1870 Western District essay, Walther- Communion Fellowship with other faiths; OCR'd by BackToLuther, August 16, 2015.
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Verhandlungen der Synode.
Von den der Ehrw. Synode zur Verhandlung vorliegenden Gegenständen wurden durch Beschluß zunächst in der ersten und in drei nachfolgenden Sitzungen die von Herrn Professor Walther verabfaßten
Thesen
über Abendmahlsgemeinschaft mit Andersgläubigen
vorgenommen. Diese Thesen, welche in gedruckten Exemplaren unter die anwesenden Synodalen vertheilt worden waren, wurden erst alle im Zusammenhänge nach einander vorgelesen und sodann einzeln erklärt, besprochen und aus den beigefügten Schriftstellen erwiesen. Dazu wurde von dem Herrn Verfasser auch aus verschiedenen Stellen aus unseren Symbolen und den Schriften rechtgläubiger Väter die völlige Uebereinstimmung der genannten Thesen mit der Lehre und Praxis der evang.-luth. Kirche dargethan.
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Thesis 1.
Die wahre sichtbare Kirche in einem uneingeschränkten Sinne oder ein Theil derselben ist diejenige, in welcher Gottes Wort rein gepredigt und die heiligen Sacramente nach Christi Einsetzung verwaltet werden.
Es ist von Wichtigkeit zu hören, warum hier die Lehre von der wahren sichtbaren Kirche zu Grunde gelegt ist. Eine brennende Frage dieser Zeit und zugleich die bittere Anklage Vieler, aus den Banden einer groben unver-schleierten Union in ein modernes, neugläubiges Lutherthum Gerathener gegen uns und andere treue Lutheraner ist ja die: Warum wir nicht Andersgläubige zum heil. Abendmahl annehmen. —Zwar wollen sie nichts mit derjenigen heillosen Theorie zu schaffen haben, nach welcher unter fälschlicher Berufung auf das Wort Christi: „Kommet her zu mir Alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken" (Matth. 11,28.), ein Zeder so gut zum Abendmahl wie zur Predigt zugelassen werden soll; sie nennen diese Theorie vielmehr geradezu eine schnöde Sünde und Verzerrung des Wortes Gottes und rufen entrüstet aus r Man soll doch die Perlen nicht vor die Säue und das Heiligthum nicht vor die Hunde werfen. Aber gleichwohl wollen sie dagegen doch alle die zum heil. Abendmahle hinzugelassen haben, die nicht offenbare Unchristen sind, und zwar ohne Rücksicht aus ihr Sonderbekenntniß. Diesen unionistischen Jrrthum vertreten u. A. auch die Stimmführer des sogen. (Mureli-Vouiroil, indem sie sich dabei irriger Weise auf eine Stelle in unseren Symbolen*) berufen. Wir müssen, sagen sie, daher alle zum heiligen Abendmahl hinzulassen, die sich als liebe Christen beweisen. — Dieser fast unionistische Grundsatz wurzelt aber in ihrer verkehrten Lehre von der Kirche. Unsere Gegner glauben nämlich nicht von ganzem Herzen, daß es eine wahre sichtbare Kirche in einem uneingeschränkten Sinne auf Erden gebe. — Um so nöthiger ist, daß wir uns zur Rechtfertigung unserer Abendmahlslehre und -Praxis gerade diese Lehre zum klaren Bewußtsein bringen. Wäre die Meinung der Führer des „Okurck-Vouneil" und ihrer Geistesgenossen göttliche Wahrheit, so begingen wir Lutheraner mit unserer kirchlichen Separation von allen ändern christlichen Gemeinschaften überhaupt schwere Sünde. Denn gehören auch Andersgläubige zu unserm Abendmahle, so gehören sie eigentlich auch zu unserer Kirche, deren Einigungsband und Bekenntnißzeichen eben das Sacrament ist; wir müssen uns also nothwendigerweise auch in allen anderen Dingen kirchlich mit ihnen untren. Aber unsere Thesis gibt uns rechten
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*) Es heißt nämlich in der Vorrede zum Concordienbuche: ... „sintemal wir uns ganz und gar keinen Zweifel machen, daß viel frommer, unschuldiger Leute, auch in den Kirchen, die sich bishrro mit uns nicht allerdings verglichen, zu finden seind, welche in der Einfalt ihres Herzens wandeln, die Sache nicht recht verstehen und an den Lästerungen wider das heilige Abendmahl, wie solches in unfern Kirchen nach der Stiftung, Christi gehalten und vermöge der Wort seines Testaments davon einhelliglich gelehret wird, gar keinen Gefallen tragen".....
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Aufschluß über die wahre sichtbare Kirche. Sie redet von einer solchen Kirche in uneingeschränktem Sinne. Man kann zwar auch von einer wahren sichtbaren Kirche in nicht uneingeschränktem Sinne reden, wie man analog auch von einem Krüppel als von einem wahrhaftigen, wirklichen Menschen reden kann. Allein, wie man einen in allen seinen Theilen gesunden Menschen als einen normalen, als einen Menschen, wie er sein soll, bezeichnet, so wird hier unter einer wahren sichtbaren Kirche in einem uneingeschränkten Sinne eine solche verstanden, wie sie eigentlich nach Gottes Willen und Stiftung sein soll, eine normale. Jedoch ist wohl zu merken, daß hier nicht von der Kirche überhaupt, sondern von einer sichtbaren Kirche die Rede ist. Eine wahre sichtbare Kirche in einem uneingeschränkten Sinne ist ein Haufen Christen, denen zwar allezeit Böse und Heuchler beigemischt sind, bei denen aber das reine, unverfälschte Wort Gottes und Sacrament zu finden ist. Eine wahre sichtbare Kirche in einem eingeschränkten Sinne dagegen nennen wir einen gleichergestalt gemischten Haufen, bei dem Gottes Wort und Sacrament nur überhaupt noch wesentlich ist. Eine solche Kirche z. B. ist die Reformirte. Sie ist nämlich eine Gemeinschaft, welche in der Absicht zusammengetreten ist, um Gottes Wort und Sacrament unter sich zu treiben. Allein, weil sie diese Gnadenmittel nicht rein und lauter hat, so kann man von ihr nicht als von einer wahren sichtbaren Kirche in uneingeschränktem Sinne reden. Gott sei gelobt, gibt es aber doch eine solche Kirche, und das ist die evangelisch-lutherische Kirche./Dies bekennen wir fröhlich und halten in fester Glaubensgewissenheit dafür, daß unsere liebe Kirche die vom HErrn Christo und seinen Aposteln vor 1800 Jahren gepflanzte Kirche sei, und zwar deshalb, weil unser Glaube, Lehre und Bekenutniß in allen Stücken auf das allcrgenaueste mit der Schrift, den Worten Christi und der Apostel übereinstimmt. Die lutherische Kirche ist daher nicht nur eine wirkliche, sondern die wahre sichtbare Kirche Gottes auf Erden, insofern „wahr" nichts anderes bedeutet, als: so wie sie nach Gottes Wort sein soll. Je weniger wir uns vor anderen Kirchen unseres frommen Wandels rühmen können oder wollen, um so mehr können und müssen wir uns doch vor Anderen der reinen Lehre rühmen, welche Dank der unverdienten Gnade Gottes uns arme Sünder wie das klare, Helle Sonnenlicht beschemt. — Die Führer des „(Lurek-Ouueil" aber leugnen dies. Ihnen ist unsere Kirche unter vielen guten nur die beste, nicht die rechtgläubige neben den falschgläubigen, nicht die wahre sichtbare Kirche in einem uneingeschränkten-Sinne. Der Unterschied unserer von anderen Kirchen ist diesen Theologen also nur ein gradueller, nicht ein specifischer. Daher reden sie auch immer nur von „Denominationen" und beweisen sich damit allerdings als Secte, deren An-, maßung, die beste zu sein, ganz lächerlich erscheinen muß. Diese Bezeich-nung „Denomination" oder „evangelische Denominationen" für alle protestantischen Parteien, Unitarier etwa ausgenommen, dient unfern Gegnern im „OkureL-dounoil" zum Ersatz für die Ausdrucksweise vulgärer Uniomsten,
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daß alle Christen, die nicht Papisten oder grobe Rationalisten sind, für Orthodoxe zu halten seien, und daß alle diese Orthodoxen auch kirchliche Gemeinschaft unter einander pflegen müssen. — Aber jene Bezeichnung ist so verkehrt, als diese Ausdrucksweise. Denn man kann z. B. nicht die reformirte Kirche eine evangelisch-reformirte Kirche nennen, da sie nicht durchs reine Evangelium reformirt ist. Das Prädicat „evangelisch" gebührt allein unserer Kirche. Wir setzen billig dem Namen „lutherisch" das Wort „evangelisch" voran, weil wir nicht an Luthern, sondern an das von Luther gelehrte reine Evangelium glauben. Wir sind keine Lutheristeu. Dies wissen unsere Widersacher sehr wohl und dennoch ist ihnen unsere Lehre von der rechtgläubigen lutherischen Kirche im Grunde ein Gräuel. Sie verwerfen es als eine hochmüthige, unerträgliche Anmaßung, wenn wir sagen, wir Lutheraner seien allein in Besitz der vollen Wahrheit. Man sieht, ihre unionistische. Abendmahlspraxis wurzelt auch mit in der kläglichen Theorie von den offenen Fragen. Gibt es in der lutherischen Kirche selbst Glaubenslehren, die von Lutheranern mit Za und Nein beantwortet werden können, warum wollte man nicht auch mit Nichtlutheranern, die diese oder jene Sonderlehre führen, Abendmahlsgemeinschaft halten! — Unsere Zweifelstheologen wollen die Wahrheit nur immer suchen, aber nie gefunden haben un^" stellen sich eben ^damrt jenen heidnischen Weisen an die Seite, die stets die Wahrheit suchten, aber nie fanden und sich daher Philosophen, d. H. Liebhaber der Wahrheit nannten. — Aber seitdem Christus und sein Evangelium auf Erden erschienen ist, ist auch die ewige, volle, seligmachende Wahrheit auf Erden und zwar für Jedermann. Wer das leugnet und die ZHghrheit noch nicht hat, ist wahrlich eine elende, bejammernswerthe Creatur und gewißlich kein Christ. — Wie klar, deutlich und verständlich selbst für ein Kind sind doch in Gottes Wort z. B. die Lehren von der Taufe, vom Abendmahl, von dem ewigen, allgemeinen Gnadmwillen Gottes enthalten! — Zeder, der nur seine Vernunft gefangen hält unter dem Gehorsam des Glaubens und nicht muth-willig widerstrebt, kann und muß hier von der Wahrheit göttlich gewiß gemacht und davon überzeugt werden, daß die Gegenlehre vom Teufel ist. — Würden unsere Widersacher auch wohl wagen, jene apostolischen Gemeinden der hochmüthigen Selbstüberhebung zu zeihen, wenn sie einschleichenden Jrr-geistern, vor deren Seelengist sie die heiligen Apostel mündlich oder brieflich verwarnten, die Bruderhand und Sacramentsgemeinschaft verweigert und ihnen erklärt hätten: Wir haben die Wahrheit und ihr habt sie nicht, sondern eine Teufelslehre? — Sie würden cs nicht. Aber eben das, was sie jenen Gemeinden einräumen müssen, wollen sie uns nicht zugestehcn. Warum nicht? Darum nicht, weil, wie sie sagen, wir ja nicht die Apostel, sondern nur Luther zum Lehrer hätten. / Aber o thörichter Einwand, der uns ihren Unglauben an das Wort Gottes offenbar macht! Denn haben wir Lutheraner nicht noch heute dieses heilige Wort Gottes „rein, schlecht und recht durch seine Macht, in heilger Schrift beschrieben"? Redet nicht der heilige
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Paulus noch immer zu uns in der Bibel und zwar ebendasselbe, was er damals seinen Gemeinden predigte und schrieb? Haben wir daher nicht auch heute noch die ewige volle, untrügliche Wahrheit? Und wäre eS nicht em ganz falsches, elendes, vom Teufel eingerührtes Schamgefühl, zu denken, es wäre hochmüthig und selbstüberhebend zu sagen: Ich habe die Wahrhett, denn ich stehe auf dem Felsen des Wortes Gottes, und ich verwerfe die Gegenlehre als Lüge des Satans! — Der gnädige Gott bewahre uns doch vor solchem verkehrten Schamgefühl und jeglicher Huldigung des Unionsgeistes.
Uebrigens scheuen so Viele das treue Festhalten am Wort Gottes und reiner Lehre auch darum so sehr, weil sie daraus leicht und mit allem Recht auch auf treues Halten auf ein genau mit der Schrift summendes Leben schließen können, und ein solches ihnen im Grunde nicht minder wie die rerne Lehre verhaßt ist. Dahingegen hat ein rechtgläubiger Christ, der dce Lehre von der Erbsünde recht erkannt hat, wie vor Gottes Wort überhaupt, so auch nur vor derjenigen Frömmigkeit Respect, die mit dem Worte stimmt.
Wir sehen, die großen verführerischen Mächte innerhalb der Kirche sind heutzutage einmal der Pabst, der sich allein für unfehlbar hält, und zum Ändern die Union, welche nirgends die unfehlbare Wahrhett findet. Wider Beide halten wir Lutheraner daran fest, daß es allerdings eine unfehl a^ Wahrhett gibt, aber nur im Worte Gottes, und daß wir sie gewißlich besitzen, so lange wir auf dem Worte stehen Oder sollte das zu viel behauptet sein und uns diese Behauptung nicht doch dem römischen Antichristen an die Seite stellen, welcher die Unfehlbarkeit in Sachen des Glaubens, der Sitten und der Zucht für sich allein in Anspruch nimmt! Nein, nimmermehr. Denn dort, zu Rom, behauptet man aus Eingeben des Teufels eine Unfehlbarkeit außer, ohne und selbst wider Gottes Wort, hier aber bekennen wir, bei aller eigenen persönlichen Jrrthumsfähigkeit, dennoch unfehlbar zu sein, weil und so lange wir reden, wie Gott in seinem unfehlbaren Worte redet. Das ist der gewaltige Unterschied. Unser Geist ist, Gott sei gelobt, ein anderer als der des Pabstes, aber auch als der der Methodisten. Denn während diese uns wegen unserer Lehre von der allein rechtgläubigen lutherischen Kirche verlästern und verdammen, behaupten sie inzwischen, auem die wahre Kirche Gottes zu sein, wtzil sie allein fromm lebten. — Sie trifft deshalb, was St. Paulus 2 Tim. 3,1—9. von den ruhmredigen, hoffartigen, aufgeblasenen und scheingeistlichen Menschen der letzten graulichen Zeiten schreibt, während uns gesagt ist, was im 14ten Verse geschrieben steht: ,,Du aber bleibe in dem, das du gelernt hast und dir vertrauet ist; sintemal du weißest, von wem du gelernet hast."
Man höre, was Luther der Gestalt der wahren sichtt-r°n Kirche und der unfehlbaren Wahrheit Ihrer Lehre sagt: „Der Kinderglaube sagt, daß es sei eine heilige christliche Kirche, und St. Paulus 1 Cor. 3,17.: 'Der Tempel Gottes ist heilig, der seid ihr; wer aber den Tempel Gottes verderbet, den wird Gott verderben.' Darum kann und mag die heilige Kirche
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keine Lügen noch falsche Lehre leiden, sondern muß eitel heilig, wahrhaftiges, das ist, allein Gottes Wort lehren; und wo sie eine Lügen lehret, ist sie schon abgöttisch... Möchte aber ein Gutherziger (wie man's nennt) sagen: Was schadets denn, daß man Gottes Wort hielte, und ließe daneben diese Stücke alle (die päbstlichen Mißbrauche und Irrthumer), oder je etliche, so leidlich wären, auch gleichwohl bleiben? Antworte ich: Es mögen gutherzige Leute heißen, sie sind aber irreherzige und verfuhretherzige Leute; denn du hörest, daß nicht sein kann, neben Gottes Wort etwas Anderes lehren, neben Gott einem Andern dienen, neben dem Licht (in Finsterniß von Gott geftellet) ein anderes anzünden. Es ist gewiß Jrrthum, wenns gleich ein einig Stück wäre; denn die Kirche soll und kann nicht Lügen noch Jrrthum lehren, auch Stück; lehret sie eine Lüge, so ists ganz falsch, wie Chnstus spricht Luc. 11, 35.: ,Schau d'rauf, daß nicht das Licht in dir Finsternrß, wenn nun dein Leib ganz Licht ist,' daß es kein Stück von Finsterniß hat, 'so wird es ganz Licht sein', daß heißt, es muß ganz Licht und kein Stück Finstermß da sein. Eitel Gottes Wort oder Wahrheit, und kein Jrrthum noch Lügen muß die Kirche lehren. Und wie konnte es auch anders sein, weil Gottes Mund der Kirchen Mund ist? Und weiderum: Gott kann ja nicht lügen, also die Kirche auch nicht..... Die Kirche muß allein Gottes Wort lehren und deß gewiß sein, dadurch sie, der Grund und Pfeiler der Wahrheit und auf den Felsen gebauet, heilig und unstraflrch heißt, das ist, wie man recht und wohl sagt: die Kirche kann nicht irren; denn Gottes Wort, welches sie lehret, kann nrcht irren. Was aber anders gelehret oder Zweifel ist, obs Gottes Wort sei, das kann nicht der Kirchen Lehre sein.... Herzog George, unseliger Gedächtniß, hat gesagt: Er wisse fast wohl, daß viel Mißbrauche sind in der Kirche eingerissen, aber daß ein einzelner Mönch aus einem Loch diese Reformation sollt vornehmen, sei nicht zu leiden. Wohlan, der bekennet (ohne Zweifel nicht allein), daß eure Kirche voll Mißbräuche ist; das heißt soviel, es ist nicht die reine, rechte Kirche, denn die soll heilig und rein sein, ohne allen Zusatz, schweige denn, ohne^lle Mißbräuche." (Wider Hans Wurst v. I. 1541. Walch, XVII, S. 1682 ff. Walther: Die evang.-luth. Kirche u.s.w., S. 43—45.)
In diesen Worten Luthers soll freilich nicht gesagt sein, daß es nicht auch rn der rechtgläubigen Kirche oftmals arme, schwache, irrende Christen gebe; aber sobald diese aus Gottes Wort ihres Jrrthums überwiesen sind lassen sie davon ab, fallen dem Worte Gottes zu und bekennen die Wahrheit. Wer lutherischen Kirche hartnäckig an seinem Jrrthume festhält, muß schließlich hinaus. Anders in der reformirten Kirche. Denn diese steht m rhrer Gesondertheit grade auf dem Jrrthum und hört z. B. in der Lehre vom Helgen Abendmahle nicht auf das klare Gottes Wort, sondern auf ihre thonchten Vernunftgedanken. Unfehlbar und irrthumsfrei ist man also
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überall da, wo man am Worte Gottes festhält. Denn so gewiß die Bibel Gottes Wort und vom Heiligen Geist eingegeben ist, so gewiß Christus der Sohn Gottes und der Mund der ewigen Wahrheit ist, so gewiß ist auch, daß wir, wenn wir an dem Buchstaben der heiligen Schrift halten, nicht irren können. Wer das nicht glaubt, hat weder in den Anfechtungen des Teufels Kraft und Sieg, noch in den Schrecken des Todes Trost, und muß elendiglich verloren gehen. Sein Glaube ist nichts als ein Gespenst. Denn der wahre Glaube, wie Luther sagt, stirbt tausendmal darüber, daß er die Wahrheit habe. Er macht uns unfehlbar. Nicht sagen wir, daß ein lutherischer Christ auch nicht in einem Ding, das in der heiligen Schrift enthalten ist, irren könne, sondern nur das behaupten wir, daß er in allen Artikeln des Glaubens, die so klar und deutlich für Jedermann in der Schrift geoffenbart sind, die volle Wahrheit habe, so daß er darauf fröhlich leben und sterben kann. Es ist auch dies eine arge Täuschung der Jrrgeister, wenn sie behaupten, daß nur diese und jene Glaubenslehre, wie z. B. die von der Gottheit Christi, klar und deutlich in der heiligen Schrift geoffenbaret sei; andere aber, wie z. B. gewisse Unterscheidungslehren, nicht, und daß man daher in diesen Letzteren die unfehlbare Wahrheit nicht erlangen könne. Dazu sagen wir: Nein. Alle Lehren des Glaubens sind in der heiligen Schrift ganz klar und unmißverständlich geoffenbaret, und indem unsere Kirche diese Lehren bekennt, ist sie der unfehlbare Mund Gottes, eine Behauptung, die unfern Widersachern, wie gesagt, ein Aergerniß, uns aber ein sehr großer Trost ist.-— Was wir aber in der Thesis bekennen, das beweisen wir aus den, derselben beigefügten Schriftsprüchen. Joh. 8,31.32.: „Da sprach nun ZEsus zu den Juden, die an ihn glaubten: So ihr bleiben werdet an meiner Rede, so seid ihr meine rechten Jünger. Und werdet die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch frei machen." Der erste Theil dieser Stelle lautet nach dem Grundtext eigentlich: „So ihr bleiben werdet an meinem Worte (^«H, so seid ihr in Wahrhett meine Jünger", und hieraus sieht man deutlich, daß der HErr Christus diejenigen für seinerechten Jünger, also für die wahre Kirche erklärt, die an seinem Worte, nämlich an dem einfältigen Verstände desselben, fest-halten. Das thut nun die lutherische Kirche. Ja dies gilt auch von den in falschen Kirchen lebenden Kindern Gottes, denn obschon sie hie und da irren, so geschieht dieses von ihnen doch unwissentlich. Sobald sie aber ihren Jrrthum einsehen, lassen sie ihn fahren und bleiben bei der Rede oder dem Worte Christi. Auch hängen sie mit ihren Herzen nicht sowohl an dem Jrrthum, als allein an Christo, ihrem HErrn. Nun aber sagt derselbe HErr von allen denen, die an seiner Rede bleiben: »Und werdet die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch frei machen'. Wer also nicht Christum selbst zum Lügner machen will, muß hiernach bekennen, daß jie wahre sichtbare Kirche Gottes auf Erden, also die evangelisch - lutherische, und jeder
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Joh. 10, 4. 5., lautet: „Die Schafe folgen ihm nach, denn sie kennen seine Stimme. Einem Fremden aber folgen sie nicht nach,, sondern fliehen vor ihm, denn sie kennen des Fremden Stimme nicht." — Was ist nun hiernach die Kirche? Die Gesammtheit der Schafe oder Jünger Christi. Was nun von diesen gilt, gilt auch von der Kirche. Ein Schaf höret seines Hirten Stimme und folgt ihm nach. So ein lutherischer Christ seinem Hirten Christo. Er glaubt Seinem Wort, mag es auch seiner Vernunft noch so unglaublich dünken. Ferner: Ein Schaf kennt des Fremden Stimme nicht, sondern fliehet sie vielmehr. So ein lutherischer Christ die falschen Geister und ihre Irrlehren, mögen sie seiner Vernunft auch noch so süß und annehmbar klingen.
Die Stelle Offenb. 3, 7—11. bildet einen Theil des Sendschreibens an den Bischof der Gemeinde zu Philadelphia. Christus sagt ihm durch den Mund Johannis aber nicht: Weil du so fromm lebst, sondern: „Dieweil du hast behalten das Wort meiner Geduld, will ich auch dich behalten vor der Stunde der Versuchung, die kommen wird über den ganzen Weltkreis." Dieses Halten an der reinen Lehre war also seine Krone, die er sich nicht nehmen lassen sollte. Zwar heißt es zuvor: „Ich weiß deine Werke", allein unter diesen Werken ist hier nichts Anderes, als eben das treue Festhalten an dem Wort'der Wahrheit gemeint, gleichwie bei dem Bischof von Laodicäa darunter Nichts, als seine Lauigkeit und sein Abfall vom guten Bekenntniß gemeint ist. Und wie sich die der Gemeinde zu Philadelphia gegebene Verheißung bis auf den heutigen Tag erfüllt hat, davon zeugt die noch immer in dieser Stadt lebende Christenschaar, während die Laodicäische Gemeinde verschwunden und ihre Stätte zum Trümmerhaufen geworden ist. Soll denn obige Verheißung sich auch an uns und unfern Kindern nach uns erfüllen, so thut wahrlich noth, daß auch wir in diesen letzten Zeiten der Versuchung getreulich am Worte halten. Man merke auch: Christus nennt hier in dem Sendschreiben die Abgefallenen nicht „liebe Brüder", die einen anderen, auch berechtigten Standpunkt einnehmen, sondern Solche, die „lügen".
