1878 Synodical Conference essay, Walther present; Marriage Bans; OCR'd by BackToLuther, August 16, 2015
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Lehrverhandlungen.
In den fünf Dormittagssitzungen wurden die im Aufträge der letztjährigen Versammlung von Herrn Professor vr. Walther verfaßten Thesen über die
Schwager-Ehe
verhandelt.
Thesis 1.
Die mosaischen Eheverbote, 3 Mos. 18. und 20., sind nicht ceremoniale oder politische, sondern alle Menschen im Gewissen verbindende Moralgesetze.
Zur Erläuterung dieser These wurde Folgendes aus Conrad Dieterich's „Oonsilis. und Bedenken" verlesen und daran die Erörterungen geknüpft. Derselbe schreibt:
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„Die Streitigkeit ist zwischen uns und den Papisten: ob die ausgedrückten mosaischen Verbote in dem 3. Buch Mose am 18. blos levi tisch, oder gerichtlich, oder mit einem Wort Ceremonialgesetze, welche nur zur Polizei der Juden gehören, oder aber zu dem Recht der Natur und zu dem Sittengesetz, welches uns nach ewigem und unveränderlichem Gottes-Willen gesetzt ist, zu ziehen seien. Die Papisten, damit sie dem Thun des römischen Pabstes, wenn er bei diesen Verboten aus Geldliebe verwegener Weise Dispensation ertheilet, ein Färblein gebm möchten, schieben selbige Verbote mit unter die Ceremonial- oder levttischen Gesetze (besiehe hiervon Bellarmtn, I. Lorinus, Gregorius de Valentia, Covarruvius, Sanchez und das OonoiliuiL Iriäsutinum, 8sss. 24. oan. 3.). Wir aber halten mit den Rechtgläubigen dafür, daß diese Verbote zu dem Sittengesetz, welches einzig und allein nach dem ewigen Willen Gottes eingerichtet, gehören. Welches wir insgemein und insonderheit darlegen wollen. Insgemein:
1. Wegen der Generalverpflichtung der mosaischen Gesetze, nach welcher nicht allein die Juden, sondern auch die Heiden, so gänzlich von den jüdischen Gerichten und Gebräuchen ausgeschlossen, verpflichtet waren. Denn so spricht der höchste Gesetzgeber in dem 3. B. Mos. 18, 2.: ,Jch bin der HErr euer Gott', V. 3.: ,Jhr sollt nicht thun nach den Werken des Landes Egypti, darinnen ihr gewöhnet habt', V. 24.: ,Jhr sollt euch in dieser keinem verunreinigen, denn in diesem allen haben sich verunreiniget die Heiden, die ich vor euch will ausstoßen', V. 25.: ,Und das Land ist dadurch verunreiniget, und ich will ihre Missethat an ihnen heimsuchen, daß das Land seine Einwohner ausspeie.' Hieher gehört auch der 27. und 28. Vers. Welches nun die Völker, so dem mosaischen Ceremonialgesetz nicht unterworfen waren, verpflichtet, dieses bezielet das Natur- und Sittengesetz Gottes; nun sind aber die Gesetze von den verbotenen Graden in dem 3. B. Mos. 18. eben solche. DrZo rc.. . ." (Oonsilis. und Bedenken. Nürnberg 1689. S. 141—159.) Vergl. Chemnitz' Examen 8sss. 8. oan. 3.
Dieterich behauptet damit nicht, daß alle diese Eheverbote, welche die Heiden übertreten haben, die Heiden in gleichem Maße sträflich gemacht hätten; aber doch, daß sich dieselben durch Uebertreten jedes Verbotes verunreinigt haben. Die Erkenn tniß aber, daß wir uns durch Uebertretung dieser Verbote schrecklich versündigen und es hier nicht etwa mit jüdischen Ceremonialgefttzen zu thun haben, bei deren Uebertretung Gott niemals so redet wie in dem angezogenen Capitel — sollte uns doch wahrlich treiben, uns zu emanciptren von den leichtfertigen Begriffen, welche jetzt unter dem christlichen Volke auch hiervon herrschen, bei dem nicht nur das Evangelium, sondern auch das Gesetz verfinstert ist. Wir müssen handeln, wie unser lieber Heiland that, der sein Werk damit anfing, die Gesetzesverkehrungen zu strafen und die Reinheit des Gesetzes wieder herzustellen. Denn wir können nimmer das Evangelium mit Nutzen predigen, wenn wir nicht zuvor die Gewissen mit dem göttlichen Gesetze geschärft haben in der Erkenntniß dessen, was
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vor Gottes majestätischem Richterstuhle Sünde ist. Vier Gründe sollten doch einen Jeden bewegen, in dieser Sache sein Gewissen ins Klare zu bringen, nämlich 1. weil es doch gewiß undenkbar ist, daß Gott, nachdem er das sechste Gebot gegeben hat, über diesen so sehr dahineinschlagenden Punkt uns sollte keine genaue Offenbarung gegeben haben. 2. Es müßte Jemand zu einem Unvernünftigen Thiere geworden sein, wenn er nicht zugeben wollte, daß man nicht alle Personen heirathen dürfe, und es müßte ihm daher daran liegen, zu erfahren, wer die Personen seien, die er ehelichen und nicht ehelichen dürfe. 3. Wir haben zwar von Natur noch einige schwache Eindrücke von dem, 'was verboten ist in dieser Hinsicht, die Eindrücke sind auch allgemein, aber deswegen sind sie doch keine zuverlässige Regel, wie St. Paulus bezeugt Röm. 7, 7.: „Denn ich wußte nichts von der Lust, wo das Gesetz nicht hätte gesagt: Laß dich nicht gelüsten." Damit ist aber sonnenhell bewiesen, daß wir nicht nur nichts vom Evangelio, sondern auch sehr wenig vom Gesetz wissen. 4. Jedem Christen muß daran liegen, ganz gewiß zu sein, daß er in seiner Ehe in einem Gott wohlgefälligen Stande lebe. Dies alles sollte uns mit innigem Danke gegen Gott erfüllen, daß er uns auch in diesem Stücke nicht im Dunkel gelassen hat, und um so williger machen, diese Lehre auf- und anzunehmen. —
Der bequemste und betretenste Weg, dieses Capitel als Regel aus dem Wege zu räumen, ist, zu behaupten, dasselbe sei nicht moralischer Natur, sondern, wie die Speiseverbote, nur dem jüdischen Volke gegeben. Aber das ist ein Jrrthum. Allerdings sind sie zunächst zu den Juden geredet, aber doch in einer Weise, daß man sehen muß, sie gelten allen Menschen. Auch das ist ein Jrrthum, wenn man geltend machen will, die Ausdrücke: „das ist ein Greuel", beziehen sich nur auf den letzten Theil der Verbote. Denn damit werden die Verbote eingeleitet, daß die Kinder Israel nicht thun sollen nach den Werken Egyptens, aus welchem sie gezogen waren, noch nqch den Werken Canaans, in das sie sollten geführt werden; und zum Schluß wird gesagt, die Cananiter sollten um ihrer Werke willen ausgestoßen und von ihrem Lande ausgespieen werden. Zwischen diesen zusammenstimmenden Anfang und Schluß werden nun diese Verbote gelegt. Daraus muß doch Jedermann einsehen, daß Gott die Uebertretung dieser Verbote als Greuel und Verunreinigungen an den Heiden gestraft habe, diese Verbote also allgemeiner Natur sein müssen. Es würde nur Frevel sein, da hier ausdrücklich steht: „Ihr sollt euch in dieser keinem verunreinigen; denn in diesem allen haben sich verunreiniget die Heiden" — zu sagen: ich nehme aber dies oder jenes Stück varin aus. Nur ein ganz entschiedenes Wort Gottes, das eine Ausnahme festsetzte, würde uns, soweit es eben selbst Ausnahme macht, entbinden. Gott kann allerdings Ausnahmen machen, wie z. B. am fünften Gebot erhellt. Allen Menschen gilt das Gebot: „Du sollst nicht tödten", und doch befiehlt Gott dem Abraham, seinen Sohn zu schlachten, und es ist nicht unwahrscheinlich, daß die Juden deshalb in ihrer Blindheit meinten,
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sie thäten Gott einen Dienst, wenn sie ihre Kinder dem Moloch opferten. Wer aber wollte und dürfte nun so kühn sein, zu beanspruchen, daß, weil Gott jene Ausnahme gemacht habe, deswegen dürften wir auch Ausnahmen machen? Gott hat ferner die Ausnahme gemacht, daß die Obrigkeit tödten solle zum Schutze und Besten der Menschheit. Aber wer will nun sagen, ohne Gottes Ehre anzugreifen: ich will auch Ausnahmen machen und dem fünften Gebot nicht in allen Stücken unterworfen sein? Wenn wir Sheriffs oder Soldaten im Kriege sind, dann sollen wir auf Befehl der Obrigkeit die Mörder henken und die Feinde stechen, da hat Gott Ausnahme gemacht in seiner Offenbarung; aber ohne diese Offenbarung stehen wir immer unter der Regel. — Auch darauf kann sich Niemand berufen, daß er nicht in seinem Gewissen alle Verbote des vorliegenden Capitels erkennt. Wir sollten sie daraus erkennen, und wenn wir eS nicht thun, ist es eben unsre eigene Schuld. — Man machte auf den Einwand aufmerksam, der von der Familie Adams hergenommen wird. Es sei doch für die Kinder Adams keine Sünde gewesen, sich gegenseitig zu heirathen; ihr Gewissen habe ihnen doch nicht gesagt, sie begingen eine Sünde, wenn der Bruder die Schwester hetrathete: deswegen könne man nicht sagen, die mosaischen Eheverbote seien ein alle Menschen im Gewissen verbindendes Naturgesetz. Antwort: Die Gebote, wiewohl sie feststehen müssen, sind nicht ganz gleicher Natur. Es gibt absolute Naturgesetze, die unter keinen Umständen übertreten werden dürfen, oder man macht sich der Rebellion gegen Gott schuldig; und relative Naturgesetze, die sich auf Verhältnisse beziehen, die Gott geordnet haben will, und die verbindlich sind nur in den respecttven Verhältnissen. Gott wollte laut Ap. Gesch. 17, 26.: daß von einem Blut aller Menschen Geschlechter auf dem ganzen Erdboden wohnen sollten. Er hat die Menschen nicht alle auf einmal geschaffen, wie die Engel, sondern erst nur eine Person, und von dieser sollten alle Völker Herkommen. Sollte nun dieser geheimnißvolle Rath Gottes durchgeführt werden, so mußten die Geschwister sich unter einander heirathen. Aber nachdem die Verhältnisse sich geändert haben, kann sich kein Mensch mehr mit Recht darauf berufen. Als Kain und Habel neben ihren Eltern noch allein in der Welt waren, da konnten sie Land nehmen, ja ganze Welt-theile, wo sie wollten, das war unter den damaligen Umständen gewiß recht; aber jetzt, das wird Jeder anerkennen, nachdem sich die Verhältnisse geändert haben, ist es etwas ganz Anderes, und kann sich Niemand mehr auf Kain und Habel berufen. Daß übrigens lange vor MostS Zeit schon gewisse Grade als für zu nahe selbst unter den Heiden gehalten worden sind, sehen wir daraus, daß Abraham meinte, sich damit vor Abimelech retten zu können, daß er von seinem Weibe Sarah sagte, sie sei seine Schwester. Denn dann würde Abimelech denken, Abraham sei nicht Sarahs Mann, und ihn deshalb schonen. Hieraus lernen wir, daß selbst bei den götzendienerischen Völkern Canaans schon zu jener Zeit die Geschwisterehe für einen Greuel gehalten worden ist.
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Auf den Etnwurf, daß es aber doch unbegreiflich sei, wie ein Abraham, der doch seine Schwester geehelicht hätte, und ein Jakob, der seiner Frau Schwester bei deren Lebzeiten geheirathet hatte, in der Schrift angesichts der Eheverbote unseres Capitels, in welchem solche Ehen als Greuel hingestellt werden — als solche heilige Männer geschildert werden und wir ihr Ehe-verhältniß nicht an ihnen getadelt finden, wurde zwar zunächst erwiedert: Sarah müsse nicht Abrahams leibliche Schwester gewesen sein und bei Jakob habe ohne Zweifel eine göttliche Dispensation stattgefunden; ganz ausdrücklich wurde aber hervorgehoben, daß man sich nie auf die einzelnen Beispiele gründen solle, die hin und wieder in der Schrift Vorkommen, denn das heißt sich auf das wette Meer begeben, wo man keinen Grund mehr finden kann. Wir sollen uns an die Regel halten und darnach die einzelnen Beispiele be-urtheilen und, wo wir das nicht können, die Sache Gott befehlen. —
Daß wir es hier mit relativen Naturgesetzen zu thun haben, die, wie aus den Strafen ersichtlich ist, wohl stehen bleiben sollen, erhellt auch daraus, daß Gott dieselben nicht, um so zu reden, willkührlich fordert, wie etwa beim Verbot des Essens von Schweinefleisch, was er einfach fordert, ohne einen Grund wie den hinzuzusetzen: es ist dir ungesund; nein, bet diesen Verboten lesen wir als Grund beigefügt: Es ist dein Fleisch u. s. w., das heißt, du wirst dadurch mit einer Person ein Fleisch werden, mit der du schon vorher ein Fleisch bist; du wirst damit eine der Selbstschändung nicht unähnliche Sünde begehen. —
Dem Einwande, daß aber meistens das Gefühl für Unzulässigkeit der Schwagerehe nicht vorhanden sei, wie doch bet ändern verbotenen Ehegraden, insonderheit in auf und absteigender Linie, wurde damit begegnet, daß auch bet einigen heidnischen Völkern die Ehelichung der Schwester nicht für schändlich gehalten worden sei, ja, z. B. bei den Griechen die Knabenschändung nicht für unsittlich gegolten habe, man also auch diese Schandthaten auf diese Weise rechtfertigen könnte. Wir lebten eben in der Zeit, die nach Christi Ausspruch an die Tage vor der Sündfluth erinnere, die also beschrieben wer-. den: „Da sahen die Kinder Gottes nach den Töchtern der Menschen, wie sie schön waren, und nahmen zu Weibern, welche sie wollten". 1Mos..6,2. Und wenn selbst in der Christenheit sterbende Weiber ihre Männer auffordern, nach ihrem Tode ihre Schwester zu ehelichen, wie das so oft geschieht, so ist das eben nur ein Beweis mehr, wie sehr fast durchweg die Scheu vor Gottes Gebot durch das menschliche Gefühl zu Grabe getragen wird.
Zur Abwehr des Einwandes: Wenn aber bei diesen Verboten steht: „Denn es ist ein Greuel", und dieselben deswegen zum Naturgesetz gehören, so müssen sie auch für die ersten Menschen verbindlich gewesen sein, da Gott unveränderlich ist, wurden folgende Stellen aus Gerhard und Deyling verlesen.
Johann Gerhard schreibt also: „Wir geben zu, daß der Grund des Verbotes in allen diesen Gesetzen, welche zum Rechte der Natur gerechnet
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werden, nicht gleich sei. Denn das Gesetz der Natur wird auf zweifache Weise betrachtet, wie Hemming lehrt ,Von der Ehe' S. 101; bald heißt es Gesetz der Natur schlechthin und in aller Beziehung, wie: Gott ist zu verehren, u. s. w.; dieses Gesetz der Natur ist ganz unveränderlich; bald heißt es Gesetz der Natur in gewisser Beziehung; wenn die Natur einen Zweck im Auge hat, welches die Wohlfahrt (inoolunütss) und Erhaltung der menschlichen Gesellschaft ist. Dieses Gesetz der Natur, obwohl es in Betreff des Zweckes nicht veränderlich ist, so ist es doch, wenn man die Art und Weise, wie man den Zweck erreicht, ansieht, veränderlich. Zum ersteren gehört das Verbot der Ehe zwischen Eltern und Kindern; zum anderen gehört das Verbot der Ehe zwischen Brüdern und Schwestern; denn diese wurde im ersten Anfang des menschlichen Geschlechts gestattet, heutzutage aber ist sie unerlaubt; der Zweck jedoch bleibt auf beiden Seiten derselbe, nemlich die Wohlfahrt und Vermehrung des menschlichen Geschlechts." (Doo. tli. Dy oovjuZio, § 308.)
S. Deyling läßt sich darüber so vernehmen: „In gleicher Seitenlinie wird fleischliche Vermischung, sei es, daß sie außerhalb der Ehe, sei es, daß sie unter dem Namen der Ehe geschehe, durch ein allgemeines göttliches Positiv-Gesetz*) zwischen Brüdern und Schwestern, nicht durch ein natürliches und unveränderliches verboten. Denn der Grund des Verbotes, welcher in der geraden Linie vorkommt, hört hier auf. Gott wollte nemlich, daß dergleichen Ehen zwischen den Söhnen und Töchtern Adams eingegangen würden. Also sind sie nicht an sich schändlich, noch dem Gesetz der Natur entgegen, wider das Gott nicht dispensirt." (Institutt. pruä. pnst. p. 550.)
Conrad Dieterich schreibt: „Unsere Meinung wird auch bestätigt für das 2te durch die Verknüpfung dieser Gesetze mit den Sitten-gesetzenZin einem unzerrissenen Context ohne einigen Beisatz eines Umstandes, welcher einen Unterschied bezielen möchte. Welches denn klärlich aus dem 3. B. Mos. im 18. und 20. Capitel erhellet. . . . Welches nun Gott selbst sowohl im Verbot, als Bestrafung, zusammensetzt unzertheilt und ohne allen Unterschied, das gehört auch billig zu Einem und eben dem Gesetz. Der 3te Beweisgrund entspringt aus der prophetischen Erklärung dieser Gesetze. Denn diejenigen Gesetze, so von den Propheten dem Sittengesetz Gottes oder der Natur beigezählet und deswegen die Heiden bestraft worden, sind wahrhaftig keine gerichtlichen, ceremonial- und vergängliche Gesetze (Hesek. 22, 11.). . . . Den 4ten Beweisgrund ertheilet uns die Natur derjenigen Strafe, so da den Uebertretern dieser Gesetze gesetzt ist. Denn welchen Gesetzübertretungen eine Lebensstrafe gesetzt, die sind nicht den Ceremonial- oder levitischen Gesetzen, sondern den Sittengesetzen zuzuzählen, wo nicht einen widrigen Ausspruch der selbst Text und Umstände darlegen
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*) Sollte heißen: Moralgesep, da eS im Reuen Testament kein Positiv-Gesetz im strengen Sinne des Wortes geben kan» Vgl. Röm. 13,8.
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(nisi ooLtrs-rium tsxtus et eirouurstavtias suaäsavt). Nun ist aber den Uebertretern der Gesetze von den verbotenen Graden die Lebensstrafe gesetzt im 3. B. Mos. im.18. und 20. Cap., in dem 5. B. Mos. im 27. Cap. B. 20. ff. Sind derohalben diese Gesetze nicht Ceremonial- oder levitiscke, sondern Sittengesetze. Bellarmin beantwortet diesen Grund, indem er den größeren Satz (die Najor) für unrichtig erklärt und die daraus erfolgende Folgeret leugnet, indem auch den levitischen und gerichtlichen Gesetzen gleiche Strafen beigelegt worden, da er zur Probe die Exempel'der Uebertretung des Gesetzes der Beschneidung und dessen, der gesäuert Brod in dem Osterfest ißt, in dem
2. B. Mos. 12. mit anführt. Allein wir beantworten diesen Einwurf, daß erstlich dieser unser Vernunftgrund die Erweisungskraft vereint, nicht aber zertheilt, hat; zweitens ist ein sophistischer Kunstgriff dahinter, indem nicht gleiche Sachen verglichen werden (elsvelius pnriuur), weil die Beschneidung und Osterlamm die Sacramente Alten Testaments sind, so da, ob sie zwar etwas mit dem Ceremonialgesetz gemein hatten, viel Sonderliches, von Len ändern Ceremonien gänzlich Entferntes in sich hielten u. s. w."
Derselbe: „Den 5ten Grund theilt uns der Generalbeschluß, so den Gesetzen von gewissen verbotenen Graden zugeeignet (wird), mit, in dem
3. B. Mos. 18, 5.: „der wird dadurch leben."
Auch dieser Grund, besonders wenn man ihn zusammenhält mit den übrigen Gründen, macht es sonnenhell und klar, daß 3 Mös. 18. nicht von levitischen Geboten, sondern von die ganze Menschheit bindenden Moralgeboten die Rede ist. Denn die Verheißung des ewigen Lebens, die in der angeführten Stelle an das Halten dieser Ehegebote geknüpft wird, finden wir in der Schrift nur an Moralgesetze geknüpft, nicht an Ceremonialgebote. Vielmehr strafen es die heiligen Propheten, daß man glaubte, durch Haltung der Ceremonialgebote das Gesetz erfüllt zu haben. So sagt auch der Heiland dem, der ihm die Summa des Moralgesetzes angegeben hatte: „Thue das, so wirst du leben"; das sagt er aber nie von dem Halten eines Ceremonial-gebotes. Und wenn der Apostel sagt: „das dem Gesetz unmöglich war" rc., so meint er offenbar auch das Moralgesetz; denn das Ceremonialgesetz hatten ja die Juden wenigstens zum großen Theil gehalten. Auch in der Stelle Jes. 58, 13. u. 14. wird die Verheißung des Lebens nicht an das äußerliche Halten des jüdischen Sabbaths, sondern an die rechte geistliche Feier des Sabbaths geknüpft, die, als der eigentliche Kern des Sabbathsgebotes, auch uns angeht und darin besteht, daß wir von unserm Thun ablassen und Gott in uns wirken lassen.
