geschichtlich gerichtet werden wird, als ein psychologisches Räthsel dastehen wird. Wir weisen derselben ein eigenes Kapitel an.


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51.

Der Copernikus-Schwindel.

Um unnöthigen Ereiferungen vorzubeugen, bemerken wir hier im Voraus, daß wir nicht das copernikanische System selbst einen Schwindel nennen, das ist und bleibt in seinen Ehren und Würden, und zwar als eine wissenschaftliche Hypothese, die heut zu Tage die Gelehrten fast alle für sich gewonnen hat; aber eben eine Hypothese, nicht mehr und nicht weniger. Schwindel nenne ich die Aufregung, die durch die einfachen Bekenner-Worte Knaks: "Ja. ich glaube es!" hervorgerufen worden ist. — Doch zur Sache.

Es waren noch nicht vierundzwanzig Stunden seit Knaks Ausspruch vergangen, als sein Name wie ein Lauffeuer durch alle öffentlichen Blätter ging. Das einfache Bekenntniß eines einfachen Pastors zur biblischen Weltanschauung wurde als das non plus ultra von Borniertheit, Provokation, pfäffischem Hochmut, als höchste Gefahr für die Volksbildung ausgerufen. Knak wurde als "umgekehrter oder verkehrter Luther" bezeichnet, als der "Tambour, der die ganze wissenschaftliche Welt alarmiert" habe. Er hätte wahrlich stolz sein können, daß er mit vier Worten so viel Staub hat aufwirbeln können. Eine Hamburger Bezirksversammlung verstieg sich bei Besprechung der gedachten vier Worte zu dem Ausruf: "Lieber Türk, als Pfaffe." Daß Berlin, diese Stadt der allerhöchsten Intelligenz, so etwas an einem seiner Mitbürger — ja der noch dazu ein geborener, von den höchsten Autoritäten der Wissenschaft unterrichteter Berliner war — erleben mußte, dünkte anderen hochgebildeten Weltstädten ein solches Ereigniß zu sein, daß sie für Berlin sogar den Spottnamen Knakopolis gebrauchten. In den Feuilletons geachteter Zeitungen konnte man statt "Ach Unsinn!" das Wort "Ach, Knak!" lesen. Die Witzblätter fanden Wochen und Monate lang willkommenen Stoff. Knak figurirte in ihnen als Sonnenschieber, frater Solis, als "neuer Götze," und sie überboten sich in Versuchen, ihn lächerlich zu machen. Das gelang ihnen freilich so wenig, daß mir es, trotzdem ich einen guten


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Witz zu schätzen weiß, und selbst dann ihm seinen formellen Wert nicht abspreche, wenn er einmal über die Stränge schlägt, nicht gelungen ist, in sämmtlichen Witzblättern jener Tage auch nur einen einzigen guten oder auch nur leidlichen Witz aus Knak zu entdecken. Nirgends erhoben sie sich über das Niveau der Albernheit einerseits und der bodenlosen Gemeinheit und Schimpferei andererseits, so daß sie nicht einmal der Erwähnung wert sind.

Zu dem öffentlichen Spott gesellte sich der in Privatzuschriften, teils Briefen, teils Telegrammen. Die Briese, nicht selten durch expresse Boten überbracht, waren überschrieben: “An den praktischen Sonnenschieber und Ober-Sonnen-Scheiben-Meister, Pastor und Seelenbruder Knak.” Sie entielten Grüße von Galilei und Copernicus, Bitten um gefällige Aufhaltung der Sonne, weil man zu einer Hochzeit ein Paar Stunden länger zusammen sein möchte; Bitte um Wetteränderung, um ein passepartout-Billet für die Beobachtung des Venus-Durchgangs durch die Sonnenscheibe, oder Danksagung für den wohlgelungenen Tritt in den Sonnenmechanismus , da mit einem Mal das Wetter sich geändert habe. Mehrere Briefe waren ihrem Inhalt nach so schmntziggemein, ja so (man verzeihe das Wort, aber es giebt kein gelinderes dafür), so säuisch, daß man sie nicht wiedergeben kann. Unterschrieben waren sie zum Teil gar nicht, eine Neujahrsgratulation mit dem Namen Mephistofeles. Ein Doktor Mottenburger sandte ein Pelzmännchen ein als Vertreter für den Fall, daß Knak zu dem Geschäft der Sonnendrehung einmal unfähig würde. Einen aus Carlsbad vom 7. Juli 1868 datirten Brief teilen wir wörtlich mit.

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Euer Hochwürden kann ich nicht umhin, meinen tiefgefühlten Dank auszusprechen für die umsichtige und einzig richtige Weise, wie Sie in den letzten Zeiten mich und mein Werk unterstützt haben! Da ich mich gerade jetzt in Deutschland, wo ich noch so manche Freunde besitze, und zwar hier in Carlsbad aufhalte, um mein Fußleiden etwas zu lindern, an dem, wie Euer Hochwürden ja zur Genüge bekannt ist, ich seit jenem unseligen Sturze fortdauernd kränkele, so benutze ich die gute Gelegenheit und die vortrefflichen europäischen Posten, um Ihnen diese meine aufrichtige Anerkennung schneller zukommen zu lassen, als mir dies von andern Zonen oder anderen Weltkörpern aus möglich sein würde!

Ja, hochwürdiger Herr, die Erde muß stille stehen, und der menschliche Verstand muß es auch, wenn ich mein finsteres Werk vollenden sollt


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Viele haben es schon gedacht, Sie aber haben es zuerst gewagt, diesem Gedanken Worte zu geben. Dank, herzlichen Dank dafür, sowie auch dafür, daß Sie diesem fatalen Berlin, dieser mir so unleidlichen Stadt der Aufklärung, wo man so wenig an mich glaubt, einen Schlag versetzt und dieselbe so unendlich lächerlich gemacht haben, daß sie sich in Jahrzehnten nicht davon wird erholen können.

Fahren Sie fort auf diesem Wege, Hochwürdigster Herr, fahren Sie fort in kindlicher Unschuld und Sie werden meiner stets wachsenden Hochachtung gewiß sein dürfen, mit welcher ich für immer verbleibe

Ihr Wohlgeneigter

Satan m. p.

Die öffentliche Bewegung wurde dadurch, daß Knaks Gesinnungsgenossen sich zum Teil öffentlich von der Gemeinschaft mit seinen astronomischen Anschauungen lossagten, nicht gehemmt. An allen Ecken sproßten auf Knaks Rechnung Erklärungen, Reden, Gemeinheiten und Witze gegen die Orthodoxen. Selbst die Bemerkung der Protestantischen Kirchenzeitung, daß Knaks astronomische Anschauung doch nur eilt irrelevanter Nebenpunkt in dem Kampfe sei, hielt den Wagen nicht auf, die Bewegung rollte weiter. Sie faßte auch die akademische Jugend. Knak erhielt einen Brief des Inhalts: "Einige Studenten haben Ihnen eine großartige Katzenmusik zugedacht. Wahrscheinlich findet sie am Dienstag Abend statt. Seien sie auf der Hut. Möglicherweise werden Ihnen die Fenster eingeworfen. Hoffentlich erhalten Sie polizeiliche Hülfe." Ob dies nur ein schlechter Witz eines Spaßvogels gewesen ist, das möge dahingestellt bleiben. Tatsache ist, daß die Aufregung unter den Studenten so groß war, daß ein Professor öffentlich dieselbe bekämpfen zu müssen glaubte mit den Worten: "Man kann ein gläubiger Theologe sein, ohne bornirt zu sein." Doch die Bewegung rollte weiter und erfaßte auch ernstere Kreise. Der Stadtverordnetenvorsteher Kochhann berief eine Versammlung von Nota-bilitäten der Gemeindevertretung und der Wissenschaft, um zu beraten, was der durch die Aeußerungen Knaks auf der Friedrich-Werderschen Synode so offenkundig hervorgetretenen grausenerregenden Gefahr der allgemeinen Verdummung gegenüber für Schritte zu thun seien. Die Blüte der Berliner Intelligenz kam zusammen. Mancher, der zu kommen verhindert war, glaubte schriftlich sein Votum zu dieser so überaus wichtigen Angelegenheit einsenden


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zu müssen. Der greise 88jährige Professor Raumer schrieb: "Wie würde sich der Inquisitor, der Galiläi einsperren ließ, freuen, wenn er hörte, daß nach 235 Jahren sein Urteil von einem protestantischen Geistlichen in der gebildeten Hauptstadt Norddeutschlands eine glänzende erstaunenswürdige Bestätigung erfahren hat!" Der Präsident Lette glaubte abwesend erklären zu müssen, "daß sich die Gemeinden von Geistlichen, die wie Knak lehrten, lossagen sollten; das habe zwar auch sein Bedenkliches; aber jedenfalls müsse ans unserer Bevölkerung heraus eine Protestation erfolgen." Die mündlichen Reden in der Kochhannschen Versammlung gingen freilich weit aus einander. Während der Eine dazu rieth, Knak einfach auszulachen, erklärte der Andere, da sei nichts zu lachen, hinter Knak ständen Hunderttausende, die eifrigst orthodoxe Propaganda trieben, man scheine heute die Tage des Papstthums überbieten zu wollen. Schließlich vereinigten sich 119 hervorragende Namen, darunter Geheimräte, Professoren, Stadtverordnete, zu der Annahme einer Resolution, deren die höchste Spitze bildender Paragraph lautete: "lieber die Gesetze der Naturwissenschaften ist die heilige Schrift, das Buch des religiösen Lebens, nicht maßgebend. Die Erde bewegt sich um die Sonne." — Nun wer's jetzt nicht glauben wollte, daß die Erde sich um die Sonne dreht, jetzt, nachdem 119 Vertreter der Berliner Intelligenz es durch gemeinsame Resolution festgestellt haben, der war fürwahr ein doppelter Ignorant!

Aber die Sache mußte doch auch eine praktische Spitze haben; dieselbe sollte die von den verhaßten Pfaffen betriebene innere Mission treffen. Einer der Redner, ein Stadtverordneter, forderte seine Herren Collegen dazu auf, sie möchten doch Nachsehen, was in den einzelnen Gemeinden Berlins, in denen gerade diese Partei herrsche, bei der Privat-Armen- und Krankenpflege an Heuchelei. Verstellung, Scheinheiligkeit und Selbstsucht groß gezogen werde!

In Berlin trat eine kleine Ernüchterung wenigstens angesichts dieser hochfahrenden Proklamation bald ein. Dieselbe machte in vielen Kreisen doch einen etwas erheiternden Eindruck, und schließ-, sich wollte Niemand sich zur Autorschaft für dieselbe bekennen. Dies verhinderte freilich den "Unionsverein" nicht, seinem an sich nicht sehr einflußreichen Ansehen dadurch eine Stütze zu verschaffen,


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daß er sich zu dem wesentlichen Inhalt der Resolution vom 7. Juni bekannte. Auch die Stadtverordneten-Versammlung wandte sich an den Magistrat mit der Bitte, die freisinnige Lehre schützen zu wollen. Und eine Zustimmungsadresse mit neunhundert Unterschriften wurde unterm 2. September an die Prediger Sydow und Lisko für ihr mannhaftes Auftreten erlassen.

Doch Berlin war zu eng, um den gährenden Most zu fassen. Ueber alle Städte Deutschlands erstreckte sich eine Bewegung, aus der selbst die Industrie ihren Vorteil zog. Hochgebildete, namentlich in der wissenschaftlichen Astronomie wohlbewanderte Kaufmanns-Jünglinge reisten gern, bewaffnet mit einem "Knak." als untrüglichem Beweis für den Stillstand der Erde, und suchten sich bei ihren Geschäftsfreunden dadurch angenehm zu machen, daß sie einen sichern Beweis für das Stillstehen der Erde in der Tasche hielten. Dem Staunenden zeigten sie dann einen kleinen, für fünf Silbergroschen verkäuflichen Globus, "Knak", genannt, stellten ihn auf den Tisch und fragten: Bewegt sie sich oder steht sie? — Sie steht! — "Nun, so ist es bewiesen." Die durch diesen erstaunlichen Witz hervorgernfene gute Laune des Geschäftsfreundes glaubten sie dann zweckmäßig für die Abschließung eines guten Geschäfts benutzen zu können. Das Licht verbreitete sich auf diese Weise von der Hauptstadt der Intelligenz aus bis durch ganz Deutschland, ja durch alle Länder Europas, ja über die Grenzen des Weltmeers hinaus, bis in die fernen Weltteile hin wurde der Name Knaks getragen. — Zuletzt drang das Licht sogar bis —- Neu-Trebbin! Der dortige Gemeindevorstand wandte sich bittend an das Königliche Consistorium, damit dasselbe die Bildung vor Verfinsterung schützen möchte!!

Doch es blieb nicht bei Worten allein. Auch Tatsachen fehlten nicht. In Berlin riefen die Bummler jeden Geistlichen mit dem Namen Knak, und den Worten: "Sie bewegt sich doch!" wohl auch: "Verfluchte Bande!" an; ein Schusterjunge tanzte um den wirklichen Knak mit lustiger Fußschwenkung herum mit den Worten: Sie bewegt sich doch! Auf einem westfählischen Bahnhofe aber ereignete sich folgende von einem Augenzeugen mir berichtete Scene. Knak hatte auf einem Missionsfest gepredigt. Der betreffende Pastor hatte, die Stimmung kennend, vorsorglich ihn zum Bahnhof begleitet. Kaum waren sie angekommen, als ein mitreisender Postsekretär


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ausrief: Knak ist da! Alle Anwesenden waren elektrisirt! Eine Dame, die auf einem Rollwagen sich fahren ließ, konnte auf die wichtige Nachricht hin gleich laufen und springen. Sie eilte über den ganzen Bahnhof, in heftigster Bewegung immer ausrufend: "Ja, er ist es! Lieutenant N. hat ihn erkannt!" — Der Bahnhofsinspektor schrie laut auf: "Sonne, steh still!" und während Knak still lächelnd vom Fenster seines Coupos aus die Freunde grüßte, rief er weiter: Sie bewegt sich doch! Nnr der Besonnenheit eines Schaffners, der Knak ein eigenes Coupö anwies, war es zu danken, daß er ungefährdet Berlin erreichte!

Und woher all diese Aufregung von Hoch und Niedrig, Alt und Jung, Schusterjunge und Professor? — — Weil ein Pastor, den sie für einen absurden Finsterling und Ignoranten hielten, auf die an ihn ergangene Privat-Frage über seine Privatmeiuung in Bezug auf die still stehende Erde die einzigen Worte gesprochen hatte: "Ja, ich glaube es! Ich kenne keine andere Weltanschauung, als die der heiligen Schrift!" Um dieser einfachen Privatäußerung willen, die Niemand aufgedrängt wurde, keinem zumutete, daß er sie teilen müsse, sondern eine einfache Antwort war auf eine einfache Frage, war ganz Berlin und die halbe Welt in schwindelhafte Aufregung geraten! Nun, wer da nicht sieht, daß hier andere als blos menschliche Kräfte mitwirkten, und andere als wissenschaftliche Interessen obwalteten, der muß nicht einfach, sondern doppelt und dreifach staarblind sein.

Was waren aber diese Motive? Sie ergeben sich einfach aus der Situation, aus welcher heraus Knaks Worte gesprochen worden sind. Hätte der Privatmann Knak deni Privatmann Lisco in irgend einer Gesellschaft diese Antwort gegeben, nicht Hund, nicht Hahn hätte danach gekräht, denn was geht es irgend einen Menschen an, was ich oder du für eine Stellung zu dem copernicanischen System einnehme. Aber auf der Friedrich-Werderschen Synode stand in Lisco's Person die der Bibel als Gottes Offenbarung feindliche moderne Wissenschaft, Knak dem Vertreter des Vibel-glaubens mit der ausgesprochenen Behauptung gegenüber: "Die moderne Wissenschaft hat als untrügliches und unumstößlich feststehendes Resultat eine der biblischen diametral entgegen gesetzte Weltanschauung hervorgebracht. Der ganze Glaube an einen persönlichen


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Gott, an Christum, als Gottes Sohn, an Wunder, Weissagung und Offenbarung beruht aber auf der biblischen Weltanschauung. Nachdem diese durch die moderne Wissenschaft unwiederbringlich gestürzt ist, so ist damit auch eben so unwiederbringlich der Bibelglaube an den dreieinigen Gott, an Christum als Gottes Sohn. an Wunder gestürzt, kein Gebildeter mehr kann dies glauben, die Aufgabe unserer Zeit ist, an Stelle des veralteten Bibelglanbens einen neuen Glauben zu konstruieren, der den Bibelglanben seiner antiquirten Form entkleidet und aus ihm nur die Begriffe einer "vernünftigen Religiosität und Sittlichkeit" annimmt." Stolz und selbstbewußt hatte Lisko den Niesen herausgefordert, der seinen Standpunkt umstoßen könne, nicht ahnend, daß die Wissenschaft, die er vertrat, selbst der Goliath war, der dem Zeuge Israel Hohn sprach, und gegen den der "Knabe mit der Schlender" wie Cleophea ihn nannte, den tödtlichen Wurf that mit dem einfachen Bekenntniß: "Ja, ich glaube es! Ich kenne keine andere Weltanschauung, als die der heiligen Schrift.”  Dies war nicht blos die Anssprache einer Privatmeinung über ein astronomisches Problein, sondern war in diesem Zusammenhang ein Bekenntnis;, ein offenes, freies, unumwundenes Bekenntniß zu der heiligen Schrift, als der Offenbarung des lebendigen Gottes, und damit zum Festhalten des alten Bibelglaubeus, ein Bekenntniß, das besagte: "Alle Resultate Eurer gepriesener; Wissenschaft sind schwankend und völlig ohnmächtig, um auch nur ein einziges Wort der geoffenbarten Schrift umzustoßen. Hier stehe ich als ein Knecht Gottes, der von dem Boden der Schrift nicht einen Zoll preisgiebt." Dies Bekenntniß war in den Augen derer, die aus der Wissenschaft ihren Götzen gemacht haben, eine unerhörte Frechheit, ein Frevel, der durchaus verdientermaßen der Verachtung, dem Spott. ja selbst der Verfolgung preisgegeben werden mußte, denn: "Groß ist die Diana der Epheser," die untrügliche Wissenschaft, die längst den Bibelglanben überwunden hat. Deshalb konnte Virchow nicht blos die stolzen Worte sprechen: "Der alte Himmel ist nicht mehr, die Wissenschaften haben ihn für immer beseitigt, und sie werden ihn nicht wieder Herstellen, sie mögen machen, was sie wollen!", sondern derselbe Virchov, für den die Kanzel ein längst überwundener Standpunkt ist, konnte auch einen Mann von Knaks Frechheit und


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Ignoranz und Frevelmut für unwürdig erklären, "jemals wieder die Kanzel zu besteigen." Den lebendigen Gott ableugnen, die Menschwerdung seines Sohnes verspotten dürfen, ist ja Forderung der freien Wissenschaft; aber gegen die "Diana der Epheser" freveln^ das ist Hochverrath und Lästerung.

Wir müssen zu unserm Schmerz gestehen, daß die hoffärtige Blasirteit, mit der die moderne Naturwissenschaft die Bibel so oft befeindet, nicht ohne Schuld der Kirche und der wissenschaftlichen Theologie zu dieser Höhe ihrer Frechheit gereift ist. Es gab eine Zeit, wo der gläubigen Theologie eine wissenschaftliche Behandlung der Naturwissenschaft weit unter dein Niveau ihrer Würde lag. Die pietistische Engherzigkeit und Einseitigkeit beschränkte alle Offenbarungen Gottes einerseits und die Sphäre der geistlichen Tätigkeit andererseits auf den engen Umkreis der Ideen, die sich zwischen den Angelpunkten Sünde und Gnade bewegen, und vergaß, daß Gott selbst dem Menschen auch die andere Aufgabe gestellt hatte: "Macht euch die Erde unterthan!", und damit die Aufgabe: "Durchforschet, erkennet, benutzet die Natur zu diesem Zweck." Mit dieser Aufgabe war der gläubigen Theologie auch die Bahn gewiesen, überall in den Gebilden der Natur den Stempel des göttlichen Geistes zu entdecken, der ja auch auf der Schöpfung brütend geschwebt hat. und die Spuren des Wortes, welches auch der vernunftlosen Creatur so viel von dem Gepräge des eigenen Ich ausgeprägt hat, daß sie fähig ist, gleichnißweise die höchsten Güter des Reiches Gottes abzuspiegeln. Die pietistische Theologie hat die Beschäftigung mit der Natur vornehmlich ungläubigen Forschern überlassen, welche sich für die Geringachtung, die ihnen als Bearbeitern untergeordneter Dinge zu Teil wurde, damit rächten, daß sie nun ihrerseits ein Weltsystem erbauten, in dem weder ein persönlicher Gott, noch ein geoffenbartes Wort desselben eine Stelle fand, und welches in ein Durcheinanderwirbeln von Atomen, in ein Aufeinanderwirken von Stoffen und Kräften zurückgedrängt, sein eigener Gott ist in ihm selber. Diese von Gott lose Weltanschauung wird bald eine Gott feindliche, und sucht bald ä tout prix die Autorität der Bibel und die gläubige Theologie zu bekämpfen und zu beseitigen und zu dem Ende als einen obscuren, durch das neue Licht der Offenbarung längst siegreich aus


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dem Felde geschlagenen Standpunkt darzustellen, den einzunehmen ein wissenschaftlich Gebildeter sich schämen müsse. Mit hämischer» höhnender Freude suchen sie daher in der Bibel einen Widerspruch nach dein andern, einen Jrrthum nach dem andern aufzudecken. Dabei kam es gar nicht darauf an, heute, weil die Bibel die Abstammung der Menschen von Einem Blute und Menschenpaar lehrt, mit unwiderleglichen Gründen als untrügliches und unumstößliches "Resultat der Wissenschaft" die Behauptung aufzustellen, die Raceu-verschiedenheit hätte längst jenen Ausspruch der Bibel widerlegt», es müßten mindestens vier bis fünf verschiedene Menschenpaare als Ureltern angesehen werden; — und morgen wieder nicht bloß sämmt-liche Menscheuracen auf Erden, sondern auch noch die gesammte Affensippe dazu von Einem Urelternpaar abstammen zu lassen; — natürlich wieder mit unwiderleglichen Gründen als unumstößliches-Resultat der Wissenschaft. Aehnlich ist es auch mit der unumstößlichen Nichtigkeit der auf das copernicanische System gegründeten modernen Weltanschauung.

Aber wie steht es in Wirklichkeit mit dem Material, ans welchem diese neue Weltanschauung zusammengesetzt wird, mit dem. archimedischen Punkt, den die moderne Wissenschaft entdeckt hat», um von ihni aus die ganze Offenbarung des lebendigen Gottes, die biblische Lehre von Gott und Gottes Sohn, Himmel und Erde», Zeit und Ewigkeit aus den Angeln zu heben?

Jeder, der auch nur von Ferne in die Wissenschaft hineingeblickt hat, wird in seinem Herzen lachen, wenn er die unwissenschaftlichen Massen von dem copernicanischen System als einem unumstößlichen Resultat der Wissenschaft sprechen hört. Denn zum Wesen der-Freiheit der Wissenschaft gehört es ja eben, daß die gewonnenen, Resultate nicht unumstößlich sind, sondern daß es jedem denkenden Individuum freisteht, sie zu bezweifeln, und weiter zu forschen», ob es sich nicht anders verhält. In dem vorliegenden Fall wird nur ein ganz unwissenschaftlicher Laie, nie aber ein wahrhaft, wissenschaftlich gebildeter Astronom sich zu der unwissenschaftlichen Behauptung verirren, das copernicanische System sei der letzte Abschluß der wissenschaftlichen Forschungen auf diesem Gebiet. Er wird immer nur sagen können: "Nach dem heutigen Stande der Wissenschaft ist die weit überwiegende Anzahl der gelehrten Astronomen


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zu dem bis jetzt durch Gründe der Wissenschaft nicht widerlegten Resultat gekommen, daß dies copernicanische System alle bis jetzt gemachten Beobachtungen auf die leichteste Weise erklärt. Er wird aber nie die Möglichkeit in Abrede stellen, daß spätere Beobachtungen zu einem andern Resultat, zu einem andern System führen können, und er wird deshalb zugestehen, daß das coperui-canische System selbst durch einhuudertundneunzehn Berliner Notablen nicht zum Dogma erhoben werden darf, dem sich alle, auch die nicht prüfen können, blindlings zu unterwerfen haben; er wird nicht umhin können zu gestehen, 'daß es keinem Menschen verwehrt sein kann, sich eine andere Ansicht zu bilden. In diesem Sinne gab ber berühmte Astronom Encke dem Präsident Götze die einzig correkt wissenschaftliche Antwort. Der Präsident fragte: "Herr Professor, bitte, sagen Sie mir doch einmal, bewegt sich die Erde noch immer um die Sonne, oder ist es einmal wieder umgekehrt?" Encke: "Noch bewegt sie sich um die Sonne." Und als Götze weiter fragte: Wird es nicht auch einmal umgekehrt kommen?, antwortete der Professor eben so wissenschaftlich correkt: “Möglich ist es wohl; aber wir Beide werden es schwerlich erleben!”

Der wahrhaft wissenschaftlich gebildete Astronom wird auch schwerlich das in Abrede stellen, was mir einmal ein solcher sagte, baß auch bei den Berechnungen des copernicanischen Systems immer noch ein Ueberbleibsel von ungelösten Schwierigkeiten vorhanden ist, welches es unmöglich macht, schon jetzt von einem endgültigen und unumstößlichen Resultat zu sprechen. Er wird auch das nicht in Abrede stellen, daß nicht diejenigen Gründe, die in "Lesebüchern" als Beweise des copernikanischen Systems angeführt werden — und welche dasjenige Material repräsentiren, auf welches neunundneunzig von hundert der Gegner Knaks ihre "wissenschaftliche Ueberzeugung" begründen, für den wissenschaftlich Gebildeten wirklich als bie beweisenden gelten, sondern daß die "durchschlagenden Beweise" überhalb der Sphäre des populären Erkennens liegen, von dem Nichtwissenschaftlichen also nur auf Glauben hin angenommen werden können, daß also all das Geschrei der Massen nicht wissenschaftliche Erkenntniß, sondern einfachen Glauben, man darf sagen Köhlerglauben, zur Grundlage hat. Er wird auch das nicht in Abrede stellen, daß die copernicanische Hypothese bereits vor tausend


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Jahren aufgestellt worden war, und dann für mehr als tausend Jahre als durch das ptolemäische System wissenschaftlich überwunden gegolten hat, und daß die gewöhnlichen Kalenderberechnungen mit derselben Genauigkeit nach dein ptolemäischen als nach dein copernicanischen System gemacht werden können. Der wahrhaft wissenschaftlich Gebildete wird auch nicht in Abrede stellen, daß auch noch nach Aufstellung des copernicanischen Systems gelehrte, wissenschaftlich gebildete Astronomen, wie Tycho de Brahe in älterer, und Morreson in neuerer Zeit dasselbe mit Gründen der Wissenschaft bekämpft haben. Allen diesen Tatsachen gegenüber haben die Gegner Knaks sich eine sehr empfindliche Blöße damit gegeben, wenn sie das copernicanische System anstatt als mit großer Wahrscheinlichkeit aufgestellte "Hypothese," vielmehr als "unumstößliches Resultat" der Wissenschaft hinstellen. Viele scheinen dabei nicht einmal eine Ahnung davon zu haben, daß Sonnenaufgang und Sonnenuntergang, so wie Josua's stillstehende Sonne mit der behaupteten Bewegung der Erde um die Sonne absolut nichts zu schaffen haben, da bekanntlich gedachte Erscheinungen sich nicht auf die Jahresbewegung der Erde nm die Sonne, sondern auf die vierundzwanzigstündige Axenumdrehnng der Erde begründen. In der Tat aber hatten die Gegner sowohl durch ihre schlecht verhüllte Furcht und Angst, als auch durch ihre lächerlichen Lufthiebe, sowohl durch ihre leidenschaftliche Erregteit, als durch ihre so völlig illiberale Intoleranz sich selbst in eine so lächerliche Position versetzt, daß es für einen besonnenen Zuschauer ein wahrer Genuß hätte sein müssen, den Goliath einer bibelfeindlichen modernen Weltanschauung mit seiner prätendirten Wissenschaftlichkeit und seiner selbstgepriesenen Toleranz recht gründlich ack »bsuräum zu verweisen. In der Tat eine erstaunliche Toleranz, die für den Professor der Theologie im Namen der Wissenschaft die Freiheit fordert, selbst die Grundlehre der Kirche, die Gottheit Christi ableugnen und bekämpfen zu dürfen, aber einem Laien der Naturwissenschaft ein Verbrechen daraus macht, wenn er sich dem copernicanischen System gegenüber seine niemand aufgedrungene Privatmeinung bildet, und dieselbe auf Befragtwerden einfach ausspricht! Und in der Tat ein glänzendes Zeugniß der vielgepriesenen Aufklärung der Stadt der Intelligenz, wenn man das einst gegen Galilei, den Naturforscher,


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geübte Ketzergericht, mit allem Apparat von Spott, Hohn, Haß: und Dummheit und Fanatismus jetzt wider einen gläubigen Pastorin Anwendung setzte, dessen einziges Verbrechen darin besteht, daß: er die Bibel höher achtet, als die Wissenschaft, und dessen einziger Frevel darin begangen ist, daß er von dem allgemeinen Menschenrecht, auf eine Frage eine Antwort zu geben, und in der Antwort, gerade herauszusagen, was er denkt, Gebrauch gemacht hat!

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Und wie hat die gläubige Partei in der Kirche diese so überausgünstige Position ausgenutzt?

Bei Beantwortung dieser Frage möchte ich am liebsten mein Haupt verhüllen und schweigen, — schweigen auch besonders aus-dem Grunde, weil es wahrlich nichts Leichtes ist, gegenüber Männern, die man hoch stellt, achtet und ehrt, denen man nicht das Wasser zu reichen sich getraut in Bezug auf Frömmigkeit, Gelehrsamkeit, Verdienste, dennoch seine eigene Anschauung mit allem Ernst zur Geltung zu bringen. Aber, so schwer das Opfer sein mag, ich fühle mich schuldig, es zu bringen, weil ans dem Namen meines teuren Vater Knak noch immer ungesühnte Schmach lastet», die nicht von ihm zu wälzen, so weit dies in meinen Kräften steht»., mir eine dauernde Schuld aufladen würde.

Wir haben bereits oben berichtet, daß das erste Wort aus dem Munde der eigenen Parteigenossen, welches Knak nach seinem Zeugnisse vernahm, lautete: "Knak, du bist dumm!" Dies wurden denn nun eigentlich das Thema, um welches sich die Aeußerungen seiner meisten Parteigenossen bewegten, nur mit verschiedenen, mehr oder minder gravirenden Zusätzen. Der Eine sagte: "Knak hat uns Alle blamirt!" ; der Andere: "Knak hat sehr unbesonnen geredet"; der Dritte: "Knak hat unendlich viel geschadet!" Derjenige, welcher-jenes Wort zu den Studenten sprach: "Man kann ein gläubiger Theologe sein, ohne boruirt zu sein," war nicht etwa ein Dubois Reymond, oder ein Pfleiderer, sondern ein teurer hochverehrter-Vertreter der gläubigen, ja der lutherischen Theologie. Der s» verdiente Herausgeber des "Schutz und Trutz" glaubte gewiß noch sehr glimpflich zu verfahren, wenn er auf Knak das Wort anwandte: "Wer auch in keinem Worte fehlt, der ist ein vollkommener Mann.”


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Aus der Mitte der Rechten in der Friedrich-Werderschen Synode erging öffentlich die Erklärung: "Daß gegen die Aeußerung des Pastor Knak auf die Lisco'sche Interpellation nicht sofort aus der Mitte der (gläubigen) Majorität heraus Einspruch erhoben wurde, hatte wohl lediglich seinen Grund darin, daß die meisten Mitglieder derselben damals der Ansicht waren, die Knaksche Aeußerung beruhe auf einem Mißverständniß oder sie sei ein mißverständlicher Ausdruck." Die Evangelische Kirchenzeitung beeilte sich, den Beweis zu bringen, daß die bekannte Stelle in Josna 10 nicht geschichtlicher Bericht, sondern nur Citat aus einem Heldengedicht, also als poetische Rede aufznfassen sei. Das K- Confistorium trat in einem Erlaß, in welchem es die Rüge gegen die vorgekommenen Unze-Hörigkeiten der Friedrich-Werderschen Synode ziemlich gleichmäßig zwischen Knak und Lisco verteilt, der Ansicht Hengstenbergs über Josua 10 bei, ebenso wie der in der Kochhannschen Versammlung ausgesprochenen Erklärung, daß "die heilige Schrift nicht als Quelle und Norm naturwissenschaftlicher Erkenntnisse und Ueberzeugungen betrachtet und behandelt werden dürfe, während doch dieselbe, den allgemein anerkannten Grundsätzen der evangelischen Kirche gemäß, lediglich Quelle und Norm der christlichen Heilswahrheit ist und sein soll," die evangelische Kirche werde die "reifen und unzweifelhaften Ergebnisse" der wissenschaftlichen Forschungen stets in gebührender Weise anzuerkennen wissen.

