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1884-Syn Conf-Walther-Church Fathers and Doctrine
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1884-Syn Conf-Walther-Church Fathers and Doctrine; OCR'd by BackToLuther, August 20, 2015.

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A condensed English translation by James Ware in 1988 Concordia Journal under the title “Walther on Sola Scriptura: C. F. W. Walther’s 1884 Synodical Conference Essay”. A full Translated English in Essays for the Church vol. II, pgs 67-101; and in Walther's Works: Church Fellowship, pgs 351-412)

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der ev.-luth. Synodal-Conferenz von Nord-Amerika. 1884. 5

 

Lehrverhandlungen.

Der Ehrw. Präses der Conferenz, Herr Pastor J. Bading, hatte Herrn Prof. A. Gräbner und später auch Herrn Dr. C. F. W. Walther ersucht, je über einen, ihnen passend erscheinenden Gegenstand Thesen zu Lehrverhandlungen bei der diesjährigen Versammlung der Synodalconferenz auszuarbeiten. Beide waren dem Gesuch nachgekommen. Herrn Prof. A. Gräbner war es jedoch nicht möglich geworden, die Conferenz zu besuchen. So lagen denn außer den von früher her noch unerledigten Lehrgegenständen der Conferenz die Thesen Herrn Dr. Walthers vor, welche durch einstimmigen Beschluß die Grundlage der diesjährigen Lehrverhandlungen bildeten. Dieselben lauten, wie folgt:

Vorerinnerung. Die hinterlassenen Schriften sowohl der sogenannten Kirchenväter, als der frommen Lehrer unserer Kirche sind Schätze, für die wir Gott nicht genug danken können. 1 Thess. 5, 20. (vgl. Röm. 12, 7.) 1 Cor. 12, 7. (vgl. Apost. 18, 24—28.)

Wie verwerflich es sei, Sachen des Glaubens aus den Schriften der Vater begründen und die Gewissen an die Lehrentscheidungen derselben binden zu wollen.

Es ist dies so verwerflich:

I. weil es schriftwidrig ist; denn es ist

A. wider die nur der heiligen Schrift zukommende Autorität,

a. allein die lautere Quelle aller Glaubenserkenntniß,

b. allein die untrügliche Regel und Richtschnur aller Lehren und Lehrer und

c. allein die rechtsgiltige Richterin in allen Religionsstreitigkeiten zu sein.

Deut. 4, 2. 2 Tim. 3, 15—17. Apost. 26, 23. Luc. 16, 29. (vgl. V. 27—31.) Röm. 16, 17. („neben"). Gal. 1, 8. Offb. 22, 18. 19.

Ps. 119, 105. Jes. 8, 19. 20.

Matth. 4, 4. 7. 10. Luc. 10, 26. Joh. 10, 34. (vgl. V. 33—36.)

B. wider die Lehre der Schrift; denn es ist

a. wider die Natur des Glaubens der Christen, welche derselbe nach der Schrift hat, nämlich auf Gottes Wort gegründet und darum göttlich gewiß zu sein.

 

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Röm. 10, 17. Ephes. 2, 20. 1 Thess. 2, 13. 1 Cor. 2, 4. 5. Ebr. 11, 1. Röm. 4, 20—22. Luc. 16, 29. (vgl. V. 27—31.)

b. wider die in der Schrift enthaltenen Warnungen vor Vertrauen auf Menschen auch in Glaubenssachen, und vor allen Menschenlehren, sowie wider die darin enthaltenen Ermahnungen, alles zu prüfen.

Ps. 62, 10. Joh. 2, 23—25. Matth. 5, 20.21. Matth. 15,9. (vgl. V. 1—14.)

1 Thess. 5, 20. 21. Joh. 4, 39—42. 1 Cor. 10, 15. Apost. 17, 11.

II.  weil es ein Rückfall in das antichristische Pabstthum ist;

III. weil es ein Abfall von dem Hauptgrundsatz der Kirche der Reformation ist.

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Die Conferenz verweilte zunächst des Längeren bei der nicht unwichtigen Vorerinnerung: „Die hinterlassenen Schriften, sowohl der sogenannten Kirchenväter, als der frommen Lehrer unserer Kirche, sind Schätze, für die wir Gott nicht genug danken können."

Hierzu wurden folgende Bemerkungen gemacht:

Valerius Herberger, der alte, ebenso treuherzige als geistreiche und geniale Pfarrer an der Kirche zum Kripplein Christi zu Fraustadt in Posen, schreibt in seiner epistolischen Herzpostille: „Also machen's alle treue Seelsorger in ihren Predigten: 1. berufen sie sich auf die heilige Schrift Alten und Neuen,Testaments; 2. sie führen an Zeugnisse der alten Kirchenlehrer; 3. nehmen sie mit ihre eigenen guten Einfälle, die ihnen der Heilige Geist auf ihr fleißiges Gebet im Studiren oder auch im Reden beschert." (S. Epistolische Herzpostille über die Epistel am 11. Sonnt, nach Trin.)

Der liebe Herberger hat ohne Zweifel ganz recht. Alle treuen Diener der Kirche haben es von jeher so gemacht. Ihre Lehre holten sie aus der heiligen Schrift; sie schämten sich aber auch nicht, in ihren Predigten und Schriften Zeugnisse frommer Lehrer der Vergangenheit und Gegenwart anzuführen, theils um die Gegner zurückzuweisen, theils zur eigenen Stärkung im Glauben. Und endlich fügten sie auch hie und da kleine Bröcklein Eigenes hinzu, was sie durch Vermittelung keines Menschen gelernt hatten, sondern was ihnen vom Heiligen Geist gegeben war beim eifrigen Studium der heiligen Schrift, durch brünstige Gebete und in der Schule des heiligen Kreuzes.