Dieterich fährt fort: „6tenS gründen wir diese unsere Meinung auf die Wiederholung dieser Gesetze. Denn die Gesetze, welche auch im Neuen Testament geboten und erheischt werden, sind .. sittliche Naturgesetze. Dem kleinen Satz ertheilen wir sein Wahrheitslicht erstlich aus der That Johannis des Täufers Marc. 6, 18. Zweitens bekräftiget es Pauli Hand-
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lung, da er kraft des Gesetzes von den verbotenen Graden in dem 3. B. Mos. 18, 8. Cap. 20, 11. einen Corintber, welcher seine Stiefmutter geheirathet hatte, nicht nur gewaltig anklagt, sondern sogar dem Satan übergeben hat 1 Cor. 5, 1.; in welchem Schriftart denn sonderlich zu bemerken, daß der Apostel diese Unthat so sehr verrucht vorstelle, allweil auch die Heiden nach dem Naturgesetz einen Abscheu dafür trügen." . . .
Dies ist wohl einer der gewaltigsten Gründe. Wir finden nämlich im Neuen Testament solche Grade verboten, welche zu den äußersten gehören, die 3 Mos. 18. verboten sind, den Fall mit'des Onkels Weib ausgenommen; denn die Stiefmutter steht in demselben Verhältniß wie des Bruders Weib. Sind also auch nicht alle Falle im Neuen Testament aufg zählt, die das Alte Testament namhaft macht, so find doch die wenigen, welche Vorkommen, so zwingend, daß man sich wundern muß, wie noch Jemand bezweifeln kann, daß jene Eheverbote 3 Mos. 18. auch im Neuen Testament bindend sind als Moraigesetze, denen die ganze Menschheit unterworfen ist.
Besonders klar ist die Stelle 1 Cor. 5., zu der Chemnitz in seinem HxLmsQ Oonoilii Irickcnlini Folgendes sagt: „Es scheint, daß bei den Corinthern unter den anderen Disputationen über die Freiheit, daß den Christen im Neuen Testamente, weil sie vom Gesetz frei seien, alles erlaubt sei, auch diese gewesen sei, daß zugleich mit den übrigen levitischen Gesetzen auch jenes von den im Leviticus verbotenen Graden abgeschafft sei; denn unter dem Vorwand dieser Freiheit hatte einer seine Stiefmutter genommen. Paulus aber, indem er 1 Cor. 5. sagt, daß von einer solchen Vermischung selbst die Heiden nicht zu sagen wissen, zeigt, daß jene Gesetze von den verbotenen Graden nicht ceremoniale seien, sondern Gebote des Gesetzes der Natur, welches alle Menschen und alle Zeiten betreffe. Denn es ist ein sehr starker Beweis, daß jene Gesetze im Leviticus zum Gesetz der Natur gehören, weil die heidnischen Gesetzgeber, denen das göttliche Gesetz unbekannt war, die verbotenen Grade beinahe auf dieselbe Weise zählen. Auch der Täufer, dessen Amt dem Gesetz die Endschaft brachte, bestätigt jene Verbote, denn er sagt zu Herodes: ,Es ist nickt recht, daß du deines Bruders Weib habest/" (Lxam. Oonc. Iriä. aä Kess. VIII. van. 3. KI. rn. 429 s.)
Aber auch die Stelle Marc. 6, 18. besitzt volle Beweiskraft. Denn abgesehen davon, daß wir nickt im Stanee sind zu entscheiden, ob Philippus zur Zeit, als HerodeS von Johannes gestraft wurde, noch gelebt habe oder nicht, so deutet sowohl der Wortlaut der Stelle selbst als auch der Zusammenhang darauf hin, daß es Johannes, wenn er sagt: „deines Bruders Weib", darauf ankomme, die schlimmste und ruchloseste Art des Ehebruchs zu bezeichnen, nämlich die Blutschande. Wäre es dem Täufer darauf angekommen, eine Sünde zu rügen, die damals häufig vorkam, und die vor dem jüdischen Staat keiner Rüge unterworfen war, daß einer ein Weib ehelichte, das ein Anderer mit einem Scheidebrief entlassen batte, so hätte er doch wohl gesagt: „ES ist nicht recht, daß du eines Ändern Weib habest." Nun stehen aber
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nicht nur Marc. 6, 18., sondern auch in den Parallelstellen, Matth. 14. und Luc. 3., mit großem Nachdruck die Worte „Bruders Weib", und es wäre ganz ungereimt, wenn man annehmen wollte, dieser schreckliche Zusatz, den St. Marcus noch besonders hervorhebt durch die Worte: „denn er hatte sie gefreiet", stehe gewissermaßen müßig da.
Aber selbst wenn wir zugeben, daß die Stelle Marc. 6. nicht in dem Maße zwingend ist. wie die Corintherstelle, so haben wir hier doch wieder einen Beweis für die göttliche Eingebung der heiligen Schrift, indem das tbeure GotteSwort, welches, wie eS in dem Liede heißt, „sich niemand verkehren läßt, er sei so klug er wolle", immer wenigstens eine schlagende Stelle bietet und fich auch dadurch von Worten menschlicher Weisheit unterscheidet.
Sollte aber Jemand einwenden, der Umstand, daß Johannes diese Ehe des Herodes als Sünde strafe, beweise noch nicht, daß Herodes sich gegen ein Moralgebot vergangen habe, indem es ja auch denkbar sei, daß Johannes hier eine Uebertretung des Ceremonialgesetzes rüge, so müßte man darauf Hinweisen, daß davon nicht die Rede sein kann, indem der Heiland ausdrücklich sagt, das Gesetz gehe bis auf Johannes den Täufer, habe also mit ihm sein Ende erreicht, seine Gültigkeit verloren. Damit kann aber nur das Ceremonialgesetz gemeint sein, das auch der HErr selbst und seine Jünger nicht gehalten haben; denn vom Moralgesetz lesen wir, daß davon kein Tüttelchen vergehen soll. Wie Chemnitz diese Stelle, Marc. 6, 18., angesehen habe, sehen wir aus einem Passus seiner Doc!, der so lautet:
„Zur Zeit der Freiheit des Neuen Testaments straft der Täufer aus diesen" (mosaischen) „Gesetzen den Herodes Marc. 6,18.: ,ES ist nicht recht, daß du deines Bruders Weib habest/ Johannes straft den König nicht wegen des Raubesund Ehebruchs, sondern tadelt ihn wegen der Blutschande aus dem Gesetz Mosis Lev. 18, 16. von den verbotenen Graden. Und er thut dies im Neuen Testament, als das Alte schon sein Ende erreicht hatte. Denn das Gesetz und die Propheten haben geweiffagt bis auf Johannen,, Matth. 11, 13. Woraus erhellt, daß diese Gesetze nicht zu den cere-monialen zu rechnen sind. Und Paulus unterwirft 1 Cor. 5, I. denjenigen, welcher seine Stiefmutter genommen hatte, nach diesen Gesetzen dem Banne und übergibt ihn dem Satan. Während er von den ceremonialen Gesetzen sonst sagt: ,Die Beschneidung ist nichts*, Gal. 6, 15., vgl. Col. 2, 16.. . Dieses Beweises bedient sich Paulus 1 Cor. 5,1.: ,Von solcher Hurerei wissen auch die Heiden nicht zu sagen/ Ohne Zweifel disputirte jener Blutschänder, Mosis Recht habe im Neuen Testament sein Ende; es sei daher erlaubt, seine Stiefmutter zu heirathen. Aber Paulus zeigt, daß jenes Gesetz nicht abgeschafft sei, weil die Heiden vor solcher Befleckung eine Scheu haben." (Doci 1k. k. III, KI. 206.)
„Unser 7ter Beweisgrund", schreibt Dieterich weiter, „lehnet sich auf die natürliche Einzeichnung in aller Menschen Herzen. Dies bekräftigen die Gesetze der Kaiser, das bürgerliche Recht und der Rechts-
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gelehrten Aussprüche, als welche diesen Gesetzen beistimmig. . . . Unsere Meinung ist diese: daß, was das wahre Vernunftlicht und Naturgesetz, aller klugen Heiden Herzen eingepflanzt, dictirt, sei den Sittengesetzen zuzuzählen." ...
Dieser Beweis ist ebenfalls von großer Wichtigkeit. Alle die mosaischen Gesetze treffen wir, etwa Fälle, wie das Verbot der Base, ausgenommen, auch in heidnischen Gesetzbüchern; das haben sie aus dem natürlichen Gefühl. Und wenn auch nicht gesagt sein soll, daß alle heidnischen Völker diese Gesetze haben, so ist doch schon der Umstand, daß einige Völker, während sie nichts von Mose wußten, diese Gesetze gemacht haben, ein schlagender Beweis dafür, daß diese Gesetze nicht Ceremonialgesetze sein können, sondern Moralgesetze sein müssen.
Merkwürdig ist, daß unsere beiden größten Theologen, Luther und Brenz, zuerst den unsrer These entgegengesetzten irrigen Standpunkt eingenommen haben, dann aber anderer Ueberzeugung geworden sind, und zwar Luther so plötzlich und so entschieden, daß er, während er noch im Jahre 1530 nicht nach den Graden rechnen wollte, noch in demselben Jahre Folgendes schrieb:
„Ich halte, mein lieber Spalatine, ihr werdet euch noch wohl wissen zu erinnern, daß ich euch mein Bedenken allbereit angezeigt habe in der Sache, da Einer seines Vettern Eheweib gefreiet, nemlich daß ich solche Ehe mit gutem Gewissen nicht ktznne billigen als recht, weil sie ausdrücklich nicht allein wider Mosis Gesetz (welches nicht sowohl für Mosis. als für ein recht natürlichGesetz (non tum Nosls, quam nulurue) wird angesehen), sondern auch wider beschriebene Kaiserliche Rechte und Ordnung ist. So wisset ihr, daß Unwissenheit und Betrug nicht entschuldigt; deßgleichen, daß sie lange bet einander gewesen und zu Hause gesessen sind. Ist nicht genug, daß ich mein Gewissen mit solchem Vornehmen und That wollte beschweren; er thue, was er meinet, frage aber mich nicht darum, noch nehme mich zu Rath. Mich beweget der Spruch St. Pauli 1 Cor. 5, 1. ff., der um deß-willen, daß Einer seine Stiefmutter gefreiet hatte, so erbremst und zornig ist (sie ssslusl), daß er das bei Christen nicht Ehen genannt haben will, was auch unter den Heiden nicht dafür gehalten wurde, und es eine mehr als heidnische Hurerei nennt und scheidet. Dasselbe würde er auch in diesem Falle gethan und es eine mehr als heidnische Hurerei genannt haben, weil es im Brauch und in Rechten unserer Völker auch kein solch Exempel nicht ist und ein lauterer Mißbrauch evangelischer Freiheit scheint. Ich zwar wollte diesem guten Manne gern und mit Willen dienen, und zu Gefallen sein, daß ich dieser gemeinen Regel folgete: Viel taugt nicht, noch ist recht, das doch, wenn's geschehen ist, gehalten und geduldet wird; aber das Gewissen und die neue That läßt mich ungewiß stecken. Habt also mein Bedenken und endliche Meinung davon. Gehabt euch wohl im HErrn und bittet für uns. Den 3. Martii 1530." (XXII, 1757. f. Vgl. das lat. Original in de Wette. III, 554.)
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Ebenso ging auch Brenz im Jahre 1530 noch nach den Personen, und zwölf Jahre später schreibt er in seinem Commentar zum 3. Buch Mose: „... Denn Moses hat nur einen Auszug der Blutsverwandtschaft und Schwägerschaft geschrieben und der natürlichen Vernunft überlassen, aus diesen Personen, welche er namentlich aufgeführt hat, die anderen Personen, welche ebenfalls durch das natürliche Gesetz verboten sind, zu erkennen." (Opx. lova. I. KI. 839 scA.)
Den Beschluß seiner Beweisführung macht Dieterich mit folgenden Worten: „die Uebereinstimmung der Kirchenväter und der selbsten Herren Katholiken Beifall theilt uns den 8ten Beweisgrund mit." ,
So läßt sich unter den Kirchenvätern Augustinus also vernehmen: „Im Leviticus Cap. 18. ist verboten, was auch in der Zeit des Neuen Testaments, nachdem die Beobachtung der alten Schatten abgethan worden, ohne Zweifel zu halten ist." (Huassl. supra I^svil. 64.)
Und Chemnitz schreibt: „Die ersten und ältesten Concilien haben über diese Sache nichts festgestellt. Denn sie hielten sich innerhalb der Grade welche durch das göttliche Gesetz und durch menschliche Gesetze ausgedrückt waren... In der zweiten Turonenstschen Synode um das Jahr des HErrn 577 werden im 22sten Canon erstlich die Verbote des göttlichen Gesetzes, zum ändern die Verbote der bürgerlichen Gesetze angeführt und drittens die Verbote der Synoden beigefügt." (k,oci 1k. III, 213.)
Später sind freilich die Papisten auf die albernsten Eheverbote und Begründungen derselben gerathen, bis sie sogar bis zum siebenten Verwandtschaftsgrade die Ehe für unzulässig erklärten. Von diesem Zwange wollte Luther die armen Gewissen befreien; und wenn wir sehen, daß er Anfangs zu weit gegangen ist, so müssen wir bedenken, daß er eben nicht, wie wir, Vorgänger hatte, die ihn hätten leiten können. Wir haben aber schon aus der oben angeführten Stelle gesehen, daß Luther später gar streng geworden ist, und in dieser Strenge blieb er bis an seinen Tod. Die irren also sehr, welche sich mit ihrer verkehrten Auffassung von 3 Mos. 18. auf Luther berufen ; denn man muß nicht den späteren Luther aus dem früheren corrigiren, sondern den früheren aus dem späteren, der von fich selbst sagt, daß er nicht über Nacht zum Meister geworden sei.
Die Thesis wurde, wie sie lautet, angenommen.
Thesis 2.
Die mosaischen Eheverbote betreffen (mit Ausnahme des 3 Mos. 18,14. genannten Falles) nicht allein die in denselben ausdrücklich genannten, sondern alle Personen, welche mit den Genannten in einem gleichen Grade der Verwandtschaft stehen.
Vornehmlich drei Beweise sind es, auf welche diese These sich stützt. Erstens geht den 3 Mos. 18, 7—17. ausgesprochenen Einzelverboten ein Generalverbot voran, das einen Verwandtschaftsgrad angibt; womit der
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Heilige Geist doch anzeigt, daß es hier nicht auf Dinge wie z. B. den Respekt (rsspsolus xarsnlslas), sondern auf den Grad der Verwandschaft 'ankomme. Zum ändern werden durch die Zusätze: „denn es ist deiner Mutter nächste Blutsfreundin", „denn es ist deines Vaters Blöße" u. s. w., solche Gründe angegeben, die auch für Fälle gelten, die nicht namhaft gemacht sind; wo aber dieselben Gründe Anwendung finden, da ist auch dasselbe Verhältniß. Würden wir endlich drittens nur die Personen, nicht aber die Grade ansehen, so würden mehrere Ehen, die Jeder sofort als unerlaubt erkennt, z. B. die Ehe mit des Bruders Tochter, als erlaubt gelten können, weil die betreffenden Personen nicht genannt sind. —Hierin stimmen wir auch mit den Vätern unserer Kirche.
So schreibt Chemnitz: „Die erste Regel: Weil in jenem allgemeinen Satze (Levit. 18,6.) ausdrücklich die Universal-Partikel gesetzt wird zu aller Nähe des Fleisches: so werden also in jener Nähe des Fleisches, welche Fleisches Fleisch ist, nicht nur gewisse Personen, welche Levit. 18. ausdrücklich genannt werden, sondern, wie wir gesagt haben, alle, welche Fleisches Fleisch sind, verboten." (k,oc. 1k. III. Kl. 207.)
Ferner: „Hier disputiren die modernen Juden, daß die Eben aller derjenigen Personen, welche nicht ausgedrückt seien, nicht verboten seien. Und zwar gibt das Luther in seiner ersten Schrift von der Ehe ebenfalls zu, da er nickt die Grade, sondern die Personen zählt. Nach einigen Jahren aber widerruft er dies und führt diese Verbote auf gewisse Grade zurück. Denn wenn nur die Personen zu berücksichtigen wären, so würde folgen, daß der Enkelsohn seine Großmutter heirathen könne, weil sie nicht namentlich verboten wird; während dies doch offenbar frevelhaft ist. Daher dies wohl zu merken ist, daß Lev. 18. nicht nur jene Personen verboten werden, welche daselbst namentlich ausgedrückt sind, sondern auch alle, welche in ebendemselben, gleichem oder entsprechendem Grade sind." (I^oci 1k. III. Kl. 207.)
Melanchthon bemerkt: „Der Text ist von den Graden, nicht nur von den Personen zu verstehen, wie die Juden narren 'nuAanlur)." (DxumsQ etc. R. 7. Ir.)
Conrad Dieterich sagt: „Wer da insgemein verbeut, daß man keine Blutsfreundin heirathen solle, der bezielet nicht nur die Personen, sondern auch insgemein die Grade und Stufen. Nun verbeut Gott aber insgemein die Vermischung mit Blutsfreundinnen, es geschehe nun solche gleich durch fleischliche Erzeugung, d. i., vermöge der Blutsfreundschaft, oder durch fleischliche Verknüpfung, d. i., vermöge der Schwägerschaft, oder sie seien von gleichem Geblüt oben herab stammend, als Mutter und Ahnfrau, oder unten auf stammend, als Tächter und Enkelin, oder seitwärts stammend, als Bruder, Schwester, Enkelin von Bruder oder Schwester, Vaters-Schwester, wie ingleichen auch Mutter-Schwester. Die Worte im 3. Buch Mos. 18, 6. sind klar: ,Niemand soll sich zu seiner nächsten Blutsfreundin tbun/ Es handelt also Gott in diesen Worten nickt nur von den Personen, sondern
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insgemein von den gleicheinander entgegengesetzten Graden oder Stufen. Jst'derohalben dieses göttliche Verbot nicht schlechterdings nur auf die Personen, sondern vor allem auf die in gleichem Grad Verwandten zu ziehen." (Oovsilia und Bedenken. Nürnberg, 1689. S. 138.)
Freilich. Es ist gerade, als wenn ich sage: „Du sollst keines der Kinder einer gewissen Person heirathen: nicht Peter, nicht Paul —" und höre dann auf, Namen anzuführen. Hörte dann einer, es ist noch ein Johannes da, ein Bruder des Paul und Peter, so müßte er doch auf Grund des vorangestellten Generalverbots sofort schließen: also auch den Johannes nicht.
Dieterich schreibt weiter: „Wenn dieses mosaische Verbot nur die ausdrücklich in dem 3. B. Mos. benenneten Personen, nicht aber die in gleichem Grad von einander stehenden bezielte, müßte daraus folgen, daß eine fleischliche Verknüpfung zugelaffen sei zwischen einem Enkel und der Großmutter, Großvater und Urenkelin, Bruder und leiblichen Schwester (wie es etliche auslegen), Schwester Tochter und Mutter Bruder in BlutS-freundschaft, Stiefmutter und Stiefsohn in der Schwägerschaft; weil keine ausdrückliche Meldung dieser Personen geschieht. Allein dieses ist eine ungereimte Folgerei, muß also das Vorhergehende, woraus diese Folgerei erzwungen, noch ungereimter sein." (A. a. O. S. 139. f.)
Endlich möge hier noch stehen folgende Stelle von Chemnitz: „Es ist zu zeigen, wie das Verzeichniß (noininslio) jener Personen Lev. 18. nach Graden bestimmt werden könne. Das Fundament hiervon wird in jenem Satz (ssntSntia) Lev. 18, 6. gezeigt, welcher jenen Verboten vorangeschickt wird, nemlich: »Niemand soll sich zu dem Nächsten seines Blutes oder seines Fleisches thun' (»Omnis komo ack xroximum SLNKuinis sui vsl curnis suss non accsäs.1'). Diesen Satz haben zwar die Papisten übel verstanden, es sei nemlich von allen Blutsverwandten, soweit die Verwandtschaft erkannt werden kann, abzusteheu. (Os-usa 35. Huucst. 4.) Aber der Nachdruck der ebräischen Worte d. j., Reliquien seines Fleisches, zeigt, es werde
verboten die Nächste, welche seinem Fleisch am nächsten komme, oder es werde verboten das Fleisch seines Fleisches, d. i., welche entweder aus meinem Fleisch abstammt (proxaKalu. csl), oder aus deren Flejsch ich abstamme, oder welche mit mir aus demselben Fleisch abstammt; daß nemlich auf diese Weift alle Personen meines Fleisches mir verboten sind. So ist Fleisch meines Fleisches über mir die Mutter, die Großmutter, unter mir die Tochter, die Enkeltochter; zur Seite der Bruder, die Schwester, desgleichen des Vaters und der Mutter Schwester. Und jene Nähe des Fleisches wird Lev. 21, 2. folgendermaßen aufgezählt: ,Ei« Priester soll sich an keinem Todten seines Volks verunreinigen, ohne 'an seinem Fleisch und an feinen Nahen (xroxrin-guis), d. i. an Vater und Mutter, Sohn und Tochter, auch Bruder und Schwester, die noch eine Jungfrau ist/ Und Num. 27, 8.: »Wenn jemand stirbt, und hat nicht Söhne, so sollt ihr sein Erbe seiner Tochter zuwenden;
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hat er keine Tochter, sollt ihrs seinen Brüdern geben; hat er keine Brüder, sollt ihrS seinen Vettern (''?»; — den Brüdern seines Vaters) geben;
hat er nicht Vettern, sollt ihrs "rrA, seinem Fleische geben, der der Nächste ihm ist von seinem Geschlecht (^n^v^rr^N).« Dies kommt mit jenem Satz Lev. 18. gänzlich überein und kann daraus erwiesen werden, welche Gott unter den Nächsten seines Fleisches verstanden haben will, nemlich alle, welche aus demselben Fleisch zunächst mit mir entsprungen sind. Die Siebziger haben es übersetzt seines Fleisches; aber dieses Wort hat eine
weitere Bedeutung, und kann von den Verwandten und Verschwägerten genommen werden, als die in einem oder aus einem und demselben Hause sind. Daher es durch das Wort ,des Fleisches' eingeschränkt werden muß. Hieraus ist auch das Urtheil über die Verschwägerung zu entnehmen, sofern auch in dieser Ehen verboten sind. Mann und Weib sind Ein Fleisch. Beide haben also d.sie haben Reliquien ihres Fleisches in den Verwandten des Gatten. Aus diesem Fundament und aus der übrigen Beschreibung Levit. 18. werden bestimmte Regeln festgestellt, daß und wie aus der Nennung der Personen Levit. 18. gewisse Grade geschloffen werden können." (Ikci ikcol. k. III. Kl. 207.)