Andere urteilten härter. Knak habe nicht das Recht, Anderen seine astronomischen Meinungen aufdrängen zu wollen, oder sie wegen der ihrigen zu richten, er habe aus Uebermut und Mut-willen den Gegner provozirt. In ähnlicher Weise wurde auf Versammlungen von Pastoren durch das ganze Land geurteilt, und selbst ein alter teurer Freund von mir, für den ich doch noch heute jeden Tag durchs Feuer ginge, konnte miteinstimmen in den Tadel, Knak habe zum wenigsten sehr unbesonnen gehandelt und viel Schaden angerichtet mit seinem unnöthigen Hervortreten.— Bei der Berliner Pastoral-Conferenz von 1868 konnte es geschehen, daß während Knak zwischen Hengstenberg und mir saß, letzterer mich zu dem Abend, wo die Pastoren sich bei ihm zu versammeln pflegten, und wo Knak sonst me fehlte, über Knak hinweg einzuladen und ihn uneingeladen zu lassen im Stande war. An jenem


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Abende wurden aber so heftige und harte Urteile über Knak gefällt» daß ich mich, innerlich empört, um dem Richten ein Ende zu setzen» nicht enthalten konnte, einem der lautesten Sprecher znzurufen. ich wisse für ihn keinen bessern Rath, als daß er St. Copernicus einen Altar baue und sich an demselben als Oberpriester anstellen lasse.  In Detmold, wohin Knak in jenem Jahre zu einer Missionsfestpredigt eingeladen war, glaubte das Consistorium einer so anrüchig gewordenen Persönlichkeit die Kanzel verwehren zu müssen. Knak hat, ohne von diesem Verbot etwas zu ahnen, dennoch seine Predigt gehalten, denn Pastor Vorberg in Lemgo konnte es nicht übers Herz bringen, dem Eingeladenen diesen Schmerz zu bereiten» und bezahlte daher lieber die zehn Thaler Ordnungsstrafe. Für spätere Jahre wurde dann das Verbot nicht aufrecht erhalten.

Das Alles schreibe ich mit tiefem Schmerz nieder. War das die Hülfe und die Achtung, die die gläubige Partei demjenigen Manne abzuzahlen hatte, der bisher als ihr eifrigster, aufopferungswilligster, selbstverläugnender Vorkämpfer dagestanden hatte? Als der Vorkämpfer, der nie wankte, noch zagte, nie ermüdete, während fromme Pastoren nach Vermittlungsbrücken suchten? Wäre vom einem Führer der Liberalen und der Protestantenvereinler ein Attentat begangen worden, wie das der Massen gegen Knak, wie hätten die übrigen alle für einen Mann gestanden, um den in ihren Augen begangenen Fehler zuzudecken und ihren Parteigenossen nicht zu desavouiren. Aber das ist ja eine traurige, auch sonst wohl wiederkehrende Eigenthümlichkeit der Conservativen, auf kirchlichem wie auf politischem Gebiet, daß, wo sie glauben, daß einer der ihrigen gefehlt hat. und wo sie sehen, daß die Gegner nun auf ihn losschlagen, sie womöglichst doppelt mitschlagen, um nur ja den Schein von sich abzuwälzen, als seien sie nicht unparteiisch oder seien sie gar einer gleichen Dummheit fähig. Es ist nicht leicht, Parteiführer zu sein, besonders schwer aber ist es, Parteiführer unter den Gläubigen zu sein. Wer da nicht weiß, daß er auf seinen Jesum ganz allein fußt und auch da fest stehen muß, wo er von den Seinen im Stich gelassen wird, der bleibe lieber davon. Knak mußte das erfahren.

Was war denn aber wohl einfacher, als die richtige Stellung zu dem vorliegenden Fall zu finden? Wenn die Mehrzahl der


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Orthodoxen aus solchen bestand, welche aus wissenschaftlichen (?) Gründen dem copernicanischen System beipflichteten (und ich möchte wohl wissen, wie viele diese wissenschaftlichen Studien aufzuweisen haben), oder welche aus Bequemlichkeit den Vertretern der Wissenschaft nicht widersprachen, — nun so konnten sie ja einfach ihre Meinung beibehalten und saget!: In der astronomischen Seite der Frage teilen wir nicht Knaks Anschauungen —; aber in demselben Augenblicke mußten sie auch hinzufügen, wie dies die protestantische Kirchenzeitung wirklich that: Die astronomische Seite der Sache, ebenso wie Knaks persönliche Stellung zu ihr ist für den vorliegenden Fall absolut Nebensache, und sie hätten für ihn die jedem Menschen znstehende Freiheit, seine Meinung sich zu bilden, in Anspruch nehmen müssen, hätten auf die praktische Irrelevanz dieser Seite Hinweisen müssen, *) und hätten dann mit allem Nachdruck hervorheben müssen, daß das ungebührliche und unverantwortliche Benehmen der Gegner gegen Knaks Person der beste Beweis sei für die Schwäche derselben, die sie veranlaßte, solcher traurigen Hülfsmittel sich zu bedienen, und hätten dann auf diese Präliminarien hin den Glaubenskern der Knakschen Antwort herausschälen sollen, daß nämlich, wo Wissenschaft und Bibel wirklich mit einander disharmoniren sollten, die Bibel niemals vor den allezeit unfertigen Resultaten der Wissenschaft die Waffen zu strecken haben werde, sondern als das ewige, unwandelbare Wort und Offenbarung des persönlichen Gottes allzeit für die Menschenvernunft unerreichbar die unumstößliche Wahrheit darstellt, wie schon ein alter Philosoph gesagt hatte: Mlosoxdia guserit, reUZio po8siä6t voritatsm! Also mußten sie die Weltanschauung der Bibel verteidigen und auf Grund derselben die alte Bibellehre.

Anstatt dessen haben sie wenig oder nichts gethan, um Knak vor dem Spott seiner Gegner zu retten, haben ihn desavouirt, haben zum Beispiel später ihn weder in den Vorstand der August-Conferenz gewählt, noch zu den Epiphanien-Gebetsabenden ihn, den Beter, wie kein zweiter, herangezogen.

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*) die drastisch durch die Antwort jenes Fähnrichs angegeben ist: "Bis zu meinem Examen dreht sich die Erde um die Sonne, hernach mag fie es meinetwegen halten, wie sie will."


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Und was hatte jener Professor für ein Recht, Knak öffentlich der Borniertheit zu zeihen? Wir haben in den "Zeugnissen" absichtlich Knaks Universitätszeugniß mit abdrucken lassen, aus dem .zu ersehen ist, daß er bei den Lehrern Link und Ritter naturwissenschaftliche Collegien gehört habe, zu denen damals noch kein Staatsexamen nöthigte. Ja, bei dem Fleiß, den Knak auf seine Studien wandte, sind wir zu der Annahme berechtigt, daß er in Bezug auf das copernicanische System vielleicht besser beschlagen war, als neunundneunzig von hundert seiner Gegner, und daß, wenn er sich dasselbe nicht aneignen zu können glaubte, ganz andere Gründe ihn dazu bewogen, als Mangel (an wissenschaftlicher Ausbildung.

Und ist denn der Beweis schon dargebracht, daß die Weltanschauung der Bibel wirklich mit dem copernicanischen System unvereinbar sei? Die bloße Behauptung, die Bibel lehre von dem Sonnenaufgang und Sonnenuntergang nur in der populären Sprachweise, wie sie heute in jedem Kalender üblich ist, ist doch noch kein wissenschaftlicher Beweis; sie bedarf zu ihrer Begründung wahrlich eines besseren Apparats, als der nach unserer Ansicht wissenschaftlich völlig verunglückte Hengstenbergische Versuch ist, die Stelle in Josua im Widerspruch zu jeder gesunden Wort-Exegese nur zu einem dichterischen Citat umzustempeln. Die betreffenden Aussprüche der Schrift geben noch ganz andere Handhaben für die Knaksche Auffassung, als die wenigen Stellen, wo von Sonnenaufgang und Untergang und Josua's stillstehender Sonne geredet wird. Ganz sichtlich hat z. B. die Erde nach der biblischen Darstellung längst bestanden, bevor die Sonne existirte, und die Sonne ist zu ihrem Dienst später erschaffen (1 Mos. 1,14 ff.), und sind die Sterne, wenn sie auf die Erde fallen können, nicht als ungeheure Weltkörper anzusehen, gegen welche die Erde ein verschwindender Staub ist; — und wenn in der Ewigkeit die Erde bestehen soll, während keine Sonne und Mond mehr sein soll, wenn ferner in den Propheten der Herr Christus, der doch schwerlich mit einer optischen Täuschung verglichen werden wird, mit der aufgehenden Sonne in Vergleich gestellt wird, wenn der Herr-Jesus selbst sagt: "Der HErr macht aufgehen die Sonne," -wobei nicht Jeder sich sofort in die Exegese finden wird, daß der


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HErr auch in seinen eigensten Worten der üblichen Anschauungsweise sich nur anbequemt, wenn ferner der Erdboden nach der Gesammtlehre der heiligen Schrift der eigentliche Mittelpunkt des Universums ist, um den sich alle übrigen Geschöpfe drehen, und der Schauplatz, auf dem die eigentlichen Offenbarungen Gottes sich vollziehen, so genügen bloße Machtsprüche von einhundertund-neuuzehn Berliner Notablen nicht, die exegetisch-wissenschaftliche Frage nach der Weltanschauung der Schrift einseitig zu entscheiden und für abgeschlossen zu erklären. Jedes Individuum wird die vollste Freiheit behalten müssen, diese Frage nach dem Umfang seiner eigenen Studien zu beantworten. Wenn also Knak das volle individuelle Recht hatte, auf Grund der Schranken der Naturwissenschaft seine Stellung zu dem copernicanischen System und auf Grund der Principien einer gesunden wissenschaftlichen Exegese seine Stellung zu der Frage nach der biblischen Weltanschauung nach eigenem Ermessen zu wählen, so hat jede andere Instanz ihm gegenüber wohl das Recht zu behaupten: Ich theile deine Ansicht nicht, halte sie für unbegründet, für unhaltbar, aber nicht, ihm zu sagen: Du bist dumm und bornirt. Luther und Melanchthon haben, wenn ich recht berichtet bin, zu dem copernicanischen System genau dieselbe Stellung und aus demselben Grunde wie Knak eingenommen, und Niemand hat sie darum für dumm und bornirt erklärt. Oder sollten die Beweise der Wissenschaft damals nicht bindend gewesen und heute bindend sein? Wenn Knak öffentlich behauptet hätte: Wer nicht meine astronomische Ansicht theilt, der ist kein gläubiger Christ, dann möchte man ihm gerechte Vorwürfe machen, aber nie hat er das gethan; im Gegentheil, er hat sich dagegen wiederholt verwahrt, und hat nie Jemand seine Ansicht aufdräugen wollen.

Auch ich bin überzeugt, daß selbst mit der copernicanischen Anschauung ein ernster Vibelglaube wohl vereinbar ist, und daß die exegetische Frage noch nicht abgeschlossen ist; ich würde es für sehr verwerflich halten, einen Copernicaner um deswillen, weil er Copernicauer ist, für einen Ungläubigen zu halten. Copernicus selbst ist ein Beweis für das Gegentheil, wie dies seine Grabschrist *)

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*) Diese von Copernikus selbst verfaßte Grabschrift lautet: (S. f. S.)


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beweist, und manche andere ernste Naturgelehrte, die sein System sich aneigneten, haben ebenfalls als ernste Christen gelebt und sind so auch gestorben, während Anticopernicaner ganz unkirchliche Leute sein konnten (wie Tycho de Brahe). Aber wann und wo hat Knak die Frage nach der Bibelgläubigkeit mit der nach dem copernicanischen System in einander gemengt? Er hat nur für sich das Recht der freien Meinung beansprucht, und das noch nicht einmal, er hat nur seine Meinung, als er darum befragt wurde, frei herausgesagt.

Wir können dies Thema nicht verlassen, ohne noch auf einen wichtigen Punkt insonderheit zurückzukommen, in welchem manche Bibelgläubige unseres Erachtens etwas sehr schnell dem Postulat der Kochhanuschen Versammlung nachgegeben haben, nämlich daß die Bibel nicht Quelle der Naturforschung, sondern lediglich Quelle der christlichen Heilswahrheit sein soll. Altkirchliche Lehre ist das-zum mindesten nicht, die lutherischen Dogmatiker lehrten ganz anders, sie verlangten die Wort-Inspiration und die Anerkennung; der Wahrhaftigkeit der Schrift nicht blos für die Aussprüche der Heilslehre, sondern auch für alle geschichtlichen und naturgeschichtlichen Aussagen der Schrift. Biblische Lehre ist dies aber noch viel weniger. Denn wenn die Schrift von uns den Glauben an eine Schöpfung aus Nichts und an einen persönlichen Gottschöpfev verlangt als Grundlage unseres Gesammt-Glaubens, so werden wir niemals den pantheistischen Träumereien der Wissenschaft gestatten können, der Bibel gegenüber sich als Wahrheit und fertiges Resultat hiuzustellen; eben so wenig werden wir den biblischen. Schöpfungsbericht den "sicheren Resultaten" der Wissenschaft opfern,

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Non parem Pauli gratiam requiro,

Veniam Petri neque posco, sed quam

In crucis ligno dederas latroni

Sedulus oro..

Deutsch: Nicht eine Gnade, wie die des Paulus begehre ich: auch keine Verzeihung des Petrus verlange ich, sondern die, die du dem Mörder am Kreuzesstamm gegeben hast, erflehe ich inständig.

Wenn Copernicus mit diesen Worten selbst bekennt, daß er trotz seiner andere» Weltanschauung dennoch ein strenggläubiger Christ bleiben will, wie muß er sich seiner ungläubigen Epigonen schämen, die da behaupten, sein System habe die ganze Bibellehre über den Hausen geworfen!


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auch nicht die Abstammung von Einem Menschenpaar. Man sollte etwas vorsichtiger sein mit solchen Concessionen an die dreisten *)

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*) Die Art und Weise, wie wir sogenannte Gebildete die so häufig im Munde geführte Behauptung begründen sehen, als hätte die moderne wissenschaftliche Weltanschauung die alte biblische ein für alle Mal überwunden, und dürfe nun ihre Consequenzen ziehen, wonach kein persönlicher Gott, der Wunder thut und Gebete erhört, die Welt erschaffen habe, und kein Gottessohn sie mit seinem Blut erlöset habe — setzt uns oft in Verlegenheit, ob wir an solchen Ausführungen inehr die Beschränktheit des Begriffsvermögens oder den Leichtsinn oder die Frivolität anstaunen sollen.

Man erwäge z. B. folgenden Schluß: "Weil die Naturwissenschaft überall nachweist, daß die irdischen Dinge nach gewissen Naturgesetzen sich bewegen, so giebt es keinen persönlichen Gott mehr, der die Welt regiert, sondern dieselbe regiert sich selbst nach ihren eigenen Gesetzen; thöricht ist es, an einen persönlichen Gott glauben, der Wunder thut und Gebete erhört." Merkt solche durch Umhängen von wissenschaftlichen Phrasen schlecht verhüllte Quintaner-Logik denn nicht, daß in den vorgebrachten Schlußfolgerungen nirgend ein Moment dargebracht wird, daß nicht Gott selbst diese Naturgesetze geordnet haben sollte? Ist nicht diese Schlußfolgerung gerade so, als ob man sagen wollte: "Weil wir in einem Hauswesen Arbeitszeit und Löhne auf das sorgsamste geordnet finden, so ist zu schließen, daß kein Hausherr da sei, der das geordnet habe, am wenigsten aber wäre es möglich, daß solcher Hausherr einmal eine Ausnahme machen dürfte, und hier und dort ein freies Geschenk oder einen außerordentlichen Rasttag gewährte!" — Ein anderer, für besonders durchschlagend erachteter Schluß, den die "moderne Bildung" macht, ist der : "Die neuen Ergebnisse der Astronomie haben nachgewiesen, daß die Erde in dem Universum nur ein verschwindend kleiner Körper ist, wie wäre es denkbar, daß an diesem winzigen Ort Gott selbst Mensch geworden sei? Die Billionen von Meilen im Raum und Milliarden von Jahren in der Zeit nöthigen uns zu einer andern Weltanschauung, als die der heiligen Schrift ist!"

Solche Knaben-Gedanken glaubt man gebildeten Menschen vorlegen zu können! Hat man denn über die "hohe Wissenschaft" nicht so viel gesunden Menschenverstand übrig behalten, zu bedenken, daß eine noch so hohe Auftreibung von Raum- und Zeit-Maßen nie auch nur eines Zolles breit der Unendlichkeit uns näher bringt? Kinder kann man wohl necken mit dem Vorhalten, es gehöre mehr göttliche Kraft dazu, ein Gebirge zu erschaffen, als ein Sandkorn; aber gebildeten Denkern sollte man doch solche Beweisführungen nicht bringen. Wo es Menschenwerk gilt, da staunt und bewundert man, wenn z. B. ein Schreiber es möglich gemacht hat, auf die Fläche eines Silbergroschens die zehn Gebote, den Glauben und das Vater-Unser zu schreiben, und gerade die geringen Raummaße im Verhältniß zum Umfang des Inhalts lassen das Kunstwerk größer erscheinen; die Wunder der mikroskopischen Welt werden dem Auge zum Anstaunen dargeboten und mit dem unendlichen Gott will man nach dem Maße von Milliarden Abrechnung halten? Und solche Carrikatur von logischem Denken will man dem unwissenden Voll als


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Behauptungen der Wiffenschaft, welche schließlich auf die von den Orthodoxen bisher eben so entschieden festgehaltene, als von den kirchlich Freisinnigen bekämpfte Position hindrängen, daß die ganze Bibel Gottes Wort ist, und nicht blos Gottes Wort in der Bibel. Die Protestantische Kirchenzeitung hat denn auch in der That nicht gesäumt, dieses Bekenntniß von Seiten der Orthodoxen sofort als angenehme Abschlagszahlung freudig zu quittiren, und den Wunsch auszusprechen, daß die Orthodoxen nur auf diesem Wege beharren möchten. Das ist die Anschauung unserer Gegner, während Quenstädt, der scharfe Denker und lutherische Kirchenvater, sagt: "Die ganze Gewißheit und Unfehlbarkeit unseres Glaubens wird erschüttert, wenn auch nur das Allergeringste in der Bibel zweifelhaft oder irrig ist: denn wie soll man der Autorität, Gewißheit und Wahrheit des Uebrigen sicher sein?"

Wir schließen unsere Bemerkungen ab mit einer ernsten Gewissensfrage: War wirklich dies die Zeit, wo selbst gläubige

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"hohe und erhabene Wissenschaft" verkaufen, und sich selbst dann in Gemeinschaft mit den Betrogenen als Vertreter der "Intelligenz" darstellen I Wie unendlich tiefer gräbt die Weisheit der von der "modernen Weltanschauung" mit Achselzucken angesehenen heiligen Schrift in den Worten: "Wer mißt die Wasser mit der Faust, und fasset den Himmel mit der Spanne, und begreifet die Erde mit dem Dreiling? und wieget die Berge mit dern Gewicht, und die Hügel mit einer Wage? Wer unterrichtet den Geist des HErrn, und welcher Rathgeber unterweiset Ihn? Wen fraget er um Rath, der Ihm Verstand gebe und lehre Ihn den Weg des Rechtes?" (Jes. 40,12—14. Hiob 38, 4 ff.) Aber an den jetzigen Vertretern der "modernen Weltanschauung" wider Gottes Wort erfüllt sich so recht handgreiflich das Wort der Schrift: Da sie sich für Weise hielten, sind sie zu Narren geworden.

Und von dem Grunde dieser auf so hinfälligen Fundamenten erbauten "modernen Weltanschauung aus" muthet man den Betrogenen zu, Dinge zu glauben, im Vergleich, zu welchen die größten Zumuthungen an den Glauben, die die heilige Schrift stellt, winzige Kleinigkeiten sind; z. B. weil in der Pflanzenwelt und innerhalb einiger Thierracen die Möglichkeit der Kreuzung nachgewiesen ist, so wird der Begriff der Möglichkeit mit dem der Thatsächlichkeit ganz in der Stille vertauscht, und so das ganze sinnlose Gebäude von der Entwicklung des Geistes aus der Materie heraus aufgeführt. Es kann doch kaum ein höherer Blödsinn ausgedacht werden, als der von der Entwicklung des Menschen aus dem Affen heraus. Aber bereitwillig wird er geglaubt sd. h. eigentlich glaubt es Keiner; aber zugestimmt wird mit vollen Kräften, um nur der Bibel ins Angesicht trotzen zu können) von denen, die es für horrend erklären, anzunehmen, daß der per-


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Christen der Wissenschaft vor allen Dingen ihre N^verenz machen mußten? Diese Zeit, wo die Wissenschaft als der Goliath gemis-braucht wurde, der dem Glauben an die heilige Schrift und selbst an den Sohn Gottes Hohn sprach? Jedes Ding hat seine Zeit. Die Wissenschaft als Gabe Gottes anzuerkennen, und sie um so höher zu ehren, je mehr sie sich unter den biblischen Canon stellt, daß all unser Wissen Stückwerk ist, dazu sind wir allzeit gern bereit. Aber hier in solchem Zusammenhänge galt es nicht, der Wissenschaft auch noch Weihrauch zu opfern, sondern sie in ihre Schranken zurückzuweisen durch ein einfaches: "Ja, ich glaube es!" Wir können es deshalb nur als eine besondere göttliche Führung erkennen, daß die entscheidende Frage nicht an einen diplomatischen Kopf gerichtet wurde, der etwa in klüglicher Berechnung des Staubes, der voraussichtlich aufwirbeln könnte, eine klüglich ausweichende Antwort gegeben hätte, — auch nicht an einen Halbfesten, der, um nicht gegen den Strom zu schwimmen, der Wissenschaft

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sönliche Gott, der die Welt durch Gesetze regiert, seinen persönlichen Willen auch einmal durch Wunder kund thun könne. Und welchen Preis bietet man demjenigen, der solches glaubt? Man raubt dem Armen sein Gottvertrauen, dem Unglücklichen sein Gebet, dem Kreuzträger seine Hoffnung auf das ewige Leben. Man reißt aus dem Leben des Volkes und der Staaten heraus die erhaltenden sittlichen Kräfte, man untergräbt die Autoritäten uud die göttlichen Ordnungen, man vernichtet das, was das arme Erdenleben überhaupt lebenswerth macht, und bereitet ein Heidenthum vor, viel ärmer, viel kläglicher, viel gefährlicher, als das doch noch mit sittlichen Ideen und göttlichen Ordnungen durchzogene des römischen und griechischen Alterthums I

Und wozu das Alles? Die Vorgeschrittenen haben es verrathen. Man will darum die Bibel und den persönlichen Gott beseitigen, damit man von den sittlichen Anforderungen, welche beide an den Menschen stellen, emancipirt, ganz nach seinen eigenen, wenn's sein kann, auch thierischen Gelüsten leben könne. Haben wir keinen persönlichen Gott mehr, so haben wir auch keine menschliche Persönlichkeit mehr; dem persönlichen heiligen Gott entspricht die Persönlichkeit und Verantwortlichkeit des Menschen; beide müssen beseitigt werden, um nach dem Wort leben zu können: "Lasset uns essen und trinken, denn morgen sind wir todt!" — Darum ruft die Weisheit der höhern Intelligenz, die schließlich sich als Thorheit des Fleisches entpuppt: "Lasset uns zerbrechen ihre Bande und von uns werfen ihre Seile!"— Aber: "Der im Himmel wohnet, lachet ihrer, der HErr spottet ihrer." Er wird zu Gericht sitzen über die Frevler, und hat damit schon begonnen in unseren Tagen. "Wer aber an Ihn glaubt, der wird nicht zu Schanden werden!"


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vor allem sein Compliment gemacht hätte, sondern daß sie gerichtet wurde an einen Mann, dessen naturwissenschaftliche und exegetische Studien chm es möglich machten, ein rundes "Ja, ich glaube es", ohne alle Hörner und Klauen, und ohne alle Mäntelchen, zu bekennen, und dessen kindliche Frömmigkeit es ihm zur Pflicht machte, der offenkundigen Herausforderung einer ungläubigen Wissenschaft ein einfaches: "Ich kenne keine andere Weltanschauung, als die der heiligen Schrift", entgegenzusetzen.

War und blieb denn nun Knak den Angriffen seiner Gegner gegenüber ungeschützt und isolirt?— Leider fast ganz, und doch nicht ganz. Hin und wieder erhob sich in christlichen und anderen öffentlichen Blättern eine schüchterne Stimme, die Gerechtigkeit für Knak forderte. Gustav Jahn brach für ihn eine Lanze in der Broschüre: "Der gesunde Menschenverstand und die stillsteheude Sonne zu Gibeon;” der Herausgeber dieser Biographie konnte sich nicht enthalten, für den geschmähten Freund einzutreten mit einer kleinen Broschüre "Pastor Knak und seine Gegner," in welcher ungefähr derselbe Standpunkt vertreten ist, wie in diesem Kapitel. Eine sehr große Anzahl brieflicher Zuschriften brachten ab und zu etwas Balsam gegen die Schmähbriefe. Von allen aber war einer der ersten, die sich offen und rückhaltslos ganz an Knaks Seite stellten, sein "Herzenskarl," der unter dem 12. Juni 1868 in der Kreuzzeitung sich öffentlich erklärte für das gute ungeschminkte Zeugniß des Pastor Knak, dem er aufrichtig beistimmt und nicht bezweifelt, daß ihm ein reicher Segen Nachfolgen werde! — Und ein zweites Trostwort erhielt er aus fernem Lande her, das ihm seine innerste Seele in finsterer Zeit erquickte. Es war ein von einem blinden Findelkind auf Hongkong, dem Chinesenmädchen Mädden geschriebener Brief, welcher lautete:

Lieber Vater Knak!

Ich habe gehört von unserem lieben Herrn Pastor, daß Du Schmach tragen mußt von den ungläubigen Menschen um des Herrn Jesu Namen, wie die Schrift sagt: "Den ganzen Tag werden wir getödtet und sind geachtet, wie die Schlachtschafe," und wie die heiligen Psalmen spricht: "Wenn ich nur dich habe,


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so frage ich nichts nach Himmel und Erde; wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist Du Gott meines Herzens Trost und Theil." Wie geht es Dir? Ich hoffe, der HErr segne und helfe Dir! Ich grüße Dich sehr herzlich. Deine Mädden!

Knak empfing hier einen kleinen Dank für seine Liebe, die er den armen Heiden zuwandte, einen Labetrunk in heißer Zeit. Er giebt dem Brief, den er Freunden mittheilt, die Ueberschrift: "Die kindliche Einfalt singt ein Lied im höheren Chor."

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Und wie trug Knak selbst diese schwere Zeit, wo er von seinen Freunden vielfach verlassen und mit Vorwürfen überhäuft, seinen Feinden zum Fegopfer hingegeben und von ihnen gelästert und verspottet und verhöhnt wurde? Nun, er hatte seinen Heiland, dem klagte er es, und seine Mathilde lebte auch noch, die ihm das Schwere tragen half. Denn leicht war es nicht. Aber ich habe ihn bewundert, wie er sein schweres Kreuz als ein Christ trug, der nicht wieder schalt, da er gescholten wurde, der nicht drohte, da er litt, der für seine Feinde betete und seinen Freunden nicht einmal grollte. Das härteste, was er seinen Feinden erwiderte, war ein Telegramm, welches er als bezahlte Rückantwort dem einsendenden Spötter schrieb, und welches nur die Worte enthielt: "'Gal. 6, 7. 8." In solchen Zeiten wird offenbar, was im Menschen ist, das habe ich sehen können, da ich damals in nächster Nähe mit ihm verkehrte. Aus seinen Briefen, die er an seine vertrautesten Freunde schrieb, möge er selbst am Schluß zu uns reden.

An seinen Karl schreibt er in jener Verfolgungszeit: "O wie froh bin ich, daß wir zusammen kämpfen, und die Schmach Christi für einen größeren Reichthum erachten, als die Schätze Egyptens." "Ich bin sehr vergnügt und glücklich in meinem Herzen und die Freude im HErrn ist meine Stärke! "

Am 18. Sept. 1868: "Im Uebrigen geht es meiner Seele durch Gottes Gnade wohl, und die Anfechtungen von Seiten der Feinde machen mir gottlob nur wenig zu schaffen!" und am 16. Juli 1868: "Die mir so reichlich zu Theil gewordene Ehre der schönen Schmach Christi hat mir unterwegs manche Gelegenheit zum Zeugniß von meinem herrlichen Heilande gegeben."


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Später: "Unsere Sache muß doch den Satan erstaunlich verdrießen, daß er immer wieder bellt und dis Zähne knirscht!"

Dann: "Die Verfolgung um Jesu willen scheint nicht fern zu sein; aber selig sind, die um des Namens Jesu willen gestäupt werden."

Später: "Der HErr kann ja auch, wenn es Ihm gefällt, die Wissenschaft, falls sie sich unter Sein Wort beugt, in Seinem Dienste gebrauchen, zur Verherrlichung Seines großen Namens!"

Weiter schreibt er:

6.Aug. 1869: "'Was die Göttin Wissenschaft' für einen gewaltigen Einfluß übt, kann man recht deutlich sehen, wenn man mit Brüdern zusammen kommt, die sich förmlich scheuen, dieser Diana zu nahe zu treten. O daß der Schleuderstein Davids doch diesen prahlerischen Niesen bald zu Boden würfe."

13. Juli 1869. "Durch drei Korrespondenzkarten und einen Brief bin ich auch wieder (also nach mehr als Jahresfrist) mit Spott und Hohn als "Sonnenschieber" geehrt worden, ein Zeichen» daß man den Stachel nicht los werden kann!" Wiederum schreibt er an einen Freund: "Mein HErr verbirgt mich heimlich in seinem Gezelt," und nennt die Pfeile der Verfolger "Mückenstiche." Dann wieder: "Der HErr wird Ehre einlegen, deß bin ich fröhlich!"

Zwei Zeugnisse sind es, durch welche Knaks Name über das» Meer in fremde Länder und in fremde Sprachen gekommen ist. Das eine ist sein Lied: Laßt mich gehn! Das andere fein Bekenntniß: "Ja, das glaube ich!" auf der Friedrich-Werderschen Synode. Das letzte wird ohne Zweifel ein Heller Edelstein sein in seiner Bekennerkrone vor dem Stuhl des Lammes, das erste aber wird noch lange gesungen werden, wenn die Gebeine von Knaks Spöttern längst in Staub zerfallen sein werden.

Der Spott aber hat sich umgewandelt in ein Lied, welches die oben erwähnte schlesische Gräfin nach dem Lesen dieses Kapitels in der ersten Auflage sang:

Der Sonnen-Knak.

"Den Sonnen- Knak," hört' ich hier oft ihn nennen,

Den Finsterling, Kopfhänger, Pietisten,

Sie meinten, Spott und Schmach und Schande müßten

Den "Sonnen - Knak" von seiner Sonne trennen.


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Doch er ertrug so still und sanft ihr Höhnen

Und denkt: wenn sie von meiner Sonne wüßten,

Sie würden Alle doch, gleich mir zu Christen —

Und predigt ihnen seines HErrn Versöhnen.

Er ist zu seiner Sonne heimgegangen,

Und die steht still, — wird niemals untergehen,—

Er wird in ihrem Glanze ewig prangen!

Und aller Spott der Welt, ihr Droh'n, ihr Schmähen.

An seiner schönen Himmelskrone hangen

Jetzt als Juwelen, kostbar anzusehen.

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52.

Ein harter Schlag.

Der HErr. welcher seinen lieben Knecht zubereiten wollte zm einem seligen Heimgange, hat ihn durch herbe, schwere Trübsale geläutert im Ofen des Elends. Die Aufregungen und schweren Trübsale des Jahres 1868, die noch tief in das folgende Jahr hineinragten, hatte unserem lieben Vater Knak seine getreue Gehülfin Mathilde noch tragen helfen. Das folgende Jahr 1869 hat auch sie von seiner Seite gerissen. Es gingen überaus schmerzliche Tags dem Scheiden voran. Der HErr hatte einen Schleier über ihr Geistesleben gedeckt, so daß sie zeitweise schreckliche Stunden erlebte. Aber durch die zeitweiligen Verdunkelungen brach immer wieder ihr lebendiger Glaube in voller Klarheit siegreich hindurch, und Liebe hat sie umgeben in ihren dunklen Stunden, von den Nahestehendem und von den Fernen. Auguste A., die alte treue Magd, die im: Wusterwitzer Pfarrhause treu gedient hatte, die vor neunzehn Jahren mit nach Berlin gezogen und dann nach Pommern verheirathet war,, eilte, als sie von der Krankheit der lieben Mutter hörte, auf deren eigenen Wunsch zu ihrer Pflege sofort herbei: Und Pastor Wedepohl aus Exter, der eben zur Jahresfestpredigt für Bethesda ge-

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Doch er ertrug so still und sanft ihr Höhnen Und denkt: wenn sie von meiner Sonne wüßten,

Sie würden Alle doch, gleich mir zu Christen —

Und predigt ihnen seines HErrn Versöhnen.

Er ist zu seiner Sonne heimgegangen,

Und die steht still, — wird niemals untergehen,—

Er wird in ihrem Glanze ewig prangen!

Und aller Spott der Welt, ihr Droh'n, ihr Schirmherr An seiner schönen Himmelskrone hangen Jetzt als Juwelen, kostbar anzusehen.

