1875 Western District essay, Walther- Only Lutheran Church Only Lutheran Church - Through Faith, without works; OCR'd by BackToLuther, August 16, 2015.
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Verhandlungen der Synode.
Die Synode fuhr in der Besprechung der Thesen fort, welche das Thema behandeln:
„Daß nur durch die Lehre der lutherischen Kirche Gott allein alle Ehre gegeben werde, ein unwidersprechlicher Beweis, daß die Lehre derselben die allein wahre sei."
Dieselben lauten:
Thesis I.
Da die Religion die Art und Weise der Verehrung Gottes ist, so ist nur diejenige die wahre Religion, welche in allen ihren Lehren Gott allein die Ehre gibt.
Jes.42,8. Röm. 1,21.25. Ioh. 7,18. 8,49. Luc. 2,14. Rom. 3,27. 4,20.
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Thesis II.
Da eine sichtbare Kirche eine Versammlung von Menschen ist, die „zu Einer Lehre und Religion sich bekennen", so ist nur diejenige die wahre, welche durch alle ihre Lehren Gott allein die Ehre gibt.
Ps. 26, 8. Offenb. 14, 6. 7. Ioh. 5, 44.
Thesis III.
Nur durch die Lehre der lutherischen Kirche wird Gott allein alle Ehre gegeben; es erhellt dies unter anderem aus ihrer Lehre:
1. vom Worte Gottes;
2. von der Ursache der Sünde, des Todes, der Hölle und Verdammniß;
3. von der göttlichen Vorsehung;
4. von dem allgemeinen Gnadenwillen Gottes;
5. von der Versöhnung und Erlösung des menschlichen Geschlechts;
6. von der Rechtfertigung des Sünders allein aus Gnaden durch den Glauben an JEsum Christum ohne Verdienst der Werke;
7. von der Nothwendigkeit der Wiedergeburt, der Heiligung und der guten Werke;
8. von der Stiftung, Giltigkeit, Kraft und Unveränderlichkeit, der Gnaden mittel;
S. von der Bekehrung;
1ü. von der Anrufung und Anbetung Gottes;
11. von dem Gehorsam gegen Menschen in Sachen des Glaubens und Gewissens;
12. von der Gnadenwahl.
Man ging zum 6. Punkt der 3. These über, nach welchem die Wahrheit, daß nur durch die Lehre der lutherischen Kirche Gott allein alle Ehre gegeben wird, bewiesen wird aus deren Lehre „von der Rechtfertigung des Sünders allein aus Gnaden durch den Glauben an JEsum Christum ohne Verdienst der Werke."
Gott hat Alles zu seiner Ehre geschaffen, sagt uns die heilige Schrift. Damit will sie nicht sagen: Gott sei ein ehrsüchtiges Wesen, und das der Creaturen bedürfe, um recht geehrt zu fein; sondern damit soll gesagt werden: Gott ist ein so freundlicher, liebreicher Gott, daß er nicht wollte seine Herrlichkeit allein haben; er wollte andere Wesen in seine Herrlichkeit hinein-ziehen. Das kann aber nur dadurch geschehen, daß sie seine Herrlichkeit erkennen und also ihm alle Ehre geben. Soviel der Mensch Gott wahrhaft erkennt, so viel ist er selig; so viel ihm von Gott verborgen bleibt, so viel ist er elend und voll Jammers; daher sagt die Schrift: die Hölle wird eine ewige Finsterniß sein; denn die'Verdammten werden Gott nicht erkennen. Alle Religion soll zeugen von der Herrlichkeit'Gottes, ihn offenbaren in seiner Herrlichkeit. Diejenige Religion wird nun die wahre sein, die i« allen
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ihren Lehren Gott allein die Ehre gibt, d. H. deren Lehren so beschaffen sind, daß durch, jede derselben Gottes Herrlichkeit offenbar wird; und alle die Religionen sind falsch, welche außer dem lieben Gott irgend einem Wesen die Ehre geben. Wenn daher auch eine Religion und Kirche sich christlich nennt, ja die einzig wahre sein will: hat sie solche Lehren, durch welche Gott die Ehre genommen und der Creatur gegeben wird, so ist sie eine falsche Religion und Kirche. Die lutherische Kirche gibt nun in Wahrheit in allen ihren Lehren Gott allein alle Ehre. Das haben wir bisher gesehen an ihrer Lehre vom Worte Gottes, Don der Ursache der Sünde, des Todes, der Hölle und Verdammniß, von der göttlichen Vorsehung und von dem allgemeinen Gnadenwillen Gottes, solches sehen wir auch an ihrer Lehre von der Rechtfertigung.
Nicht jede Lehre von der Rechtfertigung gibt Gott alle Ehre. Es ist keine Ktrchenpartei, die nicht eine Lehre von der Rechtfertigung hätte; denn die gar nichts von derselben haben, sind Heiden, Juden oder Türken. Die Frage ist vielmehr: welches ist die biblische Lehre von der Rechtfertigung? Die Kirche, welche diese biblische Lehre nicht hat, die nimmt Gott die Ehre. Die Schrift sagt selbst Röm. 3, 27., 4, 20., Eph. 2, 8. 9. ausdrücklich, daß durch ihre Lehre von der Rechtfertigung den Menschen aller Ruhm genommen, dagegen Gott alle Ehre gegeben werde. Denn wenn in letzterer Stelle steht: aus Gnaden seid ihr selig geworden, so ist dasselbe gleichbedeutend mit: gerecht geworden; der Gerechtfertigte genießt nur auf Erden die Seligkeit noch nicht vollkommen, der Anfang der Seligkeit ist aber da. Er trägt etwas in sich, das der Tod nicht austilgen kann, sondern das vollkommen wird, wenn der Leib gestorben ist. Wer die Rechtfertigung so lehrt, daß dabei der Mensch sich noch etwas rühmen kann, der hat nur den Schein der Wahrheit, nicht die Wahrheit selbst. Daran muß die Gemeinde ihren Prediger, der Prediger seinen Bruder im Amte prüfen; denn durch diese Lehre unterscheidet sich die Kirche von der ganzen Welt. Das Bewußtsein: du mußt gerecht werden, haben auch die Juden und Heiden, ja selbst die Atheisten. Denn warum geben sich selbst die Atheisten den Schein eines ehrbaren Lebens? warum leben sie nicht vor aller Welt wie das liebe Vieh? Darum, weil sie das Gesetz in ihrem Herzen haben; das Leben muß ja stimmen mit dem Gesetz von Recht und Unrecht. Aber das weiß kein Mensch von Natur, wie wir nun gerecht werden; das ist nie in eines Menschen Herz gekommen, das hat Gott in alle Ewigkeit allein gewußt und hat es durch seine Propheten im alten Testament und noch viel herrlicher, reichlicher, klarer und voller im neuen Testament durch seine heiligen Apostel uns offenbaren lassen.
Was ist nun die Lehre von der Rechtfertigung?
Hierbei sind besonders fünf Punkte ins Auge zu fassen:
1. Kein Mensch ist von Natu? gerecht, sondern ungerecht und darum verflucht und verdammt und zur Hölle verurtheilt, schon wenn er auf die Welt kommt; den» die Lehre von der Rechtfertigung sagt nicht, daß der
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Mensch gerecht sei, sondern daß er gerecht soll werden. So liegt also offenbar dies darin: er ist in Sünden empfangen und geboren. Wer das «tcht lehrt, der raubt in Beziehung auf die Lehre von der Rechtfertigung Gott die Ehre und gibt sie den Menschen.
2. Gott hat ganz allein dafür gesorgt, daß der Mensch gerecht werde, dadurch, daß er nach seiner unergründlichen Erbarmung seinen eingeborenen Sohn in die Welt sandte, auf ihn die Sünden der ganzen Welt legte und an ihm dieselben strafte. So gibt es keine Sünde, die nicht gesühnt sei, mag sie noch so groß sein, mag sie schon begangen sein oder noch begangen werden: Christus hat sie alle getragen, gefühlt, ist für alle gestraft worden. Aber: er hat auch das Gesetz vollkommen gehalten, obgleich er nicht dazu verpflichtet war Er hat nicht deshalb ein frommes Leben geführt, weil es zum menschlichen Leben gehört, daß es fromm sei, denn er stand weit über dem Gesetz als dessen Geber und Herr; sondern für uns hat er das Gesetz vollkommen erfüllt. So ist die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, uns erworben, sie ist fertig, sie ist da. Wer das nicht glaubt, nicht lehrt, der raubt Gott die Ehre; wer meint, er müsse noch ein Tüttelchen zu seiner Gerechtigkeit thun, der gibt sich die Ehre, der spricht: Gott hat die Welt nicht durch Christum gerechtfertigt ; der tritt also Christi Blut mit Füßen, verwirft die Versöhnung Gottes, schändet den Tod Christi, verwirft Christi Auferstehung und Himmelfahrt, mit einem Wort: verwirft das ganze Erlösungswerk Christi.
3. Wo finde ich nun die Gerechtigkeit Christi? wo steckt sie denn?
Der liebe Goft hat nicht gesagt: sie ist erworben, nun siehe selbst zu, daß du sie bekommst; er hat auch nicht gesagt: bete, kämpfe, ringe, bis du merkst, du hast sie. Wie könnte ich denn durch mein unvollkommenes Beten und Ringen je gewiß werden, daß ich sie habe? und meinst du, sie auf diese Weise erlangt zu haben, so ist das nur ein Traum, aus dem du mit Schrecken aufwachen wirst. Nein, felsenfest gewiß müssen wir sein, daß wir dis Gnade haben; ,auch der größte Sünder, der schon auf der Galgenleiter steht, muß gewiß werden können, daß auch er vor Gott gerecht sein soll. Wo finden wir also Gottes Gnade? Antwort: In dem Worte Gottes und in den heiligen Sakramenten, sonst nirgends. Da hat er sie hineingelegt. Wer sie da nicht herausnimmt, dessen Rechtfertigung ist nur Einbildung, nur Schaum und Schein, und ob er gleich über seine Sünden blutige Thränen weinte und in seinem Seligkeitsgefühl lachte, wie die Engelein im Himmel — er hat die Gerechtigkeit nicht, er bildet sie sich nur ein. Das zeigen solche Schwärmer auch deutlich in der Anfechtung oder in der Todes-noth; zuletzt nämlich müssen sie ihre Zuflucht doch zum Worte Gottes, zu den Verheißungen der Taufe und des heiligen Abendmahls nehmen, und wer das thut, der stirbt selig dahin; denn Gott ist allezeit bereit, dem armen Sünder seine Gnade zu geben, er hat keinen verdammt; er läßt sie sich aber
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nicht stehlen, auch nicht auf einem anderen Wege, und sei es der steilste, erklettern. Cr will nicht neben den falschen Geistern stehen, sondern will, daß wir seine Gnade auf dem Wege nehmen, den er verordnet hat, nämlich aus dem Wort und Sacrament; an diese Mittel hat er sie gebunden. Um uns das recht zu zeigen, hat Gott auch im Alten Testament so genau bis ins Einzelnste und Kleinste den Cultus vorgeschrieben, z. B. wie die Rosen an den Säulen des Tempels, oder wie der Schnitt der priesterlichen Kleider beschaffen sein sollte. Das that er nicht zum Scherz, das war keine Spielerei, denn Gott treibt keinen Scherz noch Spielerei; damit wollte er vielmehr sagen: halte dich genau an meine Vorschrift, sonst bist du verloren, suche meine Gnade in meinem Wort, das ist der Schrein, da ich das Kleinod hineingelegt habe. — So entsteht nun die vierte Frage betreffs der Rechtfertigung :
4. Wie hole ich sie heraus?
Jedermann wird leicht einsehen, daß die eben genannten drei Punkte Gott alle Ehre — und den Menschen alle Schande geben. Sollte nun doch zuletzt noch von dem Menschen etwas verlangt werden, daß er doch vielleicht die Hauptperson ist, die es bewirkt, daß er in den Himmel kommt? Allerdings meinen das die Secten. Die sagen: der Mensch muß die Hauptsache thun, will er selig werden; wenn er genug ringt, sich abquält, kämpft und betet, so kann er die Seligkeit auch erlangen. Auf diese Weise wird aber wiederum Gott alle Ehre genommen und eine heidnische Rechtfertigung, mit etlichen christlichen Lappm umhängt, aufgerichtet. Nein, durch den Glauben, nur durch den Glauben, und durch kein Werk, heiße es, wie es wolle, erlange ich die Gerechtigkeit, nehme ich sie aus Wort und Sacrament. Was ist aber der Glaube? Die heilige Schrift hat es uns gesagt: Der Glaube ist die Herzenszuversicht, welche sich die Gnadenverheißung, die in dem hörbaren (Wort Gottes) und sichtbaren (Sacrament) Evangelio liegt, zueignet. Wer das thut, der hat's, wer es nicht thut, hat's nicht. Die Ostindier schinden sich, um selig zu werden, mit den grausamsten Martern zu Tode, lassen sich bei lebendigem Leibe an eisernen Haken aufhängen, von dem Wa^en des Dschuggernath zerquetschen; aber wo fahren sie damit hin? zum Teufel, dem sie gedient haben. So ist'S auch im Christenthum; mag sich ein Mensch zu Tode fasten, um Gottes Gnade zu erlangen, er ist des Teufels Märtyrer. Nein» wer durstig ist, der gehe zur LZuelle, -aß er trinke, nämlich zu dem Wort und Sacrament. Aber der Glaube wird oft falsch gelehrt, und damit Gott alle Ehre genommen. Luther kämpft in seiner Ablaßschrift vornehmlich gegen die Definition der Rechtfertigung von Seiten der mittelalterlichen Scholastiker, welche lehre», der rechtfertigende Glaube fti eine Oualität im Herzen, welche die Liebe in sich schließe. Wer diese hat und in guten Werken beweist, der wird selig. Diese falsche, selbstgemachte Gerechtigkeit wird aber Gott jenm Werkheiligen wie Spinnwebe vom Leibe reißen und ihnen sagen da alles, was der Mensch thut, erbärmlich ist; Zu keiner Ehre habe ich dich
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geschaffen, zu meiner Schande hast du gelebt; und Gott wird ihn, der die Gerechtigkeit, welche die Schrift anbietet, verworfen hat, dagegen seine elenden Werke vor Gott bringt, mit Füßen treten. Gottes Gnadengaben sind nicht ein Handelskram, den wir Gott adkaufen könnten für unser rostiges Geld; die Kirche Christi ist keine Trödelbude; wenn Gott in Gnaden etwas von uns annimmt, das wir aus Dank für die erlangte Gnade ihm geben, so muß eS Gott uns erst geben, und dann ist'S immer noch Erbarmen, daß er sich solches gefallen läßt. Das ist lutherische Lehre; wer das nicht hat, der ist nicht lutherisch.
Sprichst du aber: ja, ich will auch gar nicht lutherisch sein, so wisse, dann bist du auch nicht christlich, denn das Lutherthum ist nichts anderes, als das Chrtstenthum. Magst du dich gleich abquälen, bis du halbtodt auf dem Erdboden liegst, wenn du nicht im Glauben die Gerechtigkeit Christi ergreifst, die er dir erwarb, da er, der wahre Gott, für dich in seinem Blute, mit dem Tode ringend, auf dem Erdboden in Gethsemane lag, so kann dich nichts trösten, nichts aus dem Rachen des Todes erretten, nichts aus dem Ofen der Hölle Herausreißen. Das: „so halten wir es nun. daß der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben", das ist wahres Christenthum, das ist aber auch wahres Lutherthum. Luther hatte schon in Deutschland das Wort der Schrift gehört: „Der Gerechte wird seines Glaubens leben", aber nicht verstanden. Da, als er in Rom die Pilatusstiege hinaufrutschte, um sich vom Pabst den Ablaß zu erbetteln, da klang es ihm mit Donnerstimme im Herzen: der Gerechte lebt seines Glaubens, der Gerechte lebt seines Glaubens, — und wie zerschmettert von dieser Stimme schwankte er halb todt wieder die Treppe herunter, wie ein Verbrecher schlich er sich davon. Gottes Stimme in jenem Spruch sagte ihm: zu des Teufels Ablaß, da fliehest du hin, und Christi Ablaß verachtest du; so saure Arbeit hat der HErr gethan, um die Menschen zu erlösen, und du elender Mensch nimmst es nicht an! — und also trieb die schriftgemäße Lehre Luther an zum hohen Werk der Kirchenreformation.
Nichls, gar nichts soll der Mensch thun, damit er vor Gott gerecht werde; nur glauben soll er, d. H. sich die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, durch den Glauben aneignen; das ist die rechte Lehre. Man bedenke: der liebe Gott hat den Menschen nicht als eine ttabul«. rasa (d. H. als eine abgewischts Tafel) geschaffen und nun etwa zugesehen und gewartet, was wohl aus dem Menschen werden würde; der Mensch war nach der Schöpfung nicht neutral, sondern, vollkommen. Gott selbst sagte: es war alles sehr gut. Die Gerechtigkeit hatte er ihm anerschaffen, einen heiligen Willen, klare Erkennt-«iß, einen erleuchteten Verstand, lauter Liebe Gottes und des Nächsten; nicht sollte der Mensch erst gerecht werden, sondern Gott hat ihn, da er ihn schuf, schon gerecht gemacht. Was wird nun Gott thun, nachdem der Mensch dieses hohe Gut so greulich verschleudert hat, und schmutzig, zerrissen und zerlumpt in seinem Blute im Koth liegt? Wird er ihm wohl zurufen : Nun
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stehe auf, du Todter, du Kranker, du Sünder, du Ruchloser, und werde ein besserer Mensch? Nein, wahrlich nicht. Gott schafft Alles, so schafft er auch dem Menschen die Gerechtigkeit wieder, die er ihm in Adam anerschaffen hatte, die er aber in Adam verloren hat, und auf diese Gnade sollen sich die Menschen im Glauben verlassen.