Ganz ähnlich wie mit diesen Eheverboten ist es ja auch mit dem zehnten Gebot; nur steht da'umgekehrt die Generalregel am Ende, während die angeführten einzelnen Fälle vorausgeschickt sind. Nun wäre es aber sehr thöricht, wollte jemand sagen: „Des Nächsten Pflug und Rock darf ich begehren, denn diese Gegenstände sind nicht genannt", während sie doch von der Generalregel gedeckt werden.
Nun steht freilich in der Reihe der 3 Mos. 18. aufgezählten Fälle einer, nämlich die Ehe mit des Oheims Weib, V. 14., bei dem nicht ein Grund angegeben ist, der zurückgreift auf die Generalregel, wie das bei den übrigen Fällen ist, sondern ein anderer, „denn sie ist deine Base", also eine RespectS Person. Dies ist wohl zu beachten. Zwar wäre es höchst thörtcbt, aus dem Umstande, daß hier ein anderer Grund angegeben ist, schließen zu wollen, also sei dies Verbot nicht bindend; eben so thöricht, als wenn jemand schließen wollte: Weil das Stehlen nicht im sechsten Gebot verboten ist, so darf ich stehlen. Aber auch der in diesem Falle vorliegende Grad der Verwandtschaft ist verschieden von den Graden der übrigen Fälle; und da der beigefügte Grund in diesem Falle nicht auf den Grad, sondern auf ein RespectSverhältniß Rücksicht nimmt, so ist auch in diesem Falle das Verbot nicht auszudehnen auf alle Personen, die in demselben Verwandtschaftsgrade stehen, sondern vielleicht auf alle, die in demselben Re-spectsverhältnisse stehen, also etwa auf den angehetratheten Onkel und seine Nichte. ES ist deshalb auch in der These dieser Lev. 18, 14. genannte Fall als ein Ausnahmefall bezeichnet.
Ein Zeugniß für das in unserer These Gesagte aus der christlichen Kirche der ersten Jahrhunderte führt Chemnitz an; er schreibt: „Ein ge-
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wisser PalernuS wollte seinen Sohn und seine Enkelin aus seiner Tochter verehelichen, so daß der Bruder die Tochter der Schwester nähme, sonderlich, weil jener Bruder von einer anderen Mutter geboren war, als die Schwester, deren Tochter er begehrte. Darüber fragte er Ambrosius um Rath. Dieser aber antwortete: Diese Befragung sei sowohl des Großvaters als deS Vaters unwürdig und er müsse seine Absicht aufgeben. . . . Palernus prä-tendirte, daß solchen Personen im Leviticus nicht ausdrücklich verboten werde, sich zu heirathen. Ambrosius antwortet: es werde auch nickt ausdrücklich verboten, daß der Vater seine Tochter heirathe, und doch zweifle niemand daran, daß dieses verboten sei. Also bezieht Ambrosius die Verbote im Leviticus nicht nur auf die ausdrücklich genannten Personen, sondern auf die Grad e." (Doci 1k. III, 212.)
Ein schönes Zeugniß für die Wahrheit in diesem Stücke legte in neuerer Zeit Benedict Bock, Generalsuperintendent von Oettingen, ab. Der Fürst von Oettingen wollte nämlich eine Schwagerehe eingehen, und auf seine Frage erklärten die meisten Glieder seines Ministeriums eine solche Ehe für erlaubt. Bock aber ließ sich hiezu nicht bewegen; in seinem Gutachten findet sich folgende Stelle: „Die Ursache des Verbots ist a propinc^uilulc skMAllinis hergenommen; wenn nun die Personen, die in Einem Grade stehen, nicht zugleich verboten (wären), so ist die Ursache des Verbots » xroxiuynitattz sanZuinis ungiltig; denn wenn sie bei etlichen Personen Eines Grades nicht giltig, dieselbe zu verbieten, woher hat sie denn die Kraft, die ändern zu verbieten?" (Unterschiedliche Streitschriften rc. über die Frage: Ob Gott verboten rc. Oettingen. 1682. S. 44.)
Die Thesis wurde in der oben gegebenen Form angenommen.
Thesis 3.
Die Stelle 3 Mos. 18,18. handelt a. entweder gar nicht von der Schwagerehe, sondern allein von der Polygamie, k. oder sie sagt nichts Bestimmtes weder über die Rechtmäßigkeit noch über die Unrechtmäßigkeit dieser Ehe aus.
Die Worte aus 3 Mos. 18, 18., welche zu der Ansicht führen können, es sei hier von der Schwagerehe die Rede, sind diese: „du sollst auch nicht deines Weibes Schwester nehmen." Nun heißen aber die Worte des hebräischen Grundtextes (NjZi) NVdri) in wörtlicher Uebersetzung: „Und ein Weib zu ihrer Schwester sollst du nicht nehmen"; und in allen Fällen, wo es im Grundtext des Alten Testaments heißt: „ein Weib zu ihrer Schwester" oder „ein Mann zu seinem Bruder" (nrinrr^rr rirsr« oder V'rZ), bedeutet diese Phrase so viel wie Eine zur Ändern oder Einer zum Ändern. So 1 Mos. 13, 11. 2Mos. 16, 5. 4Mos. 14,4. Jer. 23, 36. Jer. 25, 26. und Mal. 2, 10., wo überall Von Menschen die Rede ist; aber auch von leblosen Gegenständen, wie 2 Mos. 37, 9.,
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wo dieselbe Phrase von den Antlitzen der Cherubim auf der Bundeslade, 2 Mos. 26, 5. u. 6., wo sie von Vorhängen, V. 17., wo sie von Brettern, Hesek. 1, 9. und 23. und Cap. 3, 13., wo sie von Flügeln, und Joel 2, 8., wo sie von Heuschrecken gebraucht ist. Wenn wir aber finden, daß eine solche Redeweise in allen ändern Fällen ohne Ausnahme in einer gewissen Bedeutung gebraucht ist, unv zwar auch in solchen Fällen, aus denen hervorgeht, daß in dieser Phrase die Wörter ihre ursprüngliche Bedeutung verloren hatten, so wäre es höchst be enklich, in einem Falle von dem konstanten Sprachgebrauch abzugehen. In diesem Sinne spricht sich auch Fecht aus, wenn er schreibt:
„Es ist unstatthaft, daran zu zweifeln, daß Lev. 18,18., wo es heißt (nach Luthers Ueberietzung): ,Du sollst auch deines Weibes Schwester nickt nehmen neben ihr' (Nulicrcm ad sororcm non accipito), die simultane Polygamie verboten sei, da jene Redeweise niVi« in der ganzen heiligen Sckrift, wo sie sehr häufig und allein im 26. Cap. des Exodus viermal, und nie in einem ändern Sinne vorkommt, niemals etwas anderes, als, eine zur Anderen' bedeutet. Warum soll sie daher allein an dieser Stelle auf einen anderen und zwar ungebräuchlichen Sinn mit Gewalt gezogen werden? da überdies Gott mit Fleiß in diesem Verse die Redeform umändert, und während er vorher gesagt hatte: »Decke die Blöße deines Vaters nicht auf, decke die Blöße deiner Tante (matcrtera) nicht auf, decke die Blöße deines Bruders nicht auf' und so weiter, und stets in inünitnw, nun spricht: .Nimm ein Weib zur anderen nicht' und die Ursache beifügt: zum Aengstigen, da doch der rechten Frau nicht nur die Schwester, nach dem Exempel der Rahel und Lea, sondern jede andere, nach dem Exempel der Hanna, welche daher die Peninna NtDL,, ihre Bedrängerin" (Luther: Widerwärtige), nennt 1 Sam. 1, 6., lästig sein kann. Wie dunkel aber und uneigentlich ist es gesagt: nxinrr-'?« NVNi; was heißt das: ,Und Weib zur Schwester sollst du nicht nehmen'? Warum hätte Gott nicht vielmehr eigentlich geredet, wenn er eigentlich hätte verstanden sein wollen: d. i. du sollst nicht nehmen dir die Schwester deines Weibes zum Weibe? Endlich wie martern und quälen sich gleichsam die Interpreten in der Auslegung dieses Zusatzes zu diesem Satze: d. i. weil sie noch lebet? Damit nemltch daraus nicht der Schluß gezogen werde, daß nach dem Tode des Weibes deren Schwester geehelicht werden könne, die doch mit dem Manne durch ein ebenso enges Band des Fleisches verbunden ist, wie die vom Bruder hinterlaffene Wittwe, welche nach dem göttlichen Gesetz nicht geehelicht werden darf! Während nach unserer Meinung der Sinn aller und jeder Worte so hell und klar ist: daß nur Ein Weib zugleich geehelicht werden dürfe, damit nicht aus mehreren unter den Eheleuten eine Verbitterung entstehe, und daß nach dem Tode derselben der Mann von dem Gesetze los ist, welches ihn bei Lebzeiten derselben verband. 1 Cor. 7, 39. Ich wundere
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mich, daß diese Gründe den großen Schriftausleger vr. A. Calov nicht haben bewegen können, jener Meinung ohne allen Zweifel zuzusttmmen, sonderlich da Grotius nicht in Abrede stellt, daß dies die konstante Meinung der Karaiten von dieser Stelle sei, welches, obgleich es heutzutage ein kleiner Haufe der Juden ist, doch stets eine besondere Secte der Juden war, in die das ganze Judenthum neben den Rabbäniten zertheilt ist, die nemlich einzig und streng am Buchstaben der Schrift hangen. Es darf auch Niemanden der gewöhnliche Einwurf irre machen, daß alles Uebrige in diesem Capitel eigentlich genommen werde. Denn diejenigen Redeformen, welche in sprüch-wörtlicher Rede einmal alle eigentliche Bedeutung verloren haben, wenn z. B. die Lateiner sagen: ovo ad mala' d. i. vom Ei bis zum Obst, die
Ebräer: .Sein Weib erkennen', und ähnliche, so werden sie darum nicht wieder zu eigentlichen Redeweisen, selbst wenn sie mit noch so vielen anderen eigentlich genommenen Redeformen verbunden werden. Noch weniger steht dem entgegen, daß man bei Clericus und anderen Vertheidigern der gegen-theiligen Meinung gemeiniglich sich auf die stete Praxis der Juden und auf den (mit derselben) übereinstimmenden Sinn dieser Stelle beruft. Denn wenn das ganze Judenvolk im Sinne der ersten Einsetzung der Ehe betreffs der Unauflösbarkeit des Ehebandes, wie dies Christus zeigt, irren konnte, was ist's Wunder, daß alle Juden im Sinne derselben Einsetzung ebenso wie in dem der Stelle des Leviticus betreffs der Einschränkung der Ehe nur auf zwei Personen irren? Und da düse und zwar auf so starken Gründen ruhende Meinung die der bedeutendsten Theologen von Hafenreffer an gewesen ist, so muß der nicht sowohl die Bescheidenheit, als die Vernunft ab-legen, welcher eben dieselbe den Orthodoxen (das Wort, wie gewöhnlich, zum Spott gebraucht) und den Sectirern, welche die Thesis nur deßwegen festhielten, damit sie nicht als fallibile Päbste erschienen, zuschreiben wollte." (küilocalia sacra. 1717. p. 49 syy.) Es vertheidigt diese Auslegung auch Dannhauer in seiner IbcoloLia casualis p. 266.
Aehnlich redet die Leipziger Facultät in einem Gutachten vom Jahre 1695; es heißt daselbst: „Daß man vorgeben wollen, es sei, des verstorbenen Weibes Schwester zu heirathen, Lev. 18, 14. ex xaritatc ^radus nicht absolute verboten, weil V. 18. eine cxprsssa limitatio dabei stehe: .Weil sie noch lebet'; dahero zu schließen, daß solche nach ihrem Tode zu-gelaffen: solches rühret ex lAuorautia idiotismi liuSuae sanctae und daher entstehender mala Interpretatione textus her, kraft welches läiotisml das B. 14. ex paritate Zrsdus ergangene Verbot V. 18. nicht limitirt, sondern ein ganz neues Verbot der bi^amiae und pol^Zamiac simultaueae vorgeschrieben wird. . Allermaßen der Haupttext zwar von Wort zu Wort also lautet: »Und eia Weib zu ihrer Schwester sollst du nicht nehmen, zu ängstigen, ihre Schande zu blößen, über sie, weil sie lebet'; aber vermöge des idiotismi bsbrasae liuSuae keinen anderen Verstand haben kann, als diesen: ,Du sollst kein Weib zu deinem Weibe nehmen, sie zu ängstigen' rc.
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In welchen Worten sxplicltc die pol^amia simultanes, verboten, und dabei implicite die succcssiva »erstattet ist. Denn das heißt die hebräische tormula NVU—uxor ad sororcm ejus L. c. uua ad aliam. Wie
aus Exod. 26, 5. 6. Ez. 1, 9. 3, 13. zu sehen. Welchem nach dieser Text auf gegenwärtigen casum gar nicht mag gezogen werden." (Auserles. Bedenken. S. 9VV f.)
Anonymus: „Nicht eben paffend würde man von einem Manne, welcher zwei Schwestern zur Ehe nähme, sagen: Er hat das Weib zu ihrer Schwester; die Redeweise wäre vielmehr umzukebren und zu sagen: Er hat die Schwester zu seinem Weibe genommen, oder er hat die Schwester zu ihrer Schwester genommen." (Unterschiedliche Streitschr. S. 312.)
Wenn man Chemnitzens Ausspruch festhält, daß die Theologie nichts Anderes sei als eine Grammatik der heiligen Schrift, wir also bei der Grammatik bleiben müssen, um die rechte Theologia zu haben, und nun die Wort-zusammenstellung: isoba sl aebotab nach dem konstanten Sprachgebrauche von 1. B. Mose bis Maleachi nichts Anderes heißt als: eine zur ändern, so hat man kein Recht, auf die ursprüngliche Bedeutung jedes einzelnen Wortes für sich zurückzugehen und statt zu übersetzen: du sollst nicht eine zur ändern nehmen, zu übersetzen: du sollst ein Weib nicht nehmen zu ihrer Schwester. Bleibt man bei diesem Idiotismus der hebräischen Sprache, wie derselbe zuerst von Hafenreffer nachgewiesen worden ist und wonach darin ein Verbot der Polygamie liegt, dann fallen auch die Schwierigkeiten weg, die der ändern Auslegung durch die Zusätze: „ihr zuwider", „dieweil sie noch lebet", bereitet werden; dann ist alles klar und einfach. Zwar haben schon von unfern älteren Theologen einige diese Auslegung bestreiten zu müssen geglaubt, wie besonders Johann Gerhard. Der Einwand, den sie dagegen erheben, ist z. B. in der Pfaff'schen Bibelerklärung kurz so zusammengestellt: „Andere übersetzen hier die Worte so: du sollst kein Weib zur ändern nehmen, ihr zuwider, weil sie noch lebet. Und demnach wäre hier die Zwei- und einfolglich auch die Vielweiberei verboten. Es litte dies die hebräische Redensart, wenn hier nicht in Verbietung der allzunahen Ehen die Worte in eigentlichem Verstände zu nehmen wären." Nun aber läßt sich leicht zeigen, daß dieser Einwand ein unbegründeter ist; denn er setzt als bewiesen voraus, daß auch in V. 18. noch ein Verbot einer allzunahen Ehe enthalten sei, wie in den vorhergehenden Versen 6—17.; daß also V. 18. mit dm vorhergehenden Verboten allzunaher Ehen zusammengehöre. Allein diese Voraussetzung ist nickt durch Gründe bewiesen und doch ist sie, als die Grundlage des Einwandes, es gerade, die hätte bewiesen werden sollen. Denn das ist ja gerade die Frage, auf die es ankommt, ob V. 18. mit den vorhergehenden Verboten allzunaher Eheverbindungen oder ob er mit den nachfolgenden Verboten anderweitiger geschlechtlicher Greuel zusammenzunehmen sei. Der Einwand beruht somit auf einer pctitio principii.
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Nun aber liegen außer den schon genannten noch folgende wichtige Gründe vor, welche darauf Hinweisen, daß V. 18. vielmehr mit dem Nachfolgenden zusammengenommen werden müsse. Einmal beginnen V. 18—24. alle mit der gleichen Verbindungspartikel l (und), was bei den vorhergehenden Eheverboten V. 6—17. nicht der Fall ist, die ohne solche Partikel an einander gereiht werden. Dazu kommt die Theilung des hebräischen Grundtextes. Während nämlich die einzelnen Eheverbote V. 6—17. jedesmal von einander geschieden sind durch das Zeichen der sogenannten geschlossenen Textabtheilung (Kctbumab), findet sich dieses Zeichen nach V. 18. nicht bis zum Schluffe des Capitels, womit angedeutet ist, daß V. 18. mit dem Folgenden dem Inhalte nach zusammengehöre und ohne längere Unterbrechung zusammengelesen werden solle. Das Alter dieser Abtheilungszeichen im hebräischen Urtexte ist ein unbestrittenes und es ist wahrscheinlich, daß sie aus den frühesten Zeiten des öffentlichen Vorlesens der heiligen Schriften, wenn nicht gar von den Verfassern der alttestamentlichen Bücher selbst herrühren. Ist nun durch die Textbeschaffenheit selbst angezeigt, daß das Verbot V. 18. von den vorhergehenden Verboten allzunaher Ehen zu trennen sei, so ist damit der Haupteinwand gegen die Richtigkeit der Hafenreffer'schen Erklärung dieses Verses beseitigt.
Darauf wurde erwidert: 3 Mose 18, 18. handle nicht von der Polygamie. Dies erhelle erstens aus dem Zusammenhänge. Das Verbot der Ehe wegen naher Verwandtschaft werde V. 6. in allgemeiner Form gegeben und in den folgenden Versen im Besonderen, in einzelnen Beispielen ausgeführt. Daß V. 18. das letzte in dieser Reihe der besonderen Eheverbote wegen naher Verwandtschaft enthalte, zeige die enge Verbindung, in welcher dieser Vers mit dem vorhergehenden V. 17. stehe. In V. 17. sei nämlich dem Israeliten verboten, zu seinem Weibe noch dessen Tochter oder Enkelin, also dessen Blutsverwandte in absteigender Linie, zur Ehe zu nehmen, und V. 18. wird ihm verboten, zu seinem Weibe noch dessen Schwester, also dessen Blutsverwandte in der Seitenlinie, zu ehelichen. So bilde V. 18. mit V. 17. ein einheitliches Ganzes: das Verbot der Ehe mit Blutsverwandten des Weibes in absteigender Linie und in der Seitenlinie. Daß diese Auffassung des Zusammenhanges von V. 18. allein richtig ist und daß derselbe nicht etwa zum Folgenden zu ziehen ist in der Weise, daß darin das erste in der Reihe von Verboten anderer Greuel wider das 6te Gebot, welche bis V. 23. aufgeführt werden, enthalten wäre, ist schon daraus ersichtlich, daß V. 19 23. gar nicht mehr auf Ehe und Ehehinderniffe Bezug genommen wird, und sie also eine Gruppe für sich bilden. Gehört demnach V. 18. zu dem mit V. 6. beginnenden Abschnitt, so kann darin nur ein Verbot der Ehe wegen naher Verwandtschaft, nicht aber der Polygamie enthalten sein. — Es könne aber diese Stelle zweitens auch deswegen nicht von der Polygamie handeln, weil sonst alle Israeliten, welche mit mehr als Einem Weibe in der Ehe ge-lebt haben, nach V. 29. in einer Todsünde gelebt hätten. Aber nirgends
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im Alten Testamente werde Vielweiberei, welche doch unter den Israeliten üblich gewesen sei, gestraft; auch nirgends erwähnt, daß ein Heiliger des Alten Bundes deswegen Buße gethan habe: vielmehr zeigten 5 Mose21,15. ff. und 2 Mose 21, 7. ff., daß den Israeliten um ihrer Herzenshärtigkeit willen, zur Verhütung ärgerer Greuel, die Polygamie von Gott zugelaffen war, trotzdem dieselbe mit dem ursprünglichen Willen Gottes, wie derselbe bet der Stiftung des Ehestandes 1 Mose 2,^ 24. geoffenbaret ist, im Widerspruche stehe. Auch solle man bedenken, daß Gott selber zu David sagt 2 Sam. 12, 8.: „Dazu habe ich dir seine Weiber gegeben in deinen Schooß." Wäre es deswegen nicht am sichersten, bei der Auffassung Luthers zu bleiben, wie dieselbe in seiner Uebersetzung von 3 Mose 16, 18. ausgedrückt ist? Wohl müsse Jeder zugeben, der Ausdruck „eine zur ändern" sei ganz hebräische Redeweise; aber es könne nicht bewiesen werden, daß in einem paffenden Zusammenhänge, wie der statthabende, diese Worte nicht auch in der eigentlichsten Bedeutung von den Hebräern gebraucht sein könnten. Namentlich verliere die wörtliche Auffassung alles Befremdliche, wenn man die V. 18. gebrauchte Ausdrucksweise: „und ein Weib zu ihrer Schwester sollst du nicht nehmen", vergleiche mit der ganz ähnlichen V. 17.: „ein Weib und ihre Tochter sollst du nicht nehmen". Es sei doch bedenklich, von der Auslegung der meisten und bedeutendsten Ausleger der lutherischen Kirche abzugehen, zu welcher sich auch die Weimarsche Bibel, ja selbst die neueren Ausleger bekennen.