52.

Ein harter Schlag.

Der HErr, welcher seinen lieben Knecht zubereiten wollte zir einem seligen Heimgange, hat ihn durch herbe, schwere Trübsale geläutert im Ofen des Elends. Die Aufregungen und schweren Trübsale des Jahres 1868, die noch tief in das folgende Jahr hineinragten, hatte unserem lieben Vater Knak seine getreue Gehülfin Mathilde noch tragen helfen. Das folgende Jahr t869 hat auch-sie von seiner Seite gerissen. Es gingen überaus schmerzliche Tage dem Scheiden voran. Der HErr hatte einen Schleier über ihr Geistesleben gedeckt, so daß sie zeitweise schreckliche Stunden erlebte. Aber durch die zeitweiligen Verdunkelungen brach immer wieder ihr-lebendiger Glaube in voller Klarheit siegreich hindurch, und Liebe hat sie umgeben in ihren dunklen Stunden, von den Nahestehenden, und von den Fernen. Auguste A., die alte treue Magd, die inr Wusterwitzer Pfarrhause treu gedient hatte, die vor neunzehn Jahren mit nach Berlin gezogen und dann nach Pommern verheirathet war,, eilte, als sie von der Krankheit der lieben Mutter hörte, auf deren eigenen Wunsch zu ihrer Pflege sofort herbei: Und Pastor Wede-pohl aus Exter, der eben zur Jahressestpredigt für Bethesda gekommen war, und der ihrem Herzen sehr nahe stand, hat ihr den letzten Liebesdienst erweisen dürfen, als der Arzt das schreckliche Gebot erließ, daß die nächsten Ihrigen sie nicht sehen dürften. "Nun muß ich Ruhe haben," das war das letzte Wort, das We-depohl aus ihrem Munde hörte. Später mußte sie in eine Anstalt in der Nähe von Berlin gebracht werden. Dort ist sie am 21. Nov. 1869, als am Todtenfesttage, sanft und selig heimgegangen.

Als Knaks Freunde von diesem Verlust hörten, war die allgemeine Rede: Wie wird er das ertragen können? Er war mit der seligen Heimgegangenen so völlig Eins gewesen, daß Niemand es sich denken konnte, wie er ohne sie werde leben können. Aber auch in dieser neuen größeren Trübsal erfüllte der HErr an ihm das Wort: "In dem allen überwinden wir weit." Der Herausgeber durfte in jenen Tagen oft bei ihm sein. Da habe ich einen tiefen Blick in sein innerstes in Christo rnhendes Herz thnn dürfen und eine Thatpredigt empfangen von der Liebe, die stärker ist als der Tod, und von dem Glauben, der die Welt mit all' ihrem Schmerz überwindet. Knaks Herz blutete, seine Seele war durchschnitten, aber seine Freude im HErrn konnte nicht getrübt werden. Er sang der theuren Verewigten nach:

Sie ist entflohn, die treue Magd des HErrn,

Gleichwie das Täublein vor des Wetters Blitzen Sich birget in der Felsenhöhle Ritzen —

So flog sie auf zu ihrem "Morgenstern."

Offb.Joh.22,16.

Von JEsu Liebe war ihr Herz erfüllt,

Seitdem Er sie — seitdem sie Ihn gefunden Und in der Freistatt Seiner Heilgen Wunden Der Sünde Weh und bittre Pein gestillt.

In des erwürgten Gotteslammes Blut Wusch sie die Kleider täglich, stündlich Helle Und schöpft' aus seines Wortes reicher Quelle Mit Hcilsbegierde neue Kraft und Muth.

Sie folgte still und ernst dem Lamme nach Und suchte Seinem Bilde gleich zu werden;

Gekreuzigt war sie allem Tand auf Erden Und trug mit Freuden Jesu schöne Schmach.

Arbeit und Dienen war ihr Element,

Sich selbst vergaß sie gern um Andrer willen;

Und wo es galt, ein fremdes Leid zu stillen,

Da sah man sie in Eifersgluth entbrennt.

Des Heilands Ehre war ihr höchstes Ziel,

Und Seines Reiches Bau ihr stetes Sehnen,

Der blinden Welt gedachte sie mit Thränen,

Und heißen Thränen — denn sie liebte viel.

Von mir und meinen Kindern schweigt der Mund,

Denn ihre Sorg' um uns und Liebesmühe,

Ihr opferfreudig Walten spät und frühe Vermag die Lippe nicht zu machen kund.

Wir schau'n ihr nach mit heißem, tiefem Schmerz —

Doch weil wir wissen, daß sie heimgegangen,

Den Lebensfürsten ewig zu umfangen,

So stillt an ihrem Glück sich unser Herz.

ICor. 13,5. Die Liebe suchet nicht das Ihre, sondern: was des Andern ist; ein Lieblingsspruch der Entschlafenen.)

Wir danken Dir, o großer Gottes-Sohn!

Für Alles, was Du uns in ihr gegeben,

Und bitten Dich, Du allerliebstes Lieben:

Hilf uns, sie Wiedersehn vor Deinem Thron!

An einem der nächsten Sonntage, am 4. Advent, sollte Knak über die Epistel predigen: Freuet euch im HErrn allewege! Wie er sich in den Text versenkte, gedachte er, daß der Zeitpunkt gekommen sei, wo er wieder seine Gurrende an die Freunde von Bethesda ausgehen lassen mußte. Seine Meditation wurde zum Brief an seine Freunde, den wir hier folgen lassen. Derselbe ist Zugleich ein Beispiel von der Art und Weise, wie er sich meditirend auf seine Predigt vorzubereiten pflegte.

Berlin, 19. Dezbr. 1869. Theurer, im HErrn geliebter Bruder!

Mein Herz ist sehr bewegt, zürne nicht, wenn ich's ein wenig ausschütte in das Deine. Heute ist der vierte Sonntag des Advent, und die heutige Epistel beginnt, wie Du weißt, mit den Worten: Freuet euch ln dem HErrn allewege und abermals sage ich: Freuet euch!

lieber diesen Text soll ich heute Abend predigen in dem Namen des HErrn-Mir ist bange, ob ich's werde vermögen in meiner gegenwärtigen Lage,, und ob auch ich jenen gnädigen Befehl des heiligen Geistes wirklich auf mich beziehen und mir zueignen darf. Der Trauerrand, der den beifolgenden neunzehnten Jahresbericht umschließt, zeigt Dir an, daß wieder eins von den Mitgliedern des Frauenmissionsvereins für China aus der Zeit in die Ewigkeit abgerufen worden ist. Aber weißt Du auch schon, wer die Heimgegangene ist und wie sie heißet? — O — mir zittert das Herz beim Niederschreiben — es ist ja mein unaussprechlich geliebtes Weib,, es ist meine Herzens-Mathilde, die Ehre und Krone meines HauseS, die mir seit den fünfunddreißig Jahren unseres glückseligen Ehestandes allezeit wie ein Engel Gottes zur Seite gestanden, mit der zärtlichsten, aufopferndsten Liebe und Treue für mich gesorgt, im Weinberge des HErrn mit mir zusammen gearbeitet und, trotz aller ihrer anderweitigen Berufsgeschäfte, als Mutter und Hausfrau, doch des HErrn Reichssache, die innere und äußere Mission, für ihren Hauptberuf erachtete und das geliebte Bethesda von Anfang an, seit neunzehn Jahren, auf ihrem treuen, mütterlichen, betenden Herzen trug,— diese meine kostbare, heißgeliebte Ehefrau und Gehülfin in Freud und Leid, mit der ich ganz Einswar in allen Stücken, hat der herrliche Gnadenkönig, deß Name heißet "Wunderbar," nach kurzem, aber schwerem Kranksein wie im Sturmwind von hinnen genommen; und, als mein erschrockenes, bebendes Herz und meine heißen Thränen Ihn fragten: O HErr! — warum? da hat Er mich ernst und mitleidsvoll angesehen und mir leise ins Ohr gerufen: "Was ich jetzt thue, das weißt du nicht, du wirst es aber hernach erfahren." Nun komme ich mir vor, wie ein einsamer Vogel auf dem Dache, und meine vier Kinder fühlen sich gleich mir verwaist und weinen und sind erschrocken vor der heiligen Majestät des HErrn, dessen Weg in tiefen Wassern ist, daß man oft Seinen Fuß nicht sehen kann. Und ich armes Würmlein soll nun dennoch heute predigen: Freuet euch in dem HErrn allewege und abermals sage ich: Freuet euch!? O, lieber Bruder! wie viel neue und tiefere Blicke thue ich doch jetzt in das Wort des HErrn, und wie muß ich es mit Schaam bekennen, daß all mein Wissen nur noch Stückwerk ist und ich erst wie ein Anfänger bin in der Schule des werthen heiligen Geistes! —- Aber was ist zu machen, wenn der HErr doch befiehlt: "Predige!"? Ich seufze aus der Tiefe: "HErr, öffne mir die Augen, daß ich sehe die Wunder an Deinem Gesetz!" — Ist es denn aber mögliche am Grabe eines solchen Weibes stehend, und mitten im Gefühl des tiefsten und schmerzlichsten Verlustes, nicht nur Anderen von Gottes wegen zn sagen: "Freuet euch in dem HErrn allewege!" sondern sich auch von ganzem Herzen mit zu freuen im Gehorsam gegen den wunderbaren HErrn? — Bei Menschen ist's unmöglich, das weiß ich; aber es stehet geschrieben: "Alle Dinge find möglich bei Gott." Und daß Er Alles», was Er von uns Elenden fordert, auch in ihnen wirken kann und will».

Has habe ich in dieser Zeit der Thränen durch Sein Erbarmen ja auch schon seliglich erfahren dürfen, lieber Bruder! Denn Er hat Seine, auch für mich durchbohrte Jesushand auf mein blutendes Herz gelegt und mich getröstet, wie Einen seine Mutter tröstet. Und Er zeigt mir im Geiste auch etwas von der über alle Maßen wichtigen Herrlichkeit, zu der Seine Gnade mein unvergeßliches Weib geführet hat. Er erinnert mich auch jetzt wieder an den Lieblingsspruch der Vollendeten, der ihr ganzes Leben wie mit einem Worte charakterisirt: "Die Liebe suchet nicht das Ihre, sondern das, was des Andern ist." Nun siehe, lieber Bruder! da lerne ich mich unter Thränen freuen in dem HErrn, der durch Seine gnadenreiche Geburt und durch Seinen Tod dem Tode die Macht genommen, das Paradies uns Verlornen wieder geöffnet und, kraft Seines theuren Verdienstes, ja nun auch die Heimgegangene Vielgeliebte, die mir "viel «dler war, als die köstlichsten Perlen" jSpr. Sal. 31), mit der weißen Seide der Heiligen, die vor Seinem Stuhle stehen, aufs Herrlichste geschmücket, die Palme des ewigen Friedens ihr gereichet, mit der unvergänglichen Krone des Lebens ihr verklärtes Haupt geschmückt und das "neue Lied" in ihren Mund gegeben hat; ja, ich lerne mich in dem HErrn freuen über ihr grenzenloses ewiges Glück, welches meine Liebe ihr ja gönnen muß und durch des HErrn Gnade auch von ganzem Herzen gönnen will bei all der tiefen Wehmuth, die mein Herz durchzieht, so oft ich ihrer gedenke. Und wenn ich dann auf mich selbst blicke und Er es mir schenkt, daß ich sagen darf: "HErr, ich bin Beides, Dein Pilgrim und Dein Bürger"— und Er lehrt mich singen: Der HErr ist mein Hirte — mir wird nichts mangeln — und "ob ich schon wandern muß im finstern Thale, so fürchte ich doch kein Unglück, denn Du bist bei mir;" ja, wenn Er mich in großem Erbarmen an Sein treues Herz nimmt und mich mit seinen holdseligen Lippen dessen gewiß macht, daß Er mich also gezüchtiget hat, weil Er mich armen Sünder lieb hat und mich gestäupet, auf daß ich "Seine Heiligung erlangen" und auf daß aus dieser Trübsal eine "friedsame Frucht der Gerechtigkeit" für mich und die Meinen erwachsen möge, und Er uns einst auch zu Sich "aufnehmen" könne — o dann lerne ich das Wörtlein "allewege" in der Advents-epistel je länger desto besser verstehen; ich darf mich freuen, daß der himmlische Freudenmeister auch mir "nahe ist," denn Seine Jesuslindigkeit erquickt, wie dort nach dem Sturm und Erdbeben, "das stille sanfte Säuseln," wobei Elias sein Antlitz verhüllen mußte, mein armes gebeugtes Herz und zerschmelzet es, daß es auch gern möchte lind und hold werden gegen alle Menschen; und alle die andern köstlichen Befehle der heiligen Epistel werden mir zu lauter Balsamstropfen aus der Hand meines himmlischen Aaron. Ich soll nichts sorgen, so befiehlt der herrliche Fürst des Lebens auch mir Armen; Er Selbst will für mich und meine Kinder sorgen, Er Selbst will die große Lücke ausfüllen — ich soll nur voll kindlichen Vertrauens mein Herz allezeit vor Ihm ausschütten in Bitte,

Gebet und Flehen mit Danksagung. Ach und wenn Sein Friede,, der das verklagende Gewissen tröstet und stillt, im Blute des Lammes in mir wohnt und mich vor allen Stürmen und Anläufen des Feindes beschützet und in Christo Jesu bewahret, sollte ich mich dann nicht auch freuen dürfen allewege in Ihm, der meines Lebens Leben und meine Sonne und Krone sein und bleiben will? — O mir ist so still und froh zu Muthe geworden bei diesem Herzausschütten gegen Dich, lieber Bruder! und ich hoffe, ich kann nun dennoch heute, wenn auch nur in Schwachheit, aber getrösteten Herzens, über die heutige Epistel predigen. Bitte, vergiß meiner nicht, sondern gedenke mein recht oft, wenn Du des HErrn Antlitz suchst. Ach und nicht wahr, das liebe Bethesda auf Hongkong, welches gleichsam der Augapfel meines seligen Weibes war — das wirst Du auch nicht vergessen, sondern dieses Pflanzgärtlein barmherziger Samariterliebe auch ferner mit Deiner treuen Fürbitte begießen und pflegen helfen und auch Deine Liebesscherflein demselben nicht entziehen? Grüße alle dortigen theuren Missionsfreunde und alle fröhlichen Geber und Beter in Deiner lieben Gemeine und danke ihnen aufs Wärmste von meinetwegen für alle mir und dem lieben Bethesda bisher erwiesene Liebestheilnahme. Jesus aber, der gesagt hat: "Was ihr gethan habt einem unter diesen Meinen geringsten Brüdern, das habt ihr Mir gethan," segne Dich und-die Deinen und sei Selbst Euer Schild und sehr großer Lohn!

In treuer Liebe Dein

der Fürbitte sehr bedürftiger Bruder G. Knak.

Als er darnach auf die Kanzel trat, bekannte er seiner Gemeinde, daß er mit dem theuern, werthen heiligen Geist heiß habe ringen müssen, damit dieser ihn tröste und ihm Freudigkeit schenke. Nun aber sei es ihm gewiß geworden, daß der heilige Geist ihn erhört und ihm erlaubt habe, über diesen Text zu predigen. Und dann hielt er die Predigt, die Vielen unvergeßlich geblieben ist.

Er selbst ging in sein einsames Stüblein zurück und schrieb an seine Kinder: "O meine Kinder! Unsere Liebe soll von der seligen Mutter lernen, nicht das Unsere zu suchen, sondern was der Anderen ist, und die Größe unseres Verlustes hintenanzustelleu gegenüber ihrem grenzenlosen Glück. Manchmal geht es mir wie ein Schwert durch die Seele, daß ich sie nicht mehr haben, nicht mehr Alles mit ihr berathen und durchsprechen kann — und dann möchte ich laut aufschreien;- aber der allermitleidigste Hohepriester legt dann gleich wieder Seine Gnadenhand auf mein blutendes, weinendes Herz und macht es still, und ich lerne, was es heißt: "Laß dir an Meiner Gnade genügen!"

Viel, viel liebe Trostbriefe empfing er von seinen Freunden. Auf einen derselben, von seinem lieben Moritz Görcke, antwortete er unterm 28. Dez. 1869:

Berlin, 28. Dezbr. 1869.

Mein allertheuerster Moritz!

Endlich, endlich muß ich Dir doch einige Zeilen senden als Antwort auf Deinen lieben Trostbrief, damit Du und Deine herzliebste Auguste erfahrt, wie es uns in unserer Einsamkeit ergeht. Am liebsten wäre ich schon längst zu Euch geeilt, und wenn es ginge, setzte ich mich noch heute auf, um mich an Euer treues Herz zu legen und mit Euch zu weinen und zu beten und über die wunderbaren Erlebnisse mit der süßen Herzens-mutter mich mit Euch gründlich auszusprechen. Mir ist oft noch, als ob ich einen schweren Traum gehabt hätte, und als ob die treue Gehülfin, die alle Zeit um mich war, nur auf ein Weilchen verreist wäre und bald wiederkommen müßte. Ich frage dann im Stillen:

Wo bist du hingegangen,

Mein süßes Mütterlein?

Ich suche dich mit Bangen,

Schau' aus, und harre dein!

Aber sie kommt nicht, die heißgeliebte, und mir ist, als hörte ich sie. aus der Ferne antworten:

Der HErr hat mich gerufen Weg aus dem Thränenfeld Zu seines Thrones Stufen Ins schöne Himmelszelt.

Ich durfte nicht verweilen,

Der Wagen stand bereit,

Von hinnen mußt ich eilen,

Zum Abschied war nicht Zeit.

Ich ruh an Jesu Herzen In Seiner Gnade Schooß,

Weiß nichts von Leid und Schmerzen;

Mein Glück ist grenzenlos.

O gönne mir die Wonne Im sel'gen Paradies,

Der HErr bleibt deine Sonne,

Ob ich auch dich verließ.

Es wird nicht lang mehr währen,

Halt noch ein wenig aus,

So ruft der HErr der Ehren Auch dich ins Vaterhaus.

Dann singen wir zusammen Mit aller Himmel Heer In ew'ger Liebe Flammen Dem Lamme Preis und Ehr.

Dann werde ich ganz stille und freue mich mit Thränen, daß sie so sehr selig ist, und daß ihr Gott auch mein Gott ist und ich sein Pilgrim und sein Bürger. Nun ja, ich will's ihr von ganzem Herzen gönnen, der kostbaren heißgeliebten Gehülfin, deren Liebe nicht das Ihre, sondern nur immer das gesucht hat, was des Andern war. Ich will's ihr gönnen, daß sie ruht von ihrer Arbeit und den herrlichen Gnadenkönig schaut in Seiner-Schöne. Aber das Herz blutet mir doch im Stillen fort, — es ist mir manchmal, als stände ich nur noch mit einem Fuße auf der Erde. Der HErr nimmt mich ernstlich in seine heilige Schule und unterweiset mich, daß ich die großen Sprüche: "Laß dir an meiner Gnade genügen — und "wenn ich nur Dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde" —, verstehen lerne. Bittet viel für mich, Ihr theuren Herzen, daß ich den treuen Heiland auch in diesem großen Leiden und beim Trinken dieses bittersten Kelches preisen möge als Sein Knecht und Botschafter. Ich hoffe zu Seiner großen Erbarmung, Er wird aus der großen Trübsal auch für mich und alle meine Lieben eine große und friedsame Frucht der Gerechtigkeit erwachsen lassen. Den Nachruf im Jahresbericht hat Br. Wangemann verfaßt, der sich meiner mit der zärtlichsten Liebe angenommen hat und mich zu trösten gesucht, wie einen seine Mutter tröstet. Wie habe ich am Begräbnißtage nach Dir ausgeschaut, Du allerliebster Br. Moritz. Hoffentlich führt uns der getreue HErr in den nächsten Jahren wieder einmal zusammen,— dann will ich Dir alles erzählen. Tausend Dank, du liebste Schwester Auguste für Deine tröstlichen Zeilen. Ich küsse Euch im Geiste in zärtlichster Liebe.

Aber, so wie er von Freunden getröstet wurde, so hat er unter dem Trost des HErrn auch andere Leidtragende trösten gelernt. Das beurkundet der nachstehende Trostbrief, den er inmitten seines Schmerzes an eine Freundin, Frau v. Katzeler schrieb, welcher der HErr den theuren Ehegatten von der Seite gerufen hatte.

Berlin, 14. Dezbr. 1869.

"Wer sind diese in weißen Kleidern und woher sind sie gekommen? —

Diese sind es, die gekommen sind aus großer Trübsal und haben ihre Kleider Helle gemacht im Blute des Lammes. Darum sind sie vor

Lein Stuhle Gottes und dienen Ihm Tag und Nacht in Seinem Tempel. And der auf dem Stuhle sitzt, wird über ihnen wohnen. Sie wird nicht wehr hungern noch dürsten; es wird auch nicht auf sie fallen die Sonne oder irgend eine Hitze. Denn das Lamm mitten im Stuhl wird sie weiden und leiten zu den lebendigen Wasserbrunnen, und Gott wird abwischen alle Thränen von ihren Augen" (Off. 7,13—17).

Geliebte theure Freundin in dem HErrn!

Als ein, gleich Ihnen, von der Hand des allermitleidigsten Hohenpriesters verwundeter und schwer heimgesuchter Freund komme ich und klopfe leise an Ihre Thür. "Du speisest uns mit Thränenbrod und tränkest uns mit großem Maß voll Thränen," — singe ich im Staube liegend mit Ihnen; — aber gerade daß Er eS ist, der den Kittern Kelch darreicht und das Thränenbrod bricht, und durch Sein wunderbares Walten beides zur Nahrung für den inwendigen Menschen segnen will, ist süßer Trost und Balsam für das blutende Herz. Seine Gnadenhand will aus der großen Trübsal, die Er über uns hat kommen lasten, uns und allen unseren Lieben eine friedsame Frucht der Gerechtigkeit erwachsen lassen. Das weiß ich, das wissen auch Sie. Darum lasten Sie uns unter Thränen die Hand unseres besten Freundes küssen und ihr stille halten, daß Er mit unS mache, was Ihm gefällt als der himmlische Schmelzer, der die Seinen .auserwählt macht im Ofen des Elendes. "Ich will euch nicht Waisen lassen! ruft Er Ihnen und mir mit holdseligen Lippen zu, — Ich komme zu euch." Unser Verlust ist menschlich geredet, unersetzlich und die Lücke, die dadurch entstanden, unausfüllbar. Aber Jesus kann sie überschwänglich ausfüllen und befiehlt in Seinem Erbarmen: "Laß dir an Meiner Gnade genügen!" Jetzt sollen wir lernen, was im 23.Psalm steht: "Der HErr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln." Jetzt sollen wir lernen mit Assaph sprechen: "Wenn ich nur Dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde." O ich bin noch ein recht armer ABC-Schüler;— aber ich flehe zu meinem Gott: HErr, lehre es mich, daß ich meinen Augen Deine Wege lasse wohl gefallen. Und wenn wir auf die Heimgegangenen blicken — möchten wir sie zurückrufen ip dies Thränen-und Mesechsland, in diese Kedarshütten hier unten, wieder hinein in die Stürme und Anfechtungen und Versuchungen der irdischen Pilgrimschaft? O nein, so unaussprechlich theuer sie uns sind, so schmerzlich auch unsere Herzen bluten an ihren Gräbern — wir gönnen Ihnen gerade, weil wir sie so lieben, ihr grenzenloses Glück in Jesu Schooß, die selige Ruhe im Anschauen Seiner Gnadenmajestät, die Theilnahme an Seiner Herrlichkeit und das ungetrübte Gnadensonnenlicht am gläsernen Meere. Meiner seligen Mathilde Lieblingsspruch, womit sie viele Trauernde getröstet hat, klingt mir fast unablässig vor den Ohren: "Die Liebe sucht nicht das Ihre, sondern was des Andern ist;" und dann muß ich stille sein; denn sie hat überwunden durch des Lammes Blut, und dient Ihm ganz ungehindert in Seinem Tempel und spielt auf der goldnen Harfe und singt mit das neue Lied. So wollen wir uns mit einander trösten und immer brünstiger rufen lernen mit dem Geist und der Braut: Komm, Herr Jesu! Friede sei mit Ihnen, theuerste Freundin! und Freude im heiligen Geist allewege! Segen und Gnade ergieße sich über Sie und alle Ihre Lieben reichlich von Ihm, der da heißt: Der Trost Israels!

In Ihm fest verbunden Ihr Freund

G. Knak.

Der erste Monat des folgenden Jahres brachte zwei Beileidsschreiben von zwei Königinnen - Wittwen, der Königin Elisabeth von Preußen und der Königin Marie von Baiern, deren köstlicher Inhalt ein Zeugniß ist für die hohe Achtung und Liebe, die Knak bei beiden genoß.

Die Königin Elisabeth schreibt unter dem 6. Jan. 1870:

Ich habe aus Ihrem Schreiben vom 26. v. M., von dessen Anlage ich mit gewohntem Interesse Kenntniß genommen, mit aufrichtiger Betrüb-niß erfahren, daß Ihre gute Frau dahin geschieden ist, und spreche Ihnen meine herzlichste Theilnahme an dem schweren Verluste, den Sie erlitten haben, aus. Möge Gott der HErr, den Sie wie Wenige treu und furchtlos stets bekannt haben, Sie mit Seinem Tröste stärken und Sie Linderung Ihres Schmerzes in dem Gedanken finden lassen, daß die Entschlafene nach so vieler Mühe ihres bewegten und dem Wohl und Heil Anderer stets gewidmet gewesenen Lebens bei ihrem HErrn und Heilande Ruhe gefunden hat.

Mit der Versicherung der unveränderten Fortdauer Meiner besonderen Wertschätzung verbleibe ich

Ihre wohlgeneigte

Elisabeth.

Die Königin-Mutter von Bayern schreibt eigenhändig:

München, 17. Jan. 1870.

Mein lieber Herr Pastor!

Von ganzem Herzen fühle ich den schweren unersetzlichen Verlust mit Ihnen, den Sie an ihrer theuren Lebensgefährtin und Mitarbeiterin, im Weinberge des HErrn erlitten haben; ich danke innig, daß Sie auch, meiner dabei gedachten und es mir schrieben. Sie wissen, daß ich tief mitfühlen kann, was durch Ihre Seele zieht; aber Gottlob auch mit danken^ denn sie ist wohl geborgen und ruht nun ewig selig in des treuen HErrn Armen, den sie hier treu bekannt hat und an dem ihre Seele hing.

Gott schenke uns aus Gnaden auch einst diese Seligkeit, und hier erhalte Er uns Sein Erbarmen und Seine Gnade! Was Sie einlegten über ihren Tod, that mir so wohl zu lesen, ja wir können uns allewege freuen, in Ihm möchten wir es so thun, wie Er es uns schenkt! Für den Jahresbericht über China danke ich auch herzlich; wie schön, daß Ihre liebe selige Frau dieses so auf ihrem Herzen trug. Ich freue mich, ihn zu lesen. Wie freute ich mich, Ihren Sohn im vorigen Jahre in Kreppelhof kennen zu lernen und in ihm Ihre Gesinnungen zu finden! Nochmals tausend Dank für Ihre Liebe, mir Alles das mitgetheilt zu haben; wenn auch, seit ich Sie kennen lernte, wohl kein Tag verging, an dem ich Sie nicht betend an Gottes Herz gelegt hätte, so geschieht das doch nun um so brünstiger. Er tröste Sie, wie Einen seine Mutier tröstet, und segne Sie in dieser Trübsal mit Gnade und Frieden! Beten Sie aber, bitte auch für mich; Sie wissen nun, was eine arme Wittwe bedarf, aber auch, wie reich sie ist schon durch die den Wittwen gegebene Verheißung!

In treuer betender Liebe und Freundschaft

Ihre

Marie, Königin-Mutter von Bayern.

Nach dem Heimgange der Theuren übernahm die jüngste Tochter von Knak, Elisabeth, feine Haustaube, wie er sie zu nennen pflegte, die Führung des Hauswesens und die Pflege des einsamen Wittwers. Er war ihr so dankbar, und es war ein so tief innerliches Band zwischen Beiden. Seine Mathilde aber lebte mit ihm fort. Das bezeugt uns ein Brief, den er am 13. Juli 1870, am Tage nach seinem Geburtstag, von Dünnow aus an seinen Karl schrieb:

Mein trautester Karl!

Das war gestern ein stiller, wehmüthiger Thränen- und Dankestag unter den geliebten Kindern. Ich stand früh auf, um ganz allein mit dem HErrn zu sein und Jesu mein Herz auszuschütten.

Er trat mir sehr nahe, beugte und beschämte mich; aber Er ließ auch Seinen seligen Gnadenstrahl in mein blutendes Herz hineinfallen und mich einen Blick in die ewigen Hütten thun, wo das Glaubensauge die Heißgeliebte unter des Paradieses Bäumen und am gläsernen Meer sah. Da mischte sich auch der heiße Dank in die heißen Thränen, und die durch-grabene Hand des mitleidigen Hohenpriesters segnete mich. Habe Dank für die aus Deinen lieben Zeilen fließenden Balsamstropfen, Du getreues Herz! Es sind noch von verschiedenen Seiten ähnliche Tropfen mir gestern zugeflossen; der Heiland wolle alle die theuren Spender mit himmlischen Gütern erquicken.

27*

Den ersten Jahrestag des Todes seiner Mathilde feierte er mit dem Gedicht:

Lin' edle Uerle.

Spr.31,10. Hes.24,16.

Ich halt' ein' edle Perle Von unschätzbarem Werth,

Die JEsus mir in Gnaden Zur Augenlust bescheert.

Vom Morgen bis zum Abend Erquickte mich ihr Licht,

Sie nahm's aus Jesu Herzen,

Von JEsu Angesicht.

Wie war sie mir so köstlich,

Wie liebt' ich sie so sehr —

Doch ach, ich sag's mit Weinen,

Ich habe sie nicht mehr.

Er, der sie mir gegeben,

Hat sie hinweggerückt,

Und dort mit ihr auf ewig Sein Diadem geschmückt.

Wer wird mich aber trösten In meinem tiefen Schmerz?

Das mußt Du thun, HErr JEsu,

Dir werf' ich mich ans Herz.

53.

Die Kriegsjahre.

Hat Knak, der Friedensprediger, denn seine Wirksamkeit auch auf den Krieg ausgedehnt?, wird mancher fragen, wenn er die Ueberschrift dieses Kapitels liest, und er wird staunen, wenn er das Kapitel selbst liest, über die wunderbare Weise, wie der HErr ihn zum Mittel gebraucht hat, um das Wort Gottes auch den französischen Gefangenen zuführen zu helfen.


421-435

Wenn schon im Jahre 1866 in dem Jahre des österreichischen Krieges Knak mit einer kleinen Schaar täglich zu bestimmter Zeit zum Gebet sich vereinigte» so that er dies im Jahre 1870 in noch viel ausgedehnterer Weise. Er schreibt darüber in einem Brief an seinen Sohn Johannes, den Pastor, und dessen Frau folgendes:

Berlin, 23. Aug. 1870.

Auf dem Schlachtfelde hält der Tod auf beiden Seiten große blutige Ernte; auch die Siege, die der HErr uns aus Gnaden schenkt, werden Gerichte, wenn man die Opfer erwägt, die der Krieg kostet, und die vielen tausend Thränen, die er auspreßt. Möchte die erschütternde Güte deS HErrn unser Volk in den Staub werfen, damit Seine Gnade sich nicht doch zuletzt in feuerbrennenden Zorn verwandeln muß. Ich habe es gewagt, eine verschleierte und verborgene Schaar zu suchen, die sich verbände, Tag und Nacht zu dem HErrn zu rufen, so daß keine Tages- und Nachtstunde sei, wo nicht an Seine Thür geklopft würde. Der HErr hat es gelingen lassen, und ich hoffe, Ihr Beide gliedert Euch auch mit ein in diese Gebetskette und werdet Eins vor dem HErrn in dieser ernsten, gewaltigen Zeit; vielleicht paßt Euch die Zeit zwischen zwei und drei Uhr Nachmittags, die sich Elisabeth gewählt hat, oder auch irgend eine andere, denn die vierundzwanzig Stunden sind schon alle besetzt; ich wünschte aber, daß sie zweifach oder dreifach besetzt werden möchten. Ich schicke Euch einige Exemplare von beiliegendem Blatt, welches ich zusammengestellt habe, besonders auch, um diejenigen Punkte anzudeuten, die wir insbesondere jetzt dem HErrn an das Herz zu legen haben.