Wir in der Synodalconferenz können zu Gottes Ehre sagen: Das ist auch die Art und Weise, wie wir bisher gethan haben, und unsere lieben

 

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Gemeinden sind auch damit vollkommen zufrieden gewesen und sie sind es noch. Wir würden erstlich Gottes Zorn fürchten, wenn wir eine Lehre auf die Kanzel brächten, die nicht der heiligen Schrift entnommen ist. Wir haben ferner aber auch je und je in unseren Synoden, Pastoralconferenzen, Zeitschriften und Predigten Zeugnisse aus menschlichen Schriften herbeigebracht. Und endlich alle, die wir bei Gott in Gnaden stehen und regiert werden von seinem Heiligen Geiste, haben hie und da auch ein Körnlein gefunden auf eigene Meditation unter herzlichem Gebet und aus eigener Erfahrung.

Haben wir mit Letzterem etwa Gottes Wort hintenangesetzt und unseren Glauben auf Menschenautorität gegründet? Das sei ferne! Unsere Ueberzeugung, so wolle es Gott, ist vielmehr eine in der Schrift wohlgegründete.

1 Thess. 5, 20. heißt es: „Die Weissagung verachtet nicht." Allen fleißigen Bibellesern wird es bekannt sein, daß das Wort Weissagung in der Schrift nicht immer in dem Sinne von Vorausverkündigung zukünftiger Dinge, von Prophezeiungen gebraucht wird, sondern daß es auch bedeutet : die Schrift auslegen. Diesen letzteren Sinn hat es außer Zweifel auch hier. Denn gleich darnach, Vers 21., spricht Paulus: „Prüfet aber alles und das Gute behaltet." Wenn aber Propheten, durch den Heiligen Geist getrieben, von der Zukunft weissagen, da darf es nicht heißen: Aber prüfe es wohl! Denn wir können das gar nicht prüfen, ehe es erfüllt ist. Wir wissen ja nicht einmal immer gewiß, was in der Prophezeiung gemeint ist, und können nur nach ihrer Erfüllung sagen: Ja, jetzt sehen wir, was der Heilige Geist gemeint hat, denn es ist alles buchstäblich geschehen. Es wäre aber ein Frevel zu sagen: Nun wollen wir das prüfen und, was gut ist, annehmen. Ein Christ nimmt das ohne Weiteres an. Denn das gehört zum Charakter eines Christen: er glaubt den Schriften der Apostel und Propheten. Wenn heute noch Gott einen ordentlich beglaubigten Propheten schickte, so müßten wir demselben ohne Weiteres glauben. Ihn verwerfen, wäre eine Schmähung Gottes. Wenn aber ein Prophet des Neuen Testamentes zu einem Juden käme, der noch nicht wüßte, daß derselbe ein Prophet ist, der müßte freilich ihn erst prüfen. Daher wir das schöne Beispiel an den Beroensern haben, die täglich in den Schriften des Alten Testamentes forschten, ob sich's also hielte, wie Paulus ihnen predigte.

Hieraus folgt nun, daß in unserem Spruch die Rede sein muß von der Auslegung der heiligen Schrift. Da sagt nun Paulus zu den Christen: Es ist nicht genug, daß ihr in tiefster Ehrfurcht im geschriebenen Worte Gottes leset, ihr dürft auch die Auslegungen gottseliger Männer nicht verachten. Er sagt nicht: die müßt ihr ohne Weiteres annehmen, sondem nur: verachtet sie nicht. Denn annehmen soll ich bloß, was mit der Schrift übereinstimmt. Daher heißt es auch Röm. 12, 7.: „Hat Jemand Weissagung, so sei sie dem Glauben ähnlich." Hat also Jemand die Gabe, die

 

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heilige Schrift auszulegen, wohl ihm! Denn das ist die größte Gabe. Aber er bedenke wohl, daß er sich nicht fleischlich auf diese seine Gabe verlassen dürfe, als sei alles, was er sagt, aus dem Heiligen Geist. Nein, nun muß er vergleichen, ob seine Auslegung auch mit den Artikeln des christlichen Glaubens stimmt. Was damit nicht stimmt, muß er verwerfen.

Man bedenke nun Wohl die Tragweite von I Thess. 5, 20. Damit wird erstlich gesagt: Sprecht nicht, in die Kirche gehe ich nicht, ich habe den lauteren Born, meine Bibel, zu Hause; wer weiß, was mir der Prediger bringt? Nein, will Paulus sagen, geht ja in die Kirche und verachtet den Menschen nicht. Gott hat die Einrichtung getroffen, daß Menschen uns Gottes Wort auslegen sollen. Verachtet darum auch zum anderen die Bücher gottseliger Lehrer nicht, in denen die Schrift ausgelegt ist. Ihr seid sonst schändliche Verächter der allertheuersten Gabe. Ja, je mächtiger und gewaltiger ein Ausleger ist, um so werther schätzt ihn. Wohl setzt dann der Apostel hinzu: „Prüfet aber alles.” Aber dies Letztere schließt das Erstere nicht aus, sondern ein. Ist es ein rechter Ausleger, so bewirkt der ja nicht, daß ich von der Schrift abkomme; er führt mich nicht aus der Schrift heraus, sondern in dieselbe hinein. Denn nun soll ich an der Hand der Schrift zusehen: hat er recht oder sind seine Auslegungen Menschengedanken? Darum verachtet auch nicht die Schriften der alten gläubigen Kirchenväter, die Schriften eines Luther, Chemnitz, Quenstedt, Gerhard, H. Müller u. a. Sonst seid ihr dem Heiligen Geiste ungehorsam, der euch gebietet: „Die Weissagung verachtet nicht."

