1874 Synodical Conference essay, Walther present: Church Fellowship, Jus Parochiale; OCR'd by BackToLuther, August 16, 2015
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Zufolge eines am 22. Zuli 1873 gefaßten Beschlusses und nach geschehener öffentlicher Anzeige in den kirchlichen Zeitschriften versammelte sich die ehrwürdige evangelisch-lutherische Synodalconferenz am Mittwoch den 15. Juli 1874 in der Kirche des Herrn Pastor Herzberger zu Pittsburgh im Staate Pennsylvania.
Die Eröffnung fand am genannten Tage Vormittags 9 Uhr mit einem feierlichen Gottesdienst statt, bei welchem der Präses der Synodalconferenz, Herr Prof. W. F. Lehmann, auf Grund von Römer 15, 17. die Synodalpredigt hielt.
Es folgten hierauf bis Dienstag den 21. Juli im Ganzen 11 Sitzungen: 1 kurze Sitzung unmittelbar nach dem Eröffnungsgottesdienst, in welcher die Organisation der Conferenz stattfand, und 10 regelmäßige Sitzungen zu je 3 Stunden Vormittags von 85 bis 115 Uhr und Nachmittags von 25 bis 65 Uhr. Jede Sitzung wurde mit einem vom Kaplan, Herrn Pastor G. F. H. Meiser, geleiteten liturgischen Gottesdienst eröffnet und theils mit dem Gebet des HErrn, theils mit Gesang des apostolischen Segens geschloffen.
Bei der Organisation wiesen sich folgende Personen als
beglaubigte Delegaten
für die diesjährige Versammlung aus:
1. "Don der ehrw. Synode von Missouri, Mo u. a. Staaten:
u. Westlichen Distrikts: die Professoren C. F. W. Walther, C. A. T. Selle, die Pastoren E. A. Brauer, A. Lange, T. I. Große, A. G. G. Franckef, und die Herren K. Ude, G. Richter, I. Umbach, K. Rohe, W. Leseberg f, H. C. Zuttermeksterf.
d. Nördlichen Districts: die Pastoren I. A. Hügli, O. Fürbringer f, F. Lochner, O. Spehr und die Herren C. Eißfeldt, A. Gräbner,
G. Markworth, I. Maul.
e. Mittleren Districts: die Pastoren W. S. Stubnatzy, H. C. Schwan, Fr. Wyneken und die Herren I. H. Melcher, I. H. Ungemach,
A. Hermann.
6. Oestlichen Districts: die Pastoren I. P. Beyer, O. Kolbe und die Herren I. Keyl, F. Stutz.
2. "Don der ehrw. Synode von Ohio u. a. Staaten:
a. Westlichen Districts: die Professoren W. F. Lehmann, E. Schmid und die Herren I. H. Spielmann, C. Nagel f.
b. Oestlichen Districts: Pastor F. Schiedt und Herr I. Eitemüller.
c. Nördlichen Districts: Die Pastoren H. F. Belser, A. Bürkle und die Herren PH. Dapper, A. Birk.
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d. Südlichen Districts: Pastor Fr. Zur Mühlen,
e. Englischen Districts: Professor M. Loy und Herr I. C. Kepplef.
3. Von der ehrw. Synode von Wisconsin:
Die Pastoren PH. Köhler, H. Brockmann und Herr W. Heidereich.
4. Von der ehrw. norwegisch - lutherischen Synode:
Die Professoren L. Larsen, F. A. Schmidt, die Pastoren H. A. Preus, B. I. Muus, I. A. Ottesen und die Herren T. I. Widvey f, E. Axelsen.
5. Von der ehrw. Synode von Illinois:
Die Pastoren G. Baumann, G. Göhringer und die Herren K. I. Keisa, G. F. Wolf.
6. Von der ehrw. Synode von Minnesota:
Pastor I. H. Sieker und Herr W. Gieselmann.
Bemerkung: Für die mit 's Gezeichneten war zwar ein Beglaubigungsschreiben eingereicht, dieselben waren aber nicht anwesend. Nur Einige von ihnen hatten ein Entschuldigungsschreiben eingesandt. Die Synodalconferenz hält aber dafür, daß sie darüber keine Jurisdiction habe, sondern daß die betreffenden Synoden die nicht erschienenen Delegaten zur Rechenschaft zu ziehen haben.
Einige Synoden haben entweder nicht die volle Anzahl Delegaten erwählt, oder die erwählten Delegaten sind nicht erschienen. Da aber die Beamten einiger Synoden keine Gesammtangabe aller erwählten Delegaten eingesandt haben, so konnten die Namen etlicher fehlender Glieder nicht bekannt gemacht werden.
