1867 Western District essay, Walther-Lutheran Church- True Visible Church on Earth; OCR'd by BackToLuther, August 16, 2015.
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Zweite Sitzung, Donnerstag Vormittags.
[Küche im eigentlichen und uneigentlichen Sinn. Heuchler in der Kirche, aber nicht dazu gehörend.
Wort und Sacrament gehören nicht zum Wesen der Kirche.]
Auf der letztjährigen Versammlung waren bereits die ersten zwei Thesen und ein Theil der dritten durchgesprochen worden. Zur Fortsetzung weiterer Besprechung wurde die dritte These nochmals verlesen. Sie lautet: „In einem uneigentlichen Sinne werden in der Schrift auch alle diejenigen sichtbaren Gemeinschaften Kirchen genannt, welche zwar nicht allein aus Gläubigen und durch den Glauben Geheiligten bestehen, denen vielmehr auch Heuchler und Gottlose beigemischt sind, bei welchen aber das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sacramente laut des Evangelii gereicht werden." Hierzu wurde verlesen, was unter „Nr. 1. Beweissprüche" folgt: „So bestimmt" 2c. *)
Dazu wurde bemerkt: Diejenigen, welche keinen wahren Glauben haben, wenngleich sie unter den wahren Christen sind, und in äußerlicher Verbindung mit ihnen stehen, gehören doch deswegen nicht zur Kirche. Daß dergleichen Heuchler und Gottlose schon den ersten christlichen Gemeinden beigemischt waren, sieht man klar aus der Offenbarung Johannis, woselbst die sieben Gemeinden in dem Bild der sieben goldenen Leuchter dargestellt werden, und doch wird hernach einer jeden strenge Rüge ertheilt, sonderlich der Gemeinde zu Laodicea. Grabau behauptet, die Kirche sei eigentlich sichtbar, man könne aber auch im uneigentlichen Sinn von einer unsichtbaren Kirche reden. Gerade umgekehrt ist es; d»e Kirche im eigentlichen Sinn ist unsichtbar, denn sie ist die Gemeine der Heiligen. Wenn wir daher die Gemeinden, wie wir sie haben, Kirchen nennen, so reden wir nicht eigentlich, sondern synekdochisch, d. H. da wir das Ganze nach einem vorzüglichen Theil benennen, eben wie man einen Ring einen goldenen nennt, obgleich demselben Kupfer beigemischt ist. Also kann das Axiom: „Außer der Kirche ist kein Heil", weil es von der unsichtbaren Kirche redet, keine sichtbare Gemeinschaft in der Weise auf sich anwenden, daß sie sagen könnte: Wenn du nicht zu uns gehörst, kannst du nicht selig werden, denn nur der Kirche im eigentlichen Sinn gilt die Verheißung, die Gott in seinem Wort giebt, nur diese Kirche ist es, von welcher das Apostolische Symbolum handelt. Diese These muß man festhalten gegen die Wiedertäufer, welche behaupten, sie seien ganz heilig, sowie gegen die römische
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") Hier und bei den folgenden angeführten Stellen lese man nach das Buch: „Die evangelisch - lutherische Kirche die wahre sichtbare Kirche Gottes auf Erden." Ein Referat von C. F. W. Walther. St. Louis, Mo., zu haben bei M. C. Barthel. Preis 50 Cents.
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Kirche, welche sich selbst für die allein seligmachende hält. Erst im ewigen Leben wird die eigentlich sogenannte Kirche sichtbar sein. Der Zusammenhang der dritten These mit den vorigen ist dieser. Die erste These ist die Antwort auf die Frage: Was ist die Kirche? Die Gemeine der Heiligen; also ein geistlicher Tempel, der nicht gesehen, sondern allein geglaubt werden kann. Die zweite beantwortet, welche äußerliche Kennzeichen sie habe. Es möchte aber Jemand sagen: Wenn dem also ist, schwebt dann die Kirche in der Luft? Da antwortet die dritte These: Nein. Denn mit Recht können sichtbare Gemeinschaften Kirchen genannt werden, weil die unsichtbare Kirche nirgends, als in denselbigen zu finden ist.
Unter den Zeugnissen aus den Bekenntnißschristen wurde nun zuerst folgendes aus der Augsb. Confesston verlesen: „Wiewohl die christliche Kirche eigentlich nichts anders ist, denn die Versammlung aller Gläubigen und Heiligen" rc. Dazu wurde bemerkt: Grabau, indem er darüber spottet, daß wir von einer Kirche im eigentlichen und uneigentlichen Sinn reden, zeigt damit an, daß er nicht einmal mehr im Gedächtnis; habe, daß unsre Symbole so klar sagen: „Wiewohl die christliche Kirche eigentlich nichts anders ist" rc. Auch gegen die Wiedertäufer ist diese Stelle ein starkes Zeugniß; denn es heißt nicht: so besteht sie doch ans Christen und Heuchlern, sondern, wie es gar schön nach dem Lateinischen lautet: „sie sind ihnen beigemischt." Wenn ich nun sage: Ich habe dem Wasser Essig beigemischt, so folgt daraus nicht, daß Essig zu den Bestandtheilen des Wassers gehört. Daß in dieser Stelle nur von den Sacramentcn gesagt wird, sie sein gleichwohl kräftig, ohne daß des Wortes Erwähnung geschieht, ist wegen der Donatisten geschehen, welche die Gültigkeit der Taufe von der Würdigkeit des Täufers abhängig machten. Als ferneres Zeugniß wurde folgende Stelle aus der Apologie verlesen: „Auch im Decret" rc. Hierzu die Anmerkung: Diese Stelle schlägt die Papisten mit ihren eigenen Waffen. Das Decret Gratiani ist nämlich ein Theil des römischen Kirchenrechts, dazu Glossen gemacht worden sind, welche von der ganzen römischen Kirche anerkannt sind. Das Wort „larZe^ bedeutet hier so viel, man rede in einem weiteren Sinne von der Kirche, d. i. von mehreren, als eigentlich dazu gehören. Wie ich nämlich von Christen reden kann, einmal, indem ich darunter nur die Wiedergebornen verstehe, das anderemal, indem ich damit in einem weitern Sinne alle, die getauft sind, meine, so kann ich auch von der Kirche reden. Sobald man darunter die Bösen und Guten begreift, dann redet man 1ar§6, oder im weitern Sinn. Wenn im Citat gesagt wird: „Daß die Bösen allein mit dem Namen in der Kirche sein", so soll das heißen, daß sie eigentlich oder im stricten Sinn nicht drin sind. Die ganze Stelle endlich ist ein Beweis von der unüberwindlichen Kraft der Wahrheit, da auch in der finstern Zeit des Pabstthums diese Lehre ausgesprochen worden ist.
Ein zweites Zeugniß der Apologie lautet also: „Wiewohl nun die Bosen" rc. Hierbei wurde erinnert: Auch hier wird so gesagt: „Wenn man eigentlich reden will" rc. Darum ist der Vorwurf der Gegner ein nichtiger, wir hätten diese Redeweise von,eigentlich und ,nueigentlich erst von späteren Scholastikern gelernt. Die Apologie zeigt hier an, in welchen Stücken die Heuchler mit der rechten Kirche Gesellschaft haben, nämlich in Zeichen, worunter die Predigt und die Sacramente verstanden werden, ferner im Namen, daß sie nemlich Glieder
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der Kirche oder Christen heißen, endlich in Aemtern, daß sic entweder Prediger oder Lehrer oder Vorsteher sein mögen. In diesen Stücken haben die Gottlosen mit den Frommen Gesellschaft, und dieses Wort „Gesellschaft" zeigt einen geringeren Grad der Verbindung an, als Gemeinschaft. Die Heuchler nämlich werden nur Gliederder Kirche genannt, sofern sie äußerlich mit theilnehmen, z. B. mit dem Leibe in der Kirche gegenwärtig sind, mit dem Mund das Sacrament nehmen, aber die innere oder organische Gemeinschaft fehlt. Die Ursache davon, daß allezeit Heuchler unter den Christen sind, ist der Teufel, welcher sein Unkraut unter den Weizen säet, nicht Christus, als welcher seinen Weizen nicht unter das Unkraut, sondern auf den Acker seiner Kircke säet. Es ist aber keine Lehre, welche mehr zur Buße auffordert und worin Gesetz und Evangelium so reichlich gepredigt wird, wie diese Lehre unsrer Symbole, daß nämlich die Heuchler nicht zur Kirche gehören. Dagegen führt die Lehre der romanisirenden Lutheraner, daß die Heuchler zur Kirche gehören, nur zur Sicherheit, und ist freilich für den alten Adam eine gar bequeme Lehre, aber eben deshalb auch eine falsche. Es ist hierin eine gewisse Probe. Eine Lehre, welche mich in Gefahr stürzt, kaun nur falsch, dagegen diejenige, wodurch ich im Glauben gefördert werde, muß die rechte Lehre sein. Ein Beispiel sind die Pharisäer, welche sich gar sehr rühmten, sie seien Gottes Kinder, dagegen Christus ihnen sagt: „Ihr seid von eurem Vater, dein Teufel." Zwar hätte er sie aus der Gemeinschaft der wahren Christen hinansthun können, aber er läßt sie bleiben, nm sie zur Buße zn erwecken.
Das Zengniß von Luther wurde verlesen: „Damit aber dieser Artikel" rc. Dazu Folgendes: Unsere Gegner haben uns angegriffen, daß wir behaupteten daß falschgläubige Gemeinschaften mit Recht Kirchen genannt werden. Allein die Schrift redet auch also von der Kirche. Und es ist sehr wichtig, daß Luther hie sagt, die Schrift habe zweierlei Weise, von der Kirche zu reden. Sie redet nämlich bisweilen von der Kirche Inr^s, oder, wie Luther dies richtig ausdrückt, insgemein. Denn Christus redet oft davon in Gleichnissen. Zuerst sagt er: „Das Himmelreich ist gleich"; da meint er die äußerliche Gesellschaft von Frommen und Heuchlern, hernach kommt erst: „Viele sind berufen, aber Wenige sind auserwählt." Zu achten ist daher auch auf die im Citat angeführten Beweisstellen. Matth. 20. handelt von den bösen Arbeitern, welche zwar im Weinberg waren, aber nicht hinein gehörten. Marc. 16.: „Wer da glaubet und getauft wird" rc., woraus folgt, mag Einer immerhin getauft sein, wenn er nicht glaubt, so wird er verdammt. Matth. 12. zeigt an einem Beispiel, wie die Pharisäer, die unter dem Volk Gottes waren, doch Christum morden wollten. Ganz klar ist das Gleichniß vom Unkraut unter dem Weizen (Cap. 13.). Jeder merke sich daher: Luther spricht: „Die Schrift redet auf zweierlei Weise von der Kirche." Daß Luther hier sagt: „Unter diesem gemengten Haufen sind allezeit Auserwählte", gründet sich auf die Stelle im Jesaias, Cap. 55, 11.: „Mein Wort soll nicht leer wieder zu mir kommen."
Eine Stelle von Gerhard wurde verlesen: „Von der Kirche der Ephkser" rc. Dabei wurde gesagt: Wichtig ist, daß Gerhard nicht sagt: Die Kirche der Epheser und jede Particularkirche ist ein Hans Gottes, weil Wort und Sacrament da sind (welches wohl in gewissem Sinn recht wäre), sondern weil Anserwählte
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darin sind. Die Kennzeichen einer Sache können ja nicht zum Wesen gehören, z. B.: Ich habe eine Seele, weil ein Wesen in mir wohnt, welches nicht stofflich, sondern ein Geist ist, wenn ich aber einen vernünftigen Gedanken hinschreibe, so ist das nur ein Kennzeichen von dem Dasein meiner Seele. So gehört auch dazu, daß eine Kirche da sei, nicht bloß daß Kennzeichen, sondern daß Leute vorhanden sein, welche sie ausmachen.
Noch folgende Stelle von Gerhard wurde verlesen: „Weil die Auscrwähl-ten" re. Dazu wurde kürzlich gesagt: Die Lehre, welche Gerhard hier ausspricht, ist von den romanisirenden Lutheranern ganz verlassen worden, als welche lehren, darum heiße eigentlich eine Gemeinschaft eine Kirche, weil da rechte Predigt, rechte Sacramente seien. Allein daran wird die Kirche nur offenbar, Wort und Sacrament machen aber nicht die Kirche. Es kann geschehen und geschieht auch, daß in einer Gemeinde, in welcher das Wort rein gepredigt wird, weniger wahre Christen sind als in einer solchen, wo das Wort nicht lauter gelehrt wird.