Im Dezember desselben Jahres trat Knak zu mir (dem Herausgeber dieser Biographie) in mein Zimmer im Missionshause, zu seiner Seite ein lieber französischer Geistlicher, Dupraz aus Lausanne, den er eben kennen gelernt hatte und mir zuführen wollte. Meine so übermäßig besetzte Zeit gestattete mir nicht, die neue Bekanntschaft zu pflegen, so lieb auch der Eindruck war, den ich empfing. Hernach hörte ich von Knak, daß er mit innigster Liebe und Verehrung den jungen Bruder ansah, und namentlich als er von ihm hörte, daß er täglich drei Stunden in seiner Gemeinde Hausbesuche mache, und kein Haus verlasse, ohne in demselben einen Abschnitt aus der heiligen Schrift gelesen und die Kniee zum Gebet gebeugt zu haben, kam er, der alte erprobte, Knecht Gottes, sich klein vor gegenüber diesem jungen Manne, der etwas geleistet, was er nicht erreicht habe. Aber welche wesentliche Dienste und Opfer er ihm gebracht hat, und welchen Dank er von ihm geerntet hat, das habe ich nie aus Knaks eigenem Munde gehört, das hat mir der theure Pastor Dupraz, als ich aus dritter Hand davon erfuhr, auf meine Bitte selbst ausgeschrieben, und ich werde, aus seinen höchst merkwürdigen Mittheilungen einen Auszug machend, ihn selbst sprechen lassen:

"Als der Krieg von 1870 noch wüthete, faßte der Vorstand der freien Kirche in Lausanne den Entschluß, einen ihrer Geistlichen nach Deutschland zu entsenden, um den französischen Gefangenen mit Gottes Wort zu dienen. Die Wahl fiel auf mich. In den' ersten Tagen des November reiste ich ab, kam in Basel an, hörte aber hier von so unüberwindlichen Schwierigkeiten, die meinem Vorhaben im Wege ständen, daß ich sofort umkehrte und in Lausanne wieder anlangte. Inzwischen hatte sich in Genf eine Gesellschaft zur Evangelisation der französischen Gefangenen gebildet, deren Wahl abermals auf mich fiel. Als ich die Nachricht erhielt, war ich entschlossen zu gehen, mein Gewissen schlug mich ohnehin, daß ich das erste Mal umgekehrt sei. Am 2.Dez. machteich mich auf den Weg. Unterwegs wollte es mir scheinen, als ob ich ein wenig auf Gerathewohl gereist sei. Wußte ich doch nicht einmal, an wen mich zu wenden, wo anfangen; andere Bedenken kamen hinzu: Wist du auch der geeignete Mann, um von Lazareth zu Lazareth die Kranken zu besuchen, um von Kaserne zu Kaserne den ungläubigen Soldaten das Evangelium nachzutragen, die über dich spotten werden?' Am 6.Dez. kam ich nach Frankfurt. Der treffliche Consistorialrath Bonnet nahm mich warm und herzlich auf. aber verbarg mir nicht, daß unter den gegenwärtigen Umständen ich bei der Ausführung meines Vorhabens auf die größten Schwierigkeiten stoßen würde. Der Bischof Mermillod hatte soeben eine Broschüre erlassen voll Klagen über die protestantische Propaganda, die unter den französischen Soldaten betrieben werde. Damals war noch kein Culturkampf, die preußische Regierung legte besonderen Werth auf ein gutes Verhältniß mit der katholischen Kirche, sah sich also durch die Broschüre des Bischof Mermillod zu großer Vorsicht veranlaßt. Ich kam nach Erfurt, wurde dort von dem Feldkaplan Gebser sehr freundlich ausgenommen und beim General won Michaelis eingeführt, einem alten Soldaten, der seinem himmlischen und seinem irdischen Könige treu ist, und dem man nicht ohne das Gefühl der Ehrfurcht nahen kann. <1>) Aber ach, er sagte mir: Es hat nicht den Anschein, daß Sie Ihr Ziel werden erreichen können. Gestern noch hätte ich Sie zu den Gefangenen führen können, heute kann ich es nicht mehr. Ein Ministerialrescript verbietet durchaus jedem Fremden den Eintritt in die Lazarethe und die Lager der Gefangenen. Mein Entschluß war bald gefaßt: "Ich werde von dem übel unterrichteten Mnister an den besser unterrichteten appelliren!"— Der General schüttelte mit dem Kopfe.

        <1>s Es war derselbe Herr von Michaelis, der, wie wir oben berichteten, als Lieutenant zu dem Kandidat Knak in Berlin in so enger Beziehung stand.

Endlich komme ich in der großen Stadt Berlin an. Ich werfe mich in eine Droschke und fahre nach dem Victoria-Hotel. Dort angekommen und etwas erholt von der Nachtkälte, überlege ich meine Lage etwas näher. Ich bin in einer ungeheuren fremden Stadt, in der ich keine Seele kenne, und will um eine Erlaubniß bitten, die ausdrücklich jedem Fremden versagt worden ist. Nach menschlichen Gedanken war es eine Thorheit, das fühlte ich sehr lebhaft. Ich fiel auf meine Kniee und betete — so brünstig, als ich seit meiner Bekehrung nicht gebetet hatte. Als ich aufstand, schien es mir, als hörte ich die Worte: "Fürchte dich nicht, Ich bin bei dir, Ich werde dich leiten."— Aber wie? Davon hatte jch keine Ahnung. Ich ging aus und betete im Stillen: HErr, sei Du mein Führer!

Jch komme durch die Linden in die Wilhelmsstraße. Alles war mir fremd. Plötzlich bleibe ich stehen: Da ist eine Niederlage -er britischen und fremden Bibelgesellschaft. "Sicherlich, dachte ich, wohnt dort ein Bruder!" Jch trete ein, frage nach dem Namen des Direktors. Man nennt mir vr. Davies. Jch klingle; man antwortet mir: Der Herr ist ausgegangen. Jch frage nach Frau Vr. Davies, von deren Existenz ich nicht einmal wußte. Man läßt mich eintreten zu einer kranken Dame. Jch stelle mich vor im Namen des HErrn, und im Namen des HErrn werde ich willkommen geheißen. Bald tritt Herr Davies ein, und ist erstaunt, einen Unbekannten in seinem Hause zu finden. Mer der HErr hat bereits Alles vorbereitet, und die Herzen geneigt gemacht-Herr Davies nimmt mich aufs Beste auf, und ladet mich zum Abendbrod ein. Ich nehme dankbar die Einladung an.

Wie ich am Abend eintrete, fällt eine ehrwürdige Gestalt mir ins Auge, deren bloßer Anblick mir einen tiefen Eindruck macht-Es war ein Greis mit weißem Haar, dessen erster Anblick mich-an Cäsar Malan erinnerte. Man stellt ihn mir vor als Herrn Pastor Knak. Der Name war mir bekannt als ein solcher, der von der Welt viel Schmach und Spott zu erleiden gehabt habe-Jch war froh, seine persönliche Bekanntschaft zu machen. Er er-muthigte mich lebhaft, nur die Hoffnung nicht aufzugeben, und-dem HErrn zu vertrauen. Jch werde nie die schönen Stunden dieses Abends vergessen. Mit vollem Dank gegen den HErrn kehrte ich in mein Hotel zurück. Jch war nun nicht mehr einsam in dieser großen Stadt, ich hatte Brüder gefunden, und was für Brüder! Die edle Gestalt des ehrwürdigen Knak begleitete mich in meine Träume hinein.

Wir hatten verabredet, daß am andern Morgen, als an einem Sonntag, ich vr. Wichern aufsuchen und seine schätzbare Vermittlung erbitten solle. Jch kam zu ihm in unglücklicher Stunde-Einer seiner Söhne war bei Orleans schwer verwundet. Wichern sagte mir, daß schon andere französische Geistliche in gleicher Absicht wie ich nach Berlin gekommen seien; aber keiner von ihnen hätte sein Ziel erreicht. Er könne nicht glauben, daß ich, der ich gar keine Empfehlungen mitbringe, einen bessern Erfolg erzielen werde. Er könne mir nur rathen, unverzüglich in meine Heimath zurückzukehren.

Jetzt entstand ein großer Kampf in meinem Herzen. Wozu noch hier bleiben, nachdem alle Anstrengungen unnütz gewesen sind? sagte ich in meinem Kleinglauben. Ich beschloß, am folgenden Morgen, den 12. Dez., mich auf die Rückreise zu begeben. Zuvor mußte ich schicklicher Weise von Pastor Knak mich verabschieden und ihm meinen Entschluß mittheilen. Früh am Morgen in Reisekleidern klingle ich an der Thür des Pastors. Man führt mich sofort in sein Studirzimmer. Auf seinem Schreibpult lag eine große aufgeschlagene Bibel, in der er eben gelesen hatte. Man fühlte, der Mann hatte eben mit Gott geredet. Sein Erstaunen war groß, mich zu dieser frühen Stunde, wie einst Ezechiel in Reisekleidern zu sehen (Ez. 12.3). "Wie gehts, mein lieber Bruder? " sagte er. "Jch gedenke in meine Heimath zurückzukehren, noch heute, zu meiner gewohnten Arbeit, und komme, mich zu verabschieden." — Sehr ernst antwortete er mir: "Und haben Sie auch überlegt, was Sie thun wollen? Haben Sie alle möglichen Versuche erschöpft?" — Jch erzählte ihm meinen Besuch bei Wichern, und daß ich nach zehntägigen Anstrengungen heute nicht weiter wäre, als im Anfänge. Jetzt leuchtete seine Gestalt plötzlich auf. Als wenn ein Strahl aus der Höhe seine Seele durchleuchtete, streckte er den Arm nach mir aus und sprach: "Mein lieber Bruder! Sie dürfen nicht abreisen! Gott will es nicht. Wenn Sie aber gegen Seinen Willen abreisen, wird Er Ihre Arbeit daheim ungesegnet sein lassen, und Sie werden keine Ruhe finden!"

Ich glaubte die Stimme eines der alten Propheten gehört zu haben, der im Namen des HErrn zu mir redete. Jch verspürte in mir keine Kraft, ihm zu widerstehen. Jch war entwaffnet. Hierauf fiel Knak auf seine Kniee, ich kniete zu seiner Seite nieder und zu Gott stieg eins jener heißen und zuversichtlichen Gebete empor» die die Verheißung haben, und den Himmel auf die Erde herabziehen. Wie lange es gedauert hat? Jch weiß es nicht; aber mein Glaube war wiedergekehrt und ich war von neuem versichert, daß Gott wohl mir die Thür zu öffnen wissen werde.

Nachdem wir aufgestanden waren, drückte mich Knak lange Zeit an sein Herz. Dann sprach er: Wir wenden uns an Ihre Majestät die Königin Augusta; sie ist eine fromme Frau. Gott wird ihr die Mittel zeigen, uns zu helfen!


fand uns sicherlich sehr naiv. Er macht uns deutlich, daß man Ihre Majestät die Königin nicht sprechen könne, ohne von ihr befohlen zu sein, und daß wir bei ihr durch Se. Excellenz den Grafen Nesselrode zuvor müßten eingeführt sein, wir sollten uns also an diesen wenden. Wir also machen uns auf den Weg nach der Wohnung des Grafen Nesselrode. Er empfing uns höflich; er ist auch bereit, mich Ihrer Majestät vorzustellen, und veranlaßt mich, sofort einen Brief zu schreiben mit der Angabe des Zwecks meines Kommens. Er verspricht, noch an demselben Tage den Brief an seine Adresse zu übermitteln. Und nun sitze ich armer Schweizer Pastor an dem Tisch eines hochgestellten Kammerherrn und schreibe an die Gemahlin eines großen Königs, des Königs, der bald darauf deutscher Kaiser wurde. Ermuthigt wurde ich dadurch, daß ich täglich mit einem großen König, mit dem König aller Könige spreche, der mir erlaubt hat, zu Ihm zu sagen: "Mein Vater, der Du bist im Himmel!" — Aber als wir nun die Wohnung des Kammerherrn verließen, forderte dieser uns auf, uns sofort an den General v. K. zu wenden, der damals an Stelle des in Frankreich weilenden Herrn v. Roon das Kriegsministerium verwaltete.

Im Kriegsministerium mußten wir mehrere Stunden im Vorzimmer warten; sie kamen uns ziemlich lang vor. Wir sprachen wenig mit einander; ich denke, wir haben Beide gebetet in dieser stummen Gebetsgemeinschaft, welche unvernommen von Menschenohren doch zu Gott dringt. Endlich wurden wir in das Cabinet -es Ministers eingeführt. Derselbe aber versicherte nach den ersten Worten, die wir gesprochen hatten, daß er sich mit dieser Angelegenheit durchaus nicht befassen könne, und sandte uns an einen höheren Offizier, den Obrist v. W., der mit den Angelegenheiten -er französischen Gefangenen beauftragt war. Dieser wies sofort auf die Fluchtversuche hin, die Gefangene in letzter Zeit gemacht hätten, und in deren Folge ein absolutes Verbot erlassen worden wäre gegen den Eintritt irgend eines Fremden in die Lazarethe und in die Lager der Gefangenen. Knak hörte das ruhig mit an. Dann sprach er in tiefem Ernst: "Aber wir sind doch gekommen im Namen des HErrn, der aufschließt, und Niemand kann ihm Zuschließen!" Der Offizier lächelte und forderte uns auf, sofort Zu dem Feldprobst Thielen zu gehen.

Der Abend war längst angebrochen; es war sechs Uhr, und AM neun Uhr früh waren wir aufgebrochen. Wir hatten nichts genossen den ganzen Tag. Dieser liebe Pastor Knak hatte seine Arbeit und fein Haus verlassen und mich geleitet, wie ein Schutzengel, von einer Thür zur anderen. Ja, es giebt Liebesdienste, die geräuschlos geschehen, vor Menschenaugen ungekannt bleiben, aber Gott sieht sie! Er wird sie nicht ungelohnt lassen. Er hat mir mehr gegeben, als ein Glas Wasser im Namen des HErrn! —

Der Feldprobst nahm uns nicht günstig auf. "Man hat gewisse Geistliche beauftragt, die Festungen am Rhein zu besuchen, und hernach veröffentlichen sie Berichte, und rühmen sich der vielen Bekehrungen von Katholiken, und schüren damit die Eifersucht der Confesstonen an. und die Bischöfe beklagen sich!" — Sicher haben ja gewisse öffentliche Blätter große Taktlosigkeiten begangen. Alles, was wir erreichen konnten, war, daß er meinen Namen dem anderer Pastoren beifügen wolle, die in gleicher Absicht, wie ich, gekommen waren, dem Judenmissionar Lowitz aus Algier, Herrn Ray, Pastor aus Avignon, und Herrn Bauer, Pastor aus Altkirch bei Mühl-Hausen.

So verlief ein Tag, den ich nie vergessen werde. Derselbe hatte mich mit P. Knak auf das Innigste verbunden. Jch fühlte mich nicht mehr fremd in dieser großen Stadt Berlin, ich dankte Gott, daß Er mich einen innig verehrten und geliebten Bruder hatte finden lassen.

Der Sonntag der 18. wurde für mich ein besonderer Segens -tag. Jch bin gewohnt, alle Monate wenigstens einmal zum heiligen Abendmahl zu gehen. An diesem Sonntag Morgen war ich in die Bethlehemskirche gegangen. Knak predigte. Jch fühlte mich in -er innigsten christlichen Gemeinschaft mit ihm. Nach der Predigt wurde das heilige Abendmahl ausgetheilt. Knak ist Lutheraner; ich gehöre durch Familientraditionen, Geburt und Ueberzeugung der reformirten Kirche an. Wird Knak mich zulassen? <2>) Jch trat zu -er kleinen Zahl derer, die sich vorbereiteten. Jch bekannte meine

*j Knak hatte in der That Bedenken gehabt; aber da er den Br. D. als «inen so ernsten Christen kennen gelernt hatte, sprach er: "Im Grunde ist er ein guter Lutheraner," und ließ ihn zu.

So warf sich Knak in den absonderlichen Anzug, in welchem ihn Jedermann in Berlin kannte. Wir sind unterwegs. Jch kann wohl sagen, mir war wie dem Apostel Petrus zu Muthe, ich glaubte zu träumen (Apstg. 12,9). Wir also unterwegs nach dem Palais. Jch ließ mich führen, wie Petrus durch meinen Engel. Mein Herz klopfte stark, meine Kniee zitterten. Wir traten in das Palais. - Die Schildwachen blickten uns an und ließen uns passiren. Wir stiegen die Treppe hinauf und kamen in eine große Vorhalle» als ein Beamter ankommt. Er ist erstaunt. Wir sagen ihm nnsern Namen und Stand. Er lächelt, aber wohlwollend. Er

        <2>s Es war derselbe Herr von Michaelis, der, wie wir oben berichteten, als Lieutenant zu dem Kandidat Knak in Berlin in so enger Beziehung stand.

Sünden mit denUebrigen, dann kniete ich mit ihnen nieder zudem Stufen des Altars und empfing das heilige Abendmahl aus Knaks Händen. Nach dem Gottesdienst trat ich zu ihm in die Sakristei. Jch war bewegt, Knak auch, er drückte mich fest und lange an sein Herz. Dies heilige Abendmahl ist mir eins der köstlichsten gewesen» das ich in meinem Leben empfangen habe. Ja trotz alles Elends und aller tiefen Scheidungen zwischen den Kindern Gottes giebt es doch, wie das apostolische Glaubensbekenntniß sagt, eine Gemeinschaft der Heiligen! Ich bedurfte dieser geistlichen Speise zu meiner Stärkung, denn mein Glaube sollte noch auf eine lange und harte Probe gestellt werden.

Zwei Tage nach meinem ersten Besuch bei Herrn Thielen machte ich einen zweiten ohne günstigen Erfolg. Aber Knak betete, und ich kann sagen, auch ich betete voller Zuversicht, daß der HErr erhören würde zu Seiner Zeit.

Ihre Majestät die Königin Augusta hatte meinen Brief durch Vermittlung des Grafen Nesselrode wirklich erhalten. Sie hatte persönlich an Herrn Thielen geschrieben, um mich zu empfehlen, und hatte ihm aufgetragen, einen Bericht einzusenden über den Erfolg meiner Bemühungen. Welche Macht liegt doch im Gebet! Es dringt durch zu Dem, der auch die Herzen der Fürsten nach Seinem Willen lenkt. — Und dennoch sollte ich noch abermals warten. Am Dienstag den 20. forderte mich P. Bauer auf, mit ihm abzureisen. Er war der letzte von allen Pastoren, die zu dem gedachten Zweck nach Berlin gekommen waren, und war schließlich definitiv abschläglich beschieden worden. "Sie haben hier auch nichts mehr zu hoffen!", sagte er. Und ich hoffte dennoch!

Am 21. Dezember wurde ich vom Feldprobst mit der größten Freundlichkeit ausgenommen. Man hatte mir mehr bewilligt, als ich gebeten hatte. Ich war zum Hülfsprediger bei den französischen Soldaten ernannt worden , und konnte wählen zwischen den Festungen Stettin, Wesel, Torgau, Wittenberg, Erfurt. Jch wählte sofort Erfurt. Das Andenken Luthers und das Wohlwollen des Generals v. Michaelis zogen mich dorthin. Man stellte mir die Bedingung, daß ich nicht von Politik sprechen dürfe — aber darum hatte ich mich nie bekümmert. Jch sollte das reine Evangelium predigen» aber das habe ich allezeit gethan; dann stellte man mir die Be--

Hingung, ich solle ein Gehalt von fünfzig Thalern monatlich an-uehmen. Diese Bedingung wurde mir schwer. Jch würde keinen Augenblick anstehen, dem geistlichen Dienst lieber zu entsagen, als in ein vom Staat besoldetes Kirchenamt einzutreten. Ich hatte einen schweren Kampf in meinem Herzen zu bestehen; aber der Gedanke, daß Paulus, der Apostel der christlichen Freiheit, den Juden ein Jude wurde, um ihrer etliche zu gewinnen, gab den Ausschlag für die Annahme der Stelle. Jch bin also Hülfsprediger, ich bin am Ziel! Dem HErrn sei Preis und Dank!

Jch laufe sofort zu P. Knak; man hätte mich auf der Straße für einen Unsinnigen halten können. Jch erzähle Knak alles. Wir beten mit einander; wir preisen Gott mit einander. Er nimmt mich in seine Arme, drückt mich an sein Herz. Jch sage ihm Lebewohl. Seit dem Tage habe ich ihn nicht mehr gesehen, noch weniger vergessen. Weder Zeit noch Raum werden sein Andenken uus meinem Herzen verwischen, und der Gedanke ist für mich unaussprechlich süß, daß es im Himmel ein Wiederbegegnen giebt für das ganze Volk Gottes."

So weit der Bericht von Dupraz. Derselbe hat später in Erfurt unter den Gefangenen in großem Segen gewirkt. Seine Mttheilungen aber sind ein neuer Beweis dafür, was Knaks Gebete vermochten. Was Empfehlungen aller Art nicht zu Stande brachten, was vor Menschen-Augen völlig unmöglich scheint, das bewirkt der Glaube und das Gebet der Heiligen! — Was mochte der Oberst v. W. gedacht haben, als Knak seinen alle Hoffnung abschneidenden Worten das Bekenntniß entgegensetzte: "Aber wir kommen im Namen des HErrn, der aufschließt, und Niemand kann zuschließen!" Und was wird er hernach gesagt haben, als er hörte, der HErr habe wirklich aufgeschlossen die dreifach verriegelten Thüren?

Zum Schluß dieses, Knaks Mitarbeit beim französischen Kriege behandelnden Kapitels geben wir einige Verse, die er zu einem Gedenkblatt am Schluß des Krieges dichtete.

Knak besonders geistlich nahe und als dankbares Beichtkind, so wie als Vorstandsmitglied für Bethesda-Hongkong innigst verbunden war Fräulein Julie von Buddenbrock, die durch ihre sinnigen


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Blumenzeichnungen zu Kirchenliedern und Bibelverfen in so weiten Kreisen dankbare Liebe sich erworben hat. Diese zeichnete auch Gedenkblätter für die Helden und für die Gefallenen im Franzosenkriege. Zu einem "Gedenkblatt für die Gefallenen" erbat und erhielt sie von Pastor Knak folgende Verse:

Mit Gott für König und Vaterland Zogt ihr hinaus,

Und gabt euer Leben dahin zum Pfand Im blutigen Strauß,

Ihr brachtet das Opfer treu und gern,

Fahrt wohl im HErrn.

Nun seid ihr droben im Vaterland Durch Jesu Blut,

Und habt's bei Ihm und in Seiner Hand Auf ewig gut,

Er reichet euch dar des Lebens Krön'

Als Gnadenlohn.

54.

Die Schatten werden länger.

Nachdem seine Mathilde vom HErrn heimgerufen war, ging doch ein Zug der Vereinsamung bleibend durch Knaks Leben. Im Aeußerlichen ließ ja seine "Haustaube" ihm nichts fehlen, ja er konnte mit ihr auch manches Innerliche besprechen und Anklang und Verständniß finden; aber Knak hat wohl wie Wenige das Wort des alten Heermann verstanden und erlebt: "Jch weiß und sag es ohne Scheu: Die best' ist doch getraute Treu!"

Auch sein Freundeskreis lichtete sich. Die mit ihm geboren und aufgewachsen waren, gekämpft und in innigster Gemeinschaft gebetet hatten, starben allmählich fort, und selbst der Schreiber dieser Biographie, der ihm durch den Copernicus-Streit und den Tod seiner Mathilde sehr nahe treten durfte, hatte doch ihm gegenüber mehr das Gefühl des Sohnes zum Vater, das Gefühl, einer


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späteren Generation anzugehören. Der Versuch, ein Kränzchen zu gemeinsamem Gebet und Besprechung der Zeitereignisse zu bilden zwischen Knak, Schulz , Kuhlo und mir wollte doch nicht recht gelingen, und scheiterte schon im dritten Jahre an dem nichtigen Hinderniß der Berliner Entfernungen. In die Bestrebungen der Innern Mission und der positiven Union konnte Knak sich durchaus nicht mit völliger Freudigkeit hineinfinden. Erstere schien ihm vielfach zu äußerlich, in ihrer Praxis zu sehr des innern direkten Verkehrs mit Christo ermangelnd, sie operirte nach seinem Urtheil zu sehr an der Peripherie und ließ ihm nicht genug die direkte Beziehung zu Christo, dem Centrum, hervortreten, zu der zweiten konnte er ein volles innerliches Vertrauen nicht fassen. Er freute sich ja an jedem christlichen Zeuguiß, das von dieser Seite ausging, namentlich seiner Zeit an den mannhaften Bekenntnissen der vier Hofprediger. Aber er konnte es nicht vergessen, daß in früheren Zeiten den Bestrebungen der Confessionellen, selbst da, wo sie direkt das Centrum der Ehre des HErrn JEsu und des Glaubens und des Bekenntnisses vertraten, von jener Seite eine scharfe Opposition gemacht worden war. Er konnte sich nicht davon überzeugen,, daß diese Opposition, deren kirchliche und christliche Berechtigung er nicht zu erkennen vermochte, nicht vornehmlich auf dem Grunde kirchlicher Diplomatie und kluger Berechnung, statt auf dem Grunde der unbedingten gläubigen Hingabe an den HErrn erwachsen sei,, und konnte daher auch später, als die Verhältnisse eine Annäherung zwischen den Vertretern der positiven Union und den Confessionellen. sich anbahnen ließen, sich der Befürchtung nicht erwehren, daß diese vornämlich durch die Verhältnisse und durch den gemeinsamen Kampf gegen den Protestantenverein hervorgebrachte Vereinigung nicht auf die Dauer Stich halten werde. Deshalb konnte er mit den Männern jener Richtung zwar, wo er mit ihnen zusammentraf, freundschaftlich und brüderlich verkehren, aber im tiefsten Grunde hatte er für sie eben so wenig ein Verständniß, als sie für ihn. Aus diesen Vorbemerkungen erklärt sich die innere Stellung, die Knak zu der Evangelischen Allianz, zur Oktober-Conferenz, zu dem Sydow'schen Falle, zur August-Conferenz, zu den Maigesetzen, zu Pearsall Smith, Georg Müller und zuletzt zu den Bestrebungen der christlich-sozialen Parthei einnahm. Er hatte


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ja während all dieser Ereignisse bereits die mehr isolirte Haltung eingenommen, die ihm das Verhalten seiner Partheigenossen indem Copernicus-streite angewiesen hatte. Aber ein Mann wie Knak war eine geistlich zu sehr hervorragende Persönlichkeit, als daß nicht trotzdem sein Rath von den Freunden allezeit gesucht, und sein Urtheil in Bezug auf die Behandlung der laufenden kirchlichen Fragen, in denen sein geistlicher Instinkt ihn die tiefsten Seherblicke thun ließ, von gewichtigem, ja nicht selten ausschlaggebendem Einfluß hätte sein müssen.

Zur Evangelischen Allianz stellte er sich abwartend. Ursprünglich war er ja derselben, weil sie ein Ausdruck der öcumenischen Zusammengehörigkeit aller derer sein sollte, die von Herzen an den Herrn Jesum glauben und in Ihm ihre Gerechtigkeit suchen, von Herzen zugethan, wie wir dies Kap. 35 gesehen haben. Je mehr aber die Allianz gegen die confessionelle Orthodoxie eine abwehrende Haltung annahm, desto kühler wurde er gegen sie. Die Versammlung von 1857 sah er geradezu als eine kirchenpolitische Demonstration an, und spricht sich über dieselbe sub 8. Okt. 1857 mit folgenden Worten aus:

Was die Allianz betrifft, so kann ich nicht viel darüber sagen, ich habe mich ganz passiv halten zu müssen geglaubt; aber obgleich ich mich nicht daran beiheiligen konnte, habe ich doch auch nicht öffentlich dagegen gezeugt, sondern den HErrn gebeten, das was von Ihm in dieser Sache sei, zu segnen, Schaden und Aergerniß aber in Gnaden zu verhüten. Manche theure Brüder aus der Ferne, die zu der Allianz gekommen waren, haben mich besucht und wir haben uns miteinander des HErrn gefreut. Leider muß ich fürchten, daß durch die Allianz der große Riß, der durch Zions Mauern geht, noch mehr ans Licht getreten ist — und dann schien mir die ganze Sache wenigstens den bösen Schein einer Ostentation der Kinder Gottes vor der Welt zu haben — "Es glänzet der Christen inwendiges Leben, obgleich sie von außen die Sonne verbrannt" — dabei wirds doch bleiben, bis Er kommt, unser Leben, und wir mit Ihm offenbar werden dürfen in der Herrlichkeit.

Das Zusammentreten der Oktoberconferenz im Jahre 1871 erfüllte ihn mit den größten Bedenken. Er sah in derselben den Versuch der herrschenden kirchlichen Richtung, über die Bestrebungen der Confessionellen hinweg das Netz zuzuziehen und sie mit ihren gerechten Forderungen zu ersticken. Besonders erfüllte es ihn mit


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Besorgniß. als er zwei Namen, den seines Mitvaters Andrae und Iren des Herausgebers dieser Biographie, als Miteinladende unter dem Programm dieser Conferenz sah. — Jch meinerseits war zu -er Unterschrift eigentlich gedrängt worden. Auf einer Missionsfestreise hatte Herr von Oertzen im Rauhen Hause mich in Wicherns Aufträge auf das dringendste dazu ausgefordert; es war demselben darum zu thun, den Namen eines "Mild-Consessionellen", als welcher ich galt, auf dem Programm zu haben. Jch meinerseits hatte geantwortet, ich könne und werde trotz aller meiner Milde meine confessionelle Ueberzeugung nicht verleugnen, sondern offen bekennen müssen. Das wurde mir zugestanden, da man sattsam wußte, wie das Ziel einer wahren Union aller Gläubigen in meinen Wünschen selbst durch die Verirrungen der kircheupolitisch-prenßischen Union nie erstickt worden war. Jch hatte aber auch prinzipiell zu manchen im Heerlager der Confessionellen besprochenen Fragen eine wesentlich freiere Stellung, mit der ich bereits als Herausgeber der lutherischen Monatsschrift nie hinter dem Berge gehalten hatte. Jch konnte von dem seitens so vieler Confessionellen so heiß erstrebten Zusammengehen mit den Lutheranern der außerpreußischen lutherischen Landeskirchen kein Heil erhoffen, so lange diese den Schwerpunkt ihrer kirchlichen Bestrebungen in der Erhaltung der kirchlichen Verbriefungen, statt in der strikten praktischen Geltendmachung des Bekenntnisses in Lehre, Cultus und Regiment suchten; ich konnte auch in Bezug auf die Bestrebungen vieler außerpreußischen landeskirchlichen Lutheraner mich nicht davon überzeugen, daß in erster Linie nicht eben auf die genannten drei praktischen Punkte sgeriptura 8aern 68t vorrnn ersäsiMi 6t viveaäi, eonk6S8io ost nornan äoeelvtj, eolsnäi et reAsnäi) das Hauptgewicht gelegt werden müsse, sondern auf die für jetzt faktisch in Preußen unerreichbare Wiedergewinnung des Namens "lutherische .Kirche;" ich konnte endlich — angewidert durch den schnöden Mißbrauch, den separtrte Lutheraner aller Färbungen in Deutschland und Amerika mit der Verweigerung der Sakramentsgemeinschaft trieben und noch treiben, mich nicht zu der Forderung bekennen, daß die Theilnahme am Altar mit der Theilnahme an der Kirchen-gcmeinschaft ganz und durchaus zusammen falle, ich mußte die Gewährung einer gastlichen Theilnahme am Sakrament auch für die Reformirten als eine durch die gegenwärtige Situation der Kirche gebotene Liebespflicht, die nicht der Willkür des Einzelnen zu belassen, sondern in bestimmte Ordnung zu fassen sei, fordern; ja je länger je mehr wurde ich durch meine biblischen Studien zu der Annahme gezwungen, die ich schon in meiner christlichen Glaubenslehre 1865 angedeutet hatte, daß das Altar-Sakrament nach dem Willen seines göttlichen Stifters einen prinzipiell ökumenischen Charakter trage. In allen diesen Positionen ergaben sich zwischen mir und den Anhängern der positiven Union manche praktische Berührungspunkte, und ich sehe noch heute in ihnen allein die Möglichkeit, einen dauernden Frieden zwischen den Confessionellen und den Positiv-Unirten und damit eine solide Grundlage für eine positive Reconstruktion der preußischen Landeskirche zu gewinnen. Deshalb konnte ich mit den Urhebern der Oktober-Conferenz mich zu brüderlicher Aktion verbinden. Jch entwickelte den Geucral-Superinteudeuten Hoffmanu und Brückner ganz offen meine Anschauungen und erbot mich, sie zu vertreten auf der Oktoberkouse-renz, aber zugleich mit der entschiedenen Erklärung, daß ich den destruktiven und unlauteren Tendenzen, die bei der Durchführung der preußischen Union vorgekommen, und die dieselbe so entschieden geschädigt und bei manchen ehrlichen Christen in Mißcredit gebracht hätten, mit aller Offenheit und Entschiedenheit entgegenzutreten, mich in meinem Gewissen ebenfalls verpflichtet erachte. Hoffmann war mit meinen Eröffnungen einverstanden, und hielt sie für eine geeignete Basis zur Verständigung zwischen den konfessionellen und Positiv-Unirten; er gewährte mir zu dem Ende das Correferat zu dem von Brückner einzuleitenden Hauptthema, und dazu die Redezeit einer kleinen Stunde.

Aus Grund der geschehenen Verabredungen arbeitete ich mein Correferat aus, und hatte es bereits fertig gestellt, als mir durch Brückner mitgetheilt wurde, man könne mir nicht mehr als eine halbe Stunde Redezeit gewähren. Jch erwiderte, in einer halben Stunde könne ich die von mir durchzuführenden Ideen nicht genugsam entwickeln; wenn mir nicht längere Zeit gewährt werden würde, so müsse ich aus ein Correferat verzichten; ich würde diese halbe Stunde dann dazu benutzen, einfach die Grundgedanken und Forderungen der lutherischen Vereine scharf zu skizziren, damit auf Grund dieser in brüderlichem Gespräch eine Vereinbarung versucht werde.