Als berathende Glieder waren zugegen:
1. Gon der ehrw. Synode von Missouri, Mo u. a. Staaten:
Die Pastoren: I. A. F. W. Müller, St. Keyl, G. Speckhardt, A. Brauer, C. Engelder, C. Sallmann, E. W. Kähler, P. I. Bühl, H. W. Lothmann, I. Horn — und die Lehrer A. Müller, A. Paar, H. Ilse.
2. Von der ehrw. Synode von Ohio u.a. Staaten:
Die Pastoren: H. A. Becker, W. CH. Lübkert, F. E. Fickeißen, H. A. Schmidt, S. Bächler, A. H. Schulze, I. C. Schulze, A. Pohl, D. Simon, W. A. Weismann, I. Gräßle, C. Cleßler, G. Dornbirer, L. Dammann, A. H. Feldmann, C. F. W. Brecht, W. F. Schillinger, I. Wilhelm, F. Wilhelm, W. Deis, I. G. Butz, G. Kittel, W. L. Meyer, K. Walz, F. A. Herzberger, G. Long, C. H. L. Treffel, G. F. H. Meiser und Professor
C. H. L. Schütte.
3 Von der ehrw. norwegisch-lutherischen Synode:
Pastor O. Juul.
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Als Gäste wohnten den Sitzungen bei
nicht nur bald mehr bald weniger Glieder der lieben Gemeinden zu Pittsburgh, sondern es waren auch aus anderen Synoden erschienen: Herr Vr. I. Ruperti von New Jork, Pastor I. Kündig von Reading und Pastor H. Wetzel von Virginien.
Somit waren also zugegen 95 Glieder, nämlich 52 Delegaten und 43 berathende Glieder.
Nachdem sich die Synodalconferenz constituirt hatte, schritt sie zur Wahl der Beamten für das laufende Jahr. Dieselbe hatte folgendes Resultat:
Prof. W. A. Lehmann..........................Präses.
Pastor L. M. Grauer ...... Vice-PräseS.
Pastor H. I. Große ....... Secretär.*)
Herr A. LitemÜller............................. Schatzmeister.
(Des Schatzmeisters Adresse ist:
No. 1714 Carson Str. S. S. Pittsburgh, Pa..)
Unter den Gegenständen, welche der Conferenz zur Besprechung und Beschlußnahme Vorlagen, wurden in zwei Vormittagssitzungen die schon im vorigen Jahre begonnenen
Thesen über Kirchengemeinschaft
weiter besprochen. Der Kürze der Zeit halber konnte nur die 5te Thesis ausführlich besprochen und schließlich einstimmig angenommen werden. (Um des Zusammenhanges willen werden hier die vier ersten, schon im vorigen Jahre angenommenen, Thesen mit abgedruckt.)
Vorbemerkung zu de« folgenden Thesen.
Das Wort: „Kirchengemeinschaft" ist hier nicht im weiteren Sinne behandelt. Denn in diesem Sinne ist schon auf Grund des Bekenntnisses zur heiligen Schrift als dem Worte Gottes zwischen allen in diesem Bekenntniß stehenden Gemeinden eine gewisse Kirchengemeinschaft vorhanden, gegenüber den Heiden, Juden und Mohammedanern.
Vielmehr wird dies Wort hier im engeren Sinne genommen als die Gemeinschaft der evangelisch-lutherischen Gemeinden gegenüber den mehr oder minder verderbten falschgläubigen kirchlichen Gemeinschaften.
Thesis 1.
Das einzige innerliche Gemeinschaftsband zwischen den einzelnen lutherischen Gemeinden in mancherlei Völkern und Sprachen ist der wahre, gerecht- und seligmachende Glaube an den HErrn JEsum Christum, der mit und in diesem auch dessen allerheiligstes und vollkommenes Verdienst ergreift und festhält.
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*) Die Herren Pastoren G. Baumann und O. Spehr fungirten als HülfssecretLre für die Vormittagssitzungen.
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Thesis 2.
Das einzige äußerliche Gemeinschaftsband zwischen den einzelnen lutherischen Gemeinden in mancherlei Völkern und Sprachen ist die ungeänderte Augsburgische Confession.
Anmerkung: Nichtschlechthin erforderlich für lutherische Kirchengemeinschaft ist die Annahme der ändern lutherischen Bekenntnißschriften, sofern nicht geleugnet wird, daß diese im rechtgläubigen Zusammenhänge mit der ungeänderten Augsburgischen Confession stehen.