Hierbei soll niemand meinen, daß dann auch der Gottlose glauben könne. Nur der, welcher durch die Predigt des Gesetzes also zermalmt ist, daß er an sich selber verzweifelt, nur der kommt mühselig und sucht den Trost des Evangelii; und dieses ruft ihm dann zu: Glaube an den HErrn JEsum Christum, so wirst du und dein Haus selig; der bezeugt aber dann auch seinen Glauben durch einen heiligen Wandel.
Da nun Gott uns gerecht macht, wir aber die Gerechtigkeit durch den Glauben erlangen, so kann offenbar der Mensch gar nichts thun, und thut nichts, daznit er den Glauben bekomme, sondern denselben wirkt und schenkt allein Gott. Nur diese schreckliche Macht steht bei dem Menschen, den Glauben zu verwerfen, ihn nicht anzunehmen, der Gnade zu widerstreben. Wie Stephanus zu dem Hohen Rathe sprach: ihr widerstrebet allezeit dem Heiligen Geist, gleichwie eure Väter, also auch ihr; und wie Christus über Jerusalem ausruft: wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küchlein versammelt unter ihre Flügel, und ihr habt nicht gewollt. Es darf also niemand sagen: ja, ich habe mich wohl oft bekehren wollen, aber nicht gekonnt, weil ich ja todt in Sünden bin; ihm antwortet Gott: Habe ich dich nicht bekehren wollen? ist nicht oft mein Wort an heiliger Stätte an dein Herz gedrungen, und du bist aus der Kirche in den nächsten Trinksalon gegangen, hast da die Gnade wieder versoffen, die ich dir darreichte, hast das wieSer ausgekratzt, was ich in dein Herz geschrieben babe? Wie Lazarus durch Christi allmächtiges Wort aus dem Tode auferweckt wurde, also ist's auch im Geistlichen mit uns. Von Natur sind wir alle geistlich todt; kommt nun das lebendigmachende Wort Gottes zu uns, so wachen wir auf, aber die Meisten wollen nicht aufstehen und sterben deshalb wieder, bis sie in den ewigen Tod fahren.
So ist es Gott ganz allein, dem wir alle unsere Seligkeit verdanken; denn wir verdanken Ihm alle Gerechtigkeit; das aber ist ein und dasselbe, denn wo Vergebung der Sünden ist, da ist auch Leben und Seligkeit. Also hat Gott alle Ehre, der Mensch aber nur alle Schuld und Schande. Das ist lutherische Lehre. Die lutherische Kirche sagt: Wie Gott uns das leibliche Leben ohne alle unsere Mitwirkung gibt, so auch das geistliche Leben. Wie Gott uns im Paradies die Gerechtigkeit anerschaffen hat, so gibt er sie uns auch wieder ohne all unser Zuthun. Zwar müssen die Christen auch ringen, beten und kämpfen, aber nicht, um die Gnade zu erlangen, sondern um sie nicht wieder zu verlieren. Diejenigen irren sehr, welche meinen, die lutherische Lehr«; daß der Glaube allein von Gott gegeben werde ohne all unser Zuthun, mache die Leute sicher; im Gegentheil, gerade weil derselbe ein
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so hohes Geschenk Gottes ist, deshalb beten, kämpfen und ringen wahre Christen und Lutheraner auf das ernsteste und ängstlichste, damit ihr verderbtes Fleisch und Blut, ihr böses Herz, ihr alter Adam, unter den sie verkauft sind bis in den Tod, die arge Welt und der leidige Teufel, diese Feinde ihrer Seligkeit, ihnen denselben nicht rauben. Darum gilt'S: Schaffet, daß ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern. Derjenige kämpft dagegen wider die Gnade, ja, der lästert dieselbe, der da meint, sie sich erbeten und erkämpfe» zu müssen, denn der sagt: Ich traue dem lieben Gott nicht recht, ob er mir die Gnade auch wirklich gibt; ich will lieber das Gewisse für das Ungewisse nehmen, ich will sie mir selber erjagen.
Aus alledem ist nun zuletzt ersichtlich, wie hochwichtig diese Lehre von der Rechtfertigung ist. An ihr hängt Leben und Seligkeit; man darf sie darum nicht so nebenbei lehren, sondern muß sie in das Centrum aller Lehre und Predigt setzen; wer das nicht thut, ist kein lutherischer Lehrer. Alle anderen Kirchenparteien lehren sie höchstens dann und wann, weil sie dem Dinge nicht recht trauen. Ja, die Jesuiten, diese verruchten Buben, verrathen sie den Leuten erst in der Todesstunde; warum? sie wollen die Leute in ihrem Leben durch ihre schändliche Werklehre erst um's Geld betrügen. Dann, am Todtenbette, wo sie nichts mehr von ihnen zu hoffen haben, da entdecken sie ihnen das Geheimniß. Unsere Kirche aber macht in der Augsburgischen Lonfession, in dem kleinen Katechismus u. s. w. rechten Ernst mit dieser Lehre. Sie ist ihr das A und das O, das Herz in dem Leibe, die Seele, die Alles in dem lutherischen Kirchenkörper regiert, bewegt und alles Leben gibt, der Kern in der Schale. Denn was hülfe es uns, daß wir wüßten: Gott ist dreieinig, Christus ist Gott und Mensch in einer Person, unser Fleisch wird einst auferstehen, und hätten alle die anderen herrlichen Glaubenslehren, hätten aber nicht die Lehre von der Rechtfertigung allein aus Gnaden durch den Glauben, ohne Verdienst der Werke? Diese ist die Sonne, die anderen Lehren sind die Strahlen, hie von ihr ausgehen und zu ihr zurückkehren; sie sind alle um der Rechtfertigung willen da; sie erschließen uns daq Verständntß der Rechtfertigung. Daß z. B. Gott dreieinig ist, müssen wir wissen, damit wir erkennen: Gott ist es, der uns die Gnade schenkt, Christus ist es, der sie uns erwirbt, der Heilige Geist ist es, der durch den Glauben sie uns zueignet. Denn der Glaube ist nichts anderes, als die Annahme des Geschenks der Gnade Gottes; wie solches besonders aus der Stelle Röm. 4, 16. hervortritt. Merke sich doch Jeder diese kostbare Stelle!
Auch unsere kirchlichen Bekenntnisse bezeugen, daß die lutherische Kirche auch durch die Lehre von der Rechtfertigung sich als die wahre Kirche Gottes beweis't, weil sie auch durch diese Lehre Gott allein alle Ehre gibt.
- Dies zeigt unter Anderen der Jenaische Theolog Köcher, wenn er schreibt: „Was immer die lutherische Religion lehrt, seien es Glaubenssätze der himmlischen Wahrheit, oder Moralvorschriften, das gereicht alles ohne
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Ausnahme zur göttlichen Ehre. Gott allein gibt sie dieses Lob, daß er die Mittel, durch welche die sterblichen Menschen aus ihrem so großen Elende errettet werden können, bereitet und gestiftet habe. Indem sie dies weit-läuftig auseinandersetzt, rühmt sie mit größtem Fleiße Gottes Würde und preis't sie seine Barmherzigkeit, Gerechtigkeit und Macht auf das äußerste." (v« veritate et xraestuat!«. relix. ev.-Iutk. ex ^.u§. Oonl. öuesnte. ^enus, 1731. x. 59 sy.)
Die Werkhetligen möchten freilich im Himmel einmal stch und ihren Werken die Ehre gegeben sehen und da rühmen: ach was haben wir alles gethan und gelitten, wie sauer haben wir es uns werden lassen, die Seligkeit uns zu verdienen, aber dafür sind wir nun auch hier im Himmel; und möchten mit einem bedauernden Seitenblick auf die ändern sagen: wären diese auch so fromm gewesen, so könnten sie auch hier fein. Das ist aber eine verfluchte Rede. Man lese nur die Gesänge der Seligen im Himmel, wie sie uns die Offenbarung Johannis beschreibt. Loben sie vielleicht etwas an stch? nein, von ihren elenden Werken wissen sie nichts, sondern Gott bringen sie Lob, Ehre, Preis und Anbetung von Ewigkeit zu Ewigkeit. Nicht als wenn sie keine guten Werke hätten; der Christ thut wohl gar viel gute Werke, aber nicht, um sich damit die Seligkeit zu verdienen, sondern aus Dankbarkeit für die empfangene Gnade Gottes. Der Gerechtfertigte spricht: Habe ich schändlicher Sünder Gnade erlangt, der ich vorher wie ein Wurm zertreten dalag in meiner Schande und Unwürdigkeit, was soll ich nun aus Dankbarkeit dafür thun? und nun gehen die guten Werke an, nun liebt er Gott, nun hilft er dem Nächsten, nun versöhnt er stch mit seinem Feind u. s. w.
Köcher fährt fort: „Für die Ehre des Todes und der Gdnugthuung Christi, die allein die Menschen selig machen kann, kämpft sie tapfer, indem sie die Mittel der Seligkeit, welcbe von den Menschen erdacht und angewendet zu werden Pflegen, verwirft, die Perdienste der Heiligen zurück-weiftt, und lehrt, daß das Vertrauen darauf ein falsches sei. Daher heißt es im 2. Artikel der Augsburgischen Confession: ,Hieneben werden verwpr-fen die Pelagianer und andere, so .... die Natur fromm machen durch natürliche Kräfte zu Schmach dem Leiden und Verdienst Christi.«" (I. o.)
Das ist der gewaltigste Beweis. Durch die Werkgerechtigkeit wird das Leiden Christi geschmäht. Wo der HErr durch seinen Blutschweiß uns ek-löftt, wo er selbst spricht durch den Mund des Propheten r „Ich trete die Kelter allein, und ist niemand unter den Völkern mit mir" (Jes. 63, 3.), da wollen sie mit helfen treten, da rauben sie Christo die Ehre der Erlösung und legen sie stch bei. So raubt der Antichrist dem HEnn die Ehre und legt sie unter ändern der Maria, d. H. der selbsterdachten Maria, bei; denn die Maria des PabstthumS ist nicht die rechte Maria, sondern ein Götzenbild.
Köcher fährt fort: „Ferner im 27. Artikel: Murr ist es ja am Tage,
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daß die Mönche gelehrt und gepredigt haben, daß die erdachte Geistlichkeit genug thue für die Sünde, und Gottes Gnade und Gerechtigkeit erlange. Was ist dies nun anders, denn die Herrlichkeit und.den Preis der Gnade vermindern?« ,Auch die, so durch Gelübde wollen rechtfertig werden, sind von Christo ab und fehlen der Gnade Gottes, denn dieselben rauben Christo seine Ehre, der allein gerecht macht, und geben solche Ehre ihren Gelübden und Klosterleben.«*) Im letzten Artikel heißt eS: ,Run ist dies öffentlich wider Gottes Befehl und Wort, der Meinung Ge-setze zu machen oder zu gebieten, daß man dadurch für die Sünde genug thue und Gnade erlange: denn es wird die Ehre des Verdienstes Christi gelästert, wenn wir mit solchen Satzungen unterwinden, Gnade zu verdienen.«" (1. o.)
Wenn die Gnade und Erbarmung Gottes gemindert wird, so ist dies lästerlich und erschrecklich. Solches geschieht aber gerade in unsrer Zeit von den verschiedensten falschen Kirchenparteien. Ueberhaupt tritt jetzt die Versuchung überall in ihrer feinsten Gestalt, oft unter gar frommem Scheine, auf, besonders aber die, welche JEsum mit schönen Reden bei Seite schaffen und den Menschen an seine Stelle setzen will.
Ferner spricht die Apologie: „Solchen öffentlichen Jrrthum und falsche Lehre von den Werken verdammen wir. Erstlich, daß dadurch Christo, dem rechten Mittler, die Ehre genommen wird und wird den elenden Werken gegeben, wenn wir an Christus Statt unsre Werke wollen darstellen für einen Schatz und Versöhnung des göttlichen Zorns und der Sünde. Denn die Ehre gehört allein Christo, nicht unfern elenden Wer--
ken." (Art. 4. toi. 49n.)
Welch ein Trost liegt doch in diesen Worten! Der Teufel, die Vernunft, oder andere solche Freunde sagen: Thue das, thue jenes, wenn du willst selig werden. Aber höre nicht auf jene Stimmen! Dari» will Gott geehrt fein, daß er uns, die wir tausendfach die Hölle verdienen, frei und umsonst ohne Geld darreicht, beides, Wein und Milch, daß er sich aus freier Gnade des armen Sünders annimmt, daß derselbe komme und mit vollen Zügen trinke. Darum lasse sich niemand abhalten zu kommen! gerade dann greife er zu, wenn er in sich nichts von der Seligkeit oder gar lauter Finsterniß fühlt. Mag gleich Teufel und Hölle um ihn toben, und ihn, den Schuldner, verdammen, er greife nur getrost zu, hier ist Capital genug für seinen Banke-rött, das uns Christus durch seine saure Arbeit erworben hat, und das will Christo Lohn genug sein für dieselbe, daß wir dies sein Verdienst annehmen, und wer es glaubt, der hat's; mögen alle Teufel ihn dann verdammen: Gott selbst ruft ihm zu: Du bist doch nicht verloren.
„Du bist ja doch mein liebes Kind,
Trotz Teufel, Welt und aller Sund'."
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*) Die Ehre Christi ist also der Augsburgischen Confession der oberste Grundsatz und Prüfstein aller Lehre.
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Aber freilich, wir müssen auch sprechen:
An mir und meinem Leben Ist nichts auf dieser Erd';
Was Christus mir gegeben,
DaS ist der Liebe Werth.
In der Apologie heißt es Artikel IV. § 256: „Soll aber eine christliche Kirche sein und bleiben, so muß ja die reine Lehre von Christo, von Gerechtigkeit des Glaubens erhalten werden. Darum müssen wir solch große pharisäische Jrrthümer anfechten, damit wir den Namen Christi und die Ehre des Evangelii und Christi erretten." — und vorher § 33: „Die Frau kömmt in der Zuversicht zu Christo, daß sie wolle Vergebung der Sünde bei ihm erlangen, das heißt recht Christum erkennen und ehren." — und § 35: „Denn so wir auf unsere Werke vertrauen, so wird Christo seine Ehre genommen, so ist Christus nicht der Versöhner und Mittler."
Weiter spricht die Apologie: „Also will er geehrt sein, daß wir von ihm Gnade, Heil, alles Gute nehmen und empfahen sollen, nemlich aus Gnaden, nicht um unserS Verdienstes willen." (Art. 4. LI. 35b.)
So will die Augsburgische Confession alles eigene Verdienst ausgeschlossen haben. Was thut dagegen der Pabst? er verflucht diejenigen, welche stch allein an Christi Verdienst halten, und verlangt, daß ein jeder für die Sünden, die er nach der Tauft begangen habe, selbst genug thue. So spricht das Tridentinische Lvncil: „Wenn jemand sagt, der rechtfertigende Glaube sei nichts anderes, als ein Vertrauen auf die gö ttlt che Barmherzigkeit, welche die Sünden um Christi willen nachläßt, oder daß dieses Vertrauen es allein sei, wodurch wir gerecht werden, der sei verflucht." So verflucht der Pabst Christi Verdienst, Gottes Gnade, das Evangelium, mit einem Wort: Christum.
In der Concordienformel (1. Theil. Art. III. §10) heißt es: „Wir glauben, lehren und bekennen, daß zu Erhaltung reiner Lehre von der Gerechtigkeit des Glaubens für Gott über den pLrtlouüs sxoluslvis, das ist, über nachfolgende Worte des heiligen Apostels Pauli, dadurch das Verdienst Christi von unseren Werken gänzlich abgesondert und Christo die Ehre allein gegeben, mit besonderem Fleiß zu halten sei, da der heilige Apostel Paulus schreibt: Aus Gnaden, ohne Verdienst, ohne Gesetz', ohne Werk, nicht aus den Werken, welche Worte alle zugleich so viel heißen, als allein durch den Glauben an Christum werden Wir gerecht und selig."