Ein Zeugniß Carpzov'ö wurde verlesen: „Wenn ein aus Heuchlern" rc. Hierbei wurde bemerkt: Solche Stellen sind den romanisirenden Lutheranern ein Greuel, weil dadurch ihre Lehre über den Haufen geworfen wird. Dennoch bleibt es gewiß, daß nur im bildlichen Sinn eine sichtbare Gemeinde Kirche genannt wird, eben wie man in demselben Sinne eine Menge Getaufter eine Schaar Christen nennen kann. Wenn hier ein „zusammengesetzter Haufe" Kirche genannt wird, so ist dies nicht die Antwort auf die Frage: Was ist die Kirche?, sondern: Was kann Kirche genannt werden? Den Namen Kirche hat auch der Haufen, der aus Heuchlern und Christen besteht. Gewisse sichtbare Gemeinschaften werden aber darum Kirche genannt, weil sie die Kennzeichen haben, daß Glieder der unsichtbaren Kirche in den Gemeinschaften vorhanden sind, eben wie ein Ring, welcher die Kennzeichen hat, daß Gold darin vorhanden ist, ein goldener genannt wird, trotzdem daß auch Kupfer beigemischt ist. Als von einer Seite hierbei daran erinnert wurde, daß Löhe und Kliefoth behaupten, Heuchler seien Glieder am Leibe Christi, aber todte, cbm wie am menschlichen Leibe eine dürre Hand, am Baum ein dürrer Ast: so wurde erwidert, Heuchler haben wohl mehr als offenbare Verächter, denn sie haben, wie die Apologie sagt, Gesellschaft in Zeichen, Namen und Aemtern; dennoch, wenn man eigentlich davon reden will, werden sie von der Gliedschaft der Kirche ausgesondert. Das Gleichniß einer dürren Hand paßt auch gar nicht, denn diese ist nicht todt, sondern nur einige Functionen haben darin aufgehört. Sobald aber ein Theil des Leibes todt ist, fängt dieser Theil auch an in Verwesung überzugehcn; denn da ein todtes Glied nicht mehr in organischem Zusammenhang mit dem Leibe steht, so verfault es, und der Brand tritt hinzu. Zu dem verlesenen Citat wurde noch bemerkt, die Ursache, warum eine sichtbare Gemeinschaft, in welcher wahre Christen und Heuchler vorhanden sind,' Kirche genannt wird, liegt auch darin, daß jede Sache nach dem edelsten Bestandtheil genannt wird, eben wie ein Haufen Weizen in Wahrheit ein Weizenhaufen genannt wird, obgleich er nicht gesäubert ist. In Wahrheit können wir also einen Haufen Getaufter nm der in ihnen vorhandenen wahren Christen willen auch anreden: Geliebte Christen.
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Vierte Sitzung, Freitag Vormittags. *)
sWas beigemischt sein heiße. Zusammenhang der vorigen Thesen. Christen auch unter den Gliedern falscher Kirchen. Wo GotteS Wort wesentlich. Beispiele-, die Galater, Reforuiirten, griechische und
katholische Kirche.Z
Noch ein Zengniß zur dritten These wurde verlesen. Baier: „Die wahrhaft Gläubigen" rc. Diese Stelle, wurde bemerkt, ist denen entgegen, welche folgende Instanz machen: Wenn Gemeinden deswegen Kirchen genannt werden, weil Christen unter ihnen sind, so sind die Türken auch eine Kirche, denn auch unter ihnen sind Christen. Allein ein bloßes Zusammenwohnen mit Christen heißt noch nicht der Kirche beigemischt sein. Die Christen unter den Türken haben blos bürgerliche, nicht aber christliche Gemeinschaft mit denselben. Es wurde hierbei darauf aufmerksam gemacht, daß aus dieser Stelle hervorgehe, wie vortrefflich Baier die Lehre mit kurzen Worten zusammengefaßt habe, wie segensreich also der Gebrauch seines Compendiums für unser Seminar sei.
Die Synode ging nun zur vierten These über, welche lautet: „In der Schrift werden selbst solche sichtbare Gemeinschaften Kirchen genannt, welche sich eines theilwcisen Abfalls von der reinen Lehre des Wortes Gottes schuldig gemacht haben, so lange sie Gottes Wort noch wesentlich behalten.
In der Besprechung darüber wurde zunächst der Zusammenhang mit dem Vorigen gezeigt. Es ist dieser: In der ersten These wurde gesagt, die Kirche ist die Gemeine der Heiligen; in der zweiten, woran man sie erkennen kann, nämlich an den Kennzeichen, Wort und Sacrament; die dritte zeigt, daß man dennoch eine solche Gemeinschaft Kirche nenne, obwohl Gottlose darunter sind. Da wir aber wissen, daß auch da Christen sind, wo die Lehre nicht rein ist, so wird in der vierten These gesagt, daß auch da die Kirche sei, wo sie von falschen Lehrern tyranni-firt werde. Ein Beispiel von solcher Tyrannei von Seiten falscher Lehrer gegen die Christen ist das Pabstthum, unter welchem Gott dennoch seine Kirche erhielt, daß sie von den Pforten der Hölle nicht überwältigt wurde. Wir sehem dies auch an dem Propheten Elias, welcher klagt, daß sie alle abgefallen und er allein übrig geblieben sei; und doch antwortet der HErr, er habe lassen überbleiben sieben tausend, die ihre Kniee nicht gebeugt haben vor Baal. Wo daher noch das Wort Gottes wesentlich vorhanden, oder wo der Abfall nur ein theilweiser ist, oder (denn der Nachdruck liegt auf dem Wort „theilweiser") so lange noch Stücke seligmachender Wahrheit da sind, da ist die Kirche, da sind auch noch Christen. Hierbei wurde erinnert, daß ein jeder Prediger die Pflicht habe, diese Wahrheit auch seiner Gemeinde zu predigen, nach der einen Seite nämlich, daß auch unter den Gemeinden der falschen Lehrer, so lange sie noch Stücke der Heilslehre haben, Kinder Gottes seien; das wird den Mund derer stopfen, welche immer über das Schelten der Prediger auf Andersgläubige klagen. Nach der ändern Seite aber zeige der Prediger an den Symbolen der falschgläubigen Kircke ihre Jrrthümer, und wie gefährlich sie sind, und ziehe dann den Scklnß: darum hütet euch. AuS diesem ist es klar, daß die Schwärmer uns mit Unwahrheit den Vor-
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*) Der besseren Uebersicht wegen folgen die Verhandlungen über die Lehre in »nmlttrbrochcner Reihenfolge.
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wurf machen, wir hielten uns für die alleinseligmachende Kirche. Die Sckwär-mer können eben bei ihren Zuhörern nur durch Lügen bestehen; denn wenn sie die Wahrheit sagen wollten, so würde ihren Zuhörern endlich ein Lickt aufgehen, dieselben würden den Jrrthum erkennen und von der falsckgläubigen Gemeinschaft anstreten. Wir wissen wohl, daß es die Pflicht eines jeden Christen ist, bei der Wahrheit zu bleiben; aber Tausende von einfältigen Christen durchschauen nicht die Lügen der Jrrlehrer und halten sich gläubig au Christum. Haben wir nun auch durch Gottes Gnade die volle Wahrheit, so halten wir uns doch keineswegs für bester, wollen auch keinen bessern Himmel, wollen uns vielmehr freuen, einst sammt ihnen selig zu sein. Aber von der reinen Lehre weichen können wir nicht, ja wehe uns, wenn wir nicht daran festhalten! Welchem viel gegeben ist, von dem wird man viel fordern. Mit großer Freude können wir die Schmach tragen, welche uns von den Gegnern darob cmgethan wird.
Zur Erklärung der Worte: „so lange sie Gottes Wort noch wesentlich behalten" wurde gesagt: das heißt, so lange sie die Bibel für Gottes Wort halten und bekennen. Wenngleich daher die falschen Lehrer manche Lehren der Schrift verkehrt darstellen, aber doch bezeugen: die Bibel, das ist das Buch, woraus Jeder den Weg zur Seligkeit lernen kann, das ist das Wort, welches der heil. Geist ein-gegebeu hat: so geben sie doch damit den Zuhörern den Prüfstein in die Hand, wodurch diese Falsches von Wahrem unterscheiden können, und Keiner, welcher unter dem Haufen eines solchen Lehrers verloren geht, kann sich vor Gott auf seinen falschen Lehrer berufen. Gott wird einst zu ihm sprechen: Dein Lehrer hat dich auf die Bibel gewiesen, die konntest du lesen. Und daß ein Solcher mit Recht verdammt wird, das wird Gott eben an den Christen zeigen, die unter den Secten gelebt haben. Dagegen wenn falsche Lehrer sagen: die Bibel ist ein Fabelbuch, wie die Socinianer, Universalisten und Rationalisten, dann ist Gottes Wort nickt wesentlich da. Zwar sagen wohl die Nationalisten: die Bibel ist Gottes Wort; aber aus ihrer Erklärung sieht man sogleich, es ist alles Betrug. Die Bibel für Gottes Wort erklären, heißt ja nickt blos, den Satz aussprechen: die Bibel ist Gottes Wort; sondern die Schrift wirklich für den alleinigen Richter in Glaubenssachen halten. Dies glaubt aber wirklich der Reformirte, der ehrliche Katholik auch, darum ist auch daselbst die Kirche. Denn wenngleich Calvin sagt: „Gott verlangt vom Menschen nicht, daß er etwas Ungereimtes glaube", so hat er doch nicht hindern können, daß Viele gegen ihre Vernunft geglaubt haben. Die Samosatener und Socinianer aber leugnen, daß die Bibel Gottes Wort sei, leugnen alle Artikel, sind somit eine Nichtkirche. Denn Socinus lehrt, in der Bibel sei viel Wahres, aber auch viel Falsches, Vieles, was der Vernunft widerspreche. Unter den Socinianern kann Keiner ein Christ bleiben; wird Einer daher durch die Bibel bekehrt, so tritt er von ihnen aus; denn außerdem, daß sie sagen, die Bibel enthalte Jrrthümer, halten sie die Lehre von der Dreieinigkeit für eine abscheuliche Lehre, die Lehre von Christi Gottheit ist ihnen ein Greuel, eben wie auch die Swedenborgianer zwar zugeben, die Bibel sei Gottes Wort, aber man müsse sie nicht nehmen, wie sie laute, der Geist müsse das dem Menschen offenbaren; ihr Katechismus verweist sie auch nicht auf die Bibel, sondern auf Swedenborgs Schriften. Der Ausdruck nun: so lange sie noch Gottes Wort wesentlich
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haben, ist die weiteste Fassung, und ist nicht darin die Rede von einzelnen Lehren. Zu vergleichen ist die Stelle Gerhards auf S. 22 des vorliegenden Referats, wo er ausdrücklich sagt, daß die von Arianern Getauften später nicht wieder getauft worden sind. Arius war so zweizüngig, daß er auch das strengste Bekenntnis; unterschrieb und doch die falsche Lehre im Herzen hatte, so daß Kaiser und Uuterthanen betrogen wurden. Geht also ein solcher Jrrlehrer mit der Sprache nicht heraus, so ist dennoch daselbst die Kirche. Zu vergleichen ist auch, was Quenstedt sagt, Seite 117. 118.: „Folgendes ist das allen Menschen zu glauben nothwendige Glaiwensdogma: Gott, einig im Wesen, dreieinig in Personen, vergiebt aus unermeßlicher Liebe gegen das gefallene menschliche Geschlecht jedem sündigen Menschen, der seine Sünden erkennt, durch und um Christi, des Mittlers, und seines Verdienstes willen, das im Wort verkündigt und im Glauben ergriffen wird, die Sünden, rechnet die Gerechtigkeit Christi zu und schenkt das ewige Leben." In diesem Satz sind viele Artikel, und doch trägt selbst ein Christenkind sie alle in sich. Wenn Luther an einer Stelle auseinandersetzt, was er unter dem Ausdruck: „Gottes Wort wesentlich haben" versteht, nämlich Wort und Sacrament, so setzt er das wesentlich dem Gebrauch entgegen. Zuhörer können selig werden, wenngleich die falschen Lehrer sonst das Wort nicht recht brauchen, sondern vielmehr verdrehen. Die reformirten Kinder haben die rechte Taufe, obwohl die reformirte Lehre darüber falsch ist. Als Beispiel nehme man auch, wie Luther von den Papisten bezeugt, daß sie so greulich von den Sakramenten lehren und sie zn lauter Mcnschenwerk machen, und doch haben sie das Wort wesentlich. Wesentlich bezieht sich also nicht auf „Wort", sondern auf „haben".
Es wnrden nun die Beweissprüche zur vierten These verlesen: „Gal. I, 2. nennt, der heil." rc. Das wurde durch Folgendes näher erklärt: Zwar waren wichtige Lehren der Schrift durch die in dieser Gemeinde herrschenden Lehrer verfälscht, und doch hielten sie Gottes Wort als Gottes Wort fest. Weil daher dieser Same der Wiedergeburt noch da war, so waren auch Christen da. Wollte Jemand sagen: sie haben keine Bibel gehabt, so antworten wir: sie haben nicht nur Mosen, die Propheten und die Psalmen gehabt, sondern auch die Lehre der Apostel. Zwischen dieser mündlich überlieferten Lehre der Apostel und dem geschriebenen Wort ist kein Unterschied. Die Galater hielten ja freilich Paulum für einen Apostel, dessen Lehre sie in allen Stücken annahmen; aber er hat uns, sagen sie gleichsam, nicht AlleS gelehrt. Da sind nun andre Knechte Gottes gekommen und haben unS gesagt, daß auch Werke zur Seligkeit nothwendig seien. Bei alledem aber wollen sie den Apostel Paulus nicht verwerfen. Um Solcher willen mm, die unter den Galatern noch glaubten, werden alle zusammen auch Gemeinde genannt.
Unter den Zeugnissen aus unseren Bekenntnißschriften wurde zuerst ein solches auS der Concordienformel verlesen: „Was denn die Condemnationes" rc. Es wurde hierbei besonders hervorgehoben, daß man sein Augenmerk zuerst darauf richten solle, aus welchem symbolischen Buch diese Stelle genommen sei. Die Concordienformel ist nämlich das Buch, welches bei allen Jrrlehrern so verhaßt ist, weil es so scharf die Lehre abhandelt und die Füchse aus allen ihren Schlupfwinkeln herausjagt. Aber in dieser Stelle sehen wir, wie mild die Ver-
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faffer doch bei aller Schärfe mit den Irregeleiteten umgehen. Wenn daher Falschgläubige sagen: die Symbole verdammen Alles, so zeige man ihnen diese Stelle. Sie verdammen wohl halsstarrige Heuchler und Lästerer, aber nicht einfältige Zuhörer, vielweuiger ganze Kirchen. Gott hat es gnädig also geführt, daß ein so schönes, friedliebendes, moderates Bekenntniß gestellt worden ist. Die Vorrede ist besonders wichtig; sie zeigt, in welchem Sinn wir unterschreiben. Wir sollen nämlich die Reformirten nicht verdammen, aber wir können mit ihnen auch keine brüderliche Gemeinschaft halten, sonst bekennen wir uns damit zn ihrer falschen Lehre. Am jüngsten Tage erst wird die Scheidewand zwischen uns und den unter ihnen lebenden Christen fallen.