Thesis 3.
Weil die ungeänderte Augsburgische Confession (die in ihrer Entstehung eben so historisch-particular, als in ihrem Lehrgehalt ökumenisch ist) in allen ihren Artikeln des Glaubens die reine und ungefälschte Erklärung und Darlegung des göttlichen Wortes, nach Lehre und Wehre, ist, so sind die Gewissen aller Lutheraner, es seien Einzelne oder Gemeinden oder kirchliche Körperschaften, an sie gebunden.
Thesis 4.
Demgemäß ist es keine rechtgläubige lutherische Gemeinde oder lutherische kirchliche Körperschaft, die nicht die lehrenden und wehrenden Worte dieses Bekenntnisses annimmt, wie sie lauten.
Thesis 5.
Auch wer die Verbindlichkeit der aus dm Worten dieser Confession folgerichtig sich ergebenden Schlüffe leugnet, ist kein wahres Glied der lutherischen Kirche, wenn er gleich widerrechtlich den lutherischen Namen festhält.
Im vorigen Jahre war mit der Besprechung dieser Thesis schon der Anfang gemacht worden; da aber diese Besprechung nicht zum Abschluß gekommen war, so sollte das über dieselbe Verzeichnete in diesem Jahre berücksichtigt werden. (Vergleiche die gedruckten Verhandlungen vom Jahre 1873 xag. 20.) Es folgen daher hier zunächst die im vorigen Jahre angeführten
Zeugnisse:
J. Dan. Arcularius bemerkt Folgendes: „Dannhauer schreibt: ,Wir schließen auch keineswegs alle die rechtmäßigen rechtsiießrnden Consequenzen und Folgen aus, so aus unserer Confession gezogen werden können, und halten dieselben sowohl für unsere Confession, als wenn sie klar und deutlich mit so viel Buchstaben darin geschrieben wären; und das um so viel desto mehr, weil der heiligen Schrift solche Folgen und Consequenzen so gar nicht zuwider, daß auch der HErr Christus und seine Apostel dieselben selbst mit dem Namen der Schrift geweihet und geadelt hat Match. 22, 29—32.' (Reformirtes Salve S. 231.) Sind die Worte der Confession wahr in ihrem rechten, eigentlichen, tiefgegründeten Verstand, und ich nehme die Wahrheit solcher Worte von Herzen an, so habe ich mich vor keiner Consequenz zu fürchten und wenn deren zwanzig, dreißig hintereinander gemacht würden, wenn sie nur recht kräftig und bündig schließen; denn die Regel bleibt immer fest: Lx vsris Louvisi verum, a«S der Wahrheit
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kommen keine Lügen." (Das willige Glaubensbekenntniß oder Ermahnung zu Verwahrung der Lehre der Augsburgischen Confession. — Frankfurt a. M. 1692.. S. 136. f.)
Ferner schreibt Carpzov: „Die Frage, ob unter der Lehre der Augsburgischen Confession nur dasjenige enthalten sei, was darin buchstäblich enthalten ist, keineswegs aber auch das Uebrige, was entweder die Papisten wider die Schrift lehren oder was zum Erweis der Glaubenssätze erfordert wird, oder vermittelst Finer nothwendigen Folgerung daraus fließt und folgt — diese Frage verneinen die sächsischen Theologen im Evangelischen Augapfel." (IsuA- p- 131 sy.)
Derselbe schreibt: „Mit Nachdruck haben die Protestanten in den Worten: ,Das ist fast die Summa der Lehre' rc., das Wörtlein .fast' hinzugefügt. Denn die Protestanten haben nicht ein Verzeichniß aller zur Seligkeit nöthigen Glaubensstücke verfertigen wollen, sondern nur ein Bekenntniß von denjenigen Glaubenslehren thun wollen, welche die gegenwärtige Sache betreffen und hinreichend sein konnten." (l- o. p 115.)
Darum schreibt auch die Augsburgische Confession selbst: „Ob jemand befunden würde, der daran Mangel hätte, dem ist man ferner Bericht (latiorsm ivkor-mationsm) mit Grund göttlicher heiliger Schrift zu thun erbötig." (Art. XXVIII.)