ES ist auch um der Angefochtenen willen höchst wichtig, diese Lehre lauter und rein zu bewahren; denn der Angefochtene zweifelt daran, ob er Gnade bei Gott habe, und hält stch derselben wegen seiner Sünden für unwürdig. Das kommt her von der Blindheit der Vernunft; denn diese denkt auch, in
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dem Oenschen müsse etwas Vorgehen,, dadurch er sich der Gnade würdig machte. So lehrte Osiander, die lutherische Lehre von der Rechtfertigung, nach welcher Gott den Sünder um Christi willen gerecht erklärt, sei wider die Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit Gottes, denn da Gott nach derselben nur Gutes mit Gutem vergilt, so müsse eben auch der Mensch etwas Gutes aufzuweisen haben. Man verlästert uns nun auch wegen unsrer Polemik wider alle, die die Rechtfertigungslehre fälschen; man nennt uns Sylben-stecher, Leute, die nur Wortkriege führen: aber das wollen wir gerne auf uns nehmen, wir wollen durch die Polemik zugleich unfern lieben Kindern das hohe Kleinod der Rechtfertigung bewahren und auch den Angefochtenen darreichen; letztere finden aber gerade darin kräftigen Trost, daß das „Allein aus Gnaden" zur Ehre Gottes dient, darum alle armen Sünder um der Ehre Gottes willen gerecht werden sollen. Es ist auch von Wichtigkeit, daß Luther immer zeigt, wie diejenigen, welche durch Werke in den Himmel kommen wollen, nicht den Weg des Geistes, sondern den Weg des Fleisches gehen, und darum die wahre Rechtfertigung Haffen, wie den Tod und die Hölle. Sie ist nicht blos über, sondern wider die Vernunft. Sv zeigt auch Luther, wie alle falsche Lehre von der Rechtfertigung gegen das erste Gebot ist und Gott absetzt; besonders, wie sie die drei Grundeigenschaften Gottes, seine Liebe, Gerechtigkeit und Wahrheit, aufhebt. Denn kein Mensch kann sich die Gerechtigkeit erwerben, auch wenn Gott nur Weniges forderte, er könnte es nicht leisten p so hätte also Gott den Menschen seine Liebe nicht zugewendet, sie wären noch verloren, während doch die christliche Religion lauter Dankesreligion ist für Gottes Liebe, und der Tempel selbst vom Heiligen Geist die Stätte des Danken- genannt wird. Sie streitet aber auch wider die Gerechtigkeit Gottes, denn dann würde Gott ja verlangen, daß die Schuld der Sünde zweimal bezahlt würde, einmal von Christo, das andere Mal von uns. Sie streitet aber auch wider Gottes Wahrheit; denn da die Auferweckung Christi die Erklärung des Vaters vor der ganzen Welt und an die ganze Welt ist, daß sie nun vor ihm gerecht sei, damit sie es doch glauben möchte, daß sie erlös't und versöhnt sei, da Christus seine Jünger auSftndet in alle Welt, das Evangelium aller Creatur zu predigen, macht alle falsche Lehre Gott und Christum zum Lügner, indem sie leugnet, daß die Welt wahrhaft erlös't sei. Die unseligen Menschen! Und wenn Einer auf seinen Knieen über die ganze Welt rutschte, er kann sich die Gnade nicht verdienen, die Christus, im Garten Gethsemane auf seinen Knieen liegend, auf Golgatha am Kreuze hangend, uns erworben hat. So bringt die falsche Lehre von der Rechtfertigung die Menschen wieder unter den bitter» Zorn Gottes und in die Hölle, und wer durch Werke gerecht werden will, bekennt Christum mit*dem Munde wohl, aber das Herz weiß nichts von ihm, und wenn die Sünde in ihm aufwacht, hat er keinen Trost.
Während nun freilich der bloß« Kopfglaube, der Maulglaube, in die Hölle führt, so wird vielmehr ein armer Sünder, der durch wahren Glauben
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Gottes Gnade ergreift, nun auch durch solchen Glauben in seinem Herzen umgewandelt und erneuert, daß er nun mit einem ganz neuen Muth, Herz und Sinn umher geht, die ganze Welt auslacht, und er an Christi Blut reicher ist, als besäße er Himmel und Erde. Ein solcher läßt sich aber nicht durch seine Sünden diesen Schatz rauben, vielmehr ruft er nun auch Gott alles Ernstes um Kraft zur Heiligung an. Diejenigen irren sehr, welche meinen, wir seien gegen eine ernstliche Gottseligkeit, wir verwerfen das Kämpfen, Beten und Ringen, Seufzen und Weinen; o nein! mancher von uns liegt vielleicht mehr auf seinen Knieen, als diejenigen, die sich damit Gnade verdienen wollen; nur dagegen sind wir, daß wir uns die Gnade erbeten, erseufzen, erringen müssen.
Luther schreibt: „Diese Lehre oder Predigt (von Christo und dem Glauben) nimmt von uns allen Ruhm der Heiligkeit und sagt: es sei nichts Gutes in uns, deß wir uns könnten rühmen; und wiederum unterrichtet sie das Gewissen, wie sichs gegen Gott schicken soll, zeiget ihm Gottes Gnade und Barmherzigkeit und den ganzen Christum. Das heißt Gott recht geoffenbaret und gepreiset, welches auch das rechte Opfer und Gottesdienst ist.... Kein falscher Christ noch Rottengeist kann diese Lehre verstehen. Wie viel weniger wird er sie recht prtdigen und bekennen! wenn er gleich die Worte mttnimmt und nachredet, aber doch nicht dabei bleibet, noch rein läffet; prediget immer also, daß man greift, daß ers nicht recht habe; schmieret doch seinen Geifer daran, dadurch er Christo seine Ehre nimmt und ihm selbst zumisset. Darum ist das allein das gewisseste Werk eines rechten Christen, wenn er Christum so preiset und predigt, daß die Leute solches lernen. wie sie nichts, und Christus alles ist." (Walch. VII, 622. f.)
Das ist eine schöne Stelle gegen die Schwärmer in unsrer Zeit. Wehe denen, die davon rühmen, welch großen Ernst sie anwenden, um in dm Himmel zu kommen; die Huren und Zöllner werden eher hinein kommen, als sie. Ihr Ernst ist auch gar nicht so groß. Cs ist wunderbar, daß Paulus sagt Gal. 6, 12., Diejenigen scheuen sich, mit dem Kreuze Christi verfolgt zu werden, welche neben den Glauben ihre Werke stellen; aber es ist so. Darüber wollten sich ja gerade die Heiden zu Tode lachen. Das war ihnen zu toll, daß die Apostel lehrten, durch den Glauben an jenen JEsus, der am Kreuze hing, würden die Sünder alle gerecht. „Das ist der rechte Gottesdienst", sagt aber Luther, daß man den Glauben predige; denn wo man die Werke aufrichtet, da richtet man Menschencultus auf; und da wird das erste Gebot aufgerichtet, wo man Gottes Gnade aufrichtet. Das sollen wir predigen, „wie wir nichts und Christus alles sei"; je besser das einer zu predigen weiß, um so besser predigt er; während, wer das nicht versteht, lauter Schaum gibt, und wenn gleich die Zuhörer in Thranen schwämmen über seiner Predigt.
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Ferner schreibt Luther: „Die glaublosen Werkheiligen lassen es ihnen wohl sehr sauer werden mit viel und mancherlei Reue, Fasten, Beten, Kreuz und Leiden; weil sie aber meinen, sie wollen dadurch Gottes Zorn stillen und Gnade verdienen, geben sie Gott seine Ehre nicht, das ist, sie halten nicht, daß er barmherzig sei, wahrhaftig und der seiner Zusagung oder Verheißung genugthue: sondern halten ihn für einen zornigen Richter, den man mit Werken versöhnen und stillen müsse. Und eben dadurch verachten sie Gott, strafen ihn Lügen in allen seinen Verheißungen, verleugnen Christum sammt allen seinen Wohlthaten: in Summa, sie stoßen Gott von seinem Thron der* Majestät und setzen sich selbst an seine Statt." (Walch. VIII., 2045.)
Schon im Jahre 1518 schreibt Luther in der Auslegung seiner 95 Sätze: „Solchergestalt entspringt aus diesem Evangelio die wahre Ehre Gottes, wenn man lehrt, daß nicht durch unsere Werke, sondern durch die Gnade Gottes, der sich unser in Christo erbarmt, das Gesetz erfüllt worden sei und noch erfüllt werde; nicht durch Werke thun, sondern durch Gläuben; nicht dadurch, daß man Gott etwas dar bringe, sondern dadurch, daß man aus Christo alles emp fährt und theilhaftig wird, aus dessen Fülle wir alle empfahen und daran Theil nehmen." (Walch. XVIII, 505.)
Hierbei wurde auf das Exempel des Mpkonius hingewieftn, der, obgleich in großer Sündennoth, durchaus keinen Ablaß von Tetzel haben wollte, wenn er ihn nicht umsonst haben sollte, weil er anders der Vergebung seiner Sünden nicht gewiß geworden wäre.*)
Aber auch die neuere Theologie lehrt wieder Werklehre, und zwar die feinste, indem sie den Glauben als ein Werk darstellt, mit dem wir uns die .Gnade erwerben. Aehnlich machen es auch die klugen Jesuiten; sie geben auch vor, zu lehren, daß der Glaube rechtfertige; aber sie sagen: der Glaube muß in der Liebe thätig sein. Nach ihnen rechtfertigt also Glaube und Liebe. Die Liebe ist im Glauben wie das Pulver in dem Gewehre, das durch das Pulver erst seinem Zweck entspricht; oder das Kleinod in einer Schachtel, die durch das Kleinod erst kostbar wird.
So schreibt auch Luther zu Gal. 2, 4. 5.: „Es ist nur ein eitel ungeheures, unnützes Gewäsche, was die tollen Sophisten von Läs LrmntA, das ist, von dem Glauben, der seine rechte Art und Gestalt von der Liebe empfahen soll, gelehrt haben. Denn allein der Glaube machet gerecht, der durchs Wort Christum ergreifet und mit demselben geschmückt und gezteret wird, und nicht der Glaube, der die Liebe in sich schleußet. Denn soll der Glaube gewiß und beständig sein, so muß er sonst nichts anderes ergreifen, noch sich an etwas anders halten, denn nur an den
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*) Man lese diese köstliche und erbauliche Geschichte mit Mpkonius eigenen Worten, erzählt in No. 2 des 28. Jahrganges des „Lutheraner". Anm. d. Seer.
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einigen Christum. Denn in Noth des Gewissens kann er sonst auf keinem ändern Grund bestehen, denn auf dieser edlen Perle allein." (Walch. VIII, 1729.)
Das liegt auch im Wesen des Glaubens; denn zum Wesen des Glaubens gehört, daß er einer Verheißung trauet; diese aber haben wir nur im Wort, nicht in unseren Werken, denn unsere Werke verheißen uns nichts; so ist also jener päbstliche Glaube Aberglaube, so wjrd auch der Glaube aller Schwärmer dadurch über den Haufen geworfen.
Bei der Lehre von der Rechtfertigung ist nun zum Schluß noch ins Auge zu fassen: 5. daß uns Gott nicht unter einer Bedingung rechtfertigt.
*) Es ist eine gewöhnliche Rede, daß man sagt, Gott mache den Menschen selig, aber unter der Bedingung des Glaubens. Der Mensch müsse auch etwas thun bei der Rechtfertigung, nämlich glauben. Gott sei daher die Rechtfertigung nicht ganz zuzuschreiben. Das heißt aber nichts anderes, als Gott einen Theil seiner Ehre nehmen und sie dem Menschen zuschreiben. So wäre es Gott nicht allein, der uns selig machte, sondern wir mit. Nur solche, die nicht scharf zwischen Bedingung und Mittel zu unterscheiden wissen, können auf solche Gedanken kommen. Eine Bedingung schließt eine Leistung in stch auf Seite dessen, der etwas erhalten soll. Zum Beispiel: Ich gebe dir das Pferd unter der Bedingung, daß du mir soviel dafür gibst. Mit der Erfüllung der Bedingung verspricht der andere die Erfüllung seiner Gegenleistung. Dieselbe Bewand-ntß hätte es mit dem Glauben, wenn man ihn zur Bedingung der Seligkeit machte. Der Glaube wäre dann eine Leistung auf unsrer Seite, wofür uns Gott die Seligkeit als eine Gegenleistung gäbe. Dies ist aber falsch. Wir sind nicht mit Gott versöhnt, wenn wir glauben, sondern wir sind schon erlös't, sind schon mit Gott versöhnt, damit-wir glauben. So verhält es sich auch mit der Rechtfertigung. Die ganze Welt ist schon in Christo gerechtfertigt, der Glaube aber ist nicht die Bedingung, unter welcher wir gerecht werden, sondern die Art und Weise, auf welche wir der Gerechtigkeit theilhaftig werden, welche Gott uns längst geschenkt hat. Wie es in der Schrift heißt: Gott hat seinen Sohn der Welt gegeben. Er hat nicht der Welt etwa nur die Erlaubntß gegeben, stch seinen Sohn anzueignen, sondern er hat, wie es Ioh. 3,16. heißt, ihn uns deßwegen gegeben, damit wir an ihn glauben sollen, und nicht erst etwa, wenn wir glauben. Es verhält stch dies ohngefähr wie mit einem Bettler. Würde ein Solcher nicht ganz erstaunt sein, wollte man zu ihm sagen: Ich will dir etwas geben, aber nur unter der Bedingung, daß du die Hand ausstreckst, und es nimmst? Wünscht er ja doch nicht- sehnlicher, als daß man ihm das Almosen gebe. Daß er es mit der Hand ergreift, versteht sich von selbst. Dies ist eben der bloße
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*) Von hier an beginnt das Protokoll des Herrn Pastor Achilles.
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Weg, wie er es empfängt. Richtig wird man stch die Lehre von der Rechtfertigung nur dann vorstellen, wenn man den Glauben nur als die Hand, als das Werkzeug hinstellt, wodurch wir uns die angebotene Gerechtigkeit zueig-nert. Die Alten reden von zwei Mitteln zur Erlangung der Gerechtigkeit, von den Gebemitteln, nämlich Wort und Sacrament, und von dem Nehmemittel, nämlich dem Glauben. Ist ein Mittel zum Geben da, so muß vorher die Gabe selbst schon da sein. So verhält es sich auch mit der Gerechtigkeit. Sie ist schon da. Die Frage ist nur, wie Gott sie geben will. Die Antwort darauf lautet: er gibt.sie durch sein Wort und Sacrament in seiner heiligen christlichen Kirche. Sie ist Gotte- Schatzhaus, die reiche schöne .Vorrathskammer, in welcher er seine Gaben austheilt. Die Prediger und ursprünglich alle Gläubigen haben den Schlüssel dazu, das ist. die Predigt und die Reichung der heiligen Sacramente, wodurch uns diese Gaben mitge-theilt werden.
Der Glaube ist keine Bedingung, unter welcher Gott uns erst gäbe, sondern er hats schon gegeben. Denn als Gott seinen Sohn von den Todten auferweckte, da hat er ihm nicht seine eigene Sünde vergeben, sondern die der ganzen Menschheit, welche er auf sich genommen hatte; da hat er Christum nicht von seiner eigenen Schuld gerechtfertigt, sondern von unsrer Schuld, die er sich hatte zurechnen lassen. Somit ist die ganze Welt durch die Auferweckung Christi schon gerechtfertigt worden, was nun der Mensch durch den Glauben stch zueignen muß. Daher, wenn die heilige Schrift sagt, wir werden durch den Glauben gerecht, so wird damit im Grunde nichts anders gesagt, als dies, daß wir aus Gnaden gerecht werden, nicht als ob dies der Glaube als ein verdienstliches Werk bewirke, wie der Apostel Röm. 4, 16. schreibt.
Dazu wurde eine Stelle von Heerbrand angeführt. (Derselbe hat eine Schrift ausgearbeitet, wodurch beinahe eine Vereinigung mit der griechischen Kirche zu Stande gekommen wäre.) Derselbe schreibt: „Die Verhetzungen des Gesetzes sind bedingte; denn sie haben die betgefügte Bedingung, daß man das Gesetz vollkommen halte und erfülle. (3 Mose 18,5. Matth. 19,17.) Die evangelischen Verheißungen aber sind Gnadenverheißungen, die von allen Bedingungen frei sind." Man merke sorgfältig auf den großen Unterschied des Gegensatzes. Das Evangelium verheißt unter keiner Bedingung etwas, bei dem Gesetz dagegen ist die große Bedingung: halte es!
Heerbrand fährt weiter fort: „Denn sie verheißen Allen, die an Christum glauben, das ewige Leben."
So kommen nun Papisten, Arminianer und andere Serien und sagen: da seht ihr, was die Lutheraner für eine schöne Lehre haben. Die sprechen: die Seligkeit wird ohne Bedingung gegeben. Darnach werden Gottlose, Diebe, Lügner u. s. w. alle selig. Gleichwie die Universalien lehren, kein Mensch ginge verloren, sondern alle würden selig, sogar der Teufel. Das sei nach ihnen die rechte Gnadenlehre. Aber das ist nichts als lauter
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Schwindel. Auch'wissen die Schwärmer wohl, daß wir nicht so lehren. Vielmehr ist solche Lehre eine rechte Schandlehre, wodurch Gott zum Teufel gemacht wird. Darnach hätte zwar Gott das Gesetz gegeben, aber das habe nichts auf sich. Wenn dasselbe allen Uebertretern Gottes ewigen Zorn drohe, so sei das so schlimm nicht gemeint. Die Sünde brauche nicht gebüßt, sie brauche nicht ausgetilgt zu werden, es gehe auch ohne dem. Dagegen sagt die heilig^Schrift ausdrücklich, daß, um uns selig zu machen, Gott selbst ein Mensch werden, und das ganze Gesetz halten mußte, daß er unsere Sünden so hat büßen müssen, daß keines Menschen Gedanke es ganz fassen kann. Für eine jede Sünde traf ihn ein schweres Leiden. Wiederum der Mensch muß nun das, was Christus erworben hat, annehmen, sonst hat er es nicht, und sonst kann ihn auch Gott nicht selig machen. Das heißt aber nicht etwa, Gott könne Vieles, aber dies sei ihm zu groß, sondern Gott ist heilig, und kann nicht aufhören, heilig zu sein. Es ist unmöglich, daß der Mensch durch seine Sünde Gott von seinem Throne stoße. Er -leibt wohl sitzen. Eher muß das ganze menschliche Geschlecht zur Hölle fahren, ehe Gott seiner heiligen gerechten Majestät beraubt wird.
Heerbrand fährt weiter fort: „Man wirst ein: Es wird ja auch der Glaube als Bedingung gefordert, laut jenes Wortes: .Wer da glaubet, der wird selig werden? Ferner: ,So man von Herzen glaubt' (Röm. 10, 10.)."