Das andere Zeugniß für die vierte These ist ans der Apologie genommen: „Daß wir nicht Privatmeffen" rc. Grabau hält es zwar für einen Greuel, zu sagen, Reformirte seien eine Kirche; aber die griechische ist noch viel schlimmer. Da ist Meßopfer, Abgötterei und Anrufung der Heiligen, und doch ist die Kirche auch daselbst.
Es wurden sodann Zeugnisse späterer reiner Lehrer verlesen. Zuerst eine Stelle aus Luther: „Es erreget St. Hieronymus" rc., wo Luther die Lehre der vierten These auf Rom anwendet. Hier sieht man klar: die katholischen Priester sind ja und bleiben Heuchler, welche zwar mit dem Munde sagen, die Bibel, ist Gottes Wort, aber im Herzen halten sie es doch für eine Fabel. Das arme Volk hingegen nimmt es im Ernst an, und wo dieses geschieht, da ist die Kirche, d. H. da sind Kinder Gottes. Allein dadurch, daß unter seinen Zuhörern auch Christen sind, wird kein falscher Lehrer sich je vor Gott entschuldigen können. Wie in voriger These die synekdochische Redeweise auf die Kirche angewendet wurde, so geschieht dieS hier in Absicht auf die Lehre. Ein gewaltiger Beweis liegt darin, wenn es heißt: der Antichrist sitzt im Tempel Gottes; denn damit wird bewiesen, daß sich sogar Ketzer in der Kirche befinden. Zwar heißt es nicht: der Papst gehört zum Tempel Gottes; wohl aber: er hat daselbst seinen Thron, Stuhl und Regiment. Der Antichrist hat daher ein usurpirtes Regieramt in der Kirche (denn Tempel und Haus Gottes ist nichts Anderes als die Kirche, wie sie in diesem Leben ist) und regiert die Einen als seine Anhänger, Andere tyrannisirt er. Zu beachten ist besonders auch der Satz im vorliegenden Citat: „Derohalben so ist die Kirche allenthalben heilig, auch an den Oertern, da gleich die Schwärmer und Rottengeister regieren, sofern sie nur das Wort und Sacrament nicht allerdings verleugnen und verwerfen." Denn wenn die Kirche da ist, wo auch die Schwärmer regieren, so muß GotteS Wort auch wesentlich da sein.
Noch folgende Stelle von Luther wurde verlesen: „Wir bekennen, nicht allein" rc. Diese Stelle ist so klar, daß man erstaunen muß, wie weit falsche Lutheraner von Luther abgefallen sind, daß sie solche Worte nicht mehr verstehen.
Ein Zeugniß von Gerhard, welches verlesen wurde, lautet: „Die wahre Kirche" rc. Gerhard will hier beweisen, daß die theilweise Abfälligen doch eine Kirche sind, denn 1) die Taufe ist die Pforte zum Himmelreich; wo aber die Pforte zum Himmelreich ist, da ist auch die Pforte zur Kirche, sonst müssen die Gegner beweisen, daß die damalige Taufe keine rechte Taufe war; 2) das Wort wird verlesen; obgleich nämlich die reine Lehre nicht gepredigt wird, so wird doch vorgelesen;
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Borlesen ist auch eine gewisse Predigt. Vergleiche dazu die Stelle in der Apostelgeschichte (Cap. 15,. 21.). Die jüdischen Lehrer lasen nämlich bisweilen nur den Text aus Mose, und doch war dies nach der Redeweise der Schrift ein Predigen.
Fünfte Sitzung, Freitag Nachmittags.
(Der Ausdruck: „wahre Kirche" in verschiedenem Sinn gebraucht. Stufen der Reinheit. Was Secte
und Rotte ist.s
In Bezug auf Gerhards Citat unter der 4. These: „Die wahre Kirche wird der falschen entgegengesetzt u. s. w." Seite 21. Es wurde aufmerksam gemacht, daß unsere alten Theologen selbst das Wort „wahre Kirche" in verschiedenem Sinne gebrauchen, einmal in dem Sinne: Diese oder jene Gemeinschaft ist nicht eine Nicht-Kirche, das anderemal in dem Sinne: Diese oder jene Gemeinschaft ist nicht eine irrglaubigeKirche. Daraus geht hervor, daß in einem gewissen Sinne unsere alten Theologen sogar eine irrgläubige Kirche eine wahre Kirche nennen. Sie wollen nämlich sagen, eine irrgläubige Kirche sei keine weltliche Gemeinschaft, wie die Freimaurer und der Orden der sonderbaren Brüder, sondern wirklich eine Kirche. Zur Erklärung wurde folgendes Beispiel angeführt: Wir können sagen: Auch der Hottentott ist ein wahrer Mensch. Wir können aber auch sagen: Erst ein Christ ist ein wahrer Mensch. In beiden Fällen gebrauchen wir das Wort „wahr" in verschiedener Bedeutung. Wenn wir sagen: Auch der Hottentott ist ein wahrer Mensch, so wollen wir sagen, daß er das hat, was zum Wesen eines Menschen gehört. Wenn wir aber sagen: Erst ein Christ ist ein wahrer Mensch, so soll das heißen: Nur der Christ ist ein Mensch, welcher die eigentlichen Tugenden besitzt, die ein Mensch haben sollte. Wenn wir also sagen: Die lutherische Kirche ist die wahre sichtbare Kirche, so soll das heißen: Die lutherische Kirche ist ihrer Lehre nach so beschaffen, wie sie beschaffen sein soll. Die romanisirenden Lutheraner schreien freilich diese unsere Lehre, die doch die Stimme unserer Kirche ist, für Schwärmerei aus, womit sie beweisen, wie weit sie von dem Lehrtypus unserer alten Lehrer entfernt sind. Von dem folgenden Zeugnisse Gerhards: „Es ist zu merken, daß es gewisse Stufen jener Reinheit gibt" u. s. w. wurde gesagt: Dieses Zeugniß ist hauptsächlich deswegen hier aufgeführt, damit man aus unserer Kirche selbst ein Zeugniß über den rechten Verstand des 7. Artikels der Augsburgischen Confession habe, der Seite 13 des Referats citirt ist und also lautet: „Es wird anch gelehret, daß allezeit müsse Eine heilige christliche Kirche sein und bleiben, welche ist die Versammlnng aller Gläubigen, bei welchen das Evangelium rein gepredigt nnd die heiligen Sacramente laut des Evangelii gereicht werden." Die romanisirenden Lutheraner sagen nämlich, die Augsburgische Confession lehre im 7. Artikel, daß da, wo daS Evangelium nicht rein gelehrt wird und die Sacramente laut des Evangeliums nicht verwaltet werden, keine Kirche sei. Dieses hat auf den ersten Anblick einigen Schein; allein Gerhard beseitigt diesen Schein mit seinen Worten. Es muß freilich eine Gemeinschaft reines Wort haben, sonst hat sie kein Zeichen, daß sie eine Kirche sei; aber diese Reinheit hat ihre Stufen, die eine Kirche ist reiner, als die andere. Wo gar kein reines Wort ist, ist auch keine Kirche; denn nur durch GotteS Wort können Seelen wiedergeboren werden. Das Wort Gottes ist
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nicht immer ganz in seiner Reinheit in einer Kirche. Man soll aber wissen: Wo eine Kirche das reine Wort Gottes noch hat, so daß Kinder Gottes geboren werden können, hat aber auch mancherlei Verfälschung des Wortes Gottes, so ist sie zwar eine unreine und verderbte Kirche, aber nicht eine Nicht-Kirche. Wenn eine Gemeinschaft das Wort Gottes ganz rein hat und die Sacramente laut des Evangeliums in ihr verwaltet werden, so ist sie zwar nicht die Kirche allein; aber sie ist die rechtgläubige, die orthodoxe Kirche. Es könnte aber Jemand fragen: Warum steht denn aber im 7. Artikel der Augsburgischen Confession, die Kirche sei die Versammlung aller Gläubigen, bei welchen das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sacramente laut des Evangeliums gereicht werden? Darauf antwortet Gerhard, „daß die Begriffsbestimmungen, Regeln und Gesetze von dem Ideal (von dem höchsten Muster) genommen werden müssen". Es wäre sehr verkehrt gewesen, wenn unsere Väter in der Augsburgischen Confession den Begriff einer verderbten Kirche hätten geben wollen. Da hätte leicht der Verdacht auf sie fallen können, sie wollten haben, daß das Wort Gottes nicht rein verkündigt werde. Da sie aber im 7. Artikel der Augsburgischen Confession eine Begriffsbestimmung der Kirche haben geben wollen, so mußten sie die Kirche in ihrer besten Gestalt beschreiben. Die Lutheraner behaupteten vor der Zeit der Abfassung der Augsburgischen Confession nicht, das; sie allein die Kirche seien, sondern der Streit war dieser, ob die römische oder die lutherische Kirche die rechte sei. Ihre Ueberzeugung, daß allein die lutherische Kirche die rechte Kircke sei, legten sie dann in diesem 7. Artikel nieder. Sie wollten damit sagen: Wir leugnen nicht, daß unter euch die Kirche ist; denn der Antichrist kann nur im Tempel Gottes sitzen; aber das leugnen wir, daß ihr dierechte, reine Kirche seid, ihr seid eine verderbte Kirche. Wir hingegen sind die reine Kirche. Wir sind zwar nicht ganz rein im Leben: darauf kommt es aber in dieser Beziehung nicht an. Was die Reinheit des Lebens anbelangt, wollen wir uns gerne vor der ganzen Welt de-müthigen; aber nichtsdestoweniger behaupten wir, daß unsere Lehre rein ist und die Sacramente bei uns richtig verwaltet werden. Darum soll man dieses Citat aus Gerhard denen entgegenhalten, welche sich für ihre falsche Lehre von der Kirche auf den 7. Artikel der Augsburgischen Confession berufen. Auch kann man gerade dadurch, daß im 7. Artikel der Augsburgischen Confession die Begriffsbestimmung der Kirche vom Ideal genommen ist, sehen und erkennen, was der falschen Kirche fehlt. Bei der Anmerkung zu diesem Citat aus Gerhard wurde bemerkt, daß die neueren Lutheraner viel von der Reformation reden nnd daß die Kirche vor der Reformation sehr verderbt gewesen sei, daß sie aber, indem sie die falschgläubigen Gemeinschaften nicht eine Kirche sein lassen wollen, zugeben, daß eine Nicht-Kirche reformirt worden sei. Wenn man von der römischen Kirche sagt: Sie hat das Wort Gottes wesentlich rein, so heißt das: Sie hat es insofern rein, als sie die ganze heilige Schrift für Gottes Wort anerkennt. Man muß also sagen: Sie hat es nur wesentlich. Wenn aber das Wort Gottes noch wesentlich da ist, so ist nur ein theilweiser Abfall geschehen. Hierauf wurde, um über diese Sache noch mehr Licht zu verbreiten, das Citat aus Gerhard, Seite 45 des Referats : „Wie die Predigt des Wortes und die Verwaltung der Sacramente" u. s. w. anticipirt. Bei der Redeweise, daß die Gemeinschaft, bei der das Wort
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Gottes noch als Wort GotteS gilt, auch eine Kirche sei, setzt man voraus, daß in einer solchen Gemeinschaft noch die Artikel vorhanden sind, die zur Seligkeit nothwendig sind. Wenn die Gegner zum Beweise ihrer Behauptung, daß eine irrgläubige Gemeinschaft keine Kirche ist, den Spruch anführen: „Wisset ihr nicht, daß ein wenig Sauerteig den ganzen Teig versauert?" und daraus den Schluß ziehen: Durch die falsche Lehre einer irrgläubigen Gemeinschaft werden auch die übrigen Artikel so verfälscht, daß sie ihre seligmachende Kraft verlieren, so ist ihnen das Zeugniß Luthers, Seite 54. 55., vorzuhallen: „Müssen wir doch bekennen, daß die Schwärmer die Schrift nnd Gottes Wort haben in ändern Artikeln, und wer es von ihnen hört und glaubt, der wird selig, wiewohl sie uuheilige Ketzer nnd Lästerer Christi sind". Die Gefahr, daß eine falsche Lehre alle übrigen Lehren verfälsche, ist allerdings da; aber die Geschichte der Kirche weis't aus, daß es Gott nach seinem wunderbaren Regiment oft hindert, daß der Sauerteig der falschen Lehre nicht Alles durchsänre. Uebrigens redet der Apostel in der angeführten Stelle hiervon gar nicht, sondern er redet von denen, welche die falsche Lehre in das Herz ausgenommen haben. Er will nicht sagen, daß, wenn eine falsche Lehre in einer Kirche gepredigt wird, dadurch alle anderen Lehren verschlungen würden. Wenn Einer freilich einen Jrrthmn in das Herz ausgenommen hat, so kann er in Wirklichkeit keine einzige Lehre rein haben. Der eine in das Herz aufgenommene Jrrthum wird alle Lehren in seinem Herzen erschüttern und sein ganzes Glaubensleben durchdringen und aufzehren. Der Sauerteig der falschen Lehre hat allerdings die Kraft, den ganzen Teig der reinen Lehre zu.durchsäuern, muß aber nicht physikalisch nothwendig seine Wirkung äußern. Gott hindert oft die Wirkung um seiner Auserwählten willen. Nach dem Citat aus Gerhard ist also das reine Wort nnd Sacrament ein Kennzeichen der reinen, unverderbten Kirche, während die Predigt des Wortes und die Verwaltung der Sacramente im Allgemeinen ein Kennzeichen der Kirche im Allgemeinen ist, wenn man nämlich die Kirche von der Welt unterscheiden will. Es wurde auch hinzugesetzt: Die Sacramente, wenn sie wesentlich vorhanden sind, setzen eine gewisse Reinheit der Lehre voraus. Rechte Tanfe setzt z. B. rechten Glauben von der heiligen Dreieinigkeit voraus. Am besten ist darum der Ausdruck: Wenn die Sacramente wesentlich vorhanden sind, setzen sie eine wesentliche Reinheit der Lehre voraus. Wesentliche Reinheit ist', wenn eine Gemeinschaft noch an den dreieinigen Gott glaubt oder das wenigstens bekennt. Eine solche Gemeinschaft vollzieht wirklich die Taufe, obgleich sie eine verderbte Kirche ist. So ist die Taufe der Reformirten wirklich eine Taufe, obgleich sie von der Tanfe lehren, die Taufe sei nur ein Zeichen der Wiedergeburt. Auch die Taufe der Römischen ist giltig, obgleich die römische Kirche eine sehr unreine Kirche ist. Sie lehrt von der Taufe, daß darin nur die Schuld der Erbsünde, ja die Spuren der Erbsünde so ausgetilgt werden, daß sie nach der Taufe nicht mehr die Natur der Sünde habe, und wenn Einer nach der Taufe gefallen sei, müsse er Alles wieder von vorne aufangen. Auch die Baptisten unserer Tage haben die Taufe wesentlich rein, aber dabei freilich auch greulich verderbt, indem sie sagen, die Kinder sollen nicht getauft werden, und der Hälfte der Christenheit, soviel an ihnen ist, dieses Sacrament entziehen. Wir leugnen nicht, daß es eine rechte Taufe ist, wenn sie die Erwachsenen taufen, vorausgesetzt,