Endlich heißt es in der Concordienformelr» „Wiewohl die christliche Lehre in derselben (Augsburgischen) Confession mehreren Theils (außerhalb, was von den Papisten geschehen) unangefochten geblieben; so kann doch gleichwohl nicht geleugnet werden, daß etliche Theologi von etlichen hohen und fürnehmen Artikeln gemeldeter Confession abgewichen und den rechten Verstand entweder nicht erreicht, oder je nicht dabei bestanden, etwa auch deren einen fremden Verstand anzudeuten sich unterwunden, und doch neben dem allen der Augsburgischen Confession sein und sich derselben behelfen und rühmen wollen, daraus dann beschwerliche und schädliche Spaltungen in den reinen evangelischen Kirchen entstanden." (Wiederholung. Einleitung. S. 566.)
In der sehr eingehenden Debatte wurde zunächst darauf htngewiesen, daß es von sehr großer Wichtigkeit sei, sich der Bedeutung dieser 5ten Thesis tvohl bewußt zu werden.
Manche meinen nämlich, es sei eine sehr bedenkliche Sache, sich zu allem folgerichtig aus der Augsburgischen Confession sich Ergebenden zu bekennen. Denn, wenn man dies thue, so bekenne man sich ja zu etwas, was man noch gar nicht kenne, also auch vielleicht verwerfen würde, wenn man es kennete. So könne man sich denn zu allen Consequenzen der Augsburgischen Confession mit dem Munde bekennen, und sei doch kein rechter Lutheraner. Dem ist aber nicht so. Denn entweder müssen wir auch die Consequenzen zugeben, oder das Organ leugnen, das uns Gott gegeben hat, Wahrheiten aus Wahrheiten zu schließen, nämlich die Vernunft. Daß aber auch aus Schriftwahrheiten Schlüffe gezogen werden dürfen und, wenn folgerichtig gezogen, kein der Schrift widersprechendes Resultat ergeben können, lehrt uns das Beispiel Christi gegenüber den Sadducäern, Matth. 22, 24. f. Denn dort verweis't er den Leugnern der Auferstehung zwar ihre verkehrte Schlußfolgerung als eine der Schrift widersprechende, indem er ihnen zuruft: Ihr irret und wisset die Schrift nicht; zugleich aber zieht er selbst einen Schluß, durch welchen er ihnen gerade das unwiderleglich beweiset, was sie durch ihre falsche Schlußfolgerung hatten hinwegleugnen wollen, nämlich die Auferstehung der Todten.
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Deshalb dürfen wir uns auch vor den Consequenzen aus der Augsburgischen Confession gar nicht fürchten, weil dieselben nichts anderes sind, als der entwickelte Inhalt dieses Bekenntnisses selbst. Nach Luthers Tode sind viele falsche Geister mit ihren Irrlehren hervorgetreten, die durch die Consequenzen der Augsburgischen Confession schon gerichtet waren. Calvin war 1530 noch nicht aufgetreten, aber er war durch den lOten Artikel der Augustana, nämlich durch die daraus sich ergebenden Consequenzen, bereits verurtheilt. Wenn ferner die Augsburgische Confession lehrt, daß Christus Gott und Mensch in Einer Person ist, so ist dadurch die Lehre von der evmmuQioatio iäioiLatuin d. H. von der Mittheilung der Eigenschaften, obgleich nicht ausdrücklich ausgesprochen, doch so klar angezeigt, daß ein richtiger Schluß dieselbe mit Notwendigkeit hervorzieht. Und so ist es mit der ganzen Augsburgischen Confession. So geschieht zum Beispiel auch nicht des allgemeinen Priesterthums aller wahren Christen in der Augsburgischen Confession ausdrücklich Erwähnung, und doch wird darin dasselbe schon dadurch mitbekannt, daß die Lehre von der christlichen Freiheit, von der Rechtfertigung, von der Kirche als der Versammlung aller Gläubigen und Heiligen u. s. w. bekannt wird.
In einem groben Jrrthum ist daher z. B. die Jowa-Synode befangen, wenn sie im Bekenntniß als solchem gar nur gelten lassen will, was, wie sie sich ausdrückt, darin „bekennend" gesagt ist, was also nachweisbar direct zu bekennen in der Absicht der Väter lag!
Sind doch selbst in der heiligen Schrift nicht alle Lehren so mit ausdrücklichen Worten ausgesprochen, daß sie nicht erst durch eine Schlußfolgerung hervorgezogen werden müßten. So steht z. B. das Wort Dreieinigkeit nicht mit ausdrücklichen Worten in der heiligen Schrift; aber es steht da: der Vater ist Gott, der Sohn ist Gott, der Heilige Geist ist Gott; es steht ebenso in der Schrift: der Vater ist ein anderer, der Sohn ist ein anderer, der Heilige Geist ist ein anderer; endlich wird in der ganzen Schrift auch bezeugt, daß nur Ein Gott ist. Daraus hat denn die alte Kirche gegenüber den Antitrinitariern den folgerichtigen Schluß gezogen: also ist Gott ein dreieiniger Gott, und sie hat die Antitrinitarier, welche diese Consequenz nicht zugeben wollten, als solche, die eine klare Grundlehre der Schrift verwerfen, nicht geduldet. In ähnlicher Weise verhält es sich mit der Augsburgischen Confession. Nach dem Grundsätze: Dx vsrio normisi veruw, d. H. aus der Wahrheit folgen keine Lügen, brauchen wir uns vor den Consequenzen aus derselben nicht zu fürchten.