'Dazu wurde bemerkt, daß in der Bibel der Ausdruck: wenn wir glauben, so werden wir selig, nie in dem Sinne steht, daß er eine Bedingung anzeige. Sie sagt auch nicht: wegen des Glaubens, sondern durch den Glauben, aus Gnaden. Ein Lehrer hat sich hier sehr in Acht zu nehmen, daß er keine unrichtigen Worte bei der Darstellung dieser Lehre gebrauche, wodurch die Klarheit derselben beeinträchtigt wird. Welch eine süße, trostreiche Lehre ist eS doch, daß wir «ns nicht erst die Gerechtigkeit zu erwerben haben, sondern daß sie uns Gott schenkt! Gleichwie einst Gott selbst den Menschen aus Schafsfellen Kleider machte, und sie ihnen gab, so hat uns Gott auD das Kleid der Gerechtigkeit bereitet, und schenkt es uns. Dies Kleid ist aber nichts anders als das Leiden und der Tod JEsu Christi; dies ist unsere Gerechtigkeit.
Was antwortet nun Heerbrand auf unsere Frage? Antwort: der Glaube ist keine Bedingung, noch wird er als eine Bedingung gefordert; weil die Rechtfertigung nicht wegen Würdigkeit oder Verdienstlichkeit desselben, oder sofern er ein Werk ist, verheißen oder angeboten wird.
Dazu wurde bemerkt, daß, wenn der Glaube eine Bedingung wäre, unter welcher uns Gott rechtfertigt, so müßte im Glauben irgend eine Würdigkeit oder Verdienstlichkeit sein, oder er müßte ein solches Werk sein, welches Gott anzusehen habe. Das ist aber eine rechte Vermischung verschiedener Begriffe. Hat denn eine Hand ein Verdienst darum, weil, sie ein Geschenk ergreift? Würde es nicht Wahnsinn sein, so etwas sagen zu wollen? So ist auch der Glaube nichts anders als die aufgehobene Hand, welche der Mensch hinstreckt,
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um zu nehmen, was Gott ihm ohne Bedingung darreicht, schenkt und versiegelt.
Heerbrand fährt weiter fort: „Er ist nur die Art und Weise, die durch und um Christi willen angebotene und geschenkte Wohlthat anzunehmen; und so das Werkzeug oder gleichsam die Hand, welche Christum und seine im Evangelio dargebotenen Wohlthaten ergreift und sich zueignet. Wie denn, .wenn einem Bettler ein Almosen gereicht wird, das er mit der Hand ergreift, die Hand nicht die Bedingung genannt wird, sondern das Mittel und Werkzeug, womit das Almosen hingenommen wird." (Oowxsuä. Hieolo^ias. 1582. x. 379. sq.)
Merke wohl: es ist nur eine Art und Weise, es anzunehmen. Dis Frage, warum denn der Glaube diese Art sei, beantwortet sich leicht. Weil es eben keine andere Art und Weise gibt, auf welche es geschehen könnte. Die Liebe kann es nicht sein, denn durch sie kann ich keine Verheißung-ergreifen. Gott gibt uns Alles durch die Verheißungen in seinem Wort. Wie kann man dieselben aber anders ergreifen, als durch den Glauben? Z. B. wenn einer etwas verspricht, so muß ich eben glauben, daß er es halten werde. Daher kann nur der Glaube das Mittel sein, wodurch wir das nehmen, was uns Gott durch seine Verheißungen gibt. Tauft und Abendmahl sind ebenfalls nichts anders als Verheißungen, nur daß bei ihnen ein äußerliches Zeichen hinzugethan ist; sie sind das sichtbare Wort. Da Gott nun Alles durch Verheißung gibt, so ist es auch nicht anders möglich, als durch den Glauben Alles anzunehmen. Einen ändern Weg gibt es nicht. Somit ist der Glckübe das Werkzeug, oder gleichsam die Hand, womit wir das ergreifen, was uns Gott in seinen Verheißungen darbietet. Wollen wir den Leuten deutlich machen, in welchem Verhältniß der Glaube zur Rechtfertigung steht, so sind diese beiden Ausdrücke am besten dazu geeignet, um dies zu erreichen. ES ist sehr nöthig, daß man über diesen Punkt klar werde; nur dann werden wir richtig über die Rechtfertigung lehren. Soviel auch alle christlichen Parteien vom Glauben reden, so haben doch die Wenigsten eine rechte Vorstellung vom Glauben, und wie er rechtfertige. Sie denken sich den Glauben als eine besondere Dualität im Menschen. Der Mensch sei nun nicht mehr wie vorher, sondern umgewandelt, daß in ihm nun etwas Gutes sei, weßhalb ihn Gott jetzt für gerecht ansteht. Der Glaube aber ist nur ein Nehmen; daß er umwandelt, ist nur eine Frucht von ihm. Nimmt er, so folgen die Früchte: ein andrer Wille, ein andrer Verstand, ja der Mensch ist nun eine neue Creatur.
Der Vorwurf, wir lutherischen Prediger verkündigten die Vergebung der Sünden allen, gleichviel, ob sie bußfertig seien oder nicht, ist unbegründet. Wir Prediger sind keine Herzenskündtger. Auch für die Unbußfertigen ist Vergebung der Sünden erworben. Nur ihr Unglaube hindert, daß bet ihnen die Rechtfertigung nicht in's Werk gesetzt werden kann.
Es ist also nicht an dem, daß Gott den Glauben bet uns ansehe, oder
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uns deßwegen erwählt habe, weil wir glauben, da er uns doch nur durch seine Gnade erwählt hat. So erweis't sich unsre lutherische Kirche auch in dieser Beziehung als die wahre, insofern sie lehrt, daß es Gott allein sei, der uns rechtfertigt. Die Rechtfertigung ist nichts, was in unserm Herzen, sondern was in Gott vorgeht. Die Heiligung geht in uns vor. Die Rechtfertigung ist eine gerichtliche Handlung Gottes, in welcher er den Sünder von Schuld und Strafe freispricht, und für g-recht erklärt. Die Frage, ob diese Aus-drücke, „wir werden gerecht oder selig unter der Bedingung des Glaubens", gar keine Berechtigung hätten, wurde dahin beantwortet: wenn man von der Nothwendigkeit des Glaubens rede, so könne man sich dieses Ausdrucks wohl bedienen, doch nicht obne zuvor allen Mißverstand beseitigt zu haben. Heißt eS Röm. 10, 10.; „So man von Herzen glaubt, so wird man gerecht", so Ist dies zwar der Form nach eine bedingte Redeweise; da aber der Glaube selbst tine Gabe Gottes ist, die er dem Menschen gibt, so erfüllt er auch selbst diese Bedingung, und nur das muthwillige Widerstreben, wodurch der dargebotene Glaube zurückgestoßen wird, hindert den Menschen an seiner Seligkeit. Sonst ist es ja wahr: wenn der Mensch nicht glaubt, kann er nicht selig werden.
Hierzu wurde folgende Stelle aus Gerhard angeführt: „Das Wörtlein ,wenn' ist entweder ätiologisch oder syllogistisch. Das heißt, es bezeichnet entweder die Ursache oder die Folge. Zn der Predigt des Gesetzes: .Wenn du dieses thust, wirst du leben', ist das Wörtlein »wenn' ätiologisch, sintemal der Gehorsam die Ursache ist, um welcher willen denen, die das Gesetz halten, das ewige Leben gegeben wird; aber ln den evangelischen Verheißungen: »Wenn du glaubst, wirst du selig werden', ist das Wörtlein »wenn' syllogistisch, denn eS wird damit die von Gott festgesetzte Art und Weise der Zueignung bezeichnet, die dem Glauben allein zukommt." (I^oo. äs svun-xslio § 26.)
Wenn also das Wörtlein „wenn" in der Schrift gebraucht wird, so ist es nicht immer nothwendig ein konditionales (bedingtes) Wenn, sondern oft ein syllogistisches Wenn, welches dazu dient, die Folge anzuzeigen. Wenn der Glaube Bedingung der Seligkeit wäre, so thäte der Mensch auch etwas dazu, wenn er diese Bedingung erfüllte. Gleichwie, wenn ich ein Haus, das tausend Dollars werth wäre,'einem für hundert Dollars verkaufte, fo hätte ich ?s ihm doch nicht eigentlich geschenkt, da er eine, wenn eine auch noch so kleine, Summe dafür gegeben hat. Gott verlangt gar nichts von uns, wir sollen nur nehmen. Und da Gott selbst den Glauben wirkt, so kann dieser nicht Ursache noch Bedingung, sondern nur Mittel der Rechtfertigung sein.
Carpzov in seiner Auslegung der symbolischen Bücher sagt daher : „Es ist ungenau ausgedrückt, wenn man den Glauben die werkzeugltche Ursache der Rechtfertigung nennt."..... slsuZoxs ü» ILbros Symbol, p. 206.) Es wäre ja sonst Gott nicht allein, der .uns rechtfertigt, sondern unser
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Glaube erzeugte dieselbe mit. Gott wäre alsdann noch nicht völlig mit uns versöhnt, sondern wir hätten ihn erst noch zu versöhnen. Christi Verdienst wäre nicht hinreichend gewesen, um uns die Gerechtigkeit zu erwerben, die vor Gott gilt. Ja das ganze Erlösungswerk würde dadurch ln Zweifel gezogen. Aber, Gott sei Dank, unsre Rechtfertigung ist schon vollbracht. Christus hat uns nichts mehr zu thun übrig gelassen, er hat schon Alles gethan; wir haben uns nur dessen zu freuen, uns dasselbe anzueignen, um selig zu sein.
Carpzov sagt an einer ändern Stelle: „Der Glaube wirkt auf keine andere Weise zur Rechtfertigung mit als insofern, daß er das Werkzeug ist, mit welchem die rechtfertigende Ursache von uns angenommen wird." (Ebendaselbst x. 1298.)
Die eigentliche Ursache unserer Rechtfertigung ist Christus. Der Glaube ist nicht etwa selbst ein Werk, sondern nur Werkzeug. Wir haben nichts zu leisten, weil wir nichts leisten können, auch nicht den Glauben. Hinge unsre Rechtfertigung von der Vollkommenheit unsers Glaubens ab, so wären wir alle verloren. Wenn es in der Schrift heißt: „Ich sehe an den Elenden und der zerbrochenes Geistes ist, und der sich fürchtet vor meinem Wort", Jes. 66, 2., so heißt das nichts anders, als: ich sehe einen armen Sünder an, der an meiner Gnade hängt. Warum sieht ihn Gott an? Um Christi willen, nicht etwa um seines Glaubens willen. Der Glaube an sich ist eine leere Hand. Gleichwie aber eine Schachtel von Holz, in welcher ein herrlicher Edelstein liegt, dadurch zu einer kostbaren Schachtel wird, so ist auch der Glaube nur darum etwas Köstliches, weil er JEsum in Händen hält. Die Hand selbst bleibt wie zuvor. Wenn man sagt, der Glaube rechtfertigt, so ist dies nichts als eine Metonymie, wodurch man demjenigen, welches etwas enthält, die Eigenschaften mittheilt dessen, was es enthält. Wir sagen; eine Tasse Kaffee trinken. Die Taffe selbst trinkt man nicht, sondern nur dm Kaffte; doch sagt man: Das war eine schöne Taffe. - Man meint aber nicht die Tasse, sondern den Kaffee, den sie enthält.
Der Glaube rechtfertigt nur, weil er Christum ergriffen hat, welcher den Sünder rechtfertigt, nicht etwa als ein Werk, oder als etwas Gutes, oder weil er thätig ist, sondern weil er etwas erleidet, weil Gott ihm etwas schenkt. Wenn der Glaube eine Tugend wäre, so wäre auch noch genug Mangelhaftes bei dem Glauben eines Paulus vorhanden gewesen, um ihn zur Hölle zu bringen. Was vom Unglauben gilt, gilt nicht vom Glauben. Der Unglaube ist die Ursache der Derdammniß, aber der Glaube ist nicht die Ursache der Seligkeit.
Es ist auch deßwegen diese Lehre wichtig, weil, wenn man den Glauben zur Bedingung der Seligkeit macht, man damit dem Menschen das Vermögen zuschreibt, den Glauben wirken zu können. Darin besteht der Jrrthum der Methodisten und andrer Secten, daß sie meinen, Gott gebe die Gnade, beim Menschen stehe das Annehmm, daß es also nicht Gott sei, der den Glauben gibt. Es hängt aber die Ehre Gottes und die Seligkeit der Menschen auf
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das Engste zusammen. Sobald man dem Menschen das Geringste in dem Werke der Seligkeit zuschreibt, nimmt man es Gott.
Wie sollte man auch einen Angefochtenen trösten? Er meint ja eben, er könne nicht glauben. Ein Solcher müßte bei dieser Lehre verzweifeln, während man ihn doch gerade davon zu überzeugen suchen muß- daß der Heiland für ihn schon da sei, ihm schon verziehen habe, und ihn annehmen wolle. Sowie man den Glauben im Geringsten zur Bedingung der Rechtfertigung macht, nimmt man Solchen allen Trost des Evangeliums.
Auch daraus ist zu ersehen, daß deßwegen unsere Lehre die wahre ist, weil wir Gott die Ehre geben und lehren, daß er allein den Glauben wirkt. Die neuern lutherischen Theologen lehren das Gegentheil, wie auch die Jowaer so lehren, daß nämlich Gatt zwar die Kraft zum Glauben gäbe, aber beim Menschen stünde die Entscheidung, er müsse selbst den Glauben in sich erzeugen, statt ihn anzunehmen.
So schreibt Aahnis: „Kinder sind der Wiederqeburt fähig. Aber sie können ja nicht der Wiedergeburt Frucht, den Glauben, haben. Der Glaube ist ein Thun unsers Ich. .. Der heilige Geist wirkt in der Wiedergeburt die Kraft zu glauben, nicht den Act des Glaubens." (Die Lehre vom heiligen Abendmahl. 1851. S. 431.) Ist das nicht schrecklich von solchen geredet, die man draußen für Säulen der lutherischen Kirche ansieht? Darnach wäre die Kraft zur Sache da, aber nicht die Sache selbst. Ist das nicht ungereimt? Gleich als wollte einer sagen: die Kraft zum Essen ist da, aber ich kann nicht essen. Darnach hätten wir erst die Kraft zum Glauben, und dann bekehrten wir uns, während nach der Schrift nur ein Bekehrter glaubt.
Adam Osiander sagt: „Nicht nur die Kräfte zum Glauben sind von Gott, sondern auch der tatsächliche Glaube selbst, weil vor der letzten Wirkung der vorlaufenden Gnade der Mensch noch nicht bekehrt ist; die letzte Wirkung der vorlaufenden Gnade aber ist die Schenkung des Glaubens.'? (6oHs§iull» 1ü. V, 116.)
Es verhält sich hiermit gleichwie mit einer Festung, welche ein König einnehmen will. Zuerst schließt er sie ringsum rin, dann beschießt er sie, und sucht durch Gräben ihr immer näher zu kommen. Aber ehe er sie etnnehmen kann, geht viel vor. Eine Kugel nach der ändern muß erst hineingeworfen werden. Bald brennts hie, bald da. Aber noch immer will sich die Festung nicht ergebe«. Mancher Tag ist so verflossen ; mancher Sturmangriff umsonst unternommen worden; endlich wird ein letzter Schlag gegen sie geführt, wodurch sie zur Uebergabe gezwungen wird. Worauf der König mit klingendem Spiele seinen Einzug in die eroberte Stadt hält. So ist es auch mit einem Menschen. Gott faßt ihn auf mannigfache Weise an, führt Schlag auf Schlag gegen ihn, aber dies ist noch nichts, was innerhalb der Festung vor sich geht, sondern dies geschieht noch Alles von außen. JEsus steht vor der Thür und klopft an. Bald gebraucht er das Gesetz, bald das Evangelium. Wenn endlich die Zeit kommt, wo er diese Festung des Teufels
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zerschossen hat, dann zieht er als Sieger ein. Das ist dann die Wirkung des Glaubens. Sowie Christus einzieht» ist der Glaube da. Dann erst, wenn Gott im Menschen wohnt, wirkt er mit. Wenn Gott die Kraft zum Glauben gibt, so hat er damit eben dem Menschen den Glauben gegeben. Wir bleiben daher dabei, was die Schrift sagt: Das ist Gottes Werk, daß ihr glaubet. Zoh. 6, 29. Ferner: Ihr werdet aus Gottes Macht durch den Glauben bewahret zur Seligkeit. 1 Petri 1, 5. Und wer kann alle die Sprüche der heiligen Schrift herzählen, worin ausgesagt wird, daß Gott den Glauben wirke! Gerade zu denen, die da glauben, sagt der Heiland: Ohne mich könnet ihr nichts thun.