Dagegen wurde hervorgehoben: Wenn man sich auf Luther und andere rechtgläubige Ausleger beruft, um die Meinung zu stützen, in unsrer Stelle sei die Schwagerehe verboten, so thue man dies mit Unrecht, da man nicht behaupten könne, sie würden die Auslegung, auf die erst Hafenreffer aufmerksam gemacht hat, verworfen haben. Sie hatten dieselbe eben nicht als Gegensatz zu ihrer Auslegung vor sich. Uebrigens bleibe die erste Autorität der heiligen Schreiber selbst und nicht die der auslegenden Theologen. Und daraus, daß Gott diePolygamie tolerirt habe, könne nickt bewiesen werden, daß dieselbe sei erlaubt gewesen. Im Gegentheil werde schon 5 Mose 17, 17. den Königen die Polygamie verboten: „Er soll auch nicht viel Weiber nehmen, daß sein Herz nicht abgewandt werde." Auf dies Letztere wurde erwidert, aus dem „nicht viel Weiber nehmen" könne man nicht behaupten, daß darin die Polygamie verboten sei; denn es heiße auch: „allein daß er nicht viele Rosse halte, er soll auch nicht viel Gold und viel Silber sammeln." Daraus folge doch, daß hier nicht mehrere zu einem in Gegensatz gestellt würden, sondern viele zu mehreren. —
Da sich die Synodalconf.renz bewußt war, daß durch die verschiedene Auslegung von 3 Mos. 18, 18. der Beweis für das Verbot der Schwagerehe nicht beeinträchtigt würde, da derselbe wo anders läge, so kam man überein, sich nicht länger bei den verschiedenen Auslegungen aufzuhalten, sondern zum 2ten Theile der These überzugehen:
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b. oder sie sagt nichts Bestimmtes weder über die Rechtmäßigkeit noch über die Unrechtmäßigkeit dieser Ehe aus.
Dieser Theil der Thesis wurde begründet mit den Folgerungen, die man etwa ziehen würde aus dem Wortlaute von V. 18., und mit der Schwierigkeit, die Gemeinde zu überzeugen, wenn diese Worte gegen die Schwagerehe gerichtet sind. Aus den Worten: „ihr zuwider" könnte man folgern: also darf man die Schwester heirathen, wenn die Frau damit zufrieden ist; oder aus dem Wort „Schwester": eine andere darf man wohl heirathen, nur die Schwester nicht. Thatsache ist, daß die Vertheidiger der Schwagerehe sich auf das Schlußwort berufen: „weil sie noch lebet". Deshalb, sagen sie, darf man die Schwester der verstorbenen Frau ehelicken. Zwar gilt hierbei allerdings die Regel: Aus dem Stillschweigen der Schrift ist nicht zu. folgern, sondern daraus geht nur die Verpflichtung hervor, an einer ändern Stelle das zu suchen, was nicht gesagt ist. Auch wurde dazu folgendes Citat verlesen:
C. Dieterich: „Was aus dem 3. B. Mos. im 18. Cap. V. 18. der Jesuit (Bellarmin) vorbringt, die Ehelichung des Weibes Schwester bei der anderen Lebenszeit betreffend, woraus der Jesuit in umgekehrtem Verstand eine Zulassung dieser Ehe nach der Schwester Tod erzwingen will, antworten wir darauf: 1. Indem wir dieses leugnen. Basilius spricht, es sei allzu verwegen, wenn man aus demjenigen, was geschrieben und befohlen ist, das, was nicht geschrieben und befohlen ist, erzwingen will. Und die Rechts' gelehrten bekräftigen, daß die Beweisgründe, so sich auf das Entgegengesetzte gründen, untüchtig, indem daraus etwas Abgeschmacktes zu erzwingen. 2. Ist ein sophistischer Rank wegen der gebräuchlichen Schriftrede. Denn nach Art der Schrift bedeutet dieser angehängte Beschluß eine ganz unzweifent-liche Verneinung; als in dem 2. B. Sam. 6, 23.: ,Es hatte Michal, Sauls Tochter, kein Kind bis an den Tag ihres Todes.' vrgo hat sie nach ihrem Tode ein Kind gehabt?! Daß er sich aber dieser Redensart bedient, waren zwei Ursachen: 1. Das Exempel Jakobs, als welcher zwei Schwestern geehelicht; damit nun auch niemand diesem Exempel nachabmen möchte, hat Moses^dieses Verbot hinzugesetzt. 2. Die ungeziemenden Lüste der Juden in der Scheidung von ihren Weibern." (Ooosilia und Bedenken. S. 201. f.)
Doch wurde erwogen, welche Schwierigkeit es haben würde, jemanden ganz gewiß zu machen, hier sei die Schwagerehe verboten, wenn die Person sich darauf steifen würde: aber hier steht doch: „weil sie noch lebet." — Hierbei wurde gefragt: Ob denn das etwas Gefährliches in sich schließen würde, zu sagen, dieser Theil der Verordnungen handle allerdings von der Schwagerehe und enthalte eine Nachgebung an die Juden und stehe eigentlich nur als ein Gesetz für die Juden da?
Darauf wurde geantwortet: Damit würde man das ganze Capitel über Bord werfen, das doch, wie wir gesehen haben, allen Menschen noch heute gilt. Denn wie könnte man jemanden davon überzeugen, daß,
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was im ganzen Capitel Allen verboten ist, nicht am Ende auch nur den Juden verboten sei? Und daß das, was in diesem Verse den Juden erlaubt ist, nicht auch Anderen erlaubt sei?
Aus dem nachfolgenden Gutachten der Wittenberger theol. Facultät vom I. 1596 ersah man freilich, daß gottselige Theologen geglaubt haben, daß in V. > 8. eine Toleranz für die Juden allein liege. Aber das ist nur ein Zeichen für das Festhaltenwollen dieser Theologen an Gottes Wort, die da meinten, auf jeden Fall diese Stelle zur Stützung des Verbotes der Schwagerehe retten zu müssen. Sie wollten lieber alles hergeben, als vom Worte weichen; aber sie bedachten nicht, daß sie damit sich eigentlich allen Grund und Boden unter den Füßen wegzogen.
Das Gutachten der genannten Facultät lautet: „Wir halten es dafür, daß angezogene Worte »weil sie noch lebet' nicht vergebens gesetzt, sondern eine lacitam pcrmissioncm und Zulassung bedeuten, daß nemlich Einer nach seines Weibes Tode ihre Schwester ehelichen möchte, doch also und mit dem Bescheide, daß solche Nachgebung und lolcranlia sich weiter nicht, denn bei währender jüdischer Polizei erstreckt, auch kein Recht daraus gemacht, sondern dafür gehalten würde, daß Gott aus großer Langmüthigkeit des halsstarrigen und üppigen Volks Weise geduldet habe, wie St. Paulus redet Act. 13.; und wie Gott in den Patriarchen Abraham und Jakob solche Ehe geduldet, die er doch nachmals in seinem Gesetze ernstlich verboten; wie denn gleichergestalt unser HErr Gott den Juden nicht von Rechts wegen und daß er es gebilligt hätte, sondern um ihres Herzens Härtigkeit willen hätte nachgegeben, daß Einer seinem Weibe einen Scheidebrief geben, sich von ihr sondern möchte, damit nicht etwas Aergeres, als Todschlag oder dergleichen, aus widriger Ehe erfolgte, Deut. 24.; welches aber der HErr Christus Matth. 19. widerspricht und aufhebt." (Oonsil. VfitcdcrA. IV, lol. 66 d.)
Man meinte, man könne die Sache vielleicht so klar machen, daß der erste Theil: „Du sollst auch deines Weibes Schwester nicht nehmen neben ihr, ihr zuwider", universales Verbot sei, worin die Schwagerehe verboten wäre, daß aber das: „weil sie noch lebet", specieller Natur sei und zu den Juden gesagt wegen des Beispieles des Erzvaters Jakob.
Hierzu wurde ein Bedenken von Spener mitgetheilt: „Nun möchte zwar solcher Erklärung und Ausspruch entgegen stehen, daß 3 Mos. 18, 18. zwar die Schwägerin mit deutlichen Worten, aber mit dem Zusatz verboten werde: »Neben ihr, ihr zuwider, weil sie noch lebet'; woraus nicht zu leugnen, daß unterschiedliche gelehrte Leute solcherlei Ehen, da zwo Schwestern nach einander geehelicht worden sind, nicht verboten haben, sondern sich vielmehr dieser Ausflucht gebraucht: daß wo die Ursache des Verbots aufhöre, so werde damit auch das Gebotselbst aufgehoben. Ich leugne auch nicht, daß solcher Einwurf nicht von geringem Schein ist, sodann, daß die Ursachen, welche angezogen werden, warum Gott zu dem allgemeinen Verbote eine solche Special-Ursache, die jenes enger einzuziehen scheint, angehängt
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habe, nicht alle von gleicher Würde, und so bewandt, daß sie einem harten Widersprecher ein völlig Genüge allemal geben. Daher wo nicht die vorigen angeführten Gründe der allgemeinen Regel und der in noch weitere Grade erstreckten Verbietung mich in dem Gewissen zur Genüge überzeugten, ich solche Restriktion glaublich achten würde. Ich finde aber jene so stark, daß, ob ich wohl keine genügsame Ursache solches besonderen Zusatzes finden sollte können (wie dennoch unterschiedliche der Unsrigen anziehende auch so bewandt, daß sie nicht zu verachten sind), mir schon genugsam sein sollte, aus jenen kräftigen Rationen die Wahrheit also zu erkennen, daß der andere Zweifel die Strafe nicht aufhebe. So ist's nicht eben ungemein, daß^einige Dinge zuweilen in göttlichem Wort sich finden, die ihre Difficultäten haben, da wir aber, wo wir aus ändern unzweifeligen Orten der Wahrheit einer Sache überzeuget sind, uns an andere dunklere oder in Zweifel gezogene Worte nicht also halten, daß wir jene Wahrheit drüber fahren lassen wollten, sondern diese gilt dermaßen bei uns, daß wir alsdann lieber jene mit einer commoda Interpretatione damit zu vereinbaren suchen. Daß deswegen jene Regel Lasilii Ü4. wobl statt bat: vx eo» czuod scriptum est» non teurere coHiZcudum, yuod scriptum non est. Sodann der Juristen ^.xiomn: ^.rZumentum a contrario sensu non proceders, cum inde seczuitur absurdum." (Bedenken vom I. 1681. II» 539. f.)
Thesis 3. wurde hierauf angenommen.
Thesis 4.
Daß das Eingehen einer Ehe mit des verstorbenen Weibes Schwester von Gott verboten sei, erhellt daraus: 1. daß dieselbe durch die 3 Mos. 18, 6. vorangestellte Generalregel verboten ist; 2. daß eine Ehe in ganz demselben Gradverhältniß, nemlich mit des verstorbenen Bruders Weib, 3 Mos. 18,16. 20, 21. ausdrücklich verboten ist; 3. daß die Ehe mit des verstorbenen Weibes Tochter, 3 Mos. 18,17. gerade darum, weil sie des Weibes Fleisch sei, verboten ist.
Diese These führt uns auf die eigentlicke Hauptfrage, wie nämlich gerade von der Schwagerehe bewiesen werden könne, daß sie von Gott verboten sei. Ehe man jedoch auf die Beantwortung dieser Frage eingeht, dürfte es am Platze sein, erstens darauf hinzuweisen, daß Gott auch in diesem Stücke unserer Kirche die Wahrheit schon durch Luther hat klar verkündigen lassen, und daß Letzterer nicht etwa zweifelnder Weise bald so bald anders geurtheilt habe, sondern sich dessen wohl bewußt war, daß ihn Gott von geringerer zu größerer Klarheit geführt hatte. Er schreibt am 10. December 1543 an vr. Hesse: „Wie? Sein in euerm Lande nicht Frauen noch Jungfrauen genug, daß man so nahe muß freien im ändern und schier noch näherm Grad, als die Schwestertochter oder zwo Schwestern nach einander? Ja, es hat etwa der Luther ein Zeddel lassen ausgehen, daß solche Grad ziemen; hat
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man aber nicht dagegen andere folgende Bücher auch mögen ansehen, da solch-corrigirt oder, so mans sagen wollt, renovirt ist?" (Luthers Briefe, herausgegeben von de Wette. V, 606. f. Vgl. Luthers Werke, Hall. A. XXI, 1570.)
Zum ändern dürfte es von Nutzen sein, zu erfahren, wie es doch gekommen sei, daß, nachdem uns Gott diese Wahrheit hat erkennen lassen, die jetzt so vielfach vertretenen irrigen Ansichten Eingang und Verbreitung gefunden haben. Und da findet man denn daß die Absichten hoher Personen, solche Ehen zu schließen, zuerst Rechtsgelehrte und Theologen, welche von solchen Herren zu Rathe gezogen wurden, unv dir sich Dadurch bei ihren Herren in Gunst setzen oder erhalten wollten, veranlaßt haben, solche Ehen für zulässig ;u erklären. Ausführlicher schreibt darüber
V. E. Löscher: „Die Frage über des verstorbenen Weibes Schwester scheint die erste und meiste Gelegenheit gegeben zu haben, daß Etliche das Verbot auf die Personen allein eingeschränkt. Wenn man abe, die Geschichte dieser Controverse ansieht, so ist der Zaun erst großen Herren zu gefallen durchbrochen worden und hat also das Vorurtheil des Fleisches, hier des üppigen, dort um seines Vortheils willen schmeichelnden, den Anfang gemacht. Bucholtzer, Bruckner und zuletzt die Oettingenses haben außer allem Zweifel großen Herren zu gefallen gesprochen. Es geht damit eben, als beim Abfall vom Evangelio: wenn ein Herr erst durch Wollüste oder Staatsabsichten in seinem Herzen abgefallen, so sucht er sowohl sein Gewissen selbst einzuschläfern, als auch vor der Welt dem Abfall einigen Schein zu geben; stellet daber Colloquia an, oder laßt Fragen und vukia an die ergehen, deren Heuchelei er insgemein schon versichert ist; und damit man's nicht so leicht merke, wird auch wohl ein und anderer Redlicher mit eingeschoben; alsdann soll die Ueberzeugung sicher sein. So geht es in verbotenen Ehen. Erst siegt das Fleisch in der Neigung, Begierde und Vorsatz; den sucht es zu rechtfertigen, und wünscht, das göttliche Verbot möge einen ändern Sinn haben; endlich wird es stärker und determinirt die gefangene Seele, solchen Sinn wirklich anzunehmen; hierauf sucht es wider den allgemeinen Sinn sich zu befestigen und zu beschönen durch Beipflichtung Anderer. Nun ist nichts in der Welt so fleischlich und sündlich, welches nicht durch Schmeichelei approbirt würde. Das Fleisch ist arglistig und sieht sich vorher wohl um, wo es sich des, Consensus versichern darf; da fällt es hin und, wenn es nur Einen erhalten, so stopft es gegen allen noch so gründlichen Widerspruch die Ohren zu, damit es in seiner Sicherheit nicht irre gemacht werde. Das ist wohl die erste Duelle, dadurch das göttliche Verbot in unserer Kirche verkehrt worden. Als Herzog Augustus Philippus in Holstein auf diesen Weg gerieth (1650), hätte er wohl keinen lutherischen Theologen angetroffen, der (sich) seiner Jntentio gefügt (hätte). Er hatte aber wohl von einem und anderem Iurisconsulto gehört, daß sie dem Gewissen am ersten die Schranken eröffnen würden. So mußte es Bucholtzer zu Rinteln sein, der einem großen Herrn nach seinem
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Wunsch und Willen antwortete. Dieser gelehrte Jurtsconsultus mußte sich hernach defendiren, und seine Schüler ließen von dem Vorurtheil der Auto-rität sich desto lieber einnehmen, je angenehmer es war, solches mit dem vorigen Lrasjuäioio des Fleisches zu verbinden. Unterdessen ein und anderes Exempel schien noch nicht so großen Schaden zu thun und die neuaufgeworfene Erklärung dieser JuriSconsultorum ward für Privatmeinung angesehen, ... bis endlich zu unseren Zeiten die Bosheit des Hobbiantsmus will auf den Thron gesetzt werden." (Unschuld. Nachrr. Jahrg. 1725. S. 863—65.)
Indem wir nun den Beweis für die Unzulässigkeit der Ehe mit des verstorbenen Weibes Schwester antreten. führen wir als ersten Beweisgrund den Umstand an, daß diese Ehe durch die 3 Mos. 18, 6. vorangestellte Generalregel verboten ist.
Die Worte dieser Generalregel lauten: Niemand soll sich zu seiner nächsten Bluts fr eundin thun, oder, wie es wörtlich nach dem hebräischen Grundtext heißt: Niemand soll sich zum „Fletsch seines Fleisches" "E) thun. Hier haben wir ein Eheverbot, welches nicht eine Person, sondern einVerwandtschaftSverhältniß angtbt; nachher folgen weitere Eheverbote, in denen aber bestimmte Personen genannt sind, während als Begründung des Verbots Umstände angegeben find, die auf da- erste Verbot V. 6. zurückgreifen, als wollte der HErr sagen: Diese und diese Person ist dir besonders verboten, denn steift dir schon im Allgemeinen verboten. So haben auch unsere Väter die Sache angesehen. So schreibt z. B. Lösch er: „Daß wir nicht blos auf die Personen, so allhier genennet werden, zu sehen, sondern auf die äistantiarn Zraäus, beweis't 1. der Sinn des Gesetzgeber-, welcher hier billig, wie in anderen Gesetzen, zu attendiren und wohl zu erforschen ist, da jeder der beste Ausleger seiner Worte ist. Ehe dieser aber noch spssiaktsr von den verbotenen Graden meldet, spricht er Lev. 18, 6.: Niemand soll sich zu seiner nächsten Blutsfreundin thun rc. Welches Gesetz der Grund ist aller nachfolgenden Satzungen von der verbotenen Ehe; so daß, wenn schon nichts Speciales wäre gemeldet worden, diese-Gesetz allein genugsam gewesen wäre, alle verbotenen Ehen darnachzuentscheiden." (Unschuld. Nachrr. Jahrg. 1724. S. 320. f.)
Spener sagt in seinen „Bedenken" im Jahre 1681: „Ich habe bisher allezeit vsrsurn 6. pro lunckarnsirto proklkitionis gehalten, finde auch noch nicht genügsame convincirende Ursache», davon abzugehen." (Bedenken vom I. 1681. II, 534.)
Daß unsre Alten 3 Mos. 18, 6. in der That als Generalregel und nicht etwa nur als Erklärung zu dem speciellen Verbote angesehen haben, geht auch daraus hervor, daß sie diesen 6ten VerS, auch allein und für sich genommen, der Beurtheikrng einzelner Fälle zu Grunde legten. So gab Spener, als es sich um die Frage handelte, ob, wenn ein Stiefvater seines Stiefsohns Wtttwe heirathen wolle, die Dispensation stattfinde, folgendes Gutachten ab:
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„Wo wir auf die allgemeine Regel V. 6. (3 Mos. l8.) gehen, da es heißet: »Niemand solle sich zu seiner nächsten Blutsfreundin thun', eigentlich »ä earnsm (s. rsliquias) oarnis suas; so ist das ssounäum §SLU8 aErü-tatis allerdings zugelassen. Denn eS werden nicht mehr, als diejenigen Personen, einander verboten, da eine das Fleisch des ändern Fleisches ist; oder deutlicher: mir wird niemand weiter verboten, als mein Fleisch und also meine Eltern, Kinder und Nachkömmlinge und Geschwister, sodann deroselhen Fleisch, entweder nach der Blutsfreundschaft oder Schwägerschaft, nemlich derselben Geschwister und Ehegatten. Was aber weiter gehet und müßte heißen oaro earnis earräs wsas und eine doppelte Ehe dazwischen kommt, wie das sscunäum §snu8 »künitatis mit sich bringt (indem des Stiefvaters Fleisch ist seine verstorbene Hausfrau, dero Fleisch ihr auch verstorbener Sohn, da hingegen dessen Wittwe nunmehr des Fleisches Fleisches Fleisch sein würde), stecket nicht mehr in diesem allgemeinen Verbot Gottes durch Mosen und kann also auch nicht von Gottes Seiten für verboten geachtet werden." (Theol. Bedenken. II, 523.)
Ebenso verfährt Spener in einem ändern Gutachten über den Fall, da eine hohe Standesperson ihrer vorigen Gemahlin leibliche Schwester zu heirathen vorhatte. Er schreibt:
„So ist nun da- erste Fundament meiner XsZativas der göttliche allgemeine Befehl aus dem 3 Mos. 18, 6.: »Niemand soll sich zu seiner nächsten Blutsfreundin thun rc.;... denn ich bin der HErr'; welcher (letzterer) Zusatz insgemein zu denjenigen Gesetzen pflegt gethan zu werden, in dero Uebertretung die göttliche Majestät sich sonderlich beleidigt achtet. Was aber hier »nächste Bluts fr eundin' gegeben wird, heißt eigentlich in der Grundsprache des Gesetzes: niemand solle sich thun zu dem Fleisch seines Fleisches oder rsliyuüs seines Fleisches; und also verbietet mir der HErr darinnen diejenige, welche meinem Fleisch die Nächste, folglich die, so au-meinem Fleisch geboren sind, oder von dero Fleisch ich geboren bin, oder die mit mir aus einem Fletsch geboren sind; welches wir sehen werden, daß es ganz mit den absonderlich in dem göttlichen Gesetz benamsten Graden Übereinkommen wird. Daß also verboten sind die Oberen und Unteren, sodann Geschwister und der Eltern Geschwister, welche unser- Fleisches Fleisch sind; nicht aber geht solches Verbot weiter auf diejenigen, welche unsers Fleisches Fleisches Fleisch sind. Wie nun solches richtig, und so fern etwa nicht disputirt wird in der Blutsfreundschaft selbst, so hat es nicht weniger Platz in der Schwägerschaft, alldieweil Eheleute ein Fleisch sind, Matth. 19, 5. aus 1 Mos. 1, 24. Daher in allen Rechten diese allgemeine Regel, daß mir meines Weibes Blutsfreunde eben in dem Grad durch Schwägerschaft angehören, gleichwie meine eigenen, angenommen wird und auf solchem Grund fest beruht. Wie denn abermal die Lxsmpla der absonderlichen göttlichen^ Verbote erweisen. Maßen verboten werden in dem ersten Grad in auf- und absteigender Linie des Vaters Weib, die Schnur, des Weibes Tochter und
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Enkelin, und in der Nebenlinie des Bruders Weib und des Weibes Schwester, sodann in dem zweiten Grad, nämlich ungleicher Linie, des Vettern Weib; daß also eben dadurch erhellet, daß die göttlichen Verbote in der so Blutfreundschaft als Schwägerschaft ganz gleichstimmig sind und in keiner weder mehrere noch weniger Grade verboten seien; auf daß wir also sehen, daß der heilige Gott beide Arten gleich gehalten haben will. Vorausgesetzt dieses gewissen Satzes, so ist nicht unklar, was von gegenwärtigem Fall zu halten ist. Indem bekanntlich meines Weibes Schwester meines Fleisches Fleisch und derjenigen, mit dero ich ein Fleisch gewesen bin, nächste Blutsfreundin ist. Daß wir also ein unzweifenlich göttliches Gesetz wider diese Art der Heirath aufzuzeigen haben, indem, ob diese Namen nicht ausgedrückt sind, es eben gleicher Kraft ist, weil der Fall aus der allgemeinen Regel folgt oder darin begriffen ist." (Bedenken vom I. 1681. II, 538. f.)