1 Kor. 1,10. heißt es: „Ich ermahne euch aber, liebe Brüder, durch den Namen unseres HErrn JEsu Christi, daß ihr allzumal einerlei Rede führet und lasset nicht Spaltungen unter euch sein, sondern haltet fest an einander in Einem Sinn und in einerlei Meinung." Hier ist das göttliche Gerichts-urtheil über den Geist dieser Zeit ausgesprochen und vom Heiligen Geiste der Stab über die Union gebrochen. Der HErr spricht gleichsam zu ihr: Du bist meine Kirche nicht. Den Unirten ist ja bekanntlich Einerlei Rede, Sinn und Meinung ein Gräuel, der nach ihrer Meinung gerade die Spaltung und Zersplitterung der Kirche herbeiführt und den sie uns „Altlutheranern" überlassen wollen. Aber zeugen sie damit nicht selber von sich, daß ihre vielgepriesene Einigkeit in der Union nichts als ein übertünchtes Grab und eine
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heuchlerische Komödie ist? Denn wie kann da in Wahrheit von Einigkeit der Kirche die Rede fein, wo ihre GliÄer nur (wie auch im Pabstthum) äußerlich zusammengeleimt sind und in ihr mancherlei Glauben und Lehre geführt wird. Nicht uns, sondern sie, die Unirtm, trifft der Vorwurf, die Kirche zu zersplittern, und man möchte wohl sagen: Sie haben so viel Spaltungen, als Menschen sie haben. Jedoch der Heilige Geist Gottes ver-urtheilt hier mit dem Wort: „Einerlei Sinn und Meinung" auch die Stimmführer des „Oirurek-Oonueil". Zwar wollen diese in der Kirche einerlei Rede haben, fordern Annahme sämmtlicher Bekenntnißschriften der evang.-luth. Kirche, fordern die Unterschriften dazu, aber über den „Einen Sinn" und „Einerlei Meinung" wollenste nicht lange disputiren und streiten. Und doch ist dieses in den Augen des Heiligen Geistes nicht minder ein heuchlerisches und verabscheuungswürdiges Unionsmanoeuvre. Denn wie kann die Rede des Mundes oder die Schrift der Hände Einigkeit machen, wo die Herzen durch mancherlei Sinn und Meinung'getrennt und zerspalten sind! — Auch die Stelle
Ep he s. 4, 3—6. schlägt das Menschen-Machwerk der Union zu Boden.
Denn hier heißt es: „Seid fleißig zu Halten die Einigkeit"" (nicht im Leib, sondern) „im Geist durch das Band des Friedens." Und worin besteht diese? In einem Leibe und einem Geiste, (nämlich in einem geistlichen Leibe in Christo eingepflanzt), so daß die Christen Einen HErrn, Einen Glauben, Eine Taufe, Einen Gott und Vater haben. Dies ist die wahre innerliche Einigkeit, die unter dett" Christen in der Kirche bestehen soll. Und wo sie nun solchergestalt besteht, da soll man Fleiß thun, sie durch die Liebe zu erhalten, und wohl Acht haben, daß nicht Neid und Hochmuth der Christen unter-und wider einander siezerstöre. Man sieht also, wie diese Stelle, welche die Unionisten so oft und gern als ihr Motto und Leibspruch anführen, gerade ihr vernichtendes Urtheil
enthält.
Thesis 2.
Eine Gemeinschaft, in welcher Gottes Wort grundsätzlich verfälscht wird oder doch grundsätzlich verfälscht werden darf, ist keine wahre, rechtgläubige, sondem eine falsche, irrgläubige Kirche oder Secte..
Sehr klar geht dieses hervor aus der Stelle:
Jo H. 10, 26. 27.: „Aber ihr glaubet nicht, denn ihr seid meine Schafe nicht, als ich euch gesagt habe. Denn meine Schafe hören meine Stimme und ich kenne sie und sie folgen mir." Gleichwie also hiernach (Vergl. auch oben die Stelle Cap. 10, 4. 5.) allein diejenigen Christi Schaft oder rechte, .wahre Kirche sind, welche seine Stimme, d. H. sein Wort hören und Ihm folgen, so sind wiederum auch die, welche diese seine Stimme nicht hören, d. H. dem Worte nicht glauben, seine Schaft nicht, sondern eine falsche Kirche. Ferner heißt es:
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Cap. l4, 23. 24.: „Wer mich liebet, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen. Wer aber, mich nicht liebet, der hält meine Worte nicht." Auch in diesen Worten gibt uns der HErr Christus die Kennzeichen der wahren und falschen Kirche klärlich an. Die, welche Christi Wort halten, sind die wahre Kirche, in der Gott selbst Wohnung macht. Sie ist Gottes Haus und rechter Tempel. Der HErr Himmels und der Erden wohnt in ihr, nicht nur wie überall nach seinem Wesen, sondern auch nach seiner.Gnadengegenwart. Dies ist das Kennzeichen der wahren Kirche. Die falsche Kirche dagegen erkennt man daran, daß sie Gottes Wort grundsätzlich nicht hält, sondern verfälscht. Darum kann Gott auch nicht in ihr wohnen. Sie ist eine Secte, mit der wir keine Gemeinschaft haben wollen. — Zwar geschieht es auch innerhalb der evangelisch-lutherischen Kirche, daß einmal Dieser oder Jener vom Worte Gottes abirrt, aber weil dies aus Schwachheit und in Unwissenheit geschieht, so wird dadurch unsere Kirche noch nicht zur Secte. Wer aber grundsätzlich und beharrlich vom Worte Gottes abweicht, der zählt zur falschen Kirche.
Es ist aber auch sehr wichtig, daß es in der Thesis heißt: auch da, wo Gottes Wort grundsätzlich verfälscht werden darf, sei eine falsche Kirche. So ist es nämlich z. B. in der Union. Denn, daß darin noch Etliche sein mögen, die im Allgemeinen Gottes Wort rein lehren, leugnen wir nicht. Allein dieser Umstand macht sie, die unirte Kirche, weder rein noch zu einer wahren sichtbaren Kirche Gottes. Vielmehr müssen wir von ihr bekennen, daß es schlimmer um sie steht, als um irgend eine andere protestantische Secte. Denn in diesen steht es so, daß die darin befindlichen wahren Christen in ihrer Unwissenheit meinen und im Herzen überzeugt sind, ihr Jrrthum sei Wahrheit. Mit ihnen kann man daher ehrlich und redlich kämpfen, wie wir Lutheraner denn auch mit ehrlichen Reformirten in der Lehre vom Abendmahl, von der Taufe, der Person Christi u. s. w. thun. Aber in der unirten Kirche darf man ungestraft das Wort Gottes grundsätzlich verfälschen. Hier ist die Lüge so gut berechtigt als wie die Wahrheit, und der Jrrthum gottloser Weise concessionirt. Man erklärt die reine Lehre überhaupt mehr für ein gleichgültiges Ding und ein durch Werkeleien ausgezeichnetes Leben für die Hauptsache. Wahrlich, dieses elende Unionsprincip muß selbst von dem Heiden Cicero verurtheilt werden. Als dieser nämlich in einer Rede der verschiedenen Lehren einiger Philosophen Erwähnung that, fügte er hinzu: „Welche von diesen Meinungen die rechte ist, weiß ich nicht; Eins aber weiß ich, dies nämlich, daß nur Eine von ihnen die rechte sein kann." Aber es trifft auch die Union das erschreckliche Urtheil Christi über den Bischof von Laodicäa: „Ach, daß du kalt oder warm wärest! Weil du aber lau bist und weder kalt noch warm, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde." (Offenb. 3, 15. 16.) Gleichwie also einem Menschen, der begierig nach einem erfrischenden Trunk Wassers, sich, wenn er statt dessen lauwarmes
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Wasser in den Mund bekommt, so sehr ekelt, daß er es sogleich ausspeiet, also ekelt sich der heilige Gott wor denen, die sein geoffenbartes Wort für ein gleichgültiges Ding achten und den Jrrthum der Wahrheit gleichstellen, so sehr, daß er sie von seinem Angesicht verwirft. — Unsinnig ist auch die von Unirten und unionistischen, falschen Lutheranern erfundene und feftgehaltene Theorie von den zu Einem Ziele führenden verschiedenen Richtungen. Denn so wenig es einer Anzahl Reisenden möglich ist, alle dieselbkStadt zu erreichen, wenn sie dabei Wege von verschiedenen Richtungen einschlagen, ebensowenig kann man auch auf dem geistlichen Gebiete bei Verfolgung verschiedener Richtungen ein und dasselbe Ziel erreichen. Wo verschiedene Richtungen sind, da wird auch stets ein sehr verschiedenes Ziel erreicht. — Wohl weiß auch die rechtgläubige lutherische Kirche die in ihrer Mitte aus Schwachheit Irrenden zu tragen, um sie durch Bestrafung und Ueberweisung aus Gottes Wort zur Buße zu bewegen. Gelingt dieses aber nicht und Jene offenbaren sich als halsstarrig Irrende, so erkennt sie unsere Kirche nicht mehr für Brüder an, sondern scheidet sich von ihnen. Die rechtgläubige Kirche kann also niemals den Jrrthum oder die falsche Lehre dulden oder berechtigen; sie kann nie mit der Lüge Union machen. Wollte z. B. ein Pastor falsche Lehre vortragen und seine Zuhörer duldeten dieses, protestirten und straften nicht, oder sagten sich nicht von ihm los, so müßten wir sie für irrig und unter Umständen sogar für ketzerisch halten. Denn mit Recht beurtheilt man ein Gemeindeglied nach seinem Prediger, gleichwie eine Kirche nach ihrem Bekenntniß. Geben wir daher auch gerne zu, daß es z. B. Ln der reformirten Kirche manche redliche Seelen gibt, die wir bei genauer Kenntniß für liebe Christen und Brüder halten müssen, so können wir uns mit ihnen doch nimmermehr kirchlich uniren. Die unirte Kirche dagegen ist die, in welcher man Irrlehren oder doch Jrrlehrer duldet und für Brüder hält. Zwar wenden die Unirten ein, daß auch sie nach Gottes Wort gingen, daß sie die Bekenntnisse beider Kirchen, der lutherischen und reformirten, annähmen, wo sie übereinstimmten, und da, wo dieses nicht der Fall sei, nach dem Princip der evangelischen Lehrfreiheit aus Gottes Wort entschieden. Allein auch dieses ist nichts als eine heuchlerische Ausflucht und ausgesuchte Gottlosigkeit, indem die Unirten ja über den betreffenden divergirenden Lehren nicht eine dritte richtige bekennen, sondern vielmehr die unter ihnen lutherisch Gesinnten die lutherische — und die reformirt Gesinnten die reformirte Lehre für die richtige halten und
erklären. Hören wir auch noch die Väter. Zunächst
Luther. Er schreibt: „Die heilige Kirche sündiget oder strauchelt, oder irret auch wohl, wie das Vaterunser lehret; aber sie vertheidiget noch entschuldiget sich nicht, sondern bittet demüthiglich um Vergebung und bessert sich, wie sie immer kann: so ists ihr vergeben, daß alodenn ihre Sünde nicht mehr Sünde gerechnet wird. Wenn ich nun bei dem Gehorsam oder verstocktem Ungehorsam nicht soll erkennen noch unterscheiden die rechte Kirche von der falschen, so weiß ich von
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keiner Kirche mehr zu sagen. So mag man darnach alle Ketzer, alle Rotten und Secten, so Christo frevelig ungehorsam sind, mit allen Ehren auch die heilige Kirche heißen, denn sie nichts ärger sind, weder des Pabsts Kirche ist, so anders freveler Ungehorsam wider Gott nichts schadet; wiederum ist die päbstliche Kirche nichts besser, weil sie ebensowohl Gott halsstarriglich ungehorsam ist und sein Wort freventlich verkehret und dazu noch recht haben will, als sonst keine anderen Rotten und Secten." (Brief wegen seines Buchs von der Winkelmesse vom Jahr 1534. Walch XIX, S. 1579. Walther:
Die evang.-luth. Kirche rc. S. 27 und 28.)
Ferner W. Bai er: „Der kirchlichen Einigkeit steht auch der Synkretismus entgegen oder der Zusammenschluß in der Religion zwieträchtiger Theile, trotz der Zwietracht, zu brüderlicher und kirchlicher Eintracht, so daß entweder die Lehrirrthümer in dem nicht übereinstimmenden Theile oder wenigstens die irrenden Personen selbst innerhalb der kirchlichen Genossenschaft als Brüder in Christo und Miterben des ewigen Lebens geduldet werden; welche Duldung jedoch unrecht ist, wenn anch Letztere zwar für Schwache und Irrende, aber doch für Brüder angesehen werden, die an demselben Gottesdienste theilnehmen. Hierbei ist zwar gewiß, daß die Einfältigen, welche aus unüberwindlicher Unwissenheit gewissen Jrrthümern so ergeben sind, daß sie nichtsdestoweniger den seligmachenden Glauben behalten, als schwache Brüder zu dulden wären, wenn sie uns vor den Ändern bekannt wären. Aber hier ist die Rede von dem zwieträchtigen Theile in Absicht auf das öffentliche Predigtamt und in Absicht auf die Lehre vom Glauben und Leben, wie sie öffentlich gepredigt wird, desgleichen in Absicht auf die Sacramente, wie sie verwaltet werden, nämlich verfälscht, so daß also die Glieder eines solchen sichtbaren Haufens betrachtet werden an sich, sofern sie Glieder desselben sind, nicht aber in Absicht auf das, was ihnen zufälligerweise zukommt. — Jene Duldung der Jrrthümer streitet 1. mit den Aussprüchen der Schrift, welche gebieten, die ganze christliche Lehre von allen Verfälschungen rein zu halten, 2 Thess. 2, 15., die gute Beilage zu bewahren, rühmlich unversehrt, unverkürzt und unverfälscht, 2 Tim. 1,14., und in dem, was man gelernt hat und uns vertrauet ist, zu bleiben. Dies wird aber nicht rein erhalten werden, wenn die entgegenstehenden Verfälschungen zugleich mit geduldet werden und wenn man zuläßt, daß man dieselben beimischt. Jene Duldung streitet 2. mit dem Strafamt, durch welches die falschen Lehren gemißbilligt und verdammt werden, was den treuen Lehrern von Gott auferlegt ist. Siehe Tit. 1, 9.13. 2 Tim. 4, 2. 3, 16., dem die Beispiele Christi, Matth. 5, 12. ff. 16, 6., und Pauli Gal. 1, 6., entsprechen., 2 darum, weil jene Jrrthümer und Verfälschungen, wenn ihnen nicht gesteuert wird und wenn sie nicht bekämpft und verdammt werden, sich immer weiter ausbreiten, die Wahrheit der Lehre aber
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zweifelhaft und verdächtig gemacht oder doch für eine gleichgültige Meinung angesehen wird die Irrenden selbst aber endlich in ihren Jrrthümern bestärkt werden und den Verführern Gelegenheit geboten wird, immer mehr anzu-stecken. Die Duldung aber der irrenden Personen, da sie nicht nur auf die Einfältigen, sondern auf ganze Gemeinschaften und daher zugleich auf das öffentliche Predigtamt selbst und auf die falschgläubigen Lehrer sich erstreckt, streitet mit den Geboten, falsche Lehrer und Verbreiter von Jrrthümern zu überführen, zu strafen und zu meiden, Röm. 16,17., 2 Cor. 6, 14. 17., Gal. 1, 8., 5, 12., 2 Thess. 3, 6., 1 Tim. 6, 3., Tit. 3, 10? (Oornx. tüeol. xosit. III, 13, 37. Walther: Die evang. - luth. Kirche rc., S. 33—36.)
Thesis 3.
Jeder Mensch ist verpflichtet sich zur wahren sichtbaren Kirche zu bekennen und, wenn er dazu Gelegenheit hat, auch dazu zu halten.
Auch diese Thesis ist daher wichtig für unfern Zweck. Wer überzeugt ist, daß es eine wahre sichtbare Kirche geben kann, geben soll und gibt, wie oben gesagt, der muß auch zugeben, daß jeder Mensch die Pflicht hat, sich ihr anzuschließen. Die Meinung, man habe die Freiheit, sich dieser oder jener Kirche anzuschließen fließt aber aus Unglauben, daß es wirklich eine solche wahre sichtbare Kirche Gottes geben könne. Aber was sagt David schon im
Psal. 26,6—8.: „Ich wasche meine Hände mit Unschuld, und halte mich, HErr, zu deinem Altäre, da man höret die Stimme desDankes, und dam an prediget alle deine Wunder. HErr, ich habe lieb die Stätte deines Hauses, und den Ort, da deine Ehre wohnet." Der Prophet meinet hier also die rechte Kirche. In dieser allein wohnt die Ehre Gottes, weil 1. hier nur sein Wort Geltung hat und 2., weil nur hier gelehret wird, daß wir gerecht werden allein aus Gnaden durch den Glauben ans Evangelium, welches hier in Predigt, Absolution, Tauft und im Abendmahle erschallt. In der falschgläubigen Kirche der Werkheiligen wird dagegen Gott seine Ehre genommen. Es wäre schon ebenso absurd als gottlos zu sagen: Ich habe zu meinem leiblichen Leben, zu meiner Schöpfung etwas aus eigenem Werke oder Verdienste beigetragen. Aber noch viel erschrecklicher und gottloser ist es zu behaupten: Ich habe etwas, und wenn auch nur das Geringste, zu Erlangung des geistlichen und ewigen Lebens beigetragen. Wer so denkt, der ist ein Ehrenräuber Gottes und ist verflucht. Und doch geschieht dies in der falschen Kirche. Hier dankt und rühmt man nicht Gott, sondern sich selbst. Aber die rechtgläubige Kirche ist die Kirche des Dankes und in ihr predigt man alle Wunder des HErrn. Darum hat David diese Kirche so lieb und hält sich zu ihr. Die Stelle
Matth. 10, 32—33.: „Darum, wer mich bekennet vor den Menschen, den will ich bekennen vor meinemhimmlischen Vater
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Wer mich aber verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen-vor meinem himmlischen Vater", — ist gleichfalls eine Hauptstelle zum Beweise, daß man sich zur rechten d. H. wahren sichtbaren Kirche halten soll; nicht deßhalb, damit man, wie die Papisten irrigerweise behaupten, erst hierdurch überhaupt in der Kirche, ein Christ und selig sei, sondern darum, weil es Pflicht ist, zu bekennen. Und dies ist nöthig, nicht um Gottes willen, sondern um unserer selbst und der miterlösten Welt willen. Denn es ist Gottes Wille, daß alle Menschen durch das Evangelium selig werden sollen. Die Christen aber sollen es der Welt predigen ' und vor ihr bekennen, nicht als sollten oder müßten sie alle öffentliche Diener der Kirche sein, sondern so und damit, daß sie sich zu der wahren sichtbaren Kirche halten, in ihr das reine Evangelinm hören, mit ihr dasselbe bekennen und gegen den Widerspruch vertheidigen. Auf diese Weise ist die Kirche ein
heilsamer Sauerteig in der Welt.
Lnc. 9,26. spricht derHErrChristus: „Wer sich aber meiner und
meiner Worte schämet, des wird sich des Menschen Sohn auch schämen, wenn er kommen wird Ln seiner Herrlichkeit und seines Vaters und der heiligen Engel." Alle die, welche sich also nicht zu der Kirche des reinen Wortes bekennen, oder einer Irrlehre anhangen, wie z. B. die Reformirten thun schämen sich der Worte Christi. Ein treffliches Exempel treuen Bekennens und Haltens zur wahren sichtbaren Kirche
geben uns dagegen die ersten Christen zu Jerusalem, von denen
Apo stelg. 2, 41. u. 42. bezeugt wird, daß sie nicht nur beständig bei der Apostel Lehre, sondern auch in der Gemeinschaft blieben, d. H. sich zu der rechtgläubigen Gemeinde bekannten, obschon dieses für sie mit großen Gefahren Leibes und Lebens verknüpft war. Sie sahen also ein, daß es nicht genug sei, für sich selbst die reine Wahrheit zu glauben, sondern daß sie auch schuldig seien, diese Wahrheit öffentlich zu bekennen. — Wenn daher ein Nicodemus so geblieben wäre, wie er einst bei der Nacht zu JEsu kam, in jammervoller Bekenntnißscheu, so wäre er kein Christ und nicht selig geworden, — deßhalb denn auch gerade in Absicht auf dieses Kommen der HErr Christus zu ihm sprach : „Wahrlich, wahrlich, ich sage dir, es sey denn, daß Jemand vvn neuem geboren werde, kann er das Reich Gottes nicht sehen." (Joh. 3, 2.) Die Stelle
Ebr. 10, 24. 25 lautet: "Und lasset uns unter einander unser selbst wahrnehmen mit Reizen zur Liebe und guten Werken. Und nicht verlassen unsere Versammlung, wie etliche pflegen, sondern untereinander ermahnen und das so viel mehr, so viel ihr sehet, daß sich der Tag nahet." Unter dem "Verlassen" hier ist nicht sowohl ein Zurückbleiben von einer Gemeindeversammlung oder einem öffentlichen Gottesdienste gemeint, als vielmehr ein Fernhalten von der Gemeischaft der rechtgläubigen Kirche überhaupt, wiewohl gewiß ist, daß, wer erst den Gottesdienst und die Gemeindeversammlung verabsäumt, damit auch schon von der Kirche ferntritt.
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Matth. 18,17. spricht der HErr: „Höret er die (Zeugen) nicht, so sage es der Gemeinde. Höret er die Gemeinde nicht, so halte ihn als einen Heiden und Zollne r." Dies Wort merke man wider die Schwärmer, welche vorgeben, Christus habe dieWahrheit gleichsam nur so in die Welt hinerngeworfen und Jeder, derLust habe sie anzunehmen, könne es thun. Aber das ist verkehrt. Christus hat ein Reich gestiftet, die Welt dadurch zu erretten, und nach seinem Wort und Willen soll wirklich eine sichtbare Kirche da sein, deren Stimme man hören und zu der man sich bekennen soll.
1 Joh. 2,19. heißt es: „Sie sind von uns ausgegangen, denn sie waren nichtvonuns. Denn wo sievonuns gewesen wären, so wären sie ja bei uns geblieben; aber auf daß sie offenbar würden, daß sienichtallevonuns sind." Diese Stelle halte man Andersgläubigen vor, die etwa zu uns kommen und löblich von uns und unserem Bekenntniß reden, dabei aber ruhig bei ihrem Glauben und in ihrer Kirche zu verbleiben begehren, indem, wie sie meinen, sie auch wohl selig werden konnten, ohne gerade zu uns zu treten. Man sage Solchen: Wenn ihr es wirklich'mit uns hieltet, so kämet ihr auch zu uns. Entweder ist euer Lob nur Heuchelei oder ihr handelt wider euer Gewissen. In der Stelle
2 Tim. 1, 8. schreibt der Apostel dem Timotheus: „Darum so schäme dich nicht des Zeugnisses unseres HErrn, nochmeiner, derichseinGebundener bi n." Dieser Spruch liefert den Beweis, daß und warum wir uns auch „lutherisch" nennen sollen. Paulus fordert Timotheus auf, sich nicht blos zu JEsu Wort, sondern auch zu ihm, zu Paulo, zu bekennen. Wer sich zu JEsu bekennt, soll sich auch zu denen bekennen, die JEsum recht predigen. Mancher, der unser lutherisches Bekenntniß für recht hält, verleugnet es doch vor unfern Feinden, indem er den lutherischen Namen verleugnet. Können wir uns nun auch über solche Verleugnung wohl trösten, so sind diese Leute doch Heuchler, zu denen Christus einst sagen wird: Ihr habt mich verrathen! denn ihr habt meine treuen Zeugen verrathen. Oder habt ihr nie gelesen: „Was ihr einem meiner Brüder und Diener gethan habt, das habt ihr mir gethan." Natürlich ist hier nur von Solchen die Rede, welche mit Bewußtsein die rechte Kirche verleugnen. Denn es kann wohl möglich sein, daß Jemand äußerlich die evang.-luth. Kirche verläßt und doch noch ein wahrer Christ bleibt. Es kann z. B. ein erweckter aber erkenntnißarmer Christ von Deutschland hierher in eine lutherische Gemeinde kommen, aber durch die Scheingeistlichkeit der Methodisten bezaubert, kann er denken, daß nur in dieser Gemeinschaft wahres, lebendiges Christenthum zu finden sei, und kann dann zu ihnen treten, ohne darum schon sein Christenthum verloren zu haben. — Wir sehen aber aus Allem, daß es nicht genug ist, die reine Lehre zu glauben, sondern, daß man sich auch zu den Rechtgläubigen öffentlich bekennen soll. Sehr trefflich schreibt hiervon auch
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Luther: „Ich sehe, daß eine gute Vermahnung noth ist, zu thnn an die, so jetzt der Satan anfähet zu verfolgen. Unter welchen etliche sind, die meinen, sie wollen der Fährlichkeit damit entlaufen, wenn man sie angreift, daß sie sagen: Ich Halts nicht mit dem Luther, noch mit Jemand, sondern mit dem heil. Evangelio und mit der seligen oder römischen Kirche; so läßt man sie zufrieden. Und behalten d och im Herzen meine Lehre für evangelisch, und bleiben dabei. Wahrlich solch Bekenntniß hilft sie nicht, und ist ebensoviel, als Christum verleugnet. Darum bitte ich, dieselben wollten sich ja wohl vorsehen. Wahr ist's, daß du ja bei Leib und Seel nicht sollt sagen: Ich bin Lutherisch oder Päbstisch; denn deshalb ist keiner für dich gestorben, noch dein Meister, sondern allein Christus, und sollt' dich (für einen) Christen bekennen. Aberwenndues dafür haltest, daß des Luthers Lehre evangelisch und des Pabsts unevangelisch sei, so mußt du den Luther nicht so gar hinwerfen, du wirfest sonst seine Lehre auch mit hin, diedu doch für Christus Lehre erkennest. Sondern also mußt du sagen: der Luther sei ein Bube oder Heilige, da liegt mir nichts an, seine Lehre aber ist nicht sein, sondern Christus selbst. Denn du stehest, daß die Tyrannen nicht damit umgehen, daß sie nur den Lutherumbringen, sondern die Lehre wollen sie vertilgen und von derLehre wegen tasten sie dich billig an und fragen
dich, ob du lutherisch seiest. Hie mußt du wahrlich nicht mit Rohrworten reden, sondern frei Christum bekennen, es Hab' ihn Luther, Claus oder Georg gepredigt. Die Person lasse fahren, aber die Lehre mnßt du bekennen. Also schreibt auch St. Paulus an Timotheum 2 Tim. 1, 8.: „Schäme dich nicht des Zeugnisses unsers HErrn, noch meiner, der ich um seinetwillen gebunden bin. Wenn hie Timotheo genug gewesen wäre, daß er das Evangelium bekennete, hätte ihm Paulus nicht geboten, daß er sich sein auch nicht schämen sollte, nicht als der Person Pauli, sondern als der um des Evangelii willen gebunden war. Wo nun Timotheus hätte gesagt: Ich halte es nicht mit Paulo noch mit Petro^ sondern mit Christo, und wußte doch, daß Petrus und Paulus Christum lehrten, hätte er doch Christum selbst damit verleugnet. Denn Christus spricht Matth. 10. von denen, die ihn predigen: „Wer euch aufnimmt, der nimmt mich auf; wer euch verachtet, der verachtet mich." Warum das? Darum, daß sie seine Boten (die sein Wort bringen) also halten, darum ist's gleich, als (ob) er selbst und sein Wort also gehalten würden." (Meinung von beider Gestalt des Sacraments zu nehmen. 1522. Walch XX, 136. 137. Walther. Kirche und Amt. 1852. S. 165.)