Es stehn also die drei Stücke fest:
1. Gott hat die Gerechtigkeit erworben, und beschlossen, sie uns zu schenken.
2. Dann hat er auch dem menschlichen Geschlecht dieselbe predigen lassen und angeboten.
3. Endlich schafft er auch die Hand, wodurch wir dieselbe ergreifen. Wie denn auch das Gottes Wirkung ist, daß der Mensch im Glauben und in der Gnade bleibt. So hat denn der Mensch die Gerechtigkeit nicht selber gemacht, nicht selber geholt, nicht selber ergriffen, sondern Gott hat sie selber hineingelegt, und auch die Hand erschaffen, worein er sie legt. So ist Gott Alles in Allem. Und wir werden in alle Ewigkeit nichts anders zu thun haben, als ihm nur unsre Dankgesänge darzubringen, daß er uns Sünder aus Gnaden gerecht und selig gemacht hat. Jeder wahre Christ sagt es schon jetzt: er kann es nicht begreifen, daß Gott gerade ihn unter Tausenden erwählt, und ihn zu wahrer Erkenntniß gebracht habe. Wie viel größer wird dort unser Erstaunen sein, wenn wir die Abgründe des Erbarmens Gottes vor uns sehen werden. Ein Jeder wird nur sprechen können: Wie wunderbar ist es doch, daß ich im Himmel -in! Ich kann es mir gar nicht erklären.
LS ist das ewige Erbarmen,
Das alles Denken übersteigt;
ES sind die offnen LtebeSarmen Deß, der sich zu den Sündern neigt,
Dem allemal das Herze bricht,
Wir kommen oder komme» nicht.
Zu sagen, der Glaube sei ein verdienstliches Werk, oder eine verdienstliche Zuversicht, ist ein und dasselbe, und beides eine gottlose Rede. Wenn in der Schrift Röm. 3, 27. von dem Gesetz des Glaubens geredet wird, so ist dies eine Antanaklasts, das heißt, eine Redeweise, wonach man ein Wort, welches Jemand verkehrt angewendet hat, ebenfalls gebraucht, demselben aber eine andere Bedeutung unterlegt, so daß der Erstere sieht, er habe das Wort verkehrt angewendet. So redeten z. B. die Juden von Gottes Werken. Weil sie aber selbstgerechte Leute waren, so verstanden sie darunter solche
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Werke des Gesetzes, wodurch sie selig würden. Der Heiland nimmt ihnen das Wort aus dem Munde, und um sie recht zurückzu schlagen, spricht er zu ihnen: Das ist Gottes Werk, daß ihr glaubet. Ihr redet, will er sagen, von seligmachenden Werken: ich will es euch zeigen, welches das rechte seligmachende Werk sei: „glauben", d. H. nichts thun. So verhält es sich auch mit der Stelle: Wo bleibt nun der Ruhm? Er ist aus. Durch welches Gesetz? Durch der Werke Gesetz? Nicht also, sondern durch des Glaubens Gesetz. Es ist dies ein heiliger Spott des Apostels, womit er sagen will: Ihr elenden Schwätzer, ihr wollt mit euren lumpigen Werken vor Gott erscheinen und gern Ruhm haben. Ihr meint auch, ihr hättet Ruhm, weil ihr das Gesetz hieltet. So habt ihr denn auch Ruhm, aber freilich nicht vor Gott. Denn vor ihm gilt nur ein Werk, nämlich der Glaube an den.Sohn Gottes, und zwar darum, weil ihn Gott selbst wirkt.
Es verhält sich dies gerade so wie mit Einem, welcher sich in der Gemeinde geberdet, als sei er der Reichste, und der darum verlangt, daß Alles nach seinem Willen gehen müsse. Ich lvüßte aber, er hätte sehr viel Schulden, und ich würde nun zu ihm sagen : Es ist wahr, Sie find sehr reich, aber freilich an Schulden. So wird auch von dem Apostel des Glaubens Gesetz ein Gesetz genannt. Mancher möchte bei sich denken, das Gesetz des Glaubens gelte nur fürs neue Testament, aber im alten hätte nicht des Glaubens Gesetz, sondern das Gesetz Mosis gegolten. Doch dem ist nicht so. Auch im alten Testament ist Christus Grund der Rechtfertigung, wie es denn auch in der Schrift heißt: Das Lamm, das vor Anbeginn der Welt geschlachtet ist.
Man ging nun zum 7. Punkt der 3. These über. Wie nämlich überhaupt nur durch die Lehre der lutherischen Kirche Gott allein alle Ehre gegeben wird, so gilt dies auch von der Lehre unsrer Kirche von der Wiedergeburt.
Wenn wir Lutheraner lehrten, der Mensch könnte, gerade wie er ist, im Zustande seiner Sünde und Gottlosigkeit in den Himmel kommen, so wäre das eine Lehre, welche Gott schändete. Dies wäre doch ein entsetzliches Gottesreich, wo Gottlose, Hurer, Diebe, Lügner, Mörder und Räuber, welche Gottes Gerechtigkeit Haffen, und von Gott nichts wissen wollen, in der Gemeinschaft Gottes und seiner heiligen Engel sich in Ewigkeit befinden sollten. Dann wäre Gottes Himmel ein Saustall. Wohl lehren wir, daß der Mensch allein aus Gnaden gerecht und selig werde durch den Glauben, aber wir lehren auch zugleich, daß, wo dieser Glaube ist, der Mensch auch eine neue Creatur wird, welche in der Wiedergeburt erzeugt wird. Hat der Glaube diese Wirkung nicht, daß er den Menschen umwandelt, so ist das nicht der Glaube, wovon sonst die Schrift, sondern der Glaube, von deqz Ja-cobus redet, daß er tovt sei an ihm selber. Die Jesuiten behaupten zwar, wir lehrten: Lebe, wie du willst, glaube nur; Werke sind nicht nöthig, Wiedergeburt und Erneuerung ebenfalls nicht, sondern sprich nur
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zum Pastor, ich glaube, so sagt er: geh'nur hin, eS ist schon Alles gut. Hätten wir freilich eine solche Lehre, so würde Gottes Ehre dadurch schrecklich geschändet. Aber diese Buben wissen wohl, daß sie lügen, und daß dies nicht unsre Lehre ist. Vielmehr lehren wir, daß, so bald der Mensch im wahren Glauben steht, sobald ist er auch ein neuer Mensch. So hatte der HErr zu Nicodemus gesagt: Ihr müsset von neuem geboren werden aus Wasser und Geist. Als hierauf Nicodemus in die größte Bestürzung geräth, macht er es ihm immer Heller. Zuletzt rückt er mit der ganzen Sache heraus: Wie Moses in der Wüste eine Schlange erhöhet hat, also muß des Menschen Sohn erhöhet werden, auf daß Alle, die an ihn glauben, nicht verloren norden, sondern das ewige Leben haben. Denn also hat Gott die Welt ge-liebet, daß er seinen eingebornen Sohn gab u. s. w., Joh. 3,14—16. In der Urschrift steht „Denn also". Dieses „Denn" ist sehr wichtig, denn eS zeigt an, daß die Wiedergeburt nichts Anderes sei als der lebendige Glaube, den der Heilige Geist wirkt. Und es ist unmöglich, daß, wenn einer zum lebendigen Glauben gelangt ist, sein Herz nicht fröhlich und lustig in Gott werden sollte, daß er nicht sagte: Ade, Welt, mit deiner Lust und Freude. Ich habe nun etwas Anderes gefunden, woran ich meine Lust habe, nämlich Christum und seine Gnade. In ihm habe ich Ruhe, Frieden, Trost, Glück und Seligkeit.
O wie wäre es möglich, wenn Jemand in eine greuliche Lache gefallen wäre, und ei« Mensch sähe eS, spränge ihm nach hinein in das greuliche Loch, erfaßte ihn, und hübe ihn heraus, und er sähe nun, wie sein Retter darüber selbst in den greulichen Schmutzpfuhl fiele, und im Koth erstickte, daß ein solcher Geretteter darüber lachen und nun sagen könnte: Was hat er mit mir vorgehabt? Warum hat er mich nicht darin stecken lassen? Nein, Solcher müßte ja ganz des Satans sein. Vielmehr müßte er so denken: Ach, wenn doch mein Retter noch lebte, wie würde ich ihm danken! Ach, daß er so elend umgekommen ist! Der Sohn Gottes hat aber mehr an uns gethan. Er hat in der Kloake des Teufels gesteckt und ist darüber zu Grunde gegangen, und nur, weil er Gott war, war dieser Bissen dem höllischen Leviathan zu schwer. Christus hat ihm ein Loch durch den Leib gestoßen, und ist wieder emporgekommen. Wie wäre es möglich, dies von Herzen zu glauben, und dabei doch Christum zu verachten? nichts nach dem himmlischen Vater zu fragen, sondern es mit Gottes Feinden zu halten? Nein, das ist nicht möglich. Es kann wohl einer mit dem Maule sprechen: Ich glaube, aber solcher Maulglaube bringt keinen zum Himmel, wohl aber zur Hölle. Nein, wer von Herzen an diese Liebe glaubt, der weine über das Uebermaaß der Liebe Gottes und danke ihm. Wer von Herzen an diese Liebe glaubt, der bekommt göttliche Kräfte zu einem neuen Leben.
Was wir Lutheraner unter dem wahren Glauben verstehn, sagt Luther in seiner Vorrede zu dem Römerbrief. Durch diese Stelle ist einst Wesley bekehrt worden. Derselbe kam nach Amerika, um die Indianer zu bekeh-
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ren, aber er fand aus, er fei selbst noch nicht bekehrt. Nach einiger Zeit kehrt er nach Europa zurück, und geht eines Abends durch die Straßen Londons. Da hört er in dem Unterraume eines Hauses Gesang. Er geht hinein und findet dort Herrnhuter, welche Luthers Vorrede zu der Epistel Pauli an die Römer lesen. Da kommt auch diese Stelle vor, wo Luther den Glauben schildert. Wie er es hört, sagt er sich selbst: Mir fehlt noch dieser Glaube. Aber nicht lange, so erfährt er die Kraft der göttlichen Gnade, gelangt zum Glauben und wird ein andrer Mensch. Diese Stelle Luthers ist ein wahrer Hymnus auf den Glauben. Man kann getrost irgend Jemand auffordern, solche Beschreibung des Glaubens in einem ändern menschlichen Buche zu zeigen. Es gibt keine solche wieder.
Luther schreibt: „Glaube ist nicht der menschliche Wahn und Traum, den etliche für Glauben halten. — Und wenn sie sehen, daß keine Besserung des Lebens noch gute Werke folgen, und doch vom Glauben viel hören und reden können, fallen sie in den Jrrthum und sprechen: Der Glaube sei nicht genug, man müsse Werke thun, soll man fromm und selig werden. Das machet, wenn sie das Evangelium hören, so fallen sie daher, und machen ihnen aus eignen Kräften einen Gedanken im Herzen, der spricht: Ich glaube. Aber wie eS ein menschlich Gedichte und Gedanken ist, den des Herzens Grund nimmer erführet, also thut er auch nichts, und folget keine Besserung hernach. Aber Glaube ist ein göttlich Werk in uns, das wandelt und neugebieret aus Gott, Joh. 1, 13., und tödtet den alten Adam, machet uns ganz andere Menschen an Herz, Muth, Sinn und allen Kräften, und bringet den Heiligen Geist mit sich. O es ist ein lebendig schäftig thätig mächtig Ding um den Glauben, daß unmöglich ist, daß er nicht ohne Unterlaß sollte Gutes wirken. Er fraget auch nicht, ob gute Werke zu thun sind, sondern, ehe man ihn fraget, hat er sie gethan, und ist immer im Thun. Wer aber nicht solche Werke thut, der ist ein glaubloser Mensch, tappet und siehet um sich nach dem Glauben und guten Werken, und weiß weder, was Glaube noch gute Werke find, waschet und schwatzet doch viel Worte vom Glauben und guten Werken. Glaube ist eine lebendige erwegene Zuversicht auf Gottes Gnade, so gewiß, daß er tausendmal darüber stürbe. Und solche Zuversicht und Erkenntniß göttlicher Gnade machet fröhlich, trotzig und lustig gegen Gott und alle Creaturen; welches der Heilige Geist thut im Glauben." — Ein Gläubiger ist ein verwegner Mensch. Er redet mit Gott wie mit seines Gleichen. Gott versteht ihn schon. Er weiß, wie er mit ihm daran ist. Er lacht über Welt, Teufel, Tod und Hölle. Wie Gerhard in jenem Liede sagt:
Die Welt ist mir ein Lachen,
Mit ihrem großen Zorn.
Sie zürnt und kann nichts machen.
All Arbeit ist verlorn.
Die Trübsal trübt mir nicht Mein Herz und Angesicht.
Das Unglück ist mein Licht,
Die Nacht mein Sonnenblick.
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„Daher der Mensch ohne Zwang willig und lustig wird, jedermann Gutes zu thun, jedermann zu dienen, allerlei zu leiden, Gott zu Liebe und zu Lob, der ihm solche Gnade erzeiget hat. Also daß unmog-lich ist, Werke vom Glauben scheiden, ja, so unmöglich, als Brennen und Leuchten vom Feuer mag geschieden werden." — Es mag eS mal Einer versuchen, er wird es nicht vermögen. Ebenso ist es auch, wo Gott das Feuer des Glaubens angezündet hat, da leuchtet es aus Augen, Mienen, Worten und allen Werken heraus, da weiß man gar nicht, was man Gott Alles zu Gefallen thun möchte. — „Darum siehe dich vor vor deinen eigenen falschen Ge.danken und unnützen Schwätzern, die vom Glauben und guten Werken klug sein wollen und urtheilen, und sind die größten Narren. Bitte Gott, daß er den Glauben in dir wirke, sonst bleibest du wohl ewiglich ohne Glauben, du dichtest und thust, was du willst oder kannst." (Vorrede zum Briefe an die Römer. XIV, 114. f.)
Da sieht man offenbar, daß nicht die Schwärmer allein wissen, der Mensch müsse von Neuem geboren werden. Luther hat das auck erfahren und gelehrt. Und die ganze lutherische Kirche, soweit sie wahre Lutheraner in sich schließt, lehrt nichts anders, als daß Gott die Thüre des Himmels allen denen verschließe, die nicht wtedergeboren find. Bor dreißig Jahren gab es hier zu Lande keine lebendige lutherische Kirche. Das machten sich die Schwärmer zu Nutz, suchten die Lutheraner auf, brachten aber mit der Wahrheit auch ihre Jrrthümer mit. Heutzutage ist es anders. Gott hat eine lebendige lutherische Kirche in's Dasein gerufen. Wo die ist, können jme wenig ausrtchten. Lebendige Christen wiffenes auch, daß sie nicht erst wo anders hinzugehen brauchen, das Gute, zu suchen, denn sie finden es in ihrem Mutterhause. Bei den Schwärmern dagegen finden sie nicht etwa nur Gutes, sondern auch Gift, woran sie des ewigen Todes sterben können.
Die Römische Kirche entstellt ebenfalls die Lehre von der Wiedergeburt. Sie sagt zwar, wir werden durch die Taufe wtedergeboren, aber gedenkt nicht mit einem Wörtlein, daß der Glaube erzeugt werden müsse. Nach ihrer Lehre tilgt sie die Erbsünde, und nimmt ihr den Charakter der Sünde. Sie sagt nuch, daß, wenn ein Erwachsener sich bekehrt, so werden durch die Mit-thetlung der ersten Gnade seine natürlichen Kräfte insoweit unterstützt, daß seine guten Werke nun den Anforderungen Gottes vollkommen entsprechen, und er so der Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, theilhaftig wird. Dies ist keine Wiedergeburt im eigentlichen Sinne, und weil fie sagen, der Erbsünde werde nur die Natur der Sünde genommen, so geschieht nach ihnen in der Taufe keine neue Schöpfung.
So verhält es sich auch bet den Schwärmern. Bei ihnen ist die Wiedergeburt nicht die Erzeugung des Glaubens, sondern fie fühlen etwas, und dies halten sie in ihrer Einbildung für die Wiedergeburt. Vollends schlimm ist die Lehre der Swedenborgtaner, wonach der Mensch eigentlich sich selber wtedergebiert. Ach wie schändlich sind doch solche Lehren, da sie Gott die
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Ehre rauben, daß er um Christi willen durch den Heiligen Geist ein neues Leben schafft und erhält, bis er es im ewigen Leben vollendet!
Dabei ist auch zu erwähnen, wie uns von den Methodisten sehr häufig der Jrrthum untergelegt wird, daß wir sagten, die Taufe sei die Wiedergeburt. Dies ist nicht wahr. Ist auch keine richtige Lehre. Vielmehr lehren wir: sie wirkt die Wiedergeburt, und zwar nur bet dem, der da glaubt. Wer die Taufe nicht im Glauben empfangen hat, der ist auch nicht wieder-geboren. Man verwechsle daher die Ausdrücke nicht mit einander. Es ist daher eine schändliche Verdrehung unsrer Lehre, wenn uns dergleichen von Methodisten angedichtet wird, und sie uns Nachreden, die Lutheraner hätten es sich mit der Wiedergeburt leicht gemacht. Wir glauben freilich, daß wir einst, als wir in der Kindheit getauft wurden, wirklich wiedergeboren worden sind. Denn bei Kindern findet sich kein muthwilliges Widerstreben. Aber wenn ein Mensch erwachsen und zum Selbstbewußtsein gelangt ist, und er dann die Welt lieb gewinnt, so verliert er die Wiedergeburt wieder, und er muß dann noch einmal wiedergeboren werden. Wenn einer in der Tauf-gnade verharrt, so hat er nachher nicht nöthig, sich noch einmal zu bekehren, aber er bedarf immer aufs Neue des Wortes der Gnade für seinen inwendigen Menschen, sonst erstirbt derselbe, gleichwie ein Kind ohne Nahrung sterben muß. Und solcher, wie die Schrift sagt, zwiefach Erstorbener muß alsdann wieder zum neuen Leben geboren werden. Es ist also nicht ein Jeder, der getauft ist, ein Wiedergeborner, sondern ein Jeder war einmal ein Wiedergeborner in seiner Kindheit. Hat er als Erwachsener die Tauft ohne Glauben empfangen, so ist er nicht wiedergeboren worden. Der Heiland hat nicht gesagt: Wasser und Geist ist die Wiedergeburt, sondern: ihr müsset aus Wasser und Geist wiedergeboren werden. Und Paulus sagt von der Taufe, sie sei das Bad der Wiedergeburt. Er nennt sie also nicht die Wiedergeburt, sondern ein Bad der Wiedergeburt. Warum nennt er sie denn nicht die Wiedergeburt, sondern ein Bad der Wiedergeburt? Weil durch sie etwas gewirkt wird. Es ist aber nicht ein solches Bad, worin der Leib von leiblicher Unreinigkeit, sondern die Seele von Sünden gewaschen wird, ein seliges, himmlisches Bad. Man mache daher aus der Tauft nicht ein neues Werk. Was uns selig macht, ist Christus allein. Wir würden daher diese unsre Lehre selbst mit Füßen treten, wollten wir anders lehren. Wenn der HErr sagt, daß, wer nicht glaubt, verdammt werde, so gilt dies schon bet Leibes Leben. Ein Ungläubiger ist schon jetzt ein verdammter Mensch. Und daß nur derjenige, wer da glaubt, selig werde, verstärkt der HErr dadurch, daß er spricht: Wer nicht glaubt, wird verdammt werden.