Ganz ähnlich behandelt Dannhauer den gleichen Fall, indem er schreibt: „Das Generalverbot ist, daß man nicht nahe zum Fleische seines Fleisches. Nun ist aber die Schwester deines Weibes das/Fleisch deines Fleisches; denn das Weib ist mit dir Ein Fleisch, welche mit der Schwester Ein Fleisch; welches Gesetz auch nach des Weibes Absterben bleibt." (1K. ossual. x. 276.)
Ja, an einer ändern Stelle erklärt dersslbe, daß diese Regel allein mehr als hinreichend sei, alle Schwierigkeiten, die in diesen Sachen entstehen mögen, zu lösen. Wir lassen ihn selbst reden:
„Ich bitte von Dir eine leichte und kurze Art und Weise zu vernehmen, wie alle in den verbotenen Graden verwickelten Knoten aufzulösen seien. — Antworten: Welche Regel kann kürzer und leichter sein, als jene, welche Jehova selbst (der nicht nur Einmal diesen seinen Namen dem Gesetz an die Spitze stellt) öffentlich bekannt gemacht hat? in die wenigen Worte gefaßt Levit. 18 6.: mn,'rk n^2 F'« V'U was Luther also
übersetzt hat: »Niemand soll sich zu seiner nächsten Blutsfreundin thun' rc.; am deutlichsten Gerhard 1. 3. äs eonzug. x. 390: ,Xsmo aä earnsm earnis aoesäat' (Niemand nahe sich zum Fleische seines Fleisches). Diese Regel ist, wie ich gesagt habe, — eine leichte (exxsäita), welche allein, wenn sie recht verstanden und um besseres Verständnisses willen mit allem dem, was mit ihr in Beziehung steht (cum sua sujusczus tamilia so nsess-situäins), verglichen wird, nicht allein alle speciellen Gebote, sowohl die im Leviticus klar ausgedrückten, als die, welche vermöge einer Wechselbeziehung dem Sinne nach von gleicher Geltung sind, mit ihrem Lichte erhellen wird, sondern auch mehr als hinreichend sein wird, alle in dieser Materie entstandenen schwierigen Fragen aufzulösen. Denn hier ist »Fleisch meines Fleisches', d.i., sowohl jenes Fleische-, welches ich unmittelbar an mir herumtrage, als desjenigen, welches meinem Fleisches Fleische das nächste ist, entweder durch die Geburt von Natur, dergleichen meine Blutsverwandte ist von einem gemeinsamen Stamm oder
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Wurzel, meine Schwester, in welcher, wie auch in mir, ein rssiäuurn meines Vaters ist, — oder durch die erste Verschwägerung (aEnitats), welche durch fleischliche Vermischung frei entstanden ist; und daher ist Fleisch meines Fleisches nicht allein der Großvater zu und über mir, der Enkel von mir, zu und unter mir, die Schwester, der Schwester Tochter mit und neben mir, sondern auch des Onkels Weib, das mit meinem Onkel Ein Fleisch geworden ist. Nach der bisher ausgelegten Regel ist es ein Unrecht, wenn ich heirathe: 1. die Mutter, sei es die Stief-, oder die reckte Mutter; 2. die Großmutter; 3. die Schwester, die leibliche Halbschwester von Vaters- und Mutters-Seite, und die leibliche ganze Schwester aus beiden Eltern; 4. die Tante, 5. des Bruder-Tochter, 6. die Schwiegertochter aus dem Sohne. 7. die Schwägerin aus der Schwester d. t. die Schwester des Weibes, und zwar auch wenn dasselbe gestorben ist; 8. die Schwägerin aus dem Bruder oder des Bruders Frau. (Marc. 6, 18.)." (Inbsr oonsoisntias, I, 777. syH.)
Damit stimmt auch ein Gutachten der Leipziger Facultät vom I. 1708, wo es so heißt: „Es werden nicht mehr, als diejenigen, Personen einander zu heirathen verboten, da eine das Fleisch der ändern Fleischeist, nsrao aä oarnsm oarnis suas appropiuHust; nemlich: meine Eltern und Voreltern, meine Kinder und Nachkömmlinge, ingleichen meine Geschwister; sodann deroselben Fleisch, entweder nach der Blutsfreundschaft oder Schwägerschaft, als da sind deroselbigen Geschwister und Ehegatten. Was aber weiter gehet, steckt nicht mehr in diesem allgemeinen Verbot Gottes durch Mosen, und kann also nicht als von Gottes Sette verboten geachtet werden." (Bedenken rc. S. 936.)
Aus den angeführten Zeugnissen ist nun schon zur Genüge ersichtlich, wie der Ausdruck Fleisches Fleisch in dieser Stelle zu verstehen sei. Besonders genau aber geht auf die Worte ^>^2 NUN im Einzelnen und auf die Verbindung beider ein
V. E. Löscher, ein Theologe, der zwar in der Dogmatik nicht immer ganz zuverlässig ist, auf sprachlichem, historischem und kritischem Gebiet aber Seinesgleichen sucht. Er schreibt:
„Es ist von sehr großem Nutzen, wenn man die Worte 1V2 Lasar und Kokser aus der Ursprache richtig unterscheidet.
Lasar . . findet statt zwischen Vater und Tochter, Mann und Weib Gen. 2, 24., wird auch meine Blöße genannt Lev. 18, 8. 16. 20, 11.
NUN kokssr . . findet statt zwischen Brüdern und Schwestern Lev. 18, 12. 13., sowie auch zwischen Vater und Stieftochter Lev. 18, 17.
Lasar des Lasar . . findet statt zwischen mir und der Stiefmutter, zwischen mir und des WeibeS Mutter und Tochter, weil mein Vater mein Lasar ist, die Stiefmutter aber meines Vaters Lasar nach biblischem Style genannt wird, und so in Betreff der Uebrigen.
Lasar des Lokssr . . findet statt zwischen mir und des Bruders Weib.
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Scheer des Basar.. findet statt zwischen mir und des Weibes Schwester, zwischen mir und der Tante.
Hierher gehört daher die Regel, welche in dem Vorwort zu den Gesetzen von den verbotenen Ehen Lev. 18, 6. gegeben ist: Man solle sich nicht nahen zu irgend einem kokssr des Lasar rc.; der letzte Grad wird erwähnt, welcher die ersteren und näheren in sich schließt.
Entferntere Verwandtschaften, als die angegebenen Grabe, sind nicht verboten, z. B. die Ehen der Geschwisterkinder, weil sie nur Lasar des kokssr des Lasar sind." (Unschuldige Nachrr. Jahrg. 1710. S. 193. f.)
Es ist ja wahr: es gibt Theologen, unter den Alten z.B. Broch-mand, welche glauben, daß auf die Generalregel allein keine Entscheidung zu gründen sei. Sie kommen aber zu diesem Resultat nicht auf Grund des Textes. Der Text ist ja, richtig verstanden, so klar und einfach, daß man jeden einfachen Christen, jedm Jüngling und jede Jungfrau in kurzer Zeit mit Hilfe desselben unterrichten kann, wie in den verschiedensten Fällen zu entscheiden sei, ob ein Grad verboten ist oder nicht. Denn daß Vater und Mutter, Sohn und Tochter, Bruder und Schwester mein Fleisch sind, weiß Jeder; daß Mann und Weib durch die Ehe ein Fleisch werden, weiß auch jeder Christ aus Gottes eigenem Mund. Daraus ergibt sich aber ganz einfach und ungezwungen, daß meines Weibes Vater, Mutter, Sohn, Tochter, Bruder und Schwester, die meines Weibes Fleisch sind, meines Fleische-Fleisch sind. Und eine solche Person, die meines Weibes Fleisch, oder meines Vaters Fleisch, oder meines Sohnes Fleisch, kurz meines Fleisches Fletsch ist, zur Ehe zu nehmen, verbietet mir eben diese einfache Regel: Niemand soll sich, ehelich nämlich, zu seines Feisches Fleisch thun.
Hiergegen ist nun gesagt worden: „Man stimme damit, daß Lev. 18, 6. die Ehe mit der verstorbenen Frau Schwester verboten ist. Aber nur dann könne man dem Beweis dafür beistimmen, wenn er so geführt werde, wie z. B. Gerhard ihn führt, wenn er sagt (Loo. äs ooujuKio. sä. Lrsuss pa§. 203): ,Daß aus göttlichem Recht die Ehe mit des verstorbenen Weibes Schwester verboten sei, zeigen wir ... . 4.) aus der Generalregel Lev. 18, 6.: Niemand soll zu der Nächsten seines Fleisches (aä proxiruam oar-uis suas) sich nahen. Nun aber werden Mann und Weib durch die Ehe e t n Fleisch (Gen. 2, 24. Matth. 19, 5.). Also wird die Schwester des Weibes die Nächste des Fleisches: folglich muß man ihrer Ehelichung sich enthalten.' Nicht jedoch könne man jenem Beweise aus Lev. 18, 6. zustimmen, wenn man nach der Weise von Crusius und Löscher annimmt, der Ausdruck Fleisches Fleisch (NiV2">»V) bezeichne eigentlich und bestimmt den 2ten Grad der Verwandtschaft. Auch Dannhauer und die Leipziger Theologen fassen in den oben angeführten Stellen den Ausdruck so, daß auch Bruder und Schwester, also Blutsverwandte im ersten Grad, unter „Fleisches Fleisch" verstanden «werden könnten, während dies nach der oben ange-
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gebenen Auffassung nicht möglich ist. Man stimme in der Auffassung des Ausdrucks „Fleisches Fleisch" nicht nur mit den neueren Lexikographen und Exegeten, z. B. Gesenius, Fürst, Keil, sondern auch mit der großen Mehrzahl der altluthertschen Exegeten und Dogmatiker, z. B. Chemnitz, Gerhard, Mentzer, der Wetmar'schen Bibel, welche Fleisches Fleisch, nur für
eine vollständigere Ausdrucksweise für das einfache Fleisch, halten. Und daß sie das mit Recht thun, zeige deutlich die Vergleichung der Stellen Lev. 20, 19., wo die Sckwester meines Vaters oder meiner Mutter mein Fleisch genannt wird, und nicht meines Fleisches Fleisch, während hier doch der 2te Grad vorliegt; ferner 4 Mos. 27, 8. ff., wo Fleisch, nach Nennung verwandter Personen im Iten und 2ten Grade zur Bezeichnung der Blutsfreundschaft im Allgemeinen gerade so gebraucht wird, wie 3 Mos. 25, 49. »ach Verwandten im Iten, 2ten nnd 3ten Grad.
Schon Luther stehe auf Seiten dieser Auffassung, da er an den beiden einzigen Stellen, wo Fleisches Fleisch, vorkommt (3 Mos. 18, 6. und
Cap. 25,49.), dies durch „nächste Blutsfreundin" wiedergibt, wo „nächste" ganz unpassend wäre, wenn es die Verwandten im 2ten Grad bezeichnen sollte. Am deutlichsten spreche sich Gerhard aus, der (sä. Lrsuss, p. 258) so sagt: Man darf sich nicht nahen zu NV2 zum Fletsch seines Fleisches, d. H. zu der, welche meinem Fleische am nächsten steht (guas proxirus oainsm lusanr LttürKit); und damit man nicht glaube, daß das Verbot ins Unendliche auszudehnen sei, werden auch gewisse bestimmte Grade aufgeführt, welche als Beispiele erklären (gui sxsrupli looo ässlaraut), welche Personen und welche Grade unter dem Namen Verwandte des Fleisches zu verstehen sind. Es wird dem Menschen nicht verboten, sagt Ra-dulphus, sich zu irgend einer Verwandten zu nahen, sondern nur, sich der zu nahen, welche das Folgende genau bestimmen wird.' Gerhard stehe also offenbar nicht so, daß er dafür halte, 3 Mose 18, 6. allein für sich gebe auch ohne die folgenden Beispiele ganz zur Genüge an, welche Personen und Grade verboten seien."
Darauf ist zu erwiedern:
Entweder 3 Mos. 18, 6. enthält eine Regel, oder es enthält keine Regel. Ist das Erstere der Fall, und darüber sind ja Alle einig, dann muß sie doch einen Zweck haben; und dieser Zweck kann doch nur der sein, daß dadurch die Grenze gezogen wird für die erlaubten Grade der Heirath. Eine Grenze aber würde hier nicht angegeben, wenn ^^2 nrw überhaupt jede Verwandtschaft bezeichnete; denn alle Menschen, weiß, schwarz und roth, sind, als von einem Blute abstammend, mit mir verwandt, und ich dürfte also gar nicht heirathen. Nein, die Worte NV2 müssen an dieser Stelle, wo sie eine Grenze, und zwar eine so wichtige Grenze, bestimmen sollen, einen ganz bestimmten, nicht einen dehnbaren Sinn haben. Und dieser Sinn muß, als in einer ssäes äoetriuss, der eigentliche ursprüngliche sein, von dem abzugehen uns nur ein Umstand bewegen könnte, nämlich der, daß uns ein kla-
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res Wort Gottes zu einem ändern Verstand nöthigte. Daß der Verwandtschaftsgrad, welcher hier mit NV2 NUN. Fleisches Fleisch, bezeichnet ist, an anderen Stellen der Schrift durch das bloße ausgedrückt wird, kann uns nicht beirren. Jeder Deutsche weiß, daß des Schwagers Schwager bei uns oft Schwager, des Bruders Bruder, nämlich des Stiefbruders Bruder, oft Bruder genannt wird. Käme aber in einer solchen Regel der Ausdruck Bruders Bruder vor, so wäre es ja wunderlich, wenn man annehmen wollte, weil zuweilen, wo Bruder gesagt sei, des Bruders Bruder gemeint sei, so könne man umgekehrt hier, wo Bruders Bruder gesagt sei, jeden Bruder verstehen. Denn jeder Bruders-Bruder ist in gewissem Sinne mein Bruder; nicht aber ist jeder Bruder auch Bruders Bruder. Ebenso ist es mit dem Ausdruck „Fleisches Fleisch": zwar meines Fleisches Fleisch ist immer in gewissem Sinne mein Fleisch; nicht aber ist umgekehrt mein Fleisch immer auch meines Fleisches Fleisch. Der HErr will offenbar sagen: Nicht nur dein Fletsch zu ehelichen, habe ich dir verboten, sondern auch deines Fleisches Fleisch. Und es hat der Heilige Geist diesen Doppelausdruck wohl darum gewählt, weil er anzeigen wollte, daß jemand auch durch ein Mittelglied, eine Mittelperson, mit einer ändern Person verwandt werben kann, und daß eine so verwandte Person nicht zur Ehe genommen werden soll.
Uebrigens dürfte es wohl schwer halten, den Beweis zu liefern für die Behauptung, daß 3 Mos. 20, 19. die Tante des Neffen Fleisch (^if) genannt sei. Denn diese Auffassung der Stelle sann auf einer unrichtigen Beziehung der Worte „sein Fleisch" beruhen. Sie erklärt dieselben als gleichbedeutend mit sein eigen, d. H. des Neffen, Fleisch und faßt Luthers Uebersetzung so auf: „denn ein solcher hat seine eigene nächste Blutsfreufldin aufgedeckt." Allein hier ist einfach vorausgesetzt, daß das Fürwort sein (das hebräische Suffix (-,) sich auf den aufveckenden Neffen beziehe. Der wichtige Beweis dafür aber, daß und warum diese Beziehung stattfinden müsse, fehlt gänzlich. Vielmehr ist unter „seinem" Fleisch nicht des Neffen, sondern de-unmittelbar vorher genannten Vaters Fleisch gemeint, eine Beziehung, die um so ungezwungener erscheint, als im hebräischen Text das von Luther — übrigens mit Recht — eingeschaltete Wort „ein solcher" gar nicht steht. Wörtlich übersetzt lauten die Worte nach unserer Erklärung so: Und die Scham der Schwester deiner Mutter und der Schwester deines Vaters sollst du nicht aufdecken; denn sein (d. H. seines Vaters) Fleisch hat er (der Auf-deckende, oder mit Luther ein solcher) aufgedeckt. Ihre Miffethat sollen sie tragen. Daß dies die richtige Beziehung von „sein Fletsch" ist, ergibt sich aus folgenden Gründen : 1. aus der Wortstellung; denn man lese die Worte nach der hebräischen Wortstellung, so ist die Beziehung auf das eben gelesene, also bekannte, „Vater" natürlicher und ungezwungener als auf das erst folgende, im Zeitwort versteckte, Subject er oder ein solcher; 2. aus der offenbaren Bezugnahme dieser Stelle auf 3 Mös. 18, 12. u. 13.; denn hier steht ja ausdrücklich, daß deines Vaters Schwester das Fleisch (nrrek) bei-
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nes Baiers ist. Diese Bezugnahme läßt sich um so weniger verkennen, als in beiden Stellen dieselben Worte wiederkehren. Wenn ^nan hiegegen einwenden wollte, die Beziehung der Worte „sein Fleisch" auf davorhergehende „Vater" (3 Mos. 20, 19.) sei unstatthaft, weil dabei die vor dem Vater genannte Mutter nicht ausdrücklich berück,Ichtigt sei, die doch offenbar hier auch in Betracht kommen müsse, so wäre zu erwiedern, daß eben um der offenbaren Beziehung auf 3 Mos. 18,12. willen die ausdrückliche Erwähnung der Mutter und ihrer Schwester nicht mehr nothwendig war; denn dort folgt ja auf die Bestimmung: „die Schwester deines Vaters ist das Fleisch deines Vaters" im nächsten Vers unmittelbar die weitere: „Die Schwester deiner Mutter ist das Fleisch deiner Mutter". Bedenkt man ferner, daß schon zuvor 3 Mos. 18, 7. verboten war, die Scham des Vaters und der Mutter zu bloßen, so ergibt sich, daß 3 Mos. 20, 19. die Erwähnung des einen Theils vollständig genügte, um an den ändern Theil, an die Mutter, als den mit eingeschloffenen, zu erinnern.
Und endlich: Wenn unsere lutherischen Väter sagen würden, man könne mit der General regel allein nichts beweisen, dann dürfte man allenfalls sagen, sie faßten die Worte „Fleisches Fleisch" verallgemeinert auf. Nun sagen sie aber: die Generalregel reicht hin zur Beurtheilung der praktischen Fragen; sie würde aber nicht hinreichen, ja, sie wäre ziemlich unbrauchbar, wenn man „Fleisches Fleisch" nicht so versteht, wie es oben in den Citaten von Spener, Dannhauer, der Leipziger Facultät und V. E. Löscher ausgelegt ist.
Mit den Stellen 3 Mos. 25,49.: „Oder sein Vetter oder VelterS Sohn (mag ihn lösen) oder sonst sein nächster Blutsfreund seines Geschlechts — 1NN2VYQ 1NV2 — und 4 Mos. 27, 11.: „Hat er nicht Vettern,
sollt ihrs seinen nächsten Freunden geben, die ihm angehören in seinem Geschlecht — MN2VSQ dürfe man nicht operiren, um zu be-
weisen, daß 3 Mos. 18, 6. das NUN eben auch nur gleichbedeutend mit „Fleisch" oder „nächster Verwandter" sei. Denn in den ersteren Stellen sei der Scopus ein ganz anderer als in letzterer. 3 Mos. 18, 6. sei die Aufzählung der Grade Scopus, da werde das Genus Fleisches Fleisch angegeben; 3 Mos. 25, 49. und 4 Mos. 27, 11. dagegen würden nur einige Species namhaft gemacht. — Ferner sei auch dies zu bedenken, daß dem Kokeor Lssaro, 3 Mos. 25, 49., und dem Kokser 8a Larob, 4 Mos. 27, 11., der verallgemeinernde Ausdruck Nimmisokpaokto (aus seinem Geschlecht) beigesetzt ist, durch welchen verallgemeinernden Ausdruck die Aufzählung abgeschlossen wird. Das Kokser, 3 Mos. 18, 6., erhalte seine nähere Bestimmung aus Lssaro und 3 Mos. 25, 49. und 4 Mos. 27, 11. aus dem Mmmisokxaoklo, deswegen könne man aus dem einen nichts gegen das andere beweisen. —
Endlich wurde darauf aufmerksam gemacht, daß Alles darauf ankomme, zu beweisen, daß man 3 Mos. 18, 6. von der ursprünglichen Bedeutung des
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Wortes „Fleisch", wonach es das ist, was jedermann an sich trägt als Bekleidung seines Gebeines, abgehen müsse; daher hier „Fleisch" nicht in demselben Sinne zu nehmen sei, wie in der Stelle: „denn auch.mein Fleisch wird ruhen in der Hoffnung", Ap. Gesch. 2, 26. Demnach wäre Luthers lieber-setzung: „nächste Blutsfreundin" — nächste Verwandtin, die meinem Fleische, d. H. mir, in verwandtschaftlicher Beziehung am nächsten steht. Das sei die erste und einfachste Auslegung, danach sei V. 6. die allgemeine Regel und die übrigen Verbote müßten als Erklärungen htnzugenommen werden. Der Zweck der ganzen Besprechung sei, zu beweisen, daß die Schwagerehe unrecht und verboten sei, und darin wären wir ja einig ; ob man es nun aus 3 Mos. 18, 6. allein oder aus dieser Stelle mit Zuziehung der übrigen Verse beweisen wolle, das verschlage der Sache nichts. —
Da man nun von der einen Seite erklärte, man könne ganz gut Punkt 1. der 4ten Thesis annehmen, und von der ändern, man würde keine Unredlichkeit darin sehen wenn diejenigen, die in V. 6. eigentlich nur ein Verbot des ersten Grades erkennen könnten, denselben annehmen würden, so wurde Punkt 1. einstimmig angenommen, und da die Kürze der Zeit drängte, der Beschluß gefaßt, den übrigen Theil der 4ten These, sowie die 5te und 6te Thesis mit den vom Herrn Referenten gesammelten Citaten ohne Debatte entgegenzunehmen.