Thesis 4.
Jeder Mensch ist verpflichtet, irrgläubige Kirchen zu meiden und, wenn er zu einer solchen gehört, sich von ihr loszusagen und von ihr zu thun.
Dies lehrt uns:
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Psal. 26, 4. u. 5.: „Ich sitze nicht bei den eiteln L euten, und habe nicht Gemeinschaft mit den Falschen. Ich hassedie Versammlung der Boshaftigen und sitze nichtbei den Gottlosen." — Die eiteln Leute, von denen David sich ferne hält, sind eben die Jrrgeister, die auf eigener nichtiger Weisheit und Gerechtigkeit, und nicht auf dem Worte Gottes stehen. Ferner heißt es:
Psalm 94, 20.: „Du wirst ja nimmer eins mit dem schädlichen Stuhl, der das Gesetz übel deutet." — Stuhl heißt hier Lehrstuhl oder Kanzel. Mit denen nun, die auf demselben das Gesetz d. H. überhaupt Gottes Wort übel deuten d. H. fälschen, wird Gott nimmer einig, sondern ist ihr Feind. Ist Er aber ihr Feind, wie könnten wir mit ihnen Freundschaft und Einigkeit halten? Nicht nur mit denen daher, welche als Ungläubige von Gottes Wort überhaupt nichts wissen wollen, sondern auch mit denen, welche dieses Wort übel deuten oder zu falscher Lehre verkehren, sollen und müssen w ir uneins sein. Ebendasselbe gebietet uns auch
Jerem. 15, 19.: „Wo du dich zu mir hältst, so will ich mich zu dir halten und sollst mein Prediger bleiben. Und wodudie Frommen lehrest sich sondern von den Bösen, so sollst du mein Lehrersein. Und ehedusolltestzuihnenh alten, so müssen sie eher zu dir fallen." Hier ist nämlich auch das Sondern von den Gottlosen geboten. Man wendet ein: Sind denn alle Glieder einer falschgläubigen Kirche Gottlose? Allein darauf antworten wir: Freilich nicht alle, es sind auch Christen darunter, allein die Gottlosen — nämlich die falschen Lehrer und hartnäckigen Vertheidiger des Jrrthums sind eben die Schuld, daß solche falschgläubige Gemeinschaft besteht und bleibt, und darum müssen wir uns von ihr lossagen und fernehalten. Aus der Stelle
R ö m. 16,17.: „Ich ermahne aber euch, lieben Brüder, daß ihr aufsehet auf die, die da Zertrennung und Aergerniß anrichten nebender Lehre, dieihr gelernet habt, und weichet von den-selbigen" — sehen wir aber, daß nicht wir, wenn wir von Falschgläubigen uns trennen und ferne halten, es sind, die die Einigkeit der Kirche stören und sie zersplittern, wie man uns fälschlich Schuld gibt, sondern jene selbst, die da Zertrennung und Aergerniß anrichten neben der reinen, heilsamen Lehre des Wortes Gottes. .
1 K or. 11, 19. sagt St. Paulus: „Denn es müssen Rotten unter euch sein, aufdaßdie, so rech tschaffen sind, o ffenb ar un ter euch werden."—Rotte bedeutet nach dem Grundtexte (a^sa--?) eine Gemeinschaft von Menschen, die eine irrige Lehre wider einen oder mehrere Artikel des Glaubens führen, also eine Secte. Derjenige wird aber als ein rechtgläubiger Christ offenbar, welcher sich von solchen Secten trennt. Die Christen, die unwissentlich darunter bleiben, mögen wohl durch Gottes wunderbar gnädige Bewahrung Christen bleiben, aber sie werden uns eben als solche nicht offenbar.
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1 Cor. 10, 18. heißt es u. A.: „Welche die Opfer essen, sind die nicht in der Gemeinschaft des Altars?" Hieraus lernen wir, was zu solcher unserer Absonderung von der falschen Kirche nothwendig gehört. Dieses nämlich, daß wir uns aller gottesdienstlichen Gemeinschaft mit Jener enthalten. Denn gleichwie jene Korinther, welche von dem heidnischen Götzenopfer aßen, mit den Heiden in Gemeinschaft traten, so tritt noch jetzt ein Christ durch Theilnahme an falschem Gottesdienst mit der falschgläubigen Kirche in Gemeinschaft.
Matth. 7, 15. ist die bekannte aber leider nur wenig beachtete Warnung Christi: „Sehet euch vor vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe." Manche, die Jrrlehrern zuhören, sagen zwar: Wir nehmen uns das Beste von dem, was sie predigen, heraus, allein wir fragen: Heißt das sich vor ihnen vorsehen, oder dem Wolf in den Nachen laufen? Christus sagt: Höret sie nicht! Und.wahrlich, würde sman sie nicht hören, so würden sie aufhören müssen mit Predigen. Sind sie doch zumeist auch solche Bauchdiener, die nur um guten Geldes willen predigen. Luther konnte sagen, ihm fehle, um das Pabstthum zu stürzen, nur ein großer Sack voll Geld. — Hauptbe-weisstellen für unsere Thesis sind auch:
1 Tim. 6, 3—5.: „So Jemand anders lehret und bleibet nicht bei den heilsamen Worten unsers HErrn JEsu Christi und bei der Lehre von der Gottseligkeit; der.ist verdüstert und weiß nichts, sondern ist seuchtig in Fragen und Wortkriegen, aus welchen entspringet Neid, Hader, Lästerung, böser Argwohn, Schulgezänke solcher Menschen, die zerrüttete Sinne haben und derWahrheit beraubt sind, die da meinen Gottseligkeit sei ein Gewerbe. Thue dich von solchen."
Tit. 3,10.: „Einen ketzerischen Menschen meide, wenn er einmal und abermal ermahnet ist." —Ein ketzerischer Mensch ist eben ein solcher, der in einem Artikel des Glaubms halsstarrig irrt.
Apostelg. 20, 30. u. 31.: „Auch aus euch selbst werden aufstehen Männer, die da verkehrte Lehre reden, die Jünger an sich zuziehen. Darum seid wacker und denket daran, daßichnicht abgelassen habe, drei Jahre Tag und Nacht einen Jeglichen mitThranenzu vermahnen." — Offenbar Ungläubige wollen auch die Unirten verwerfen, nicht aber Irrgläubige. Dagegen aber streitet dieser Spruch, in welchem vor der Gemeinschaft mit denen gewarnt wird, die da verkehrte oder falsche Lehre führen.
2Joh. 10. 11.: „So Jemand zu euch kommt und bringet diese Lehre nicht, den nehmet nicht zu Hause und grüßet ihn auch nicht. Denn wer ihn grüßet, der macht sich theilhaftig seiner bösen Werke." Dies ist ein Hauptsprnch. Man nennt Johannes so gern den Lkbesjünger, aber wenn er heute diesen Spruch der Welt predigen würde,
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so würde man ihn steinigen. Allein er redet göttliche Wahrheit. Er sagt auch zuvor: „Wer Übertritt und bleibt nicht in der Lehre Christi, der hat keinen Gott." Darum soll man auch solche nicht grüßen, d. H. nicht als sollte man die bürgerliche Höflichkeit gegen sie und nöthigsten Verkehr mit ihnen meiden, sondern dieses, daß man gegenüber von Falschgläubigen allen denjenigen Verkehr meiden soll, von dem sie auf unsere Sympathie mit ihm schließen könnten, denn das hieße Christum verleugnen. Gefährlich sind daher Heirathen mit Andersgläubigen, besonders wenn der Mann der irrgläubige Theil ist. Welch ein schweres Kreuz hat dann der rechtgläubige Theil zu tragen und wie viele erliegen oft und verlieren darüber Glauben und gutes Gewissen gänzlich! Selbst allzuenge Geschäftsverbindungen mit FalfchMubigen sind nicht anzurathen. Der Apostel sagt von einem Solchen sagarr „Nehmet ihn nicht zu Hause", d. H. man soll, ausgenommen im Falle ihrer wirklichen Hülfsbedürftigkeit, sie nicht freundschaftlich bewirthen, ihnen auch zu ihren kirchlichen Zwecken keinerlei Unterstützung gewähren.
2 Cor. 6, 14.endlich lautet: „Ziehet nicht am fremden Joch mit den Ungläubigen. Denn was hat die Gerechtigkeit für Genieß mitder Ungerechtigkeit? Was hat dasLicht für Gemeinschaft mit der Finsterniß?" Viele meinen, dieser Spruch passe nicht auf Irrgläubige, da ja nur von Ungläubigen die Rede sei. Aber sie irren. Die Union beruhet auf nichts als aufUnglauben, indem sie Irrgläubige und solche, die öffentlich wider Gottes Wort lehren, aufnimmt, berechtigt oder doch duldet. Die Ungläubigen sind es daher eigentlich, die den Unionstempel bauen. Wer zur Union tritt, der tritt damit auch zu den Bösen und Ungläubigen, die darin'grundsätzlich sind. Ein rechtgläubiger Christ soll und muß solche Gemeinschaften also ernstlich fliehen und lieber nie das Abendmahl empfangen oder lieber sterben, als ein Zwinglisches Abendmahl genießen. Wir wissen wohl, daß die Falschgläubigen uns beschuldigen: Streit und Hader um die reine Lehre und Uneinigkeit in der Kirche sei uns ein Hauptvergnügen. Ach sie ahnen nicht, daß es uns ein schweres Kreuz ist. Allein Gottes Wort bindet uns. Der Heiland sagt: „Wer Vater oder Mutter mehr liebet, denn mich, der ist mein nicht werth und wer Sohn oderTochter mehr liebet, dennmich, der ist mein nicht werth" (Matth. 10, 37.), ja er sagt: „So Jemand zu mir kommt und hasset nicht seinen Vater, Mutter, Weib, Kinder, Brüder, Schwestern, auch dazu sein eigen Leben, der kann nicht mein Jünger sein." (Luc. 14, 26.) Es will der HErr in letzteren Worten sagen: Wer nicht aus Liebsszu mir eiwas zu thun entschlossen ist, und auch thut, was von seinen eigenen Eltern oder ändern Angehörigen etwa als eine That des Hasses angesehen wird, der kann nicht ein wahrer Christ sein. So hat vielleicht ein treuer Lutheraner einen zärtlichen, aber im Irrglauben verblendeten Vater, der ihn mit vielen beweglichen Worten und Flehen, ja mit Thränen und Beschwörungen angeht, er möge doch nicht zu den Lutheranern, dieser (in seinen Au-
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gen) halsstarrigen, schädlichen Secte gehören, möge doch nicht durch Annahme oder Vertheidigung des lutherischen Namens und Bekenntnisses sein graues Haupt mit Schmach bedecken und mit Kummer in die Grube bringen. Und doch darf dann in diesem Fall ein solcher lutherischer Christ nicht weichen und nachgeben, nicht ansehen seines Vaters Kummer und Jammer, sondern allein seines Gottes Wort. Wie wird aber die blinde Welt diesen Gehorsam gegen die Schrift beurtheilen? Sie wird seine That als den schändlichsten Haß und Bosheit gegen den leiblichen Vater verurtheilen. — Das zu ertragen ist nichts Geringes, allein eS ist nothwendig.
Die Schmalkaldischen Artikel im Anhang sagen: „Weil nun dem also ist, sollen alle Christen auf das Fleißigste sich hüten, daß sie solcher gottlosen Lehre, Gotteslästerung und unbilliger Wütherei sich nicht theilhaftig machen, sondern sollen vom Pa-fte und seinen Gliedern oder Anhang, als von des Antichrists Reich, weichen und es verfluchen, wie Christus befohlen hat: ,Hütet euch für den falschen Propheten? Und Paulus gebeut, daß man falsche Prediger meiden und als einen Gräuel verfluchen soll. Und 2. Cor. 6. spricht er: »Ziehet nicht am fremden Joch mit den Ungläubigen, denn was hat das Licht für Gemeinschaft mit der Finsterniß rc? Schwer istes, daßmanvon sovielLandenundLeutensichtrennenund eine sondere Lehre führen will. Aber hie steht Gottes Befehl, daßJedermann sich hüten soll und nicht mit denen einhellig sein, so Unrechte Lehre führen, oder mit Wütherei zu erhalten gedenken." (Müller S. B. 336—37.) und
Luther: „Weil nun so viel und große Warnungen und Vermahnungen Gottes an ihnen (den Sacramentirern) schlechts verloren sind .. ., muß ich sie fahren lassen und meiden als die Tit. 3, 11.: „Die
wissentlich und muthwilliglich verdammt sein wollen, und mit ihrer keinem einigerleiGemeinschaft haben, weder mit Briefen, Schriften, Worten, noch Werken, wie der HErr gebeut Matth. 18, 17., er heiße Stenkefeld, Zwingel, oder wie er wolle, denn ich rechne sie alle in einen Kuchen, wie sie auch sind, die nicht glauben wollen, daß des HErrn Brod im Abendmahl sei seinj rechter natürlicher Leib, welchen der Gottlose oder Judas ebensowohl mündlich empfähet als St. Petrus und alle Heiligen. Wer das (sage ich) nicht will glauben, der lasse mich nur zufrieden mit Briefen, Schriften oder Worten, und hoffe bei mir keine Gemein schaft; da wird nichts anderes aus." (Kurzes Bekenntniß vom heil. Sacrament wider die Schwärmer, anno 1544. Walch XX, 2211. 12.)
Thesis 5.
Auch in irrgläubigen Gemeinschaften befinden sich wahre Christen, welche sich dazu aus Schwachheit der Erkenntniß halten.
Man lese Gal. 1, 2., wo der heil. Apostel die Galater noch Gemeinde, griechisch oder deutsch Kirche nennt, obschon er Cap. 3.
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von ihnen als unverständigen Leuten reden muß, die der Wahrheit nicht gehorchten und eine Secte waren. Aber darum heißt er sie „Gemeinde," weil noch wahre Christen unter ihnen waren. Ferner
Offenb. 2, 24.: „Euch aber sage ich und den Ändern, die zu Thyatyra sind, die nicht haben solche Lehre und die nicht erkannt haben die Tiefen des Satans (als siesagen): Ich willnicht aufeuchwerfen eine a nder e La st."—Vorher spricht der Sohn Gottes zu derselben Gemeinde (v. 20): „Aber ich habe ein Kleines wider dich" u. s. f. Das ist heilige Satyre. Was du für ein Kleines achtest, will Christus sagen, ist etwas Großes, nämlich eine erschreckliche Sünde, „daß du lässest das Weib Isabel, die da spricht: sie sei eine Prophetin, lehren und verführen meine Knechte Hurerei treiben und Gö tzenopfer essen." Die Gemeinde zu Thyatyra war also offenbar sectirerisch. Gleichwohl folgt nun doch unser obiger Text zum deutlichen Beweis, daß in den Secten solche sind, die die falsche Lehre nicht in's Herz ausgenommen haben, aber in der Secte stecken, weil sie die Tiefen des Satans nicht erkannt haben.
1 Kön. 19, 14. 18. ist die Rede von der Klage Eliä über das treulose, vom HErrn abgefallene Israel, und von Gottes dem Propheten gegebenem Trost. So sehr nämlich herrschten die Falschgläubigen in der jüdischen Kirche, daß der liebe Prophet in seiner Anfechtung glauben konnte, er allein sei übrig geblieben. Aber Gott offenbarte ihm, daß noch 7000 in Israel übrig seien, die mit ihm ihre Kniee nicht vor dem Baal gebeugt hätten. — Ueberall, wo noch Gottes Wort wesentlich ist, da ist auch noch eine Kirche und also auch in den Secten finden sich immer noch redliche Christenseelen verborgen. Auch die Geschichte
2 Samuelis 15,11. zeigt dies: „Es gingen aber mit Absalom 200 Mann, von Jerusalem berufen; aber sie gingen in ihrer Einfalt und wußten nicht sum die Sache." Wie bekannt, bereitete der ruchlose Absalom heimlich eine Rebellion gegen seinen Vater und König David vor, indem er dessen Unterthanen mit allerlei Trugwort an sich lockte und fesselte. Manche gute Leute nun, die seine böse Absicht nicht durchschauten, meinten, er sammle als des Königs Sohn und nach dessen Willen das Volk um sich, und folgten ihm so mit den Beinen nach, obschvn ihr Herz an ihrem König David hing. Dies ist ein treffendes Bild von den Christen in den Secten. Absalom bildet die falschen Propheten ab, welche rebelliren gegen den König David d. i. Christum. Aber sie thun es unter frommem Schein. Darum durchschauen oft redliche Christen ihre Bosheit nicht und laufen ihnen äußerlich nach, während doch ihr Herz an Christo hangt. Auch unsere Bekenntnisse bezeugen die hier ausgesprochene Wahrheit. So die Concor-dienformel:
„Was denn die Condemnationes, Aussetzung und Verwerfung falscher und unreiner Lehre besonders im Artikel des HErrn Abendmahl betrifft, so
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in dieser Erklärung und gründlichen Hinlegung der streitigen Artikel ausdrücklich und unterschiedlich (in der Concordienformel) gesetzt werden müssen, damit sich männiglich vor denselben wissen zu hüten, und aus vielen ändern Ursachen keineswegs umgangen werden kann: ist gleichergestalt unser Wille und Meinung nicht, daß hiemit die Personen, so aus Einfalt irren und die Wahrheit des göttlichen Wortes nicht lästern; viel weniger aber ganze Kirchen in- oder außerhalb des heiligen Reichs deutscher Nation gemeint, sondern daß allein damit die falschen und verführerischen Lehren und derselben halsstarrige Lehrer und Lästerer. . . eigentlich verworfen werden ...; sintemal wir uns ganz und gar keinen Zweifel machen, daß viel frommer unschuldiger Leute auch in den Kirche n, diesich bishermituns nicht allerdings verglichen, zu finden seien." (Vorrede zum Concordienbuche von 1580.)
Keine unserer Bekenntnißschriften ist von unseren Widersachern mehr als unduldsam verschrieen, als die Concordienformel, und doch stellt diese in der angezogenen Stelle vor Allem fest, daß obschon unsere Kirche allein auf dem Worte Gottes und nicht auf Menschenlehre stehe, sie doch nicht für die Alleinseligmachende zu halten sei, außer der Niemand selig werden könne, sondern daß es auch in ändern Kirchen Christen gebe, und daß von uns nicht sowohl diese als vielmehr nur die falsche Lehre und deren halsstarrige Lehrer und Verfechter verdammt würden. — Es ist diese Stelle auch wegen unserer Frage so wichtig, indem aus ihr (wie oben bemerkt) die Stimmführer des „Oüureü-Oouncril" folgern wollen, wie man recht wohl auch andersgläubige, einfache, liebe Christen oder deren Prediger aus anderen Kirchengemeinschaften zu Abendmahls- oder Kanzelgemeinschaft annehmen könne und wie wir durch Ausschließung derselben von unserem Altar und Kanzel uns geradezu unlutherischer Praxis schuldi gmachten. Wie falsch aber diese Folgerung aus obiger Stelle ist, werden wir später noch hören.
Thesis 6.
Diejenigen, welche von dem theilweisen Abfall der kirchlichen Gemeinschaft, zu der sie sich halten, überzeugt werden und doch darin bleiben, gehören nicht zu dm Schwachen, sondern sind entweder Laue, die der HErr ausspeyen will aus seinem Munde, oder epicurische Religionsspötter, die mit Pilatus in ihrem Herzen sprechen: Was ist Wahrheit?
Wenn man sagt, daß es auch in falschgläubigen Kirchen Christen gebe, so hat das allerdings seine Richtigkeit, es sind Christen darinnen, aber schwache Christen, nämlich solche, die in einem Jrrthum befangen sind, ohne es zu wissen. Wenn sie aber von dem Jrrthum überzeugt sind, in der Secte bleiben und gleichwohl für Schwache angesehen sein wollen, so ist das Heuchelei. Sie find entweder Laue oder epicurische Religionsspötter. Denn was sagt der HErr? Er spricht:
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Luc. 11, 23.: „Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreuet." Wer also die Wahrheit hört und zu glauben vorgibt und sie nicht auch öffentlich mitbekennt, der meinet es nicht ehrlich mit seinem Christenthum. Neutralität ist im Reiche Gottes verdammt. Wer nicht öffentlich für die Wahrheit ist, ist noch dawider; er sammelt nicht, sondern zerstreut die Gemeinde Gottes, so viel an ihm ist. Weiter spricht Christus :
Matth. 10,34—37.: „Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen bin, Friede auf Erden zu senden. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert, denn ich bin gekommen, den Menschen zu erregen wider seinen Vater und die Tochter wider ihre Mutter und die Schnur widerlhre Schwieger und des Menschen Feinde werden seine eigenen Hausgenossen sessn." Das mögen insbesondere diejenigen merken, welche, obschon sie die Jrrthümer ihrer Secte erkennen, dennoch aus Scheu und Furcht vor Kampf, Kreuz und allerlei zeitlichem Ungemach, Bedenken tragen, sich auch öffentlich davon loszusagen und zur rechtgläubigen Kirche zu halten. — Aber wahrlich, es ist der Kampf im Reiche Gottes und um des Wortes Gottes willen, der Kampf wider den Teufel, ein heiliger, seliger Kampf. Er ist allen echten Christen verordnet, die Kirche ist hier allezeit eine streitende Kirche. Thoren sind es, die da denken, es sei doch ein stiller, behaglicher, äußerlicher Friede weit erbaulicher und dem Gedeihen der Kirche förderlicher. Nein, nichts gefährlicher, nichts schrecklicher, als wenn in der Kirche ein sogenannter Gottesackerfriede herrscht. — Der Heiland sagt: „Ich bin gekommen ein Feuer anzuzünden auf Erden und was wollte ich lieber, denn es brennete schon!" und sein im heiligen Streit wohlerfahrener und erprobter Knecht Luther weis't oftmals den großen Segen nach, der da folgt, wo im geistlichen Kampf die Geister auf einander platzen. In Hiobs Hause sähe es, des Streites, Kreuzes und Ungemachs wegen, aus, wie in einer Teufelssynagoge, und doch war es ein rechtes Gotteshaus. Die Unirten hassen den Streit um des Wortes Gottes willen. Sie wollen höchstens etwas fechten gegen den Unglauben, aber nicht gegen den Irrglauben und die falsche Lehre. Sie wollen nicht wissen, daß diese der Kirche noch weit gefährlicher ist, als Jener. — Die obenerwähnte Stelle
Offenbg. 3, 15. 16.: „Ich weiß deine Werke, daß du weder kalt noch warm bist" u. s. w., verurtheilt auch diejenigen als Laue, welche meinen, es sei doch schlechterdings nicht recht, seine Religion zu wechseln. Wahr ist es, wer die wahre, christliche Religion hat, der darf sie nicht mit einer ändern wechseln, so gewiß er selig zu werden hofft; aber wehe dem, der da erkennt, daß sein Glaube, Lehre und Kirche nicht die richtigeist, und sie dann doch nicht mit der wahren, rechtgläubigen Kirche vertauscht! — Nie würde Adam ein Christ oder Luther ein evangelischer Mann geworden sein, wenn nicht beide ihre falsche Religion, der Erste seinen Teufelsdienst, der An-
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dern seiner Papismus, bußfertig hätten fahren lassen. Wer also unsere ev.-luth. Lehre und Kirche für recht erklärt aber gleichwohl in der falschen Kirche bleibt und nicht zu uns Übertritt, lädt eine schwere Verdammniß auf sich. Er weiß dann wohl den Weg der Wahrheit — aber wandelt ihn nicht, wie Christus spricht:
Luc. 12, 47. 48.: „Der Mensch aber, der seines HErrn Willen weiß und hat sich nicht bereitet, auch nicht nach seinem Willen gethan, der wird viele Streiche leiden müssen." — Damit aber auch Niemand mit seiner durch Untreue und Trägheit verschuldeten Unwissenheit, für sein Verbleiben in der falschen Kirche sich entschuldigen könne, so sagt unser HErr Christus auch
Matth. 13,12.: „Wer da hat, dem wird gegeben werden, daß er die Fülle habe; wer aber nicht hat, von dem wird auch genommen, das er hat." Wem also Gott irgend ein Maaß geistlicher Gaben, z. B. Erkenntniß gegeben hat, und er gebraucht sie nur treu, zum redlichen Forschen in Gottes Wort, bei dem wird sie der gnädige Gott mehren und wachsen lassen. Und umgekehrt, wer nicht hat, d. H. wer nicht treulich mit den ihm verliehenen Gaben der Erkenntniß umgeht, der kommt immer mehr zurück und verliert sie schließlich ganz. Sieht etwa ein Reformirter durch Gottes Gnade ein, daß seine Lehre meinem Punkte falsch ist, und er benutzt nun treu dieses Licht und forscht weiter nach, so wird ihm Gott auch helfen, sich nach und nach von allen Jrrthümern der reformirten Kirche zu überzeugen und dann der lutherischen Lehre und Kirche zuzufallen. Gebraucht er dagegen die erste Gnade nicht recht, so wird alles Erkenntnißlicht wieder bei ihm erlöschen und er wird in den Jrrthum um so tiefer verstrickt werden. — Nach Röm. 14, 23.: „Wer aber darüber zweifelt" (nämlich ob das Fleischessen an sich recht sei) „und isset doch, der ist verdammt, denn es gehtnicht aus dem Glauben",—thut also auch derjenige eine ver-dammliche Sünde, der über die Rechtgläubigkeit seiner Kirche in Zweifel steht und doch in ihr bleibt, denn er beweis't damit, daß ihm überhaupt die Sünde eine gleichgültige Sache ist. Man höre auch
Luther in seinem Gespräch mit Georg Major, da heißt es u. A.: „Wer seine Lehre, Glauben und Bekenntniß für wahr, recht und gewiß hält, der kann mit Ändern, so falsche Lehre führen, oder derselben zugethan sind, nicht in Einem Stalle stehen, noch immerdar gute Worte dem Teufel und seinen Schuppen geben. Ein Lehrer, der zu den Jrrthümern stille schweigt, und Will gleichwohl ein rechter Lehrer sein, der ist ärger, denn ein öffentlicher Schwärmer, und thut mit seiner Heuchelei größeren Schaden, denn ein Ketzer, und ist ihm nicht zu vertrauen; er ist ein Wolf und ein Fuchs, ein Mieth-ling und ein Bauchdiener rc. und darfLehre, Wort, Glauben, Sacrament, Kirchen und Schulen verachten und übergeben; er liegt entweder mit den Feinden heimlich unter einer Decke, oder ist ein Zweifler und Windfaher, und will sehen, wo es hinaus wolle, ob Christus oder der Teufel obsiegen werde, oder ist ganz
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und gar bei sich selbst ungewiß, und nicht würdig, -aß er ein Schüler, will geschweigen ein Lehrer heißen solle, und will Niemand erzürnen, noch Christo sein Wort reden, noch dem Teufel und der Welt wehe thun." (Walch XVIII, 1477. Walther: Kirche und Amt S. 129. 1. Aufl.) Sehr wichtig ist auch, was I. Spener, der mildeste aller lutherischen Theologen des 17ten Jahrhunderts, der oft der Großvater der Unirten genannt wird, in dieser Beziehung sagt:
„Nachdem aus Gottes Verhängniß wegen eingeschlichener falscher Lehre die Christenheit in mehr Theile getrennt worden, kann ich keine Andere Brüder nennen, als die sich zu der luth. Kirche bekennen." (Uebereinstimmung mit der Augsb. Conf. S. 226.)