Dies betrifft nun sonderlich die Schriften unseres lieben Vaters Luther. Wer Luthern fleißig studiert, der wird das für keine Parteilichkeit oder Engherzigkeit ansehen, wenn wir sagen: Die herrlichsten Bücher nach der heiligen Schrift sind die Schriften Luthers. Keiner in der Kirche hat so herrlich und so gewaltig die Schrift ausgelegt, als Luther, und zwar nicht bloß in den Schriften, wo er sich vorgenommen, über diese oder jene Kapitel der Bibel zu schreiben; sondern überall in seinen Schriften findet sich eine unübertroffene Schriftauslegung; auch in den Streitschriften. Ja, gerade da galt es sonderlich seine Lehre so zu beweisen, daß auch der allerscharfsinnigste und giftigste Gegner zugeben mußte: der hat recht. Und das ist eben eigentlich ein Auslegen nach der Schrift; nicht Jeder, dessen Auslegung richtig ist, hat darum diese größte aller Gaben, sondern nur derjenige, der es versteht, seinen Zuhörern so klar zu machen, das und kein anderes kann der Sinn dieser Stelle sein, daß sie sagen müssen: ja, ich kann gar nicht anders, ich muß ihm recht geben. Ein guter Ausleger ist daher nicht etwa, wie die neueren Exegeten meinen, ein solcher, der nur nach den Regeln der Sprache einem Wort seine Deutung gibt und dabei nach dem Sinn des Heiligen Geistes wenig oder gar nichts fragt. Mag ein solcher, weil er Lateinisch, Griechisch, Ebräisch kann, immerhin meinen: ich bin ein großer Ausleger; er ist doch eigentlich nichts, als ein Buch-

 

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stäbler. Bei Luther ist das ganz anders. Da merkt man (wenn auch nicht immer gleich): Luther ist gründlich und tief. Er geht langsam vorwärts, aber so, daß die Sache immer Heller, immer klarer, immer deutlicher wird. Er schlägt mit dem Hammer immer auf denselben Fleck, aber den Nagel auf den Kopf, so daß derselbe allmählich immer tiefer hineingeht. Hat doch vor einigen Jahren selbst ein katholischer französischer Priester mir zugegeben, alle Theologen in der römischen Kirche auf einem Haufen hätten nicht so klar und so zwingend nachgewiesen, daß der Leib Christi im Abendmahl gegenwärtig sei, als Luther; hier sei er noch von keinem ihrer Gelehrtesten erreicht worden. Ein guter Ausleger zwingt seine Zuhörer, ihm zuzufallen. Der hat aber diese herrliche Gabe nicht, welcher seine Zuhörer nicht weiter bringt, als zu sagen: Nun, es wird ja wohl so recht sein, wie er sagt; er ist ja doch ein reiner Lehrer. Ein solcher wird bei seinen Zuhörern nicht die Frucht bringen, die der erreicht, der sie nöthigt, die Richtigkeit seiner Auslegung ohne Widerrede anzuerkennen. Und das ist eben bei Luther der Fall. Zwar urtheilte der elende Zwingli nach dem Colloquium über Luther: er hätte weiter nichts gekonnt, als mit Kreide die Worte auf den Tisch schreiben, und wenn er, Zwingli, seine Einwände gemacht habe, hätte Luther nur immer auf den Tisch gezeigt: Siehst du da nicht die Worte: das ist mein Leib? Wie lächerlich das aber ist, wird Jeder zugeben, der Luthers Reden kennt, welcher in seiner theologischen Kühnheit nach geführtem Nachweis sich sogar zu dem Ausspruch verfingen konnte: Christus müßte ja trunken gewesen sein, wenn er beim Abendmahl so geredet hätte: „Das ist mein Leib", wenn sein Leib doch vom Abendmahl abwesend gewesen wäre.

Darum kann derjenige nicht für einen Bibelverehrer anerkannt werden, der da sagt: Was menschliche Schriften! ich lese gar keine anderen Bücher, als die Bibel, — weil er den Befehl des Heiligen Geistes in der Bibel von sich weist: „Die Weissagung verachtet nicht."

Calov in seiner Biblia illustrata bezeugt auch, daß in I Thess. 5. Weissagung nichts anderes als Schriftauslegung bedeute. Folgendes sind seine Worte: „Paulus schreibt: ,Die Weissagung verachtet nicht', 1 Thess. 5, 20. Unter der Weissagung versteht er nicht die Voraussagung zukünftiger Dinge; denn wer weiß, daß daselbst solche Propheten gewesen seien? sondern die Auslegung der Schrift, welche ehrenhalber so genannt wird, und damit guten Schriftauslegern sowohl Würde als Autorität verschafft werde, nicht, damit sie den Propheten, welche aus Trieb des Heiligen Geistes zukünftige Dinge Voraussagen oder auch göttliche Geheimnisse aus göttlicher Eingebung vortragen, dergleichen die außerordentlichen Propheten beider Gattungen waren, gleichgestellt werden sollen; denn jene leuchteten durch göttliche Autorität; sondern weil die Weissagungen der heiligen Schrift durch denselben Geist erklärt werden müssen, durch welchen sie hervorgebracht und eingegeben worden

 

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sind. ‘Weissagung’, spricht der sel. Hunnius, ‘bedeutet hier Schriftauslegung. Denn diese will er nicht verachtet oder eine von einem Anderen vorgebrachte aus Vorurtheil ohne Weiteres verworfen haben, sondern er ermahnt dazu, daß man dieselbe Wohl erwäge und, wenn sie dem Glauben ähnlich ist, billige.'" (Bibl. illustr. ad l. s.) Wie wichtig ist, daß Calov hier sagt: „Durch denselben Geist!" Eine rechte Auslegung der Schrift ist eben nichts anderes, als die Schrift selbst. Mit diesen Worten werden daher auch alle un- und falschgläubigen Exegeten verurtheilt. Ketzerische Exegeten haben nicht den Heiligen Geist. Darum können sie auch keine rechten Ausleger sein, wenn sie auch noch so scharfsinnig und noch so große Sprachgelehrte sind. Beiträge zu rechter Auslegung können sie allerdings liefern, denn der Heilige Geist lehrt freilich nicht die Wurzeln der Wörter suchen, nicht das Decliniren und Conjugiren, nicht das Construiren und Syllogisiren. Das sind Sachen menschlichen Studiums. Wahre Schriftauslegung aber, die den Sinn des Heiligen Geistes aufschließt, ist allein des Heiligen Geistes übernatürliche Gabe, die daher auch nicht verachtet, sondern mit Dank angenommen und gebraucht sein will.