Daß die Secten so gering von der Taufe denken, liegt daran, daß sie nicht glauben, daß die Taufe das Mittel der Wiedergeburt ftt. Sie legen mehr Gewicht auf ihre Bußbank, als auf die heilige Taufe, und wollen durch ihre eigenen Mittel selig werden und nicht durch die Mittel, welche Gott verordnet hat. Man sollte es kaum glauben, daß ein wahrer Christ unter ihnen
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sein könne, da sie Gottes Ehre so verlästern. Doch soll man fie nicht richten, sondern sie bedauern. Sie stehen unter Gottes Gericht. O wie glücklich sind wir doch, daß wir durch Gottes Gnade die reine Erkenntniß haben!
Es wurde ein Beispiel von einem Methodisten angeführt, welcher sich gegen einen lutherischen Pastor geäußert hatte, die Taufe sei nicht viel nütze. Wie kann man dies von Gottes Sachen sagen! das ist doch gotteslästerlich. Auch das ist falsch bei ihnen, daß sie das Wort vom Wasser trennen. Das sagen sie wohl, daß wir durch den Geist wiedergeboren werden müssen. Aber ist denn bei der Taufe nicht der Heilige Geist, ist nicht Gottes Wort dabei? Ein Methodist, der nicht einräumen wollte, daß die Tauft eine straft sei, die Kindlein wiederzugebären, und daß dies später geschehen müsse, gab auf die Frage, wann eS denn bei ihnen geschehe, die Antwort: Ohngefähr, wenn sie sieben Jahre alt sind. Es hilft auch bet ihnen nichts, wenn man ihnen auch Beweise aus Gottes Wort bringt, fie bleiben doch bei ihren bloßen Behauptungen. Das ist aber das Schreckliche bei den Methodisten, daß sie uns andichten, wir lehrten nichts von der Wiedergeburt, oder doch auf eine falsche Weise, während sie doch wissen, daß sie lügen. Aber sie können sonst ihre wahren Christen, die sich noch unter ihnen befinden, auf keine andere Weise bei sich behalten, als daß sie ihnen Vorreden, die Lutheraner wollen ohne Wiedergeburt, ohne Buße und ohne Bekehrung ins Himmelreich; daß alsdann solche armen Christen auf die Gedanken kommen müssen: O, ich will mich doch vor den Lutheranern in Acht nehmen! Solche gottlose Methodistenprediger reden alsdann ihren Gemeindegliedern vor, die vielleicht in Deutschland einen ungläubigen Rationalisten als Prediger gehabt haben, von solcheEeschaffenheit seien die lutherischen Pastoren, während jener doch nichts anders ist, als ein Feind der Wahrheit, ein Wolf im Schafstall. Das sind, sagen sie von uns, ihre Hirten, während doch solche gerade die größten Feinde unsrer Kirche sind, welche dieselbe nur zerstören und verwüsten, und welche die armen Gemeinden in Deutschland nehmen müssen, da sie kein Recht haben, sich ihre Pastoren selbst zu wählen, sondern sie werden ihnen aufgezwungen. Ist das nun nicht schrecklich, daß sie uns als solche Rationalisten hinstellen? Aber fürwahr, sie werden es an jenem Tage einst zu verantworten haben. Wo haben sie das Gute her, das sich noch bei ihnen findet? Sie verdanken es der lutherischen Reformation. Das Andre find nichts als Menschengedanken, welche sie angeschmiert haben. Wie viel lehren sie jetzt schon anders, als vvr dreißig Jahren? Wie z. B. von der Confirmation, welche sie einst aufs Bitterste bekämpften, und die sie jetzt selbst anfangen wieder nachzuäffen. Sie wagen es auch jetzt gar nicht mehr, von der Bußbank so viel zu sagen, wie früher. Das kommt daher, weil das Licht in ihre Schlupfwinkel hineingeleuchtet hat. Sie können nun nicht mehr im Dunkeln mausen. Aber trotzdem geben sie nicht der Wahrheit die Ehre. Das ist der Fluch der falschen Lehre.
Es ist zu beklagen, daß es in neuerer Zeit auch solche in der
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lutherischen Kirche gibt, welche lehren, daß von der Taufe im Menschen etwas zurückbleibe, was nicht ausgetilgt werden könne. So will Delitzsch dem berüchtigten christusfeindlichen Wislicenus noch die Bruderhand reichen, weil er getauft sei, und er deßwegen etwas in sich trage, was untilgbar sei. Dies gibt den Secten großes Aergerniß. Stoße mgn sich daher gar nicht daran, wenn wir auch die neuen lutherischen Professoren angreifen. Denn unsere ganze Kirche würde geschändet, wenn das wirklich unsere Lehre wäre. Dieser Kampf ist uns zugemessen. Wir müssen ernstlich Front gegen sie machen, ob auch solche für große Glaubenshelden vor der Welt gelten, während sie doch nur solche sind, die den Grund des Glaubens unterwühlen. Man lasse sich nicht irre machen durch ihre Geschwätze. Sie vertreten nicht Gottes Werk, sondern menschliche Gedanken. So hoch wir auch die Wissenschaft achten, so wollen wir uns doch darum, weil wir etwa nicht so gelehrt als jene sind, dadurch nicht abhalten lassen, gegen sie aufzutreten. Gott hat uns das Licht gegeben, darum wollen wir sie angreifen trotz ihres Gespöttes.
Man ging nun zu demjenigen The!l der These über, welcher von der Heiligung handelt. Bisher war nämlich davon gehandelt worden, wie sich Gottes Ehre offenbart in seiner unaussprechlichen Liebe, womit er sich unser erbarmt, wie er unsere Rettung, die er beschlossen hatte, auch ausgeführt, die Gnadenmittel verordnet, und uns auch die Hand gegeben hat, womit wir dieselbe ergreifen. So herrlich nun alle diese Stücke sind, so ist doch nicht zu leugnen, daß, wenn die christliches Religion nichts weiter enthielte, damit die volle, wahre Ehre Gottes nicht offenbar gemacht würde. Dazu gehört nothwendig noch dies, daß auch dem Menschen gezeigt werde, wie er heilig gemacht und zum Ebenbilde Gottes erneuert wird. Das Christenthum wäre eine schreckliche Religion, wenn es nur einen Mantel über die Sünde deckte, und nähme den Menschen so in den Himmel auf. Die heilige Schrift lehrt nun auf das deutlichste, daß der letzte Zweck des ganzen Erlösungswerkes die Heiligung sei. Die Begnadigung, Versöhnung und Rechtfertigung ist nicht das letzte Ziel, sondern nur Mittel und Weg, wodurch die Heiligung erst ermöglicht wird. Gott vergibt uns die Sünde, daß wir aus der Sünde kommen sollen. Christus ist nicht nur deßwegen unser Erlöser, weil er uns von Schuld und Strafe, sondern auch vollkommen von der Sünde befreit. Völlig geschieht dies erst in jenem Leben. Hier in diesem Leben müssen alle Kinder Gottes klagen bis an ihr Ende: Ich bin fleischlich, und unter die Sünde verkauft u. s. w., Röm. 7,14. Mag man noch, so ernstlich gegen die Sünde kämpfen, so wird man doch hier nie ganz davon loS. Die Lehre der Methodisten, wonach man schon auf Erden ganz heilig und vollkommen werden kann, ist eine schreckliche Irrlehre. Damit löscht man das Verdienst Christi aus. Seit der Zeit, wo man vollkommen würde, brauchte man keinen Christum mehr. Denn wo man keine Vergebung der Sünden braucht, weil man eingebildeter Weise keine Sünde mehr
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hat, hat man auch keinen Heiland nöthig, der uns die Sünde vergibt. Mögen das immerhin die Methodisten nicht zugeben wollen, so bleibt das Letztere doch wahr. Wir sind Sünder bis in den Tod, nur darf uns die Sünde nicht beherrschen. Wie geschrieben steht: Die Sünde wird nicht herrschen können über euch, Röm. 0, 14. Wer noch von einer einzigen Sünde sich beherrschen läßt, steht noch unter dem Zorne Gottes.
Das Leben und Wandeln eines Christen ist ein Nachjagen nach der Heiligung. Wie auch Paulus spricht: Jaget nach der Heiligung, Ebr. 12,14. Die vollkommenen Heiligen dagegen brauchen es nicht mehr zu thun, sie haben es schon. Dies Nachjagen gilt für einen jeden Christen; wer nicht nachjagt, oder meint, es hier nicht mehr nöthig zu haben, sondern er habe schon Alles erreicht, der ist kein Christ. Wer die Lehre von der Rechtfertigung zu einem Ruhekissen macht, und denkt, ich kann dabei in Sünden und Schanden leben, der ist kein Christ. Dem wird die kostbare Predigt von der freien Gnade ein Geruch des Todes zum Tode, anstatt ein Geruch des Lebens zum Leben. Die lutherische Kirche weiß davon nichts. Sondern so entschieden sie lehrt, daß wir umsonst und aus freier Gnade von Gott um Christi willen gerechtfertigt werden, so entschieden fordert sie auch von einem jeden Christen die Heiligung.
Wir können Gott nicht genugsam danken, daß auch diese Lehre von der Heiligung zur Reformationszeit recht hervorgebracht worden ist. Luther fand eine Zeit vor, der es vor Allem an der Botschaft der Gnade fehlte. Die römischen Priester waren nicht auf das Heil der Seelen, sondern nur auf die Förderung ihrer Herrschaft bedacht. Sie hatten das Volk mit dem Gesetz zerschlagen, marterten die Gewissen und stellten Christum nicht als den Heiland der Sünder, sondern als einen zornigen Richter vor ihre Augen. Die einzige tröstliche Gestalt war die Jungfrau Maria. Da trat Luther auf mit der seligen Botschaft der Gnade. Daß der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werk allein durch den Glauben, war das Mötto seines Lebens. Daneben lehrte er aber ebenso, man müsse gute Werke thun und der Heiligung nachjagen. Wären aber nicht die Antinomer aufgestanden, so würde Luther wohl nie so gewaltige Zeugnisse für die Nothwendigkeit der Heiligung abgelegt haben. Gott wollte einmal seine Kirche gründlich refor-miren, darum schaffte er Luthern Gelegenheit, ebenso gewaltig von der Nothwendigkeit der Heiligung Zeugniß abzulegen, als er vorher von der Vergebung der Sünden aus Gnaden gethan hatte. Wie es immer in der Kirche zugeht; sollte ihr eine Lehre recht theuer werden, so ließ es Gott geschehen, daß der Teufel Ketzer erweckte, welche diese Lehre angreifen mußten. So war es mit Agricola der Fall. Derselbe hatte zuerst vollständig mit Luther übereingestimmt. Er fiel aber, wie das oft geschieht, aus einem Extrem in das andere. Erst war er ein papistischer Werklehrer, nun wurde er ein Feind des Gesetzes. Er äußerte sich, das Gesetz gehöre auf das Nachhalls, ja an den Galgen. Heimlich sprach er e- sogar aus: Luther sei noch
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yicht recht zum Evangelio durchgedrungen; die Reformation müsse noch gründlicher vor sich gehen und das Gesetz in der Kirche ganz abgeschafft werden. Luther hatte sich dessen gar nicht versehen. War doch Agricola längere Zeit sein Hausgenosse. Endlich aber kam es heraus, daß er das Evangelium in'S Fleisch zog, und daß er von der Heiligung gar nichts wissen wollte. Wie Luther zu den Anttnomern stand, ergibt sich nun aus folgender Stelle:
„Meine Antinomer predigen sehr fein, und (wie ich nicht anders denken kann) mit rechtem Ernst von der Gnade Christi, von Vergebung der Sünden, und was mehr vom Artikel der Erlösung zu reden ist. Aber diese Consequens fliehen sie, wie der Teufel, daß sie den Leuten sagen sollten vom dritten Artikel, der Heiligung, das ist, vom neuen Leben in Christo."
Er will sagen: Erst gibst du zu, daß Christus dein Erlöser ist, und dann leugnest du es, daß er wirklich gekommen, dich zu erlösen, indem er dich wohl von der Schuld, aber nicht von der Herrschaft der Sünde erlösen wolle. Das ist aber nichts als ein leeres Geschwätz, denn einen solchen Christus gibt es nicht, ob du ihn auch tausendmal deinen Erlöser nenntest.
„Denn sie meinen, man solle die Leute nicht erschrecken, noch betrüben, sondern immer tröstlich predigen von der Gnade und Vergebung der Sünden in Christo und beileibe ja meiden diese oder dergleichen Worte: »Hörest du eS, du willst ein Christ sein, und gleichwohl ein Ehebrecher, Hurenjäger, volle Sau, hoffärtig, geizig, Wucherer, neidisch, rachgierig, boShafttg bleiben?'; sondern so sagen sie: »Hörst du es, bist du ein Ehebrecher, ein Hurer, ein Geizhals, oder sonst ein Sünder, glaubest du nur, so bist du selig, darfst dich vor dem Gesetz nicht fürchten, Christus hatS Alles erfüllet.' Lieber, sage mir, heißt das nicht den Uebersatz zugegeben und den Folgesatz verneint? Ja, es heißt eben in demselben Christum wegnehmen und zunichte machen, wenn er am höchsten gepredigt wird." "
Dies ist ein schreckliches Wort für einen solchen lutherischen Prediger, der da meint, man solle immer sehr tröstlich predigen; denn er predigt Christum am wenigsten, wo er ihn scheint am höchsten zu predigen.
„Und ist alles eitel Ja und Nein in einerlei Sachen. Denn solcher Christus ist Nichts und nirgend, der für solche Sünder gestorben sei, die nicht nach Vergebung der Sünden von den Sünden lassen und ein neues Leben führen."
Solchen Christus gibt es nicht, der gekommen wäre, die Leute über ihre Sünden damit zu trösten, daß er ihnen sagte: Ich habe euch ja Gnade erworben, was schadet's, daß ihr sündigt? Lebt nur, wie ihr wollt. Dies wäre ein Heiland aus der Hölle und nicht vom Himmel. Denn er erlöftte die Menschen nicht von Sünden, sondern ließe sie in Sünden stecken.
„Also predigen sie fein auf nestorische und eutychische Dialectica Christum also, daß Christus sei, und sei es doch nicht, und sind wohl feine Osterprediger, aber schändliche Pfingstprediger."
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Nestorius behauptete nämlich richtig, Christus sei wahrer Gott und Mensch in einer Person. Und doch, sagte er, dürfe man nicht sprechen: Maria habe Gott geboren. Denn, meinte er, was sie geboren habe, sei doch nur ein Mensch und nicht Gott. Aber hat Maria bloß einen Menschen geboren und nicht Gott, so ist Christus nicht Gott und Mensch in einer Person. Nestorische und eutychische Dialectica heißt also erst etwas zugeben, daraus ein anderer Satz folgt, den man nicht zugibt. So auch hier. Die Antinomer gaben zu, daß Christus der Erlöser von der Sünde sei, aber daß sie sich von Sünden bekehren müßten, davon wollten sie nichts wissen.
Diese Worte: „und find wohl ftine Osterprediger, aber schändliche Pfingstprediger", — sollte ein jeder lutherischer Prediger auf das ernstlichste beherzigen. Wehe uns, wenn wir nur schön davon zu reden wissen, wie Christus die Gnade erworben habe, aber nicht auch davon, wie nöthig nun auch das Werk des Heiligen Geistes in uns sei, wodurch diese Erlösung an uns offenbar wird.
„Denn sie predigen nichts von der Heiligung des Heiligen Geistes, sondern allein von der Erlösung Christi, so doch Christus (den sie hoch predigen, wie billig) darum Christus ist, oder Erlösung von Sünden und Tod erworben hat, daß uns der Heilige Geist soll zu neuen Menschen machen aus dem alten Adam, daß wir der Sünden todt und der Gerechtigkeit leben, wie St. Paulus lehret, Röm. 6, 2. ff., hie auf Erden anfahen und zunehmen, und dort vollbringen."