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daß diese noch nicht getauft sind. Wir halten nach der ersten These das Wesen der Kirche so rein als möglich, reden aber in der dritten These nichts von einer Wesensbestimmung, sondern von den Kennzeichen der Kirche. Pastor von Rohr sagte auf dem Buffaloer Colloquium, die Predigt und Verwaltung der Sacramente gehöre zum Wesen der Kirche. Dieses aber ist nicht der Fall, sondern sie geben die Kirche nur zu erkennen. Das Wesen der Kirche sind die Personen, die an Christum wahrhaft glauben. Wenn nun aber Jemand fragte: Wo sind solche Leute? so antworten wir ihm: Da, wo das Wort Gottes gepredigt und die Sacramente verwaltet werden. Wenn er aber weiter sagte: Ich möchte gerne die r e ch t e Kirche finden, so würden wir ihm sagen: Siehe, wo das Wort Gottes rein gelehrt und die Sacramente recht verwaltet werden, das ist die Kirche, wie sie sein soll. Die Kennzeichen haben nichts zu thun mit der Wesensbestimmung der Kirche. Es gehört z. B. nicht zum Wesen des Windes, daß das Laub wackelt, und dennoch, wenn der Wind sehr heftig weht und das Laub von ihm bewegt wird, kann ich ganz gut erkennen, daß der Wind vorhanden ist und geht. Wenn das Laub nicht wackelt, geht kein Wind, so daß also das Sichbewegen des Laubes ein Kennzeichen ist, daß der Wind da ist, den ich nicht sehen kann. So kann ich die Kirche nicht sehen, kann sie aber recht gut an der Predigt des reinen Wortes und der rechten Verwaltung der heiligen Sacramente erkennen. Hingegen, wo das Wort Gottes und die Sacramente verfälscht sind, erkenne ich, daß da eine verderbte Kirche ist. Ein anderes Gleichnis;: Durch Wort und Sacrament entsteht und wird die Kirche erhalten. Der Mensch bedarf zu seiner Erhaltung der Nahrung. Die Nahrung ist kein Theil des Menschen. Wenn aber irgendwo gegessen wird, erkenne ich, daß da Leben ist. So wird durch das Wort Gottes und die Sacramente die Kirche zwar erzeugt und erhalten, Wort nnd Sacrament aber gehören nicht zum Wesen der Kirche.
Bei dem Citat aus Carpzov wurde bemerkt, das; Carpzov dasselbe sage, wie Gerhard, wenn er sagt, die Begriffsbestimmung müsse vom Ideal genommen werden. Carpzov sagt, die Kirche werde im 7. Artikel der Augsburgischen Confession beschrieben, wie sie sein solle. Wenn wir die lutherische Kirche in concreto, d. H. die Personen, welche zur lutherischen Kirche gehören, mit der im 7. Artikel der Augsburgischen Confession gegebenen Beschreibung der Kirche vergleichen wollten, würden wir bekennen muffen, daß auch die lutherische Kirche nicht die rechte Kirche sei.. Viele der Gründer unserer Synode haben sich im Anfang aus großen Jrr-thümcrn herausarbeiten müssen; aber sie haben nicht erst angefangen, eine Kirche zn sein, nachdem sie von jenen groben Jrrthümcrn frei waren. Zu welchen Aeußerungen der falsche Begriff von der Kirche führt, geht daraus hervor, daß ein hervorragendes Glied der Grabauischen Bnffalo-Synode, das früher wie ein Weltkiud gelebt hatte, aber darnach in der unirten Kirche bekehrt worden war, auf die Frage, ob es glaube, daß es, als cs noch in der unirten Kirche war, zur Hölle gefahren wäre, wenn es darin gestorben wäre, mit Ja antwortete und als Grund angab: Weil ich noch nicht in der wahren Kirche war, womit also die Zugehörigkeit zur Grabauischen Synode an die Stelle Christi gesetzt wird. Bei solcher Lehre könnte man keinen Christen trösten. Man müßte ihn immer erst fragen: Bist du rein in der Lehre ? Bist du das nicht, so bist du verloren. Es ist übrigens
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den Grabauischen nachgewiesen worden, daß sie bei ihrer Lehre von der Kirche die reine Lehre von der Rechtfertigung nicht mehr haben. Bei dem Citat aus Aegidius Hunnius wurde darauf hingewiesen: In der römischen Kirche finden sich die Christen hauptsächlich bei den Kindern, weil sie die Taufe noch recht hat. Hunnius gibt auf die Frage, wo die Kirche sei, diese Antwort: .Ueberall, wo die rechtmäßig verwaltete Taufe ist, ist die Kirche. Wo die Taufe ist, werden die Leute wiedergeboren. Da ist die Thüre zum Himmelreiche. Wo aber die Thüre der Kirche oder des Himmelreichs ist, muß auch die Kirche selbst sein, sonst wäre der Satz falsch: Außer der Kirche ist kein Heil. Niemand behauptet, daß keine Kinder Gottes seien, außer bei den Altlutheranern. Grabau selbst gibt zu, daß die Kinder der Reformirten selig werden. Auf die Frage freilich, wo diese selig werden, ob außerhalb der Kirche, antwortete er mit Ja, daß sie Gott aber in die Kirche hineinrechne. Wie aber, wenn Gott die Grabauer zu den Kindern rechnete? ! Hunnius ist nach seinem Zeugnisse ein guter Miffourier, weil er den Begriff der wahren Kirche soweit ausbreitet. Wenn er sagt: Die wahre Kirche, so soll das heißen: Die wirkliche Kirche. Dieser Hunnius hat auch die sächsischen Visitationsartikel geschrieben.
Was das Zeugniß Löschers betrifft, ist zu merken, daß Löscher vor hundert Jahren der stärkste Bekämpfer des Calvinismus gewesen ist, so daß er als der größte Fanatiker seiner Zeit verschrieen wurde, und er kann doch nicht umhin, gebunden durch Gottes Wort und das Bekenntniß, anzuerkennen, daß auch die Calvinisch Reformirten ein Theil der Kirche seien, wenn auch ein unregelmäßiger. Daraus folgt freilich nicht, daß man also mit der reformirten Kirche Gemeinschaft des Gottesdienstes austellen und mit ihr das heilige Abendmahl feiern kann. Dieses Citat aus Löscher ist auch ein gewaltiges Zeugniß gegen Grabau und seinen Anhang, die sich mehr uud lieber auf die orthodoxen Lehrer der pietistischeu Zeit berufen, als ans Luther.
FünfteThese. Bei der fünften These wurde auf den Vorwurf hinge-wieseu, den uns die romanisirenden Lutheraner wegen unserer Lehre von der Kirche machen. Sie sagen nämlich zu uns: Ihr lehrt, die Kirche sei ein Ding, das aus einer guten und bösen Kirche, aus Christen, Secten, Rotten und Irrgläubigen besteht. Das ist eine schöne Kirche. Wir aber antworten darauf: Es fällt uns nicht ein, die Secten,,sofern sie Secten sind, zur Kirche zn rechnen. Wir rechnen nicht in die Kirche den Schmutz, den die Leute hineintragen. Der soll hinausgeschafft werden. So sagen wir von den Secten: Sie sind in der Kirche; aber sie gehören nicht hinein. Die Kirche besteht nicht ans Secten. Wenn wir sagen: Tie reformirte Kirche, so rechnen wir im Geiste von der Kirche alle Spötter und Lästerer der Wahrheit hinweg. Sofern eine solche irrgläubige Kirche eine Seele und Rotte ist uud am Jrrthum festhält, sofern gehört sie nicht zur Kirche. Diese Unterscheidung ist für erwachsene Christen keineswegs zu hoch. Man muß im gewöhnlichen Leben auch sehr oft sagen: Insofern ist das so, insosern anders. Z. B. Luther war ein Hausvater, er war aber auch zugleich ein Prediger. Wir können nun sagen: Insofern Luther ein Hausvater war, konnte er anch mit der Ruthe strafen und er hat es auch gethan. Insofern er aber Prediger und Professor war, durfte er mit keiner wirklichen Ruthe strafen. Als Pre-
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diger durfte er nur mit der Ruthe des Wortes Gottes strafen. Wenn Einer zu Luther, als er die Ruthe seinem Sohne applicirte, gesagt hätte: Sie dürfen als Theolog nicht mit der Ruthe schlagen; denn Paulus sagt: „Die Waffen unserer Ritterschaft sind nicht fleischlich", so würde ihm Luther geantwortet haben: Sie sind ein unverständiger Mensch. Ich gebrauche die Ruthe nicht als Theolog, sondern als Hausvater. Als Hausvater darf und soll ich herrschen, gebieten, den Stock gebrauchen, als Theologe aber nicht. Ein anderes Beispiel. Der Teufel ist ein Geschöpf Gottes, aber ein abgefallenes. Was Gott geschaffen hat, ist gut. So können wir sagen: Der Teufel, sofern er von Gott geschaffen ist, ist gut; aber sofern er von Gott abgesalleu ist, ist er der rechte Anfänger alles Bösen, die Quelle aller Sünden. Darum ist es kein Spielen mit Worten, wenn wir die Einschränkung „insofern" gebrauchen. Also: Sofern unter den Reformirten Kinder Gottes sind, sind sie eine Kirche; sofern aber die falschen Lehrer unter ihnen die reine Lehre verlästern, sofern sind sie eine Rotte und Secte. Etwas Anderes ist es aber, eine falsche Lehre festhalten, vertheidigcn und verbreiten, etwas Anderes, gelegentlich einmal eine irrthümliche Meinung Hervorbringen. Ein reiner Lehrer ist freilich insofern, als er manchmal etwas Jrrthümliches hervorbringt, kein reiner Lehrer, hört aber um dieses Jrrthums willen noch nicht auf, ein reiner Lehrer zn sein. Uebrigens hat jg nicht bloß die Kirche ihre .Kennzeichen, das reine Wort und Sacrament, sondern auch des Teufels Synagoge, deren Kennzeichen die falsche Lehre ist. Bei den Secten finden fick beiderlei Kennzeichen, also auch das, was sie zn erkennen geben. Wenn daher ein Reformirter sagen würde: Ich verwerfe die falsche Lehre vom Abendmahl, die falsche Lehre von der Taufe, von der absoluten Prädestination n. f. w., so würden wir ihn für einen Bruder anerkennen. Wenn aber Jemand unter den Reformirten uns eutgegenkäme, der zwar ein Christ zn sein schiene, bekennete sich aber zu jenen falschen Lehren, so könnten wir ihn nicht für einen Bruder anerkennen und müßten dem HErrn das Urtheil überlassen, ob er ein Christ sei oder nicht. Wenn er sich zu der falschen Lehre bekennt, ist er ein Theil der Secte, ob er aber auch zugleich ein Glied derselben ist, wissen wir aus seinem einfachen Bekenntnisse noch nicht. Theile sind Alle, die sich zn ihr halten, Glieder aber sind nur die, welche zu ihr gehören. Diese Unterscheidung hat ihre praktische Wichtigkeit. Man könnte nämlich denken: Wenn ich Einen in der reformirten Kirche, der die specisisch reformirten Jrrthümer verwirft, für meinen Brnder ansehen muß, so darf ich auch das heilige Abendmah mit ihm genießen; allein da sollst du wissen, daß jener, mit dem du, weil er dein Bruder sei, auch zum heiligen Abendmahl gehen zu dürfen meinst, noch ein Theil einer falschgläubigen Gemeinschaft ist.