Ueber Römer 12. schreibt Joh. Gerhard: „Jede Auslegung der Schrift muß dem Glauben ähnlich sein. Diese Regel wird Röm. 12, 7. in den Worten vorgelegt: .hat jemand Weissagung, so sei sie dem Glauben ähnlich', deren Sinn dieser ist, daß die Auslegung der Schrift so angestellt und eingerichtet werden müsse, daß sie mit der beständigen Meinung zusammenstimme, welche in der Schrift in Betreff eines jeden einzelnen Hauptstückes (de unoquoque capite) der himmlischen Lehre vorgelegt wird; .. und mögen wir immerhin nicht immer den eigentlichen vom Heiligen Geist beabsichtigten Sinn jeder Stelle erreichen, so sollen wir uns doch vorsehen, daß wir nichts Wider die Glaubensähnlichkeit Vorbringen." (Exeges. Locor. § 531.) Eine köstliche Erklärung! Nicht bloß das ist nämlich hiernach bei der Auslegung einer Stelle genügend, daß sie nicht gewissen Stellen der heiligen Schrift, die von anderen Lehren handeln, entgegen ist, sondern sie darf auch, und zwar vor allem, den Stellen nicht widersprechen, in welchen von demselben Artikel des Glaubens gehandelt wird.

Es ist dies auch in dem gegenwärtigen Streit über die Gnadenwahl wichtig. Unsere Gegner, die das Intuitu Läsi (in Ansehung des Glaubens) festhalten, schreien immer: Steht das nicht in der Schrift: wir werden durch den Glauben selig? Das leugnen wir gar nicht. Sie aber sollen zeigen, daß ihr Intuitu üäei in den Stellen steht, die von der Wahl handeln. Sie nehmen immer andere Lehren herbei, die gar nicht von der Gnadenwahl handeln. Da müssen wir ihneü zurufen: Zeigt uns eine Stelle der heiligen Schrift, die da sagt: Die Wahl sei auf den Glauben gegründet; könnt ihr das nicht, so ist alle eure Beweiserei nichts, als ein elendes Geschwätz. Wahrlich, hier fehlt ein Luther. Der würde es ihnen noch ganz

 

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anders geben, als wir armen Nachgebornen. Ihm ging es ja gerade so mit den Zwinglianern, wie uns heute mit unfern Synergisten. Redete Luther vom Abendmahl, da sprangen sie auf die Lehre von der Himmelfahrt oder von der Zukunft Christi, so daß Luther ihnen zurufen mußte: Wir reden ja jetzt von den Worten: das ist mein Leib! So auch unsere Gegner! Wenn wir von der Wahl der Kinder Gottes reden, so reden sie von dem allgemeinen Rathschluß von der Gnade, von der Rechtfertigung und vom Seligwerden durch den Glauben 2c.

Wichtig sind auch die letzten Worte Gerhards. Es soll nämlich nach denselben ein Zuhöter nicht gleich denken, wenn sein Pastor einmal eine andere Auslegung einer Stelle gibt, als er in einem guten Buche gelesen hat: hier lehrt mein Pastor falsch, — falls nur die Auslegung dem Glauben ähnlich ist. Dann kann er ihm höchstens sagen: Ihre Lehre, Herr Pastor, ist Wohl richtig, aber sie steht nicht in dieser Stelle, wie Sie meinen, sondern in einer anderen; vorausgesetzt nämlich, daß Letzteres wirklich der Fall ist.

Eine zweite Beweisstelle für unsere Vorerinnerung ist 1 Cor. 12, 7.: „In einem jeglichen erzeigen sich die Gaben des Geistes zum gemeinen Nutzen." Eine kostbare Stelle! — Die einzig nöthige Gabe für Christen, genug um in den Himmel zu kommen, ist der Glaube. Hat er mehr Gaben, so ist das gleichsam etwas Uebriges für Andere, denen er damit in Liebe dienen soll. Und der Apostel sagt: „In einem jeglichen zum gemeinen Nutzen." Also, alle Gaben sind da für alle Christen. Was folgt aber daraus? — Daß es eine greuliche Sünde ist, die Gaben verachten; denn der Heilige Geist hat sie mir und dir und allen gegeben; jeder soll des anderen Gabe gebrauchen zu seinem Nutzen. Darum, wer da spricht: Ich habe genug an meiner Bibel, geh mir mit deinem Luther, der verräth damit nur seine große Blindheit. Wie? hast du denn noch nicht gemerkt, welche Gaben des Geistes in Luther sind auch zu deinem Nutzen? Oder denkst du, der Heilige Geist werde dich etwa auch so ausrüsten wie den Luther?

Dies alles gilt nun aber auch von allen rechtgläubigen und begabten Lehrern der Kirche. Was Gott seit 1800 Jahren gottseligen Lehrern an Gaben gegeben und durch seine große Güte in ihren Schriften uns erhalten hat, das soll Niemand verachten. Thut er das, so achtet er Gott nicht, der ihm solches in der Schrift gebietet. Und ein solcher wird, anstatt immer Heller zu sehen, immer blinder werden. Wie Luther in seiner derben Weise von den faulen Kirchgängern oder geistlich hoffärtigen Verächtern des heiligen Predigtamts redet, die da sprechen: ich habe meine Bibel zu Hause: Du liesest den Teufel dir auf deinen Kopf, wenn du dabei das von Gott eingesetzte Predigtamt verachtest, und setzt dann hinzu, daß solche Gottes Wort auch in der Regel zu Hause nicht lesen oder sie lesen's doch nur zum Verderben, es wird ihnen, wie der Apostel schreibt, ein Geruch des Todes zum Tode.

 

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Ein klarer Beweis, daß man auch gute menschliche Schriften und-Predigten nicht verachten, sondern Gott dafür danken und sie treulich brauchen soll, ist auch Apost. 18, 24—28.: „Es kam aber gen Ephesum ein Jude mit Namen Apollo, der Geburt von Alexandria, ein beredter Mann und mächtig in der Schrift. Dieser war unterweiset den Weg des HErrn und redete mit brünstigem Geist, und lehrete mit Fleiß, von dem HErrn und wußte allein von der Taufe Johannis. Dieser fing, an, frei zu predigen in der Schule. Da ihn aber Aquila und Priscilla höreten, nahmen sie ihn zu sich und legten ihm den Weg Gottes noch fleißiger aus. Da er aber wollte in Achajam reisen, schrieben die Brüder und vermahneten die Jünger, daß sie ihn aufnähmen. Und als er darkommen war, half er viel denen, die gläubig waren worden durch die Gnade. Denn er überwand die Juden beständiglich und erweisete öffentlich durch die Schrift, daß JEsus der Christ sei."