So lag die Sache, als eine ziemliche Anzahl Confessioueller, die zur Oktoberconferenz gekommen waren, bei Knak zusammen kam, um über ihre Haltung in der Angelegenheit zu berathen. Knak zitterte über den Ausgang.

Schon hatte er sein Entsetzen darüber ausgesprochen, daß Andrae und ich unsere Namen zu einem auch mit Beyschlags Namen versehenen Programm hergegeben hatten. Er schreibt an seinen Karl: "Entsetzlich, daß ein Mann wie Beyschlag aus Halle mit uuter die Nepräseutauteu der Oktoberconferenz ausgenommen werden konnte. Jch könnte mit einem Manne, der die ewige Gottheit des Herrn Jesu leugnet, nicht zusammen tagen; denn es steht geschrieben: 'Einen ketzerischen Menschen meide!' Jch habe dieserhalb an Wangemaun und Andrae geschrieben, und ich hoffe, sie werden nicht schweigen, sondern dagegen protestiren." Knaks prophetischer Blick in allen diesen kirchlichen Fragen war für mich so normgebend, daß ich in der That an Bepschlag schrieb, und mich dagegen verwahrte, mit ihm irgendwie in einen Kerb hauen zu wollen. Seine Antwort auf meine ernsten Fragen war ausweichend.

Als nun die Conferenz herankam, verlas ich in einer Versammlung von hervorragenden Mitgliedern der confessionellen Partei mein Correferat, in welchem ich die von mir oben entwickelten Ideen ausgeführt hatte. Knak war zugegen. Er schreibt über diese Versammlung an Straube: "Vorige Woche waren wir zu einer Conferenz bei Wangemaun. Er las uns vor, was er sagen wollte; aber wir Alle konnten seinen Auseinandersetzungen nicht vollkommen beipflichten. Jch hatte den Eindruck, daß der theure Bruder die preußische Union zu sehr anerkannt hatte, wiewohl er nachher auch ihre Mängel geschildert und deren Abstellung mit großem Ernst gefordert hat. Er schwankte dann, ob er nicht lieber ganz schweigen sollte."

In der That schwankte ich. Denn die von mir durchgeführten Ideen habe ich zwar niemals, so lange ich Mitglied der confes-sionell-lutherischen Partei war, verleugnet oder verheimlicht, vielmehr aus den Conferenzen derselben ost recht kräftig geltend gemacht; aber ich konnte mich doch auch dem Einwurf der Brüder nicht verschließen, daß, wenn ich aus der Octoberconserenz redete, ich nicht meine eigene Ideen, sondern die der Gesammtheit der lutherischen

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Vereine zu vertreten hätte. Ich schwankte also, ob es nicht unter solchen Umständen geboten sei, ganz auf das Wort zu verzichten. Schließlich war ich entschlossen, je nachdem mir die Stunde Zeit zum Correferat oder die halbe Stunde zur Ansprache gewährt würde, in Gottes Namen den einen oder den andern Vortrag zu halten, und es dem HErrn zu überlassen, was Er daraus machen werde. Meine Zweifel wurden gehoben, als am Tage vor der Conferenz mir von Brückner der definitive Entscheid des Modera-mens mitgetheilt wurde, nach welchem ich nicht die Stunde Zeit zum Correferat, sondern nur die halbe Stunde zu einer Ansprache erhalten solle. Jetzt war ich auf meine zweite zu diesem Behuf bereit gehaltene Ansprache verwiesen, welche in Thesen gipfelte, die die Anerkennung der lutherischen Kirche innerhalb der preußischen Landeskirche verlangten.

Es ist bekannt, welchen Schrei der Entrüstung dieser Vortrag im Lager der Unionsfreunde hervorgerufen hat, die mich beschuldigten, den ganzen Segen der Conferenz verdorben und die Einigkeit gestört zu haben. Knak aber schrieb unter dem 24. Okt. 1871 an Straube: "Sehr gesegnet war die Oktoberconferenz, wiewohl mir anfangs sehr bange war, wie es damit werden möchte, so daß ich mich nicht entschließen konnte, ihr als Mitglied beizutreten. Der HErr aber hat Großes gethan und besonders die Zeugnisse von vr. Ahlfeld und unserm theuren Wangemann mit reichem Segen gekrönt."

Das folgende Jahr 1872 brachte die Disciplinarunter-suchung gegen Sydow als Resultat der langjährigen Kämpfe Knaks auf der Friedrich-Werderschen Kreissynode. Knak verfolgte die Angelegenheit natürlich mit der gespanntesten Erwartung. Am 25. März schreibt er an Straube: Unsere kirchlichen Zustände sind wirklich über die Maßen traurig. Was werden wird, weiß der HErr. Sydows Name steht noch immer auf dem Kirchenzettel!" Bald darauf war Knak entschlossen, seine Theilnahme an der Synode entschieden abzulehnen, so lange Sydow in ihr Sitz und Stimme habe. Ich suchte ihm begreiflich zu machen, daß seine Theilnahme au der Synode nicht ein Akt seines freien Willens, sondern eine ihm durch seine amtliche Stellung in der preußischen Landeskirche gebotene Pflicht sei, daß das Kirchenregiment also Grund haben würde, ihn wegen Ungehorsam seines Amts zu entlassen, wenn er einfach die Leistung einer Pflicht versagte, daß in Bezug auf das Belassen Sydows in der Synode nicht er. sondern das Kirchenregiment die Verantwortung trage, und daß seine Pflicht im Gegentheil sei, auf der Synode nachdrücklich zu zeugen wie bisher. Er konnte sich nur mit Mühe in diesen Gedankeugang finden, durchschlagend war für ihn die Pflicht, mit einem Leugner der Gottheit Christi unter keinen Umständen an Einem Joch zu ziehen. Meine Vorstellung, daß dies Joch ja nicht in der Theilnahme an der Kreissynode, sondern in dem Zugehören zu einer und derselben Landeskirche bestehe, beängstigte ihn. Er war im Kampf. Wie er sich in diesen! .Kampf entschied, davon zeugt sein Brief an Karl vom 21. Juni 1872:

Ich war bereit, meine Erklärung, daß ich nicht an der Synode theil-nehmen könnte, fallen zu lassen, falls etliche Brüder den Antrag mit mir an das K. Consistorium richten wollten: dasselbe möge die Synode bis zur definitiven Entscheidung über Lisco und Sydow vertagen.

Tauscher, Kuhlo, Fischer, Wellmer, Kober traten mir mit Freuden bei. Der Vorstand versprach mit Freuden die dringendste Befürwortung. Aus Beiliegendein erstehst Du, was wir erbaten.

Einige Tage darauf kam eine abschlägliche Antwort, worin wir ausdrücklich aufgefordert wurden, jedes Zeugniß gegen Lisco und Sydow zu vermeiden, da der Vorsitzende uns sonst das Wort entziehen müßte. Nun war ich meiner Sache gewiß und schrieb an. den Vorstand:

Einem geehrten Vorstande

der Kr.-Syn. Friedr.-Werder zeige ich hierdurch ergebenst an, daß, nachdem das K. H. Consistorium den von mir und fünf anderen geistlichen Synodalmitgliedern unterm 3. Juni gestellten und näher motivirten Antrag:

"Die diesjährige Kreissynodal-Versammlung möge bis zum definitiven Entscheid in der gegen die Prediger O. O. Lisco und Sydow höheren Ortes eingeleiteten Untersuchung vertagt werden." durch das hohe Rescript vom 7. Juni abgelehnt hat, ich mich aus ernsten Gewissensbedenken verhindert sehe, an der auf den 28. Juni 6. festgesetzten Kreissynodal-Versammlung persönlich mich zu betheiligen, wofern den Herren Predigern O. O. Lisko und Sydow gestattet bleibt, nach wie vor als mitberathende und stimmberechtigte Mitglieder an der Synode Theil zu nehmen.        K.

Wie leicht wäre es dem Consistorium gewesen, unserm Anträge zuzustimmen, und welche später ihnen vielleicht sehr unangenehmen Folgen hätten die Herren im Kirchen-Regiment sich dabei ersparen können. Ich bin nur sehr froh, daß ich erst noch jenen Versuch gemacht habe. Kampff-meier hat als Deputirter der bömisch-lutherischen Gemeinde eine ähnliche Erklärung eingesandt und Kuhlo, der das Referat über die evangelische Diakonie halten sollte, hat an den Vorstand geschrieben: er zöge sein Referat zurück, da er sich unter den obwaltenden Umständen nicht actio an der Synode betheiligen könnte.

Nun walte der HErr alles Weitere in Gnaden.

Das Consistorium vertagte hierauf die Synode für dieses Jahr wirklich und verhängte die Amtsenthebung des Pastor Sydow, welche jedoch in zweiter Instanz durch den Oberkirchenrath wieder aufgehoben wurde.

man konnte doch nicht umhin, Knak auch zu den vorbereitenden Conferenzen der Vertrauensmänner hinzuzuziehen, und er hat da durch sein "geistliches Fühlhorn" und seinen durch die Schrift und Gebet geheiligten Seherblick sehr wesentliche Dienste geleistet.

Bedenken machte ihm das Resultat der Vorconferenz, in welcher das der Versammlung zu unterbreitende Programm definitiv festgestellt werden sollte. Die Differenz zwischen den Positiv-Unirten und den Confessionellen trat hier in der Weise sofort zu Tage, daß Or. Schian, Vertreter der ersteren, beantragte, den Ton nicht auf die Forderung der Anerkennung der lutherischen Kirche zu legen, sondern darauf, daß das lutherische Bekenntnis; norum äoeouäi, coleväi und r6g6näi sei. Dies seien praktisch greifbare Realitäten, jenes ein verschiedenen Deutungen unterworfener Begriff, und eine Forderung, die manche sonst entschieden confessionell gerichtete Geistliche sich nicht anzueigueu vermöchten. Der Herausgeber konnte in Gemäßheit der (bei Gelegenheit der Oktoberconferenz) entwickelten Ideen dem vr. Schian nur beipflichten, denn wenn erst die von ihm vorangestellten, praktischen Postulate bewilligt und durchgeführt sind, so ergiebt sich die Folgerung, daß eine so eingerichtete Kirchengemeinschaft lutherische Kirche sei, ganz von selbst; wie denn auch in einer späteren Sitzung der Augustconferenz sämmtliche Mitglieder, auch die der positiven Union angehörenden, eine Erklärung, die lutherische Kirche bestehe innerhalb der preußischen Landeskirche Zu Recht» jetzt unbeanstandet mit acceptirten, während dieselben vor Zusammentritt der Conferenz in einer solchen Erklärung den Grund Zu ihren! Rücktritt von dem ganzen Unternehmen entnommen haben würden. Jedenfalls aber schien es sicher, eine auch dem Kirchenregiment imponirende große Anzahl von solchen, die sich zu diesem von allen positiv Gläubigen getheilten Programm bekannten, und ihr Zusammentritt zu gemeinsamer Aktion sei heute segensvoller, als die Beschränkung der Confessionellen auf ein geringeres Häuflein, über welches schließlich die geschichtliche Entwicklung leichter Hinwegrollen konnte. Die Vorconferenz schloß sich deßhalb dem Schianschen Anträge an, und bewirkte durch diesen Beschluß, daß Arndt-Wernigerode und einige andere (die von dem Zusammenwirken mit den außerpreußischen Lutheranern, trotzdem letztere, einige Ausnahmen abgerechnet, doch den Bestrebungen der Confessionellen in

Preußen fast nur geschadet haben, noch immer Heil erwarteten) sich von der Conferenz zurückzogen. Knak war die Sache um seiner im Anfang dieses Kapitels gezeichneten Stellung zu den Positiv-Unirten willen ebenfalls sehr bedenklich. Er schreibt an seinen Karl: "Du hast wohl schon gehört, daß Arndt und Appuhn nicht kommen wollen wegen Veränderungen im Programm, die durch Schian beantragt, durch Wangemann dringend befürwortet, von Meinhold und Tauscher angenommen worden sind. .Mir ist recht bange! Ach, daß doch die August-Conferenz-Posaune einen deutlichen Ton geben möchte! Auf die Menge der Versammlung kommt es nicht an, und darf es nicht ankommen, sondern auf die ungeschminkte Wahrheit, wenn auch nur etliche Hundert kämen. Jedenfalls thut Gebet dringend noth!"

Nun, die August-Conferenz-Posaune hat ihren deutlichen Ton nicht fehlen lassen, und als dann in der Dreifaltigkeitskirche von mehr als Tausend Stimmen der Versammelten bekannt das apostolische Glaubensbekenntniß himmelan brauste, da jubelte Knaks ganzes Herz. Nun war er zufrieden. Er hat sich nicht als Sprecher bei der August-Conferenz betheiligt; aber desto mehr als Beter, und die großartigen Erfolge der Augustconferenz sind gewiß auch mit durch Knaks Gebete erzielt worden.

Die Siege und Fortschritte der negativen Richtung in der Kirche, welche in den folgenden Jahren so viele ernste Christen betrübten, gingen Knak an die innerste Seele. Er schreibt unter dem 30. Januar 1874: "Ziegler's Vortrag über das Ansehen der Bibel in der Protest. Kirche ist so entsetzlich, daß ich innerlich ganz empört darüber bin, wie der O.-Kirchenrath diesem Manne das Wort hat reden können. Wäre ich Superintendent in Liegnitz, ich würde mich viel lieber absetzen lassen, als einen solchen Mann in die dortige Gemeinde einführen. — O mein Herzenskarl! Wie gräulich sieht es doch aus und wie durchwühlen die wilden Thiere des HErrn Weinberg so schauerlich. Laß uns doch nur ohne Unterlaß schreien und beten, daß der HErr Sich aufmache und über Zion erbarme!"

Tief haben ihn die Mai ge setze mit ihren praktischen Konsequenzen und die neue Kirchenverfassung mit ihren Schlußbestimmungen geschmerzt. Das neue Trauformular zu gebrauchen, dazu hätte ihn keine Macht der Welt vermocht. Er war entschlossen, lieber die Amtsentsetzung zu erdulden, als dies Formular zu gebrauchen.. Er schreibt dieserhalb an Wittenberg unter dem 19. Dezbr. 1874:

Ich stimme Dir von Herzen bei, daß das Thier und der falsche Prophet sich wenigstens schon sehr stark anmelden, ja in ihren Vorläufern schon da sind. Die Begriffsverwirrung wird je länger desto größer und wir können nicht dringend genug um Augensalbe bitten, daß wir die Tiefen Satans erkennen, der uns auf alle Weise zu übervortheilen trachtet. Wir aber dürfen, meiner Meinung nach, was das O.K.R. liche Trauformular anbetrifft, demselben nicht Folge leisten, zumal da es nur ein provisorisches ist und dem O.K.R. zur Veränderung agendarischer Formulare selbst nach der neuen Kirchengemeinde-Synodal-Ordnung das. Recht nicht zusteht, weil dies lediglich Sache der Provinzial-Synode sein soll. Ich traue deßhalb ganz nach alter Weise und habe nur auf Br. M.'s-Nath beim Zusammensprechen hinzugefügt "in den heiligen christlichen Ehestand," was aber auch nicht Noth wäre, weil das schon von selbst folgt aus den Worten: "Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes." Ich habe bereits 3 Trauungen in dieser Weise vollzogen und natürlich die Bräute als Jungfrauen angeredet. Nun bin ich still und gebe dem HErrn Alles anheim. Ich thue ja Alles öffentlich und-warte ab, was weiter geschehen wird. Der HErr wird's verseh'n. Laß uns nur zu dem HErrn rufen Tag und Nacht — "Er wird uns erretten. in einer Kürze." Der O.K.R. scheint nun zweifellos den Redakteur der Kreuzzeitung wegen jenes fulminanten Aussatzes über Unions-Theologie in Anklagezustand versetzen zu wollen; ich meine aber, dann wird der Verfasser selbst aus seiner Verborgenheit hervortreten, und das kann noch, ernster und weittragender werden, als der Prozeß Arnim. Aber "ist Gott für uns, mein Heinrich, wer will wider uns sein?"— Des HErrn reichster Segen komme über Dich, Dein geliebtes Weib, Deine theuren Kinder-und Deine Gemeinde! Mein Herz ist fröhlich in dem HErrn.

Als aber selbst der von ihm auf das Innigste verehrte Herr-Consistorial-Präsident Hegel durch die wachsenden Erfolge der negativen Richtung zu dem Gesuch um seinen Abschied gedrängt wurde,, da hat Knak Tag und Nacht nicht abgelassen, im Gebet es vom HErrn zu erringen, daß dieser schwere Schlag von der evangelischen Kirche abgewendet werde. Aus alten Zeiten befreundet mit dem Staatsminister v. Uhden, hat er nicht aufgehört, in diesen flehentlich zn

bringen, daß er doch, der als alter treuer Diener des seligen Königs Friedrich Wilhelm III. beim Kaiser in hohem Ansehen stand, persönlich vorstellig werden möchte. Und als der gehoffte Erfolg dieser Audienz nun noch ausblieb, da hat er einen jener aus der Tiefe des warmen Christenherzens heraus und doch mit fast prophetischer Gewalt geschriebenen Briefe, die ihres Eindrucks auf Herz und Gewissen des Adressaten nicht leicht verfehlten, direkt an den Kaiser geschrieben. Er kannte einen Weg, auf welchem er wußte, daß der Brief sicher in die persönlichen Hände des Kaisers gelangte. Und wenn wir nicht sehr irren, war es in der folgenden Nacht, daß eine direkte Cabinets-Ordre Hegel vor den Kaiser befahl zn einer Audienz, welche den Grund zum Verbleiben Hegels in seinem Amte legte.

Die Herbeirufung von Pearsall Smith und Georg Müller erweckte in Knak Besorgnisse. Er urtheilte aber nicht, bevor er ernstlich geprüft hatte.

Knak war zugegen bei der ersten Privatversammlung, welche P. Smith im Hause des Kammerherrn Grafen Egloffstein hielt. Ich (der Herausgeber) saß neben ihm. Als zur Eröffnung der Versammlung ein Chor von Kindern, selbst ungesehen, in zarten Tönen eins jener mit weichen, das Gemüth bewegenden englischen Melodien versehenen Jesuslieder sang, wurde Knak unruhig. "Was ist das?", so flüsterte er mir zu — "Was soll das?" Sein Ton sagte: "Will man hier auf die Nerven einwirken?" Als aber dann Smith in seinem Vortrag, anstatt von der Tiefe des Elends und der Buße auszugehen, von gewaltigen Entwickelungen im Reiche Gottes redete, die sich heute vollziehen, von dem Eindruck, den sie in England gemacht haben, wo in jedem Omnibus und Eisenbahnwagen über die neue Bewegung gesprochen werde, als er von den Tausenden sprach, die die Versammlungen in Amerika besuchten, von den erschütternden Kräften des heiligen Geistes, die dort geoffenbart worden seien, als bei all diesen Mittheilungen die eigene Person des Redners ziemlich oft als das Centrum der Bewegung hervortrat, da wurde Knak ganz unruhig. Er flüsterte mir zu: "Hat der theure Bruder wohl schon auf dem Armen-Sünderbänkchen gesessen?" Als er darnach

Der Zusammentritt der August-Conferenz im Jahre 1873 war die Antwort der Kirchlich-Confessionellen auf die Wiedereinsetzung Sydows. Daß der Vorstand derselben Knaks Namen nicht unter die Anordner der Conferenz setzte, schmerzte ihn sehr tief, aber konnte ihn nicht dazu bewegen, der Conferenz seine lebhafte Theilnahme und Mitwirkung zu entziehen. Er schreibt unter dem 8. Juni 1873 seinem Karl: "Es hat mich mit Wehmuth erfüllt, daß weder Dein noch mein armer Name unter den zur lutherischen Conferenz Einladenden steht, zumal da Br. Schultz und Nathustus unter dieselben ausgenommen wurden. Doch stille! stille! Es kommt auch vom HErrn, und wenn Er nur zu der Conferenz Ja und Amen spricht, so wollen wir uns freuen, und dürfen doch durch Gottes Gnade kleine Handlangerdienste dabei thun!" Diese kleinen Handlangerdienste bestanden darin, daß Knak ungeachtet der ihm durch Nichtaufnahme seines Namens in die Liste der Einladenden widerfahrenen und tief gefühlten schweren Kränkung sich erbot, in dem Local-Comite, welches zur äußeren Anordnung der Conferenz, Beschaffung der Gastquartiere re., zusammentrat, seine bescheidenen Dienste zu leisten. Er konnte dies, weil er absehen gelernt hatte von der eigenen Person und der eigenen Ehre, und das Wort praktisch übte: "Sie sahen Niemand, als Jesum allein!" — Uebri-gens blieb es auch nicht bei den bloß äußeren Handlangerdiensten;

Ne Rechtfertigung durch den Glauben zwar als die notwendige Voraussetzung, aber doch dabei auch als einen untergeordneten Standpunkt im Christenleben erklärte, auf dem die Stufe des "höheren Lebens" erst aufgebaut werden müsse, da hatte Knaks Urtheil seinen Abschluß gesunden. Er ließ sich nicht beirren durch die oft hinreißenden Ermahnungen Smiths zum Ablegen der Sünde und zum Leben in Christo, sein Urtheil stand fest: Hier muß etwas im Grunde nicht richtig sein! Ich sehe noch seine Verwirrung und Verlegenheit, als nach gehaltenem Vortrag Smith in großer Demuty an Knak, als einen Vater in Christo, herantrat und um seinen Segen bat. Er konnte und wollte die Bitte nicht abschlagen, und doch fühlte er die Nothwendigkeit, vorher manches mündlich mit ihm zu besprechen, und ihm fehlten doch die englischen Worte. Schließlich willfahrte er ihm. In der nächsten öffentlichen Versammlung aber, in welcher ernste Prediger dem Pearsall Smith öffentlich dankten für den Segen, den er aus der Ferne mitgebracht habe, konnte Knak sich nicht enthalten, in bescheidener und sehr brüderlicher, aber doch sehr ernster Weise Smith zu interpelliren, wie weit er denn die Rechtfertigung durch den Glauben als wirkliches, nicht mit einem Mal abgethanes, sondern durch alle Heilsstadien sich hindurchziehendes Fundament des christlichen Lebens anerkenne, auf welche Frage Smith eine durchaus ungenügende Antwort gab. Knaks Frage hatte, trotzdem Smith ausdrücklich Zu solchen Interpellationen anfgefordert und sich zu sofortiger Beantwortung bereit erklärt hatte, in der Versammlung einen auch äußerlich laut kundwerdenden Unwillen hervorgerufen. Man hielt es für durchaus unpassend und für ein den heiligen Frieden des durch den heiligen Gottesmann Smith geweihten Ortes störendes Beginnen, daß Knak, wie man sich äußerte, dogmatische Streitfragen in dieses liebliche Lebensregen hineingeworsen hatte. Auch mein schwaches Wort, das ich zu Knaks Vertheidigung sprechen wollte, wurde mißfällig ausgenommen.

In jenen Tagen konnte man das Wort des Apostels Paulus sich erfüllen sehen: "O ihr unverständigen Galater, wer hat euch so bezaubert, daß ihr der Wahrheit nicht gehorchet?" (Gal. 3). Es war. als ob die alten treubewährten Zeugen. Knak, Büchsel, Tisselhoff und die anderen treuen Prediger des Evangeliums, denen

doch die Anwesenden dasjenige von christlicher Erkenutniß, was stein die Smithschen Versammlungen mit hineingebracht hatten, verdankten, nun gar nichts wären im Vergleich zu dem neuen Propheten, der wie ein Heller Stern vom Himmel plötzlich sein strahlend Licht in das staunende Auge ergoß. Ich (der Herausgeber) wagte es einmal in den Zeiten der stärksten Bewunderungen, einer Dame zu entgegnen: "Mir ist dasjenige Stück Frömmigkeit, was Knak' in seinem kleinen Finger hat, lieber, als der ganze P. Smith." Sie erschrak bei dem Wort, fast als hätte sie eine Gotteslästerung gehört.

Und in der That lag in den Vorträgen von Smith etwas-Bezauberndes. Gewarnt durch die Freunde, die ihn eiugeladen hatten, enthielt sich P. Smith mit Bewußtsein des Knndgebens-derjenigen hervorragenden Spitzen seiner eigenthümlichen Lehre, an denen die Abirrungen von der biblischen Nüchternheit sofort hätten erkannt werden müssen. Er bewegte sich zumeist in den allgemeinen Gedanken von Buße, ernstem Entsagen der Sünde, völliger Hingabe des Herzens an Gott, Freude im HErrn. Ruhe der Heiligen, vom Glauben als der alleinigen Kraft der Heiligung, von der Kraft und den Früchten des heiligen Geistes, Gedanken, die in keiner gesunden Heilslehre fehlen dürfen. Und wenn er diese mit einer unvergleichlichen Innigkeit, Wärme und Beredsamkeit dem Hörer ans Herz legte, wenn er mit begeistertem Munde den ungetrübten Frieden einer beständigen Gemeinschaft mit Christo als selbsterlebt pries und es den Hörern bestimmt versicherte, sie würden dieselbe köstliche Ruhe in Gott mit Leichtigkeit auch erlangen können, wenn ferner das eigene Gewissen den Vorhaltungen Smiths,, daß die schmerzliche Differenz zwischen Soll und Haber: in der Kraft der Heiligung bei vielen Christen Folge ihrer Trägheit und Lauheit seien, Recht geben mußte» so war es durchaus nicht zu verwundern,, daß selbst christlich erfahrene Männer ihre Freude aussprechen konnten über die geistliche Anregung, die der Fremdling gebracht hatte. Wenn nun noch dazu sehr ernste Prediger, die längst als Zeugen des reinen Evangelii bewährt waren, mit warmen Worten von dem Segen zeugten, den sie durch Smith empfangen hatten», so war es abermals nicht zu verwundern, wenn die Menge der angeregten Christen gern die Gabe der Ermahnung, die Smith in.

Hohem Grade zu Gebote stand, auf sich einwirken ließen. — Auch der Herausgeber dieser Biographie kann noch heute bekennen, daß er aus den Ermahnungen Smiths reiche Anregung und reichen Segen für sein Leben in Christo empfangen hat. Theils dieser Segen, theils der Wunsch, den innersten Wurzeln dieser immerhin bedeutsamen Bewegung, die bei den reservirten Vorträgen Smiths in Berlin nicht völlig anfgedeckt wurden, auf die Spur zu kommen, bewog mich, die an mich ergangene Einladung, acht Tage lang in Brighton den P. Smithschen Versammlungen beizuwohnen, nicht auszuschlagen.

Knak, als er hiervon hörte, erschrak heftig, und bot Alles auf, um mich zurückzuhalten. Ich war aber meiner Sache innerlich gewiß geworden. Knak trauerte um mich, als um einen Freund, der in gefährliche Bahnen einlenkte. Als ich aber von Brigthon zurück-gekehrt war mit ziemlicher Einsicht in die Abirrungen, die dem Smithschen Heiligungssystem zu Grunde liegen, als ich dann in meiner Broschüre "Pearsall Smith und die Versammlungen zu Brighton"*) diese Gefahren offen an Gottes Wort abmaß, und unter voller Anerkennung des Segens, der von Smiths ernsten Ermahnungen ausging, doch aufforderte, Alles zu prüfen und nur das Gute zu behalten, da war Knak glücklich. Er preßte mich innig an sein Herz und war nun völlig damit zufrieden, daß ich in Brighton gewesen war. Er selbst schrieb an Smith einen ernsten Warnungs-brief, den dieser in seiner gewohnten liebenswürdigen, aber nicht Lief eingehenden Weise beantwortete.

Die eigentlichen Gefahren und Abirrungen der Smithschen .Heiligungslehre lernte ich erst später kennen, als ich die von Smith herausgegebenen Bücher: "Heiligung im Glauben," "Wandel im Licht" zc. in die Hand bekam und ernstlich stndirte. Als ich meine Beobachtungen Knak mittheilte, kam diesem das, was er bis dahin instinktiv geahnt hatte, zu klarer Erkenntniß, und er ermunterte mich, den Gegenstand wissenschaftlich dogmatisch an der Hand der heiligen Schrift zu durcharbeiten. Ich that dies und war soeben mit meinem umfangreichen Manuscript fertig geworden, als die

Zu haben in der Expedition des Missionshauses, Berlin, Friedensstr. 4, L 25 Pfennig.

betrübten Nachrichten von Smiths ernsteren Verirrungen an die Oeffentlichkeit gelangten. Unter solchen Umständen konnte ich mich damals nicht entschließen, mein Manuscript zu veröffentlichen, weil ich auf einen Mann, von dem ich reichen Segen empfangen hatte, jetzt, wo alle Welt ihn schmähte und namentlich gewisse orthodoxe Kreise sogar verläumderisch gegen ihn vorgingen, nicht auch noch einen Stein werfen wollte. Und späterhin war die Sache veraltet.

Es blieb Vielen ein Räthsel, wie gerade Knak, der alle jene hohen Forderungen Smiths, — von einer Uebergabe an dm HErrn in einem einmaligen Akt (siehe Seite 11), von einer Geistestanfe (Seite 212) von einem beständigen Leben in Gemeinschaft mit Gott, das man wohl ein höheres Leben neunen möchte, von der Gewißheit seines Gnadenstandes, voll der unerschütterlichen Ruhe in Christo und einem beständigen Wandel im Licht, in viel intensiverer Weise, als vielleicht irgend einer der in Berlin um Smith Versammelten (ihn selbst mit eingeschlossen) selbst - erfahren und anf-zuweisen hatte, von vornherein eine so entschieden abweisende Stellung zu Smith einnehmen konnte. Leichtfertige Leute hatten: bald die Erklärung zur Hand, daß Knak auf Smiths Erfolge eifersüchtig gewesen sei. Aber mir hat später das Studium von Smiths Schriften die dnrchschneidende Differenz zwischen ihm und Knak klar dargelegt:

Die Grunddifferenz zwischen beiden lag darin, daß Knak das Verderben des sündigen Herzens tiefer erfaßte als Smith. Er wußte, daß trotz aller empfangenen Gnaden und trotz seines ernsten Ringens nach der Heiligung, noch jetzt sein eigenes Herz, wo es auch nur einen Augenblick von der Gnade des heiligen Geistes losgelassen wäre, zu jeder Sünde fähig sei, und er rechnete jede sündige Herzensregung, zu der Satan ja auch den geförderten Christen täglich versucht, sich als Sünde an, gegen die er durch tägliche Reue und Buße kämpfen, und für die er täglich Vergebung suchen müsse» während Smith die Sünde, die nicht in wirkliche That ausgebrochen war, nicht als verdammlich ansah. Deshalb bedurfte Knak der Rechtfertigung durch den Glauben nicht blos, wie Smith zu einer niederen Grundlage, auf welche das "höhere Leben" wie ein zweites Stockwerk aufgebaut würde, sondern je mehr er in der Heiligung fortschritt, desto mehr wurde er sich der Grundverderbtheit seines

Herzens bewußt, und desto mehr bedurfte er täglich des Zurück-greifens auf die Rechtfertigung in Christi Blut allein.

Desto mehr aber wurde ihm auch Jesus sein Ein und Alles, und desto mehr lernte er absehen von dem, was er selbst in Jesu geworden war und von der höhern Stufe der Heiligung, die er bereits erlangt hatte. Den Frieden, den unverrückten Frieden und die Kraft zur Ucberwindung der Sünde und die Befreiung aus deren Banden suchte Knak nicht wie Smith in einem einmaligen Akt der völligen Uebergabe an Jesnm, — der ja doch immerhin ein menschlicher eigener Akt war, sondern in dem Akt der völligen Aufnahme in den organischen Verband mit Jesu, in der heiligen Taufe.

In derjenigen Stelle, die Smith gern als Grundlage feines ganzen Heiligungssystems bezeichnet^ (Röm. 6): "So sind wir nun durch die Taufe mit Christo begraben in den Tod," legte Knak das Hauptgewicht auf die Worte "durch die Taufe," welche Worte Smith, da er die sakramentale Kraft der Taufe nicht würdigte, in seinen Ausführungen über diese Stelle beständig unerwähnt und unerörtert ließ, als ständen sie nicht da.

Und weil Knak sein Ein und sein Alles in dem beständigen persönlichen Umgang mit Jesu hatte, so fand er im heiligen Altar-sakrament diejenige fortdauernde Kraft der Heiligung dargeboten» die Smith, weil sie in seinem System keinen Platz hatte, durch außerordentliche Ausgießungen des hl. Geistes zu ersetzen, Bedacht nehmen mußte.

So ist der hier nur in etlichen Hauptzügen gezeichnete Gegensatz Zwischen Knak und Smith allerdings ein schneidender, prinzipieller. Aber wunderbar ist es, daß Knak's durch beständiges Leben in Christo geschärfter geistlicher Blick und geistliches Fühlhorn diesen Gegensatz schon aus der Umhüllung der Berliner Reden Smith's so bestimmt herausfühlte, während Männer, die im wissenschaftlichen Erkennen Knak weit überragten, noch im Dunkeln tappten — ein Zeugniß davon, daß das Erkennen geistlicher Dinge ganz andere Quellen hat, als die Wissenschaft und den nachdenkenden Verstand.