Bei den Beweissprüchen zur fünften These wurde im Voraus bemerkt, der Begriff von Rotte und Secte sei hier.deshalb so ausführlich erörtert, weil uns Grabau fort und fort Rotte und Secte geschimpft hat, trotzdem daß er yns nie beweisen konnte, daß wir in einem Artikel der christlichen Lehre irren. Diesen Beweissprüchen gegenüber kann nicht gesagt werden, daß wir im Schriftbeweise schwach seien. Hier ist unsere Lehre mit der Schrift so bewiesen, wie sie ein Mensch mit der Schrift nur beweiseil kann. Aus dem hier gegebenen Begriffe von Ketzer, Rotte und Secte kann man sehen, wie schrecklich es ist, wenn man
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ohne Weiteres Jemand einen Ketzer oder eine ganze Gemeinschaft eine Secte nennt. Darum soll ein jeder Christ ans Gottes Wort wissen, was ein Sectirer, Ketzer, Rottirer und eine Rotte und Secte ist. Es war gewiß ganz ruchlos von Grabau gehandelt, daß er in der Regel Jeden, der in die mindeste Gegenstellung zu ihm trat, sogleich für einen Ketzer und Rottirer ausschrie und alle Gemeinden, die uns entgegenkommen wollten, für Secten und Rotten erklärte. Gott gebe dem armen verblendeten Manne Buße. Christus sagt: Was ihr Einem der Meinigen thut, das thut ihr mir. Darum wehe dem, der einen Christen ohne eine Ursache einen Rottirer nennt. Wenn nun in dem Spruch Tit. 3, 10. 11. das angegeben wird, was einen Menschen zu einem Ketzer macht, so wissen wir auch, wer kein Ketzer ist. Der Mensch nämlich, er sei, wer er wolle, der nie ermahnt oder doch nicht wiederholt ermahnt worden ist und der sich nicht so beweis't, daß man nlit vollem Recht schließen darf: Er fährt wider besseres Wissen und Gewissen fort, seinen Jrrthum zu halten und zn vertheidigcn, der ist nach der Schrift kein Ketzer, er mag glauben und lehren, wie er wolle. Paulus sagt ausdrücklich, daß nur der ein Ketzer sei, der ein- und abermal ermahnt worden ist und sich selbst verurtheilt hat, d. H. sein Gewissen sagt ihm, daß der, der ihn ermahnt, Recht hat, er aber will das nicht zugeben und ihn nickt Recht haben lassen. Wer so steht, hat starke Kennzeichen, daß er ein Ketzer ist und nicht nur irrt, wie wir alle Tage nicht nur im Weltlichen, sondern auch im Geistlichen irren. Wir mögen wohl auch zuweilen eine verkehrte Idee haben, predigen sie aber nicht von der Kanzel, sondern behalten sie zurück und für uns und suchen sie los zu werden durch fleißiges Forschen in der Schrift. Die Frage wurde hier gestellt: Was soll man deu Reformirten auf ihren Vorwurf nach der Vollendung der Concordien-Formcl, sie feien von den Lutheranern verurtheilt worden und seien doch nicht vorher auf einem öffentlichen Concil ermahnt gewesen, antworten? Die beste Antwort darauf ist die, daß man ihnen Luthers Schriften zum Dnrchlesen gebe oder sende. Dieser ihr Vorwurf gegen die Lutheraner ist nur Heuchelei. Paulus sagt nichts von einem öffentlichen Concil. Ermahnt aber waren die Reformirten, als die Concordien-Formel vollendet war, schon vierzig Jahre lang und so gewaltig ermahnt, wie vielleicht nie ein Ketzer. Vielleicht kein Lehrer der Kirche hat solche gewaltige polemische Schriften geschrieben, wie Luther. Man lese nurseine Schrift von den himmlischen Propheten; daß der freie Wille nichts sei; das Pabstthnm zu Rom, vom Teufel gestiftet; das große Bekenntniß u. s. w., und man kann sich nicht genug wundern, daß Einer, der diese Schriften gelesen hat, in feinem Jrrthum geblieben ist. Mit solcher Glut des Herzens, mit solchen Waffen des Geistes aus der Rüstkammer des Wortes Gottes, wie sie unsere Väter in der Neformationszeit gegen die Reformirten anwendeteu, sind noch keine Ketzer in der Kirche ermahnt worden. Das wußten und wissen die Reformirten recht wohl. Ihr Vorwurf kommt nur daher, daß sie die Vollendung der Concor-dien-Forme! nicht gerne sahen, weil durch sie die lutherische Kirche nach dreißigjährigem Streite endlich zur Ruhe kam. Nach Luthers Tod war ja Alles drunter und drüber gegangen. Darüber freute-sich der Pabst und die Reformirten; Gott aber ließ die Concordien-Formel zu Stande kommen, wodurch die bösen Geister aus der lutherischen Kirche hinausgebracht wurden. Darüber können
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wir uns nur freuen und Gott danken. Frage: Ist ein falscher Prophet schon ein Ketzer? Antwort: Nein. Ein falscher Prophet ist nicht nothwendig ein Ketzer; wer aber eine bestimmte falsche Lehre beständig führt, trotz aller Ermahnung, ist ein Ketzer. Alle reformirten Lehrer z. B. sind falsche Propheten; aber nicht alle sind Ketzer. Ein Ketzer wird nicht selig; aber ein irrender Lehrer kann selig werden, wenn er aus Schwachheit irrt. So hat auch Augustinus den Donatiften gesagt, er halte sie nicht für Ketzer, sie hätten ihren Jrrthum von ihren Vorfahren geerbt, sie irrten nur. Der bloße Widerspruch gegen die reine Lehre macht noch Keinen zum Ketzer. Es kommt sehr darauf an, wie und in welcher Weise Jemand der reinen Lehre widerspricht. Wir müssen durchaus darauf bestehen, daß die Schrift sagt, nur dann sei Einer ein Ketzer, wenn er ein- und abermal, d. H. wiederholt und mehrmals ermahnt sei und sich selbst verurtheilen müsse, so daß alles Mögliche versucht sein muß, ehe man Jemand einen Ketzer nennen kenn. Aus der zweiten Stelle geht hervor, daß nicht jeder Jrrthum Jemand zum Ketzer macht, sondern der Jrrthum muß wider den Grund des Glaubens angehen, so daß der, der ihn annimmt, dadurch verdammt wird. Das ist wohl zu beachten, ehe wir uns unterfangen, Jemand einen Ketzer zu nennen. Es kann aber auch Jemand einen ketzerischen Jrrthum haben und ist deswegen noch kein Ketzer. Ein Beispiel hierzu liefert die Stelle 2 Tim. 2,17. 18. Wenn Einer z. V. sagte: Die Auferstehung der Toden ist schon geschehen, der hätte einen ketzerischen Jrr-thum, wäre aber deshalb allein noch kein Ketzer. Aber dann wäre er es, wenn er diesen Jrrthum, trotz wiederholter Ermahnung und dem Urtheile seines Gewissens, festhielte. Was nun den Ausdruck „Secte" oder „Rotte" betrifft, so nennt man die Anhänger, die sich unfeinen Ketzer sammeln, eine Rotte. Nur die Gemeinschaft also ist eine Rotte im kirchlichen Sinne, welche, trotz aller Ermahnung, von grundstürzeuden Jrrthümern nicht lassen will. Der Ausdruck: „Die Jünger an sich zu ziehen", Ap. G. 20, 29. 30., heißt einfach: Eine Rotte machen. Wenn so der Apostel 1 Cor. 11, 18. 19. sagt: „Es müssen Rotten unter euch sein", so ist sein Gedankeugang dieser: Daß Spaltungen unter euch sind, wundert mich nicht. Es müssen sogar Rotten unter euch sein, ans daß die Rechtschaffenen — ol — offenbar werden. Merkwürdig ist hierbei, daß der Apostel nicht
spricht: Auf daß die Christen offenbar werden — denn gewiß ist cs, daß alle Rottenmacher keine Christen sind — sondern er sagt: Auf daß die Sön.E, die Bewährten, offenbar werden. Die bewährten Christen sind nämlich solche, die sich nicht wägen und wiegen lassen von allerlei Wind der Lehre, bei denen die reine Lehre tiefe Wurzel'gefaßt hat. Es ist darum nicht recht, wenn ein Prediger ohne Weiters Alle, die mit einer in seiner Gemeinde entstandenen Rotte gehen, für Unchristen erklärt. Der Rottenführer wird wohl verdammt, aber nickt die Einfältigen, die aus Schwachheit der Erkenntniß mitlaufen. Beweis für das Gesagte sind jene zweihundert Männer, die dem aufrührerischen Absalom nachfolgten, aber in ihrer Einfalt gingen und nichts um die Sache wnßten. Aufruhr ist gewiß eine Todsünde und Absalom hat durch seinen Aufruhr eine Todsünde begangen und ist zur Hölle gefahren; aber jene zweihundert Männer waren in ihrer Einfalt mitgegangen. Sie dachten wahrscheinlich in ihrer Einfalt: David hat seiner Regierung entsagt und hat seinen Sohn Absalom zum König an seiner Statt
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gemacht. Darum gingen sie als einfältige Leute mit, ohne daß sie die Sache genauer untersucht hatten, und der heilige Geist selbst hat sie für unschuldig erklärt. Wenn David sie hätte hängen lassen, so hätte er gottlos an ihnen gehandelt. Denn es ist ein schrecklicher Grundsatz, sowohl im Staate, als auch in der Kirche: Mitgegangen, nntgehangen. Wir sollen nicht alle Christen verurtheilen, die von einem listigen Verführer in die Rotte mit hineingezogen werden, sondern nur den Rottenführer. Es geschieht öfter, daß eine einfältige Seele einem Rottenführer äußerlich anhängt, aber nicht im Herzen. Mancher lieber Christ denkt, wenn ein Schwarmgeist predigt: DaS ist die Stimme des Herrn JEfu und deutet sich dann das Gehörte besser, als es gesagt wurde. Da kann man den Spruch: , Mag auch ein Blinder einen. Blinden den Weg weisen? Werden sie nicht alle beide in die Grube fallen?" nicht anwenden. Wenn z. B. ein Methodist auf die aufregende Predigt seines Pastors auf die Bußbank niederkniet, aber dabei denkt: Herr JEsu, du kannst mir allein helfen. Dein Blut und Tod allein rettet mich. Mein Gebet öffnet mir nicht die Pforte des Himmels, das kannst du allein thun und sich so ganz allein an Christi Gnade hält, so wird er selig. Da ist wohl e«n bliuder Blindenleiter da; aber der einfältige Christ geht nicht mit ihm. Darauf kommt es an, daß Einer im Herzen bei Christo bleibt. Es können in einer Rotte auch einfältige Christen sein, nur keine bewährten Christen. Man achte auch darauf, daß Luther das Wort «--7,^5 bald mit Secte, bald mit Rotte übersetzt hat, weil Secte und Rotte eines und dasselbe ist. Die Rotte wird auch unter die Todsünden gerechnet. Gal. 5,20. wird das Wort „Rotte" metonymisch für gleichbedeutend mit „Rotte oder Secte machen" genommen, so daß da die Wirkung für die Ursache gesetzt ist. Man nennt oft einen Mann, der hinter dem Rücken des Pastors für seine Sache die Gemeindeglieder zu gewinnen sucht, einen Rottirer; allein hier ist der Ausdruck nicht genau. Ein solcher Mann ist kein Rottirer, sondern ein Schismatiker, und das, was er thut, ist ein Schisma, eine Spaltung. Wir sollen auch schon darum im Gebrauche des Wortes „Rotte" vorsichtig und spärlich sein, weil die romanisirenden Lutheraner ihn so gerne und häufig gebrauchen. Es wurde auch bemerkt, daß man sich, wenn man ein Gemeindeglied um Nottirerei willen in den Bann thun will, nicht auf die Stelle Gal. 5. berufen solle, und daß gerade wir um so bescheidener mit diesem Ausdruck „Rotte" umgehen sollten, weil herrschsüchtige Prediger immer mit diesem Worte um sich werfen. Wir thun eben am besten, wenn wir in der Kirchensprache recht genau sind. Schisma ist keine Rotte. Wer eine Partei innerhalb der Gemeinde bildet, ist kein Sectirer, sondern ein Schismatiker, Einer, der Spaltung macht. Frage: Wie ist der Haufe zu nennen, der sich böswillig von der reinen Lehre trennt und sich nicht weisen lassen will? Antwort: Es kommt darauf an, warum er sich getrennt hat und was er festhält. Hat er grundstürzende Jrrthümer, so ist er eine Secte; ist aber die Trennung aus Aberglauben, etwa aus Scheu gegen die lutherischen Gebräuche, geschehen, so ist er keine Secte, sondern eine Spaltung. Man soll aber ja nicht glauben, daß solche Spaltungen etwaS Unschuldiges wären. O nein, sie sind ein schlimmes Ding. Ein böswilliger Separatist kann sowenig selig werden, wie ein Sectirer.
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Siebente Sihrmg, Montag Bormittags.
sKeßer. Rotten und Secten innerhalb der Kirche. Unterschied zwischen irrender Kirche und Seele. Was zu einem Ketzer macht. Beispiele von Lehrern, die irrten, aber keine Ketzer waren. Was eine Rotte sei. Beispiel an der römischen Kirche und den Methodisten. Kinder Gottes unter dem Pabstthum.)