Apollo hatte also die Gabe, die Leute gewiß zu machen: das und kein anderer ist der Sinn der Schrift. Da dachten sie in Ephesus: Halt, der muß in die große Stadt Corinth, wo der Kampf um die Lehre heftig ist, der wird die Widersprecher überwinden. Wie wir denn auch sehen, daß Apollo bald eine so große Autorität in Corinth erlangte, daß ein Theil sich abgöttisch an ihn hing und sich nach ihm Apollisch nannte. So unrecht dieses war, so sehen wir doch hieraus so viel, daß auch die lieben Christen in der apostolischen Zeit eingesehen haben, welch eine große Gabe Gottes es ist, Männer zu haben, die die heilige Schrift klar und deutlich auslegen und ihre Zuhörer gewiß darüber machen können, und daß solche Gaben benutzt und nicht verachtet werden sollen.

Und welch einen großen Schatz von Weissagung besitzen gerade wir im Bergleich mit der alten Kirche.' Man stelle nur einmal einen Vergleich an, was im christlichen Alterthum vorhanden war, und wie außerordentlich groß die theologische Literatur heute ist. Da kann man von jedem rechtgläubigen Dogmatiker etwas lernen und von jedem gilt das Wort: ver-achtet's nicht! Gott will nicht einmal, daß die irdischen Gaben verachtet werden. Kinder sollen das Brod von den Eltern mit Dank annehmen und nicht darauf warten, daß Gott sie ohne Elterü versorge. Ein Kranker soll die Arzenei nicht verachten. Wie viel mehr gilt dies nun von den geistlichen Gaben! Das sollen namentlich wir Deutschen uns gesagt sein lassen, die vor anderen Nationen der Erde so reichlich mit theologischer Literatur gesegnet sind. Man werfe auch nicht deswegen die alten Kirchenlehrer weg, weil sich in ihren Schriften hie und da etwas Verkehrtes findet. Mancher verwundert sich darüber, daß wir in dem jetzigen Lehrstreit gewisse Aussprüche der Dogmatiker nicht gelten lassen wollen, während wir doch früher diese Lehrer so oft citirt haben. Ja, unsere Gegner mißbrauchen das, auszurufen: Da seht ihr es, daß diese Leute einen ganz neuen Weg einge-

 

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schlagen haben, ganz andere Leute geworden sind, wir dagegen sind bei den Alten geblieben, sie aber sind abgefallen. Aber man lasse sich durch dies Geschrei nicht irre machen. Es steht vielmehr so: Unsere Widersacher, wenn man sie bei ihren Worten halten darf, treiben schändliche Abgötterei mit den Dogmatikern, ähnlich wie die Corinther mit Apollo; wie jene sich Apollisch nannten, so können unsere Gegner mit Recht Gerhardisch, Quen-stedtisch, Hunniusisch re. genannt werden. Wir dagegen haben immer gelehrt. daß man seinen Glauben nicht auf die Dogmatiker gründen solle, ihre Autorität binde uns nicht. Aber wir halten sie hoch deswegen, weil sie die Schrift so klar auslegen. Müssen doch unsere Gegner selbst zugeben, daß die Dogmatiker fast sämmtlich falsch lehren vom Sabbath und falsch von der Gewalt der weltlichen Obrigkeit in kirchlichen Sachen. Trotzdem stellen wir die Dogmatiker hoch, weil sie sonst mächtige und gewaltige Ausleger der Schrift sind. Thäten wir das nicht, so wären wir keine rechten Lutheraner. Denn unsere lutherische Kirche bekennt nicht nur, daß die Schrift die einzige Quelle und Norm aller Lehren ist, sondern auch, daß man menschliche Lehrer zu seinem Heil benutzen soll. So heißt es z. B. in der

Concordienformel: „Es werden aber hiermit andere gute, nützliche, reine Bücher, Auslegungen der heiligen Schrift, Widerlegungen der Jrrthümer, Erklärungen der Lehrartikel nicht verworfen; welche, wofern sie dem jetzt gemelkten Vorbild der Lehre gemäß, als nützliche Auslegungen und Erklärungen gehalten und nützlich gebraucht werden können." (Wiederholung. Von dem summarischen Begriff. S. 571.)

Unser Bekenntniß verachtet sogar einen Melanchthon nicht, trotzdem sich in seinen Schriften der Anfang oder die Wurzeln zu vielen Jrrthümern findet. Als nämlich die Concordienformel aufgestellt werden sollte, da meinten Viele, jetzt sollte Melanchthon verdammt und seine Bücher sämmtlich cassirt werden. Aber da sagte man ihnen: leset sie nur, aber prüfet alles. So heißt es nämlich in der Vorrede zum christlichen Concordienbuch: „So haben wir hiermit auch öffentlich bezeugen und dar-thun wollen, daß wir . . . andere mehr nützliche Schriften Ern Philippi Melanchthonis, wie auch Brentii, Urbani Regii, Pomerani 2c., wofern sie mit der Norma, der Concordien einverleibt, überein-stimmkn, nicht verworfen oder verdammt haben wollen." (S. 14.)

Melanchthon wird also hier in Eine Reihe gestellt mit Brenz, Rhegius, Pomeranus u. a. Ferner lesen wir in den

Schmalkald. Artikeln: „Hie werden etliche Sprüche Wider uns geführet, als Matth. 16, 18 f.: ,Du bist Petrus und auf diesen Fels will ich bauen meine Gemeine oder Kirche'; item: ,Dir will ich die Schlüssel geben'; item: ,Weide meine Schafe'; und dergleichen mehr. Weil aber dieser ganze Handel fleißig und genugsam von den Unfern zuvor ist tractirt, wollen wir dieselben Schriften hie er-

 

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holet haben (referimus nos ad ea scripta, eaque pro repetitis habere volumus". Das ist zu Deutsch: „So beziehen wir uns auf diese Schriften und wollen wir dieselben hiermit wiederholt haben"). (1. Anhang. Von der Gewalt und Oberkeit des Pabstes. S. 332.)