Wenn man uns hierbei vorwirft, wir gingen über die Symbole hinaus, so trifft das nicht zu. Denn Consequenzen aus den Symbolen ziehen, heißt nicht über die Symbole hinausgehen. Das wäre freilich entsetzlich, wenn eine Synode neue Bedingungen der Kirchengemeinschaft aufstellen wollte, die es früher weder explioite (ausgesprochenermaßen), noch implioits (eingeschlossenermaßen) gewesen wären. Das thun wir aber durchaus nicht.
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Das, was aus dm Symbolen richtig gefolgert wird, gehört vielmehr mit zu dem Gehalt der Symbole. So ist z. B. die Lehre von der Inspiration (göttlichen Eingebung der heiligen Schrift) nicht ausdrücklich in der Augsburgischen Confession ausgesprochen, aber implioite liegt sie darin, denn die Augsburgische Confession spricht nie anders von der heiligen Schrift, als daß sie vom Heiligen Geiste ganz und gar eingegeben sei.
Wohin es führt, wenn man die Consequenzen aus der Augsburgischen Confession nicht zugeben will, geht unter Anderem daraus hervor, daß die Jesuiten behaupten, die Lutheraner seien trotz der Augsburgischen Confession noch in die Pabstkirche zu bringen, wenn sie nicht mehr glaubten, als was in der Augsburgischen Confession ausdrücklich und mit Namen benannt sei. Als aber eben darum der Jesuit L. Forer behauptet hatte, daß die Lutheraner weiter nichts lehren dürften, als was in der Augsburgischen Confession „ausdrücklich und mit Namen zu finden" sei, so wurde ihm in „Des Evangelischen Augapfels Vertheidigung" (1673) unter Anderem geantwortet: „Jnmittelst sind gleichwohl implioits auch diejenigen Artikel in der Augsburgischen Confession begriffen, die zwischen uns und den Papisten streitig sein, ob sie schon nicht eben namentlich, exxlioits und ausdrücklich sind berührt worden. Ist genug, wann der Unsrigen Meinung aus der Augsburgischen Confession kann von solchen Punkten vernommen werden.... Als z. B. ein großer Streit ist zwischen uns und ihnen, ob die heilige SchrLft also beschaffen, daß daraus die Glaubensartikel müssen erwiesen und erörtert werden, ob sie die Richtschnur sei, nach welcher alle Streitigkeiten zu entscheiden sein? Da ist kein sonderlicher Artikel zwar hiervon vorhanden; es geben aber die Evangelischen Stände ihr Ge-müth in anderem Weg von diesem Punct genugsam zu erkennen, wenn sie in der Vorrede schreiben: ,Sie übergeben ihrer Pfarrer und Prediger und ihr selbst Glaubensbekenntniß, was und welchergestalt aus Grund heiliger Schrift in ihren Fürstenthümern rc. gelehrt werde/ Da kann ein Blinder greifen, daß die heilige Schrift für das Fundament der Glaubensartikel gehalten werde.... Im Artikel von der Erbsünde steht nicht ausdrücklich, daß die Jungfrau Maria in Sünden empfangen sei; weil aber von allen Menschen, so natürlich geboren werden, gesagt wird, st« seien in Sünden empfangen und geboren: so ist unschwer zu schließen, daß unter solchen Menschen auch die Jungfrau Maria begriffen werde; sonfl wäre sie insonderheit ausgenommen worden." Dasselbe wird In Folgendem nachgewtesen in Beziehung auf die Lehren von derGewißheit der Seligkeit, von der Zahl der Sacramente, von der Anrufung und Verehrung der Bilder, vom Fegefeuer. S. 168 — 171. Vergl. „Lehre und Wehre" Jahrg. XIV, S. 204 f.