Zu den Beweissprüchen unter der 5. These, vornehmlich zu der letzten Hälfte, wurde noch bemerkt: Nachdem zuerst Belege aus der Schrift dafür angeführt sind, zu zeigen, was Ketzer, Ketzerei, Rotte und Secte sei, so wird hier bewiesen, daß Ketzer, Rotten und Secten innerhalb der Kirche seien. Es ist dies wichtig, denn die Papisten sagen: Ihr Lutheraner sprecht, der Pabst sei ein Ketzer, und die römische Kirche eine Secte, aber dann müßt ihr beweisen, daß die Kirche da war außer dem römischen Reich, sonst müßte man ja behaupten, die Kirche sei cms-gestorben, von welcher doch Christus sagt: „Die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen." Wir können also keine Ketzer sein. Darauf antworten wir: Außer der Kirche sind keine Ketzer, sondern innerhalb derselben. Der Apostel sagt: „Es müsse» Rotten unter euch sein," und der Antichrist sitzt nicht außerhalb, sondern i m Tempel Gottes. Diese Lehre muß festgehalten werden, wenn unsre Gegner sagen, die Reformirten, Unirten, Katholiken seien außerhalb der Kirche. Letzteres ist so wenig der Fall, daß auch diejenigen, welche in den Bann gethan worden sind, innerhalb der Kirche sind; wären sie dies nicht, so wären sie ja Heiden, welche wieder getauft werden müßten. Der Bann schließt daher nicht aus von der Gemeine der Berufenen, sondern nur von der Partien!arkirche. Dies wird auch daraus klar, weil gewöhnlich irgend eine Secte, Unirte, Reformirte, Methodisten u. A., solche Gebannte annimmt, als welche ihnen die fettesten Fische sind.
Als Zeugnisse für die Lehre der. 5. These wurde eine Stelle aus der Apologie verlesen: „Dieselbige Kirche ist" rc. Hier bekennt sich unsre Kirche zu dem Unterschied zwischen einer irrenden Kirche und einer Secte. Die Kirche, die den rechten Grund behält, wenngleich sie mancherlei Schwachheit in der Lehre zeigt, behält den Namen Kirche. Diejenige aber, die das wesentliche Wort GotteS nicht behält, ist eine Rotte, eine Secte.
Als ferneres Zeugniß wurden felgende Worte Luthers verlesen: „Die Ketzer legen einen" rc. Diese herrliche Stelle, wurde gesagt, soll sich ja Jeder merken, damit er nicht Jemand zum Ketzer macht, der keiner ist. Drei Stücke finden sich bei einem Ketzer: 1. daß er nicht bloß irrt, sondern auch, daß er sich nicht ermahnen läßt; 2. daß er seinen Jrrthum vertheidigt, und sich einen Anhang zu verschaffen sucht; 3. daß er wider die erkannte Wahrheit streitet, und also nur darum nicht zugeben will, er habe geirrt, weil er sich vor der Schande fürchtet. Bei irrenden Lehrern liegt darum die Schuld in ihrem Verstände, bei Ketzern in ihrem Willen. Was hier Augustinus ausspricht, das sollen wir auch sprechen: „Ich mag irren, aber ein Ketzer will ich nicht werden." Luther thut es hier auch in den Worten: „Wie wir auch gethan haben und noch thun." Es wurde der Antrag gestellt, es möchte zur Deutlichkeit beitragen, wenn Beispiele von solchen Männern angeführt würden, die auf diesen Grund Holz, Heu, Stoppeln gebaut haben, und darum doch nicht Ketzer waren; und ferner, wo die Gewißheit eiutritt,
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daß man Jemanden für einen Ketzer halten müsse. Was den erste» Punkt betrifft, so wurden als Beispiele angeführt: Cyprian, der gewiß ein großer Lehrer war, und doch irrte in Betreff der Ketzertaufe, selbst alle chiliastischen Jrrlehrer gehören hierher. Ferner Irenaus, welcher wohl wider das Fundament geirrt hat, aber doch noch kein Ketzer ist, weil er nicht ermahnt worden ist. Ferner Athanasius; Keiner, wie er, hat so gewaltig für die rechte Lehre von der Dreieinigkeit gekämpft, aber doch hat er das selbstgerechte Möncksthum befördert. Ferner Bernhardus, welchen Luther für einen großen Heiligen hält, und doch als des Pabstes Ansehen einmal in Gefahr stand, hat Keiner so sehr dafür gefochten, daß derselbe auf dem Thron blieb. In der Todesstunde aber hat Bernhardus Alles weggewvrfen und das Verdienst Christi ergriffen. Au nennen sind auch Anselm von Canterbury und Flacius, welcher treu und ehrlich in seinem Glauben war. Die ihn überzeugen wollten, waren Füchse in dem Weinberg des HErrn von welchen er sich nicht überzeugen lassen wollte. In Absicht nun auf den ändern Punkt, wo nämlich die Gewißheit zu suchen sei, daß man Jemanden für einen Ketzer halten müsse, so wurde geantwortet: Diese Gewißheit tritt dann ein, wenn einem Jrrlehrer der Jrrthum aus Gottes Wort nachgewiesen, wiederholt nachgewiesen, und der Jrrlehrer selbst davon überzeugt worden ist, dann ist er Luwlismlerüos, d. H. der sich selbst verurtheilt, der wider besseres Wissen und Gewissen am Jrrthum festhält; es wird dies auch ferner dadurch gewiß, wenn ein solcher Jrrlehrer zu seiner Verteidigung Ausflüchte braucht, daß man sieht, er glaubt selbst nicht, was er lehrt, oder wenn er allerhand faule Gründe vorbrittgt, von denen er weiß, daß sie ihm nichts helfen, oder wenn er darauf speculirt^ dem Publikum Sand in die Augen zu streuen; ein solcher ist überwunden, aber er will es nicht zugeben. Als Beispiel hierzu wurde an Arms erinuert, dessen Jrrthum auf dem Concil zu Nicäa ganz und gar widerlegt wurde. Es kommt aber auch hierbei nicht auf die Größe des Jrrthums an, auch ein geringer Jrrthum wider die klare Lehre der heiligen Schrift ist ein verdammlicher, wenn er halsstarrig festgehalten wird. Zwar erkennen nicht Me eine» solchen als Ketzer, erst am jüngsten Tag wird eS Gott offenbaren; doch ist er hier schon den ckolcilnois, d. i. den Bewährten, offenbar. Gott wolle Jeden vor solchem Gericht bewahren, und helfe«, daß er sich gefangen gibt, wenn er überzeugt wird.
Noch eine andre Stelle von Luther wurde verlesen, welche lautet: „Die heilige Kirche" rc. Es wurde hierbei gezeigt: In dem vorigen Citat wurde ein Ketzer beschrieben, in diesem eine Rotte. Luther lehrt hier, daß die Pabstkirche eine Rotte sei, und zwar der schlimmsten Art, denn andre Kirchen sagen wenigstens nicht, daß sie nicht irren können; daher kann der Pabst auch nicht gebessert werden. Eine Gemeinde ist aber eine Rotte, nicht wenn sie einen Jrrthum hegt, sondern wenn sie verstockten Ungehorsam zeigt. Wenn einer unsrer Prediger in einen Jrrthum geriethe, so würde damit seine Gemeinde noch keine Rotte sein; denn wenn wir ihr sagen: Ihr habt einen Wolf, so läßt sie sich weisen. Auf die Frage, wie sich das reime, daß Luther an ander» Stellen sagt: „Die Kirche kann nicht irren," und hier es doch heißt: „Die heilige Kirche irrt," wurde geantwortet: Man supplire das Wörtchen „als". Die unsichtbare Kirche, als Kirche, irrt nicht, denn Christus erleuchtet und regiert sie. Der neue Mensch, oder der
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Mensch, der in Christi Reich gehört, irrt nicht. Wohl aber irren die Menschen, die in der Kirche sind; auch irren die Menschen in den Stücken, die nicht zur Kirche machen.
CS wurde ferner folgendes Zeugniß der theologischen Facultät zu Wittenberg verlesen: „Es ist außer Streit" rc. Zu der angeführten Stelle: Ps. 12,7. wurde gesagt: Wenn es heißt, daß das Wort lauter sei und bewährt werde, so ist es das, was wir singen: Das Silber durch's Feuer siebenmal bewährt wird lauter funden, am Gottes Wort man warten soll desgleichen alle Stunden, es will durch's Kreuz bewähret sein. Wir verstehen aber darunter nicht, daß das Wort Gottes bewährt werde, sonvern vielmehr die Erkenntniß des Wortes. Im Folgenden werden gar schön die einzelnen Stücke numerirt, die zu einer Secte gehören.'
Eine Stelle von Carpzov wurde verlesen: „Die Kirche, sofern" rc. Dieser Unterschied, der durch das Wort „sofern" angedeutet wird, ist es, wovon die falschen Lutheraner nichts wissen wollen. Grabau hält eine solche Unterscheidung für philosophische Sophisterei und beschuldigt uns mit Unrecht, wir machen Alles zu Kirchen. Allein, wie wir schon Beispiele gehabt haben, so haben die alten Lehrer diesen Unterschied auch gebraucht. Es ist dieser Unterschied auch nicht etwas so Ungewöhnliches. Denn ich kann z. B. sagen: Luther, sofern er ein Mensch war, war er ein armer Sünder, sofern er aber Christ war, ein Heiliger Gottes. So sagen wir auch hier, indem wir zwischen reiner und unreiner Kirche unterscheiden: Sofern die Papisten die Maria anLeten, sofern sind sie eine Secte.
Folgende Stelle von Luther wurde verlesen: „Hier wird man mir" rc. Vorher hatte er bewiesen, daß die rechte Ordination in der römischen Kirche verloren gegangen, daß die Pfaffenweihe nur Affenspiel sei. Da könnte aber Jemand sprechen: Wenn daS so ist, so ist ja auch keine Predigt, kein Sacrament, also auch keine Kirche mehr da. Allein dies streitet wider das apostolische Sym-bolum, daß die Kirche fest bestehe auch wider die Pforten der Hölle. Dagegen beweis't Luther hier zweierlei: 1. daß die Kirche geblieben sei, 2. wiefern die Christenheit unter dem Pabstthnm geblieben sei, daß sie zwar Artikel christlicher Lehre gehabt habe, aber keinen einzigen rein: s. Taufe, b. Predigttexte, 0. Absolution, ä. Abendmahl, aber verstümmelt, e. Pfarramt, nicht durch die Priesterweihe, welche falsch, sondern dadurch, daß ein römischer Priester hernach in seiner Gemeinde noch besonders installirt wird, welches recht ist, k. das Gebet. Daraus sieht man, daß allerdings die wahre Kirche geblieben ist. Zwar werden nicht alle Glieder im Pabstthnm Kirche genannt, vielmehr war daselbst eine greuliche Secte mit falscher Lehre in Taufe, Abendmahl und Predigt, aber doch war i n dieser Secte die Kirche. Das Pfarramt haben sie behalten, wenn gleich kein rechtes Pfarramt da gewesen ist. Denn das Pfarramt ist da, wo eS verwaltet wird, und ist nichts Anders, als daß daS Wort und Sacrament im Schwange geht. Wo also getröstet, gelehrt, ermahnt wird, da geht dieses Amt, mag der Amtsträger immerhin nicht auf rechte Weise in das Amt gekommen sein. Ganz etwas Anders ist eS freilich, ob Einer, welcher also in das Amt hinein gekommen ist, Gott wohlgefällt, aber das Amt selbst ist gleichwohl da. Zu merken sind hierbei die Worte Luthers: „Scheide du das Amt von der Person, und das Heiligthnm
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vom Greuel. Wohlan nun, er ist Pfarrherr, und Christus hat also im Pabst-thum sein heiligeS, liebes Pfarramt erhalten. Man darf nickt Alles durcheinander werfen. Wenn gleich in der römischen Kirche falsch von der Taufe gelehrt wird, so bleibt sie doch Gottes Ordnung, wenn sie nur recht verwaltet wird. Wenn darum ein Kind im Namen des dreieinigen Gottes getauft wird, so erkennen wir daselbst die Kirche; wenn aber gelehrt wird, wer nach der Taufe sündigt, der geht verloren, so erkennen wir daran die Rotte. Wenn im Namen Christi absolvirt wird, so ist da die Kirche; wenn aber hernach menschliche Genug-thuunge» angehängt werden, so ist das der Greuel. Hierzu wurde das Beispiel einer Predigt in einer katholischen Kirche angeführt, welche einige Synodalglieder eines Abends kurz vorher gehört hatten. In dieser Predigt wurde kein Wort Gottes vorgetragen, der Name Christus auch nicht einmal genannt, sondern nur gegen Saufbolde gepredigt, eben wie es auch ehrliche Heiden thun. Zwar wurde die Holle erwähnt, allein auch das wissen die Heiden, und ist in eines jeden Menschen Gewissen geschrieben. Doch wurde in jener Predigt zuerst Gottes Wort verlesen: „Hütet euch, daß eure Herzen nicht beschweret werden mit Fressen und Saufen, und zuletzt wurde das Vater Unser gesprochen, sonst war nur Götzendienst wider Gottes Wort, und heidnische Moral. Wenn Luther im Obigen sagt, daß die Römischen in ihrer Messe (nicht in der Privatmesse) den Leib Christi bekommen haben, so ist das wohl zu merken, denn wenngleich die Priester den Laien den Kelch rauben, so nimmt dies doch dem Brod nichts. Dagegen wenn sie die Monstranz den Leuten zeigen, so fordern sie nur auf, ein Stückchen Brod anzubeten, und das ist heidnischer Götzendienst. Aus dem verlesenen Citat ist ferner klar, daß Luther die christliche Kirche nicht aus dem Pabstthnm herausgezogen und ihnen die Teufelskirche gelassen hat, sondern die Kirche ist immer auch im Pabst-thum geblieben. Man darf auch nicht meinen, vor der Reformation sei die römische Kirche eine irrende, nachher eine verstockte gewesen. Vielmehr haben Huß und Andre vor Luther wohl die Wahrheit bezeugt. Durch einen Mann, wie Hnß, hätte ja Gott die Kirche reformiren können, wenn die Zeit der Reformation schon dagewesen wäre. Die Päbste zu Nom von Bonifacius III. an haben wohl gewußt, daß ihre Lehre falsch war. Leo X. sagte noch auf seinem Sterbebette: Wie viel hat uns die Fabel von Christo eingebracht! Wohl aber kann gesagt werden, daß die Pabstkirche nach Luther in noch größere Verstockung gerathen ist. Wie Luther hier redet, so sollten auch wir nach seinem Vorbild predigen. Wir sollten nämlich, was sich in den Secten von Gutem findet, auch als Gutes anerkennen. Wenn z. B. Methodisten sagen, nur die Wiedergebor-nen haben den heiligen Geist, so ist das ja recht, wollte Gott! dies wäre in Deutschland gepredigt worden! Dagegen falsch ist in der methodistischen Bekehrung, daß sie den Menschen durch gesetzliche Predigten in Verwirrung setzen, und meinen, an der Bußbank müsse ein Mensch den heiligen Geist bekommen. DaS ist der rechte Greuel. Wie die Methodisten in diesem Land ansingeu zu predigen, fanden sie an den meisten Orten solche Prediger, welche Bauchpfaffen waren, durch Kartenspiel und andre Nachlässigkeit im Amte großes Aergerniß gaben. Da konnten methodistische Prediger auf jene Hinweisen und sagen: Seht, das stimmt nicht mit der reinen Lehre. Dadurch sind Tausende verführt worden.