Den Georg Müller aus Bristol hat Knak auch in seinem Hotel besucht, hat aber, da er einer eingehenden Antwort auf seine Interpellation in Bezug auf die Sakramentslehre auswich, hernach

sich um ihn nicht weiter bekümmert, sondern nur geklagt, daß die Berliner Christen, anstatt sich in die Tiefe der heiligen Schrift und des Lebens in Christo hineinzuleben, so sehr geneigt seien, immer Neues zu hören, und darüber das gute Alte, das ihnen vorn HErrn gegeben ist, zu unterschätzen.

Auch in die letzte, seinem Sterbejahr angehörende größere Bewegung, welche die Kreise der gläubigen Christen in Berlin erregte, die christlich-soziale Bewegung, hat Knak, wenn auch nur aus der Ferne, thätig eingegriffen.

Am 3. Jan. 1878 war Knak nebst einer Anzahl christlicher Freunde beim Hosprediger von Hengstenberg zu einer Abendgesellschaft versammelt. Unter den Freunden war auch der Schreiber 'dieses Buches. Ich erzählte von einer merkwürdigen Begegnung, die ich heute gehabt habe. Ein Mann nämlich, der im Laufe des verflossenen Sommers ans einem Missionsfest in Schönholz erweckt, hernach bei mir in der Absicht, Missionar zu werden, erschienen, von mir dem Hofprediger Stöcker zur Verwendung in der Stadtmission zugewiesen war, sei heute ganz aufgeregt zu mir gekommen, um für den Tag eine eigene Stube zu erbitten, damit er sich zum Abend für einen Vortrag im Eiskeller vorbereiten könne. "Der . Hofprediger Stöcker habe vor, mit ihm gemeinschaftlich eine christlich-soziale Partei zu gründen, zu heute Abend habe er eine Volksversammlung angesagt, viele Sozialdemokraten würden erscheinen, es werde heiß hergehen, ich möchte doch auch hinkommen oder seiner Lm Gebet gedenken." Ich trug dies Alles den versammelten christlichen Freunden vor, und bat, sie möchten, da die Sache mir wichtig und folgenschwer zu sein scheine, sich sofort zum Gebet Vereinigen, damit der HErr sie segne; ich bat Knak, das Gebet zu halten. Er that es — nicht ohne Zögern und Bedenken. Die ganze Sache war ihm so neu, so unerwartet, er konnte sich nicht sofort hineinfinden. Doch hielt er das Gebet. Ich eilte sofort nach Beendigung desselben in den Eiskeller und kehrte dann zurück, um von den Reden des Hofprediger Stöcker und des Sozialdemokraten Most zu berichten. Man war auf das höchste gespannt auf den ferneren Verlauf. Derselbe ist ja aber anderweitig bekannt, so daß ich hier nicht näher darauf einzugehen habe. Nur das Eine Habe ich hier zu berichten, daß, als ich nach einigen Wochen

Knak meine Absicht, gegen Most zu sprechen, mittheilte, derselbe heftig erschrak. Er hatte bei der ganzen Bewegung das Bedenken nicht überwinden können, daß das Christenthum mit Politik und Sozialismus in einer Weise vermengt sei, die ihm höchst gefährlich zu sein schien, so daß er meine Betheiligung sehr ungern sah. Als ich ihm aber erklärte, ich habe nicht im Geringsten die Absicht, auf Sozialpolitik mich einznlassen, sondern sei nur in meinem Gewissen gedrungen, gegenüber den furchtbaren Angriffen Most's auf den Glauben und die Bibel ein Zeugniß abzulegen, da milderten sich seine ernsten Züge. Aber ersah mich mit einem Auge au, als ob er sagen wollte: "Taugst du auch zu solchem Zeugniß?" Und erst als ich ihm bündig versicherte, ich sei fest überzeugt, Niemand sei weniger tauglich, als ich dazu; aber ich dürfe um des Gewissens willen nicht schweigen, er möchte mich mit seiner Fürbitte begleiten, da nahmen seine Züge den ganzen lieblichen Ernst an, den sie zu haben pflegten, so oft er mit mir zum Gebet niederkniete. Dies that er auch jetzt; dann legte er segnend seine Hände auf mein Haupt, und ich ging in der fröhlichen Gewißheit, der HErr werde um dieses Gebetes und Segens willen mich nicht zu Schanden werden lassen. Seitdem bin ich, so oft ich die Versammlungen der Sozialdemokraten, der Frauen, oder der Fortschrittler, oder der Handwerkervereine besuchen wollte, allzeit erst nach der Wilhelmstraße 29 gegangen und habe mir von dort zu meinen Reden den Segen des theuren Vater Knak mitgenommen, und es ist nicht ein bloßes Wort, sondern meine feste und bestimmte Ueberzeugung, daß, wenn der HErr auf meine schwachen Zeugnisse, — der ich mir selbst allzeit wie Bileams Esel vorkam, welchem der HErr selbst den Mund aufthun müsse — einen kleinen Segen gelegt hat, der Grund dazu der Segen gewesen ist, den Er mir durch seinen lieben Knecht, den Pastor Knak, auf's Haupt gelegt hatte.

Je länger die Schatten in Knaks Leben wurden, desto bewegter schaute er in den Ernst der Zeit. Er sah, wie sich Alles zu einem furchtbaren Entscheidungskampf zuspitzte. Er schreibt an eine Freundin:

In der Welt wird es je länger desto ernster; Satan hat einen großen Zorn; Alles drängt zur vollsten Entschiedenheit. O daß wir treu erfunden Knak. LAufl.        29

würden und die Schmach Christi für größeren Reichthum kennen lernten, als die Schätze Egyptens! Die Lauheit und das halbirte Wesen unter den Gläubigen nimmt überhand — die Liebe erkaltet in Vielen. — Wir stehen in den großen Stunden der Versuchung, die über den Erdkreis kommen sollen. Lassen Sie uns den Gnadenstuhl fest und immer fester umklammern, nur im Element der freien Gnade leben, im Lichte wandeln, wie Gott im Lichte ist, der Welt gekreuzigt und das Haupt und Herz nach dem, was droben ist, gerichtet. "Unser Weg geht nach den Sternen, der mit Kreuzen ist besetzt." Ich reiche Ihnen aus der Ferne im Geiste die Hand, und wünsche und erflehe Ihnen und mir ein "festes Herz," einen fröhlichen Glaubensmuth, Licht und Kraft zur Sclbstverläugnung und zur getreuen Nachfolge des Schönsten unter den Menschenkindern.

Wer den Sohn Gottes hat, der hat das Leben. Er wird's machen, daß die Sachen gehen, wie es heilsam ist; Laß die Wellen immer schwellen,— Wann Du nur bei Jesu bist.

Später schreibt er an dieselbe Freundin:

Unsere Zeit ist sehr böse und gefährlich in jeder Hinsicht. Die Ungerechtigkeit nimmt überhand, die Liebe erkaltet bei Vielen, und das ernste erschütternde Wort des HErrn: "Wo ein Aas ist, da sammeln sich die Adler," klingt mahnend durch den großen Abfall unserer Tage. Da gilt es, daß wir genau zusehen, wie es mit dem Oel in der Lampe steht, und daß wir fliehen auf die Berge, von denen uns Hülfe kommt. Tag und-Nacht in Waffen bleiben thut dringend noth, denn Satanas hat einen großen Zorn, weil er weiß, daß er wenig Zeit hat.

Lasten Sie uns einander ermuntern, theuerste Freundin, so lange es-Tag ist, und den ganzen Tag von früh bis Abend aufsehen zu Jesu, dem Anfänger und Vollender unseres Glaubens, damit unsere Hände nicht lässig werden und unsere Kniee nicht ermüden. Wohl uns, daß der Mensch lebt von einem jeglichen Wort, das durch den Mund Gottes geht, und-daß wir die rechte Speise und den rechten Trank im allerseligsten Sakramente Seines Leibes und Blutes haben und genießen dürfen, so oft die Noth und die Liebe uns treibt. "Kein Einwohner in Zion soll sagen: ich bin schwach, denn das Volk, so darinnen wohnet, wird Vergebung der Sünden haben."

Doch ließ er auch durch den Ernst der Zeit sich seine Freude im HErrn nicht verdunkeln. Und als sein Karl unter schweren eigenen Krankheitsschmerzen über das Elend der Zeit seufzend sich aussprach, da wußte er ihn gar kräftig und lieblich zu trösten:

"Wie weh thut mir Dein leiblicher Schmerz und wie viel An klang finden bei mir Deine Trauertöne über den jämmerlichen Zustand der Kirche. Aber nichts destoweniger darf ich zur Ehre des HErrn sagen, daß


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ich mit dem lieben Apostel in Demuth bekennen kann: "Als die Traurigen, aber allezeit fröhlich; als die Sterbenden, und siehe, wir leben! Ich mochte Dich dringend bitten, mein süßes Herz, gieb Dich dem Schmerz nicht allzusehr hin, sondern laß uns fröhlich sein in Hoffnung, geduldig in Trübsal und anhalten am Gebet. Denn der Herr Christus ruft uns zu: "Ich will euch nicht Waisen lassen. Ich komme zu euch!" Er ist im Schifflein und führt das Ruder mit allmächtiger Hand. Ja, Er wird machen, daß die Sachen gehen, wie es heilsam ist; laß die Wellen immer schwellen, wenn Du nur bei JEsu bist.

Mir klingt es oft wie ein Posaunenton durchs Herz, was Er Seinem kleinen Häuflein zurust: "Fürchte Dich nicht, du kleine Heerde, denn es ist eures Vaters Wohlgefallen, euch das Reich zu geben." Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein. — Die Freude an dem HErrn sei unsere Stärke, mein heiß geliebter Karl!

Einige Wochen später schreibt er:

O möchte es dem großen Arzt Israels gefallen, Deinen kranken Fuß in Seine gnädige Kur zu nehmen und Dir wieder Erleichterung zu verschaffen, daß Du fleißig fortfahren könntest in Deiner gesegneten Arbeit! ^aß uns doch nur nicht sorgen, mein Herzenskarl! sondern mit aufgerichtetem Haupt bei allen Stürmen, die über das Kirchenschifflein daher brausen, unter der Siegesfahne des Herzogs unserer Seligkeit fröhlich vorwärts gehen und singen: "Dennoch wird die Stadt Gottes fein luftig bleiben mit ihren Brünnlein, da die heiligen Wohnungen des Höchsten sind. Gott ist bei ihr darinnen, darum wird sie wohl bleiben; Gott hilft ihr frühe."

In dem letzten der Hunderte von köstlichen Briefe an seinen Karl, welche derselbe mir für diese Arbeit mitgetheilt hat, stehen merkwürdiger Weise die Worte:

"Der allerliebste Herr Jesus mache uns Beide auch dem theuren Simeon ähnlich, und lasse uns, wenn unser Stündlein kommt, im vollen Frieden durch des Lammes Blut heimfahren in die ewigen Hütten!"— Das war gleichsam sein Abschiedswort an seinen Herzenskarl.

55.

Um den Abend wird es Licht sein.

Bevor der HErr mit Seinem treuen Knecht ans diesem bösen Leben zum ewigen Freudenport eilte, setzte er ihm inmitten der mancherlei finsteren Wolken seines Lebensabends einen lichten Tag, an welchem, ich möchte sagen, kein einziges Wölklein den Hellen Sonnenschein trübte. Ich habe diesen Tag von früh bis zur Nacht mit dem theuren Jubelgreise verleben dürfen, nie in meinem Leben . habe ich einen helleren geschaut mit meinen Angen.

Am 24. Februar 1875 war ein Vierteljahrhundert verflossen, , seitdem der theure Hirte in der Bethlehemskirche seine Antritts-predigt gehalten hatte. Die Gemeinde sowohl, als alle näheren Freunde vereinigten sich mit einander, um diesen Tag ihm zu s einem Tage der Freude, des Jubelns und des Dankeus zu machen, s Er selbst hatte von all' den Vorbereitungen, die getroffen waren, ) keine Ahnung, stand am Morgen recht matt auf, und machte sich -auf einen nicht leichten Tag gefaßt, denn sein alternder Leib und 1 namentlich sein Kopf bereitete ihm oft schwere Stunden. Da ver- ) kündet in der frühen Morgenstunde ein Sängerchor mit fröhlichem z Gesänge dem Jubelgreise, daß heut ein Feiertag in seinem Leben -sei; ein Posaunenchor aus Rixdorf, seinem Filial, fügt gleich nach-her die Bestätigung hinzu. Er war mit seiner Haustaube kaum vom Frühstück aufgestanden, da öffnet sich die Thür und herein tritt der Gemeindekirchenrath und die gesummte Gemeindevertretung, um im Namen der Gemeinde den treuen Seelsorger zu begrüßen, und ihm die Geschenke derselben zu überbringen. Eine Deputation der derzeitigen Confirmanden schloß sich ihm an. Nachdem dann alle Anwesenden mit einander gesungen hatten: Lobe den HErren, den mächtigen König der Ehren, ergriff der langjährige Mitarbeiter und Mithelfer im Genwindekirchenrath und Mitkämpfer in der Friedrich-Werderschen Synode, Lederfabrikant Karl Kampffmeyer, das Wort, um ihm die Gefühle der Versammelten und den Dank aller seiner Freunde in herzbewegenden schlichten Worten auszusprechen. "Lobe den HErrn, meine Seele,

so sprach er. das ist der Grundton, der alle unsere Herzen und alle Herzen der Gemeindeglieder bewegt bei dem Gedanken an die unaussprechliche Gnade, die der HErr unserem theuren vielgeliebten Pastor erwiesen hat, und der Grundton der Dankbarkeit für den reichen Segen, den Er durch ihn der ganzen Gemeinde geschenkt hat. Aber mit dem Preise des HErrn verbindet sich auch der Dank für unfern lieben Seelsorger selbst, und es ist uns. den Deputaten, eine Herzensfreude, bezeugen zu dürfen, wie diese Dankbarkeit einen Ausdruck gesucht und in den zu übergebenden Liebesgaben gefunden hat." So führte er den Greis zu dem mit Festgescheuken aller Art reich besetzten Tisch, und bat, dieselben als Zeichen des allerherzlichsten Dankes und der allerinuigsten Liebe anzunehmen.— Nach ihm durfte der Herausgeber dieses Buchs dem Jubilar im Namen der Heiden, denen er so treulich gedient, insonderheit derer in Afrika und in China, seinen Dank und Glückwünsche bringen.

Inzwischen war das ganze Zimmer durch Blumen. Palmen, Topfgewächse in einen frischen grünen Blumengarten umgewandelt. Die Gaben der beiden Gemeinden, Bethlehem und Nixdorf, der Confirmanden, des Vorstandes des Frauen - Vereins für China und vieler Freunde aus der Nähe und der Ferne schauten aus Blumen und Palmen gar freundlich hervor. Wo nur die spähende Liebe einen Gegenstand hatte erdenken können, der dem Jubilar eine besondere Freude bereiten konnte, da war er beschafft, die reichverzierte Silber-Prachtbibel, das Porstsche Gesangbuch in gleichem Schmuck, der Reisepsalter, Bücher, Albums und andere Gaben fanden auf einem einzigen Tische nicht genügenden Platz.

Nachdem das staunende und dankbare Auge des Jubilars kaum einige Zeit gehabt hatte, an all den vor ihm ausgebreiteteu Liebespfändern sich ein wenig zu ergötzen, erging an ihn die Aufforderung , sich nunmehr in den mit seiner Wohnung verbundenen böhmischen Betsaal zu begeben, woselbst seiner eine neue Ueber-raschung wartete. Der Gemeindekirchenrath, welcher wohl wußte mit welcher zärtlichen Vaterliebe das Herz des theuren Greises an seinen innig geliebten Kindern hing, hatte dafür Sorge getragen, daß kein einziges derselben an diesem Tage fehlte. Aus Pommern Holstein, Schlesien waren sie herbei gekommen. Und da waren' sie nun alle, — in dem ebenfalls mit Blumen und Grün reich geschmückten Betsaal. Der hochbeglückte Vater konnte aber sich nicht enthalten, mit leuchtendem Auge und Angesicht seine geliebten Kinder sofort auf das Zärtlichste zu umarmen. Da saß er, wirklich wie ein Verklärter, vor dem Altar und der Kanzel des ihm so lieben Betsaales, zur Rechten sein Jonathan, zur Linken sein Johannes, und er neigte sich, während sein Herzenskarl vor ihm auf der Kanzel stand, strahlend von Jubelfreude bald rechts, bald links, um entzückt seinen geliebten Kindern die Hand zu drücken. Nie in meinem Leben habe ich einer: schöneren Anblick gesehen; eine Braut, die in ihrem Geschmeide "berdet," kann nicht herrlicher ausfehen, als die durch und durch verklärte Gestalt des theuren Greises in jener Stunde. Es mar, als ob seine Verklärung nicht blos in jeder Miene seines Angesichts, in jedem Blick seines Auges, sondern auch in jeder Bewegung seiner Hand, in jeder Beugung seines Körpers sich aussprach. Keine menschliche Kunst wäre im Stande gewesen, den Anblick zu fixiren. Es war wie ein Morgenglanz aus der Ewigkeit. Des Greises innigster Jugendfreund und Kamerad durch mehr als ein halbes Jahrhundert, sein Herzenskarl, hielt ihm die Festansprache über seinen Einführungstext ICor. 2,1—5, ihn erinnernd, wie er in der Ehre und Freude des Tages eine Antwort fände auf seine damaligen Gelübde und deren Lösung. Er selbst werde zwar durch die viele erfahrene Gnade im Amt und insonderheit den vielen Liebesbeweisen, die ihm der heutige Lag bringe, gegenüber, sich fürchten, so großen Dank hinzunehmen, allein er solle getrost auch Joh. 12,26 sich aneignen: "Wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren," und so möge er, namentlich nach so mancher Schmach, die er habe tragen müssen, nun getrost auch die Ehre annehmen, die der HErr an diesem Festtage auf ihn lege. — Nachdem sodann ein früher gedichtetes Lied des Jubelgreises "Dir will ich danken bis zum Grabe" gesungen worden war, ergriff dieser selbst das Wort zur Antwort. Sie lautete: "Ich schäme mich — mit Freuden!"

Inzwischen war von einem Gemeindegliede für den Jubelgreis und seine Gäste heimlich der Tisch gedeckt worden. Die Stunde verging in trautem Gespräch sehr schnell, und schon um drei Uhr wartete eine neue Feier des Jubelgreises im Betsaal. Eine große

Anzahl seiner früheren Confirmanden hatte sich versammelt, dem theuren Vater ihre Liebesgaben zu überreichen, welche in sinniger Weise auf einem Tisch aufgebaut waren; unter ihnen auch ein Gedenkbuch. in welches jeder einzelne Konfirmand auf seinem besonderen Blatt Namen, Gedenkspruch und Einsegnnngstag verzeichnet hatte. Man hatte die Blätter weit umher in die Fremde gesandt, um die Zahl möglichst vollständig zu machen. Knaks ältester und erster Berliner Confirmand (der Sohn seines Jugendfreundes aus der Caudldatenzeit, des Fabrikanten Lutze, der Geistlicher geworden war) hielt im Namen der übrigen Confirmanden eine warme Ansprache, die mit der Aufforderung an alle seine Mitfeiernden schloß, daß sie bei dieser festlichen Gelegenheit mit einander den Tanfbnud erneuern wollten, was dieselben denn auch in feierlicher und ergreifender Weise thaten. Der Jubelgreis antwortete bewegt, auf Grund des Wortes: "Kindlein, bleibet bei Jesu!"— und damit schlossen die eigentlichen Festlichkeiten des Tages ab. Die Kinder aber und einige Freunde und Beichtkinder blieben bis in die späten Abendstunden hinein mit dein glücklichen Greise vereinigt, bis endlich die Posauneubläser des Berliner Jünglingsvereins einen der köstlichsten Tage, die das so reich gesegnete böhmische Pfarrhaus erlebt hat, mit dem Choral: "Lobe den HErren, den mächtigen König der Ehren" abschlossen.

Dieser Tag war ein lichtheller Tag im Leben des treuen Bekenners und glich manches aus, was ihm angethan und an ihm Versäumt war. Der Jubilar aber schickte seine Seele hinauf in die Gedanken eines andern Jubeljahrs, das er droben mit seiner Mathilde und allen Heiligen im Lichte feiern sollte, und das er nach weniger Jahre Frist nun erreicht hat.

56.

Nun nach Hause!

So wie jeder Mensch sein Leben nur rückblickend versteht, so-sind die mancherlei ahnungsvollen Vorboten, durch die der HErr hat zeigen wollen, daß Er vorhahe, in diesem Jahre 1878 seinen lieben Knecht auszuspannen, auch erst nachträglich seinen Freunden deutlich geworden. Es war aber wirklich, als habe der theure Knak förmlich in allen Stücken vor feinem Scheiden seine letzten Anordnungen treffen müssen, obschon er so wenig als Aridere ein Bewußtsein davon hatte, wie die Stunde seiner Erlösung so nahe sei. Eins dieser merkwürdigen Zeichen, daß der letzte Brief an seinen Karl, der uns vorliegt, eine so deutliche Hinweisung auf sein Scheiden enthielt, haben wir bereits oben angeführt. An dieses-Zeugniß reihten sich bald andere.

Am 22. Mai besuchte ihn ein Amtsbruder, dein er für sich und alle seine Genossen im Amt ein kostbares Vermächtnis; hinterlassen konnte. Derselbe theilt in dem Bericht über seinen Besuch folgende Worte des lieben Vaters mit:

Je mehr ich mich dem Grabe nähere, desto mehr erkenne ich, wie unsere Hauptarbeit auf den Knieen geschehen muß. Ich denke oft daran, wie Abraham, David, Paulus u. A. sich auf die Kniee warfen und im Staube sich demüthigten vor dem großen Gott, wie viel mehr müssen wir es thun! Wie der Apostel Paulus Col.4,2 die Colosser ermahnt: "Betet für uns, daß Gott uns die Thür des Wortes aufthue, zu reden das Geheimuiß Christi," so sage ich auch oft zu meinen Gemeindegliedern: "Wenn ihr geistliche Gaben von mir begehrt, so müßt ihr sie mir von dem lieben Gott erbitten." Dies Gespräch, fügt jener Geistliche hinzu, war mir vou hoher Bedeutung; ich nahm den Eindruck mit hinweg, mit einem Gottesmann zusammen gewesen zu sein.

Im bald darauf folgenden Pfingstfest besuchte ein alter Freund von Knak, ein Gärtner aus der Provinz, ihn, um sein Herz auszuschütten in Betreff einer kranken Schwester, einer früheren Diakonissin, deren Ende stündlich erwartet wurde; der Arzt hatte höchstens 24 Stunden Frist gestellt. Knak kniete mit ihm nieder zum.

Gebet, und gewann Freudigkeit, um das Leben und die Genesung der kranken Schwester Zn bitten,— und von Stund an wandte sich die Krankheit, und die fast Sterbende genas wie durch ein Wunder Gottes.

Am 20. Juni war er zum letzten Mal auf dieser Erde mit seinem Herzenskarl zusammen. Sie sprachen lobend und dankend über die mannigfaltige und unendlich wunderbare Erbarmung des-HErrn, die sie ans ihrem so eng mit einander verbundenen Lebenswege erfahren dursten. Dann knieten sie mit einander nieder an. derselben Stelle, an welcher der selige Jaenicke gestorben war, uud-nahmen also betend Abschied von einander; sie ahnten nicht, daß ihr nächstes persönliches Wiedersehen vor dem Throne des Lammes sein würde.

Eine der letzten und größten Freuden seines Lebens war es,, daß der Pastor Klitzke, der treue Hausvater von Hongkong, seine rechte Hand bei demjenigen Werke, welches er so recht eigentlich-als seinen Augapfel liebte, und täglich in innigster Liebe betend ans dem Herzen trug, gerade in den: letzten Jahre eine Besuchsreise nach Deutschland angetreten hatte. In den ersten Tagen des Juli, seines Sterbemonats, war es nun, als müßte er mich in Bezug ans Bethesda diesem sein Vermächtniß hinterlassen. In früheren Jahren hatte er ja den Gedanken, den er mir oft nahe ans Herz gelegt hatte, ich (der Herausgeber dieser Lebensbeschreibung) solle für den Fall seines Todes sein Nachfolger in der Leitung dieser seiner chinesischen Missionsarbeit werden. Seitdem aber das Comite der südafrikanischen Mission mit großer Bestimmtheit die Aufnahme der chinesischen Mission in den Bereich unserer Arbeiten abgelehnt hatte, nachdem auch meine Augenschwäche es mich als unmöglich hatte erkennen lassen, neben meiner afrikanischen Korrespondenz auch noch die chinesische zu übernehmen, hatte er sich in Gottes Willen gefunden und denselben darin erkannt, daß. Hongkong nicht einer der bestehenden Missionsgesellschaften angefügt werden solle, sondern selbständig weiter arbeiten müsse. Der ihm oft von anderer Seite her entgegengetragene Gedanke: "Was soll aus Bethesda werden, wenn Knak stirbt, das ganze Werk steht auf zwei Augen," hatte ihn öfters beschäftigt. Der HErr hatte ihm

aber die Antwort gegeben: Nein, Bethesda steht nicht auf zwei Menschenaugen, sondern auf der barmherzigen Samariterliebe des Herrn Jesu und wird weiter bestehen durch dessen Gnade, auch wenn der Gründer nicht mehr es leitet. Jetzt lag es ihm nun vor Allem daran, mit seinem geliebten Bruder Klitzke vor seinem Scheiden noch einmal Alles gründlich zn durchsprechen, wie es gehalten werden solle nach seinem Tode. Er hatte ja den besonderen Wunsch, daß sein Sohn Johannes sein Nachfolger an Bethlehem werden möchte. Aber er wagte die Erhörnng dieses Wunsches doch noch nicht so ganz gewiß sich aneignen zu dürfen, weil doch mancherlei nicht leicht wiegende Bedenken entgegenstanden. So mußte Klitzke ihm immer wieder von Bethesda erzählen, bis in die einzelsten Kleinigkeiten hinein, und er wurde selbst da, wo derselbe sagte, er habe ja Alles schon erzählt, nicht müde, immer wieder zu bitten; ach, er höre es doch so sehr gerne immer wieder. Er lebte wirklich mit der dortigen Anstalt und mit jedem einzelnen Miede des Hauses so, als ob sie leibhaftig vor ihm ständen, — obschon sein sehnlicher Wunsch, einmal selbst hinanszngehen, für die Zeit seines Erdenwallens unerfüllt blieb.

Eine besondere Freude war es daher für den theuren Vater, im Anfang Juli noch einmal mit seinem geliebten Br. Klitzke eine Missionsfestreise machen zu dürfen, und zwar gerade zu derjenigen Gemeinde in Westfahlen, die so recht eigentlich eine Hülfsgemeinde für Bethesda war, der in Exter (s.o.). Er hatte ja zwar, wie gewöhnlich, noch weitere Einladungen für die benachbarten Orte erhalten, nach Lemgo und Heiden; dieselben hatte er aber dem Br. Klitzke überlassen, denn er wollte am 7. Juli noch selbst seiner-lieben Bethlehemsgemeinde predigen. Von dieser Predigt schreibt wir ein Gemeindeglied, das sie gehört hat, folgendes:

Unser lieber, geistlicher Vater predigte am dritten Sonntag »ach Trinitatis am Vormittag über das Sonntagsevangelium Luc. 15,1—10. Dieses war ja eins seiner liebsten Evangelien, so herrlich und schön sie »auch alle sind; das hatte er uns oft eingestanden. Handelt es doch von dem großen Sünderheiland, der die Sünder annimmt und von der großen Liebe, die der treue Hirte zu den verlornen Schafen hat. O, wie hatte unser unvergeßlich lieber Vater uns in dieser Predigt den lieben Heiland wieder so süß vorgemalt, zumal er es so köstlich verstand, wie wohl kaum «in zweiter Knecht Gottes. Wie machte er uns von neuem Muth, uns immer inniger ein Herz zu Ihm zu fassen. Das Bekenntniß der Feinde, als da waren die Schriftgelehrten und Pharisäer: Dieser nimmt die Sünder an und isset mit ihnen, war unserem lieben Vater besonders tief ins Herz gegangen. Damit wir nun ein recht freudiges Vertrauen zu unserm lieben Heilande haben sollten, ob wir auch noch so schwer beladen wären, deutete er noch insonderheit daraus hin, daß es des Herrn Jesu Feinde bezeugen mußten. Auch erwähnte er, daß auch er von diesen Feinden lernen wolle, und daß diese Worte ein ganzer Himmel von Seligkeit für ihn wären, Ja, dieses Bekenntniß durchdrang seine Seele so tief, daß er laut ausrief: Wenn ich mal auf meinem Sterbebette werde liegen, dann werde ich meine Kinder bitten: Leset mir Luc. 15, und wenn sie an diese Worte kommen, dann will ich es noch mit beten: Ja, Jesus nimmt die Sünder an. Zum Schluß der Predigt theilte er uns noch mit, daß er sich zum Missionsfest nach Exter begeben werde, worauf er sich freue, und er äußerte dabei: Wie freue ich mich, zu ihnen gehen zu dürfen, zu den Lieben nach Exter, o! wie will ich ihnen den Heiland so süß vormalen. Dann empfahl er sich dringend unserer Fürbitte.

Am 8. Juli traf Knak dann mit Klitzke in Exter zusammen, mn dort Tags darauf das letzte der durch seine Mitarbeit so reich gesegneteil Missionsfeste abzuhalten. An dem Tage (9. Juli) rauschte der Segen des HErrn noch einmal in altgewohnter Fülle. Wenn etliche seiner Freunde in den letzten Jahren seines Lebens hatten bemerken wollen, daß die alte gewohnte Schwungkraft bei den Feft-predigten doch zu schwinden begönne, und sogar die Gemeindeglieder nicht mehr so massenhaft als sonst von Nah und Fern zusammen strömten, wo Knak predigte (Knak ist kein Zieher mehr, hatte ein Prediger sich geäußert), so war von dem allem an diesem Tage nichts zu spüren. Der dortige Pastor schreibt: "Er predigte so frisch und kräftig, wie in früheren Jahren, und war insonderheit fröhlich und innig." Br. Klitzke aber giebt in einem Brief einer Freundin einen eingehenden Bericht von jenem Festtage.

Der Festtag in Exter war wonnig. Alle Regenaussichten durchleuchtete die schöne Sonne und auf allen Steigen und Wegen strömten die Fest-genossen herbei. Der Posaunenchor von Herford war anderthalb Stunden weit gekommen und grüßte uns mit dem "Wie schön leucht't uns der Morgenstern." Um zehn begann das Fest. Wir fuhren dahin auf einer Art Kartoffelkastenwagen, saßen in dem Behälter auf Stühlen. Pastor Knak vorwärts, Brünger und ich seitwärts. Die anstrebende Kolonie des Pfarrhauses, bestehend aus etlichen westfählischen Rothbacken kräftigen -Schlages, bewegte sich wohl auf dem anderen aber nicht mehr ungewöhnlichen Wege nach dem etwa zehn bis fünfzehn Minuten vom Psarrhause

lieblich auf einer Anhöhe belegenen Gotteshause, wo wir Alles bis vor die-Thüren hinaus beseht fanden. Die Fahrt erschien mir bei aller Müdigkeit so seltsam, daß ich am Morgen des Geburtstages des lieben Pastorseine Erinnerungsskizze davon entwarf, und ihm dieselbe zum Geburtstage schenkte. Das Fest war köstlich. Vormittags fing Pastor Knak an, und ich schloß mit allgemeiner Missionspredigt und Bericht. Nachmittags sing, ich an, und die Liebe zu unserm Werke ließ das Bächlein meiner Rede zu einem kräftigen Flusse anwachsen, wenigstens war er im Stande gewesen, den sehr lieben Bruder Brünger fortzureißen, der ebenso wie unser lieber Vater Knak sehr erfreut war. Pastor Knak schloß und segnete die Gemeinde. Erst nach fünf Uhr endete das Fest. Liebliche Stunden, die ich nie vergessen werde, und in denen ich ohne Zweifel mehr empfangen als gegeben habe.

Die Predigt schnitt so tief ein. daß eine Frau beim Herausgehen zu dem Juden - Missionar P. Wallis sprach: "De Knak predigt,., as wenn he all in' Himmel neier."