Derselbe: „Was die äußerliche Brüderschaft anlanget, welche sich gründet auf die Gemeinschaft des Glaubens, den man glaubet, öder die Religion, sind alle Lutheraner meine Brüder, da sie -sich zu Einem Glauben bekennen und halten; aber kein Reformirter, als lang er solcher bleibt, ist mein Bruder, denn er bekennet sich zu einer ändern und zwar zu einer solchen Religion, bei dero Lehre ich gefährliche Jrrthümer glaube zu erkennen." (Letzte theol. Bedenken. Cap. II, S. 605.)
Wie schwerlich sündigen also doch die, welche in falschgläubigen Kirchen ihre Andacht suchen, namentlich hier, wo doch volle Religionsfreiheit herrscht und sie etwa nur die Kosten und Unbequemlichkeiten einer Reise zu erleiden haben, um Gottes reines Wort in einer lutherischen Kirche zu hören!
Thesis 7.
Zwar ist der Hauptzweck der heiligen Sacramente, Werkzeuge und Mittel zu sein, durch welche die Gnadenverheißungen angeboten, mitgetheilt und zugeeignet, sowie Siegel, Zeugnisse und Unterpfänder, durch welche diese Verheißungen versiegelt werden; es ist jedoch ein diesem Hauptzweck untergeordneter Zweck derselben auch dieser, unterscheidende Zeichen des Bekenntnisses und Bänder gottesdienstlicher Gemeinschaft zu sein. Abendmahlsgemeinschaft ist daher Kirchengemeinschaft.
Diese Thesis ist deswegen hier so nvthig, weil, wie weiter oben schon bemerkt, unsere Gegner sagen: Wenn ihr Lutheraner anerkennt, daß auch in ändern Kirchen Christen sind, so müßt ihr auch zugeben, daß sie auch Theil haben an euren Sacramenten, denn diese sind ja Unterpfänder und Siegel der göttlichen Gnadengüter, welche allen Christen gehören. Dagegen sagen wir nun: Wohl sind die heil. Sacramente dieses und zwar zuerst und vornehmlich und ihr hättet auch recht, wenn sie nichts anderes, als dieses, wären. Aber sie sind auch unterscheidende Zeichen des Bekenntnisses und Bänder gottesdienstlicher Gemeinschaft. Wohl gewähren wir daher Katholiken oder Heiden als Solchen das Hören des Wortes Gottes bei uns; allein wen man
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Theil nehmen läßt an den Sacramenten, den muß man als im rechten Christenglauben stehend erkennen, denn man drückt ihm damit gleichsam ein Siegel glaubensbrüderlicher Gemeinschaft auf. Das gilt sowohl von der heil. Tauft, als von dem heil. Abendmahle. Und dazu hat Christus auch beide Sacramente verordnet. Denn das Evangelium ist kein philosophisches System, sondern eine fruchtbringende Gotteskraft. ^Es wird gepredigt, damit eine Kirche sei, in der sich die Gläubigen in Einigkeit beisammen finden. Und die Sacramente sind gleichsam die heiligen Bänder und Zäune, innerhalb derer die Christen der Welt gegenüber stehen. So schon im Alten Testament die Beschneidung, von der es
1 Mos. 17,11. heißt: „Ihr sollt aberdieVorhautaneurem Fleisch beschneiden. Dasselbe soll ein Zeichen sein des Bundes zwischen mir und euch." Desgleichen
Röm. 4, 11.: „DasZ eichen aber derBeschneidungempfing er" (Abraham) „zum Siegel der Gerechtigkeit des Glaubens, welchen ernoch in der Vorhaut hatte." Hieraus sehen wir, daß also nicht an dem äußerlichen Hören des Wortes Gottes in Israel, sondern an der Beschneidnng die Zugehörigkeit zum Volke Gottes erkannt werden sollte. Wer zum Volke Gottes gehören wollte, der mußte sich beschneiden lassen. Und stand er dann im gerechtmachenden Glauben an den verheißenen Messias, so war diese Beschneidung das heilige Bundeszeichen und Siegel der erlangten Glaubensgerechtigkeit. Und ebenso verhielt es sich mit dem Passah.
2 Mos. 12, 43. 48.: „Und der. HErr sprach zu Mose und Aaron: Dies ist die Weise Pa ssah zu halten; kein Fremder soll davon essen. So aber ein Fremdling bei dir wohnet, und dem HErrn dasPassah halten will, der beschneide alles, wasmän n-lichist; alsdannmacheersichhinzu, daßersolchesthue, undsei, wie ein Einheimischer des Landes; denn kein Unbeschnittener soll davon essen." Das Passah war also gleichfalls ein Bundeszeichen zwischen Israel und den Heiden. Zur Verkündigung des Wortes Gottes durften, ja sollten die Letzteren wohl kommen, aber an der Passahmahlzeit durfte Niemand, selbst nicht ein gläubiger Proselyt, sondern nur ein beschnittener Jsraelite Theilnehmen. Dasselbe gilt nun auch von den Sacramenten des Neuen Testaments. Von der heil. Taufe heißt es 1 Cor. 12, 13.: „Denn wir sind alle zu einem Leibe getau ft." Wer also getauft wird, wird dadurch für ein Glied desselben mystischen Leibes erklärt, dem ich als Christ angehöre, und ich gebe einem Getauften eben durch die Taufe das Zeugniß: du bist mein lieber Mitchrist, mein Bruder in Christo. Gleicherweise verhält es sich auch mit dem heil. Abendmahle.
1 Cor. 10, 17. heißt es: „Denn ein Brod ist es, so sind wir Viele ein Leib, dieweil wir alle eines Brodes theilhaftig sind." Indem somit die Christen von dem Einen Brod des Sacraments essen, werden alle mystisch, nämlich geistlicher, — moralischer, ^oder Darstellungsweise Ein
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Leib und durch den Act des Mitessens wird ein Mensch als mit allen Christen Eins in Christo erklärt. Denn gleichwie das Brod aus unendlich vielen Mehlkörnlein gebacken besteht, also, daß es unmöglich ist, diese Körnlein wieder von einander zu sondern, ebenso sind auch alle Christen durch das Abendmahl Einer in Christo und vieltausendmal inniger verbunden, als selbst Leib und Seele zu einem Organismus. Sie sind thatsächlich Eins. Ein Gott wohnt in ihnen, Ein Geist herrscht in ihnen, Einen Heiland haben sie alle in sich und Ein HErr JEsus redet aus ihnen. — Und nun bedenke man, welche gräuliche Sünde diejenigen thun, welche das Abendmahl Solchen reichen und sich mit ihnen als Eins und Brüder bekennen, die doch ändern Glaubens und Bekenntnisses sind.
1 Cor. 11, 20.: „Wenn ihr nun zusammenkommet, hält man da nicht des HErrn Abendmahl," straft es der Apostel, daß die Corin-ther das Abendmahl feierten, ohne die damit bezeugte glaubensbrüderliche Gemeinschaft in der Liebe zu bethätigen. Man sieht also auch hier, daß das Abendmahl auch ein Band gottesdienstlicher Gemeinschaft sein soll. Zur Predigt sollen wohl Alle, zum Abendmahle aber nur die Christen kommen, die den einen rechten Christenglauben mit dem Munde bekennen. Wer daher in einer luth. Kirche zum heil. Abendmahle geht, der bezeugt öffentlich vor der Welt: Ich halte mich hier zu dieser Kirche^ 'zu der hier gepredigten Lehre, zu dem hier bekannten Glauben und zu allen hierher gehörenden Bekennern, und ebendasselbe bezeugt ihm auch der Pastor, der ihm das Sacrament reicht. So hebt es denn auch
Ap ostelg. 2, 42 u. 46 und Kap. 20, 7. der heil. Geist rühmend hervor, wie die Christen zu Jerusalem und zu Troas in Kleinasien ihre Glaubenseinigkeit und Brüderschaft bewiesen haben im Brod brechen, d. H. in der Feier des heil. Abendmahles.— Kommen denn nun falschgläubige Christen mit unserm Wissen zu unserm Abendmahle, so heucheln sie und wir. Sie scheinen Lutheraner zu sein und sinds doch nicht. —
Alle diese Stellen der Schrift bestätigen somit die Wahrheit unserer Thesis. Würden die Führer des „OLureii - Oouueil" sie annehmen, so müßten sie ihre falschen Principien und Practiken aufgeben, aber sie nehmen sie nicht eher an, als bis sie erkannt haben, daß es wirklich eine wahre, sichtbare Kirche Gottes in uneingeschränktem Sinne gibt. Sie sagen ihren andersgläubigen Communicanten nicht, daß sie durch den Genuß des heil. Abendmahles bei uns sich zu unserer Lehre und Kirche bekennen, lassen sie im Jrrthum stecken und stürzen sie und sich selbst in die Sünde der Heuchelei. So nöthtg und wichtig es daher ist, vor allem gegenüber von Reformirten und Unirten zu bezeugen, daß die Sacramente wahrhaftige Gnadenmittel und Unterpfänder für unfern Glauben sind, so ist doch jetzt auch die Zeit gekommen, wo wir den unionistischen Lutheranern gegenüber bekennen müssen, daß die Sacramente auch Zeichen und Bänder gottesdienstlicher und glaubensbrüderlicher Gemeinschaft sind. Dies bekennt auch unsere Kirche in ihren
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Symbolen. So die Augsburgische Confession: „Vom Brauch der Sacramente wird gelehret, daß die Sacramente eingesetzt sind, nicht allein darum, daß sie Zeichen sein, dabei man äußerlich die Christen kennen möge." (,Xo1a6 prot'essionik Inter Koinines*—Bekenntnißzeichen unter denMenschen). Art. 13. Die Apologie setzt noch in dem entsprechenden Artikel hinzu: „Wie Losung, Hoffarbe."
Apologie: „Die christliche Kirche stehet nicht allein in Gesellschaft äußerlicher Zeichen, sondern stehet fürnehmlich in Gemeinschaft inwendig der ewigen Güter im Herzen, als des heil. Geistes, des Glaubens, der Furcht und Liebe Gottes. Und dieselbige Kirche hat doch auch äußerliche Zei-ch en, dabei man sie kennet; nämlich wie Gottes Wort rein gehet, wo die Sacramente demselbigen gemäß gereicht werden, da ist gewiß die Kirche, da sein Christen, und dieselbige Kirche wird allein genennet in der Schrift Christus Leib. .. Wir haben nichts Neues gesagt. Denn Paulus zu den Ephesern am 5. Cap. sagt gleich also, was die Kirche sei, und setzt auch die äußerlichen Zeichen, nämlich das Evangelium, die Sacramente. Denn also sagt er: „Christus hat geliebet die Gemeine und sich selbst für sie gegeben, auf daß er sie heiligte, und hat sie gereiniget durch das Wasserbad im Wort." (Art. 7.).
Luther: „Daß Christus zu dem ersten Stück, wer da glaubet, dazu setzet und meldet vou der T au fe, das gehet auf den Befehl von dem äußerlichen Amt in der Christenheit, wie er Matth. 28, 19. solches auch in die beide Stück zusammenfasset: Lehret alle Heiden und taufet sie rc. Und zeiget erstlich, daß dennoch der Glaube, davon dies Evangelium prediget, nicht muß heimlich und verborgen bleiben, als wäre es genug, daß ein jeder wollte hingehen, wenn er das Evangelium höret, und für sich allein glauben, und nicht dürfte vor ändern seinen glauben bekennen; sondern, auf daß er offenbar wäre, nicht allein wo das Evangelium geprediget, sondern auch angenommen und gegläubet werde, das ist, wo die Kirche und Christi Reich in der Welt stehe, will er uns zusammen-ringen und halten durch dies göttliche Zeichen der Taufe. Denn wo es ohne das wäre, und wir sollten zerstreuet sein ohne äußerlicheSammlung und Zeichen, so könnte die Christenheit nicht ausgebreitet, noch bis an's Ende erhalten werden. Nun aber will er uus durch solche göttliche Sammlung also zusammen binden, daß das Evangelium immer weiter und weiter gehe und durch unser Bekenntniß auch andere herzu gebracht werden. Und ist also die Taufe ein öffentlich Zeugniß der Lehre des Evangelii und unsers Glaubens vor aller Welt, dabei man sehen könne, wo und bei welchem dieser HErr regiert." (Kirchenpostille, lieber das Evangelium am Tage der Himmelfahrt Christi. XI, 1330. fg.)
Derselbe: „Solche Lehre zu treiben und zu üben unter den Christen hat er eingesetzet; daß sie zusammen kommen und zwei Ceremonien halten, das ist die Taufe und das Sacrament seines Leibes und Blutes; wie das
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offenbar gnug ist in den Evangelien und Episteln St. Pauli, darinnen nicht allein solche Lehre, Glauben und Gnade empfangen und täglich gemehret werde, sondern auch damit öffentlich als mit der That vor der Welt bekannt werde, wer ein Christ sei oder nicht, und ob er solche Lehre auch wolle frei unverzagt bekennen, Gott zu Ehren und dem Nächsten zum tröstlichen Exempel, wie er denn selbst sagt: Solches thut zu meinem Gedächtniß, 1 Cor. 11, 24. 25.; welches ist nichts Anderes, denn öffentlich sein gedenken, bekennen, loben und danken; als St. Paulus, auslegt, und spricht: Solches thut, daß ihr des HErrn Tod verkündiget 1 Cor. 11, 26. Das sind die Stücke alle, die wir gegen Gott thun sollen, nämlich sein Wort predigen und glauben und die Sacramente zum Wahrzeichen und Bekenntniß empfangen. Daraus folget denn das Kreuz über die, so dermaßen solche Lehre bekennen." (Unterricht und Beweis, daß die Ev. Lehre mit dem Munde und mit der That zu bekennen. An Graf Albrecht von Mansfeld. 1523. X, 2720.)
Derselbe: „Das Sacrament ist eine offenbarliche Bekenntniß und soll offenbarliche Diener haben, weil dabei steht, als Christus sagt, man soll es thun zu seinem Gedächtniß, das ist, wie St. Paulus sagt, zu verkündigen oder predigen des HErrn Tod, bis er komme." (Briefe an Wolfg. Brauer von der Hauscommunion. 1636. X, 2738 fg.)
Derselbe: „Wiewohl auch im Pabstthum solcher Mißbrauch gewesen, daß man Partikel in Häusern gehabt für eigene Messe rc.; aber doch um des Exempels willen und anderer Ursachen will und kann ich's nicht rathen. Denn mit der Weil möchte es jedermann so wollen brauchen, daß damit die gemeine Kirche und Versammlung verlassen und wüste würde; so es doch ein öffentlich und gemein Bekenntniß soll sein." (Bedenken, ob man das hochw. Sacrament beider Gestalt in geheim zu Hause sich möge reichen lassen. 1635. X, 2739 fg.)
Derselbe: „(Nun wollen wir weiter sagen von der Weise, wie dem Volk das hochw. Sacrament zu reichen sei. . . Hierin soll man eben die Weise oder Ordnung haben, die man bei der Taufe hält, nämlich, daß erstlich dem Bischof oder Pfarrherrn angezeigt werde, wer die sind, so das Sacrament empfahen wollen, und sie selbst sollen bitten, daß er ihnen das heil. Sacrament wollte reichen, auf daß er ihre Namen kenne und, was sie für ein Leben führen, wissen möge. Darnach, ob sie gleich darum bitten, soll er sie doch nicht ehe zulassen, sie haben denn Antwort geben ihres Glaubens, und sonderlich auf die Frage Bericht gethan: ob sie verstehen, was das Sacramentsei. .. Wir wollen die, so auf obgemeldte Stücke nicht zu antworten wissen, allerdings von der Gemeinschaft dieses Sacraments ausgeschlossen und abgesondert haben, als die, so des hochzeitlichen Kleides mangeln.) . .. Die Nießung dieses Sacraments in der Gemeine ist ein Stück christlicher Bekenntniß, dadurch die, so hinzu gehen vor Gott, Engeln und Menschen bekennen, daß sie Christen
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sein. Um deßwillen ist fleißig wahrzunehmen, daß nicht Etliche das Sakrament heimlich abstehlen." (Weise, christliche Messe zu halten. 1523. X, 2763 fg.)
Derselbe: „Zum dritten kennt man Gottes Volk oder ein christlich heilig Volk an dem heil. Sacramente des Altars, wo es recht nach Christi Einsetzung gereicht, geglaubt und empfangen wird. Denn es ist auch ein öffentlich Zeichen unv theuer Heiligthum von Christo hinter sich gelassen, dadurch sein Volk geheiligt wird, da es sich auch übt und öffentlich bekennt, daß es Christen sein, wie es thut mit dem Wort und mit der Taufe." (Schrift von den Conciliis und Kirchen. 1539. XVI, 2788.)
I. Gerhard zahlt unter den Zwecken des heil. Abendmahls, welche nicht zu den Hauptzwecken gehören: „daß wir bezeugen, daß wir die Lehre billigen, welche in derjenigen Kirche erschallt, in der wir zugleich mit anderen dasselbe Brod des heil. Abendmahles essen und aus einem und demselben Kelche trinken, nach 1 Cor. 10, 17.: Ein Brod ist es, so sind wir viele Ein Leib, dieweil wir alle Eines Brodes theilhaftig sind." (I^oo. 6s s. ooena. § 214.)
Derselbe: „Wie durch die Predigt des Wortes und die Verwaltung der Sacramente sich die Kirche von weltlichen Gemeinschaften unterscheidet, die außerhalb der Kirche sind, so unterscheidet sie sich durch reine Predigt und durch rechtmäßige Verwaltung der Sacramente von den ketzerischen Gemeinschaften, welche in.der Kirche sind." (Doe. cle soolesis § 131.)
Die Leipziger theol. Facultät schrieb im Jahre 1620: „So ist auch dies Sacrament ein Kennzeichen der christlichen Kirchen. Weil wir denn die beharrlichen Calvinisten wegen ihres Unglaubens nicht für rechtschaffene Glieder unserer Kirche erkennen, mögen wir ihnen auch nicht unsere Kennzeichen mittheilen, weil kein größer Aergerniß mag gegeben werden, als wenn also die Religionen vermenget werden." (Dedekennus' lIiWUur. Vol. I, k. II, lol. 313.)
Nicht also durch gute Werke allein, sondern insbesondere auch durch die heil. Sacramente sollen sich Christen als eine Kirche und Volk Gottes erweisen. Die Sacramente sollen die Kirche sammeln und ihre Glieder bezeichnen. Ein Abendmahlsgänger tritt als Prediger auf, indem er sich da, wo er das Sacrament genießt, wie gesagt, als zu der wahren Kirche bekennt. Die Wortführer des „Okurok-lüouneil" geben auch selbst zu, daß Taufe und Abendmahl Kennzeichen der rechtgläubigen Kirche seien. Ein um so greulicherer Betrug ist es daher, und eine Lüge bei Gottes Namen, wenn sie Andersgläubigen, indem sie sie zum Abendmahl annehmen, das Siegel der Rechtgläubigkeit aufdrücken.—Sich selbst rechtfertigend erheben sie dagegen nun wider uns die Anklage, als excommunicirten und bannten wir gleichsam diejenigen andersgläubigen Christen, denen wir die Abendmahlsgemeinschaft mit uns verweigern. Allein diese Anklage ist durchaus falsch. Wir Habens oft gesagt und
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sagen es wieder, daß auch in falschgläubigen Kirchen noch wahre Christen sind. Sie stehen aber unter einem falschen Panier und Zeichen. Nun können und wollen wir ihnen nicht eher das rechte geistliche Feldzeichen geben, als bis sie sich auch mit uns von Herzen dazu bekennen. Zwar wenden unsere Widersacher ein, das Sacrament und selbst das in den Secten verstümmelte Sacrament sei ein unterscheidendes Bekenntnißzeichen der Christenheit überhaupt gegenüber von Heiden, Juden und Türken, und darum könnten Christen untereinander recht wohl Abendmahlsgemeinschaft pflegen. Aber auch dies ist irrig. Denn wenn die Sacramente Zeichen des Bekenntnisses sind, wie siees sind, so sind sie Zeichen des reinen Bekenntnisses. Kommt also Jemand zu unserm Altar, so fragen wir erst: Glaubst und bekennst du auch, was wir Lutheraner glauben und bekennen? Und wollte Jemand antworten: Ob der lutherische oder reformirte Glaube der rechte ist, weiß ich nicht und will ich nicht entscheiden, — der soll wissen, daß er entweder ein nichtswürdiger Heuchler oder ein epicurischer Spötter ist. —Wir unserntheils wissen, daß wir Lutheraner allein das recht verwaltete Abendmahl haben. Aber gesetzt den Fall, es hätten es auch andere, so gilt doch immer, wohin sich Jemand zum Abendmahl hält, da bekennt er sich zu der dort geführten Lehre. Unser Abendmahl ist unser Banner. Wer es mit uns Lutheranern nicht von Herzen hält, soll auch nicht unter diesem Panier stehen und wer dies dennoch thut, den erklären wir für einen Verräther.
Thesis 8.
Da das heilige Abendmahl nicht dazu eingesetzt ist, die Menschen zu Christen zu machen, sondern denen, welche schon wahre Christen sind, den Glauben zu stärken, so darf dasselbe Niemandem gereicht werden, welcher sich als ein falscher Christ offenbart.
Klar geht dies hervor aus der Stelle
1 Cor. 11, 27—30.: „Welcher nun unwürdig von diesem Brod isset, oder von dem Kelche des HErrn trinket, der ist schuldigandemLeibundBlutdesHErrn. Der Mensch prüfe aber sich selbst und also esse er von diesem Brod und trinke von diesem Kelch. Denn welcher unwürdig isset und trinket, der isset und trinket ihm selber das Gericht, damit, daß er nicht unterscheidet den Leib des HErrn." Wäre also schon der bloße äußerliche Gebrauch des heil. Abendmahles allein heilsam, so käme nicht viel darauf an, wen man hinzuließe. Aber die Sacramente wirken nicht ex opere operato d. H. um des bloßen verrichteten Werkes willen. Ungläubige, bloße sogenannte Kalendergänger sind unwürdig. Unwürdiger Genuß aber zieht Gottes Gericht nach sich, oft schon, wie in Korinth, in allerlei zeitlichen Strafen.