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Aber wo jetzt unsre Prediger auftreten, die auch predigen von der Bekehrung, und zwar von der rechte» Bekehrung zu Christo, von der Wiedergeburt des Menschen, da können jene Schwärmer nicht mehr bestehen.
Eine andre Stelle von Luther wurde verlesen, wie folgt: „Du mußt aber" rc. Wenn Luther so furchtbar gegen die römische Secte und Rotte loszieht, so meint er nicht die Kinder Gottes, die noch darin sind, und welche das Geheimniß der Bosheit noch nicht durchschauen, die daher vielmehr die wahre Kirche sind, sondern er meint die Gesammtheit derer, welche die Kirche tyranni-siren, diese Hurenkirche (hier nicht im leiblicken, sondern im geistlichen Verstand). Und obwohl er dies ein Jahr vor seinem Tode schrieb, in welcher Zeit er ja auf's allergewisieste den Greuel der römischen Kirche erkannte, so schreibt er doch, daß Gott noch Etliche, Lot und seine Tochter, in der römischen Sodoma hat. Es wird dies offenbar an Vielen, die aus der römischen Kirche ausgetreten sind; auch jetzt noch kommen dergleichen Fälle vor. Als Beispiel neuerer Zeit wurde das eines jungen Mannes berichtet, welcher in Rom Mönch wurde, endlich die Bibel fand, darin las, und mit 24 Ändern, die sich an ihn angeschloffen hatten, bei dem Pabst um Erlaubniß nachsuchte, ein besondreS Kloster zu bewohnen, um daselbst die Schrift zu studiren. Dies erregte solchen Zorn und Grimm bei dem Pabst, daß Viele vergiftet wurden, auch jener junge Mann, welcher aber durch einen Arzt gerettet wurde, nach England flüchtete und daselbst ein Buch darüber schrieb. Man siebt hier, wenn solche Gotteskinder in der römischen Kirche nicht wären, so könnten sie nicht aus ihr herauskommen. Wenn aber dergleichen Männer anS derselben austreten, wie Viele mögen noch darin sein, die sich nicht zu helfen wissen! Denn solchen Unwissenden und Schwachen werden die Lutheraner als offenbare Atheisten vorgestellt.
Neunte Sitzung, Dienstag Vormittag.
[Römische Kirche im guten und im Übeln Sinn. Jrrthümer derselben. Nothwendigkeit der Kenntniß dieser Jrrthümer. Uniouismus nicht zu dulden. Ursachen. Was Spaltungen seien. Beispiel der Corinther.]
Als Gegenstand weiterer Besprechung wurde ein Zeugniß von A. Pfeiffer verlesen: „Man muß wissen" rc. Wenn man von der römischen Kirche im Übeln Sinn redet, so wird nur der Pabst und seine Anhänger gemeint, welche die rechte Kirche verfolgen; redet man aber von der römischen Kirche im guten Sinn, so meint man die in ihr vorhandenen Christen. Denn viele irrende Gewissen hangen wohl den Jrrlehrern an, aber sie verfolgen die rechte Kirche nicht. In einem gewissen Sinne stimmt daher die Augsburgische Confession auch mit der römischen Kirche der Jetztzeit, nicht mit dem Pabst, Cardinälen nnd Bischöfen, sondern mit den Kindern Gottes, die jener, wenn er die Macht noch hätte, verbrennen und ersäufen würde. Obwohl nun die Jrrthümer der römischen Kirche nicht alle zn zählen sind, so werden hier doch die allergröbsten angezeigt: 1. das Verdienst guter Werke. 2. die Zweifelslehre, daß Niemand seiner Seligkeit gewiß sein könne, es sei denn durch eine besondere Offenbarung, und dies lehren sie darum, weil sie wohl wissen, sobald ein Mensch dessen gewiß wird, so braucht er die geistlichen Quacksalbereien der römischen Kirche nicht mehr. Die Summa desjenigen.
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was die Priester lehren, geht somit dahin: Ihr Laien braucht uns (Priester), um eurer Seligkeit gewiß zn werden, und wir brauchen euch um des Geldes willen. Dies ist nun die zweite Art und Weise, das Evangelium zu verdammen. Denn in, Evangelio lernen wir, daß Christus eben deswegen sein Blut vergossen hat, damit wir der Vergebung der Sünden gewiß werden. Dagegen sagt der Pabst: Der Mensch soll gar nicht gewiß werden, damit er immer frage; fragt aber Einer, so Wird ihm geantwortet: Ich weiß es nicht. Als Graf Richelieu gefragt wurde, was dazu gehöre, daß ein Mensch ganz gewiß aus dem Fegfeuer komme, antwortete er: Soviel als Schneeballen dazu gehören, einen Backofen zu heitzen. Wenn also das Pabstthnm weiter nichts enthielte, cfts diese Zweifelslehre, so wäre das schon genug, es zum Teufelsreich zu machen. Luther hat diesen Greuel aufgedeckt, als welcher wohl wußte, wie viel das werth war, seiner Seligkeit gewiß zu sein. Die 3. Irrlehre in der römischen Kirche ist die Anrufung der Heiligen. Die Papisten sprechen zwar: Wir beten nicht die Heiligen, sondern wir rufen sie an; aber das lügen sie, denn beides ist einerlei. Wenn ich die heil. Maria anrufe, so erkläre ich damit, daß sie Alles höre, und überall sei. Denn, wenn die Katholiken in China sie anrufen, und die in Chicago thun es auch, so muß sie doch Beide hören können. Kann die heil. Maria die Betenden nicht hören, so wäre es ebenso Narrheit, sie anzurufen, als wenn ein Kind in Amerika seinen in Deutschland wohnenden Vater rufen wollte. Auch die Scholastiker sagen: Die Heiligen sind überall. Wenn nun die Heiligen angerufen werden, so ist offenbar, daß man auf sie sein Vertrauen setzet. Daraus folgt, daß anrufen dasselbe ist, als anbeten. Die 4. Irrlehre ist die Messe, in welcher sie alle Tage Christum aus's neue morden; und von diesem Werk der Messe lehren sie, es mache selig. 5. Einerlei Gestalt, was ein Raub an der Christenheit ist. 6. der Ablaß, oder die Erlassung zeitlicher nnd kirchlicher Strafen. Es ist aber wichtig, daß ein Christ diese Jrrthümer wisse, denn die Unkenntniß derselben bringt oft großen Schaden, auch ist eS kein gutes Zeichen, wenn ein Lutheraner erst fragen muß: Was lehrt ihr? denn die Römischen antworten gar häufig denen, an welchen sie hierin Schwachheit merken: Ihr versteht das nicht. Vielmehr sollte ein jeder Christ sich um diese Kenntniß der römiscken Irrlehren bekümmern. Zwar wissen die Meisten, daß die römische Kirche die falsche Lehre von Anrufung der Heiligen hat, aber die Hauptgreuel sind nicht so bekannt. Da nun bereits eine Schrift über diesen Gegenstand erschienen ist, nämlich „das Geheimniß der Bosheit", und da jetzt eine andre: „S. Cyprian, vom Ursprung und Wachsthum des Pabstthums" zum Druck vorbereitet wird, so sollte Niemand versäumen, sich diese Bücher anzuschaffen und zu lesen. Der Einwand gilt nichts, als habe nicht Jeder Zeit und geistige Fähigkeit; denn Gott hat nicht bloß die Prediger zu Priestern gemacht, fondern.alle Christen sind geistliche Priester, welche daher auch den Jrrthum zu strafen haben. Das Reich Gottes muß die Hauptsache sein. Die christliche Religion ist auch darum da, daß Andre selig werden. Ist doch ein jeder Christ schon in seiner Taufe von Gott zu einem Missionar gemacht worden. Vielleicht sagt Mancher: Ich will nicht bekehrungssüchtig sein; allein er soll doch auch sein Licht leuchten lassen vor den Leuten; was Christen schuldig sind, das sind sie ja freilich nur nach der Liebe schuldig, und nicht als ob es zur Seligkeit uöthig sei, nach der Liebe sind wir aber
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schuldig einander zu helfen und zu fördern. Der Lohn, nämlich der Gnadenlohn, wird auch nicht ausbleiben. Denn gar merkwürdig ist, daß Paulus die Coriuther zu jener Steuer für die Heiligen auch darum ermahnt, daß dies in ihrer Rechnung werde gefunden werden. Gar Mancher wird sich an jenem Tag wundern, wenn ihm etwas fehlt, was ein andrer eifriger Christ in seiner Rechnung hat. Wenngleich es hier gering scheint, dort wird es unendlich große Ehre sein. Wenn ferner schon Der einen Gnadenlohn empfängt, welcher Jemanden mit einem Becher kalten Wassers tränkt, was wird der erst empfangen, welcher Jemandem einen Becher voll Wasser des Lebens bringt! Die Hauptsorge eines Christen soll ja sein, daß er selig werde, ist er aber selig, dann bedenke er, was Paulus sagt: „Wer da kärglich säet, der wird auch kärglich ernten, und wer da säet im Segen, der wird auch ernten im Segen." Luther sagt einmal, nachdem er gegen das Vertrauen auf gute Werke geredet hat: Nicht die ganze Welt würde er nehmen gegen ein gutes Werk, was er gethan habe.