Daß das Eingehen einer Ehe mit des verstorbenen Weibes Schwester von Gott verboten sei, erhellt daraus:
2. daß eine Ehe in ganz demselben Gradverhältniß, nemlich mit des verstorbenen Bruders Weib, 3 Mos. 18,16. 20, 21. ausdrücklich verboten ist.
Hierzu wurden folgende Zeugnisse mitgetheilt:
Chemnitz: „Weil in dem ersten speciellen Verbote Levit. 18, 7. 8. ausdrücklich die Ehen sowohl der Tochter mit dem Vater, als des Sohne-mit der Mutter verboten werden: so zeigt Gott selbst, obgleich in den folgenden Verboten nur erwähnt wird, welche Mannspersonen mit einer Frauensperson die Ehe nicht eingeheu können, daß kraft der Folge des ersten Verbotes richtig und mit Nothwendigkeit anzunehmen sei, daß in jenen Verboten kein Unterschied zwischen dem männlichen und weiblichen Gejchlecht sei; das heißt: weil der Mannsperson verboten wird, die Schwester entweder der Mutter oder des Vaters zur Ehe zu nehmen (nemlich die Base oder Tante), so wird in gleicher Weise der Frauensperson desselben Grades auch der Bruder des Vaters verboten, welcher in gleichem Grade ist mit der Base und Tante. Es wird dies auch daraus bestätigt, weil im Levittcus die Schwester des Vaters ebenso verboten wird wie die Schwester der Mutter. Desgleichen wird die Enkelin aus dem Sohn ebenso wie die Enkelin aus der Tochter verboten. Zm Verbot wird also der Unterschied des Geschlechts nicht beachtet; sondern wie dem Bruder die Schwester verboten wird, in derselben Weise wird
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auch der Schwester der Bruder verboten. Denn die Schwester ist ebenso nahe, wie der Bruder. Also wie die Schwester des Vaters verboten wird, so ist offenbar auch -er Bruder des Vaters verboten. — Vermöge einer Umkehrung auf Grund eines Wechselverhältniffes (psr inversionem sx rsoiprooo) zwischen Ehegatten kann das Weib, welches ich nicht ehelichen kann, auch mit mir nicht die Ehe schließen. Wie denn, wenn der Bruder die Schwester nicht heirathen darf, also auch die Schwester den Bruder nicht. Desgleichen, weil dem Stiefsohn die Stiefmutter verboten wird, also auch, die Stiefmutter den Stiefsohn nicht ehelichen darf." (Dool 1k. k. III. L>1. 207.)
Brochmand: „Ist es erlaubt, seines verstorbenen Weibes Schwester zu heirathen? Ueber diese Frage ist nach beiden Seiten hin disputtrt worden. Nicht wenige unter den Rabbinen und die demselben folgenden Päbst-ler Beüarmin, Cornelius a Lapide, Fagius, dringen heftig darauf, es stehe nichts entgegen, seines verstorbenen Weibes Schwester zu ehelichen. Diese Meinung hat auch Daniel Hofmann durch eine eigene Schrift in Schutz genommen. Unsere Theologen aber halten streng an der entgegengesetzten Meinung fest, indem sie dafür halten, daß es nicht erlaubt sei, des verstorbenen WeibeS Schwester zu ehelichen. Der Gründe für diese Behauptung sind drei. Erstlich berufen wir uns auf die Generalregel: .Niemand nahe zu der Nächsten seines Fleisches? Nun aber sind Mann und Weib Ein Fleisch, Gen. 2, 24. Matth. 19, 5. Daher die Schwester des Weibes die Nächste des Fleisches wird, und, was daraus nothwendiger Weise folgt, soll man daher einer Ehe mit ihr sich enthalten. Zum anderen, verbietet Gott ausdrücklich die Verbindung mit des Weibes Schwester Lev. 18, I8.r ,Du sollst auch deines Weibes Schwester nicht nehmen? Es werfen zwar die Vertheidtger der entgegengesetzten Meinung ein: es werde nur verboten, des Weibes Schwester zu nehmen, »weil sie noch lebet, ihr zuwider'. Darum wenn der Grund des Verbotes aufhöre, höre das Verbot selbst auf. Hierauf ist aber die bestimmte Antwort: daß zwar absolut verboten wird, des Weibes Schwester zu nehmen, vor allem aber, wenn sie noch am Leben ist. Daß aber die Ehe mit des Weibes Schwester absolut verboten werde, erhellt schon daraus, daß dies ein specielles Beispiel der Generalregel ist von Meldung der Ehe mit der Nächsten seines Fleisches. Ausdrücklich wird aber hinzugesetzt, daß dies nicht geschehen solle, dieweil sie lebet, um des Beispiels des Patriarchen Jakob willen, welcher zwei Schwestern zugleich geheirathet hat, damit niemand diese That für sich ansühre. Drittens: es ist nicht erlaubt, des verstorbenen Bruders Weib zu ehelichen. Denn die Worte des Heiligen Geistes sind klar Lev. 18, 16. Mit welchem Schein der Wahrheit darf man also sagen, daß es erlaubt sei, des verstorbenen Weibes Schwester zu heirathen? Denn das Verwandtschaftsverhältniß ist ein gleiches; beide sind nemlich in demselben ersten Grave gleicher Linie." (K^stsm. maivsrs. 1k. Xrt. 42. o. 4. y. 41. Dom. II. toi. 577.)
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Spener: „Hierzu kommt noch ferner, daß bis dahin unsere evangelischen DksoloZi mit gutem Bestand gegen die Papisten diese Regel verfochten haben, daß in dem göttlichen Eheverbot 3 Mos. 18. nicht die Personen, sondern die Grade verboten seien; wie nach anderen (maßen er, Gerhard, selbst die berühmten Lehrer Oksmmtium, Lrsnlium, Kslnsoosrum, Osiau-ärum und Lläenkaoklum anzeucht) solchen Satz mit mehreren bisher un-umgestoßenen Gründen behauptet hat der berühmte Dr. Gerhard loo. äs oonjuS. v. 275. paß. 40- u. f. , Mit welchem es bis daher nicht weniger die nachgefolgten berühmten Lehrer bis auf diese Zeit gehalten haben und noch halten; deren allein etliche hie anziehe: Dr. Brochmand, K^stsm. D. ,11. art. 43. p. 566. Dr. König Oas. oonsoisnt. x>. 779. Dr. B. Menzerus D. II. äs oovj. p. 1092. Dr. Calov K^stsm. art. äs oonj. p. 368.; also auch die ganze theologische Facultät zu Wittenberg Oorwil. D. IV. p. 66. Wo nun dieses richtig ist, wie es richtig ist, so mag so wenig dergleichen Ehe mit der leiblichen Schwägerin bestehen, so wenig als sie mit des Bruders Weib bestehen mag, so deutlich zweimal 3 Mos. 18, 16. 20, 21. verboten wird, womit dieser Fall in dem Grad gleich ist. . . Woraus einer Seele, welche nickt nur etwa eine Ausflucht und Decke ihrer unordentlichen Begierde sucht, sondern welche aufrichtig allein dieses verlangt, zu verstehen, was der gewisseste Wille des himmlischen Vaters sei, um demselben willig zu gehorchen, verhoffentlich zur Genüge und Ueberzeugung ihres Gewissens klar werden wird, daß der HErr solche Ehe verboten habe." (Bedenken vom I. 1681. II, 539.)
Mtesler: „Ist es erlaubt, des verstorbenen Weibes Schwester zu ehelichen? Nein. — 3. Das Gesetz Lev. 18, 16. ist klar: ,Du sollst deines Bruders Weibes Schande nicht blößen'; nun ist aber dasselbe Verwandtschaftsverhältniß zwischen des verstorbenen Bruders Weib und des verstorbenen Weibes Schwester. Einige werfen ein, hier sei das Verhältniß ein ungleiches. Dem Weibe werde nicht gestattet, zwei Brüder hinter einander zu heirathen, wegen Vermengung des Samens, welche in Einem Subject statt finden würde, und also wegen der Blutschande. Einem Mann aber sei es erlaubt, zwei Schwestern hinter einander zu heirathen, weil in verschiede, nen Personen der Same nlcht vermengt werde. Ich antworte: Das Verbot der Grade hängt nicht von der Vermengung des Samens ab (sonst könnte Einer Mutter und Tochter hinter einander ehelichen, was ausdrück, lich verboten wird), sondern von der Nähe des Fleisches, die in der Schwester des Weibes ganz dieselbe ist." (Opus Novum lol. 579.)
Punkt 2. wurde angenommen. Ebenso Punkt 3.:
3. daß die Ehe mit des verstorbenen Weibes Tochter 3 Mos. 18. 17. gerade darum, weil sie des Weibes Fleisch sei, verboten ist.
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Thesis 5.
Da diejenigen, welche eine Schwagerehe eingehen wollen, den obigen Beweisen gegenüber eingestehen müssen, daß ihnen ein klares Wort Gottes dafür fehlt, daß diese Ehe nicht unter die verbotenen gehöre, so sollten auch die, welche sich noch nicht davon überzeugen können, daß jene Ehe 3 Mos. 18. u. 20. verboten sei, sich derselben doch enthalten, da, was im Zweifel gethan wird und daher nicht aus dem Glauben geht, nach Röm. 14, 23. Sünde ist.
Hierzu wurden folgende Zeugnisse verlesen:
Luther: „Wenn ein Pfaff, Mönch oder Nonne sich nicht enthalten kann, sondern Lust zum ehelichen Leben hat, der oder die mögen frei ehelich werden, auf daß den Gewissen gerochen werde, und man soll ihnen hierinnen kein Gebot oder Verbot machen. Aber darauf mußt du sehen, daß du gerüstet und geharnischt seist, daß du kannst vor Gott und vor der Welt bestehen, wenn du derhalben angefochten wirst, sonderlich am Sterben und im Todbette vor dem Teufel. Es ist nicht genug, daß du sprechen wolltest: Der und der hatS gethan; mein Nachbar isset Fleisch am Freitage, darum habe tch's auch gegessen; jedermann thut jetzt also, darum thue ich's auch; ich habe dem gemeinen Haufen gefolgt; und was der unbeständigen ungegründeten Worte mehr sind. Daß du sagen wolltest: Der oder dieser Prediger hat's gepredigt, gilt auch nicht, hält auch nicht den Stich; der Teufel kehret sich auch nicht dran. Ja, wenn du nicht gewisser bist und besser gerüstet, denn mit solchem schwachen Harnisch, so hast du schon verloren. Es muß ein Jeglicher in diesem Falle für sich selbst stehen und aufs allerstärkste gerüstet sein, wider den Teufel zu streiten. Du mußt dich gründen auf einen Hellen, klaren, starken Spruch der Schrift, dadurch du denn bestehen magst. Denn wenn du einen solchen Spruch nicht hast, so ist's nicht möglich, daß du bestehen könnest; der Teufel reißt dich hinweg, wie der Wind ein dürres Blatt hinweg reißt." (Dritte Predigt gegen Carlstadt's Neuerungen im Jahre 1522. XX, 27.)
Luther schrieb im Jahre 1522 an Christoph Jörgow: „Wo euer Gewissen unruhig und ungewiß ist, da suchet, wo ihr könnt, daß ihr aus solcher Unruhe, welche strebt wider den Glauben (der ein sicher fest Gewissen machen soll), je länger, je mehr euch wenden möget. . . So euer Gewissen murret, nachdem ihr die Wahrheit erkennet, so wird solches ebenso viel als die Wahrheit verleugnen heißen, wie Paulus zun Römern am 14. sagt: Wer Wider sein Gewissen thut, der ist verdammt, oder, wie seine Worte lauten: Was nickt aus dem Glauben geht, ist Sünde?' (de Wette, IV, 496.)
Spener: „Wie nun dieses das erste Fundament ist, so folget nächst demselben das andere: daß, wo auch die Sache einigerleimaßen zweifel-hafttg wäre, das Gewissen erfordert, daß man allezeit den sichersten Weg erwählen müsse, worinnen gewiß ist. daß man nicht sündige. Es lautet
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die allgemeine Regel des Apostels Pauli Röm. 14, 23.: ,WaS nicht aus dem Glauben gehet, ist Sünde? In welchem Hauptspruch (so zwar noch weiter gehet) ohnzweifentlich diese Meinung mit darin steckt, welche durch die ganze Disputation des Apostels erwiesen wird, daß alles dasjenige Sünde sei, wo der Mensch nicht eine solche Versicherung seines Gewissens habe, die »Glauben' genannt werden mag, daß dasjenige, was er thut, nicht unrecht sei. Weswegen nicht genug ist, eine Action zu justificiren, wo der Mensch nicht eben versichert Ist, daß es unrecht sei, was er vorhat, indessen doch zweifeln muß, es möchte unrecht sein. Maßen es schon an sich Sünde ist, sich in die Gefahr zu sündigen selbst stecken. Hingegen ist einmal vonnöthen, wo ich etwas nach geschehener Berathschlagung resolviren will zu thun, daß ich in meiner Seele eine Gewißheit habe, daß ich recht daran thue. Wie der angezogene Apostel an dem bedeuteten Ort von dem Genießen der an sich nicht verbotenen Speisen lehret, daß wer auch nur mit einem Zweifel äße, der sei verdammt. Daher in solchem Fall getrachtet werden muß, daß man zu einer völligen Beruhigung des Gewissens komme und des göttlichen Willens versichert werde, oder man muß den sichersten Theil erwählen, wo man am göttlichen Willen nicht zweifeln darf, als z. E. in dieser Sache, diese diS-putirliche Ehe unterlassen; wo wir alsdann gewiß wissen, daß wir mit solcher Unterlassung nicht sündigen. Nun, in der vorhabenden Materie sehe ich nicht, wie derjenige, so eine solche Heirath vorhätte, so weit kommen könnte, daß er mit einer Versicherung seines Gewissens sich darauf verlassen möchte, sondern alles, was er zu seinem Behuf brauchen könnte, möchte aufs Höchste die Sache so weit bringen, daß er dafür hielte, das Verbot sei ihm noch nicht deutlichgenug dargethan; indessen werden ihn die oben angeführten Fundamente nimmermehr zu einer Ruhe lassen, ungezweifelt und ohne Skrupel zu glauben, daß er recht thue. Die 3 Mos. 18. zu dem Gebot angehängten Worte, auf die man sich insgemein bezieht, machen denen, die das Gebot behaupten, etwas zu schaffen, aber sie geben doch dem anderen Theil noch nicht eine solche Versicherung, worauf das Gewissen beruhete. Daß einige so Juristen als DksoIoKi, sonderlich als aus einer Gelegenheit zu Ende des vorigen Jahrhunderts über eines Juden Heirath der Streit entstanden, für die Erlaubniß gestanden und noch etzliche dafür stehen mögen, mag als eine menschliche Autorität abermal dem Gewissen nicht genug thun, um so vielmehr, weil hingegen die fast allgemeinste übriger vornehmster unserer DksoloZorum Lehre für das Verbot stehet und, wo das Gewissen in jenen KuLraglis Ruhe suchen wollte, solche Ruhe ihm nicht lassen würde. Also, daß ich nach allem Ermessen nicht sehen kann, wie eine Person von gutem Verstand, welche die momsnta oontrovsrsias zu erwägen vermag und auch mit gehörigem Fleiß solche Untersuchung thut, aus allen Fundamenten, welche vom Gegentheil mögen gebraucht werden, weiter kommen möchte, als in einigen Zweifel, obs denn gewiß verboten sei, wo er nemlich aus einer Präoccupation die Kraft der Argumente nicht völlig bei sich ein-
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dringen lässet; nimmermehr aber so weit, daß er in der Seele der Gerechtigkeit der Sache überzeugt wäre; ohne welche Versicherung aber das Gewissen nicht zugibt, daß man die Sache unternehme, wo der Mensch, aufs Gelindeste von der Sache zu reden, fürchten muß, daß er wider Gotte-Willen thun möchte. Daher in solchem Zustand freilich kein anderes Mittel ist, als den sichersten Theil zu wählen, und also diese zweifelhafte Sache zu unterlassen; denn darin ist er gewiß, daß er nicht sündige, ob's auch schon sonst keine verbotene Sache wäre." (Bedenken, vom Jahre 1681. II, 540 ff.)
Hierzu wurde bemerkt: Wer mit ftiner Schwägerin in die Ehe treten will, muß zugeben, es stehe nicht in der Schrift, daß er es thun dürfe. Aber nun schließen die Meisten aus 3 Mos. 18, 8.: eS sei möglich, daß sie es thun dürften; und darauf hin treten sie auch wirklich in die Schwagerehe. Sie thun damit aber nichts anderes, als daß sie dem jesuitischen Probabilis-mus huldigen, der darin besteht, daß die Jesuiten lehren: wenn es dir probabel (wahrscheinlich) ist, du sündigest nicht, so bist du ohne Schuld. —
Auch hilft es Niemandem, sich auf die alten Prediger zu berufen, die auch fromm gewesen seien und die Schwagerehe nicht gestraft hätten. Den« so sich auf das Ansehen der Personen zu stützen sei nicht lutherisch, sondern echt papistisch. Einem Christen muß es fest sein wie ein Glaubensartikel: was ich jetzt thun will, ist Gott gefällig. So muß ihm auch zu Muthe sein hinsichtlich der Schwagerehe. Mancher denkt wohl: oh! ich verspüre gar keine Anfechtung deswegen. Aber entweder ist sein Gewissen überhaupt noch nicht aufgewacht oder der Teufel spart ihm die Anfechtung darüber auf bis zur Todesstunde. Dies sollte sich jedermann in die Seele schreiben, daß, wenn man etwas nicht mit gutem Gewissen thut, man in Gefahr steht, daß der Glaube dann vom darauf folgenden bösen Gewissen ausgelöscht werde. Prediger sollten darum den Christen wohl Vorhalten, in welche Seelengefahr sie sich begeben, wenn sie überhaupt etwas thun, wovon sie nicht gewiß sind, daß es recht sei, und insonderheit, wenn sie sich in die Schwagerehe begeben, während in ihnen das Gewissen schreit: du handelst am Ende doch nicht recht. — Es wurde noch daran erinnert, daß früher in Sachsen und Würtemberg die Ehegesetze zweimal des Jahres öffentlich verlesen worden seien, und daß es vielleicht auch hier rathsam wäre, von Zeit zu Zeit in der Kirche ein Schema verlesen zu lassen, das das Resultat der mosaischen Eheverbote enthielte. Prediger versündigen sich gewiß an ihren Leuten, wenn sie ihnen dieselben verschweigen.
Thesis5 wurde hierauf angenommen.
Thesis 6.
Die Frage, ob alle wider 3 Mos. 18. und 20. bereits eingegangenen Verbindungen nothwendig wieder aufzulösen seien, ist eine die praktische
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Anwendung der Lehre betreffende kasuistische Frage, welche zwar von den meisten rechtgläubigen Lehrern bejaht, aber auch von ebenso unverdächtigen Lehrern vemeint wird, und daher der gewissenhaftesten Erwägung bedarf.
Noch zu Luthers Zeit verlangte man Auflösung solcher Ehen, wie folgende Gutachten von ihm und seinen Mitarbeitern ausweisen.
Urtheil des Consistoriums zu Wittenberg: „Unsere freundliche Dienste zuvor! Ehrbar besonder guter Freund! Wir haben euren überschickten ärgerlichen Fall, nemlich, daß ein Bauersmann seines verstckrbe-nen WeibeS rechte leibliche Schwester geschwängert und folgendes auf Weisung des Pfarrherrn zur Ehe genommen, die auch jetzt mit dem Kind in Wochen liegen soll. Dieweil ihr denn nun aus Befehl unseres gnädigsten Herrn, des Churfürsten zu Sachsen und Burggrafen zu Magdeburg, hierauf sonderlich der Strafe halben im Rechten begehrt bericht zu sein: so berichten wir, als die geistlichen Richter, nach gehabtem Rath derHerren Theologen, nach Erwägung des Falls, daß die Ehe in diesem ersten Grad gar nicht zulässig noch zu dulden. Derbalben so wird solche Ehestiftung für unbündig erkannt und sollen solche Personen von einander, auch ihrer geübten Unzucht halben und zum Abscheu Anderer gefänglich eingezogen und willkürlich im Gefängniß etliche Wochen enthalten und das erzeugte Kind von beider Eltern alimentirt und ernährt werden. Dieweil aber der Pfarr-herr daselbst ohne Rath und Belehrung seiner gebührlichen Obrigkeit und geistlichen Superattendenten die Ehe in solchem verbotenen Grad gerathen und nachgelassen, so soll ihm auch die Strafe des Kerkers acht Tage lang aufgelegt werden. Billig, von Rechts wegen." (Luthers Werke, Hall. Ausg. XXII, 1758. f.)