Man lasse sich also nicht einschüchtern. Wir gehen nicht zu weit, wir machen keine neuen Bedingungen der Kirchengemeinschaft, wir gehen nichi weiter, als unsere Väter. Aber so wett müssen wir gehen, daß wir die Con-
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sequenzen annehmen. Ja noch weiter müssen wir gehen. Wenn nämlich eine Lehre in der Augsburgischen Confession gar nicht enthalten, dagegen aus der heiligen Schrift klar zu beweisen ist, so müssen wir dieselbe ebenso glauben, als eine andere, in der Augsburgischen Confession ausdrücklich benannte. Denn wir wären ja eine offenbare Secte, ja, die schändlichste Kirchengemeinschaft, wenn wir nicht mehr glauben wollten, als was in der Augsburgischen Confession ausdrücklich bekannt und mit Namen benannt wird. Was in den Symbolen steht, das nehmen wir ja nur deshalb an, weil es in der Schrift steht; was aber in der Schrift steht, das nehmen wir eo ix>8o (an und für sich) an. Und ist es schon damals geschehen, daß sich Adtaphoristen, Synkretisten, Synergisten u. s. w. zur Augsburgischen Confession, welche ja gar nicht ein Verzetchniß aller zur Seligkeit nöthigen Lehren sein will, bekannten, dieselbe annahmen und beschworen, und doch ihre Irrlehren festhielten, so dürfen wir uns nicht wundern, wenn dies auch jetzt, und zwar noch mehr wie damals, geschieht. Aber haben unsere Väter dies damals nicht geduldet, so sollen wir es auch jetzt nicht dulden und dürfen also mit Denen, welche die Consequenzen der Augsburgischen Confession leugnen, keine Kirchengemeinschaft halten. Schlußfolgerungen ziehen ist nicht eine neue Praxis, sondern eine Praxis, in welcher uns nicht nur die Väter, sondern der HErr selbst vorangegangen ist, indem er den Pharisäern und Saddueäern gegenüber durch einen Schluß aus Matth. 22, 29 — 32. und aus 2 Mos. 3, 6. die Auferstehung und aus Psalm 110 seine Gottheit beweis't.
Was das Wort „folgerichtig" in der 5ten Thesis betrifft, so rief dasselbe eine eingehendere Besprechung hervor, weil man besorgte, es möchte dieses Wort nicht alles decken, was doch in dieser Thesis ausgedrückt sein solle. Aber es wurde bald Allen klar, daß andere Ausdrücke entweder nur dasselbe oder weniger sagen oder gar die Sache nur verdunkeln würden. Gewiß ist es, wir dürfen zu keinem Resultat in unseren Schlüffen kommen, das klaren Stellen der heiligen Schrift widerspricht. Aber wer da meint, er könne zwar folgerichtig geschloffen haben, und doch sei es möglich, daß sein Resultat der Schrift widerspräche, der irrt sich sehr. Ein Schluß, der zu einem solchen Ergebniß führt, ist sicherlich kein zwingender, kein folgerichtiger. Und das nicht blos deshalb nicht, weil sein Resultat durch klare Stellen der Schrift von vornherein ausgeschlossen ist, sondern weil ein solches Resultat ein Beweis dafür ist, daß man nicht richtig geschlossen habe. Z. B. der Schluß: Alle Menschen sind Sünder— Christus ist ein wahrer Mensch — also ist er auch ein Sünder — ist falsch, weil schon der zweite Satz in seinem Verhältniß zum ersten falsch ist. Denn es liegt ja gar nicht im Begriffe „wahrer Mensch", daß derselbe ein Sünder sei. Ja, wenn eS hieße und heißen könnte: Christus ist ein Mensch wie wir, dann wäre der Schluß richtig. Man darf das Wort: „folgerichtig" nicht blos auf den Denkprozeß, sondern muß es auch auf die Sätze der Prämissen beziehen. Denn
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zum folgerichtigen Schließen ist durchaus erforderlich, daß die Prämissen richtig sind. Sonst kann man unmöglich richtig schließen. Wenn man z. B. schließen wollte: Alle Menschen sind sterblich — Christus ist ein Mensch — also ist Christus sterblich —, so sieht jedermann leicht ein, daß das ein falscher Schluß ist. Aber wo liegt denn der Fehler? In den Prämissen. Denn da ist in der nrazor ein Begriff: von Adam nach dem Fleische herstammend, in Sünden empfangen und geboren, enthalten, welcher in der wiuor weggelaffen ist. So liegt es meistens daran, daß die wujor entweder nicht vollständig wahr oder doch zweideutig ist. Oft ist etwas nur wahr seouoäunr yuiä (in gewisser Beziehung). Dann muß man, um folgerichtig schließen zu können, in der nüuor auch dieselbe Einschränkung machen. Eine solche Scheidung des formellen Denkprozeffes und der Richtigkeit der Prämissen ist also ganz unzulässig. Wenn man das folgerichtige Schließen nur auf den formellen Denkprozeß und nicht auch auf die Richtigkeit der Prämissen bezöge, welche furchtbare Folgen müßte das haben! Man denke nur: unser ganzer Katechismus, unsere ganze Dogmatik, soweit beide nicht Schriftworte enthalten, sind nichts anderes, als Consequenzen aus der heiligen Schrift. Wenn man nun einen wahren und einen falschen Satz als Prämissen aufstellt, so kann man nicht richtig schließen. Das Wort ^folgerichtig" setzt hier vielmehr voraus, daß sowohl die Prämissen, als auch die oonolusio in Ordnung seien, weil wir hier ja nur von solchen Prämissen reden, die eine biblische Wahrheit enthalten. Nicht nur die Form der Schlußfolgerung, sondern auch die Materie des ganzen Syllogismus muß richtig sein.