Wenn also auch wir uns in die Privatschriften der Kirchenlehrer vertiefen, so thun wir dies auf Rath und Ermahnung unseres eigenen Bekenntnisses. Hier steht es, wir sollen Nachsehen in Luther, Brenz, Rhegius rc. Zu beachten ist auch der große Katalog von Kirchenvätern, welcher unserem Concordienbuch angefügt ist. Derselbe sollte zuerst mit in die Concordienformel hinein. Aber es wurde den theuren Bekennern das Buch zu groß. Dieser Katalog ist nun angefügt, damit die Zwinglianer und Andere nicht sagen könnten, die Lutheraner hätten ganz neue Lehren aufgebracht.

Am Schluß des „Verzeichnisses der Zeugnisse heiliger Schrift und der alten reinen Kirchenlehrer, wie dieselbigen von der Person und göttlichen Majestät der menschlichen Natur unsers HErrn JEsu Christi. . . gelehrt und geredt haben", heißt es:

„Diese Zeugnisse der alten Kirchenlehrer sind nicht der Meinung hie-her gesetzt worden, daß unser christlicher Glaube auf Ansehen der Menschen gegründet sei. . . . Sondern weil die Jrrgeister durch besondere und geschwinde List des Satans die Leute aus der heiligen Schrift, die, Gott Lob! jetzunder auch ein gemeiner Laie nützlich lesen kann, gerne wiederum in der Väter und alten Kirchenlehrer Schriften als in das weite Meer führen wollten, demnach man auch nicht eigentlich wissen könne, ob sich's mit ihnen und ihren Schriften also halte, wie diese neuen Lehrer derselben Worte anziehen, und also in einem beschwerlichen Zweifel belassen werden möchten: hat man Noth halben mit dieser Verzeichniß anzeigen und zum Augenschein allermänniglich weisen müssen, daß diese neue falsche Lehre so wenig in der alten reinen Kirchenlehrer Schriften, als in heiliger Schrift gegründet, sondern derselben stracks zuwider sei. Deren Zeugnisse sie in falschem Verstände wider der Väter Willen anziehen." (Concordienbuch, herausg. Von J. T. Müller, S. 759 f.)

Wir sehen hieraus: unsere Väter haben es gerade so gemacht, wie wir. Wir machen die menschlichen Lehrer nicht zu Abgöttern, aber wir machen sie auch nicht zu Ketzern. Ihre Schriften sind uns köstlich, unbezahlbar. Wollten wir sie um einiger darin befindlichen falschen Sachen willen verwerfen, welche Bücher dürften wir dann sonst annehmen außer der Bibel? In allen findet sich etwas Heu und Stroh. Paulus sagt daher nicht: Prüfet alles und werfet auch das Gute weg, sondern: „Das Gute behaltet."

Besonders wichtig aber ist, daß die Concordienformel will, daß wir uns vor allem an Luthers Schriften halten sollen. Unsere Gegner dagegen haben vor Luther einen solchen Respect, der da heißt : „Am liebsten zehn Schritt vom Leibe." Sie entblöden sich nicht zu sagen: Bis zum Jahre

 

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1530 sei Luther calvinistisch gewesen. Somit stellen sie ihn aber hin als einen der ärgsten Land- und Leute-Betrüger. Denn Luther nennt später noch immer sein Buch: ,,vc ssrvo arkitrio" sein bestes Buch und stellt nur noch seinen Katechismus daneben als seine liebsten Schriften. Alle anderen möchten untergehen, wenn nur diese erhalten blieben. Und unsere Gegner sagen: Nehmt euch nur vor dem Buch vom knechtischen Willen in Acht! Ist das nicht erschrecklich, daß solche Leute noch Lutheraner sein wollen? Hier haben sie sich entlarvt als Feinde der lutherischen Kirche, indem sie Luther zum Ketzer gemacht. Man lese doch nur folgende Stellen aus der Concordienformel: „Wie auch vr. Luther von diesem Handel im Buch 6s ssrvo arkitrio, das ist, von dem gefangenen Willen des Menschen, wider Erasmum geschrieben und diese Sache wohl und gründlich ausgefüh-ret und erhalten, und nachmals in der herrlichen Auslegung des ersten Buchs Mose, und sonderlich aber über das 26. Capitel, wiederholet und erkläret hat, inmaßen daselbst er auch etliche andere sonderbare durch Erasmum neben eingeführte Disputationen, als cto aksoluta nscsssitats etc., wie er solches gemeint und verstanden haben wolle, wider allen Mißverstand und Verkehrung zum besten und fleißigsten bewahrt hat, darauf wir uns auch hiermit gezogen und andere dahin Weisen (La die rspstita esse volumus et, ut ckillKsuter IsAaotur, omoes kortamur: zu Deutsch: .Dieses wollen wir hier wiederholt haben und daß es fleißig gelesen werde, jedermann ermahnen.')." (Wiederholung. Artikel II. S. 599.)

Und im VII. Artikel der Concordienformel lesen wir: „Es hat auch vr. Luther, welcher ja die rechte eigentliche Meinung der AugS-Lurgischen Confesfion für ändern verstanden und beständiglich bis an sein Ende dabei geblieben und vertheidiget, unlängst vor seinem Tode in seiner letzten Bekenntniß seinen Glauben von diesem Artikel mit großem Eifer in nachfolgenden Worten wiederholet, da er also schreibet: ,Jch rechne sie alle in Einen Kuchen, das ist, für Sacramentirer und Schwärmer, wie sie auch sind, die nicht gläuben wollen, daß des HErrn Brod im Abendmahl sei sein rechter natürlicher Leib, welchen der Gottlose oder Judas ebensowohl mündlich empfähet, als St. Petrus und alle Heiligen : wer das, sage ich, nicht gläuben will, der lasse mich nur zufrieden und hoffe bei mir nur keiner Gemeinschaft; da wird nichts anders aus.' Aus diesen Erklärungen kann ein jeder Verständiger, so die Wahrheit und Frieden lieb hat, besonders aber aus Luthers, als des für-nehmsten Lehrers der Augsburgischen Konfession, Erklärung, was der Augsburgischen Confesfion eigentliche Meinung und Verstand in diesem Artikel" (vom heiligen Abendmahl) „allezeit gewesen, sei, ungezwei-felt vernehmen." (Wiederholung. Artikel VII. S. 653.)