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1 Cor. 10,21. steht ferner geschrieben: „Jhrkönntnichtzugleich trinken des HErrn Kelch und der Teufel Kelch, ihr könnt nicht zugleich theilhaftig sein des HErrn Tisches und der Teufel Tisches." Freilich ist das wohl pHyfisch oder leiblich möglich und geschieht leider allzuoft, aber moralisch und geistlich ists unmöglich. Hierher gehört auch
Matth. 7. v. 6: „Ihr sollt das Heiligthum nicht den Hunden geben und enre Perlen sollt ihr nich tvordieSäue werfen", woraus hervorgeht, daß ein Prediger nicht die Verpflichtung hat, Jedermann das heil. Abendmahl zu geben. Ketzern, Irrgläubigen und offenbar fleischlichen Leuten soll er es nicht reichen, sondern nur denen, welchen er offenbares Unchristenthum nicht beweisen kann. Hievon schreibt auch
Luther: „Ob man wohl bisher, der alten Gewohnheit nach, jedermann hat lassen zum Sacrament gehen, wer da kommen ist; doch nun forthin soll es nicht also bleiben, sondern also geordnet werden, wer das Sacrament will nehmen, daß man ihn forthin frage, was das Sacrament sei, und was er da suche, und daß er da antworte... Kannst du das nicht thun, so soll man dir das Sacrament nicht geben ... Das Sacrament soll man nicht also unter die Leute in Haufen werfen, wie der Pabst gethan hat. Wenn ich d as Ev angelium predige, w eiß ich nicht, wen eö treffe; hier abersollichesdafurhalten, daßesdengetroffenhabe, welcher zumSacramentkommt: da muß ich es nicht in Zweifel schlagen, sondern gewiß sein, daß der, dem ich das Sacrament gebe, das Evangelium gefaßt habe und rechtschaffen gläube." (Kirchenpost. XI, 840. 841.)
Derselbe: „Man soll auch niemand zum heil. Sacrament gehen lassen, er sei denn von seinem Pfarrherrn insonderheit verhört, ob er zum heil. Sacrament zu gehen geschickt fei. Denn St. Paulus spricht 1 Cor. 11, 27., daß die schuldig sind an dem Leibe und Blute Christi, die es unwürdig nehmen. Nun un ehren das Sacrament nicht allein, die es unwürdig nehmen, sondern auch, die es mit Unfleiß Unwürdigen geben." (Unterricht der Visitatoren. 1528. X, 1943.)
Dannhauer: „Die Lehrer sollen thun und so weit gehen, als und was sie können. Vermögen sie nicht mehr, sollen sie doch ärgerliche Sünder von der Communkon abhalten. Denn wer einen Hartnäckigen, von dessen Bosheit genug Zeugniß vorhanden, zuläßt und ihm das Pfand der Vergebung der Sünden gibt, der versündiget sich dreifach: mit einem lügenhaftigen Zeugniß, das er mittheilt; mit Vermehrung der Verdammniß; mit Verrä-therei des Leibes und Blutes Christi." (Catechismus-Milch. X, 489.)
Georg König: „Kann ein notorischer Papist oder Calvinist von einem luth. Kirchendiener mit gutem Gewissen zur Communion zugelassen werden? Manche meinen, daß dieselben allerdings zuzulaffen sein, aus einer doppelten Ursache: 1. weil die Kirche und deren geistliche Güter allen zu öffnen, vor niemandem zu verschließen seien, ja, auch hier habe vielleicht jenes
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Wort Christi statt: 'Kommet her zu mir alle, ich will euch erquicken'. Matth. 11, 28.; 2. weil sie bei den Lutherischen die wahren und rechtmäßigen Sakramente fänden, deren sie in ihren Gemeinschaften entbehrten. Dieselben aber um ein so großes Gut bringen zu wollen, offenbare einen unsinnigen Neid.. Aber das sind Fabeln. Denn wir versperren niemandem den Weg zur Kirche und deren Gütern, jedoch fordern wir dieses, daß ein jeder den rechten Weg einschlage. Da aber jene schwankenden Rohre eine Straße suchen, welche mit unsichtbaren Scheidewänden durchzogen ist und in Abwege ausgeht, was ists Wunder, wenn sie auf freiem Felde umher irren und die Thür schlechterdings nicht treffen? Es ist ja auch die Stimme des heil. Geistes bekannt: ,Die da verlassen die rechte Bahn und gehen finstere Wege*. Sprüchw. 2,13. Auch ruft Christus nicht alle ohne Unterschied zu sich und verheißt nicht ebensowohl Unwürdigen, wie Würdigen Erquickung, sondern d ie mühselig und beladen sind, d. i. welche, wie Theophylakt es auslegt, durch Wirkung des Gesetzes ermüdet und von der Last ihrer Sünden niedergedrückt sind. Diese heißt er zu sich kommen, nicht mit dem Leibe, sondern mit dem Herzen, und wenn sie dieses thun, verspricht er ihnen auch, und nicht Anderen, seine willige Hilfe, nemlich die geistliche und ewige Ruhe. Was den anderen Grund betrifft, so können wir zwar weder, noch wollen wir leugnen, daß jene Menschen das wahre Nachtmahl von den Unsrigen empfangen. Darum, weil bei uns die wahre Kirche ist, welche, wie sie vom Sacrament des Abendmahls nach Christi Einsetzung recht glaubt, so auch nach Christi Willen die Verwaltung desselben in ihr statt hat. Indessen folgt hieraus nicht, daß der, welcher weiß, wo die wahre Abenomahlsfeier sei, sogleich dazu zuzulassen sei. Dazu ist ferner nöthig, daß er ein wahres Glied der wahren Kirche und mit dem hochzeitlichen Kleide angethan sei. Ein Beispiel hiezu ist jener Gast Matth. 22, 11. Dieser begehrte die himmlische Hochzeit, ja, erschien auch, und, was mehr ist, nahm schon unter den Gästen seinen Platz ein; nichts desto weniger wurde er hinausgeworfen, und zwar aus eigener Schuld, als ein des hochzeitlichen Kleides Ermangelnder. Daher auch jene, wenn sie keine Abweisung erfahren wollen, mögen sich vorher mit dem hochzeitlichen Kleide versorgen, nemlich durch Bekehrung sich an unsere Kirche anschließen, durch wahre Erkenntniß und Bekcnntniß der Sünden, sowie durch wahre Zuversicht zu Christo und seinem Verdienste sich vorbereitm und daher sich recht prüfen u. s. w.: dann werden sie auch als Leute, die nach den Gütern der Kirche eilen, zu dieser himmlischen Mahlzeit mit Freuden ausgenommen werden." (Oasus oon-8oitzvtiu6. ^Itckorü, 1654. p. 592 shg.)
Ja selbst Calvin in seinem berühmtesten Werke, den „Ivstitutioues" läßt sich also vernehmen: „Das heil. Abertdmahl wird durch unterschiedslose Reichung profanirt. Denn wer derjenige, welchem die Verwaltung übertragen ist, mit Wissen und Willen einen Unwürdigen zuläßt, der ist ebenso einer Heiligthumsschändung schuldig, als ob er den Leib des HErrn den Hunden Vorwürfe. Darum, damit dieses hochheilige Geheimniß nicht geschändet
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werde, so wird in der Verwaltung desselben eine genaue Auswahl erfordert." (Institut, lili. 4. c. 4.)
Hieraus sehen wir denn, wie hochwichtig doch die persönliche Anmeldung vor dem heil. Abendmahle in unserer Kirche ist, und wie schändlich treulos und gewissenlos derjenige Prediger handelt, welcher nicht auf diese Anmeldungen hält und fie nicht auf das sorgfältigste zur Seligkeit seiner Gemeindeglieder benutzt. So erschrecklich die Vorstellung ist, daß der allerheiligste Leib Christi sollte von einem Prediger in eine Pfütze geworfen werden, so ist es doch noch ungleich schrecklicher, wenn er sollte von einem falschen Christen genossen werden. Der aber ist ein falscher Christ, der entweder von falscher Lehre oder von gottlosem Leben nicht lassen will. Man darf aber selbst denen, die man der Liebe nach wohl für Christen hält, nicht unter allen Umständen sogleich das heil. Abendmahl reichen. Z. B. Solchen nicht, die noch nicht mit dem Beleidiger oder Beleidigten christlich« usgesöhnt sind, und ebenso auch Andersgläubigen nicht, so lange sie sich nicht von ihren Jrrthümern und ihrer falschgläubigen Kirchengemeinschaft losgesagt und auf, diese Weise die rechtgläubige Kirche mit sich ausgesöhnt haben. Wenn man aber Christen in solchen einzelnen Fällen das Sacrament nicht gleich gibt, sohatmansie damit nicht excommunicirt, sondern nur fuspendirt. Es möchte aber Jemand fragen, wie sich mit der Suspension eines reformirten Christen vom luth. Abendmahle die Annahme eines Logenbruders zu demselben, der doch noch nicht von der bösen Genossenschaft abzutreten entschlossen ist, vertrage. Wir antworten: Jener liegt in einer Sünde der Lehre, dieser in einer Sünde des Lebens und das ist ein großer Unterschied. Nun sind wir Lutheraner, die wir das heil. Abendmahl genießen, allzumal arme, elende Sünder, aber in der Lehre sind wir rein, trotz dem Teufel, der uns das abstreiten will! Einen Mitsünder, wenn er sonst bußfertig ist, können wir nun wohl mit uns zulaffen, auch selbst einen Logenbruder, so lange er nicht offenbar muthwillig sündigt und seine Genossenschaft nicht irgend welchen religiösen Charakter trägt—oder so lange er sich nicht an einzelnen religiösen Acten derselben mitbetheiligt, — denn von der reinen Lehre und Bekcnntniß, weil es Gottes ist, dürfen wir Niemandem auch nur einen Buchstaben Nachlassen. Wer es da nicht mit uns ganz und völlig hält, der kann nicht mit uns zum Abendmahl gehen, wie vorhin gesagt ist.
Wir würden ja erschrecklich sündigen, wollten wir uns nur aus bloßer blinder Vorliebe, oder aus Geschmack für unsere Kirche von allen ändern Gemeinschaften getrennt halten. Aber diese Trennung und Sonderstellung ist Gottes Gebot und daher Nothsache. Wir dürfen Falschgläubige als Solche nicht mit in unsere Gemeinschaft ziehen, wie dies unsere Widersacher im „düiurolr - Oouueil" thun und rechtfertigen wollen und damit sich einer schweren Sünde'schuldig machen. Und wir werden unserntheils das mit unserer Sonderstellung nun einmal unzertrennlich verbundene Kreuz, die Schmähungen unserer Feinde und selbst die ungerechten Beschuldigungen
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unserer irrenden Mitchristen umso freudiger und williger dulden, je mehr wir im Glauben des hohen und heiligen Zweckes eingedenk bleibeü, den Gott für die Absonderung seiner NeutestamentlichenKirche von der Welt, uns in seinem Wort geoffenbart hat. Gott schenkt eben aus erbarmender Liebe der Welt in der Kirche ein großes Heer von Predigern und lebendigen Zeugen Christi. Sie sollen in der Welt wirken, wie ein heilsamer Sauerteig. Sie sollen Herolde sein, welche durch ihr treues Festhalten am reinen Bekcnntniß, durch ihr Predigthören und Abendmahlgehen, der Welt gleichsam zurufen: Kommet auch ihr zu uns! Glaubet, wie wir glauben! Auch ihr seid, wie wir, erlöst, darum nehmet doch auch das Siegel eurer Erlösung an euch, wie wir! Und wahrlich, auf diesem entschiedenen und fortwährenden Zeugen und Predigen der Kirche ruhet mehr Wohlgefallen und Segen Gottes, als auf allen kirchenpolitischen Experimenten und schriftwidrigen Unionistereien. Oder was wäre wohl aus der luth. Kirche in Amerika geworden ohne rechtgläubige Synoden? Hätten sich vor 25 oder 30 Jahren die paar Lutheraner mit ihrem Glauben in den Winkel gesetzt, so gäbe es heute hier zu Lande schwerlich noch eine rechtgläubige luth. Kirche. Aber daß es jetzt Taufende und aber Tausende von Lutheranern hier gibt, die zum Leben in Christo gekommen sind, daß bekenntnißtreue kirchliche Zeitschriften circuliren, daß luth.-kirchl. Lehr-und Wohlthätigkeits-Anstalten hervorgerusen sind und in Blüthe stehen; — dies alles hat der gnädige Gott durch das treue Zeugniß und Bekenntniß der Wahrheit aus dem Munde rechtgläubiger lutherischer Christen gewirkt. Und wenn dies schon die Frucht ist in einem so kleinen kirchlichen Kreise als der unsere ist, — wie viel reicher muß fie erst sein in der Kirche im Ganzen und Großen! Das ist also der Segen des Zusammenschlusses der Kirche und ihrer Absonderung von der Welt. Und noch mehr: damit uns der HErr Christus einmal ewig absondere von der Gemeinschaft der Gottlosen, müssen wir auch hier schon von der Welt abgesondert sein.
Thesis 9.
Da im heiligen Abendmahle der Leib und das Blut des HErm wesentlich gegenwärtig ist, ausgetheilt und von allen Communicanten empfangen wird, so kann es denen nicht ohne schwere Sünde gereicht werden, welche dies Geheimniß nicht zu glauben bekennen.
1 Cor. 11, 29 heißt es: „Denn welcher unwürdig isset und trinket, der isset und trinket ihm selber das Gericht, damit, daß er nicht unterscheidet den Leib des H Errn." Und
1 Cor. 4, 1.: „Dafür halte uns Jedermann, nämlich für Christi Diener und Haushalter über Gottes Geheimnisse." — Die Pastoren sind demnach nicht allein Austheiler, sondern auch Haushalter göttlicher Gnadengüter, sind Solche, die Gott, der himmlische Hausherr, an eine bestimmte Instruction gebunden hat, nach der
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sie seine Geheimnisse, als der Kirche vertraute Schätze, verwalten sollen. Und daher fließen diejenigen Verpflichtungen der Hirten in Betreff der Verwaltung des heiligen.Abendmahles, derer in unserer Thesis und in der vorhergehenden und ihrer Erklärung gedacht ist. Hören wir auch noch hierüber unsere öffentlichen Bekenntnisse und die Stimme unserer Väter:
Luther thut in den „Fragestücken für die, so zum Sacrament gehen wollen"* 13. die Frage: „So glaubest du, das im Sacrament der wahre Leib und Blut Christi sei?" und laßt die Antwort geben: „Ja, ich glaube es."
Derselbe im großer» Catechismus: „Wir sinds nicht gesinnet, dazu zu lassen und zu reichen denen, die nicht wissen, was sie da suchen oder warum sie kommen."
DieAugsb. Confession sagt: „Man legt den Unfern mit Unrecht auf, daß sie die Messe sollen abgethan haben; dmn das ist öffentlich, daß die Messe, ohne Ruhm zu reden, bei uns mit größerer Andacht und Ernst gehalten wird, denn bei den Widersachern. So werden auch die Leute mit höchstem Fleiß zum öfternmal unterrichtet vom heil. Sacrament, wozu es. eingesetzt und wie es zu gebrauchen sei!.. Dabei geschieht auch Unterricht, wider andere Unrechte Lehre vom Sacrament." (Art. 24.)
Luther: „Wohl ist das wahr, wo die Prediger eitel Brod und Wein reichen für das Sacrament, da liegt nicht viel an, wem sie es reichen, oder was sie können und gläuben, die es empfahen... Aber weil mir gedenken Christen zu erziehen und hinter uns zu lassen, und im Sacrament Christi Leilt nd Blut reich en, wollen und können wir solch Sacrament niemand nicht geben, er werde denn zuvor verhöret, was er vom Catechism o gelernt, und ob er wolle von Sünden lassen, die er dawider gethan hat.** (Warnungsschrift an die zu Frankfurt a. M., sich vor Zwinglischer Lehre und Lehrern zu hüten. 1533. XVII, 2449. fg.)
Thesis 10.
Da das heil. Abendmahl auch ein Zeichen des Bekenntnisses zu dem Glauben und der Lehre derjenigen ist- mit denen man dasselbe feiert, so streitet die Zulassung von Gliedern irrgläubiger Gemeinschaften zur Abendmahlsfeier innerhalb de§ lutherischen Kirche
1. wider Christi Einsetzung;
2. wider die gebotene Einigkeit der Kirche im Glauben und demge-mäßen Bekenntnisse;
3. wider die Liebe gegen den, dem es gereicht wird;
4. wider die Liebe gegen die eigenen Glaubensgenossen, sonderlich gegen die Schwachen, denen damit ein schweres Aergerniß gegeben wird;
5. wider das Verbot, sich nicht fremder Sünden und Jrrthümer theilhaftig zu machen.
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Der Vordersatz unserer Thesis ist schon in Thesis 7 bewiesen. Allein es fragt sich nun, ob auch die hieraus gezogenen Folgerungen richtig sind, und zwar zunächst die unter No. 1 angegebene.
1 Cor. 11,26. stehet geschrieben: „Denn so oft ihr von ^diesem Brod esset und von diesem Kelche trinket, sollt ihr des HErrn Tod verkündigen, bis daß er komm t." Der Hl. Apostel erläutert hiermit das feierliche Wort der Einsetzung selbst, welches der HErr zweimal anführt: „Solches thut zu meinem G e d ä ch t n i ß" (v. 24.25.). Unter dem Verkündigen des Todes Christi ist hier die ganze Lehre von der durch Christi Blut und Tod erworbenen Versöhnung gemeint. Indem daher Jemand das heil. Abendmahl genießt, bekennt er sich zu der ganzen Lehre von dem Erlösungswerke Christi. Ein Reformirter bekennt sich aber natürlich zu der falschen und nur ein Lutheraner zu der einen und reinen Lehre. Unmöglich kann also Jener mit diesem zu einem Abendmahle gehen, ohne schwere Versündigung wider das Testament Christi. Hören wir darüber:
Hülsemann: „Zwischen uns und den Socinianern, Arminianern und einigen von dm Calvinisten ist Streit, ob der äußerliche Zweck des heil. Abendmahles nur darin bestehe, alle diejenigen, welche Christen heißen, von denHeiden zu unterscheiden (was Osterod im Catechismus und die Armi-nianer in ihrer Apologie behaupten), oder nur von den Götzendienern alle diejenigen zu unterscheiden, welche zwar im Grunde der christ-lichenReligion Übereinkommen, aberin anderenArti-keln auch durch eine äußere Spaltung von einander gegenseitig abgesondert sind (was die neuen Unionmacher aus den Calvinisten G. Hotton, Moses Anniwald, Thom. Morton lehren). Unsere Meinung ist die: daß nach der Einsetzung des Stifters niemand zur Abendmahlsgemeinschaft zuzulassen ist, welcher durch ein öffentliches Glaubensbe-kenntniß und durch Zutritt zu einem in die Augen fallenden schismatischen Haufen sich von dem Haufen getrennt hat, den er doch für orthodox halt und mit dem er dieses Tisches theilhaftig zu werden begehrt. Diesen unseren Satz beweisen wir aus der Einsetzung selbst auf folgende Weise: 1. Welchen äußerlichen Zweck der Stifter selbst mit der Abendmahlsgemeinschaft verbunden hat, der ist von der Abendmahlsgemeinschaft nicht zu trennen. Nun hat aber der Stifter diesen äußerlichen Zweck mit der Abendmahlsgemeinschaft verbunden, daß die Communicanten durch diese Vereinigung unter sich Ein geistlicher Leib werden und bezeugen, daß sie durch diese Gemeinschaft Ein mystischer Leib werden. Also ist dieser Zweck von der Abendmahlsgemein-schaft nicht zu trennen. Der Untersatz wird aus 1 Cor. 10, 17. 18. erwiesen: ,Ein Brod ist es, so sind wir viele Ein Leib, dieweil wir alle Eines Brodes theilhaftig sind. (Sehet an den Israel nach dem Fleisch. Welche die Opfer essen, sind die nicht in der Gemeinschaft des Altars?)* Nun aber sind diejenigen, welche verschiedene und entgegengesetzte Glaubensartikel durch verschiedene und entgegengesetzte öffentliche Confessionen in verschiedenen und
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entgegengesetzten Haufen bekennen, nicht Ein mystischer Leib. Also dürfen sie laut der Einsetzung des Stifters nicht an Einem mystischen Brode Theil nehmen. — 2. Welche Bedeutung unter allen Völkern, sowohl Juden als Heiden, das Essen von dem Geopferten auf dem Altäre der Juden oder Heiden hatte, dieselbe Bedeutung hat das Essen des Brodes des heil. Abendmahls, laut V. 18. 21.: ,Welche die Opfer essen, sind die nicht in der Gemeinschaft des Altars? (Ihr könnet nicht zugleich theilhaftig sein des HErrn Tisches und der Teufel Tisches.)* Nun hatte aber bei allen Völkern, sowohl Juden als Heiden, das Essen von den Opfern jene Bedeutung, daß die Miteffenden für Genossen derjenigen Religion gehalten wurden, deren Genoß der auf diesem oder jenem Altäre Opfernde angesehen wurde. Also hat das Genießendes Abend-mahls-Brodes laut der Einsetzung dieselbe Bedeutung, daß nämlich die von diesem Brode Essenden Genossen desselben Glaubens seien; daher denn im Gegen theil diejenigen, welche keine Genossen desselben Glaubens sind, nicht an einem und demselben Abendmahlsbrode Theil nehmen sollen. — 3. Was der Stifter verboten hat, das zu thun, ist nicht erlaubt. Nun hat aber der Stifter verboten, daß diejenigen,^ welche den Glauben verschiedener Altäre bekennen, eines und desselben Abendmahlsbrodes theilhaftig werden. Also ist dieses zu thun nicht erlaubt. Der Untersatz wird aus V. 21. erwiesen: ,Jhr könnet nicht zugleich trinken des HElrn Kelch, und der Teufel Kelch*; wo das ,nicht können* moralisch verstanden wird für ,nicht dürfen* (wie die juristische Regel lautet: Man kann das, was man ehrbarlicher Weise kann, was man mit Recht kann); wie denn Calvinische Ausleger selbst bekennen, daß auch im Neuen Testament das Wort .nicht können* sehr oft für .unerlaubt, unschicklich sein* genommen werde, als Matth. 9,15.: .Wie können die Hochzeitleute Leid tragen, so lange der Bräutigam bei ihnen ist?* (Vin-dioiae 8. Korixturas ete. lüxs. 1679. x. 660.)
Schon vor 200 Jahren also sagten schon die Feinde der rechten Abeud-mahlslehre und -Praxis: durch den Genuß dieses Sacramcnts sonderten sich Christen von den Heiden, nicht aber Rechtgläubige von Falschgläubigen ab. Aber das ist falsch. Jedweder Unglaube und jede falsche Lehre ist ein Stück Heidenthum. Verboten ist in Christi Stiftung die Abendmahlsgemeinschaft mit allen Andersgläubigen. Wie wir nun die Reformirten, so halten diese uns nicht für orthodox. Welch crasser Widerspruch, und welch schnöde Verhöhnung der Einsetzung Christi liegt somit darin, wenn beide Theile ein gemeinschaftliches Abendmahl feiern! Das Abendmahl ist auch eine Opfermahlzeit. Christus, Einmal für uns am Kreuz geopfert, wird hier von uns genossen. Dies ist aber vorgebildet durch die levitischen Opfer, welche nicht ganz verbrannt, sondern zum Theil auch 'genossen werden sollten, und zwar auch zu dem Ende, damit der Essende sich durch diese Handlung als ein Mitgenosse derselben heil. Religion und Gemeinde erkläre.
Die Wittenbergische theologische Facultät schreibt 1656 auf die Anfrage, ob Calvinisten zum heil. Abendmahl zuzulaffen seien, u. a. Fol-
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gendes: „Weil dies Sacrament ein öffentliches Zeugniß und Bekcnntniß der Kirche ist und was für Glauben, Lehre und Religion ein jeder bekenne, auch für die unwandelbare Wahrheit halte, so sind die Sacramente also zu gebrauchen, daß der Glaube hinzukomme, welcher den Verheißungen glaubt, die durch die Sacramente gegeben werden, wie die Augsb. Conf. Art. 13 erinnert. Solch ein Glaube aber findet sich nicht -ei denen, die nicht den Stiftungsund Verheißungs-Worten Christi von der mündlichen Meßung und leiblichen Gegenwart glauben können. .Ein Brod ist's*, sagt Paulus 1 Cor. 10,17., .so sind wir viele Ein Leib, dieweil wir alle Eines Brvds theilhaftig sind*. Nun sind aber solche Calvinisten, wie sie beschrieben, nicht Ein Leib mit unserer Kirchen; darum gehören sie auch nicht zur Nießung dieses Brods und des heil. Abendmahls. Soll man die, die Christi Lehre nicht bringen, nicht zu Hause nehmen, sie auch nicht grüßen, nach St. Johannis Erinnerung 2 Ep. V. 10. 11., damit man sich nicht ihrer bösen Werke theilhaftig mache, viel weniger kann man sie zum heil. Abendmahl gestatten, die da fürgeben, sie können nicht glauben die mündliche Nießung und leibliche Gegenwart, die Christus gestiftet und verheißen hat.** (Oonsilia VLilelrerZ. II, 131.)