Von anderer Seite her erfahreil wir über dies letzte Missionsfest, das Knak auf Erden gefeiert hat, daß der Text, den er zn jenem wählte, "Jesus nimmt die Sünder an, und isset mit ihnen" (Luc. 15, 2), derselbe Text sei, den er schon vor drei Jahren für seine eigene Leichenpredigt bestimmt habe. Er ahnte nicht, daß drei Wochen später über diesen Text sein geringer Bruder ihm wirklich die Leichenpredigt halten werde. Oder war es wirklich eine Ahnung, als er nach Verlesung des Textes selbst sagte, er habe sich diesen Text zur Leichenpredigt auserwählt? Alles, sagte er dazu, könne der HErr Jesus, nur Eins könne Er nicht, nämlich einen armen Sünder, der zu Ihm komme, znrückstoßen. Nach der von innerlicher Freude glühenden Predigt war es, als ob ihm, da er von der Kanzel Herabstieg, die Freude des HErrn aus dem Angesicht leuchtete, und wiederholt rief er aus: Ach, ich freue mich so! ich bin so glücklich! Einem theuren Amtsbruder, der ab und zu schwermüthig war, fiel er um den Hals und bat ihn: "Ach, Sie müssen nicht mehr traurig sein! Sie müssen nun auch fröhlich sein!" Und in ähnlicher Weise redete er auf dem Rückwege von der Kirche zum Psarrhause eine ganze Anzahl Festbesucher, die sich an ihn drängten, um noch ein Wort oder Händedruck von ihm zu erhaschen, in lieblicher Weise an. Aber einem Amtsbruder, der aus weiter Ferne, aus dem Königreich Sachsen gekommen war^ s hat er einen ganz besonderen Segen hinterlassen. Derselbe wao

Mit seinem Glaubensleben etwas ins Schwanken gerathen, Knaks letzte Missions-Predigt hat ihn wieder anfgerichtet und ganz fest gemacht. Ob er ihm es noch persönlich gesagt oder gedankt hat, wissen wir nicht. Aber den Palmenzweig, den er zum 1. Aug. von Sachsen aus auf Kuaks Sarg gesandt hat, haben wir gesehen und den dankbaren Brief, der den Zweig begleitete, haben wir gehört. So haben die Segensströme, die Knaks Missionsfestpredigten in früheren Jahren begleiteten, nicht aufgehört zu rauschen, bis zu seinem letzten hin! — Zu der Schlußansprache des Nachmittagsgottesdienstes hatte er den Text gewählt Ps. 119, 76: "Deine Gnade müsse mein Trost sein, wie Du Deinem Knechte Zngesagt hast!", womit er V. 92 verband: "Wo Dein Gesetz nicht mein Trost gewesen wäre, so wäre ich vergangen in meinem Elend!" Der erste dieser Sprüche, sagte er, sei schon seit längerer Zeit sein tägliches Abendgebet. Er erzählt im Laufe der Ansprache eine Bekehrungsgeschichte aus seiner ersten Gemeinde, berichtete von den Kindern und Schwestern des Findelhauses, las Briese und Gedichte vor, empfahl eine kranke Schwester (Emilie Josephson) der Fürbitte der Gemeinde und ertheilte zum Schluß den Segen voni Altar aus. — Das war Knaks letztes Missionsfest.

Am folgenden Tage, den 10. Juli, reiste er mit seinem geliebten Bruder Klitzke nach Berlin zurück. Das war eine köstliche Reise. Die beiden Brüder waren allein im Coups, Knaks Herz floß über von Freude und Dankbarkeit für allen empfangenen Segen, und Beide beugten im Coupö die Kniee zu einem heißen Dankgebet. Dann drang Knak in seinen Freund, daß er, nachdem er am 11. die Missionsstunde für China gehalten hatte, doch auch am 12., als seinem Geburtstage, bei ihm bleiben müsse. "Sie müssen bei mir bleiben, sagte er, es ist ja der einzige Geburtstag, den Sie mit mir feiern können." Daß es der letzte sei, ahnte er nicht, obschon er, wie Klitzke erzählt, täglich damals Ewigkeitsgedanken hatte und äußerte.

Schon am frühen Morgen des 12. Juli, als seines dreiund-fiebenzigsten Geburtstags, brachte der Briefträger die Grüße und Glückswünsche aus weiter Ferne, fünfzehn Briefe, die Zeugnisse der Dankbarkeit der schreibfähigen chinesischen Findelkinder, und den Glückwunsch des chinesischen Lehrers        welche

Klitzke sofort ins Deutsche übersetzen konnte.

Bald strömten nun auch die        deutschen Freunde herbei mit        »

ihren Glückwünschen und mit ihren        reichen Spenden von Blumen.        W

Er antwortete etlichen: "Sehen Sie da, der HErr sendet nur » lauter Predigten in diesen Blumen,        die so wohl duften! Ich sott        V

Christo ein guter Geruch werden!        O der köstliche Heiland!"—        >

Solche Gedanken kamen ihm, so oft die Liebe seinen Tisch mit I Blumen, die er so sehr liebte, ausschmückte.        Er schrieb        z. B. am        I

13. Juli 1871 an seinen Karl: "Die vielen        duftenden        Blumen,        >

die ich empfing, haben mir alle die eine Predigt gehalten, daß ich « ein guter Geruch Christi werden möge. Der        HErr aber        rief mir        »

zu: 'Ich will Israel ein Thau sein, daß er        soll blühen,        wie eine        I

Rose.' Wie muß es doch, mein Herzenskarl,        im Lande der Herr-        >

lichkeit, wo wir den Gott, der die Liebe ist,        schauen sollen, einst        >

werden, wenn die Tropfen aus diesem unergründlichen Meer uns- ß hier schon so erquicken und stärken können!" — Aehnliche Gedanken        ß

mögen auch an diesem letzten Geburtstag durch sein Herz gegangen        I

sein. Den Abend desselben verlebte er, wie        er so gern that, im        4

Kreist seiner nächsten und liebsten Freunde.        Er verabschiedete sich        1

von ihnen, — wie er meinte, für seine demnächst anzntretende Reist nach Dünnow zu seinen Kindern. Aber seine letzten Worte, die er den Scheidenden nachrief: "Lassen Sie uns einander vor        1

Gott gedenken!" haben manchem von ihnen doch so ganz besonders        j

ins Ohr geklungen.

Wie glücklich er an diesem seinem letzten Geburtstag sich ge- . fühlt hat, das schreibt er Tags darauf an seine zärtlich geliebte i Nichte Bertha Stiffelius: "Ich habe gestern einen köstlichen Tag verleben dürfen. Liebes thau strömte durch Gottes Gnade von früh ! bis spät auf mich nieder und erfüllte mein Herz mit Scham und Freude. Von nah und Fern wurden mir Segenswünsche ins Herz gerufen. Abends hatte ich einige liebe Freunde bei mir, und wir beschlossen den Tag, wie er angefangen war, mit Preis und Dank."

Am Sonnabend den 13. Juli hielt er die letzte seiner so reich gesegneten Früh-Betstunden im böhmischen Betsaale mit besonderer Innigkeit und Dringlichkeit. Wie gewöhnlich war die Tageslosung der Text zu seiner Ansprache. Er theilte der kleinen Schaar der um ihn Versammelten mit, daß er nun an eine kurze Ausspannung

denke, befahl sich ihrer treuen Fürbitte; aber erinnerte auch ernstlich daran, sie möchten die von ihm gesprochenen Worte ja in ihrem Herzen bewegen, es könnten ja vielleicht die letzten sein, die er in diesem lieben Betsaal zn ihnen rede.

Die Predigt, die er am folgenden Tage, den 14. Juli (4. n. Trin.), in der Bethlehemskirche hielt, war seine letzte. Eine Zuhörerin berichtet über dieselbe Folgendes:

Am vierten Sonnt, nach Trin., als zwei Tage nach seinem Geburtstag, hielt unser lieber Heimgegangener Vater seinen Beichtkindern die letzte Predigt über das Evang. Matth. 6,36, wo er uns aufs dringendste bat, doch auch barmherzig zu werden, wie auch unser Vater im Himmel barmherzig ist. Was mir so ganz besonders tief ins Herz gefallen ist aus dieser Predigt, ist folgendes. Unser lieber Vater bezeugte nämlich unseres himmlischen Vaters große Liebe und Lindigkeit gegen uns, wie Er immer so barmherzig und gnädig mit uns umgehe und wie wir immer wieder kommen dürften. Da fragte er uns aufs Gewissen, ob wir auch so barmherzig wären gegen unsre armen Brüder und Schwestern. Er zeigte uns gleich ein Beispiel: Wenn wir am Tage von vier bis sechs Armen angesprochen werden, von solchen, die an unsre Thür klopfen, da sind wir wohl noch freundlich gegen sie; kommen aber zwanzig bis dreißig, fragen wir uns da einmal: Sind wir auch gegen die Letzten immer barmherig und freundlich? Mit solchem Maß gemessen, muß ich bezeugen: Ich habe mich tief geschämt gegen Gottes Wort und die Liebe unseres Vaters zu seinen Brüdern; denn ich wäre wohl empört gewesen, wenn nur zehn gekommen wären. Er nahm dann aufs herzinnigste von uns Abschied, forderte uns zur treuen Fürbitte auf, und pries uns aufs neue das Lesen des Wortes Gottes nach dem Bibellesezettel wenigstens des Morgens an, damit wir täglich mit einem Lebenswort gespeist und in treuer Fürbitte mit vielen lieben Christen dann aufs innigste verbunden blieben.

Nach der Predigt empfahl er sich seiner Gemeinde im Hinblick auf die bevorstehende Reise zu fortdauernder Fürbitte, und legte auch diesmal das gesprochene Wort den Hörern dringend ans Herz mit Hinweisung auf die Möglichkeit, daß er zum letzten Male zu ihnen gesprochen haben könnte. Dann bereitete er sich, mit der Gemeinde das heilige Abendmahl feiern zu können. Pr. Klitzke verwaltete es. Er empfing es mit tiefer Bewegung, und drückte, in die Sakristei zurückgekehrt, den Pr. Klitzke an seine Brust und sprach in warmen Worten seine große Freude darüber aus, daß er auch ein von Jesu Christo zu Gnaden angenommener Sünder sei und das fröhlich glauben dürfe.

Vor seiner Abreise nach Dünnow hatte er noch den großen Schmerz, es erleben zu müssen, daß sein theurer Freund, der Lederfabrikant D. Kampffmeier, der langjährige treue Schatzmeister der Berliner Missionsgesellschaft, Bruder seines treuen Freundes und Mitkämpfers aus der Friedrich-Werderschen Synode, am 16. Juli früh nach kurzem Krankenlager starb. Er hätte ihm so gern die Grabrede gehalten, und durfte doch, das fühlte er, die zn morgen angesetzte Abreise nach Dünnow nicht verschieben. So nahm er denn, wie so häufig, seine Zuflucht zum Misstonshause, wohin ich durch den Ausfall eines bereits angesetzt gewesenen Missionsfestes gerade an dem Tage zurückgekehrt war, mn am folgenden Tage meine Reise sortzusetzen. An dem Nachmittag habe ich ihn zum letzten Mal in meinem Leben gesehen; sein letzter Besuch, den er in Berlin gemacht hat,        war        der in dem von ihm so heiß geliebten

Missionshause;        es war,        als        hätte        er kommen müssen, um auch von

diesem noch Abschied zu nehmen. Es that mir so unbeschreiblich weh, dem geliebten Vater die Bitte, an seiner Statt die Leichenpredigt „zu übernehmen, abschlagen zu müssen, — obgleich ich nicht ahnte, daß dies seine letzte Bitte an mich sei. Aber ich war durch bereits -angesetzte Missionsfeste schon für den folgenden Tag gebunden. Knak war an jenem Nachmittag eilig, so daß wir nicht zuvor, wie wir Pflegten, die Kniee zum Gebet mit einander beugen konnten, und daß ich nicht,        wie so        oft,        seine        segnende Hand auf mein Haupt

empfing. Wie        weh ist        mir        diese        Erinnerung. Ach, daß wir doch

nie und nie die Gelegenheit versäumen möchten, wo wir einen Segen empfangen könnten. Am folgenden Morgen reiste er nach Dünnow ab. Noch zehn Tage irdischer Ruhe nach langer anstrengender Arbeit gönnte der HErr seinem geliebten treuen Knecht im Kreise seiner Kinder und Enkel, bevor er ihn heimnehmen wollte zur himmlischen Ruhe. Seine Tochter Elisabeth Hammerschmidt, die geliebte "Haustaube", war zu seiner großen Freude auch nach Dünnow gekommen.

Wie harmlos kindlich er sich da freuen und mit den Kindern ein Kind sein konnte, das möge uns sein Enkel, der elfjährige Martin Preuß, erzählen. Derselbe schreibt mir, wie er den 26. Juli, Iren Tag vor dem Todestage, mit seinem lieben Großvater verlebt .habe:

"Am 26. Juli fühlte sich Großvater morgens nicht ganz wohl. Ich hörte davon und wollte ihn, wie sich von selbst versteht, nicht verlassen, denn er hatte mich zu seinem Badekameraden ernannt. So blieb ich bei Großväterli. Gleich, als meine Eltern fortgefahren waren, holte ich meine lateinischen Bücher und nahm bei ihm Stunde. Dann verlangte er zu essen. Da schrie auf eininal die kleine Else, und Großvater rief mich, ich möchte sie ein wenig wiegen. Wie er gegessen hatte, ging ich mit ihm herauf und verbesserte die Fehler; er schrieb einen Brief. Dabei sah er mich minutenlang so freudig an, daß ich ganz heiter wurde. Wie die Verbesserung fertig war, sagte er: Martin, gieb mir einen Kuß, und gehe etwas herunter, ich will ruhen. Das sagte er alles so mit Nachdruck, daß ich fast erschrak. Ich ging herunter und as; Kirschen. Da kam mit einem Mal Jemand an und fragte, ob es gut schmecke. Ich sah mich um und sah Großväterli lachend hinter mir stehen. Ich pflückte ihm ein Paar süße Kirschen und spielte etwas Kegel. Er warf 4, 12, 3. Wie er 12 geworfen hatte, freute er sich sehr. Darauf gingen wir zusammen in die Laube. Dort erzählte er mir von den Heiden, und sagte, ich sollte Missionar werden. Er sagte: 'Es ist doch schön, solchen Heiland zu haben. Martin! Martin! Was würde sonst aus uns! Du mußt dich ganz an Ihn hängen, und Ihm, deinem Heiland, und deinem Vater Freude machen. Denn das ist was Schönes.' Da kamen die Eltern. Wir gingen ihnen entgegen."

Ueber alle Freude des stillen Landlebens und über alle liebliche Erholung im Kreise der Seinen weilten seine Gedanken aber doch allezeit bei seiner geliebten Bethlehemsgemeinde. Am nächsten Sonntage sollte ihr sein Neffe, der Prediger Dane, das Lebenswort verkündigen. Er konnte sie und ihn nicht ohne Segenswunsch lassen. Er schrieb an Dane an dein Nachmittage des 26. Juli: "Geliebter Otto! Von Herzen grüße ich Dich sammt allen meinen Lieben, mit denen ich hier in herzlicher Liebesgemeinschaft weile, und wünsche Dir zum Sonntag viel Gnade und Kraft des Heiligen Geistes zur Predigt. Ich will den HErrn bitten, daß Er einen Strom lebendigen Wassers von Deinem Leibe fließen, und die Gemeinde erquicken und aus dem Heilsbrunnen tränken wolle. Bestelle ihr auch von mir einen sehr warmem Gruß und Segenswunsch im

Knak. 2. Ausl.        30


466-480

2Cor. 5,4.

Luc. 16,22. Joh. 14,2.

Offb. Joh. 14,13. Jef. 57,2.

ICor. 15. 3.4.

Offb. Joh. 7.17^

Joh. 5.28. ITHess. 4,16.

Phil. 3.21. Matth. 13,13.

Pf. 84,3.

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Namen des HErrn. Friede sei mit Dir und Deinem getreuere Onkel G. K."

Als er am folgenden Morgen (27. Juli), seinem Todestage, anfwacbte, begrüßte ihn sein getreuer Herzenskarl mit der Tages-Losung des Lebensbaums (einer Sammlung von Losungen für die Mitglieder des von Knak so innig geliebten Bibel-Lesevereins) :

ist unser Ariede.

Eph. 2,14.

So ruh' ich nun, mein Heil, in Deinen Armen!

Du selbst sollst mir mein ew'ger Friede sein;

Ich hülle mich in Deine Gnade ein!

Mein Element ist ewig Dein Erbarmen,

Und weil Du mir mein Ein und Alles bist,

So ist's genug, wenn Dich mein Geist genießt!

Um sieben Uhr früh ging Martin, der kleine bevorzugte Bade-kamerad, hinauf zu seinem Großväterli und fragte ihn, ob er wieder mit ihm zu Hause bleiben wollte. Derselbe antwortete: "Aber Martin, es ist ja dein letztes Bad!" (derselbe sollte nämlich am folgenden Tage nach beschlossenen Ferien wieder zum Gymnasium Zurückreisen). So fuhr er denn mit seinem Schwiegersohn, P. Preuß und dessen Kindern, morgens zehn Uhr nach Stolpmünde zum Seebade. Er nahm, nachdem er vor vier Jahren anfgehört hatte, kalt Zu baden, nur noch warme Seebäder. Unterwegs sprachen sie viel von dem frohen Wiedersehen in der seligen Ewigkeit. Preuß erinnerte den geliebten Vater an sein vor zwei Jahren entschlafenes Töchterlein Elisabeth, das der Großvater so sehr lieb gehabt hatte. Er antwortete: "AberJesum sehen, geht doch über Alles!" So kamen sie in Stolpmünde an. Das Bad behagte dem theuren Vater diesmal so sehr besonders; er blieb länger darin als gewöhnlich und sagte beim Herausgehen zu seinem Badekameraden-. "O Martin! War dies Bad schön!" Er spielte und scherzte mit demselben. Als er badete, bespritzte er ihn mit kaltem Wasser» griff ihn hernach; er mußte Schiffer spielen, Paul Groth war Ca-pitain, Onkel Jonathan Hauptmann, seinen Badekameraden ernannte er zum Lieutenant. Auf dem Heimweg sprach und erzählte er besonders lieblich. Um ein Uhr kam die Badegesellschaft im

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trauten Pfarrhause von Dünnow wieder an. Hier verzehrte er mit vorzüglichem Appetit sein Mittagbrod, und äußerte dabei: "Ich möchte morgen predigen!" (Die neue Kirche sollte aber erst am 4. Aug. eingeweiht werden, und es war verabredet, daß er in derselbe!: das erste Kind taufen sollte.) Nach dem Mittagessen hielt er wie gewöhnlich seinen Mittagsschlaf und genoß den Kaffee fröhlich und heiter im Kreise seiner Lieben. Seinen Badekameraden Martin nahm er dann noch mit auf seine Stube und lehrte ihn das Gedicht: "Kaiser Rudolfs Ritt zum Grabe!" Nachdem er dies verhört, sagte er zu ihm: Martin, mein Martin, ich liebe dich so innig sehr. Martin lachte und rief keck: "Aber ich dich doch noch viel mehr!" Da hob der Großvater freundlich lächelnd den Finger auf und sagte: "Warte nur, du! Ich werde dich wohl mal sehr hauen müssen!" Ach, fuhr er dann liebkosend fort, Martin, wir müssen uns einmal vierzehn Tage allein haben. Wenn du versetzt wirst, schicke ich dir Geld und du kommst zu mir!

Er mußte sich an diesem Nachmittage doch wohl etwas angegriffen fühlen. Er blieb wenigstens zu Hause, als die übrigen gingen, um die neue Kirche anzusehen; er meinte, er wolle sich das bis morgen sparen — da hat er freilich eine schönere zu sehen bekommen! — Er schrieb inzwischen einen Brief an Pastor Klitzke mit der Bitte, er möchte doch nach Pommern kommen, um dort mit ihm gemeinschaftlich ein Missionsfest zu feiern — sein letzter Brief, den er geschrieben hat. Dann ging er im Garten spazieren, und sah hernach mit seinen: Schwiegersohn die Liturgie durch, welche dieser für die Einweihung der neuen Kirche zusammengestellt hatte. In derselben haftete sein erfreutes Herz besonders an dem Lobgesang des Simeon, den ihm Preuß singen mußte. Er hörte mit großer Andacht zu. Es war, als ob ihm sein eigenes Heimgangslied gesungen werden mußte.

Das Abendbrod schmeckte ihm wieder ganz besonders gut, er blieb nachher länger als gewöhnlich bei Tische sitzen. Sie sprachen über die sittlichen Zustände unseres Volks; über einen betreffenden Leitartikel des Reichsboten sprach er seine besondere Freude aus und fügte hinzu: "Es scheint, als ob eine Stunde der Finsterniß über unser Volk gekommen ist." Hernach mußten die drei Enkel, wie sie versprochen, ihm noch etwas aufsagen, und er hörte mit

30 <1>

        <1> In merkwürdiger Weise erfüllte sich hier der Ausspruch Luthers, den Knak als Kandidat gewissermaßen als seine Lebensregel über seine Thüre geschrieben hatte: "Aber das ist ein Wunder, daß wer sich an Gottes Wort hält, soll den Tod nicht fühlen, sondern gleich wie in einem Schlaf dahin fahren, und soll nun nicht mehr heißen, ich sterbe, sondern ich muß schlafen" (S. 76).

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stillem Lächeln zu. Dann hielt er mit Allen die Abendandacht, und gab Allen zum Abschied, wie er meinte, für diesen Tag, aber wie Gott es schickte, für dies Leben väterlich und zärtlich die Hand.

Es mochte r/rll Uhr geworden sein. Da ergriff er sein Licht und ging sicher und fest allein die Treppe hinauf, kleidete sich sauber und rein um, und legte sich zur Ruhe. Seine Tochter Marie Preuß war bei ihm, die jüngste Tochter, Elisabeth, schickte er zurück zu ihren Kindern. Ihm sei zwar nicht ganz wohl, meinte er; aber es sei durchaus nichts Aengstliches, sie könne getrost zu ihren Kindern gehen.

Als sie fortgegangen war, begann er unruhig zu werden, Schweiß bedeckte sein Angesicht. Schnell wurden die übrigen Kinder gerufen. Elisabeth hielt den geliebten Vater im Arm und glaubte sicher aus seinem Munde die Worte zi: hören: "Kinder, ich gehe bald von Euch!" Dann hustete er. Es war, als ob der Schleim auf seiner Brust fest liege. Es litt ihn nicht im Bette. Er stand wieder auf und sprach zu Marie: "Hörst du das Röcheln? Trockne mir doch den Schweiß ab!" Es war kalter Todesschweiß. Schmerzen hatte der theure Vater nicht, nur eine gewisse Unruhe. Was ist das für ein Husten?" sprach er. Dann wurden seine Worte undeutlich; nur das Eine noch verstand seine Marie: "Abendmahl!" Er schwankte. Preuß umfaßte ihn mit seinen Armen: "Lieber Vater, leg' dich nieder!" Er war kräftig genug, es allein zu können. Die Umstehenden riefen: "Er stirbt uns!" Er aber legte sich ins Bett und zog selbst die Füße nach. Dann veränderte sich sein Angesicht, das Auge wurde starr, als sähe er nicht mehr. Noch einmal öffnete er seinen Mund und rief laut und vernehmlich: "HErr JEsu, nimm meinen Geist auf!" — Und er war heimgegang-en zu seinem gnädigen Heiland! Es war ^11 Uhr Abends. Die Enkelkinder waren still herangetreten. Keiner konnte weinen, es war, als ob Alle die Majestät des HErrn spürten, der gekommen war, um seinen lieben Knecht heimzurufen mit dem Kuß seines Mundes. <2>)

        <2> In merkwürdiger Weise erfüllte sich hier der Ausspruch Luthers, den Knak als Kandidat gewissermaßen als seine Lebensregel über seine Thüre geschrieben hatte: "Aber das ist ein Wunder, daß wer sich an Gottes Wort hält, soll den Tod nicht fühlen, sondern gleich wie in einem Schlaf dahin fahren, und soll nun nicht mehr heißen, ich sterbe, sondern ich muß schlafen" (S. 76).

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Erst am andern Morgen stoffen die Thränen — reichlich! — Keiue Hand hat die Leiche im Tode berührt, keine hatte nöthig, sie zu waschen, sie anzukleiden. Das alles hat der Selige mit eigener Hand gethan, und sich selbst das bräutliche Sterbehemd angelegt, in welchem er feines Heilandes wartete.

"Wer so stirbt, der stirbt wohl!" — so schreibt sein Moritz Görcke. — "Ach. HErr, hilf uns, so allen: absagend und Dir ganz hingegeben, unser Leben im Glauben zu führen und selig zu vollenden! Amen!"

Drei Tage später, am Dienstag Abend, hatte sich die Gemeinde von Dünnow in Trauerkleideru zahlreich vor dem Pfarrhause versammelt. Ein Sängerchor sang: "Jerusalem, du hoch-gebaute Stadt! Wollt Gott, ich war'in dir!" (1—4). Daun las Pastor Preuß den 121. Psalm; die Gemeinde antwortete mit dem Liede: "Wo findet die Seele die Heimath die Ruh?"; Preuß hielt das Gebet. Die Trauerversammlung sang: Laßt mich gehn!, und wurde mit Gebet und Friedenswunsch entlassen. Der Sarg wurde auf den Leichenwagen gestellt. Mit dem Schlage zehn Uhr setzte sich derselbe unter Glockengeläute ii: Bewegung. Viele folgte,: bis zur Dorfgrcnze, die Klänge von "Jesus meine Zuversicht" schallten feierlich durch die Nacht.

Au: folgenden Nachmittag um vier Uhr kamen die trauernden Kinder mit der theuren Leiche in Berlin au, und brachten dieselbe sofort in die Bethlehemskirche, woselbst Pastor Klitzke sie mit Bibelwort und Gebet empfing, und mit dem engsten Kreise der Trauernden eine stille Feier hielt.

Der Herausgeber reiste inzwischen in Schlesien zu Misfions-festen in den Orten, die der Selige früher besucht hatte. In der Sakristei von Langenbielau war es mir, als umwehte mich sein Geist. Ich war im Begriff, nach einer Briefkarte zu greifen, um ihm zu schreiben: "Ich habe Dir nichts zu schreiben; aber es ist mir, als müßte ich es Dir sagen, daß ich Dich unaussprechlich lieb habe!" — Ich dachte, es wäre thöricht, stieg auf die Kanzel, hielt

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meine Predigt, ging ins Haus zurück und fand — die Nachricht vom Tode meines heiß und innig geliebten Vaters, und zugleich die Bitte der Hinterbliebenen, ich möchte kommen und ihm die Leichenpredigt halten. Ich reiste noch nach Kraschnitz und Pitschen. In letzterem Orte suchte ich nach einem Text. Der Superintendent Kölling sagte: "Es ist ein Held in Israel gefallen!" — "Der Text würde trefflich passen; aber sicherlich nicht nach seinem Sinn sein!" — "Nun denn: Sie sahen Niemand als Jesum allein!" — "Der Text ist gut!" Ich meditirte über ihn, als mich die Nacht hindurch der Courierzug nach Berlin brachte. Das war eine köstliche Nacht innigster geistlicher Gemeinschaft mit dem seligen Vater. Ich kam in Berlin am 1. August früh an, und fand auf dem Tisch einen Brief vom theuren Kampffmeier, dem trcnen Gehülfen Knaks und Streitgenossen von Friedrichs-Werder. Derselbe schrieb mir, er habe von dem Küster Michaelis gehört, daß der Entschlafene vor drei Jahren bestimmt ihm gesagt habe, er wünsche zum Leichen -text einmal das Wort zu haben: "Und die Pharisäer und Schriftgelehrten murrten und sprachen: Dieser nimmt die Sünder au und isset mit ihnen!" (Lnc. 15,2.)— Das war der richtige Text!

Als ich um zehn Uhr vor der Bethlehemskirche ankam, fand ich Haufen von Menschen, die vergeblich noch hineinzukommen suchten. Es war keine Möglichkeit, der letzte Platz war gedrängt besetzt. Eine alte Frau, die mich kommen sah. drängte sich an mich mit fast ängstlichem Flehen: "Ach, bringe:: Sie mich durch die Sakristei hinein!" Ich konnte es thun, und sie dankte mir. als ob ihr die größte Wohlthat widerfahren sei. Die Kirche war in einen Blätter- und Blumenhain verwandelt. Um den Altar her, vor dem der mit Kränzen und Guirlanden reich geschmückte Sarg stand, war es wie ein Wäldchen von Lebensbäumen und Cypressen. Auf dem Sarge lag neben andern auch die Palme, die der dankbare sächsische Pastor geschickt hatte, welcher vor drei Wochen in Exter den so reichen Segen empfangen hatte. Um den Altar saßen die Familienglieder, weiterhin der Consistorial-Präsident Hegel, Generalsuperintendent Vüchsel, Consistorialrath Notzl, Superintendent Siegel und Täuscher, Oberhofprediger von Hengstenberg, Hof-

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Prediger Baur. Geheimrath Wiese und eine sehr große Menge Pastoren aus Berlin und ans der Ferne; unter den ersteren auch Lisco und Stechow, die beiden Gegner Knaks von Friedrichs-Werder, deputirt von der Kreissynode. Die Tranergemeinde saug: "Christus der ist mein Leben" alle acht Verse. Dann hielt Pastor Hammerschmidt, der Schwiegersohn des Verstorbenen, die Altar-litnrgie. Als er in derselben als Schriftwort die Seligpreisungen las, da war es denen, die dem Seligen nähergestanden hatten, als vernähmen sie seinen Lebenslauf. — "Selig sind die geistlich Armen — ja das war er, —die da Leid tragen—, wer hat mehr um seine Sünden getrauert, als er? — die Sanftmüthigeu — o wie war diese herzliche Sanftmuth sein Schmuck! — die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit! — Mit welchem Heißhunger hatte er sie begehrt — die Barmherzigen! — O wie konnte er die Geschlagenen mit mildem Wort und Samariterliebe trösten! — Die reines Herzeus sind. — Ja, eine Nathanaelsseele, gebadet im Blick des Lammes —, die Friedfertigen — wer hätte mehr als er nach Frieden verlangt, außer da, wo der HErr verboten hat, Frieden zu sagen, weil kein Friede ist; — "die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, die um seinetwillen geschmäht und verfolgt werde!: und übel belänmdet. — Wer hat das schärfer erfahren als er? Ja, nun kann er's genießen droben: "Seid fröhlich und getrost, cs wird euch im Himmel wohl belohnet werden!" Ja selig! Nur selig! Aus Gnaden allein! Um Christi willen! —

So klang denn wie ein Lied aus höherem Chor, ja als ob sie es mit dem Heimgegangenen sänge, die Antwort der Gemeinde: Jerusalem, du hochgebaute Stadt, Wollt Gott, ich war' in dir! Mein sehnend Herz so groß Verlangen hat, Und ist nicht mehr bei mir. Weit über Berg und Thale, Weit über blaches Feld Schwingt es sich über Alle, Und eilt aus dieser Welt! — O Ehrenburg! Sei nun gegrüßet mir: Thu auf die Gnadenpfort! Wie große Zeit hat mich verlangt nach dir, Eh' ich bin kommen fort aus jenem bösen Leben, aus jener Nichtigkeit, Und mir Gott hat gegeben das Erb' der Ewigkeit!

Darauf mußte der Schreiber dieser Biographie die Kanzel besteigen und der Bestimmung des Seligen gemäß über Luc. 15,2 die Leichenpredigt halten. Als er den oben mitgetheilten Gruß des

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Verewigten der Gemeinde bestellte, da ging eine tiefe Bewegung durch die Freunde; denn wo Knak grüßte, da hatte er einen Segen mit eingebunden in den Gruß.

Sie gedachten des eigenen Scheidens, als sie sangen: Wenn ich einmal soll scheiden, so scheide nicht von mir. Wenn ich dei: Tod soll leiden» so tritt du dann herfür. Wenn mir an: aller-bängsten wird um das Herze sein, So reiß mich aus den Aengsten kraft deiner Angst und Pein!

Hierauf trat der Pastor Preuß vor deu Altar und dankte in brünstigem Gebet für all den Segen, den der Verstorbene in seinen: Leben empfangen und gespendet hatte, und flehte um den ferneren Segen des HErrn. Nachdem er sodann die Gemeinde gesegnet hatte, setzte sich der Zug unter dem Geläute der Glocken und Singen des Liedes: "Laßt mich gehn!" in Bewegung, ein langer,, langer Zug von Wagen und Menschen. Der selig Entschlafene wurde auf den Gottesacker hinausgetragen, damit er dort au der Seite seiner heißgeliebten Mathilde warte auf die Auferstehung der Gerechten.

Während wir über den Kirchhof gingen, regnete es heftig^ ein vereinzelter Blitz und Donnerschlag war wie eine Stimme des HErrn, der seinen treuen Knecht in Empfang nahm. Die Trauernden sangen das von dem Verstorbenen selbst gedichtete Grabeslied:

Wie sie so sanft ruhn, alle die Seligen In ihren Kammern, die Gottes Sohn geweiht Zu Friedensstätten, durch Sein Sterben, Durch Seine Ruhe im Felsengrabe!

Manch' heiße Thräne netzte den Pilgerpfad        Pf. 126,5.

Der Heimgegangnen hier in dem Jammerthal,

Beim Kampf von außen und von innen

Wollten die Kniee oft gar ermüden.        Hebr. 12,12.

Da schlug die Stunde, deren sie längst geharrt; Da brach die Hütte, die ihn so oft beschwert, Und auf der Engel Himmelswagen Eilte der selige Geist nach Hause.

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Dort führt das Lamm nun Seine getreue Schaar Zum Lebensbrunnen, der nimmermehr versiegt,

Und trocknet huldreich von den Augen Alle die Schmerzens- und Wehmuthsthränen.

Und wenn der große, herrliche Frühlingstag Der Auferstehung einstens erschienen ist,

Und der Posaune Ton erschallet,—

Werden sich öffnen der Gräber Thüren.

Und Jesus Christus wird mit allmächt'gem Hauch Die nicht'gen Leiber Seiner Vollendeten Dann ähnlich machen Seinem Leibe,

Daß sie so hell rvie die Sonne leuchten.