Als letztes Zeugniß zur fünften These wurde noch eine Stelle von Baier verlesen: „Der kirchlichen Einigkeit" rc. In diesem Citat wird Unterricht gegeben, wie man sich gegen die Union verhalten solle. Denn was im 17. Jahrhundert Synkretismus hieß, das nennt man jetzt Unionismus. Es ist aber sehr wichtig, daß wir mit einzelnen Schwachen in den Secten nicht brüderliche Gemeinschaft halten können. Denn es handelt sich hierbei nicht darum, ob ein solcher Schwacher den Glauben hat, welches etwas Zufälliges wäre, sondern darum, ob reine Predigt und rechte Sacramente da sind. Im Vorhergehender: wurde darauf hingewiesen, daß Gott überall Gläubige habe; da sprechen denn die falschen Lutheraner: Warum umarmt ihr nicht diese alle als eure Brüder, warum macht ihr mit ihnen keine Einigkeit, keinen großen Bruderbund? Antwort: Wir glauben nach Gottes Wort, daß Christen unter den Secten seien, aber wir kennen sie nicht; denn sobald Jemand falsche Lehre hat, weiß ich nicht, ob er ein Christ ist, und den Glauben hat; nur, wenn er bekennt, und das Bckemitniß nicht durch falsche Lehre widerlegt, so ist das ein Zeichen des Glaubens. Wenn sich also Jemand zu falscher Lehre bekennt, so wird es mir verdeckt, ob er ein Christ oder ein Sec-tirer ist, sodaß ich, in meinem Gewissen beengt, dem Glauben zum Trotz, ihn nicht als einen Bruder in Christo ansehen und mit ihm umgehen kann. Hierzu vergleiche man die obigen Worte Baiers, wenn er sagt: „Hierbei ist zwar gewiß, daß die Einfältigen, welche aus unüberwindlicher Unwissenheit gewissen Jrr-thümern so ergeben sind, daß sie nichtsdestoweniger den seligmachenden Glauben behalten, als schwache Brüder zu dulden wären (also nicht: sind), wenn sie uns vor den Ändern bekannt wären." Dadurch, daß sie mit Absalom laufen, kann man sie nicht erkennen als Unterthanen des himmlischen David, im Gegentheil, wenn wir emen solchen, der anscheinend ein Rebell war, fragen: Warum läufst du Absalom nach?, und er würde antworten: O, das ist ein treuer Lehrer und Diener; dann ist er kein Bruder. Keiner der zweihundert Unterthanen Davids würde, wenn ihm gezeigt worden wäre, daß er Rebell sei, ferner mit Absalom gelaufen sein. Ebenso verhält es sich hier. Wenn wir zu einem Reformirten sagen: Du bist im Jrrthum, da du nicht glaubst, daß der Leib Christi im Abendmahl gegenwärtig ist; nnd er sieht dies ein, so ist er unser Bruder. Spricht er
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aber: Nein, daS streitet wider die Vernunft, dann sagen wir: Geh zu deinem Calvin. Es ist dies eine wunderschöne Lösung unsres Verhältnisses zu den Falschgläubigen, eine wahre Goldstnfe aus GotteS Wort. Wenn wir dieses Citat recht verstehen und unter die Leute bringen, so begegnet uns ein andrer Vorwurf, auch aus den Gemeinden, warum wir es nicht so macken, daß wir die Jrrthümer gut heißen; man kann es nicht begreifen, warum Christen so unduldsam sind; man nennt das Zeugniß gegen die Irrlehre ein Schelten, und zwar ein nutz- und zweckloses. Wir sollten darum diese Lehre recht predigen, und vornehmlich auf die im Citat genannten drei Punkte achten: 1. Es ist Gottes Befehl, die reine Lehre zu predigen. Dies wird nicht geschehen, wenn wir zu dem Jrrthum schweigen. Unvermerkt schleicht sich der Jrrthum ein, wenn wir nicht fort und fort dagegen zeugen. Jeder Christ hat die Pflicht, daß er dir reine Lehre habe, darum muß er, weil er auch Zeugniß davon ablegen soll, diese Lehre studiren. Dies sollte uns um so leichter werden, da wir außer Anderem eine zwanzigjährige Erfahrung haben. Zwanzig Jahre sind vergangen, seit die Synode eben hier*) versammelt war, und Gott hat großen Segen darauf gelegt. Heiliger Ernst gehört dazu, die Scheidewand aufrecht zu erhalten, heftige Furcht, den Secten cnt-gegenzutreten. Da nun einerseits die Schuld der Trennung in den Secten selbst liegt, als welche von der Wahrheit abgehen, andrerseits das die rechte Liebe ist, wenn wir Zeugniß ablegen, so sollte uns dies Alles mit fröhlichem Muth erfüllen, in unsrem Zeugniß fortzufahren und immer eifriger zu werden. Pabst undUnion sind die beiden gefährlichsten Kräfte. Der Pabst macht die Seligkeit, der Unio-uismus die Wahrheit ungewiß. Wie wir darum gegen den Pabst rechten Haß haben sollten, so gleichfalls gegen den UnioniSmus. Spreche ja niemand: Ich liebe den Streit nicht. Ein Christ ist immer zu Kampfund Streit berufen. Damit wir nnn darin fest werden, sollten wir besonders auch den 2ten Grund merken, nämlich: Gott hat das Strafamt eingesetzt. Es ist also GotteS Gebot, das Herz mag sagen, was es wolle. Hier stehen wir aber zwischen zwei Feuern. Auf der einen Seite sagt Gott zu jedem Prediger: Strafe. GotteS Wort ist nütze auch zur Strafe, nnd nach dem Griechischen ist darunter Strafe der Jrrlehrer zu verstehen, nicht Strafe der Sünde, welches Besserung heißt. Auf der ändern Seite sagt die Welt: Strafe nicht, das ist wider die Liebe. Wem sollen wir nun gehorchen, der Welt oder Gott? Lieber sollten wir zeitliche Schmach leiden, als das ewige Feuer, da wir von Gott verworfen werden. Hierzu dient das Beispiel Christi. Wo er geht und steht, straft er die Jrrlehrer; sagt nicht bloß, man muß sich vor ihnen hüten, sondern nennt sie auch mit Namen. Mit großem Ernst ruft er: „Wehe euch Schriftgelehrten. Wenn er jetzt also unter uns aufträte und sagte nicht, daß er Christus wäre, so würde er als ein Friedensstörer verdammt werden, sie würden ihn heute noch kreuzigen, eben wie sie uns in Schriften kreuzigen. Auch die Apostel haben es immer mit den Feinden zu thun, sie nennen sie Hunde, Zerschneidung u. A. m. Christen sollten sich darum ja in Acht nehmen, daß sie Christum nicht verwerfen, wenn sie die Prediger verwerfen um des strafenden Wortes willen, das sie führen. UnS zwar kann eS nichts schaden, ob wir für hei-
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*) 3m Jahre 1847 hielt die neugedildete ev.-luth. Missourisynodc ihre erste Sitzung in Chicago.
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lige Leute gelten, oder ob wir verleumdet werden, wenn nur der da oben uns für treu hält, aber christliche Gemeinden sollten sich auch zn ihren Predigern, welche die Irrlehre strafen, bekennen, damit sie nicht Christum verachten, welcher das Strafamt allen Predigern anbefohlen hat. Paulus schreibt daher an den Timotheus: „Schäme dich meiner nicht, der ich sein Gebundener bin." Sind gleich Prediger jetzt nicht mit Ketten gebunden, so werden sie doch geschmäht. Diese Schmach tragen sie für ihre Gemeinden. Wohl könnten Prediger fromm sein, im Winkel sitzen und keinen Menschen angreifen, dann wären sic aber fette schlafende Hunde, die nicht bellen. 3. Als dritter Grund, warum Jrrthümer nicht zu dulden sind, wird in dem obigen Citat angeführt, es ist höchst gefährlich. Prediger werden Gehülfen der Freude genannt; Alles daher, was die Freude der Gemeinde stört, sollte auch unsre Freude stören, es stört aber nichts mehr die Freude, als falsche Lehre; wie können wir es nun vor Gott verantworten, wenn wir schweigen? Luther hätte gern seinen Finger hergegeben, wenn er die Spaltung Zwinglis hätte aufheben können. Aber kann die Spaltung jetziger Zeit dadurch aufgehoben werden, daß man Union macht? Nimmermehr. Denn wenn bei einer solchen Union die Rechtgläubigen nachgeben, so bringen sie dem Teufel ein Opfer. Derselbe weiß, daß wenn man ihm einen Finger gibt, so nimmt er die Hand, ja zieht auch den ganzen Menschen nach sich. Dies bestätigt die Erfahrung. Nach und nach kommen solche Gemeinschaften immer weiter, bis sie endlich in den Rationalismus gerathen. Im obigen Citat wird vornehmlich eine dreifache Gefahr angezeigt, welche aus der Duldung der Jrrthümer entspringt: 1. wenn ihnen nicht gesteuert wird, breiten sie sich immer mehr aus, 2. die Wahrheit wird verdächtig, 3. die Irrenden werden im Jrrthum gestärkt. Zur falschen Lehre schweigen, ist keine Liebe, sondern Haß, denn wie sollen daun die Irrenden gerettet werden. Wenn ein Blinder auf einer Straße ginge, an deren Ende ein tiefer Graben wäre, so würde ich gewiß ihn warnen, und wenn er auch gegen meine Warnung protestirte, würde ich doch sprechen: Nein, nein, ich lasse dich nicht. Ja endlich möchte es auch wohl nöthig sein, daß ich jenen Blinden mit Gewalt abhrelte, und doch geschähe bieS alles nicht aus Haß, sondern aus Liebe zu ihm. So verhält sich's auch mit dem Polemisiren. Wenn ich rechte Liebe habe, werde ich freilich zu einem in den Jrrthum Gerathenen sagen müssen: Du, Blinder, gehst verloren; und wenn er sich nicht weisen lassen will, werde ich ihn immer härter angreifen. Wenn also wir, von der Liebe getrieben, treulich warnen, so will dies Gott auch lohnen. Was wäre, menschlich betrachtet, aus der Christenheit geworden, wenn nicht ein Athanasius, ein Cyrillus, ein Luther gegen die falsche Lehre ausgetreten wären, wenn nicht immer und immer bis auf unsre Zeit die Wahrheit bezeugt worden wäre! Darum gesegnet seien unsre lieben Väter, denn nächst Gott danken wir es ihnen, daß wir im Lichte stehen. Das müssen, wenn sie ehrlich sein wollen, auch die Secten sagen. Diejenigen Leser, welche den „Lutheraner" für ein Streitblatt halten, bedenken nicht, wie in allen Zeitschriften die Lehre verlästert wird. Da hilft's nicht, es muß ein Zeugniß dagegen abgelegt werden. Haben wir nur ein paarmal geschwiegen, so werden sie gleich frecher. Zu übersehen ist auch nicht in dem obigen Citat, daß nicht allein Jrr-thnm, sondern auch irrende Personen nicht geduldet werden sollen.
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Die Synode ging hierauf zur Vl. These über, welche also lautet:
„Gemeinschaften, welche durch nicht grnndstürzendeJrrthümer, oder um Personen, oder um Ceremonien, oder nm des Lebens willen die Einigkeit der Kirche zerstören, sind nach Gottes Wort Spaltungen (Schismata) oder separatistische Gemeinschaften".
Dazu wurde bemerkt: Wir haben gehört, eine Secte ist eine Kirchengemem-schast, welche grundstürzende Jrrthümer zum Grunde der Trennung macht. Wenn dies aber nickt der Fall ist, sondern der Grund der Trennung besteht in Neben-lchren, oder gar nur Personen, welche mißliebig geworden sind, oder von denen man sich beleidigt fühlt, als z. B. Prediger, oder in Ceremonien, entweder, weil der Prediger singt, oder das Kreuzzeichen macht, oder statt gewöhnlichen Brodes Hostien nimmt, oder, wenn rhythmisch gesungen wird, oder man will nicht kuieen beim Abendmahl, .oder nicht in die Versammlung kommen, oder um des Lebens willen (Manche sprechen: Das sind lauter Gottlose), wenn dies der Fall ist, dann ist es keine Secte, sondern Schisma, Spaltung oder separatistische Gemeinschaft.
Zu der obigen These wurden folgende Beweissprüche verlesen: „ Der Apostel schreibt" rc. In der ersten Stelle: 1 Cor. 11. wird der Unterschied zwischen Rotte nnd Spaltung gezeigt. Im 1. Kap. hatte der Apostel gesagt, durch Briefe habe er erfahren, daß Spaltungen unter ihnen seien, nämlich Einer sage, ich bin Paulisch, der Andere, ich bin Apollisch, der Dritte, ich bin Kephisch- Zwar hatten Paulus, Apollo und Petrns allesammt nur ein und dieselbe Lehre, aber verschiedene Gaben. Unter den Corinthern gefiel nun dem Einen die hohe Erkenntniß an Paulo, dem Anderen die Beredsamkeit an Apollo, einem Dritten der Muth an Petro, oder was es sonst war. Nach diesen Personen sonderten sich die Coriuther nicht zwar in der That, wohl aber im Herzen und in Worten von einander ab. Und hier kann man sehen, wie streng Gottes Wort urtheilt, daß es dies schon eine Spaltung nennt. Ein Beispiel unserer Zeit ist die nnirte Kirche. Dieselbe ist eine Kirche mit einer Spaltung. Es können aber auch Einzelne eine Spaltung macken, wenn sie sich von der öffentlichen Predigt und Gemeindeversammlung znrückziehen und dann noch für besondere Fromme gelten wollen. DicS ist aber überaus gefährlich, und es ist kein Unterschied, ob es um der Lehre oder um Cere-monicn willen geschieht. Es mag z. B. ein Prediger nicht falsch lehren, aber noch nicht bekehrt sein; aber es kann mir insofern sckaden, als ich bei Anhörung seiner Predigt immer an des Predigers ärgerlichen Wandel denke. Der Prediger selbst ist ja freilich verloren, darum, daß er Gottes Wort in sein unreines Maul nimmt, aber Schwache können dies nicht scheiden, und Hochmüthige machen deshalb eine Spaltung. Das Letzte ist dann gewöhnlich: Streicht meinen Namen. Bisweilen geschieht es darum, daß ein Solcher Etwas gesagt hat, was nach seiner Meinung recht klug war, Andere aber haben es als etwas Thörichtes verworfen, oder er ist in irgend einem Stück gestraft worden. Wenn Solche nun eine Spaltung machen, so meinen sie zwar, das habe nicht viel auf sich, aber doch Ihn« sie damit eine erschreckliche Sünde, denn sie zerreißen den Leib Christi, und sie sollen wohl znfehen, daß Gott ihren Namen nicht auch streicht. Wenn es in den obigen Beweissprüchen heißt: Dahin gehört jedes Znrückziehen — von der äußerlichen Gemeinschaft — aus ändern ungöttlicheu Gründen, als die Lehre,
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so wurde als ein Beispiel dazu die Breslauer und Dietrichianer Spaltung angeführt. Es wird dies auch noch besonders erklärt in einem späteren Zeugniß von Calov, wenn er sagt: „Oder auch in dem, was (nur) in einer Beziehung zum Glauben (oiro» ückem) steht und nicht geradezu die Regel des Glaubens betrifft." Der letzte Spruch 1 Joh. 2,19. handelt von Ketzern sowohl, wie von Schismatikern. Der Apostel macht keinen Unterschied, sondern will sagen: Bei der rechtgläubigen Kirche soll Einer jedenfalls bleiben. Diejenigen also, welche sich durch Jrrthümer zur Trennung bewegen lassen, sind gar keine rechtgläubige Kirche mehr. Der Apostel meint nur Solche, die sich also von der Kirche abweuden, daß man sieht, sie sind gar nicht mehr in der Kirche; denn, wenn ein Gemeindeglied weggeht, weil es sich nur an meiner Person ärgert, so könnte ich den Spruch nicht anziehen. Schließlich wurde noch erklärt, daß zwischen den Ausdrücken „nicht grundstürzend" nnd „nicht fundamental" nicht der Sache, sondern nur dem Gebrauch nach ein Unterschied sei. Nicht fundamental nämlich wird von der Lehre gebraucht, nicht grundstürzeud dagegen vom Jrrthum. Jenes ist positiv, dieses negativ.