Georg König: „Wenn David in seinem Hause falsche Leute nicht duldete, Psal. 101, 7., wie sollte ein Kirchendiener im Hause Gottes, welches die wahre Kirche ist, denjenigen dulden und unter die Gäste der himmlischen Mahlzeit aufnehmen, welcher in seinm Werken falsch handelt und mit unverschämter Stirn sich bald zur wahren, bald zur falschen Kirche neigt? Anders pflegte einst Elias, der Thesbiter, zu verfahren. Dieser, angethan mit Heldenmut-, entzog sich nicht der Sorge für die Religion, sondern, öffentlich unter dem Volk austretend, sprach er; .Wie lange hinket ihr auf beiden Seiten?* So nämlich, daß ihr einen verschiedenen Gottesdienst ausüben, und theils Gotte, theils Baal dienen wollet? Von solcher gemengten Religion will Gott nichts wissen, welche ein drittes, aus Reinem und Verderbtem zusammengesetztes, Ding sein soll. .Ist der HErr Gott, so wandelt ihm nach*, d. H. wenn der vom HErrn durch Moses vvrgeschriebene Gottesdienst der wahre Gottesdienst ist, so solltet ihr euch mit diesem allein begnügen, alle übrigen Gottesdienste abthun und Gott allein anhangen; .ist es aber Baal, so wandelt ihm nach*, d. H. wenn ihr aber meinet, daß der Baalsdienst der wahre sei, was zaudert ihr, allein den Baals-Dienst zu treiben und den Mosaischen Gottesdienst mit allen seinen Heiligthümern und Ceremonien gänzlich abzu-thun? F^ön. 18, 21. .. Es ist unzweifelhaft gewiß, daß Gott nicht einen Theil des Gottesdienstes, sondern den ganzen ohne Abbruch erfordert, und daß derjenige, welcher ihn theils durch wahre, theils durch falsche Religion verehren will, weder Gott recht verehrt, noch die Religion wahrhaft fest hält. Alle Altäre, auf welchen das heil. Abendmahl gestiert wird, sollten folgendes Distichon angeheftet enthalten:
Oui von mens eaäeru, eui non oovtdssio siinplex,
Nav« insvsLin vetitsia noverit, esse sibi!
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d. H.: Wer nicht denselben Glauben und ein und dasselbe Bekcnntniß hat, der wisse, daß ihm dieser Tisch verboten sei. (Oasus oonso. p. 694 s<z.)
Graf Friedrich von WürtembergundMömpelgart, nachdem man von ihm ausgesprengt hatte, er habe den reformirten französischen Flüchtlingen Antheil an dem luth. Abendmahl zugestanden, erklärte hierauf, dies in Abrede stellend: „Wir haben durch GotteS Gnade solche Erkenntniß in geistlichen Sachen, unser Seelen Seligkeit betreffend, erlangt, daß wir wohl wissen, daß des HErrn Abendmahl unter ändern vielen auch zu diesem Ende von Christo gestiftet und verordnet, daß man dabei als bei einem Feld-und Merkzeichen erkennen kann, welchem Glauben ein jeder zugethan sei. Denn welcher mit einer Kirche, sie sei jetzt und heiße wie sie wolle, das Abendmahl hält, der gibt damit zu verstehen, daß er auch derselben Kirchenlehr anhängig sei und es nicht mit denen halte, die eine andere Lehre führen, sondern sich von derselben hiemit öffentlich absondere... Darum wir allzeit dafür gehalten und noch, daß mit der Empfa-hung des heil. Abendmahls des HErrn nicht zu scherzen sei, daß einer ein Andres mit öffentlicher Empfahung desselben bekennen und ein Andres im Herzen haben sollte.** (Oollcxiuium Nonixsl^artevse. Aus dem Lateinischen verdeutscht. Tübingm 1587. Vorrede ij.)
Unter No. 2 ist angeführt 1 Cor. 1, 10. (siehe unter Thesis I) und Eph. 4, 3—6. (Siehe ebendaselbst). Erstlich wird also im heil. Abendmahl eine Einigkeit im Glauben bezeugt. Zum ändern soll die Kirche auch im Glauben und Lehre einig sein. Hieraus aber folgt, daß wir nur diejenigen zum heil. Abendmahle hinzulassen können, die mit uns denselben reinen Glauben bekennen. Denn wer mit uns Lutherischen communicirt, dem wird damit gleichsam ein Bürgerschein ausgestellt, daß er in unser Haus gehöre. Aber sind wir nicht arg betrogen um unsere kirchliche Einigkeit, wenn wir einem Reformirten diesen „Bürger**- und „Heimathsschein" ausstellen. Oder wer würde doch in unserm Staate einem Einwanderer das Bürgerrecht ertheilen wollen, welcher erklärt, ein Unterthan des Königs von Preußen oder irgend eines ändern Souverains zu sein. Fürwahr, es müssen verräterische, betrügerische, ja teuflische Prediger sein, die das heil. Abendmahl denen geben, die davon glauben, was sie wollen. Wie würde der theure Gottesmann Luther sich verwundern, wenn er sehen könnte, wie es heute inmitten der luth. Kirche hergeht! Er schrieb seiner Zeit: „Die Bedeutung oder das Werk dieses Sacraments ist eine Gemeinschaft aller Heiligen; darum nennet man es auch mit seinem täglichen Namen (Versammlung)
oder OoniniuQio, d. i. Gemeinschaft, und oonununieare auf Latein heißt, diese Gemeinschaft empfahen, welches wir auf Deutsch sagen, zum Sacrament gehen; und kommt daher, daß Christus mit allen Heiligen ist Ein geistlicher Körper. Wiederum sxcronnnunioars heißt von der Gemeinde thun und ein Glied von diesem Körper absondern. .. Also ist dieses Sacrament in Brod und Wein empfahen, nichts anders, denn ein gewiß Zeichenempfahen dieser
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Gemeinschaft und Einleibung mit Christo und allen Heiligen. Gleich ob man einem Bürger ein Zeichen, Handschrift oder sonst eine Losung gäbe, daß er gewiß sei, er soll der Stadt Bürger, derselben Gemeine Gliedmaß sein! Also sagt St. Paulus 1 Cor. 10, 17.: Wir sind alle Ein Brod und Ein Körper, die wir von Einem Brod und Einem Kelch Theil nehmen.** (Sermon von dem hochw. Sacrament des heiligen wahren Leichnams Christi und von den Brüderschaften. 1519. XIX, 523 fg.)
Derselbe: „Sollten wir uns nehmen lassen solcher Vereinigung, so müßten wir zu beiden Theilen gestatten, daß, wo unsere Leute etwa zu ihnen kämen und das Sacrament empfahen wollten, oder, wiederum, ihre Leute zu uns kämen, würde der unleidliche Jrrthum angehen, daß unsere Leute eitel Brod und Wein empfingen, und doch glaubten, daß der Veib und Blut Christi wäre, und ihre Leute bei uns den Leib und Blut Christi empfingen, und doch glaubten, daß eitel Brod und Wein wäre; und der Greuel viel mehr." (Schreiben an Herzog Ernst zu Lüneburg. 1531. XVII, 2430.)
Derselbe: „Gott fragt nicht darnach, ob gottlose Menschen eins sind oder nicht, die keine Einigkeit des Geistes haben. Es ist seinen Kindern zur äußerlichen Einigkeit genng, daß sie Eine Taufe und Ein Brod als gemeine Kennzeichen und Sinnbilder oder Losungen haben, dadurch sie ihres Glaubens und Geistes Einigkeit bekennen und üben. Die papistische Kirche sucht ihre Einigkeit in der Eintracht mit ihrem äußerlichen Götzen, dem Pabst, ob sie wohl innerlich durch die allerverworrensten Jrrthümer zu allem Willen des Satans zerstreut sind.** (Schrift wider König Heinrich in England. 1521. XIX, 430.)
Derselbe: „Und in Summa, daß ich von diesem Stücke komme, ist mirs erschrecklich zu hören, daß in einerlei Kirchen, oder -ei einerlei Altar, sollten beider Theil einerlei Sacrament holen und empfahen, 'und ein Theil sollte glauben, es empfahe eitel Brod und Wein; das andere Theil aber gläu-ben, es empfahe den wahren Leib und Blut Christi. Und oft zweifle ich, obs zu gläuben sei, daß ein Prediger oder Seelsorger so verstockt und boshaftig sein könnte, und hiezu still schweigen, und beide Theil also lassen gehen ein jeglichs in seinem Wahn, daß sie einerlei Sacrament empfahen, ein jegliches nach seinem Glauben rc. Ist aber etwa einer, der muß ein Herz haben, das da härter ist, denn kein Stein, Stahl noch Demant, der muß freilich ein Apostel des Zorns sein. Denn Türken und Jüden sind viel besser, die unser Sacrament leugnen und frei bekennen: denn damit bleiben wir unbetrogen von ihnen, und fallen in keine Abgötterei. Aber diese Gesellen müßten die rechten hohen Erzteufel sein, die mir eitel Brod und Wein geben, und ließen michs halten für den Leib und Blut Christi, und so jämmerlich betrögen. Das wäre zu heiß und zu hart: da wird Gott zuschmeissen in kurzem. Darum, wer solche Prediger hat, oder sich des zu ihnen verstehet, der sei gewarnet vor ihnen, als vor dem leibhaften Teufel selbst.** (Warnungsschrift an die zu Frankfurt. 1533. XVII, 2446.).
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Es wenden freilich manche unserer Widersacher ein: Allerdings dürfe ein Lutheraner nicht mit Zwinglianern, — aber wohl könne er mit Calvinisten zum heiligen Abendmahl gehen, denn diese lehrten doch, daß der Leib Christi im Sacrament gegenwärtig fei, wiewohl nur geistlich. — Allein dieser Vorwand ist nichtig, denn die Calvinisten betrügen mit ihrem Bekenntnis Ist der Leib Christi geistlich im Abendmahle, so ist er gar nicht da. Man traue überhaupt den schönklingenden Worten der Calvinisten nicht.. Sie gebrauchen namentlich betreffs der Abendmahlslehre ihre Worte auch dazu, um ihre Meinung zu verhüllen und ihren Jrrthum zu verschleiern. Mit solchen Fragen an sie: Ist der Leib Christi im Abendmahle — ist er wahrhaftig da — ist er wesentlich da? kommt, wie schon Luther gesagt, bei ihnen der Fuchs noch nicht zum Vorschein. Sie werden Alles mit „Ja** beantworten, meinen aber immer nur einen geistlichen Leib Christi. Darum muß man weiter gehen und fragen, ob sie glauben, daß auch Judas und alle Gottlosen im Abendmahl den wahren Leib Christi zum mündlichen Genüsse bekommen. — Das werden sie leugnen und sich davor als vor dem größesten Gräuel entsetzen. Und hierbei beweisen sie denn, daß sie die Anwesenheit des Leibes Christi im heiligen Abendmahle vom Glauben abhängig machen und eine Gegenwart des wahren Leibes Christi leugnen. Schrecklich ist es aber und heuchlerisch sowohl als meineidig, daß von den Männern des „(Lureli-Oouneil , welche doch die, auch Luthers eben angedeuteten Worte enthaltenden Bekenntnisse unterschrieben haben, gleichwohl Andersgläubige zum Sacrament hinzugelassen werden. Ob wohl ihre Gewissen bei dem Jowaischen Trost, daß man mit Unterschreibung der Symbole nicht Alles, nicht das Beiläufige mit unterschreibe, Frieden finden können? —
Zu bemerken ist übrigens noch, daß die Kirche sich nicht nur von Ketzern und Irrgläubigen, sondern auch von sogenannten Schismatikern allezeit durch das heilige Abendmahl getrennt hat. Ein Schismatiker ist nämlich ei« Solcher, der sich zwar nicht wegen eines Fundamentallehrartikels willen, aber doch um der Lehre oder gewisser Mitteldinge willen von der Kirche geschieden hat. Einem solchen können wir das Sacrament gleichfalls nicht reichen. Dies bezeugt auch
Hülsemann: „Der vierte Beweis wird von der steten Praxis der Kirche genommen. Welche Gemeinschaft vom Anfang der Kirche an eine die Ketzer und Schismatiker von den Recht- und Reingläubigen unterscheidende gewesen ist, die ist nicht aufzuheben. Aber die Abendmahlsgemeinschaft ist vom Anfang der Kirche an eine die Ketzer und Schismatiker von den Recht-und Reingläubigen unterscheidende gewesen, so daß es bei Strafe des Bannes nicht erlaubt war, einen offenbaren Schismatiker zur Abendmahlsgemeinschaft zuzulaffen, wenn er in seiner Trennung verharrte, was die Magdeburgischen Centurien aus Justin, Jrenäus, Tertulltan, Flacius in seinem Catalogus des Ignatius an die Smirnaer und Augustinus aus dem Gebrauch seiner Zeit im 2. Buch von der christlichen Lehre, Chrysostomus in
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der 28. Homilie über das 26. Cap. Matthäi u. s. f. mit großer Uebereinstim-mung dargelegt haben." (Vindieiae ete. x. 660.)
Unsere Lehre und Praxis in Betreff der Abendmahlsgemeinschaft ist die der apostolischen Kirche -iS auf die Zeit des heiligen Ignatius. Und auch heute noch lehren in dieser Beziehung alle ändern Kirchen wie wir, mit der einzigen Ausnahme der Congregationalisten, denen sich dann leider Gottes .die Verfechter des „Olinreli-OouLeil" an die Seite stellen. Erstere erklären in ihrem Bekenntniß zum Schluß: „Die nach Christi Sinn gesammelten und wandelnden Kirchen, welche andere, obgleich weniger reine, für wahre Kirchen achten, können Glieder dieser Kirchen, welche ein glaubwürdiges Zeichen der Frömmigkeit haben und ein Leben ohne Anstoß führen, in gelegenheitliche Gemeinschaft mit sich aufnehmen." (Veolaratio Ldei alyue ordinis eeolesig-ruin eoirFrsSNtionallurü. 1668. ol. <1. HoorulreelL de iu-dexendentlswo. Illtrajeoti 1661. x. 443.)
Was endlich die Geheimgesellschaftler, Freimaurer, Oddfellows, Druiden und was immer für Titel sie sich beilegen, betrifft, so wiederholen wir, daß wir in Rücksicht auf deren Annahme zu unserm Abendmahle einen Unterschied machen zwischen Solchen, welche entweder halsstarrig und wider bessere Ueberzeugung in diesen Bollwerken des Teufels verbleiben, oder welche in solchen „Orden" oder „Logen" stecken, die irgend eine religiöse Tendenz verfolgen, oder welche sich auch nur an einzelnen mehr angehängten religiösen Acten innerhalb der Logen mitbetheiligen, — und Solchen, bei denen weder das Eine noch das Andere des Gesagten der Fall ist; indem wir Jene wie andere Unbußfertige und Falschgläubige von unserm Altar fern halten, diesen aber, als Schwachen und im Leben Irrenden, die Abendmahlsgemeinschaft mit uns nicht verweigern können. Dieser richtige Grundsatz wird aber nur da seine rechte Anwendung finden, wo man, bei der mannigfaltigen Gestaltung und Färbung des Geheimbundswesens hier zu Lande, die einzelnen Fälle auf das allergenauefte untersucht und abwägt. Doch gehen wir weiter. Zum Beweis von
No. 3. führen wir an 3. Mos. 19,17.: „Du sollst deinen Bruder nicht hassen in deinem Herzen; sondern du sollst deinen Nächsten strafen, auf daß du nicht seinethalben Schuld tragen müssest." Dies ist eine merkwürdige Stelle. Bestrafung wird so oft als Lieblosigkeit hingestellt; aber mit Unrecht, denn wir hören hier: Wenn man Jemanden nicht liebt, so straft man ihn nicht. Den Nächsten also zu warnen vor einem falschen und verderblichen Wege ist gewiß rechte Liebe. Einen solchen Weg schlägt aber z. B. ein Reformirter ein, wenn er unser Abendmahl begehrt. Er glaubt ja nicht an dieses hochheilige Geheimniß. Daher ist er unwürdig, es zu genießen. Ein Unwürdiger aber isset und trinket ihm selber das Gericht, wie 1 Cor. 11, 29. (Siehe unter Thesis 8.) ausweist. Einen Reformirten also von unserm Abendmahl abzuweisen ist gewißlich ein Werk rechter Liebe, und wehe dem, der es nicht verrichten wollte. Denn so spricht der HErr
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Hesek. 3,18.: „Wenn ich dem Gottlosen sage: du mußt
des Todes sterben; und du warnst ihn nicht, damit sich der Gottlose vor seinem gottlosen Wesen hüte, auf daß er lebendig bleibe: so wird der Gottlose um seiner Sünde willen sterben; aber sein Blut will ich von deiner Hand fordern." Hierher gehören auch die Worte
Luthers: „Ihr selbst könnet leicht erachten, wenn wir Eintracht stifteten, daß Einige der Euren bei uns und Einige der Unserigen bei euch com-municiren würden, und solches gleichwohl in verschiedenem Glauben und Gewissen, und folglich an beiden Seiten ein anderes empfingen, als sie glaub ten: also müßte nothwendig durch unser Amt und Gewissen ihr Glaube durch heimliche und weltliche List, wenn sie es nicht wüßten, verspottet, aber wenn sie es wüßten, durch eine offenbare Heiligthumsschändung (LaorilsZiuiu) aufgehoben werden. Wie gottselig und christlich das aber sei, werdet ihr leicht sehen. Darum wollen wir aus zwei Uebeln lieber das kleinste wählen, wenn man ja eines leiden muß. Wollen also lieber diese kleine Zwietracht mit einem kleinern Frieden tragen." (Schreiben an Martin Bucer 1631. XVII, 2396.) — Ferner sagt
Dedekennus: „So wenig ein rechtschaffener Christ, der sich zu
Lutheri Lehre mit Mund und Herzen bekennt, das Abendmahl mit reinem Gewissen von einem Zwinglischen und verdächtigen Lehrer begehren kann, sondern nach Lutheri Rath sich dessen sein Lebelang verzeihet: ebenso wenig kann auch ein Reformirter, der das Werk verstehet und dem seine Religion ein rechter Ernst ist, ohne höchste Beschwerung seines Gewissens unser Abendmahl nimmermehr begehren." (I'kssaur. Vol. I. ?. 2. kol. 316.) — Und
Georg König: „Begehrt ein Calvinist, daß ihm ein lutherischer Prediger das Abendmahl reiche, so ist er entweder ein Laie oder ein Prediger, und jener wiederum entweder unwissend oder wohlunterrichtet. Ist er unwissend, so wird er vielleicht den Unterschied nicht wissen, welcher in Betreff dieses Lehrstückes zwischen uns und den Calvinisten vorliegt, sonderlich da auch jene sich den Schein geben wollen, als lehrten sie, daß der Leib und das Blut Christi im Abendmahl wahrhaftig gegenwärtig sei.. Dann hat man sich mit höchstem Fleiß zu hüten, daß man ihn nicht zum Abendmahl zulasse, da er von der Sache nichts weiß und von seinem Wahne noch erfüllt ist. Vielmehr muß er vorher offen unterwiesen werden, wie weit wir in diesem Lehrstück von einander abweichen, und klar unterrichtet werden, warum der eine Theil mit dem anderen weder communiciren könne noch dürfe, weil nem-lich das Mahl des HErrn unter anderen Endzwecken auch diesen habe, ein Kennzeichen und eine Losung der Religion zu sein, welche ein jeder bekennt. Denn die, welche mit einer Kirche in dem Nehmen dieses Sacraments Gemeinschaft pflegen, bekennen eben damit öffentlich, daß sie die Lehre dieser Kirche annehmen und die entgegengesetzte verwerfen und sich auf diese Weise von den anderen absondern. Es sei daher nöthig, daß er erst unsere Confession an-
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nehme, den Calvinismus als irrig verwerfe und sich davon absondere, wenn er unserer Communion theilhaftig werden wolle. Viel mehr aber wird diese Vorsicht zu brauchen sein, wenn der Calvinist ein wohlunterrichteter ist." (Oasus Longo, x. 697. sy.)
Zu No. 4. gehört die Stelle:
Röm. 14,1.15.16.: „Den Schwachen im Glauben nehmet auf und verwirret die Gewissen nicht. — So aber dein Bruder über deine Speise betrübet wird, so wandelst du schon nicht nach der Liebe. Lieber, verdirb den nicht mit deiner Speise, um welches willen Christus gestorben ist." Und
Matth. 18, 6.: „Wer aber ärgert dieser Geringsten einen, die an mich glauben, dem wäre besser, daß ein Mühlstein an seinen Hals gehänget, und er ersäufet würde im Meer, da es am tiefsten ist."
Die Wittenberger theol. Facultät gibt im Jahre 1568 als letzten Grund, warum ein lutherischer Prediger das Nachtmahl keinem halsstarrigen Calvinisten reichen solle, Folgendes an: „Letztlich so ist dies Aer-gerniß dies falls zu betrachten, welches hieraus erfolgen und einen großen Riß mit sich ziehen würde. Denn hiermit werden viel dergleichen Hartnäckige gestärkt.. Auch werden zweifelsohne viele andere mit anderen offenbaren Sünden Beladene gleich denen vom Abendmahl des HErrn unabgerissen sein wollen. Daraus ein wüster und schrecklicher Mißbrauch dieses hochwürdigen Abendmahls endlich erfolgen und schwere Strafen über diese Lande gezogen würden. Müßten hingegen auch viel fromme gutherzige Leute höchlich geärgert, betrübt und in vielfältigen Zweifel, ob sie mit dieser Kirche recht glauben, geführt werden, dieweil sie sehen, daß auch diejenigen, so einer ändern widerwärtigen Meinung sein, zu dieser Kirchen Gemeinschaft öffentlich auf- und angenommen werden; welches alles, weil es sünd-lich und hochsträflich, höchstes Fleißes zuvor zu kommen und abzuwenden sein will." (Dedekennus' Dkssuur. Vol. I, I». II, lol. 310.)
Man sieht, die alten Theologen glaubten eben die Gegenwart des Leibes und Blutes Christi im Abendmahle. Darum gingen sie auch in der Verwaltung desselben so genau und gewissenhaft nach Gottes Wort zu Werke. Unsere heutigen weichherzigen Lutheraner, die so liberal verfahren, mögen sich wohl prüfen, ob sie auch selbst wirklich vom Sacrament den rechten Glauben haben. Sie begehen aber durch Annahme Andersgläubiger zu ihrem Abendmahl die gräuliche Sünde des Aergernißgebens an armen, schwachen Christen in ihrer eigenen Mitte; und' wir haben gesehen, was für ein schreckliches Wehe Gott über diese Sünde ausruft.
No. 5. 1 Tim. 5, 22. stehet geschrieben: „.. Mache dich auch nicht theilhaftig fremder Sünden."... Darüber erklärt sich gleichfalls
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Die Wittenberger theol. Facultät im Jahre 1568. Sie gibt als ersten Grund, warum ein halsstarriger Calvinist nicht zur Communion in einer lutherischen Kirche zuzulassen sei, Folgendes an: „Erstlich, das ungezweifelt wahr ist, daß dieses Gebot alle Menschen, .fürnehmlich aber die Pfarrherrn und Seelsorger bindet: Mache dich nicht theilhaftig fremder Sünden. Nun ist gewiß und wird in unserer Kirche beständiglich und durchaus dafür gehalten, daß die sacramentirische Meinung ein schwerer hochsträflicher Jrrthum und Sünde sei aus vielen Ursachen, die zu erzählen unnöthig. Da denn hierwieder gewiß und unzweifelig ist, daß diese Person mit dieser Meinung und Jrrthum endlich und unwiderbringlich behaftet und gleichsam eingenommen: so kann der Pfarrer und Seelsorger ihn ohne Sünde und Beschwerung seines Gewissens zur Communion und Nießung des Sacraments nicht kommen lassen. Und wie zweifelsohne die Sacramentirer sämmt-lich keinen, der dieser unserer Kirchen Bekenntniß und Glauben zugethan und verwandt ist, zu ihrer Communion aus gleichem Grunde nicht kommen lassen: also können fromme und verständige Pfarrherrn und Seelsorger ohne merkliche Sünde und Beschwerung ihrer Gewissen auf sich nicht nehmen, was durch ungläubige falsche Deutung der so klaren nnd Hellen Worte der Einsetzung des Abendmahls andere Leute, sie sind gleich wer sie wollen, wider Gott und den HErrn Christum sündigen, dichten und träumen. Denn so. diejenigen ihnen das Abendmahl zum Gericht essen und nießen und nach den Worten Pauli des Leibes und Blutes des HErrn schuldig werden, die es unwürdig essen, wie vielmehr müssen sich ebendesselbigen Gerichts und schwerer Schuld diejenigen theilhaftig machen, die es wissentlich denen reichen, von deren Sünde und ungläubiger verkehrter Dmtung und darauf folgendem Gericht und Schuld sie in ihrem Gewissen überzeugt sein." (Dedekennus' 11i68k>.urll8. Volum. I, k I. lol. 309. f.) Ferner
Luther: „Brüderschaft haben sie von uns begehrt, die haben wir ihnen auf diesmal (in Marburg) abgeschlagen und nicht Zusagen können. Denn wenn wir sie für Brüder und Schwestern annehmen, so müßten wir verwilligen in ihre Lehre. Wiewohl man dieses Abschlagen nicht gerne gesehen, und vorgab, man sollte die Liebe gegen ihnen erzeigen, bis sie Gott auch wieder herzu brächte; denn wir auch unsere Feinde lieben sollten. Nun, wer es übel auslegen will, der mag es thun." (Erzählung von der Canzel, seine Reise gen Marburg und das Gespräch, daselbst mit dm Sacramentirern gehalten, belangmd. Auslegung des 5 B. Mose. 111,2617.) Und endlich
Dedekennus: „Die zweite Ursache, warum die Calvinisten bei dm Lutherischen nicht zum Abendmahl zuzulassen, ist das Amt und die Eigenschaft eines getreuen Predigers. Denn es sind 1. die Sacramente nicht des Predigers allein, sondern Güterder ganzen Kirche. Dero-wegen muß er mit desselbigen Austheilung nicht eigenes Gefallens gebarm, sondern, weil die Sacramente ein allgemeiner Schatz der ganzen Kirche sind,
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so muß auch dieselbe in alle Wege Wissenschaft tragen, wer sich mit ihr des Sacraments der Einigkeit gebrauche oder nicht. 2. Zudem so sind wir Prediger nur Haushalter über Gottes Geheimnisse. Nun wird von einem Haushalter Höheres nicht erfordert, als daß er treu erfunden werde. Solche Treue aber erstreckt sich nicht nur auf sein Lehr-Amt in Ausbreitung göttlicher Wahrheit und Bestrafung der Jrrthümer, sondern auch die Austheilung der Sacramente, daß er dari« gute Vorsichtigkeit und Bescheidenheit gebrauche und nicht einen jeden ohne Unterscheid dazu verstatte, sondern Achtung habe auf die ganze Heerde, Unterschied halte zwischen Reinen und Unreinen, Heiligen und Unheiligen. Darum sichs gar nicht verantworten läßt, als sollte man, Etzlicher Fürgeben nach, das Sacrament einem jeden blos auf seine Verantwortung verreichen. Dergestalt würde mans weder Papisten, noch Photinianern, auch denen, die man wüßte, daß sie es vorsätzlich zum Gericht empfingen, mit Fug verweigern können; sintemal es in Gottes Sachen sich nicht also scherzen läßt. Und ist ein Prediger zu dem Ende auf seine Hut bestellet, daß er schauen und für ewigem Schaden warnen soll, damit er nicht dermaleins mit schwerem Gewissen für das verwahrloste Blut Rechenschaft geben dürfe." (Düesnurus. Vol. I, k. II. M. 316.)