Deßwegen also hat uns Christus Vergebung der Sünden erworben, daß er uns zu neuen Menschen mache. Im Himmel haben wir keine Vergebung mehr nöthig, denn dort werden wir Gott gleich sein. Wir werden nicht dadurch heilig, wie die Schwärmer lehren, daß wir hier schon alle Sünde ablegen, sondern wir lehren, was Johannes lehrt: Wir werden Gott gleich sein; denn wir werden ihn sehen, wie er ist. Damit wird gesagt: Ihr lieben Gläubigen, sobald ihr sterbet, seid ihr vollkommen heilig. Wenn euer Leib verfällt, geht ein Proceß vor, wodurch ihr zur Heiligung gelangt. Zwar der alte Adam verfault nicht, aber wenn ihr Gott schaut, werdet ihr von seiner Heiligkeit so durchleuchtet werden, daß ihr vollkommen heilig sein werdet. Gleichwie ein Körper, der an sich dunkel ist, dann voll Licht wird, so wie ihn das Licht bescheint, so verhält es sich auch mit uns in Bezug auf die Heiligung. Oder, um es uns durch ein Beispiel recht anschaulich zu machen: man nehme an, ich befände mich in einem dunkeln Keller, in welchen nur einige wenige Lichtstrahlen fielen, so wird mein Leib auch dunkel bleiben. Stelle ich mich dagegen in die Lichtstrahlen, welche von außen ein-dringen, so wird auch mein Leib ein wenig licht. Trete ich aber aus dem Keller heraus, und stelle mich in den Hellen Glanz her Mittagssonne, so ist mein ganzer Körper licht. So haben auch wir hier nur einige Strahlen der Erkenntniß Gottes, daher ist unsere Heiligung auch nur eine unvollkommene. Denn durch die Erkenntniß Gottes wird unsere Heiligung
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bewirkt. Soweit ein Mensch Gott erkennt, ist er heilig. Hier erkennen wir ihn nur stückweise, daher ist unsere Heiligung hier auch noch unvollkommen. In der Ewigkeit aber wird unsere Erkenntnrß Gottes vollkommen sein, dort werden auch wir ganz heilig sein. Aber freilich, die Heiligung muß schon hier bei uns vorhanden sein, sonst erlangen wir fle nicht in alle Ewigkeit. Wer ohne Gott stirbt, ist ewig ohne Gott. Wer ohne Gnade stirbt, ist ewig ohne Gnade. Wer ohne Heiligung stirbt, ist ewig voller Sünde. Eine vollkommene Heiligung auf Erden ist nicht möglich. Würde dieselbe von uns gefordert, wären wir alle verloren. Aber wir müssen der Sünde abgestorben sein, daß wir nicht Gefallen an irgend einer Sünde haben. Es kommt freilich vor, daß auch ein wahrer Christ noch ein sündliches Gelüste in sich spürt; deßhalb soll er aber nicht denken, daß er darum auch kein Christ sei. Dies Gelüste ist nur eine Regung des alten Menschen in ihm, der neue Mensch kämpft dagegen. Bei wem es nicht so ist, daß, wenn die Sünde kommt, er sie wie einen Feind ansieht, der in'S Land Hereinbrechen will, bei dessen Annäherung man laut zu trompeten anfängt, um Alle zusammen zu rufen, daß fle den Feind nicht hereinlassen, der ist kein Christ. Der Kampf des Fleisches und des Geistes ist das wahre Kennzeichen eines rechten Christen. Geht es auch in diesem Kampfe nicht immer im Triumph, sondern wird der Geist auch öfters vom Fleisch überwältigt: wenn wir uns nur nicht vom Fleische beherrschen lassen.
„Denn Christus hat uns nicht allein die Gnade, sondern auch die Gabe des Heiligen Geistes verdienet, daß wir nicht allein Vergebung der Sünden, sondern auch Aufhören von den Sünden hätten (Joh. 1,16.17.). Wer nun nicht aufhöret von Sünden, sondern bleibet im vorigen bösen Wesen, der muß einen ändern Christum von den Antinomern haben. Der rechte Christus ist nicht da, und wenn alle Engel schrieen eitel ,Christus! Christus!' und muß mit seinem neuen Christo verdammt werden." (Walch. XVI, 2741 f.)
Derjenige hat einen neuen Christum, der einen solchen predigt, der wohl von der Schuld und Strafe uns erlöse, aber nicht von der Herrschaft und dem Schmutze der Sünden. Rechtfertigung und Heiligung hängt auf das engste zusammen. Es kann daher nicht wahr sein, was jener Superintendent einst sagte: Ich habe die Gnade der Rechtfertigung, aber nicht die Gnade der Heiligung.
Wie schrecklich ist eS, daß die römische Kirche eine Lehre von der Rechtfertigung hat, die nichts anderes ist, als eine Lehre von der Heiligung. Die Heiligung kommt nach ihrer Lehre nicht dadurch zu Stande, daß durch die Rechtfertigung ein neuer Mensch entsteht, der in einem neuen Leben wandelt, sondern es wird dem Menschen die erste Gnade und die Fähigkeit der Liebe eingegoffen, daß er den Himmel erstürme. Dadurch aber gerade wird Gott seine Ehre genommen, und dem Menschen zugeschrieben. Das Schlimmste bei ihnen ist, daß fle unter dem Glauben nur den historischen verstehen. Da-
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her ist ihnen unsere Lehre von der Rechtfertigung ein Geheimniß. welches sie nicht begreifen können. Daher erschrecken sie auch, wenn wir sagen, daß wir allein gerecht werden durch den Glauben. Aber wenn wir vom Glauben reden, reden wir zugleich von der Wiedergeburt. Denn die Wiedergeburt ist nichts anderes, als die Entstehung des Glaubens. Nun meinen die Römischen, wenn ein Jeder, der da glaubt, wiedergeboren sei, so sei es eine leichte Sache, wiedergeboren zu sein, während gerade das daraus zu ersehen ist, daß der Glaube nicht das ist, was Viele darunter verstehen. Gerade weil die Wiedergeburt nicht von uns, sondern vom Heiligen Geiste entsteht, so ist auch der Glaube nicht unser Werk, sondern das des Heiligen Geistes. Wiedergeburt und Glaube fällt zusammen. Soll der nicht Wieder-gebornr das Reich Gottes nicht sehn, so kann nichts als der Glaube es
sein, dadurch ich das Reich Gottes sehen kann.
Sobald der Glaube beginnt, beginnt auch die Heiligung. Beide lassen sich nicht von einander scheiden, eben so wenig wie Licht und Feuer. Dafür ist der Schächer am Kreuz ein rechter Beleg. Denn sowie er glaubte, fing er auch an, den ändern Uebelthäter zu strafen. Es könnte auch sonst die heilige Schrift nicht sagen: Jaget nach der Heiligung, ohne welche niemand den HErrn sehen wird. Es wird nicht gesagt: ohne gute Werke, sondern: ohne Heiligung könnt ihr nicht selig werden. Daher sagt auch Paulus:
Welche er hat gerecht gemacht, die hat er auch herrlich gemacht. Wo dies
Herrlichmachen nichts anders heißt als die vollendete Heiligung im ewigen Leben. Ebenso sagt der Heiland von dem Heiligen Geiste: Er wird mich verklären. Dies geschieht in der Heiligung.
Auf die Bemerkung, ob nicht, wenn man solche scharfe Ausdrücke gebrauche, wie: „der ist kein Christ", für die Angefochtenen zu sürchten sei, wurde erwidert: Das könne man nicht verhüten, daß fle solche Worte mißverstehn, sonst würden sie eben nicht angefochten sein. Denn eine jede Anfechtung ist ein Mangel an göttlichem Licht und Erkenntniß; sonst könnte Einer bis zum Tode sprechen: Ich freue mich in dem HErrn, und bin fröhlich in meinem Gott. Darum aber, daß sich Einer daran stößt, darf ich doch die Lehre nicht fallen lassen. Paulus sagt deutlich: Die Sünde wird nicht über euch herrschen können, u. f. w. Röm. 6,14. Wenn ich ein Christ bin, kann mich die Sünde anfallen wie ein Räuber. Aber ihm gegenüber verhalte ich mich nicht als meinem Könige. Dem gebe ich, was er fordert. Dem Räuber aber bin ich nicht zu Willen, sondern suche ihm zu entschlüpfen, ziehe auch die Pistole und sage ihm: „Nun komm! Mein Leben achte ich so theuer nicht, aber ich bin im Stande der Nothwehr, und darf nicht jedem Straßendieb seinen Willen thun." Wer nicht gegen die Sünde steht, wie gegen einen Räuber, sondern wie gegen seine Obrigkeit, der ist kein Christ. Wir müssen so predigen, sonst stärken wir die Sichern in ihrer Sicherheit. Der Heuchler möchte sonst denken, er komme auch in den Himmel. Das ist doch auch eine Seelengefahr, welche wir in Anschlag zu bringen haben. Oder sollte ich, um
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nur den Angefochtenen zu trösten, den Sichern zur Hölle fahren lassen? Es gibt eben ein Donnern und Blitzen auf der Kanzel, das muß geschehen, sonst ist man kein treuer Prediger. Wir müssen erst das Gesetz als das fremde Werk treiben, ehe wir die Zerschlagenen trösten können. Namentlich gilt dies auch für unsere Zeit. Es steht jetzt bei uns Christen nicht so wie beim Beginn der Reformation. Luther fand ein armes zerschlagenes Volk vor, dem wie Israel das Wasser aus der Flasche ausgegangen war, 'wie er selbst schreibt. Da mußte er seinen eigenen Worten gemäß Gnade und nichts als Gnade predigen. Als aber Deutschland mit dem Evangelio erfüllt war, sah er mit Schrecken, wie Sicherheit und Ruchlosigkeit überhand nahm. Man lese nur einmal seine Hauspostille, wie er darin oft gewaltig eifert, während er in der Kirchenpostille die Gnade nur so ausschüttet. Unsere Gemeinden sind zwar meist so beschaffen, daß wir ihnen mehr die Botschaft der Gnade bringen können, aber in neuen Gemeinden muß man mehr das Gesetz brauchen. Auch darf man es in alten Gemeinden nicht unterlassen, das Gesetz zu predigen, nicht nur, weil auch die Christen leicht wieder in Sicherheit ge-rathen, sondern auch, weil immerwährend neue Glieder hinzukommen. Die Aengstlichkeit in solchem Falle kommt daher, weil bei den Pietisten von verschiedenen Graden die Rede ist; sie ist aber unbegründet, wenn nur sonst die Predigt rein ist. Man sage einem Solchen: Du hast doch die Sünde nicht mehr lieb, sondern wolltest ihrer am liebsten los sein. Dadurch werden sie nicht verwirrt, als wenn man von ihnen einen solchen bestimmten Grad fordert./ Wollte z. B. ein Angefochtener, der ein unversöhntes Herz hat, sich darüber beklagen, so würden wir ihn zu trösten haben. Spräche er aber: Ich will mich nicht versöhnen, so hätten wir ihm zu antworten: Bekehre dich erst. Es wurde das Beispiel eines Angefochtenen angeführt, welcher darüber im Herzen beschwert war, daß er Gott nicht liebte. Wenn man ihn tröstete, sprach er nur: Ich thue es nicht, und ging ganz zerschlagen fort. Er sprach aber nicht: Ich will es nicht, sondern: Ich verdammter Mensch kann es nicht.
Wir Prediger haben es uns gewiß besonders einzuprägen, daß wir Christen aus zwei Menschen bestehn, dem alten und dem neuen; sonst werden wir nie rechte Seelsorge üben können. Im Christen stecken noch alle Sünden der Wurzel nach. Aus dem Herzen kommen arge Gedanken u. s. w., sagt der HErr Matth. 15, 19. Dies gilt nicht nur von den Gottlosen, sondern wer ein Herz hat, merke sich's. Wer das nicht glaubt, ist ein miserabler Pharisäer. Wenn ein Angefochtener kommt und klagt, er liebe Gott nicht, so antworte man ihm: Das glaube ich gern, ich thue es auch nicht. Darüber wird er zuerst bestürzt sein. Nun sage man ihm: Ich thue es nicht nach meinem alten Menschen, der kann Gott nicht lieben, sondern haßt ihn. Daneben habe ich einen ändern Menschen, das ist der neue Mensch, der liebt Gott und haßt das alte Wesen. Bei wem das nicht ist, der ist kein Christ.
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Es ist auch dies zu bedenken, daß Angefochtene sich allemal in großer Gefahr befinden, entweder zu verzweifeln, oder in Sünde zu gerathen. Sie haben die schrecklichste Noth zu ertragen. Das hält Mancher nicht aus, sondern um sich zu betäuben, gibt er sich der Sünde hin. Darauf muß man ihn aufmerksam machen und ihm sagen: Nimm dich in Acht, daß du nicht in die Sünde einwilligst. Paulus beschreibt so herrlich das Innere eittes Christen mit den Worten: Das Gute, das ich will, das thue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das thue ich. Röm. 7,19. Das gilt allemal von der ganzen Person. Wer sagen kann: das Böse, das ich thue, will ich nicht, der ist ein Christ. So bleibt es bei dem Christen bis zum Tode. Wer anders denkt, ist ein Narr. Wir können aber Gott nicht genug dafür danken, daß wir jene Stelle haben. Sie läßt uns einen tiefen Blick ln das Herz des Apostels thun, und zeigt uns, wie auch er unvollkommen war. Den Methodisten ist sie freilich sehr unbequem. Sie suchen sich damit zu behelfen, daß sie dieselbe von dem Zustande vor seiner Bekehrung erklären; sonst wären sie ja heiliger als der Apostel. So geschieht es von Nast in seinem Commentar und selbst auch von einem Neander. Dies wird aber von Paulus selbst widerlegt durch die folgenden Worte: Ich habe Lust an Gottes Gesetz nach dem inwendigen Menschen. Und ferner: So diene ich nun mit dem Gemüthe dem Gesetz Gottes, aber mit dem Fleische dem Gesetz der Sünde.
Weil wir nun alle Heiligung aus dem Glauben herleiten, und nicht lehren, daß wir aus eigner Kraft uns selber bessern, oder gar hier schon vollkommen werden können, sondern daß der Heilige Geist uns mit neuen Kräften ausrüstet, und uns je länger je mehr reinigt, bis er dort im ewigen Leben uns vollkommen machen wird, so geben wir auch in dieser Lehre Gott alle Ehre. Laßt uns denn aber von Luther nicht allein lernen, wie man vom Glauben, sondern auch, wie man recht von der Heiligung predigt.
Auch in der Lehre von den guten Werken wird von uns Gott alle Ehre gegeben, und auch dadurch erweist sich unsere Kirche als die wahre.
Es wird der lutherischen Kirche vorgeworfen, daß sie zwar sehr eifrig die Rechtfertigung lehre, aber wenig von der Heiligung und insonderheit zu wenig von den guten Werken; es sei das ihre Schwäche. Aber die guten Werke verwerfen wir nicht, sondern nur solche, die es nicht sind, oder überhaupt solche, wodurch man bei Gott sich ein Verdienst erwerben will. Dies geschieht mit Recht von uns. Wenn Gott den guten Werken etwas verheißen hat, so geschieht das aus lauter Güte und ist ein Gnadenlohn. Gleichwie eS sich mit einem Vater verhält, der nicht haben will, daß sein Kind müßig sein soll, eS beschäftigt und ihm befiehlt, die Späne heraus und herein zu tragen, wovon er vielleicht nicht einmal Nutzen hat, so beschäftigt uns auch Gott, ohne daß er Nutzen von uns hat. Und wie ein Vater ein solches Kind belobt und ihm noch obendrein ein Stück Zucker gibt, so lohnt
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auch Gott unsere Werke aus lauter Güte. Könnte durch unsere Werke etwas verdient werden, so würde damit die Gnade Gottes zu einem Handelsartikel, Gott zu einem Trödler und die Kirche zu einer Trödelbude gemacht. Selbst Adam im Paradiese, wenn er Gott treu geblieben wäre, hätte dadurch nicht das ewige Leben verdient, sondern es aus lauter Güte erlangt. Aus Gnaden, kann man nicht sagen, denn Gnade setze eine Schuld voraus. Was nun damals aus Güte geschehen wäre, geschieht jetzt, da wir gefallen sind, aus Gnaden. Daher nennen die Ungläubigen das Christenthum eine Bettlerreligion, von der sie deshalb nichts wissen wollen. Wie Seume sich in solchem gottlosen Sinne äußerte, er wolle um keine Gnade bei Gott betteln, sondern zu ihm sagen: Das habe ich gethan, gib mir meinen Lohn! Solchen wird ja Gott auch freilich ihren Lohn geben und zu ihnen sprechen: Gehet hin, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer!
Die Lehre unserer lutherischen Kirche von den guten Werken ist aber nun darum die rechte, weil sie Gott alle Ehre gibt, indem sie erstens alles Falsche von der Lehre von den guten Werken absondert, wodurch Gottes Majestät und Unabhängigkeit zerstört wird. Der Mensch kann nie einen Anspruch auf Lohn machen, sondern Gott nur die Verheißungen Vorhalten, die er uns in seinem Worte aus Gnaden gegebm hat.
Wir geben in der lutherischen Kirche Gott dadurch die Ehre, daß wir vor Allem nur das gute Werke nennen, die es auch wirklich sind. Wir nennen nämlich nur das ein gutes Werk, wenn man entweder etwas thut, was uns Gott geboten hat, oder etwas läßt, das er verboten hat. Alles, was die Papisten sich selbst ersinnen, Fasten, Möncherei, Wallfahrten u. s. w., sind schändliche Werke; ebenso, was sich die Schwärmer selbst ausfinnen. Solche Werke sind nichts als lauter Sünde, da sie aus Lohnsucht hervorgehn, und wider Gottes Majestät gerichtet sind; weil sie etwas verbieten, was Gott nicht verboten hat, und was darum auch keine Creatur verbieten kann, und weil fie etwas gebieten, was Gott nicht geboten hat, und das darum auch kein Gewissen verbinden kann.