Gutachten desselben Consistoriums zu Wittenberg: „Wir haben euer Schreiben empfangen, in dem ihr anzeiget, daß einer seines verstorbenen Weibs Schwester beschlafen habe und di,selbe ehelich begehre, so es mit Gott gesbehen möchte, und ihnen zugelaffen würde. Darauf fügen wir euch zu wissen: Daß wir miteinander zugleich halten und schließen, daß im gedachten Fall die Ehe ganz nicht zugelassen sei. Den» erstlich ists wahr, wie ihr wisset, daß Gottes Gebot ist, daß man in den nahen Oraäikug nicht zusammen Heyrathen soll; und daß Gott solche unnatürliche Vermischung strafen wollt in aller Welt, zSlget klar der Text 3 Mos. 18.
„Nu ist dieser Fall in primo §raäu aEoltatis. Denn so Mann und Weib ein Fleisch sind, wird des Weibes Schwester gleich gehalten als des Mannes Schwester; derhalben auch Kaiserl. Rechte in diesem Fall verboten, Ooäioe äs moestuosis st mutilikus rmptlig. Wir ckchten auch, so diese Personen zusammen kommen, daß sie doch ihr Lebenlang unfrievliche Gewissen haben würden, des Falls halben an ihm selbst, darzu wegen des AergernisseS; und werden ohne Zweifel viel besser zu friedlichem Gewisse» kommen, so sie sich von einander thun.
„So darf man hie nicht Jacobs Exempel allegiren. Denn Gott hat
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selber hernach in Mose solche Ehe verboten, und ist auch nicht klar in Moje ausgedrückt, daß einer des verstorbenen Weibes Schwester möge freyen. Auch hat man kein Exempel. Und obgleich Behelfe dazu aus Mose gesucht würden, so sind solche Heyrathen dennoch von Natur und durch die Oberkett verboten. Darumb sind sie dem Spruch (Matth. 19, 6.) zuwider: Huos Deus oou-Huuxit sto.
„Ueber das alles wisset ihr, daß solche Exempel sehr ärgerlich sind und ruchlose Leute Ursach davon nehmen zu Blutschanden, wie man denn, leider, in etlichen Fällen befunden, daß solche Leute sich haben wollen mit vorigem ärgerlichem Exempel entschuldigen.
„Aus diesen Ursachen schließen wir. daß im gemeldten Fall keine Ehe zu-zulaffen sei; und wo die Leute an diesem unserm Bedenken nicht zufrieden find, wöget ihr sie gen Hof weisen. Daß aber die Leut große Schmerzen haben von wegen der Sünde und Schand, auch Fahr von der Freundschaft, so wollet sie mit dem Evangelio trösten und insonderheit das anzeigen, daß sie doch unfriedliche Gewissen in der Ehe haben würden, aus Ursachen, droben gemeldet; und werden leichter zu trösten sein, so sie sich von einander thun; so ist auch die Oberkeil schuldig, Friede zwischen der Freundschaft zu schaffen.
„Das wollen wir euch auf eure Schrift freundlicher Meinung nicht bergen; denn euch freundlichen Willen zu erzeigen, sind wir ganz geneigt. Datum Wittenberg, Montags nach Antonii, Anno 1535.
Justus JonaS, Probst.
Martinus Luther, beide Doctorn.
Philippus Melanchthon."
(X, 834—37.)
Anders urtheilte das Consistorium zu Dresden. Dasselbe rescribirte in Betreff einer bereits vollzogenen Ehe mit der Tochter der leiblichen Schwester unter dem 16. April 1585 Folgendes: „Als erklären wir uns hiermit nochmals, wie zuvor, daß die Ehe in solcher Verwandtntß in göttlichen Rechten verboten und derowegen von diesen beiden Personen billig hätte nachbleiben sollen. Weil aber nunmehr zwischen ihnen die Ehe all-bereit vollzogen und nicht mehr rss iuts^ra ist, so können wir auch nicht rathtn, daß diese Ehe wiederum zerrissen werden sollte; aus Ursachen, daß in heiliger Schrift zu befinden, obwohl Moses die Ehe in naher Verwandtniß und Blutfreundschaft verboten, so wird doch dabei nicht vermeldet, daß derjenige, so allbereit in solchen Gradibus zusammen geheirathet, wieder von einander gescheidet oder getrennet hätte. Zudem sind auch Exempel, daß bei den Erzvätern solche und dergleichen Heirath geduldet worden. Was dann die Strafe der hohen Obrigkeit anlangen thut, werden diese Personen durch vornehme, vertraute, ansehnliche Freunde bei derselben um gnädigste Aussöhnung unterthänigst anzusuchen und zu bitten wissen rc. Letzlich, ihr Gewissen betreffend, müssen sie dieses ihr Beginnen dem getreuen Gott demüthig abbitten, und stehet daneben bei ihnen, ob sie etwas zu milden Sachen an-
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ordnen oder ausspenden lassen wollen, damit auch andere Christen ihnen zu solchem ihrem Ehestände von Gott Segen und Wohlfahrt erbitten mögen." (L. Oarprovii ssurispr. soslssisst. D. II. toi. 152 s.)
Die theolog ische Facultät zu Leipzig wiederum gab immer das strenge Votum ab zur Zerreißung solcher Ehen.
Im Jahre 1700 schrieb dieselbe: „Ob zwar die Ehe mit der verstorbenen Frauen leiblicher Schwester nicht oontra Hus vaturas striots vis äiotum sei, weil sonst Gott der HErr den frommen Patriarchen Jakob, der zugleich zwei Schwestern, Rahel und Lea, zu Weibern gehabt Gen. 29., nicht dispensiren können, indem, czuoäjuris naturas, ab ssssutiali Del Justitia st sanstitats dependirt und also xrorsus iuuuutakils st iuäispsusakils ist, 2 Tim. 3,13., dennoch aber oum Hurs äivivo positive» st rsvslato universal!, welches alle Menschen ohne Unterschied verbindet, keinesweges bestehen könne, weil die göttliche Majestät ausdrücklich sagt Lev. 18, 16.: ,Du sollst deines Bruders WeibeS' rc." (A. a. O. S. 629 f.)
Und im Jahre 1711: „Obwohl verschiedene Ehen in Zraäikus pro-kikibis von der Beschaffenheit sind, daß nach deren einmal geschehener Vollziehung der verehelichte Mann bei dem Gebrauch seines Weibes st viss vsrs» gelassen werden mag, von welcher Art die Ehen im ändern Grade ungleicher Linie der Blutsfreundschaft sowohl als Schwägerschaft zu sein gehalten werden.*) Nicht zwar, als wenn von Menschen gegen das göttliche Verbot derselben dtspensirt werden könnte (inmaßen der weltlichen Obrigkeit nicht eingeräumt wird, daß sie dergleichen Heirathen zu schließen verhänge); sondern weil dergleichen einmal geschlossene Heirathen tolerirt werden mögen, in Ansehen in dem göttlichen Gesetze Lev. 18. und 20. auf dergleichen keine Lebensstrafe gesetzt worden, sondern die Verbundenen bei ihrer Verbindung, unter Bedrohung der Unfruchtbarkeit, beisammen gelassen und der willkürlichen Strafe der Obrigkeit überlassen werden; auch Exempel solcher von Gott selbst tolerirt.n Eben vorhanden sind. (ok. Oaxprov. äurisxr. oousist. 1. 2. tit. 6. äsk. 99. Itlusasus, Ikss. äs ooujuZ. p. 174 s. Laisr. Disp. äs äiüsrsutia äispsns. st tolsrautias.)" (Auserles. Bedenken rc. S. 417.)
Milder urtheilte Spener: „Wie ich denn solches imxsäimsutum» so sx Is§6 positiv» morali herkommt, pro iurxsäiursuto watrimouii iu-suuäi, nicht aber oausa rssoiuäsuäi iuitum achte: dergleichen einige andere sich finden mögen." (Bedenken, vom I. 1681. II, 552.)
Ebenso Dann Hauer: „Es ist ein großer Unterschied zwischen den Graden der auf- und absteigenden und der Seitenlinie. Jene sind indispensabel, diese sind zwar, weil sie das Moralgesetz oder positive Recht betreffen, dispensabel, jedoch nicht durch menschliches Recht, sondern durch göttliches." (1K. sasual. p. 271.)
Verlesen wurde sodann der hierhergehörige Abschnitt aus des Herrn
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*) Also die Tante, Lev. 18,12.13. 20,19., und die Base, Lev. 18,14. 10, 20.
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Referenten Pastoraltheologie, Seite 256—261, wo „Anmerkung 14" nebst den betreffenden Noten also lautet:
„Blutschänderische angebliche Ehen müssen aufgelös't werden. Baier schreibt hiervon: ,Wenn unrechtmäßig verbundene Per-sonen, z. B. in durch das Recht der Natur verbotenen Graden der Bluts-Verwandschaft, getrennt werden, so ist daS nicht sowohl eine Ehescheidung, alseine Erklärung, daß bei jener Verbindung kein eheliches Band vorhanden war, weil die eine Person mit der ändern, als einer nahen Blutsverwandten, nicht giltig contrahiren konnte.' (Ooruxsuä. tk. xosit. III, o. 16. § 34.) Vergl. oben § 21, Anm. 2.
„Hierbei entsteht nun die Frage: welches sind blutschänderische und darum als Ntchtehen aüfzuhebende Verbindungen? Fecht schreibt hierüber: ,Es lst zu merken, wenn entweder ohne vorgängige Dispensation oder mit derselben, obwohl wider Recht, eine solche in einem verbotenen Grade eingegangene Ehe durch kirchliche Einsegnung und eheliches Zusammenleben vollzogen worden ist, wovon man Beispiele beider Art in dieser Provinz hat: daß nach Einigen eine solche Ehe auch geduldet, da von Carpzov nachzusehen ist, nach Anderen aber dieselbe aufgelös't werden solle. Welcher letzteren Meinung fast alle Theologen sind.' (lostruot. xastor. oax. 17. § 5. p. 186.) Und so ist es in der That; ver-gleichen wir die betreffenden Stellen in Luther (Erlanger Ausg. 55, 81. ff. Walch X, 834.*) Erl. Ausg. 61, 245. ff. W. XXII» 1758.), I. Gerhard (1. o. §349.), Friedrich Balduin (Iraot. äs oas. eooso. x. 1216.) u. A., so finden wir, daß. diese alle jede Ehe für schändlich und darum für aufzulösend erklären, welche in irgend einem durch Gottes Wort verbotenen Grade geschloffen worden ist. Es finden sich jedoch auch unverdächtige Theologen, welche, obgleich sie keiner menschlichen Macht das Recht zugestehen, in irgend einem von Gott verbotenen Grade zu dispensiren, doch der Meinung sind, daß es Grade gebe, in welchen die Ehe aus moralischen Gründen
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*) Nichts desto weniger scheint auch Luther nach dieser Stelle die Ehe mit des Weibes Schwester, obgleich für von Gott verboten und dämm zu trennen, doch nicht für eine blutschänderische Verbindung angesehen zu haben; er schreibt: „Ueber das alles wisset ihr, daß solche Erempel sehr ärgerlich sind und ruchlose Leute Ursach davon nehmen zu Blutschanden, wie man denn, leider! in etlichen Fällen befunden, daß solche Leute sich haben wollen mit vorigem ärgerlichen Exempel entschuldigen." An einer anderen Stelle, wo eS sich um eine mit des verstorbenen Vetters Weib geschlossene Ehe handelte, schreibt Luther zwar, daß er „solche Ehe mit gutem Gewissen nicht könne billigen als recht, weil sie ausdrücklich nicht allein wider Moses Gesetz (welches nicht MoftS, sondern für ein natürlich Gesetz wird angesehen), sondern auch wider beschriebene kaiserliche Rechte und Ordnung ist", — allein schlüßlich drückt Luther auch seine Unsicherheit in dergleichen Fällen aus, indem er hinzusetzt: „Ich zwar wollte diesem guten Manne gern und mit Willen dienen und zu Gefallen sein, daß ich dieser gemeinen Regel folgte: Viel taugt nicht noch ist recht, das doch, Wenns geschehen ist, gehalten und geduldet wird; aber das Gewissen und die neue That läßt mich ungewiß stecken." (Erl. Ausg. 61, 244. f. W. XXII, 1757.)
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zwar nicht eingegangen werden sollte, die aber eine Verbindung, wenn sie eingegangen ist, nicht blutschänderisch, nicht zur Nichtehe machen, daher, nachdem solche Ehen bereits vollzogen sind, dieselben nicht nothwendig aufzulösen, sondern, wenn die Betreffenden Buße thun, zu dulden seien. So schreibt z. B. I. W. Baier: »Unter jenen in verbotenen Graden eingegangenen Ehen scheint dieser Unterschied statt zu finden, daß einige durchaus aufzulösen sind, andere, nachdem sie mit entsprechender Strafe belegt worden, geduldet werden können. Aufzulösen sind nemlich diejenigen, auf welche Gott 3 Mos. 20. ausdrücklich die Todesstrafe gesetzt hat, weil sie nemlich so schändlich und abscheulich sind, daß es unrecht wäre, wenn die angeblichen Eheleute darin blieben. Dahin gehören die Ehen Blutsverwandter und Verschwägerter zwischen in gerader Linie von einander Abstammenden und Blutsverwandten im ersten Grade der Seitenlinie, von welchen auch Harpzov in seiner äuris-pruäsuti» sousistorialis B. 2. Des. 99. dafür hält, daß sie um des außerordentlichen und erschrecklichen Aergernisses willen, das sie geben, aufzulösen seien. Obgleich jene Verbindungen nur vermöge einer Zweideutigkeit des Wortes Ehen heißen, als bei welchen ja kein eheliches und unlösbares Band stattfindet. Zudulden sind die, auf welche 3 Mos. 20. die Todesstrafe nicht gesetzt ist, z. B. welche im zweiten Grade der ungleichen Seitenlinie in der Blutsverwandtschaft, und welche im zweiten Grade der ungleichen Seitenlinie in der Schwägerschaft eingegangen und vollzogen worden sind. Denn in diesen Fällen scheinen die Eheleute durch die 3 Mos. 18. und 20. enthaltenen Gesetze in der eingegangenen und vollzogenen Ehe gelassen und der entsprechenden Strafe der Obrigkeit mit Androhung der Kinderlosigkeit unterworfen zu werden. Jene Duldung aber von Seiten der Kirche und Obrigkeit ist nicht dasselbe, was eine Dispensation im eigentlichen Sinne von den 3 Mos. 18. und 20. gesetzlichen Verboten ist. Denn eine Dispensation ist eigentlich eine Freisprechung vom Gesetz in Absicht auf dessen Verbindlichkeit in den Dingen, welche dasselbe gebietet oder verbietet. Aber die Kirche und Obrigkeit, welche jene Ehen, die Gott aufzulösen nicht befohlen hat, duldet oder nicht auflös't, spricht darum nicht von dem Gesetz, welches jene Ehen verbietet, frei und läßt dasselbe in seiner Kraft.' (D. o. § 29.) Auf die Frage: ,Wte es zu halten, wenn Personen, so vermöge göttlicher Schrift sich nicht ehelichen können, sich äs kaoto (thatsächlich) gtehelicht und die Ehe besitzen?' antwortete daher nach Dede-kennus einst das Churfürstlich Sächsische Consistorium u. A. Folgendes.: »Diese Frage wird bevoraus in fremden Landen sehr oft in die Consistorien geschickt. Wir reden aber jetzt nicht von denen, so außerhalb Eheverlöbniß Blutschande üben, sondern von denen, die etwa an fremden Orten sich ehelich lassen zusammen geben. Als eine Gräfin hat ihres verstorbenen Herrn (Gemahls) Bruder io laois soolssias (öffentlich vor der Gemeinde) und Beisein ihrer Freunde ihr vor weniger Zeit ehelich vertrauen lassen. Item,
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einer hat seines verstorbenen Weibes Schwester Tochter geehltchet rc. Der weltlichen Obrigkeit wird dieses Falls billig ihre Strafe Vorbehalten. Wir reden aber allhie, was die Consistorien in solchen und dergleichen Fällen, so sich in der Seitenlinie zugetragen, wegeck der Personen Gewissen sprechen oder in Acht haben sollen. Darauf haben wir unser einfältiges Bedenken vermeldet. Anno 1561 haben die Theologen zu Wittenberg und Frankfurt
a. d. O. in solchem Fall Bedenken gefastet, daß einer vom Adel, welcher seiner Mutter Schwester geehelicht und wegen solcher schweren Mißhandlung aus Ihrer Churfürstlichen Gnaden Land verwiesen, sich in eine andere Stadt gesetzt; daher ein Widerwille entstanden; das Ministerium desselbigen OrtS hat solche Leute nicht wollen zur Beichte und hochwürdigem Sacrament zu-laffen, auf die Ehescheidung gedrungen und den Bann oder Excommunication wollen wider sie vornehmen. Die Personen haben einander nicht wollen verlassen und, ihren Gewissen zu rathen, bei vielen Theologen Consilia gesucht. Denn wenn diese Personen, >o gegen das göttliche Recht contrahirt, wollen einander gutwillig verlassen und Buße thun, so sind sie ohne Zweifel hieran nicht zu hindern; auf solchen Fall können sie anderwärts (mit einer ändern Person) gebührlich zu verehelichen erlaubet werden. Aber wenn sic wollen bei einander bleiben, die Obrigkeit, darunter sie sich begeben, thut sie auch dulden: hierin stimmen etlicher Theologen Bedenken zusammen, daß solche Ehe nicht zu scheiden, so die Personen ihre Sünde erkennen, Reu und Leid darob haben, sich zu wahrer Buße richten; dieselben auch von der Communion oder christlichen Gemeine mit der Excommunication mit Nichten auszuschließen; trotzdem, daß der Apostel an die Korinther den, so seine Stiefmutter geehelichet, excommunicirt hat; denn solche Verbrechung ist in auf-undabsteigender Linie gewesen; wir aber reden allein von der Seitenlinie vom ändern Grad ungleicher Linie. Auf diese vorgehende Meinung haben unsere Vorfahren und wir der Gewissen halben gesprochen und sind die fürnehmsten Ursachen, wie folget. Denn erstlich ist aus Mose klar zu befinden (welcher 3 Mos. 18. die Grade verboten), daß er im 20. Capitel des 3. Buchs Mosis so.lche Personen, welche äs kasto in verbotenen Graden contrahirt haben, mit Nichten thut von einander scheiden. 3 Mos. 20,21. verbeut er seines Bruders Weib und Vers 20. seines Vaters Bruders Weib; da er spricht: Sie sollen ihre Sünde tragen, ohne Kinder sollen sie sterben. Aus diesem ist klar, daß Moses die verbotene Ehe, wenn sie äs kaolo erfolget ist, nicht will scheiden oder zerreißen, sondern den Fluch, daß sie ohne Kinder sterben sollen, auf sie geleget. Die Juristen haben eine feine Regel: Vieles wird anfänglich leichter gehindert, als, wenn es geschehen ist, aufgehoben (wie vom Eid). Die Leibesstrafe, so in Churfürstlicher Ordnung auf diejenigen, welche im ersten Grad oder im ändern ungleicher Linie sich verehelichen, gesetzt ist, gibt den Consistorien nichts zu schaffen.' (Dedekennus a. a. O. ürl. 343. ff.) Im Jahre 1659 antwortete die Wittenberger theologische Facultät auf die Frage: ,Ob Georg N. und seine Ursula, nachdem sie die Dispen-
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sation im zweiten Grad der Verschwägerung*) von zweier Herrschaft Linien, auch die Permisston, sich copuliren zu lassen, von Einer Linie erhalten, für Blutschänder zu achten seien . . . und ob sothane Ehe zwischen ihnen beiden, nachdem sie bereits ein Kind erzeuget, nach Gottes Wort schriftmäßig und mit Recht könne getrennet werden?' u. A. Folgendes: »Auf die erste Frage: daß diese Ehe zwar, als im zweiten Grad der Affinität, nach göttlichem Recht verboten sei und deßwegen darüber nicht hätte sollen dispenstrt werden; weil es aber gleichwohl geschehen und die Ehe mit Dispensation und Consens der hohen Obrigkeit einer und der anderen Linie von den Verlobten aus Jrrthum und Einfalt ist vollzogen worden: halten wir nicht, daß sie für Blutschänder zu achten sind, denn es sind nicht alle verbotene Ehen (vom göttlichen Recht ist die Frage) eigentlich sogenannte blutschänderische, sondern die im nächsten Grad' (zwischen Geschwistern), »und allermeist die in auf- und absteigender Linie geschehen. Auf die zweite Frage: daß diese Eheleute schuldig feien, nicht allein die Strafe der Obrigkeit zu tragen, sondern auch die Erschreck-lichkeit ihres Vergehens herzlich zu erkennen und zu bereuen, daß sie eine durch göttliches Recht verbotene Ehe und darüber kein Mensch zu dispensiren Macht hat, wiewohl aus Jrrthum, celebrirt haben. Es mag auch die Gemeine des Casus erinnert und sowohl wegen des Aergernisses um Verzeihung, als um Fürbitte zu Gott um gnädige Vergebung für diese Eheleute öffentlich ersucht werden. Dann soll ihnen der Beichtstuhl und das heilige Abendmahl nicht länger versagt, sondern ihnen gnädige Vergebung.der Sünden verkündigt und die Gewissen getröstet und befriedigt werden. Auf die vierte Frage: nachdem diese Ehe einmal vollzogen und so fern gediehen, soll sie mit Nichten getrennet werden. Denn es hat Gott, der HErr, durch Mosen zwar die Ehe in solchem Grad vorzunehmen verboten, aber nachdem sie vollzogen ist, hat er sie nicht befohlen zu trennen.' (Oou-sika ^VitsksrZsusi». IV, toi. 76.) So schreibt ferner der Altorfer Theolog Georg König**): ,Was ist dann zu thun, wenn dergleichen Ehen entweder aus Unbedachtsamkeit (impruäsutia) oder gänzlich aus Unwissenheit eingegangen worden wären, aber nach Offenbarwerden der Sache und nachdem dieselbe nun einmal geschehen ist, das Paar dieselbe nicht aufheben wollte? Ich antworte: Solche Ehen, weil sie gegen das göttliche Gebot geschloffen worden sind, werden gesetzlich für null und nichtig geachtet, und daher könnten sie mit vollem Rechte aufgehoben werden, und es wäre oft das Beste, daß sie ohne Weiteres aufgehoben würden, damit die Gewissen in Zeiten frei gemacht und von heimlichen Bissen nicht hernach beunruhigt und gequält würden. Wollte aber die Obrigkeit sich ihres Rechtes nicht ge-
*) Der Fall war eine Verehelichung mit des Weibes Bruders Tochter.