Unsere zehnte Thesis ist also direct gegen die Union, dieses Grab der lutherischen Kirche, und namentlich auch gegen ihre Liebhaber und Verehrer in unserer Kirche, gegen die unionistischen, religionsmengerischen Prediger gerichtet. Wir nennen sie alle schändliche, gewissenlose Bauchpfaffen, die es dem Gewissen ihrer einzelnen Abendmahlsgäste überlassen, ob und was sie von diesem Sacramente glauben und bekennen, und sich dabei fälschlich berufen auf das Wort: „Der Mensch aber prüfe sich selbst" u. s.w., als ob dieses nicht den Laten allein, den Predigern aber das Wort gälte: „Dafür halte uns Jedermann, nämlich für.. Haushalter über Gottes Geheimnisse. Nun sucht man nicht mehr an den Haushaltern, denn daß sie treu erfunden werden."
Thesis 11.
Wieder irrgläubiger Gemeinschaften werden durch ihre Abweisung von der Feier des heiligen Nachtmahles in Gemeinschaft milder lutherischen Kirche nicht in den Bann gethan, vielweniger (für Ketzer erklärt und)*) verdammt, sondem nur suspendirt, bis sie sich durch Abthuung der falschen Gemeinschaft, in der sie stehen, mit der rechtgläubigen Kirche versöhnt haben.
Ein scheinbar gewaltiger Einwurf unserer Widersacher gegen unsere Abendmahlslehre und -Praxis ist auch der, daß sie sagen: Wie könnt ihr euch
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*) Die eingeklammerten Worte wurden auf Beschluß der Synode der Thefis ein-
gefügt.
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unterstehen und ein Kind Gottes aus ändern 'Kirchen durch Zurückweisung von eurem Abendmahl bannen, für ketzerisch erklären, vom Leibe Christi abschneiden und so JEsum selbst gleichsam verwunden? — Das klingt schrecklich und wäre auch, wenn wahr, recht schrecklich. Allein dieser Einwurf ist doch nichts als ein leerer, hohler Schreckschuß. Denn, wie schon oben erwähnt ist, so wenig wie wir denjenigen lutherischen Christen (er sei der beleidigende oder beleidigte Theil) in den Bann thun, wenn wir ihn nach Christi eigenen Worten, Matth. 5,23.24.: „Darum, wenn du deine Gabe auf dem Altäre opferst und wirst allda eindenken, daß dein Bruder etwas wider dich habe; so laß allda vor dem Altar deine Gabe nnd gehe zuvor hin, und versöhne dich mit deinem Bruder; und alsdann komme und opfere deine Gabe",— desgleichen Luc. 17, 3.: „Hütet euch. So dein Bruder an dir sündiget, so strafe ihn; und so er sich bessert, vergib ihm", — so lange vom heiligen Abendmahl fern halten, so lange er sich mit seinem Nächsten noch nicht ausgesöhnt hat — obschon er an sich zum Empfange des Sacraments durchaus würdig sein kann; ebensowenig bannen, verstoßen, verketzern und verdammen wir denjenigen irrgläubigen Christen, wenn wir ihm erklären: Gerne wollten wir auch dir das heilige Abendmahl bei uns zukommen lassen. Aber es liegt noch ein Hinderniß im Wege. Das ist die Sünde deines Jrrthums in der Lehre, die du bisher nicht erkannt hast. Die erkenne und thue erst ab und halte dich zur rechtgläubigen Kirche. Dann sollst du uns ein lieber, willkommener Abendmahlsgast sein. — Etwas ganz anderes ist es natürlich mit offenbar unbußfertigen Sündern, Spöttern und halsstarrig Irrenden, welche Letztere allein wir Ketzer heißen. Solche sind nach Christi ausdrücklichem Befehl zu excommuniciren. Und in diesem Stück stimmen wir auch mit unfern rechtgläubigen Vätern. Denn
Die Wittenbergtsche theol. Facultät schrieb im Zahre 1638 in einem Bedenken: „Es ist ja ein greiflicher Unterschied zwischen der iuäi-Aiütuts iutriusseu (innerliche Unwürdigkeit), welche aus unerkannten Todsünden herfließt, und der iuckiKuituts extriuseeu oder uoeicieutali (der äußerlichen oder zufälligen Unwürdigkeit), wie das Aergerniß des Nächsten ist, welches das Beichtkind öfters nicht weiß." (Oousil. 1VitsbsrK6U8. II, 128.)
Luther: „Gott sei mein Zeuge! ich wollte, wenn es möglich wäre, diese Uneinigkeit mit meinem Leib und Blut (wenn ich auch mehr, denn Einen Leib hätte) gerne abkaufen. Aber wie soll ich ihm thun? Sie sind vielleicht aus gutem Gewissen mit dem ändern Verstand gefangen, darum wollen wir sie gern dulden. Sind sie rein, so wird sie Christus, der HErr, wohl erretten.. Wenn sie aber bei ihrer Meinung in dem Punct von der Gegenwart des Leibes Christi mit dem Brod bleiben wollen, und bitten würden, daß wir doch einander dulden wollten, so will ich sie gar gerne dulden in Hoffnung, daß wir künftig in eine Gemeinschaft
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kommen möcht en." (Rathschlag und Bedenken über die von den Zwtng-lianern gesuchte Vereinigung. 1534. XVII, 2489.) Und
Der heilige Augustinus: „Es hat zwar der Apostel Paulus
gesagt: ,Einen ketzerischen Menschen meide, wenn er einmal und abermal ermahnet ist, und sündiget, als der sich selbst verurtheilt hat'; aber welche ihre Meinung, obgleich sie falsch und verkehrt ist, mit keiner Halsstarrigkeit vertheidigen, insonderheit wenn sie sie nicht selbst frevelhaft aufgebracht, sondern von verführten und in Jrrthum gefallenen Vorfahren empfangen haben, hingegen sorgfältig die Wahrheit suchen, bereit, sich weisen zu lassen, wenn sie dieselbe finden: diese sind keinesweges unter die Ketzer zu rechnen. Wenn ich daher nicht glaubte, daß ihr (Donatisten) solche seid, so würde ich euch wohl keinen Brief zuschicken. Ja, wir sind nicht entgegen, auf alle mögliche Weise die Besserung selbst eines Ketzers zu suchen, der, von haßwürdigem Stolze aufgeblasen und in halsstarriger Streitsucht wüthet, den wir sonst zu meiden ermahnt werden, — damit er die Schwachen und Kinder nicht verführe." (Lx. 162.)
Thesis 12.
Achten und erklären selbst die Irrgläubigen es für unrecht, mit den Rechtgläubigen zu communiciren, so ist es um so schmählicher, wenn die Letzteren ihr nach Christi Einsetzung verwaltetes Abendmahl den Ersteren preisgeben.
So haben z. B. die Reformirten den Ihrigen oft verboten, bei uns das heilige Abendmahl zu genießen.
Die Reformirten Züricher verboten ihren auf der Straßburger Universität Studirenden im Jahre 1539, daselbst zum heiligen Abendmahl zu gehen, und schrieben deswegen an den Straßburger Kirchen - Convent zu ihrer Rechtfertigung: „Welche durch die Sacramente mit uns Gemeinschaft halten, bekennen durch diese Gemeinschaft, daß sie mit uns denselben Glauben von den Sacramenten haben; nun aber haben unsere Jünglinge mit euch nicht denselben Glauben." (Löscher's Historia motuum zwischen den Ev.-Lutherischen und Reformirten. I, 254.*j) Und
Calvin: „Wenn Du mich um Rath fragst, ob es dir erlaubt sei, das heilige Abendmahl Christi aus den Händen derjenigen zu nehmen, die uns für ketzerisch halten, weil wir leugnen, daß Christi Fleisch mit den Zähnen zerbissen werde: so sehe ich nun zwar wohl, daß es ein böses Beispiel gibt, wenn sich jemand vom heiligen Abendmahl enthalt, jedoch wäre es eine Unrechte, ja, heuchlerische Verstellung, durch die Annahme des Symbols der Eintracht jenes falsche und abgeschmackte Gedicht, welches durch verderbliche
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*) "Qui sacramentis nodissuni oommuvlssnt, ip8g, eoinmunisatioiis proü-
teiitur, 86 SLuäsm IiLdsrs nodiseurn äs sssrallisntis üätzlll; Ltqui juvsnss N03tr! non esnäsiL vobisorun üäem bsdsat."
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Blendwerke den Grund des Glaubens umstößt, auch nur stillschweigend zu billigen, es sei denn, dqß ein deutliches und offenherziges Bekenntniß der ge--sunden Lehre vorausgeht. Ich achte es daher für am besten, daß Du frei und offen bezeugst, daß Du durch ihre Schuld von der Theilnahme am Abendmahle abgehalten werdest, weil sie die reine und echte Lehre Christi nicht zulassen." (Lpistol. el respons. oäitio seounän. Dausaniiue, 1676. Hx. 292. x. 478.)
Auch in den Wittenbergischen Consilien heißt es: hiermit stimmen auch allerdings unsere Evangelischen Theologi und Prediger mit einander überein, so gar, daß nach aller ihrer Meinung ein solcher Prediger entweder ein Heuchler oder gar ein heimlicher Calvinist sein müsse, der da wissentlich die Calvinisten zu unserm Nachtmahl zulasse.. Es befindet sich auch, daß Einer unter den Calvinisten, benamentlich Zacharias Ursinus, in seinem Briefe an Andreas Dudithius, worin er von der Vereinigung oder Gemeinschaft der Rechtgläubigen mit den Irrenden handelt, ausdrücklich berichtet, daß kein Calvinist mit gutem Gewissen bei den Lutherischen könne zum Nachtmahl gehen.. Mögen demnach die Calvinisten selbst Zusehen, mit was Gewissen diejenigen, welche unsere Lehre in den Grund verwerfen, sich des heiligen Nachtmahls begehren bei uns Lutheranern zu gebrauchen. Wie viel weniger aber werden Lutherische Prediger mit gutem Gewissen den Calvinisten das heilige Nachtmahl reichen können? Denn obgleich auch einige unter den Calvinisten zu finden, welche etwa der Meinung sind, daß die zwischen uns und ihnen noch streitigen Artikel den Grund der Seligkeit nicht berühren, so ist dennoch keiner unter allen rechtschaffenen Evangelischen Predigern, der es in diesem Stücke mit ihnen hält. Ja, alle, welche ihnen die Beförderung der Ehre Gottes und unseres Heilandes wohl lassen zu Herzen gehen, sind schuldig, allen denen, die man dazu fälschlich überredet, einen solchen Jrrthum zu benehmen. Hieraus nun erhellet so viel, daß ein Calvinist keinesweges um deswillen stracks könne zum heiligen Abendmahl bei uns zugelassen werden, wenn er gleich nach unfern Ceremonien und Gebräuchen sich bequemet, als z. E. wenn sie sich nicht etwa ärgern an unfern runden Hostien und eben nicht so hoch auf das Brodbrechen dringen: alldieweil dieselben, welche wegen der irrigen Lehre der Calvinisten, denen sie beigethan, von der Gemeinschaft unserer Kirche zu Recht ausgeschlossen sein; keinesweges nur um deswillen, daß sie sich unseren Ceremonien wollen bequemen, wiederum können auf- und angenommen werden. Auch kann der bloße Gebrauch und Annehmung solcher Mitteldinge nicht stracks solche Leute zu diesem Werk geschickt und würdig machen, welche der große Unglaube in den vornehmsten Haupt- als Glaubensartikeln, als auch die darauf erfolgte Trennung und Absonderung von der innerlichen als geistlichen Gemeinschaft bereits verwerflich und untüchtig dazu gemacht. Welche nun diejenigen, wie sie anjetzo beschrieben sind, zulassen, erweisen im Werk nichts anderes, als daß sie Heuchler und laulichte Christen sein in der Religion, welche die zwischen uns und
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den Reformirten annoch streitigen Puncte von schlechtem Grund und Werth halten.. Wenn Heinricus Alting, ein Calvin. Doctor zu Heidelberg und Groningen, fleißig nachforschet in seiner krodlemalieu tüsoloZIg, ?. II, xrrobl. 10. 11.: ob auch die Reformirten mit gutem Gewissen bei den Lutherischen zum heiligen Nachtmahl gehen können? erfordert er insonderheit dieses, im Fall man diese Frage bejahen will, daß nemfich die klare und deutliche Bekenntniß der reinen Lehre (denn also titulirt er als ein Calvinist seine Lehre) sowohl bei den Predigern, von deren Hand man das heilige Nachtmahl empfangen soll, als auch bei ändern vorher gehen soll.. Und dennoch zweifelt dieser Altingius sehr daran, ob es auch (selbst dann) von allen ohne alle Gewissensbeschwerung geschehen könne... Wie werden auch Lutherische Prediger in ihrem Gewissen verantworten können, wann sie nicht ein solch Bekenntniß von ihren Beichtkindern erfordern, zumal wann ihnen gar wohl wissend ist, daß diejenigen, welche zum heiligen Nachtmahl kommen, nicht gleicher Lehre mit uns sein, und also selbige mit allem Willen ohne alles Nachfragen oder Unterweisung hinzu gehen lassen.. Sie geben mit einer so verdächtigen und gewissenlosen Zulassung genugsam öffentlich zu erkennen, daß sie nichts weniger, als aufrichtige Lutheraner, sein. Wie werden wir aber solche Leute wohl eigentlich nennen? Ohne Zweifel offenbare Heuchler, Synkretisten und Samariter, welche so viel auf eine Religion halten, als auf die andere. Die uralten Christen pflegten, so oft sie das heilige Nachtmahl hielten, die Kirchthüren zu verschließen, damit nicht etwa auch einer oder andere sich möchte herbei machen, der einer ändern und fremden Religion zugethan wäre; wie viel weniger würden sie dann wissentlich und vorsätzlich solche Leute zugelassen haben, die da dieses große göttliche Geheimniß schmälern und dasjenige, was man in der christlichen Kirche von solchen hohen Geheimnissen recht und wohl glaubet, übel berichten! Allein sie waren keine solchen Heuchler." (Oovsll. IVitekrsrZ. I, 1044. f.)
Thesis 13.
Je mehr der Unionismus und die Religionsmengerei die Sünde und das Verderben unserer Zeit ist, desto mehr fordert es jetzt die Treue der rechtgläubigen Kirche, das heilige Abendmahl nicht zu einem Mittel einer äußerlichen Union ohne innerliche Glaubenseinigkeit zu mißbrauchen.
Der heilige Prophet Jeremia ruft dem treulosen Volke Israel im 2ten Cap. v. 10—12. zu: „Gehet hin in die Inseln Chittim, und schauet, und sendet in Kedar, und merket mit Fleiß und schauet, ob's daselbst so zugehet? Ob die Heiden ihre Götter ändern, wiewohl sie doch nicht Götter sind? Und mein Volk hatdoch seine Herrlichkeit verändert, um einen unnützen Götzen. Sollte sich doch der Himmel davor entsetzen, erschrecken und sehr erbeben, spricht derHErr." — Wenn denn selbst
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die blinden Heiden ihre falschen Religionen nicht wechselten, ist es nicht in Wahrheit entsetzlich, wenn dies heute von Christen geschieht, wenn sie, wie es in der Abendmahlspraxis der Unirten ans Helle Licht tritt, die Wahrheit der christlichen Religion mit der Lüge vereinigen und diese gleich jener in der Kirche berechtigt wissen wollen?! Gegenüber diesem unionistischen Gräuel wollen wir unserntheils festhalten an dem, was die Concordienformel sagt: „Wenn solche Dinge unter dem Titel und Schein der äußerlichen Mitteldinge fürgegeben werden, welche (ob ihnen gleich eine andere Farbe angestrichen würde) dennoch im Grund wider Gottes Wort sind: daß diesel-bigen nicht als freie Mitteldinge gehalten, sondern als von Gott verbotene Dinge gemieden sollen werden. Wie auch unter die rechten freien Adiaphora oder Mitteldinge nicht sollen gerechnet werden solche Ceremonien, die den Schein haben oder, dadurch Verfolgung zu meiden, den Schein fürgeben wollten, als wäre unsere Religion mit der papistischen" (oder calvinischen) „nicht weit von einander, oder wäre uns dieselbe ja nicht hoch entgegen, oder wenn solche Ceremonien dahin gemeinet, also erfordert oder ausgenommen, als ob damit und dadurch beide widerwärtige Religionen verglichen und Ein Corpus werden... Wir gläuben, lehren und bekennen, daß zur Zeit der Bekenntniß, da die Feinde Gottes Worts die reine Lehre des heiligen Evangelii begehren unterzudrücken, die ganze Gemeine Gottes, ja, ein jeder Christen - Mensch, besonders aber die Diener des Worts, als die Vorsteher der Gemeine Gottes, schuldig sein, vermöge Gottes Worts die Lehre, und was zur ganzen Religion gehöret, frei öffentlich, nicht allein mit Worten, sondern auch im Werk und mit der That zu bekennen." (Art. X. von Kirchengebräuchen. Wiederholung.)
Zu dieser Bekenntnißtreue und zur Wachsamkeit gegen den bösen Feind ermuntert uns auch I. C. Dannhauer. Er schreibt: „Die schlaffe Sicherheit ist die Mutter der Nachlässigkeit; wenn man sich daher vor diesem Feinde nicht vorsteht, so gibt es nichts Uebles, davon man nicht betroffen werden könnte. Mit Recht hat Ouintus Curtius gesagt: ,Nichts wird am Feinde ohne Gefahr verachtet; denn wen man nicht achtet, den stärkt man durch seine Nachlässigkeit.' Eben diese Nachlässigkeit hat uns einst den Antichrist geboren und, während die Leute schliefen, sein Unkraut säen lassen; dieselbe Nachlässigkeit läßt mit unthätigem, mattem oder doch mit zu wenig mißtrauischem Auge auch die Ränke der synkretistischen (religionsmengerischen) Geistes unbeachtet, welcher zu dieser Zeit sein Haupt erhoben hat, und es fehlt kaum etwas, daß er schon herrsche. Vielleicht in kurzem wird der Erdkreis sich wundern, so schnell synkretistisch und in Folge dessen atheistisch geworden zu sein." (Inder eouse. 1,139.)
Durch Sicherheit und Nachlässigkeit der Kirche ist es einst dem Antichristen gelungen, sich mitten in den Tempel Gottes zu setzen. Durch Sicherheit und Nachlässigkeit der Kirche hat (sich später auch die falsche Union ein-
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geschlichen. Nun ist es an uns, uns diesen Feinden gegenüber zu behaupten und namentlich uns aus allen Stricken und Fäden des synkretistischen Zeitgeistes zu entwinden. Der treue und barmherzige Gott helfe uns und erfülle unsere Herzen mit Haß gegen den Lügengeist und mit inniger treuer Liebe zu Gottes Wort und Wahrheit.-
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In ihrer dritten und achten Sitzung zog die Synode sodann die folgenden von Herrn Pastor I. H. Fick verfaßten und mit Schriftsprüchen und Zeugnissen versehenen
Thesen
über das rechte Verhaltniß eines evangelisch-lutherischen Christen zu dem hiesigen Freischulwesen
in nähere Erwägung.
I.
Es giebt in der Welt drei heilige von Gott selbst gestiftete Stände oder Gemeinschaften: den Nährstand, Lehrstand und Wehrstand, oder Familie, Kirche und Staat.
II.
Wie der Ehestand auch in den Heiden Gottes Stiftung bleibt, so ist und bleibt der Staat auch dann Gottes Ordnung, wenn er aus Heiden, Falschgläubigen und Abtrünnigen besteht.
III.
Im Unterschiede von der Kirche erstreckt sich die Gewalt des Staates nur über zeitliche Güter; das Mittel, wodurch er regiert wird, ist das natürliche Licht der Vernunft, und sein höchster Zweck ist die zeitliche Wohlfahrt seiner Bürger.
IV.
Da Sittlichkeit die Grundlage aller Staatswohlfahrt ist, so darf der Staat niemanden das Bürgerrecht geben, welcher die Wahrheit der natürlichen Religion, nämlich das Dasein Gottes, die Verbindlichkeit des Moralgesetzes und eine Vergeltung nach dem Tode leugnet.
V.
Der Staat als solcher hat nicht die Aufgabe, seine Bürger fromm und selig zu machen.
VI.
Einen christlichen Staat im strengen Sinne des Wortes kann es nicht geben.
VII.
Ein Staat, welcher Religionsfreiheit proklamirt, ist darum noch kein widerchristlicher.
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VIII.
Ein christlicher Staat in einem gewissen Sinne des Wortes ist ein solcher, welcher durch irgend einen officiellen Act sich zur christlichen Religion bekennt.
IX.
Wo Trennung von Kirche und Staat, und Religionsfreiheit zu Recht besteht, ist es Sünde, wenn eine Parthei auf widergesetzlichem Wege ihre Con-fession zur Staatsreligion erheben, oder ihr den Vorrang verschaffen will.
X.
Der Staat kann nur dann seinen Zweck, die allgemeine ^eistliche^Vohl-fahrt seiner Bürger, erreichen, wenn dieselben die nöthige Bildung besitzen.
XI.
Die Pflicht, für den Elementar- und Religionsunterricht der Kinder zu sorgen, haben die Eltern und die Kirche.
XII.
Es ist leider eine offenbare Thatsache, daß die Eltern und die Gemeinden, welche christliche Gemeinden sein wollen, in diesem Lande diese Pflicht zumeist versäumt haben. 4
XIII.
Die traurige Folge davon ist: die überhandnehmende Entchristlichung und Entsittlichung der Massen.
XIV.
Da die Eltern und die Kirche ihre Pflicht an den Kindern entweder nicht erfüllen können oder nicht wollen, so ist die Gründung und Erhaltung des hiesigen Freischulwesens eine politische NothWendigkeit, um den Bürgern die nöthige menschliche Bildung zu verschaffen.
XV.
Da Gottes Wort den Christen gebietet, die Lasten des Staates zu tragen und seinen Gesetzen gehorsam zu sein, so sind lutherische Christen verpflichtet, die von dem Staate für seine Schulen ihnen aufgelegten Steuern willig zu entrichten.
XVI.
Es ist für eine gnädige göttliche Fügung anzusehen, wenn in den Staatsschulen das Lesen der Bibel noch gesetzlich erlaubt ist.
XVII.
Wo Lutheraner nach den Gesetzen es thun können, ist es ihre Pflicht, dahin zu wirken, daß die Bibel aus den Freischulen nicht verbannt werde.
XVIII.
Soweit Lutheraner politischen Einfluß auf die Freischulen besitzen, sollten sie dafür sorgen:
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1. Daß christlich gesinnte Personen zum Lehramte an den Freischulen berufen werden, also, wie auch schon die Staatsgesetze verbieten, keine Atheisten oder sonst Personen von notorisch unmoralischem Charakter;
2. daß die Lehrer nichts Vorbringen, noch die Lehrbücher etwas enthalten, was wider die Wahrheit der natürlichen oder christlichen Religion streitet;
3. daß in denselben eine gute äußerliche Zucht geübt werde.
XIX.
Es wäre von Seiten lutherischer Eltern eine unverantwortliche Gewissenlosigkeit, wenn sie ihre Kinder, ehe diese in der Erkenntniß der reinen Lehre und im Glauben befestigt sind, selbst vor der Confirmation, in die hiesigen Freischulen schicken wollten, und zwar aus folgenden Gründen:
1. weil in dezr>hiesigen Freischulen kein rechtgläubiger Religionsunterricht ertheilt werden darf.
2. Wenn auch in den Freischulen die Bibel gelesen werden darf, so ist dies doch bei weitem kein Ersatz für einen förmlichen Religionsunterricht.