Wir geben ferner Gott dadurch die Ehre, daß wir lehren, daß nur das gute Werke sind, welche Gott wirkt.
Und endlich dadurch, daß wir lehren, daß nur das ein gutes Werk ist, welches zur Ehre Gottes geschieht und zum Besten der Menschen.
Wie ernstlich Luther auch die guten Werke verlangt hat, ersehen wir aus folgender Stelle: „Wir sagen, daß uns Gott allein durch den Glauben selig macht, ohne Ansehn der Werke. Warum spricht denn St. Petrus, daß er nicht nach der Person, sondern nach den Werken richtet?" — Das scheint ganz gegen Luthers Lehre zu sein, und stimmt doch auf das Herrlichste mit derselben. — „Antwort: Was wir gelehrt haben, wie der Glaube allein gerecht macht, ist ohne Zweifel wahr, sintemal es so klar ist aus der Schrift, daß man es nicht leugnen kann. Daß nun hier (1 Petr. 1, 17.) dev Apostel sagt, daß Gott nach den Werken richtet, ist auch wahr. Aber dafür
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soll man's gewiß halten: Wo der Glaube nicht ist, daß da auch kein gut Werk könne sein; und wiederum, daß da kein Glaube sei, wo nicht gute Werke sind. Darum schleußt er den Glauben und gute Werke zusammen; daß also in den beiden die Summa des ganzen christlichen Lebens stehe. Wie du nun lebest, so wird es dir gehen, darnach wird dich Gott richten. Darum, ob uns Gott wohl nach den Werken richtet, so bleibet dennoch das wahr, daß die Werke allein die Früchte sind des Baums, bei welchen man fiehet, wo Glaube oder Unglaube ist; darum wird dich Gott aus den Werken urtheilen und überzeugen, daß du gegläubet, oder nicht gegläubet hast." — Viele Heuchler mißbrauchen schändlich die Lehre vom Glauben, meinen, wenn sie nur zu Gott sagen: Ich habe geglaubt, dann sei Alles gut; nach den Werken würde er nicht fragen. Aber Gott wird ihnen antworten: Jetzt frage ich nicht darnach, wie du geglaubt, sondern was du ge-than hast. Und daraus wird er den Schluß machen, ob du auch geglaubt hast. Sonst könnte der Teufel hinterher reden: Wie kannst du den selig machen? Aber Gott wird dem Teufel und den Gottlosen aus den Werken seiner Gläubigen zeigen, daß sie einen wahren Glauben gehabt haben. — „Gleich als man einen Lügner nicht bas urtheilen und richten kann, denn aus seinen Worten; noch ist es offenbar, daß er durch die Worte nicht ein Lügner wird, sondern vorhin ein Lügner worden ist, ehe er eine Lüge gesagt; denn die Lüge muß aus dem Herzen in den Mund kommen. Darum verstehe diesen Spruch nun aufs einfältigste also, daß die Werke Früchte und Zeichen sind des Glaubens, und daß Gott die Leute nach solchen Früchten, die da gewißlich folgen müssen, richtet, auf daß man öffentlich sehe, wo der Glaube oder Unglaube sei." — Gott sieht den Glauben wohl, aber wir sehen ihn nicht. Er wird ihn aber einst offenbar machen, wenn er die guten Werke der Christen an's Tageslicht ziehen wird, daß sich die Gottlosen darüber verwundern werden, obschon sie einst an den Gläubigen nichts als Schwachheit bemerkt haben. Dann wird Gott den Rath der Herzen offenbaren, d. H. es wird offenbar werden, was für ein. neues Herz der Christ durch den Glauben bekommen hat. — „Gott wird nicht darnach richten, ob du ein Christ heißest, oder getauft bist, sondern wird dich fragen: Bist du ein Christ, so sage mir, wo sind die Früchte, damit du deinen Glauben könnest beweisen?" (Luther in der Auslegung der 1. Ep. Petri 1, 17. Walch. IX. 672 f.)
Wenn man immer die Botschaft von der Gnade hört, kann man leicht dahin gerathen, die guten Werke gering zu achten. Ein rechter Christ freut sich, wenn er vor dieser Gefahr gewarnt wird. Er braucht ein solches Salz, daß er nicht faul werde.
Wie hoch Luther die Werke gestellt habe, geht auch aus folgender Stelle hervor: „Siehe, wie fein sie'(die Wiedertäufer) von guten Werken lehren; sprechen, sie geben ihre guten Werke um einen Groschen." — (Waren aber nicht einmal einen Groschen werth.) — „Damit wollen sie unsere Affen sein,
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und uns nachlehren, weil sie gehöret haben, daß wir lehren, gute Werke machen nicht fromm, tilgen auch die Sünde nicht, versöhnen auch Gott nicht. Ueber solches aber thut hier der Teufel seinen Zusatz, und veracht die guten Werke so gar, daß er sie alle um einen Groschen verkaufen will. Da lobe ich Gott, meinen HErrn. daß der Teufel sich selbst -in seiner Klugheit so schändlich muß beschmeißen und bethören. Wir lehren also: daß Gott ver söhnen, fromm machen, Sünde tilgen sei so hoch, groß, herrlich Werk, daß allein Christus, Gottes Sohn, thun müsse, und sei eigentlich ein lauter, bloß, sonderlich Werk des einigen rechten Gottes und seiner Gnade, dazu unsere Werke nichts sind und vermögen. Aber daß darum gute Werke sollten nichts sein, oder eines Groschens werth sein, wer hat das je gehöret oder gelehret, ohne aus dem Lügenmaul des Teufels?"
Wir Prediger sollten es uns ja merken, daß es mit zu unsrer Aufgabe gehört, die Nothwendigkett und den hohen Werth der guten Werke hervorzu-heben; sonst unterlassen wir eine hohe Pflicht, und thun unfern Gemeinden großen Schaden. Bei der Rechtfertigung sollen wir alle Werke unter die Füße treten, außerhalb der Rechtfertigung aber sollen wir die Werke recht hoch stellen. Viele loben wohl das Evangelium, aber sie sind faul zu guten Werken. Sie meinen, es sei genug, wenn sie in die Kirche gehn und Gottes Wort hören ; aber wenn etwas für das Reich Gottes gethan werden soll, sind sie so schändlich geizig, daß sie sich eher den Finger abschneiden ließen, als daß sie etwas dafür hergeben wollten. Ist etwas in der Gemeinde zu thun, so haben sie keine Zeit. Sollen sie etwas für den Nächsten thun, wofür fle nichts kriegen, haben sie ebenfalls keine Zeit. Sie gehen nicht in die Gemeindeversammlung, sondern sprechen: Das geht auch ohne mich, und beweisen damit, daß es ihnen an dem rechten Ernst im Christenthum fehlt; sonst würden sie lustig und fröhlich sein, Gutes zu thun. Solche bedenken nicht den Schaden, den sie sich selbst thun, nicht durch ihre Ohnmacht, sondern durch ihre Trägheit zu guten Werken.
Der Apostel gebraucht Phil. 4,17. den Ausdruck: Ich suche die Frucht, daß sie überflüssig in eurer Rechnung sei. Gott hat demnach gleichsam ein Buch in Händen, darin steht ein jedes gute Werk, jedes Gebet, jedes Vaterunser, jeder Seufzer, jede Thräne, jede Gabe, die ich aus wahrer Liebe zu Gott für sein Reich dahingegeben, jeder Dank gegen Gott, jeder Liebesdienst gegen den Nächsten, jede Versöhnung mit meinem Feinde. Ja, es sei was für ein Werk es wolle, es steht Alles darin, selbst das Glas Wasser, womit ich den Dürstenden um Christi willen getränkt habe, soll nicht vergessen sein. Was für eine große Summe von guten Werken wird sich bet den wahren Christen finden! Sie werden selbst darüber erstaunen. Die Trägen aber werden sehen, welch ein großer Unterschied sei zwischen denen, die immer bereit sind, Jedermann zu dienen, und zwischen solchen, die es nicht thun, zwar nicht in Hinsicht auf die Seligkeit, so doch in Bezug auf die Herrlichkeit.
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Das wahre Christenthum besteht nicht nur im fleißigen Kirchengehn. So gut wie dies an sich »st, so ist es doch nur das Mittel dazu. Mancher ltes't seinen Morgen- und Abendsegen, oder er geht in die Betstunde, oder er gewöhnt sich wohl gar das Rauchen ab, und denkt nun Wunder, was er für ein gutes Werk gethan habe. Aber es handelt sich nicht darum, was wir als gute Werke ansehen, sondern was Gott dafür ansieht. Er verlangt von uns Werke, die aus Liebe zu ihm und Dankbarkeit hervorgehn. Das ist ein großer Unterschied. Aber solche Werke will er alsdann auch auf das Reichlichste lohnen. Wie es in der Schrift heißt: Gott will geben über Bitten und Verstehn. Und an einer ändern Stelle: Dieser Zeit Leiden sind nicht werth der Herrlichkeit, die an uns soll geoffenbaret werden. Kein Prediger soll daher ein Zährlein darüber lassen, wenn er von seiner Gemeinde gedrückt wird. Er wird staunen über die Herrlichkeit, die ihn dafür im ewigen Leben erwartet. Und wenn's möglich wäre, würde er sagen: Ach, hätte ich doch noch mehr gelitten! Niemand kümmere sich ab über die Trübsal, die ihn trifft, sondern, leidet er um Christi willen, so freue er sich so sehr er kann, denn es stehet Alles in seiner Rechnung. Niemand halte einen Christen für einen Narren, weil er sich Alles gefallen läßt. Denn ihn, den man hier verachtet hat, wird man dort einst sehen in großer Herrlichkeit. Wer aber träge ist, Gutes zu thun, der wisse: wer kärglich säet, der wird auch kärglich ernten. Dies müssen wir den Leuten Vorhalten. Der Teufel verblendet sie sonst, daß sie das Säen ganz vergessen. Wir sollen uns nicht falscher Weise auf die Barmherzigkeit Gottes legen und die Werke dabei versäumen, weil wir 1. dadurch leicht die Gnade verlieren; 2. unfern Undank gegen Gott zu erkennen geben, der von uns verlangt, daß wir sie thun sollen; 3. werden wir uns verwundern über das, was wir im ewigen Leben haben, was andere nicht haben.
Mancher wird darum das Kleinod verlieren, weil er denkt: gute Werke sind nicht nöthig. Zur Seligkeit sind sie freilich nicht nöthig, sonst aber sind fle nöthig. Wer das leugnet, ist kein Lutheraner. Nach der Schrift trachten die Christen in guten Werken nach dem ewigen Leben.
Luther fährt weiter fort: „Ich wollte meiner Predigten Eine, meiner Lectionen Eine, meiner Vaterunser Eins, ja, wie kleine Werke ich immer gethan habe, oder noch thue, nicht für der ganzen Welt Güter geben; ja, ich achte es theurer, denn meines Leibes Leben, das doch einem Jeglichen lieber ist und sein soll, denn die ganze Welt. Denn ists ein gut Werk, so hatS Gott durch mich und in mir gethan. Hats Gott gethan und ist es Gottes Werk, was ist die ganze Welt gegen Gott und sein Werk? Ob ich nun wohl durch solch Werk nicht fromm werde (denn das muß zuvor geschehen durch Christi Blut und Gnade, ohne Werk), dennoch ists Gott zu Lob und Ehren geschehen, dem Nächsten zu Nutz und Heil, welchs keines man mit der Welt Gut bezahlen, oder vergleichen kann." (Vorrede auf Jvsti Menii Büchlein von der Wiedertäufer Lehre und Geheimniß. 1530. XIV, 281. f.)
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Niemand verachte daher seine guten Werke, wenn er gewiß weiß: das habe ich dir, mein Gott, zu lieb gethan.
Man merke wohl den Grundsatz: Nur das ist ein gutes Werk, welches etwas Gutes stiftet. Alle selbsterwählten Werke find keine guten Werke. So denkt Mancher, wenn er ins Kloster gehe, so thue er ein gutes Werk; während doch so Einer nichts anders als ein Freßling ist, der sein Leben in Faulheit mit Betteln, anstatt mit Arbeiten, hinbringt. Solch Einer hilft kei-nem Menschen etwas. Einst kam zu Alexander dem Großen ein Mann, der eine große Geschicklichkeit hatte, Erbsen auf weite Entfernung an eine Nadelspitze zu werfen. Er wollte seine Kunst auch dem Könige zeigen, und meinte Wunder. was er für eine Belohnung empfangen würde. Aber Alexander befahl, man solle ihm einen großen Sack voll Erbsen geben, daß der Mann doch etwas zu thun habe. So macht es der liebe Gott auch mit den unnützen Werkheiligen, die sich etwas zu schaffen machen, und Wunder was von ihm dafür erwarten.
Am besten läßt sich ein gutes Werk daran prüfen, wenn man sich fragt, ob es dem Nächsten nützt, oder ob man es nur deßwegen thut, weil es ihm nützt. Wenn dies nicht der Fall ist, dann ist es ein gottloses Werk. Nun nehme man einmal seine guten Werke vor: wieviel solcher Werke thun wir? Gewiß wenig genug. Wir dürfen nicht vergessen, daß es in der Schrift oft heißt: Es wird ihnen wohl belohnet werden. Ein Prediger soll nicht denken, er dürfe davon nicht reden. Die heilige Schrift redet selbst davon. Ein Christ bedarf es wohl, daß ihm solche Stützen gegeben werden. Man sage daher getrost: Lieben Brüder, thut dies Werk, es wird euch im Himmel wohl belohnet werden, wenn ihr es um Gottes willen thut. Man braucht nicht ängstlich zu sein, die Leute dadurch lohi^süchtig zu machen. Erst pre-dige man mit Fleiß von der Gnade, dann kann man auch getrost von dem großen Lohn guter Werke predigen. Wird aber die Lehre von der Rechtfertigung nicht mit Nachdruck gepredigt, dann kann man freilich durch die Predigt von den Werken Schaden anrichten. Gute Werke, die durch Dro-' Hungen zu Stande kommen, sind keine guten Werke. Aber man erinnere die Christen dreist an den Gnadenlohn, den der HErr ihnen verheißen hat; dann wird gewiß Mancher mit Lust und Freude sich zum Geben bereit finden. Unsere Pastoren versäumen eS viel zu sehr, die Leute zu guten Werken zu reizen. Wenn einer seine Gemeinde ansprechen soll, sich auch durch ihre Gaben für einen gewissen Zweck im Reiche Gottes zu bethetligen, so denkt Mancher, das sei ein unbequemes Werk; aber es ist ein seliges Werk, das wir recht treiben sollen. Wir sollen suchen an das Herz der Leute zu gelangen, und daran arbeiten, daß wir ihnen alle Unlust nehmen und dafür Lust und Liebe zu. guten Werken bei ihnen erwecken.
Eine solche Bitte, die wir in der gegenwärtigen Zeit an unsere Gemeinden zu richten hätten, wäre die um Beiträge für den Neubau unsers Colleges. Wir sollen sie dazu auffordern, und ihnen sagen, wir thäten es, weil wir
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wünschten, daß es einst in ihrer Rechnung stünde. Es ist wahr, Gott kann sein Reich auch ohne uns bauen. Wollen wir nichts dazu hergeben, so schlagt der liebe Gott darum nicht die Hände über den Kopf, und spricht etwa nicht: Nun kann ich nichts machen, die auf Erden wollen mir kein Geld geben. Er bedarf unser nicht, aber er will uns gern zu seinen Werkzeugen machen, denen er überdies noch lohnen will. Nun sage ein Pastor seiner Gemeinde: Weil ich nicht möchte, daß ihr um diesen Lohn kämet, so wollte ich euch aufgefordert haben, auch etwas dazu zu geben. Ihr müßtet mich als gottlos verwerfen, wenn ich an euch vorüberginge. Wie auch ein wahrer Christ sich darüber betroffen fühlt, wenn ein wirklich bedürftiger Pettler zu allen ändern in der Nachbarschaft hingeht, und nur zu ihm nicht hinkommt. Wir bedürfen des Collegebaus auf das Dringendste. Sollten wir es nicht thun wollen, so läßt Gott sein Werk bei uns vielleicht rückwärts gehen und erweckt andere, die sein Reich bauen sollen. Doch drohe man nicht, sondern bitte die Leute um der Barmherzigkeit Gottes willen, und gebe ihnen zu bedenken, daß es eine Gnade sei, für Gottes Reich etwas zu geben, und daß man ihnen hier Gelegenheit geben wolle, um einst zu ernten. Diese Ernte würde überschwänglich sein.
Als einst in einer Gemeinde es sich herausstellte, daß sich die Schule nicht bezahlte, und man, um den Gehalt des Lehrers zu bekommen, auch diejenigen, welche keine Kinder hatten, aufforderte, etwas zu thun, so weigerte sich Einer von ihnen, einen Beitrag für die Schule zu bezahlen. Darauf wurde ihm gesagt, man könne es ihm freilich nicht auferlegen, aber wenn im Himmel einst der Lohn für den Segen, welcher durch diese Schule gestiftet worden ist, von unserm HErrn Christo auSgetheilt würde, so solle er keinen Lohn dafür haben, sondern leer ausgehn, worauf er denn auch willig wurde, die Schule zu unterstützen. Das heißt denn auf rechte Weise durch die Vorhaltung der Belohnung zu guten Werken reizen.