Eine Frage, ob nicht hier in der 5ten Thesis nur von einem hartnäckigen Leugnen der einzelnen Consequenzen die Rede sein solle, wurde dahin beantwortet: Diese Thesis nimmt nicht sowohl auf das Verhalten gegenüber Leugnern einzelner richtig gefolgerter Schlüsse Rücksicht, sie will vielmehr einen allgemein giltigen Grundsatz aufstellen. Dieser Grundsatz ist: Wer da leugnet, daß die durch Consequenzen aus der Augsburgischen Confession folgerichtig sich ergebenden Wahrheiten verpflichtend sind, der ist kein Glied der lutherischen Kirche. Dieser Sinn der These kann allenfalls auch schon aus den Worten: „ist kein wahres Glied der lutherischen Kirche", gefolgert werden. Damit aber dieser Sinn auch ganz unmißverständlich in der These selbst ausgesprochen werde, wurde nach einstimmigem Beschluß der Anfang der Thesis also formulirt: „Auch wer die Verbindlichkeit der aus den Worten dieser Confession rc." Diese Veränderung erschien um so nöthiger, als gewiß niemand so weit gehen wird, allen Denen das Lutherthum abzusprechen, welche etwa eine Lehre nicht anerkennen, die irgendwie in der Peripherie der Lehr-Artikel'der Augsburgischen Confession liegt. Wer aber principiell die Verbindlichkeit der Consequenzen aus der Augsburgischen Confession leugnet, der beweis't damit, daß er kein Lutheraner ist, sondern ein Fuchs, der auch die Confession selbst nicht aufrichtig annimmt.
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Hierbei wurde auch die Frage aufgeworfen, ob denn auch die unerleuchtete Vernunft im Stande sei, richtige Schlüffe aus der Schrift oder aus der Augsburgischen Confession zu ziehen, oder ob das nur der erleuchteten Vernunft der Wiedergeborenen möglich sei? Ob es nicht Geheimnisse des Glaubens gebe, die durch keine Schlußfolgerung erklärt werden könnten? Darauf wurde erwidert, daß auch die unwiedergeborne Vernunft richtige Schlüsse machen könne; wenn sie nicht von irrigen Sätzen, sondern von Gottes Wort ausgeht, so kann auch ihr Schluß, wenn er ein zwingender ist, kein anderer, als ein richtiger, sein. Ist ihr Schlußsatz laut Gottes Worts unrichtig, so müssen wir von der Unrichtigkeit der eoneiusio zurückschließen, daß wenigstens eine der Prämissen falsch war. Es kommt hier nicht darauf an, wer den Schluß macht, ob ein erleuchteter Christ, oder ein Heide, Jude oder Türke, wenn er nur nicht seine Finsterniß mit hinein bringt, sondern objektiv richtig schließt; ob er das, was er gefolgert hat, selbst glaubt oder nicht, das kommt hier nicht in Betracht. So zogen z. B. die Juden und Nikodemus richtige Schlüsse auf die Gottheit Christi, obgleich sie nicht im Glauben standen.