3. We^t entfernt, daß das Beten, wenn es in den Freischulen gestattet ist, denselben einen Werth geben sollte, bringt gerade das Beten, da es zumeist von Falsch - und Ungläubigen geübt wird, große Gefahr für die Seelen der Kinder mit sich.
4. Auch bei Ertheilung des Unterrichts in der Geschichte, Geographie und ändern Fächern kann den Kindern Seelengift eingeflößt werden, und geschieht dies leider auch, wie die Erfahrung lehrt.
5. Die in den hiesigen Freischulen gebräuchlichen Lehrbücher enthalten wohl ohne Ausnahme den Sauerteig der falschen Lehre.
6. Die in den Freischulen geübte Zucht ist fast immer eine unchristliche und sehr verderbliche, weil sie bald zu lax, bald zu streng ist und fast kein anderes Mittel kennt, Fleiß und Wohlverhalten zu erzielen, als den verfluchten Ehrgeiz, oder durch andere sündliche Motive die Kinder zum Eifer im Lernen anzuspornen.
7. Da lutherische Kinder in den Freischulen leicht mit solchen Kindern, die schon völlig verdorben sind, in die innigste Gemeinschaft treten, so werden sie dadurch iff^dA äußerste Gefahr gestürzt, von einem falschen Geiste erfüllt und>zu Mischer Lehre, Unglauben und Laster verführt zu werden, weil das:Geg«mittel christlicher Zucht hier fehlt.
8. Gesetzt, die Kinder machten auch in allen Kenntnissen, welche in den Freischulen gelehrt werden, die größten Fortschritte, so kann doch auch die höchste formelle Bildung den Menschen nicht sittlich heiligen und bessern, und der Nutzen solcher Fortschritte ist doch nur ein zeitlicher, und somit, nach Gottes Wort, nur ein verhältnißmäßig sehr geringer
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und durchaus kein Ersatz für den unaussprechlichen Seelenschaden, den sie darin nehmen können.
9. Durch den Besuch der Freischulen wird in den Kindern die Scheu vor falschen Lehrern und die Liebe zu ihrer evangelisch-lutherischen Mutterkirche ertödtet.
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Darum können lutherische Christen, welche wissen, wie ernst und schwer die Rechenschaft ist, die sie am jüngsten Tage wegen ihrer Kinder zu geben haben, dieselben nicht den Freischulen zur Erziehung und zum Unterrichte überlassen, so lange sie in der Erkenntniß und im Glauben noch nicht fest gegründet sind.
XXI.
Ebenso gefährlich und durchaus zu mißbilligen ist es, wenn rechtgläubige Gemeinden, statt eigene Confessionsschulen zu errichten, ihr Schulbedürfniß durch Benutzung der öffentlichen Schulen in irgend einer Weise befriedigen wollen.
Nachdem diese Thesen gleichfalls erst im Zusammenhang vorgelesen worden waren, gab die Synode dazu nachstehende Erklärungen*): '
Zu Thesis I.
Daß die drei genannten Stände von Gott gestiftet seien, ist aus der heiligen Schrift klar. Die Sprüche 1 Mos. 2,14—18. und Matth. 19,4—6. beweisen dies vom Nährstand; Matth. 16,18. vom Lehrstand, und Rom. 13,1—1. so wie 2 Petr. 2,13. vom Wehrstand. Es ist dies auch die Lehre unserer Bekenntnißschriften, in welchen hiervon bei der Erklärung des 4ten Gebotes im großen Katechismus Luthers gehandelt wird. Luther spricht sich auch eben dahin aus in seinem Bekenntniß vom Abendmahl Christi, vom Jahre 1528. Wichtig ist, daß es in der These heißt: „Es gibt drei von Gott gestiftete Stände in der Welt"; und zwar deßhalb, weil die Lehre von den Ständen heut zu Tage so vielfach verkehrt verstanden wird. Man sagt z. B.: die Kirche besteht aus drei Ständen; während doch die Kirche neben dem Staat und der Obrigkeit steht und einen besondern Stand für sich bildet. Was hier unter dem Wort „Lehrstand" zu verstehen sei, gibt die Thesis selbst an, wenn nachher erklärungswekse für „Lehrstand" das Wort „Kirche" gebraucht wird. Ursprünglich sind alle Stände unmittelbar aus dem Elternstand, als aus ihrer Orrelle,'hervorgegangen. Erst unter Moses wurden besondere Personen zur Ausrichtung des Kirchenamtes bestimmt. Luther nennt diese Stände Heiligthümer, weil sie von Gott gestiftet sind. Damit ist aber nicht gesagt, daß Alle, die sich in einem oder dem ändern dieser
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*) Nach dem von Herrn Pastor Biewend geführtm Protokoll.
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Stände befinden, nun auch Heilige sein müssen. Gegner der in der Thesis ausgesprochenen Lehre sind Grabau und die Vertheidiger der Staatskirche in Deutschland; während es doch selbst den Ungläubigen nachzuweisen ist, daß diese drei Stände göttlicher Stiftung sind.
Zu Thesis II.
Es möchte ein Christ, wenn er sieht, daß ein Staat fast aus lauter Gottlosen besteht, Zweifel bekommen, ob derselbe auch dann noch Gottes Ordnung bleibe. Das bleibt er aber immerhin. Als Beweisstelle dazu wurde aus der heiligen Schrift Daniel 4,14. angeführt. Die Apologie spricht sich darüber im Artikel: „Vom weltlichen Regiment" folgendermaßen aus: „Das Evangelium bringt nicht neue Gesetze im Weltregiment, sondern gebeut und will lehren, daß wir den Gesetzen sollen gehorsam sein, und der Obrigkeit, darunter wir wohnen, eS seien Heiden oder Christen, und daß wir in solchem Gehorsam unsere Liebe erzeigen sollen. Denn Karlstadt war in diesem Fall gar toll und thöricht, daß er lehrte, man solle nach dem Gesetz Mosis das Stadt- und Landregiment bestellen." Schon die natürliche Vernunft sieht ein, daß es eine Obrigkeit geben müsse, wie sich denn auch ein alter Heide dahin geäußert hat, daß es kein großes Uebel geben könne als Obrig-keitlosigkeit. Wenn nun auch eine Obrigkeit ihre Unterthanen plagt und schindet, so muß ein Christ sich das gefallen lassen und es als eine Züchtigung von seinem Gott hinnehmen. Wenn aber, besonders in Amerika, die Obrigkeit die Kinder nach Erreichung ihrer Mündigkeit nicht zwingt, ihren Eltern länger gehorsam zu sein, ja der Antichrist, was noch viel schlimmer ist, gleichwie er die Ehe nur dann einen göttlichen Stand sein läßt, wenn ein römischer Pfaffe die Trauung vollzogen hat, so die Kinder (um ihnen das Klosterleben erreichbarer zu machen) förmlich von dem Gehorsam gegen ihre Eltern entbindet; — dann ist es besonders nothwendig, daß wir an unserem Theil bezeugen, wie ungehorsame Kinder damit nicht vor Gott gerechtfertigt sind, wenn auch die Obrigkeit ihren Ungehorsam ungestraft hingehen läßt, oder denselben gar erlaubt. Schrecklich vollends ist, wenn selbst lutherische Pastoren Kinder gegen den Willen der Eltern trauen.
Zu Thesis III.
Das Ziel dieser Thesis ist, zu beweisen, daß die öffentlichen Schulen nicht religiöse Schulen sein können. Es sündigt auch der Staat nicht, wenn in seinen Schulen keine Religion gelehrt wird. Eine andere Frage aber ist, ob ein Christ recht daran thut, wenn er sein Kind in solche Schulen schickt. Zum Beweis, daß die Gewalt des Staates sich wirklich nur auf die zeitlichen Güter erstreckt, dienen die Stellen: Röm. 13, 6. und 1 Tim. 2,1. 2. In vollkommener Uebereinstimmung damit sprechen sich auch unsere Symbole aus (Siehe Augsb. Conf., Art. XXVIII., und Apologie, Art. XVI.). Daß
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das Mittel, wodurch der Staat regiert wird, das Licht der Vernunft sei, wurde durch Spr. 8,15.16. bewiesen und genannter Spruch so ausgelegt: Christus, die ewige Weisheit selbst, schenkt den Christen, wie alle anderen guten Gaben, so auch die nöthige Weisheit, den göttlichen Stand der Obrigkeit führen zu können. Und die Pflicht des Staates ist nur, für die zeitliche Wohlfahrt seiner Bürger zu sorgen, nemlich, daß Ordnung, Ruhe und Friede im Lande erhalten werde.
Zu Thesis IV.
Schon die Heiden im Alterthum haben erkannt, daß zum Bestehen eines Staates die natürliche Religion, worunter das Bewußtsein zu verstehen ist, daß ein Gott und, daß dieser ein Vergelter des Guten und Bösen sei, nöthig sei. Das bei ihnen übliche Schwören des Eides ist ein deutlicher Beweis dafür. Auch haben sie die Atheisten in ihren Staaten nicht geduldet. Sokrates, der Grieche, mußte den Giftbecher trinken und Ovid, der römische Poet, wurde in die Verbannung geschickt, und diese Strafe erging über Beide, weil sie die vaterländische Religion leugneten. Ja, es haben die Heiden sogar die Christen verfolgt, weil ihnen von ihren Priestern vorgespiegelt worden war, die Christen seien Atheisten, weil sie Einen unsichtbaren Gott lehrten. — Die Constitutionen mehrerer unserer Staaten, wie namentlich die von Rhode Island, Connecticut, Pennsylvania, Maryland, Nord-Carolina und Arkansas, fordern mehr oder weniger, daß ihreBürger religiöse Leute sein müssen. Wie schrecklich sonst aber der heutige Zeitgeist ist, können wir daraus sehen, daß Atheisten nicht nur Bürger sein und bleiben dürfen, sondern, daß solche Leute selbst von lutherisch sein wollenden Christen, um der politischen Parthei willen, in hohe und verantwortungsvolle Aemter gewählt werden. Einem Atheisten sollte mit Recht das Bürgerrecht verweigert werden, weil er die erforderlichen Bürgerpflichten nicht leisten, und selbst, wenn er desfallstge Versprechungen geben sollte, doch keine Garantieen darbietet, daß er jene erfüllen kann. Ein solcher Mensch gibt nicht zu, daß etwas Sünde sek. Geduldet mag er werden, aber bürgerliche Rechte soll er nicht haben noch öffentliche Aemter bekleiden dürfen. Diese Menschen gehen auch darauf aus, die Ehe abzuschaffen, predigen „freie Liebe", jacobinischen Communismus und sind nach ihrem eigenen Ausspruch „Thiere". Je mehr die Atheisterei zunimmt, desto schneller eilt auch die Religionsfreiheit ihrem Ende entgegen. Noch vor kurzer Zeit konnte Amerika nicht mit Unrecht ein religiöser Staat genannt werden, aber immer mehr nimmt die Irreligiosität überhand und dazu tragen besonders die deutschen Ungläubigen bei. Darum ist es unsere Pflicht, als lutherische Christen besonders gegen den Atheismus anzukämpfen.
Zu Thesis V.
Der Staat hat deshalb nicht die Pflicht, seine Bürger fromm zu machen, weil dies ohne Zwang nicht geschehen könnte. Gezwungene Religion ist aber ein Gräuel vor Gott; auch wäre es ja nur eine Scheinfrömmigkeit. Die
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Symbole unserer Kirche sagen ausdrücklich, daß Niemand zum Glauben gezwungen werden soll. Ein Mensch, welcher der Obrigkeit gehorcht, ist darum noch nicht fromm. Das ist besonders in Ehesachen wohl zu merken, was den Gehorsam der Kinder gegen ihre Eltern, und die verbotenen Verwandtschaftsgrade betrifft. Gottes Wort, und nicht die obrigkeitlichen Gesetze, sind die Richtschnur, nach der wir uns richten müssen, um fromm zu sein. Selbst Moses hat in dem bürgerlichen Gesetz manches erlauben müssen, was nach dem Moralgesetz sündlich ist, z. B. die Ehescheidung in sonst verbotenen Fällen. Aber wohl ist zu merken, daß die Bibel sagt: er habe es erlaubt, nicht: er habe es geboten. Alle etwaige Schwierigkeiten, die hierbei entstehen könnten, werden leicht gelöst, wenn die beiden Regimenter Staat und Kirche, streng aus einander gehalten werden. Im 16. Art. der Augsburgischen Confes-sion wird das zurückgewiesen, daß die Christen als obrigkeitliche Personen nach Gottes Wort urtheilen müssen, und gesagt, daß dieses vielmehr nach dem bürgerlichen Gesetz geschehen müsse. Müßte z. B. ein Christ in obrigkeitlicher Stellung armen Leuten ihre einzige und letzte Habe nehmen, so sollte er als Christ vorher alles Rechtmäßige aufbieten, um dies zu verhindern, und ginge das nicht, allerdings seinem Amte gemäß handeln, aber hernach den Schaden nach Kräften wieder gut zu machen suchen.
Zu Thesis VI.
Nie sind alle Glieder eines Staates Christen und wären sie es alle, dann brauchten sie keine Obrigkeit. Vereinigung des weltlichen und geistlichen Schwertes ist ein antichristlicher Grundsatz.
Zu Thesis VII.
Diese Thesis findet ihre Anwendung namentlich auf einen Staat, wie der unsrige ist. Die Vereinigten Staaten in ihrer Constitution, welche mit den Worten „in tlle ^sar ob vur Ix>rä" unterzeichnet ist, sowie auch einzelne Staaten, bekennen die christliche Religion. Die Gründer dieser Republik waren christliche Amerikaner, welche wollten, daß unser Land ein christlich religiöses sein sollte. Dieses können wir geltend machen gegen die Freigeister, welche aus der hier herrschenden Religionsfreiheit auf Berechtigung einer Feindschaft gegen alle Religion oder auf Religionslosigkeit schließen wollen. Ein Jeder kann nach der Vereinigten-Staaten-Verfassung allerdings ungehindert seine Religion ausüben, aber es ist klar, daß damit nicht gesagt sein will, daß ein Bürger ganz ohne Religion sein darf. Uebrigens besteht hier auch nicht einmal absolute Religionsfreiheit. Schon das Lesen der heil. Schrift in den öffentlichen Schulen zeigt eine, und zwar wohlbegründete, Begünstigung des Protestantismus an.
Zu Thesis IX.
Diese Thesis ist gegen die römische Secte gerichtet. Die Kirche hat zwar die Ausgabe, dafür zu sorgen, daß reine Lehre eingeführt und zu dem Ende
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rechtgläubige Schulen erhalten werden, ja, sie hat dahin zu wirken, daß die Freischulen ganz unnöthig werden, aber es darf dies nur auf gesetzlichem Wege geschehen. Wir Lutheraner ärgern uns, wenn wir sehen, daß den Papisten öffentliche Gelder für Schulzwecke bewilligt werden, sind aber selbst nur allzusehr geneigt, solche anzunehmen, wenn sich uns die Gelegenheit dazu darbietet. Es ist ein jesuitischer Grundsatz: der Zweck heiligt.das Mittel, und nach diesem Grundsätze dürfen wir nicht handeln. Darum haben denn Lutheraner sich wohl vorzusehen, daß sie nicht in obiger Weise mithineingezogen werden, selbst dann nicht, wenn die betreffenden Beamten ihnen dabei Vorschub leisten sollten, denn sonst machen sie sich fremder Sünden theilhaftig und sind Heuchler. Etwas anderes wäre es, wenn es geschehen könnte auf Grund bestehender Gesetze. Nehmen wir außerdem öffentliche Gelder für Schulzwecke an, so wird damit nur den Römischen vorgearbeitet. Man darf nicht denken, daß, weil sie es thun, wir es doch auch thun dürften. Wir würden nur ein böses Beispiel damit geben. Denn sehen die Secten, daß uns ein kleiner Vortheil bewilligt wird, so gebrauchen sie das, um nur desto größere Bewilligungen für sich zu erlangen. Unsere Gemeindeschulen sind die Krone und Hoffnung unserer Kirche. Es wird den Kindern durch dieselben die feste und gesunde Lehre des Wortes Gottes, das Lutherthum, eingepflanzt. Ohne Gemeindeschulen würden wir leicht zu einer beweglichen Secte werden, die vom Winde falscher Lehre hin- und Hergetrieben wird. In unfern Schulen wird dem Kinde die reine Lehre gleichsam mit der Muttermilch eingeflößt, und schon kleine Kinder fühlen sich hier als Glieder unserer Kirche. Wenn wir den Segen, den unsere Gemeindeschulen bringen, nicht werth- und hochachten, wird Gott uns denselben nehmen und ihn Ändern zuwenden. Erinnern wir uns doch, wie viele der jetzt unter uns im Amt stehenden Pastoren und Lehrer aus unfern Gemeindeschulen hervorgegangen sind, welche wir nicht haben würden, wenn uns diese Gemeindeschulen gefehlt hätten. Und wie viele werden durch unsere Prediger und Lehrer wieder zu Christo geführt l Dieser reiche Segen wird stark bedroht, wenn die Gemeindeschule mit der Frei-fchule in Eins verschmilzt und die Neigung, dies zu thun, greift leider immer mehr um sich. Während früher bei dem Lehrercollegium unseres Schullehrerseminars Anfragen um Lehrer, die zugleich die Freischule halten sollten und auch dann nur auf eine verhältnißmäßig kurze Zeit, — vereinzelt vorkamen, haben solche Anfragen sich in den letzteren Jahren bedeutend vermehrt, und zwar zuweilen sogar mit dem Ansinnen, daß das immer so bleiben sollte. — Jedoch das ist vom Uebel. Es wird nur zu leicht die beste Kraft des Lehrers auf den Unterricht in der Freischule verwendet, und der Unterricht in der Gemeindeschule muß darunter leiden. Es muß unter unfern Lehrern und Schulamtsaspiranten die Ueberzeugung und Gesinnung erhalten werden, daß ihre Aufgabe nur die sei, dem HErrn als Diener der Kirche zu dienen. Der Gehalt der Lehrer an den Freischulen ist in der Regel höher, als der, welchen ein Gemeindelehrer erhält, und auch aus diesem Grunde ist die Mitübernahme
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einer Freischule für unsere Brüder im Schulamte mit großen Gefahren verbunden. Selbst wenn in einem-Tvwnship fast lauter Lutheraner wären, so darf doch in den öffentlichen Staatsschulen desselben die lutherische Lehre nicht vorgetragen werden, denn es ist gegen die-ausdrücklichen Gesetze des Landeö, nach denen die öffentlichen Schulgelder für konfessionelle Schulzwecke nicht verwendet werden dürfen. Die dem Volke vorgeschlagene neue Verfassung von Illinois z. B. spricht sich im 8. Artikel (über Läueation) ganz klar darüber aus. Es sollte deshalb keine unserer Schulen halb Gemeinde- und halb Freischule sein und also auch kein Lehrer unter uns halb Freischul- und halb Gemeindeschullehrer sein, außer im Fall der äu ßersten Noth. Bisher hat das Lehrercollegium unseres Schullehrerseminars, wenn ein solcher Noth-fall vorkam, nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt und nur dann einer Gemeinde einen Lehrer aus der Zahl der Candidaten zugesichert, der zugleich Districtschule halten sollte, wenn die, dieselbe besuchenden Kinder der Mehrzahl nach zur Gemeinde gehörten. Weil aber hier die Sache zur Besprechung und sorgfältigen Beurtheilung vorliegt, und unser verehrliches Lehrercollegium zu seiner Selbst-Information und damit es in Zukunft im vollen Sinne der Synode handeln könne, von der Synode eine bestimmte Antwort auf die Frage begehrt: Sollen wir auch dann unfern Gemeinden Lehrer aus derAnstalt zukommen lassen, wenn von diesen gefordert wird, neben der Gemeinde-Schule auch zeitweilig Public-Schule zu halten? — So antworten und bestimmen wir: Nein, es sei denn im äußersten Nvthfalle, d. H. wenn der schreienden Noth in Absicht aufdie Unterweisung der Kinder aus keinem anderen Wege abgeholfen werden kann. Einen Nothfall zuzugeben fordert die Liebe. Die Entscheidung aber, ob eine wirkliche Noth vorhanden sei, muß dem Urtheile und Gewissen der Einzelnen überlassen bleiben, und hängt jedenfalls von den gerade obwaltenden Umständen, die bald so und bald so sein können, ab. So lange der Prediger einer Gemeinde, dem nicht blos die Schafe, sondern auch die Lämmer Christi zu weiden befohlen ist, den Religionsund (was dazu erforderlich) Lese-Unterricht selbst ertheilen könnte, würde gedachter Nothfall noch nicht eingetroffen sein. Für permanent sollte aber unter keiner Bedingung ein Lehrer beide Schulen halten, noch auch einen dahin lautenden Beruf annehmen. Und ebendasselbe würde gelten« wenn in der betreffenden Freischule keine christliche Zucht geübt werden dürfte, oder wenn darin unchristliche Bücher gebraucht werden müßten, obwohl dies Letztere nirgends gesetzlich geboten ist. Auf die Frage des Professors der englischen Sprache an unserm Schullehrerseminar, ob er forthin, wie bisher, beim Unterricht in der englischen Sprache Rücksicht zu nehmen habe auf das von District-schullehrern geforderte Staatsexamen, indem für diesen Fall eine andere Lehrmethode, als sonst, nöthig und nützlich sei, inne gehalten werden müsse; — antworten wir gleichfalls mit: Nein. Gleichwohl ist es unser Wunsch, daß unsere Gemeindeschullehrer auch im Englischen möglichst tüchtig ausgebildet und so
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befähigt sein möchten, unsern Kindern guten Unterricht in dieser Sprache .
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Zu Thesis X.
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Zu Thesis XI.
Daß die Eltern die Pflicht Haien, für dm Religionsunterricht der Kinder zu sorgen, sagt die Schrift, wenn sie Ephes. 6, v. 4. die Eltern ermahnt: „Ziehet
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denn ein Heide. Zum Versorgen der Kinder gehört aber nicht nur, daß man ihnen den nöthigen Lebensunterhalt darreiche, sondern, daß man ihnen auch denjenigen Grad von Bildung angedeihen lasse, wodurch sie befähigt werden, sich, wenn sie erwachsen, selbst den nöthigen Unterhalt erwerben zu können. Auch Luther weis't darauf hin, daß einst die alten Heiden für den sorgfältigsten Unterricht ihrer Kinder gesorgt haben, und daß daher wir Christen umsomehr schuldig sind, dasselbe zu thun. — Aus allem diesen werden Christen leicht erkennen können, wie sie sich zu den öffentlichen Schulen zu stellen haben. Im Ganzen genommen sind dies ja Heidenschulen, im besten Falle solche, in denen zwar keine offenbaren Gottlosigkeiten gelehrt werden, aber doch auch nicht in der reinen Lehre des Wortes Gottes unterrichtet wird noch unterrichtet werden darf. Darum sollte man kleinere Kinder, auch im äußersten Noth-falle, nur dann in die Districtschulen schicken, wenn man Gewißheit hat, daß der Lehrer keine ungläubige oder falschgläubige Person, und außerdem eine Gemeindeschule schlechterdings nicht zu erreichen ist. Wenn Eltern nach 2 Cor. 12,14., den Kindern Schätze sammeln sollen, und gewiß sind hier solche gemeint, die weder von Motten noch von Rost gefressen werden, also Schätze des ewigen Lebens, so dürfen sie gewiß ihre Kinder nicht in solche Schulen schicken, wo ihnen diese Schätze nicht nur nicht gegeben, sondern, wo Gefahr genug vorhanden ist, daß ihnen dieselben genommen werden. Man ahnt nicht, in welcher Gefahr unsere Kinder schweben, wenn in der Schule, die sie besuchen, eine unchristliche Lehre geführt, aus unchristlichen Büchern unterrichtet und dazu keine christliche Zucht gehandhabt wird. Wie würden doch die Eltern sich hüten, ihren Kindern vergiftetes Brod zu reichen, und wäre es auch ein noch so kleines Stückchen. Wie vielmehr aber sollten sie sich hüten und darüber wachen, daß ihren Kindern kein Seelengist, und wäre es nur das geringste, beigebracht werde. Ist keine lutherische Gemeindeschule zu erreichen, so sollten die Eltern ihre Kinder selbst unterrichten, denn dieses zu thun ist recht eigentlich und ursprünglich der Eltern Pflicht. In der apostolischen Zeit thaten es Großmütter und alte Frauen, wie dies aus Tit. 2, 3. zu ersehen ist, wo den alten Weibern gesagt wird, daß sie „gute Lehrerinnen" sein sollen. Wenn Eltern ihre Kinder ungläubigen Lehrern übergeben, so nimmt Gott sie ihnen oft, oder sie verderben und werden dann am jüngsten Tage als Ankläger wider ihre untreuen Eltern austreten. Solche Gemeindeglieder, welche in dieser Sache nicht dem Worte Gottes gemäß handeln wollen, sind in Kirchenzucht zu nehmen. — Was Kinder anbetrifft, die in der Erkenntniß der evang.-luth. Lehre und in einem christlichen Wandel schon befestigter sind, was doch wohl erst nach der Confirmation zu erwarten ist, — so mag man es dem Ermessen der Eltern anheimstellen, diese zu mehrerer Ausbildung im Englischen eine Zeit lang in die Publicschulen zu schicken, wie man denn ja auch einen Sohn unter Umständen einem ungläubigen (wenn sonst moralisch ehrbaren) Lehrmeister in die Lehre geben kann.------------