Man beachte hier wohl, daß die Concordienformel sagt : Luther habe die rechte eigentliche Meinung der Augsburgischen Confesfion vor anderen

 

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gehabt. Nehmen wir also Luthern zu Hülfe in der Auslegung der Augsburgischen Confesfion, so folgen wir unserm Bekenntniß. Dagegen sagen die Philadelphier: von Luther wollen wir hier nicht reden, über ihn uns nicht weiter aussprechen. Als früher Prof. Jakobs unter anderem auch unsere Lehre von Kirche und Amt verwarf und sagte: nach Luther könne man sich nicht richten, da entgegnete ihm im Jahre 1875 der heutige Rottenführer unserer Gegner: „Nicht die späteren Dogmatiker bringen Licht und Klarheit in Luther, sondern Luther bringt erst das rechte Licht in die Dogmatiker." („Lehre und Wehre", Jahrg. XXI. S. 311.)

Man achte auch darauf, daß Luther selbst immer in seinen Schriften Kirchenväter anführt. Im Bekenntniß vom Abendmahl fängt er mit Cyprian an und geht bis ins sechste Jahrhundert. Trotz der Abgötterei, die im Pabstthum mit den Kirchenvätern getrieben wurde, wollte er nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Er hielt die Kirchenväter hoch als theure Männer, aber er sah sich auch ihre Schriften an cumjuckicio, d. i., mit geschärftem Urtheil. Daher sagt er:

„Die alten Patres und Lehrer, als Augustinus, Hilarius, Ambrosius und Andere, soll man nicht gar verwerfen, sondern in Ehren und Werth halten (ob sie gleich vielmals irren), wegen des Zeugnisses des Glaubens, daß man dennoch in ihren Schriften sehen kann, daß auch sie an JEsum Christum, gleichwie wir, gegläubet haben; wie denn die christliche Kirche von Anfang der Welt eben also, wie auch wir jetzt, gegläubet hat. St. Bern-hardus übertrifft in seinen Predigten alle ändern Doctores, auch Augusti-num selber, denn er lehret Christum sehr fein. Wenn er aber in äisputa-tioncs geräth, so ist er oft Wider sich selber, und widerfichtet, was er zuvor gelehrt und gepredigt hat, wird gar ein ander Mann, schreibt dem Gesetz und freien Willen allzuviel zu." (Erlanger Ausg. Band 62, S. 99.)

Wenn ich also sehe: der Mann glaubt von Herzen an JEsum Christum, so soll ich seine Schriften nicht verachten, obwohl hie und da ein Sandkörnchen falscher Lehre steckt. Das sind keine Ketzereien, sondern Schwachheiten, Flecken.

Dies alles haben wir nur deswegen unseren Thesen vorausgeschickt, um ein Zeugniß abzulegen, daß wir die gottseligen Theologen nicht zu Ketzern machen und ihre Bücher nicht verdammen, sondern sie überaus hoch halten. Wie erschrecklich wäre das auch, wenn wir mit einem Male zu unseren Gemeindegliedern sagten: Legt diese gottseligen Bücher weg, sie sind verdächtig! Und sie haben dieselben bisher hochgehalten, aber Wohl auch gemerkt, daß hie und da etwas nicht ganz richtig ist. So ist z. B. das Altenburger Bibelwerk ein überaus köstliches Erbauungsbuch. Und doch wird wohl schpn Mancher gemerkt haben, wenn es auf die Obrigkeit zu sprechen kommt, daß es da derselben viel zu viel gibt, wenn es z. B. von ihr verlangt, dafür zu sorgen, daß reine Lehrer eingesetzt werden. Damit hat die Obrigkeit als solche nichts zu thun. Denn Christus spricht : „Mein

 

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Reich ist nicht von dieser Welt. Wäre mein Reich von dieser Welt, meine Diener würden drob kämpfen, daß ich den Juden nicht überantwortet würde; aber nun ist mein Reich nicht von dannen." — Aber deswegen wirft man das ganze köstliche Buch nicht weg, sondern hier gilt: „Die Weissagung verachtet nicht. Prüfet aber alles und das Gute behaltet." Gott, der HErr, hat Wohl gewußt, warum er Niemand mehr so infallibel, so untrüglich gemacht hat, wie die Propheten und Apostel. Weil wir dann um das geschriebene Wort Gottes nichts mehr geben würden, sondern sagen: Da ist der Mann, der ist unfehlbar, den nehme ich an. Nein, ich soll bei den Kirchenlehrern meine Augen wohl aufthun und sagen können: der Lehrer hat nicht bloß so gesagt, sondern er hat es mir aus der Bibel bewiesen; wo er das nicht thut, da folge ich ihm nicht.

Luther schreibt darüber Folgendes: „Sind die Väter Menschen gewesen, so werden sie zuweilen auch gedacht, geredt, gethan haben, wie wir denken, reden, thun; darauf aber sprechen müssen (wie wir) den lieben Segen: ,Vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben' rc. Sonderlich weil sie nicht solche Verheißung des Geistes gehabt haben, wie die Apostel, sondern der Apostel Schüler sein müssen. Wenn der Heilige Geist so alber gewest wäre, daß er sich hätte versehen oder vertrauen müssen, die Concilia und Väter würden alles gut machen und nicht fehlen, wäre ihm ohne Noth gewest, daß er seine Kirche vor ihnen verwarnete, man sollte alles prüfen, und zusehen, wo man würde Stroh, Heu, Holz auf den Grund bauen, 1 Cor. 3, 12. Damit er nicht heimlich noch schwächlich, sondern öffentlich und gewaltiglich geweissaget, daß in der heiligen Kirchen würden mit unter sein hölzerne, ströherne, heuerne Bauleute, das ist, Lehrer, die dennoch auf dem Grunde oder Fundament blieben, durchs Feuer wohl Schaden nähmen, doch selig werden müßten. Welches nicht kann von den Ketzern verstanden werden. Denn dieselbigen legen einen ändern Grund; diese aber bleiben auf dem Grunde, das ist, im Glauben Christi, werden selig und heißen Gottes Heilige, haben gleichwohl Heu, Stroh, Holz, das durchs Feuer der heiligen Schrift muß verbrennen, wiewohl ohne Schäden ihrer Seligkeit, Wie St. Augustinus von sich spricht: ,Lrrars potsro, kasrsticus non sro: Ich mag irren, aber ein Ketzer will ich nicht werden.' Ursach, Ketzer irren nicht allein, sondern wollen sich nicht weisen lassen, vertheidigen ihren Jrr-thum für recht und streiten Wider die erkannte Wahrheit und wider ihr eigen Gewissen." (Von Conciliis und Kirchen vom 1.1539. XVI, 2663 f.)