Und Leib und Seele werden ohn' Ende sich In Ihm erfreuen, in dem lebend'gen Gott,

Und unablässig wird erschallen:

"Ehre dem Vater, dem Sohn, dem Geiste!"

Ach HErr, mein König! hilf, daß auch ich dereinst Vor Deinem Stuhle, unter den Seligen,

Im Blut des Lammes rein gewaschen,        Offb. Joh. 7,14.

Dürfe mit Freuden Dein Antlitz schauen!        Pf. 17,15.

Pastor Johannes .Knak hielt die Grablitnrgie und das Gebell Der Kirchhof war trotz des strömenden Regens angefüllt mit solchen,, die es nicht lassen konnten, an: Grabe des geliebten Seelsorgers mit zn weinen und zu beten. Wie viele waren unter ihnen, denen er das Werkzeug geworden war, um sie zum Frieden zu bringen. Eine theure Seele schrieb mir hernach: "Als ich mit den vielen Leidtragenden am Grabe stand, da verstand und fühlte ich es, was das Wort in sich hat: "Maria aber stand am Grabe und weinete! " Ach, hätte ich nur noch einmal seine liebe Hand, die so oft segnend auf mir geruht, küssen können; nur noch einmal die lieben freundlichen Züge sehen können! Ja, wir lassen ihn mit Schmerzen aus unfern Armen los; Doch gönnen wir von Herzen ihm auch sein köstlich Loos! — Ich schließe mit den Worten von Claudius:

Friede sei um seinen Grabstein her,

Süßer Friede Gottes,

Ach sie haben

Einen guten Mann begraben!

Und mir war er mehr!

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Und was diese eine aussprach, das haben Hunderte mit ihr empfunden. Mir, dem Schreiber dieser Lebensbeschreibung, ist zu Muthe, als wäre ich verwaist, als hätte ich Vater, Bruder, Seelsorger, Berather, Freund, alles mit Einem Schlage verloren! Und doch nicht verloren!" denn: Wenn Christen auseinander geh'n, so sagen sie

"Aus Wiedersehn!"

Es ist nicht zu viel gesagt, wenn ich sage: Die Nachricht von Knaks Tod zitterte durch die Herzen der Gemeinde der Heiligen in ganz Deutschland. Er war durch seine Missionsfestpredigten so vielgekaunt und vielgeliebt geworden, das; jetzt Viele um ihn weinten, wie mau um einen Vater weint. Es mögen im August und September und auch in den folgenden Monaten des Jahres wenige Missionsfeste gehalten sein, auf denen nicht des Todes Knaks mit Thräuen gedacht und ihm zum Gedächtnis; sein köstliches: Laßt mich gehn! mit tiefer Bewegung von der ganzen Festgemeiude gesungen wäre. Bei einem Fest, als das Lied zum Schluß gesungen war. rief ein Pastor in tiefster Bewegung laut durch die Gemeinde: "Nun ist er droben! der liebe Bruder Knak," und brach in Helle Thräuen aus, und mit ihm von der Festgemeinde ein großer Theil. In Rützow war ein Mann, der bei der Nachricht von Knaks Tode die ganze folgende Nacht nicht hat schlafen können. In Exter ist in derselben Stunde, in welcher in Berlin die Begräbnißfeier gehalten wurde, auch eine Gedächtnißfeier gehalten worden, in welcher der Pastor über Simeons Lobgesang predigte. Und so auch in Wusterwitz und manchen andern Gemeinden. Die Nachricht über die Weise aber, wie der HErr seinen lieben Knecht nicht hat den Tod schmecken lassen, sondern ihn mit dem Kuß seines Mundes heimgerufen hat, erbaute und erquickte überall die Christenherzen. ^Viele hatten den Eindruck (so schreibt ein Pastor): Zu solcher Person, zu solchem Glauben, zu solcher Liebe paßt wunderbar ein solches Ende. Wie er sich zum HErrn bekannt hat in seinem Leben, so hat sich der HErr zu ihm bekannt in seinem Ende!"

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Wie dem Verstorbenen alles, was sein innerstes Herz bewegte, sich sofort in .Klänge des Liedes umgestaltete, so ist auch ihm in seinem Tode manches liebe Lied nachgesungen worden.

In Pommern sang eine dem theuren Heimgegangenen innig Lm Geiste verbundene edle Dame:

In feierlicher, später Stunde,

Als still die Welt in Ruhe liegt,

Am Abend vor des HErren Tage Vom Himmel her ein Engel fliegt;

Er trägt die Palme in den Händen,

Klopft sanft an eines Hauses Thür;

Der Bote mit den leisen Füßen Naht leiser noch, als sonst, sich hier.

Nicht weit vom kühlen Ostseestrande Steht dieses Gott-geliebte Haus,

Die Psarrersleute wohnen drinnen;

Dort ging ein Heil'ger ein und aus.

Der Vater war's, ein greiser Priester,

Ein Gottesknecht, wie keiner mehr,

Ein Held im heil'gen Glaubensstreite,

Ein Kämpfer für des HErren Ehr'.

Ihn will der bleiche Bote grüßen,

Ihm künden Feierabendzeit;

Drum nahet er sich still und leise:

"Tod, dem Gerechten thu' kein Leid."

Er rührt ihn an mit sanften Händen,

Greift an sein Herz — da steht es still,

— Ich glaub' — es ist der HErr gewesen,

Der Selber ihn geführt ans Ziel!

"O laßt ihn gehen, laßt ihn gehen,

Auf daß er JEsum möge seh'n!"

Das war sein Sehnen hier im Leben,

Nach seinem Wunsch ist ihm gescheh'n.

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Der Engel legt die Friedenspalme In seine priesterliche Hand,

Mit der er uns so oft gesegnet,

Wenn er vor'm Heilgen Altar stand.

Die Palme trag' im Glorienscheine Vor Deines JEsu Angesicht!

Du treuer Knecht, zu Seinen Freuden Geh' ein ins Reich vom ew'gen Licht!

Wir seh'n Dir nach mit Thränenblicken»

Du wärest uns so lieb und werth;

Doch gönnen wir Dir Deinen Frieden,

Das Glück, das JEsus Dir bescheert.

Bekannt hast Du und hoch gepriesen Den HErrn, der hier Dein Leben war.

Und Ihn, der uns zuerst geliebet,

Ihn liebtest Du auch immerdar.

Sein Wort Haft treulich Du gehalten,

Drum durftest Du den Tod nicht seh'n Und ohne Kamps und bitt're Schmerzen Aus diesem Erdenleben geh'n.

Nun hast Du Ihn in sel'gem Schauen,

Im ew'gen lichten Morgenroth!

Zum schönen Paradiesesgarten Holt Dich der sanfte Engel Tod-!

Alexandra v. Loön.

Und in der Mark Brandenburg sang eine fronnne Mutter an einem Wen Nachmittag ihren Kindern allerlei Lieder vor, und unter denselben auch: Laßt mich gehn! Während sie sang, fiel ihr ein, daß der Dichter, der das Lied zuerst gesungen, jetzt ja schon Alles habe, wonach er sich einst gesehnt, und dieser Gedanke erfaßte sie mit solcher Macht, daß ihrer Seele die nachfolgenden. Verse entquollen:

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So hat der HErr Dein Sehnen nun gestillt,

Und Du darfst Jesum sehn und Ihn umfangen: Vollendet hast Du Deinen Pilgerlauf,

Die Seele ruht von ihrem Heimverlangen.

Das süße Licht von Seinem Angesicht,

Es ist in voller Klarheit Dir entglommen,

Du schaust die Sonne, die durch Wolken bricht, Anbetend nun mit all' den sel'gen Frommen.

Der Engel Harfen und ihr Lobgetön,

Was nie in eines Menschen Ohr erklungen,

Dem lauschest Du, seit Dein erlöster Geist Die Flügel über Thal und Höh'n geschwungen.

Die Friedensstadt that auf ihr Perlenthor,

Nun wohnest Du in Salems gold'nen Gassen. — O süße Wonne! HErr, Du treuer Gott,

Wir können sie hier unten noch nicht fassen.

Voll Rühmens und voll Lachens ist Dein Mund, Gleich als ein Träumender bist Du geworden, Des Paradieses süße Frucht ist Dein,

Dieweil Du treu einst trugst den Kreuzesorden.

Dein Lied vom Heimweh singst Du nun nicht mehr, Uns aber blieb's,— ein köstliches Vermächtniß! In banger Wehmuth singen wir's Dir nach Und halten so Dich liebend im Gedächtniß.

14. 8. 78.        Mazda Fuß.

Auch die Zeitschriften konnten an dem Scheiden eines Mannes wie Knak nicht gleichgiltig vorübergehen, und sie zeigten uns die alte Wahrheit, daß Männer, die ganz sind, was sie sind, nur bei ihren Lebzeiten von den Gegnern bekämpft werden, ihnen aber dabei doch so viel Achtung abzwingen, daß sie selbst im Tode sie ehren müssen. Eine solche Anzeige von Knaks Heimgang bietet neben anderen (wie z. V. die freisinnige Magdeburger Zeitung und die Protestantische Kirchenzeitung aus Lisko's Feder) auch das sonst liberale Blatt: Hamburger Nachrichten, welches Knak folgenden Nachruf widmete:

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"Knak ertrug den Spott der Welt mit bewundernswürdiger Gelassenheit; in dem Maße, als ihn der polemische Zorn seiner Zeitgenossen traf, versank er tiefer in sich selbst, und doch fiel in sein inneres Seelenleben nichts von Kummer über die theilweise maßlose und ungehörige Art,, wie sein Handeln beurtheilt wurde. Knak war eine durch und durch charaktervolle Persönlichkeit, und dies imponirte schließlich Allen. Die ihm im Leben nahe gestanden haben, erzählen mit Entzücken von seinen: liefen Gemüth und seiner reinen Kindesseele. Knak war poetisch reich veranlagt. Seine geistlichen Lieder und Sonette sichern ihm einen Namen in der christlichen Hymnologie. Sein vielgesungenes Lied: "Laßt mich gehen,, daß ich Jesum möge sehen," vom Organisten Voigtländer componirt, hat eine Übersetzung in dreißig Sprachen erfahren, und wo nur immer die Heidenmisston thätig ist, da ergreift sie die Gemüther durch Knaks Strophen. Das will viel bedeuten, und es dünkt uns Angesichts dieser großen Wirkung der Knak'schen Poesie unerläßlich, dein Verstorbenen die Anerkennung dafür vorzuenthalten. Von seinen Predigten sind viele gedruckt worden. Wir haben von ihm die "Adventsgabe in vier Predigten"Beicht- und Communionbüchlein aus Buß- und Communion-Andachten der Gräfin Emilie Juliane v. Schwarzburg-Rudolstadt zusammeugestellt"Sieben Festpredigten," ferner "Predigten über die Episteln des Kirchenjahres" und "Predigten über die Evangelien." Die Predigten machten um ihrer Innigkeit willen großen Eindruck, und durchgelends ist die Sprache eine edle, vornehme und die eines ästhetisch angehauchten Theologen. In der praktischen Seelsorge leistete Knak geradezu Bedeutendes. Im Jahre 1881 Kandidat, lehrte er damals in Königs-Wusterhausen. Die Cholera war ausgebrochen, zuerst auf einem Spreekahn, und die Insassen waren tHeils der unheimlichen Krankheit erlegen, theils kämpften sie bereits mit dem Tode. Der junge Knak war der Einzige, der den Muth hatte, die Todten zu begraben und die Erkrankten zu pflegen; seine Unverzagtheit brachte ihm die Bewunderung des ganzen Städtchens ein, dessen Bewohner sich allmählich von dem Schreck erholten und zur Besinnung kamen. Zu Kranken und Armen ist Knak sein Lebenlang gegangen, ganz in aller Stille, und immer ging er mit Geld aus; aber immer kam er ohne Geld wieder zurück."

Am 11. Aug. hielt der Pastor Straube seinem vorangegangenen Freunde die Gedächtnißpredigt. Auch in seinem Herzen hatte die Vorlesung der Seligpreisungen über den theuren Mann, der als Leiche vor demselben Altar stand, von welchem so oft seine brünstigen Gebete gen Himmel gestiegen waren, einen so tiefen Eindruck gemacht, daß er diese Seligpreisungen zum Text seiner Gedächtnißpredigt machte und den einzelnen derselben folgend hmzeichnete, wie sie alle an seinem theuren heißgeliebten Gustav sich bewahrheitet haben.

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Eine theure Freundin von Knak (Lucie Gräfin Pfeil) Hat,, nachdem sie sein Lebensbild noch einmal sich vor die Seele geführt,, dasselbe in folgende Verse gefaßt, welche gleichsam ein Gegenstück bilden zu dem ersten im Liederanhang von uns mitgetheilten Knak'schen Liede: "Glühender Sinn." Dort der Eingang, hier der Allsgang ans einem reichen Leben:

Verlacht von der Welt,—

Vor dem HErren ein Held. —

Hier thöricht genannt, —

Doch vom Heiland gekannt. —

Laut verspottet, verschmäht,—

Doch von: Geiste umweht. —

Von den Menschen gequält,—

Doch von Jesu erwählt; —

So sein irdischer Lauf,—

Doch nach Zion hinauf. —

Seiner Feinde Geschrei,

Jetzt ist es vorbei; —

O könnten sie sehn,

Vor den: Lamme ihn stehn,

Das er treu hier bekannt,—

In dem weißen Gewand,

Das gewaschen so gut In des Heilandes Blut; —

Wie er leuchtet und glänzt,

Welcher Schein ihn umkränzt; —

Wie zur Harfe er singt,

Srin Hallelujah klingt Dort so hoch und so hehr,

An dem gläsernen Meer —

Und wir blicken ihm nach,

Unsre Herzen sind schwach,

Und wir wären so gern,

Schon mit ihm beim HErrn.

Wir aber schließen unsere Mittheilungen mit dem Danke. gegen den lebendigen, barmherzigen und heiligen Gott, der in dem theuren Heimgegangenen Pastor Knak uns leibhaftig und handgreiflich einen Beweis dafür gegeben hat, daß noch heute, wo nur wirkliche volle Glaubenshingabe an den HErrn gefunden wird, auch Seinerseits alle dem Glauben gegebenen Verheißungen in ganzer,, uneingeschränkter Fülle sich vollziehen, und mit dem Wunsche, daß.

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wiele ernste Christen, und namentlich jüngere, Geistliche und Laien, an dem theuren Gottesknecht Knak ein Beispiel nehmen möchten, dem sie nacheifern, auf daß Viele einen gleichen Segen erlangen für das eigene Herz und dann auch Anderen ein Segen werden als Wegweiser zum ewigen Leben, und daß also der Titel dieses Buches auch an und in ihnen sich erfülle:

"Ein Lebensbild aus dem ewigen Leben Und ein Spiegelbild für das zeitliche."

Das walte aus Gnaden Gott der Vater, Gockt der Sohn rmd Gott der heilige Geist! Amen!

Nachtrag. — Während des Druckes sind mir durch Herrn Superintendent Walter (S. 341) noch die beiden folgenden lieblichen Züge, der erste sich beziehend auf das Lied: Laßt mich geh'n; der andere ein Zeugniß von -Knaks Gebetssicherheit zugegangen:

Die Kinder des Thierarztes K. in der Taubenstraße hatten sich, wahrscheinlich mit Rattengift, das ihr Vater im Hause hielt, vergiftet. Als der Arzt eintraf, lebte das älteste dieser Kinder, ein etwa achtjähriges Mädchen, Gretchen mit Namen noch, lag aber ohne Bewußtsein da. und es kam alles darauf an, dies Kind wieder ins Bewußtsein zurückzurusen: aber alle Bemühungen der Eltern waren vergeblich. Da trat ich hinzu und rief mit lauter Stimme dem Kinde in's Ohr: Gretchen, kennst Du muh rroch?! Und, o Freude! das Kind öffnete die Augen, sah mich mit wunderbarem Blicke an, nannte mich bei Namen, dann aber faltete sie sofort d:e Hände und sprach: "Laßt mich geh'n, laßt mich geh'n, daß ich JEsum möge seh'n; meine Seel' ist voll" — Da verstummte die Stimme, noch -«in paar Zuckungen, und Gretchen war bei ihrem JEsus. —

Von allem Anderen nur noch Eins. Ich war längst Pfarrer in der Altmark geworden. Mein liebes Weib lag damals sehr schwer krank, und wohl Niemand glaubte, daß sie genesen würde. Da kam Knak mit Br. Licht zu einem Missionsfeste in jene Gegend. O wie theilnahmsvoll hörte er mit an, wie es mir und den Weinigen, die damals sämmtlich krank waren, And namentlich meiner lieben Frau erginge, und doch war es mir so, als höre der geliebte Bruder nur mit halbem Ohre zu, und als suche er sich sortzustehlen. Nach wenigen Minuten war er verschwunden. Br. Licht las eins von Knaks neuesten, vielleicht unterwegs erst verfaßten Gedichten vor. Ich war auf den Flur hinausgetreten und hörte eigentlich nur halb zu. Da kam Knak von oben aus dem mir wohl bekannten Gastzimmer herab und mich an's Herz schließend, sagte er: "Sei getrost, mein Bruder, ich habe erst für Dich zu dem HErrn reden müssen. Dein Weib wird nicht sterben, sondern leben!" — Und sie genas und lebt, Gott sei Dank, noch bis zur heutigen Stunde. Der HErr aber sei gelobt für jeden Segen, den «ER auf Knaks Gebete gelegt hat. Amen.


481-490

Hymn music … did not OCR


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Texte zu vorstehenden Liedern.

Glühender Sinn.

Glühender Sinn, Wandrer! wohin? Christus ist hier, Fraget nach dir;

Eile nicht fort,

Höre Sein Wort!

Quält dich ein Gram, Treibt dich die Scham: Ihm an das Herz Lege den Schmerz, Ihm in den Arm Wirf allen Harm!

Blumen verblüh'n, Wangen verglühK, Heute noch roth, Morgen schon todt; — Aber Sein Licht Täuschet dich nicht.

Bist du allein Mit deiner Pein; Drückt sie dich sehr Bitter und schwer: Christus ist da, Tröstend und nah;

Seufze zu Ihm,

Weine nach Ihm, Oeffne die Thür: Christus ist hier! Gnade und Glück Deutet Sein Blick.

Fröhlich und frisch Decke den Tisch!

Sorge für Brod Hast du nicht noth: Was du begehrt,

Wird dir bescheert.

Himmlisches Gut Stärkt dir den Muth, Kindlicher Sinn Ist dein Gewinn, Kommst du zum HErrn Willig und gern.

Suche nicht fern, Wand'rer! den Stern, Glaube du nur!

Das ist die Spur; Gehst du ihr nach, Stillt sich dein Ach!

Schrecken und Pein, Reuevollsein,

Jammer und Noth, Leiden und Tod Darfst du nicht flieh'n, Mit Ihm zu zieh'n.

Fliehe die Welt,

Komm' in Sein Zelt Dürftig und bloß Ihm in den Schooß, Himmelhinauf Richte den Lauf!

Hab' Ihn doch lieb, Bitt' Ihn: "Vergieb!" Ach! und Er hört,

Was dich beschwert; Reicht dir die Hand, Löset dein Band.

Kindliches Fleh'n Kann Er versteh'«, Thränen und Schmerz Rühren Sein Herz;

Eh' du's gemeint,

Hilft dir der Freund.

Er und Sein Leid Hat dich befreit, All' deine Schuld Trägt Er voll Huld; Bleibst du nur Sein, Bleibt Er ja Dein.        Hoffnunggetränkt, Selig beschenkt, Liebe beseelt, Himmelerwählt Wallst du dann fort: Er ist dein Hort!

Der für Dich starb, Heil dir erwarb, Ewig dich liebt, Alles dir giebt: — Gieb Ihm doch hin Sehnsucht und Sinn!        Wenn dich die Welt Listig umstellt, Sturm dich umtos't, Bist du getrost: Ueber das Meer Mächtig ist Er!

Demutherfüllt Trage Sein Bild, Laß dich durch Ihn Leiten und zieh'n ; Läßt du Ihn ein, Macht Er dich rein.        Christus dein Rath, Tröster und Pfad, Leben und Licht, Seel' und Gesicht; Ohne Ihn todt,— Mit Ihm bei Gott!

Sei getrost,        o Seele.

Sei getrost, o Seele, Und verzage nicht, Durch des Todes Höhle Schaut des Lebens Licht; Gönne deinen Thränen Ihren stillen Lauf, Folge deinem Sehnen Gläubig himmelauf!        Bist du denn alleine Mit des Herzens Weh? Winkt mit sel'gem Scheine Christ nicht aus der Höh'? Hörst du Liebesworte Nicht in deiner Gruft? — Offen ist die Pforte, Dein Erlöser ruft!

Komm' und laß Ihn nimmer Wieder aus der Brust, Flieh' den eitlen Schimmer, Leb' in Seiner Lust; Laß dich nicht verjagen, Laß den HErrn nicht los, Bis dich Engel tragen In des Vaters Schooß!        

Wohlauf, mein Herz.

Wohlauf, mein Herz, mit Sang und Klang, Mit Jauchzen und mit Springen, Dem HErrn der Herren Preis und Dank Und Ehr' und Lob zu bringen; Er ist der ew'ge Trost und Hort Und trägt und labt uns fort und fort Und kann uns nicht versäumen!

Die Welt ist Seiner Güter voll Und Seiner Wundergaben, Aus Seiner Gnadenfülle quoll Uns Alles, was wir haben; Sein Nam' ist heilig, hoch und hehr, Der Armen Schatz, der Schwachen Wehr, Ihr großer Lohn und Stärke.

Sein ist ja Alles weit und breit, Wir können Ihm nichts schenken, Sein ist die Macht und Herrlichkeit, Nur Er kann Alles lenken; Wer Ihm und Seinem Geiste traut, Hat auf den rechten Fels gebaut, An dem die Wogen brechen.

Hält' Er uns nicht zuerst geliebt, Wie könnten wir Ihn lieben! War' Er's nicht, der uns Leben giebt, Wo wären wir geblieben? Hält' Er kein treues Vaterherz, Und zög' Er uns nicht himmelwärts, So wären wir verloren!

Er hütet uns mit ew'ger Huld, Er wacht, wenn Alle schlafen, Er ist voll Langmuth und Geduld, Der beste Schutz und Hafen: Er hat uns fe und je geliebt, Hat uns, die Ihn so hoch betrübt, Den eignen Sohn gegeben.

Und wer durch Den an Gott sich hält Mit ganzem vollem Herzen, Mit dem ist's gut und wohl bestellt In Freude, Kampf und Schmerzen; Wer treu bei seinem Heiland bleibt, Sich Ihm mit Seel' und Leib verschreibt, Der ist mit Gott versöhnet! —

Drum auf, mein Herz, mit Sang und Klang, Mit Jauchzen und -mit Springen, Dem HErrn der Herren Preis und Dank Und Ehr' und Lob zu bringen! Ihm laßt uns dienen fort und fort, Dann ist und bleibt Cr unser Hort Im Tod und Leben! Amen!

Vater, weißt Du's ganz gewiß.

Text siehe Seite 161.

Ich Hab' von Ferne.

Ich Hab' von ferne, HErr, Deinen Thron erblickt Und wär' so gerne Her Erde ganz entrückt, Hinauf geeilt mit raschen Schwingen, Ewig Hallelujah Dir zu singen.

Denn ach hienieden Bangt noch so oft mein Herz, Und Deinen Frieden stört mir der Sünde Schmerz; Es ist mein tägliches Betrüben, Daß ich Dich, Jesu, nicht g'nug kann lieben.

Zwar Dein Erbarmen ist überschwänglich groß ; Du läss'st mich Armen, Elenden niemals los, Und Deines Blutes heil'ge Quelle Wäscht immer wieder mich rein und Helle.

Doch geht mein Sehnen stets nach dem Vaterland, Wo alle Thränen stillt Deine Liebeshand, Wo Sünd' und Welt mich nicht mehr schrecken, Wo ich ohn' Ende Dein Heil soll schmecken.

Wann wird's geschehen, daß ich im ew'gen Licht Dich werde sehen, Jesu, von Angesicht?— Mein Herze jauchzt in sel'ger Wonne Jetzt schon entgegen Dir, Lebenssonne!

Keiner wird zu Schande».

Keiner wird zu Schanden, welcher Gottes harrt; Sollt ich sein der Erste, der zu Schanden ward? Nein, das ist unmöglich, Du getreuer Hort! Eher fällt der Himmel, eh' mich täuscht Dein Wort.

Du hast zugesaget: "Wer da bittet, nimmt," Wer da sucht, soll finden, was ihm Gott bestimmt. Wer im festen Glauben muthig klopfet an, Dem wird ohne Zweifel endlich aufgethan.

Nun, so will ich's wagen, HErr, auf Dein Gebot, Alle meine Sorgen, eign' und fremde Noth, All' mein heimlich Grämen, Alles, was mich quält, Dir ans Herz zu legen, der "die Thränen zählt."

Du bist mein Erbarmer und mein bester Freund, Meines Lebens Sonne, die Mir lacht und scheint Auch in finstern Nächten, und durchs Todesthal Mir hinüber leuchtet zu des Lammes Mahl.

<Dies Lied dichtete Knak 1860. Er war in Falkenhagen zum Besuch gewesen, als Marin Straube heimgieng. Dann nach Berlin zurückgekrhrt, verfiel er in schwere Krankheit und Anfechtungen: aus diesen heraus entstand das Lied.)

Zch halt' eine edle Perle.

Text siehe Seite 430.

So hat der HErr dein Sehne» nun gestillt.

Text siehe Seite 477.

Seinem Karl zum Geburtstage.

Gelobt sei Er, der dich und mich gefunden Und aus des langen Wahnes tiefer Nacht Erbarmungsvoll uns hat ans Licht gebracht,

Und ach — fo wunderbar in Ihm verbunden,

Wir wohnen in der Freistadl Seiner Wunden,

Wir ruh'n im Schatten Seiner Lieb' und Macht, Ja, Jesus ist die Sonne, die uns lacht;

Das Manna, das uns labt zu allen Stunden,

O laß aufs Neu' uns gänzlich Ihm verschreiben,

Deß Herz am Kreuz für uns in Liebe brach,

Und freudig tragen Seine sel'ge Schmach.

Komm', Bruder, komm', wir pilgern Hand in Hand, Die Krone strahlt, uns winkt das Vaterland,

Da wir auf ewig einst beisammen bleiben.

Zesns-LieL.

Jesus sei mit dir aus allen Wegen;

Jesus kröne dich mit Huld und Segen: Jesu Antlitz leuchte dir in Gnaden,

Jesus heile dich von allem Schaden; Jesus nur allein sei deine Freude,

Jesu Liebesmeer dein Trost im Leide; Jesu Blut sei deiner Seele Leben,

Jesu Ehre deines Herzens Streben.

Jesu Unschuld decke deine Sünden,

Jesu Bildniß sei an dir zu finden,

Jesu Name strahl' in deinem Herzen,

Jesu Kreuz versüße deine Schmerzen:

Jesu Hand regiere deine Schritte,

Jesu Ohr erhöre deine Bitte;

Jesus sei der Grundton deiner Lieder, Jesus mache dir die Welt zuwider,

Jesus sei dein Hoffen und dein Sehnen; Jesus nur das Ziel von deinen Thränen' Jesu Wille deine liebste Speise,

Jesu Wort dein Stecken auf der Reise, Jesus sei dein Himmel schon hienieden, Jesus bringe dich zum ew'gen Frieden!

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Kennst Lu den Ort.

Kennst du den Ort, da ich am liebsten weile, Seitdem ich meines Herzens Jammerstand, Der Sünde tödtend Schlangengift erkannt Und tief gefühlt des Höchsten Zornespfeile? Kennst du ihn wohl? Er heißet Golgatha, Das Gotteslamm erlöste mich allda.

Kennst du die Burg, darin ich Schutz gefunden, Die sich're Freistadl, da kein Feind mich schreckt, Kein Blitz und Sturm mich aus der Ruhe weckt, Da auch die kränkste Seele muß gesunden? Kennst du sie wohl? Ich nenne sie so gern: Es sind die tiefen Wunden unsers HErrn.

Kennst du die Quelle, d'rin ich täglich bade, Die blutig-rothe Flecken Helle wäscht und Millionen Schulden tilgt und löscht, Daß keine mehr dem armen Sünder schade? Kennst du sie wohl, die wundervolle Fluth? Es ist des heil'gen Lammes theures Blut.

Kennst du das Herz voll ewigem Erbarmen, Das für die Sünder alle liebend schlägt, Der Kranken wartet und die Schwachen trägt und überschwänglich labt die geistlich Armen? Kennst du es wohl? Es ist das Jesusherz, Das einst am Kreuze brach irr Lieb' und Schmerz.

Kennst du das Land, dahin die Pilger wallen, In deren Seele Jesu Liebe glüht, Das sel'ge Land, da ew'ger Friede blüht Und ew'ge Jubellieder süß erschallen? Kennst du es wohl? Es sind des Himmels Au'n, Da wir das Lamm von Angesichte schau'n.

Laßt wich geh'n.

Laßt mich geh'n, laßt mich geh'n, Daß ich Jesum möge seh'n, Meine Seel' ist voll Verlangen, Ihn auf ewig zu umfangen >:Und vor Seinem Thron zu steh'n. :j

Süßes Licht, süßes Licht, Sonne, die durch Wolken bricht, O wann werd' ich dahin kommen, Daß ich dort mit allen Frommen >: Schau Dein holdes Angesicht?:!

Ach wie schön, ach wie schön Ist der Engel Lobgetön'! Hätt' ich Flügel, hätt' ich Flügel, Flög' ich über Thal und Hügel s: Heute noch nach Zions Höh'n. :t

Wie wird's sein, wie wird's sein, Wenn ich zieh' in Salem ein, In die Stadt der gold'nen Gassen — HErr, mein Gott! ich kann's nicht fassen, s:Was das wird für Wonne sein.:!

Paradies, Paradies, Wie ist deine Frucht so süß! Unter Deinen Lebensbäumen Wird uns sein, als ob wir träumen; — >: Bring' uns, HErr ins Paradies!:!

Inhalt.

Erster Abschnitt.

Die Schul- und Studentenjahre.

1.        Das Gymnasium        

2.        Die Universität        

Zweiter Abschnitt.

Die Candidatenjabre.

3.        Das Sommer-Semester 1820        14

4.        Erste Arbeiten und Kämpfe in Königs-Wusterhausen ...        10

5.        Ein Friedenshafen        19

6.        Erste Erfolge und neue Kämpfe        25

7.        Ein unerwartetes Ereigniß        28

8.        Entscheidung und Scheidung        36

9.        Einer, der mehr ist als Jonathan        41

10.        Eine weiße Rose        49

11.        Der Liederschatz        53

12.        Neue Freunde und Umgebungen        55

13.        Die ersten Predigten        59

14.        Arbeiten und Studien zum Examen        62

15.        Ein in sich abgeschlossener Charakter        66

16.        Ausgedehnte und einschneidende Wirksamkeit eines Candidaten ohne Amt 73

17.        Sehnsucht nach dem Pfarramt        78

18.        Ein neuer Freund        81

19.        Eine Braut, vom HErrn erbeten und geschenkt ....        87

20.        Knak in Pyritz        -        -        99

21.        Hin nach Wusterwitz        105

Dritter Abschnitt.

Knak als Pastor in Wusterwitz.

22.        Traurige Zustände        108

23.        Erstes Eindringen des Wortes        111

24.        Verhandlungen mit den Behörden ....        Seite 121

25.        Der Pastor und der Candidat                132

26.        Der Pastor und der Kirchenpatron ....        140

27.        Der Pastor und die Gemeinde                147

28.        Knak als Bauführer                157

29.        Familienleben und persönliche Erlebnisse        159

30.        Die Missionsfeste in Wusterwitz                170

31.        Ein gesegnetes Seebad                175

32.        Ein zweiter Feuerheerd in Pommern ....        186

33.        Reisen zu Mifsionsfesten                196

34.        Weitere Nachrichten von dem fernwohnenden Freund        203

35.        Knak auf Pastoral-Conferenzen                208

36.        Der Wecker hebt aus zur Abschiedsstunde        224

37.        Abschied von Wusterwitz                232

Knak. LAufl.        32

Vierter Abschnitt.

Knak als Pastor in Berlin.

38.        Amtsantritt in Berlin        

39.        Ein neuer Wirkungskreis        

40.        Knak auf General-Kirchen-Visitationen        

41.        Ein satanisches Bubenstück        

42.        Ein gesegnetes Pfarrhaus        

43.        Eine gesegnete Gemeinde        

44.        Merkwürdige Gebetserhörungen        

45.        Krankheit und Genesung        

46.        Erweiterung des Arbeitskreises durch Vereine, Schriftstellerei, Cor-

respondenzen, Missionsfestreisen. Einfluß auf Amtsbrüder.

47.        Eine gesegnete Gemeinde in der Neumark ....

48.        Knaks direkte Arbeiten in der Heidenmission, Hongkong.

49.        Knak als Reichsanwalt und Zionswächter        

50.        Knak auf der Friedrich-Werder'schsn Synode .        .        .        .

51.        Der Kopernikus - Schwindel        

52.        Ein harter Schlag        

53.        Die Kriegsjahre        

54.        Die Schatten werden länger        

55.        Um den Abend wird es Licht sein        

56.        Nun nach Hause        

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Lieder mit Melodien