In dieser These soll übrigens nicht gesagt werden, daß die Augsburgische Confession dazu gegeben sei, daß die Sophisten ihre Kunst daran üben, sondern daß wir unseren Glauben bekennen. Wir glauben, daß die Augsburgische Confession wahr sei, wir bekennen daher auch, daß nichts Falsches daraus folgen könne. Ein Beispiel hierzu ist die ganze Concordtenformel. Diese will nichts anderes, als klare Schlüffe aus der Augsburgischen Confession ziehen; ihr Inhalt gehört also recht eigentlich zu den in dieser Thesis gemeinten Schlüffen. Aber unser Glaube ist nicht auf Schlüffe als solche gegründet, sondern auf die Schrift. Uebrigens bleibt der Grundsatz, daß aus etwas Wahrem durch richtige Schlußfolgerung nimmermehr eine Lüge kommen könne (1 Joh. 2, 21.), auch in Betreff der Augsburgischen Konfession unwiderleglich feststehen, und solche Schlüffe, welche dennoch eine Lüge zu Tage fördern, kennzeichnen sich sofort als falsche. Wenn z. B. ein Calvinist aus den Worten des 5ten Artikels, der Augsburgischen Confession: „Gott wirket den Glauben, wann und wo er will", die absolute Prädestination folgern wollte, so würde er sich einfach einer sophistischen Unehrlichkeit schuldig machen. Denn in diesen Worten wird nur die Zeit und der Ort, nicht das Auslesen der einzelnen Menschen durch Gott, ausgesprochen.
Wir reden selbstverständlich in dieser Thesis von evidenten Schlüffen. Es muß ein solcher Schluß sein, den ein Jeder, der mit gesunder Vernunft begabt ist, einsehen kann. Doch wurde nun wiederholt betont, daß es sich hier gar nicht um das Verfahren im einzelnen Falle handelt, sondern um den Grundsatz, daß die Augsburgische Confession wahr sei und daß wir aus derselben getrost folgerichtige Schlüsse ziehen können, ohne befürchten zu müssen, daß uns unsere Vernunft auf diesem Wege in eine» Widerspruch mit einem klaren Worte heiliger Schrift bringen könne.
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Wenn die heilige Schrift von unserer Vernunft sagt, wir sollen sie gefangen geben unter den Gehorsam Christi, so fordert sie nicht von uns, daß wir dem organischen Gebrauche der Vernunft entsagen sollen. Denn dieser organische (instrumentelle) oder werkzeugliche Gebrauch der Vernunft ist bei einem Erwachsenen ebenso nothwendig, als die Glaubenserkenntniß. Der Schluß ist ja auch kein Erzeugniß der Vernunft. Die Wahrheit muß in den Vordersätzen schon wie eingewickelt liegen, sonst könnte sie nicht herausgezogen werden.
Ein zweiter Gegenstand, welchem die Conferenz vier volle Nachmittagssitzungen widmete, waren die ebenfalls schon im vorigen Jahre begonnenen
Thesen über das Jus Parochiale
d. H. über Parochialgrenzen.
Im vorigen Jahre waren die ersten vier Thesen endgültig angenommen worden. In diesem Jahre kam die Conferenz in der Besprechung bis zum Iten Punkt der 9ten Thesis iLo1u8iv6. Es folgen auch hier zunächst des Zusammenhanges halber die bereits im vorigen Jahre angenommenen Thesen.
Thesis 1.
Das öffentliche Predigtamt ist nicht eine menschliche, sondern eine göttliche Ordnung (1 Cor. 12, 28 — 30.), und zwar eine Ordnung zur Erbauung des Leibes Christi oder der Kirche für alle Zeit bis an den jüngsten Tag (Ephes. 4,11 —13.); es ist daher auch Gottes Wille, daß jeder Christ sich dieses öffentlichen PredigtamteS gebrauche (1 Cor. 16,15. 16. 1 Thess. 5,12. 13.), wie schon das dritte Gebot erfordert.
Thesis 2.
Der Complex aller einzelnen Christen soll sich zu einzelnen Gemeinden zusammen schließen, in welchen das Wort Gottes in Lehre und Zucht vermittelst des öffentlichen Predigtamtes im Schwange geht (Matth. 18, 15—20.); es ist daher Gottes Wille, daß sich jeder Christ in einer solchen Gemeinde als Glied finden lasse (Act. 2, 47.), an ihren Versammlungen theilnehme (Ebr. 10, 24. 25.), ihr mit seinen Gaben diene (1 Cor. 12, 4—27.) und ihr nicht ärgerlich werde (1 Cor. 10, 32.).
Thesis 3.
Nur die Apostel hatten einen allgemeinen Beruf an die ganze Welt; die mittelbar berufenen Prediger aber sollen ihre besondere Heerde Gottes (?S m,e>rov roo §S0!- 1 Pet. 5, 2.), ihren oierus, ihre xortio Aregis Vowimoi, den besonderen ihnen zugefallenen Theil des Volkes Gottes (V. 3.),