**) Er hatte zuvor von der verbotenen Berheirathung mit des Bruders oder der Schwester Tochter gehandelt.
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brauchen, und zwar dem Ehestande zu Ehren, und wider den Willen des Paars keine Ehescheidung anstellen, so wäre es doch recht und billig, daß sie die Verbrecher entsprechend strafe, damit es nicht den Schein gewinne, als wolle sie die Sünde nähren oder Aergernisse befördern. Außerdem müssen auch die Schuldigen selbst ihren Fall, darein sie gerathen sind, beweinen, die Strafe der Obrigkeit geduldig tragen und überdies Gott brünstig anrufen, daß er den begangenen Jrrthum so verzeihe, daß ihre Sünde weder ihnen selbst, noch ihren Kindern, wenn ihnen solche bescheert werden sollten, künftig zu Schimpf und Schande oder zu völligem Verderben gereiche. Zum Tröste mag ihnen dienen jenes Paulinische Wort: Der.HErr wird uns Barmherzigkeit widerfahren lassen, denn wir haben es unwissend gethan, 1 Tim. 1, 13.' (Oas. OoQselsril. x. 781.) Von dem Jenaischen Theologen Frtedemann Bechmann sagt Deyling: ,Er antwortet (in seiner Casuistik), indem er zwischen den göttlichen Gesetzen die unterscheidet, welchen die Drohung mit der Todesstrafe, und welchen d i e Strafe beigefügt ist, daß sie ohne Kinder sterben sollen. Von einer Ehe, welche gegen die göttlichen Gesetze der ersteren Gattung eingegangen ist, sagt er, daß sie ungiltig und aufzu lösen sei; wenn aber von dem Verbot der letzteren Gattung die Rede und die Ehe erst zu vollziehen sei, so sei sie auf alle Weise zu verhindern, da sie Gott mißbillige; wenn aber die Sache nicht mehr unentschieden und die Ehe schon vollzogen ist, die contrahirenden Theile auch nicht bewogen werden können, daß sie zurücktreten, so könne es zugelassen werden, da Gott es selbst zugeiaffen und nur eine Strafe, nemlich Kinderlosigkeit, darauf gesetzt zu haben scheine, 3 Mos. 20, 20? (Institut, xruäsut. xastoral. x. 663. s.)
„Daß wir Vorstehendes nicht darum mitgetheilt haben, zu beweisen, daß ein Prediger selbst solche Ehen einsegnen könne, durch welche die göttlichen Gebote in Betreff der ehehinderlichen Verwandtschaftsgrade übertreten werden, bedarf wohl keiner Erwähnung. Es handelt sich hier vielmehr nur darum, wie ein Prediger dann zu handeln habe, wenn, was gerade hier öfter als in irgend einem Lande der Erde vorkommt, Personen Aufnahme in seine Gemeinde begehren oder schon darin sind, die in einer in Gottes Wort verbotenen Ehe bereits leben, z. B. mit des Bruders Wittwe oder mit des Weibes Schwester, ob nemlich ein Prediger dann Auflösung der Ehe zur Bedingung der Aufnahme oder Absolution zu machen habe. Unsere Meinung ist, daß die letztgenannten Fälle zwar Ehen involviren, welche wider Gottes Gebot, also in Sünden geschloffen wurden, aber nicht blutschänderische Verbindungen, sondern wirkliche Ehen und daher nicht nothwendig zu scheiden sind. Was uns davon überzeugt, ist hauptsächlich die durch göttliche Dispensation eingesetzte Leviratsehe mit des kinderlos verstorbenen Bruders Wittwe, welche Dispensation nicht denkbar ist, wäre diese Verbindung eine blutschänderische Nichtehe. 5 Mos. 25, 5. vergl. 3 Mos. 18, 16. 20, 21."
Folgende Fragen wurden bei dieser Thesis besprochen:
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1. Wenn nun aber Jemand trotz aller Belehrung doch die Schriftwidrigkeit der Schwagerehe nicht einsehen könne und auf sein Gewissen erkläre: er sehe kein Unrecht darinnen, was man mit einer solchen Person thun solle? Antwort: man muß es seinem Gewissen überlassen. Aber, wohl zu merken! ein Prediger soll nun nicht denken: weil die Person es nicht einsehen kann, deswegen will ich sie trauen. Nein! Du sollst die Person deswegen nicht verdammen, aber doch sollst du dich ihrer Sünde nicht theilhaftig machen. Durch beigegebenes Bedenken Speners wurde dies weiter beleuchtet:
„Was die beigelegte Frage anlangt, so achte ick in meiner Einfalt, daß ein Beichtvater, nachdem er alles gethan, was er nach seinem besten Wissen zu Abwendung desjenigen, was er in seinem Gewissen unrecht zu sein sorget, dienlich erkannt, solches aber in die Herzen nicht dringt, sondern dasjenige, was dieselben für ihre Meinung gefasset, bei ihnen die Obhand bebält, wohl möge die Absolution ertheilen. Denn wir sind nicht Herren über unserer anvertrauten Seelen Glauben, sondern dero Gehilfen. Wie ich nun in anderen Stücken, die in lasto bestehen, worüber ich mit dem Beichtkind handle, ob ich schon starke xrassumtionss auf das Gegentheil habe, da sich dieses aufsein Gewissen beruft, dabei auch beruhen und es dem HErrn überlassen muß: so gilt dieses nicht weniger, da es eine yuasstio )uris ist, daß nemlich, — wo wir nicht das unhintertreibliche und klarste Wort Gottes, so die Gewissen allein mit genügsamer Kraft überzeugt, denselben vor Augen legen können, sondern es dahin kommt, daß man der Con-seq uenzien, und zwar solcher Consequenzien, welche starken sxesptiooikus unterworfen, bedarf—, wir sie nicht weiter zu nöthigen vermögen, als wie viel sie sich von dem göttlichen Willen überzeugt zu sein finden. Da sie also, daß dieses Gottes Gebot sei, nicht bei sich selbst erkennen können und solches nicht aus einer bloßen Hartnäckigkeit und nicht ohne Vorlegung starker Motiven, welche wir selbst nicht so gar unerheblich, obwohl die gegenseitigen stärker achten, geschiehet: so geht unsere Gewalt nicht weiter und müssen wir's dem HErrn befehlen, der allein die Herzen in Händen hat und dieselben fest machen kann. Ich erinnere mich dabei gern der Worte Pauli 1 Kor. 7, 6. 8. 10. 25. 40., wo er eine solche Meinung führt, welche mit dergleichen Gründen befestigt wird, die dem Willen des HErrn allerdings gemäß find, indessen weil er keinen ausdrücklichen Befehl des HErrn aufzuweisen hatte, so will er den Gewissen keinen weitern Strick anwerfen. So viel weniger hätten w i r, da nur alle ein geringeres Maaß des Geistes empfangen haben, als der theure Apostel, unsere Gewalt weiter zu extendiren, als daß wir, wo das Gebot des HErrn nicht ganz unleugbar vor Augen stehet, unsere Meinung geben und dieselbe, so gut wif vermögen, bestätigen, nächstbem aber den Gewissen selbst die Sache überlassen, welche sonst, wo wir weiter gehen wollten, angestrengt würden, sich nicht nach göttlichem Gebot (denn solches erkennen sie in der Sache nicht), sondern nach unserem Befinden zu richten. So ist's
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kein peeestum prosoretiouna oder odstinutuw, da wir selbst nichts anders, als einen Jrrthum bei ihnen erkennen, und diejenigen Ursachen vor Augen sehen/die gleichwohl nicht gering, sondern capabel sind, einem vieles Bedenken in der Sache zu machen." (A. a. O. S. 554. f.)
2. Wie es sich mit der Strafe der Kinderlosigkeit verhalte, die in solchen Fällen wohl gedroht sei, aber nicht immer eintreffe? Antwort: Damit gehe es wie mit der Verheißung im vierten Gebot: „Auf daß dir's wohlgehe und du lange lebest auf Erden." Da scheint auch manchmal das Gegenthetl einzutreten und die Verheißung auszubleiben. Das müssen wir eben Gott anheimstellen, wie er die Drohung nach seinem weisen und verborgenen Rathe ausführen werde.
3. Wenn nun zwei Personen, die in der Schwagerehe gelebt haben, aus einander gegangen sind, soll man sie wieder zusammennöthigen oder nicht? Antwort: Hier kommt es auf die Gründe an, um deren willen sie sich getrennt haben. Haben sie sich getrennt, weil ihnen ins Gewissen gefahren ist. sie könnten nicht länger in ihrer Ehe als einer Gott mißfälligen leben, so soll man sie nicht wieder zusammennöthigen.
4. Wenn nun aber die Schwagerehe eine Sünde gegen das Moralgesetz ist, leben dann diejenigen, die sich in der Schwagerehe befinden, nicht in fortwährender Sünde? Sollte man darum, ja muß man nicht von Solchen als Zeichen ihrer Büßfertigkeit die Auflösung einer solchen Ehe verlangen? Antwort: Es kommt darauf an, ob wir eine solche Ehe als wirkliche Ehe oder als Hurerei anzusehen haben. Ist Letzteres der Fall, dann liegt die Sache klar vor Augen. Aber dies, daß Gott selbst sagt, Solche sollten ohne Kinder sterben, und daß Gott selbst in der Leviratsehe eine Ausnahme gemacht und dieselbe als Ehe anerkannt hat; dies, daß Gott nicht, wie von der Ehe mit des verstorbenen Mannes Bruder, sagt: es ist eine schändliche That — sollte uns bewegen, die Schwagerehe als Ehe anzuerkennen und Solche, die wider Gottes Ordnung in dieselbe eingetreten sind, aufzufordern, Gott ihr Unrecht herzlich und mit zerknirschtem Geiste abzubitten und dann getrost mit einander fortzuleben. Die strengen Worte der Leipziger theologischen Facul-tät, sowie die harten Reden Luthers, wenn er im Rathe der Juristen mitzusprechen hatte, hatten ihren Grund mit darin, daß sie in der Staatskirche zu reden hatten, in der eine solche Ehe auch von Staats wegen nicht erlaubt war und derjenige, welcher sie doch einging, keine legitime Ehe führte. Wenn Luther allein für seine Person redet, um den Gewissen zu rathen, da redet er anders als die Juristen. Man solle den analogen Fall nehmen: wenn jemand auf unrechtmäßige Weise ins Predigtamt gekommen sei, dann könne man dock auch? nicht sagen, er habe das Amt nicht, oder, man müsse es wieder von ihm nehmen. Nein, Buße solle er thun und dann um so treuer und fleißiger im Amte sein.
Als letztes Citat wurde der Einsicht der Synodalconferenz Folgendes unterbreitet:
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Die Wetmarische Bibel macht zu 3 Mos. 20, 19—2l. die Bemerkung: „In diesen drei letzten Fällen scheint es, Gott habe geduldet, was er nicht gut geheißen, ja sein Mißfallen dagegen bezeuget." Zur Erklärung der Worte aber 3 Mos. 20, 20. : „Ohne Kinder sollen sie sterben", wird htn-zugesetzt: „Ich der HErr will solche schändliche Vermischung dergestalt strafen, daß solche Blutschänder entweder keine Kinder haben, oder loch nicht für ehrlich gehalten, auch.wohl gar durch den frühzeitigen Tod hingerissen werden sollen. Hos. 9, ll. 12."
Thesis 6. wurde hierauf angenommen und daun das Referat als Ganzes genehmigt.
Geschäftsverhandlungen.
I. Die Sache der Bildung von Staatensynoden und die Errichtung eines Gesammtseminars.
Als man auf Grund eines dahin zielenden Beschlusses Rundfrage that, was in dieser Sache seit der letzten Versammlung der Synodalconferenz in den verschiedenen Synoden geschehen sei, gaben die Delegationen der einzelnen Synoden folgende Erklärungen ab.
Die ehrw. Synode von Illinois hatte bei Gelegenheit ihrer vorletzten Versammlung den Beschluß gefaßt, die Vorschläge der Synodalconferenz ihren Gemeinden zur Besprechung vorzulegen. Dieser Beschluß wurde dann zur Ausführung gebracht, und bei der jüngst abgehaltenen Versammlung der Synode stellte es sich heraus, daß alle Gemeinden mit nur einer Ausnahme sich zur Bildung von Staatensynoden bereit erklärt hatten.
Die ehrw. Synode von Minnesota hält den Beschluß des vorigen Jahres aufrecht, daß sie nämlich die Bildung unabhängiger Staaten-Synoden als Ziel anerkenne, jetzt aber den Zeitpunkt für eine Vereinigung noch nicht gekommen erachte. Die Synode hat ferner einstimmig erklärt, daß sie sich bei der Errichtung eines Gesammtseminars betheiligen würde, daß sie glaube, ein solches Seminar sollte der Bildung von Staatensynoden vorangehen, und daß sie ihre Delegaten bevollmächtigt, als Committee mit ähnlichen Committee« anderer Synoden weiter zu verhandeln.
Die ehrw. Synode von Missouri, Ohio u. a. St. hat auf ihrer letzten Delegatensyuode in St. Louis folgende Beschlüsse gefaßt:
„Beschlossen, daß die Delegatensynode der Allgemeinen Synode von Missouri, Ohio u. a. Staaten den Vorschlag der Synodalconferenz zur Bildung von Staatensynoden von Herzen gutheiße und auf denselben einzugehen bertit sei, vorausgesetzt, daß 1. den einzelnen Staatensynoden die
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III. Uebersetzung des Concordienbuches in die englische Sprache.
Da Herr Prof. F. A. Schmidt als Uebersetzer des Concordienbuches in die englische Sprache und Hauptredacteur des ganzen Werkes im Laufe des Jahres resignirt hatte,
so beschloß die Conferenz, diese Sache bis zur nächsten Versammlung liegen zu lassen.
IV. Englische Lesebücher für dir Schulen.
Behufs der von der Synodalconferenz in Angriff genommenen englischen Lesebücher wurde beschlossen:
1. Daß der Committee, welche mit der Ausführung dieser Sache betraut ist, die Professoren A. Gräbner und I. D. Jakobsen als weitere Glieder beigefügt werden.
2. Daß zur schließlichen Beurtheilung der gelieferten Lesebücher ein Probeabdruck des Manuskriptes den sämmtlichen Pastoren und Lehrern der Synodalconferenz zugeschickt werde und diese alle aufgefordert sein sollen, etwaige für nöthig befundene Verbesserungen an den Hauptredacteur, Herrn Pastor R. Lange in Chicago, einzusenden.
V. Prüfung der Synodalberichte der zur Conferenz gehörenden Synoden.
Die Berichte der von dem Hochw. Präses mit der Durchsicht der im Laufe des Jahres innerhalb der Synodalconferenz erschienenen und eingesandten Synodalberichte betrauten Personen lauten, wie folgt:
„Die Protokolle des Oestlichen, Mittleren und Illinois DistrictS der ehrw. Synode von Missouri rc. zeigen, daß die Brüder dieser Dtstricte un-ermüdet fortfahren in dem Werke des HErrn und sich seines Segens in hohem Maße erfreuen. Besprochen wurden in den Versammlungen von 1877 der Unterschied des Gesetzes und Evangeliums, die Lehre von der Sünde, und Thesen über Union oder glaubensbrüderliche und kirchliche Gemeinschaft, und zwar in sehr belehrender uud erbaulicher Weise. Auch wurde die praktische Frage erörtert: Was ist zu thun, um das Interesse der Gemeinden an den Gemeindeschulen zu wecken und die rechte Erkenntniß der hohen Wichtigkeit christlicher Schulen zu wahren? und ein Referat zur Sprache gebracht über den inner« Zustand der Gemeinden. Die von der Synodalconferenz angeregte Frage wegen Errichtung von Staatensynoden und Gründung eines gemeinsamen Seminars wurde, mit besonderer Rücksicht auf einen Vorschlag der ehrw. Ohiosynode, eingehend besprochen. M. Loy."
„Der Unterzeichnete hat hinsichtlich der ihm übergebenen Dokumente Folgendes an die Ehrw. Synodalconferenz zu berichten:
1. In den Verhandlungen der Ehrw. Synode von Minnesota u. a. St. finden sich Beschlüsse in Bezug auf die Errichtung von Staatensynoden und
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Gründung eines allgemeinen Predigerseminars. Diese Beschlüsse stehen im vollen Einklang mit der von der Ehrw. Synodalconferenz früher ausgesprochenen Erklärung und sind bereits von der Delegation der Synode von Minnesota der Ehrw. Synodalconferenz mündlich mitgetheilt worden.
2. In den Verhandlungen der 6ten Convention der Englisch-Lutherischen Conferenz von Missouri, welche vom 26.—30. Oktober vorigen Jahres in Hindsville, Arkansas, gehalten wurde, findet sich ein Beschluß, nach welchem der Ehrw. A. Räder angewiesen wurde, eine Application um Aufnahme dieses letzteren Körpers in die Ehrw. Synodalconferenz vorzulegen.
In den diesen Verhandlungen beigelegten Briefen werden theils die Zustände der genannten Englischen Conferenz etwas eingehend geschildert, theils der Ehrw. Präses der Synodalconferenz, Herr Professor Lehmann, ersucht, die Bitte um Aufnahme der Ehrw. Synodalconferenz selbst vorzulegen, da es den Delegaten der Englischen Conferenz unmöglich sei, selbst nach Fort Wayne zu kommen. Ebenso wird gxwünscht, daß solche Brüder der Missouri-Synode, welche mit der in Frage stehenden Englischen Conferenz bekannt seien, wie z. B. Herr Professor F. A. Schmidt, die Interessen derselben bei der Ehrw. Synodalconferenz vertreten möchten.
Achtungsvoll
J. Kucher."
„In den Berichten dreier Distrikte der ehrw. Synode von Missouri nämlich des westlichen, nordwestlichen und nördlichen, vom Jahre 1877, findet fich außer den herrlichen Lehrverhandlungen über die Gnadenwahl, über die Eigenschaften einer wohlgegründeken wahrhaft lutherischen Gemeinde, und über die Analogie des Glaubens, die von jedem Einzelnen nur zu seinem Segen gelesen werden können — und außer der Stellung, die der nordwestliche und westliche District zur Hermannsburger Mission auf Grund gepflogener Verhandlungen eingenommen haben, welcher Stellung die ehrw. Synodalconferenz beitreten sollte — weiter Nichts, was von der ehrw. Synodalconferenz eine eingehende Berücksichtigung erheischen dürfte.
C. A. Frank."
Diese Berichte wurden sämmtlich angenommen.
VI. Berichte der Präsides der einzelne« Synoden über die innerhalb ihrer Synoden im Gebranch befindlichen Agenden, Gesangbücher und Katechismen, sowie über Gemeindeschulen.
Da von den Berichten, welche den beiden auf Seite 27 des Berichtes der Synodalconferenz vom Jahre^1877 verzeichneten Beschlüssen gemäß von den Präsides der einzelnen Synoden eingereicht werden sollten, noch einige fehlten, so wurde
beschlossen, die Verhandlung über diese Berichte bis zur nächstjährigen Versammlung der Synodalconferenz zu verschieben.
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VII. Die Kasse der Conferenz.
„Einer Ehrw. Synodalconferenz berichtet die zur Prüfung des Caffa-bucheS bestellte Committee, daß sie dasselbe recht befunden hat und daß dasselbe mit einem Cassabestand von K12.42 abschließt.
L. Brauns.
Geo. Steuber.
Halle Steensland."
Unerledigte Gegenstände.
1. Thesen über Kirchengemetnschaft.
2. Thesen über das «lus parorrlüuls.
3. Thesen über innere Mission.
Dankvota.
1. Beschlossen, daß dem verehrten Redacteur der „Indiana Staatszeitung", Herrn I. Sarntghausen, für seinen der letzt- und der diesjährigen Versammlung der Synodalconferenz unentgeltlich geleisteten Druck von Thesen von der Conferenz ihr herzlichster Dank dargebracht werde.
2. Beschlossen, daß den lieben Gemeinden in Fort Wayne, insonderheit der St. Paulusgemetnde, für ihre wiederum in so freundlicher und liebevoller Weise erwiesene Gastfreundschaft der innigste Dank öffentlich von der Kanzel abgestattet werde. —
Ort und Zeit der nächsten Versammlung der Synodal-Conferenz.
Die nächste Versammlung der Synodal-Conferenz wird, so Gott will, am dritten Mittwoch des Monates Juli 1879 in der Gemeinde des Herr« Pastor Herbst zu Columbus, Ohio, stattfinden.
Beamte der Synodal-Conferenz.
Präses: Prof. W. F. Lehmann, Oapital Iluiversli^, Oolumbus, O. Vicepräfes: Pastor W. S. Stubnatzy, Oor. L «saelcscm 8trs.,
I'ort luck.
Secretär: Prof. C. A. Frank, Capita1 University, Columbus, O.
Schatzmeister: Herr Consul Halle Steensland, Madison, Wis.
KotL assew die KHre!
W. F. Lehmann, Präses.
C. A. Frank, Secretär.