1 Cor. 3, 11 f. heißt es nämlich: „Einen ändern Grund kann zwar niemand legen, außer dem, der gelegt ist, welcher ist JEsus Christ. So aber jemand auf diesen Grund bauet Gold, Silber, Edelsteine, Holz, Heu, Stoppeln; so wird eines jeglichen Werk offenbar werden; der Tag wird's klar machen. Denn es wird durchs Feuer offenbar werden, und welcherlei eines jeglichen Werk sei, wird das Feuer bewähren. Wird jemandes Werk bleiben, das er darauf gebauet hat; so wird er Lohn empfahen. Wird

 

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aber jemandes Werk verbrennen, so wird er deß Schaden leiden; er selbst aber wird selig werden, so doch, als durchs Feuer." Der Apostel redet hier also nicht von Ketzern, denn die verlassen den Grund. Er redet von solchen, die da selig werden, deren Holz, Heu und Stoppeln irriger Meinungen verbrennen, ihre Edelsteine reiner Lehre aber bleiben. Wenn daher unsere Gegner jetzt schreien, wir machten die Kirchenväter zu Ketzern, so kann man ihnen getrost sagen: ihr seid Lügner! Wenn wir früher nicht so deutlich von den Fehlern der Kirchenlehrer geredet haben als jetzt, so bedenke man dies, daß wir ihre Schriften in Amerika erst in unser armes lutherisches Volk hineinbringen mußten. Wie verschrieen waren wir! Bald hieß es: ihr seid katholisch! wegen unserer Lehre von der Absolution —, ihr seid unirt! wegen der Lehre vom geistlichen Priesterthum —, ihr seid Schwärmer! wegen der Lehre von der Buße, Bekehrung, Wiedergeburt. Wie sollten wir nun beweisen, daß wir Lutheraner sind? Mit der Bibel? Ja, unsere Lehre steht wohl in der Bibel, aber es steht nicht daneben: das ist lutherisch. Da mußten wir hernehmen die symbolischen Bücher, Luther, Chemnitz, Gerhard rc. Auf diesem Wege ist denn auch durch Gottes Gnade eine wahrhaft lutherische Kirche hier entstanden, wofür wir Gott in Ewigkeit nicht genug danken können. Diesen theuren Vätern haben wir es, nächst Gott, zu verdanken, daß uns Tausende und aber Tausende zugefallen sind, Prediger, Laien und ganze Synoden.

Dannhauer schreibt unter anderem: „Ein fundamentaler Glaubensartikel ist derjenige, welcher entweder nothwendigerweise zum Glauben führt oder aus demselben nothwendigerweise fließt." (Die Alten unterschieden nämlich uneingeschränkte Glaubensartikel, d. i. solche, ohne welche Niemand zum Glauben kommen kann, — und Glaubensartikel im eingeschränkten Sinn, d. i. solche, welche man wissen oder nicht wissen und doch im Glauben stehen kann. Letztere fließen erst aus den andem.) . .. „Die letzteren Artikel können zwar unbeschadet der Seligkeit unbekannt sein und geleugnet werden, entweder vor geschehener Offenbarung derselben (denn unbeschadet der Seligkeit wußte Eva nicht, daß der Messias das Kind einer Jungfrau sein werde, denn die Offenbarung, daß eine Jungfrau die Mutter sein werde, welche sich Jes. 7. befindet, war noch nicht geschehen ; ferner Nathanael hat das Lob eines wahren Israeliten, obgleich er leugnete, daß der Messias aus Nazareth stamme), odervordeutlicher und genügender Erklärung. Daher die fundamentalen Jrrthümer in den Vätern, welche in noch nicht genug auseinandergesetzte Streitigkeiten verwickelt wurden, als das Eis noch nicht gebrochen war, Flecken (nacvi), nicht Ketzereien genannt werden. Aber nach geschehener Offenbarung und Auseinandersetzung können sie unbeschadet der Seligkeit weder unbekannt sein, noch geleugnet werden." (Okristcis. ?rotkcoria. p. 45.)

Ein großer Unterschied ist daher, zu sagen: Dies Buch enthält Ketzerei, oder: es enthält Flecken. Es kann sein, daß in einer Zeit eine Lehre

 

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noch nicht an einem Ort behandelt und auseinandergesetzt ist und daß daher mancher Zuhörer verkehrte Gedanken darüber hat. Da kann ich nicht gleich sagen: das ist ein Ketzer. So dürfen wir nicht mit unseren einfältigen Leuten handeln, aber ebenso wenig auch mit unseren Kirchenvätern. Es ist nämlich auch ein großer Unterschied zwischen früher und jetzt. Man sagt uns nach, wir seien inconsequent, Gerhard und Andere vertheidigten oder entschuldigten wir doch, und unsere Gegner nennten wir falsche Lehrer. Man bedenke aber: wenn zu Gerhards Zeit eine solche Kirchengemeinschaft bestanden hätte, wie jetzt, und es würde Jemand ihm gesagt haben: Mein hochwürdiger Herr, ich kann nicht begreifen, wie Sie das Intuitu üäci fest-halten können! und wenn er es ihm dann widerlegt hätte; so würde Gerhard gewiß nicht gesagt haben: Was? Wollen Sie es besser wissen, als ich? Aber wie dem auch immer sein möge, wenn Jemand jetzt, wo diese Lehre durchgearbeitet und durchgekämpft ist, doch bei dem Intuitu ückci bleibt, trotzdem es ihm als nicht richtig nachgewiesen und er von dem Gewicht der Gegengründe in seinem Gewissen überzeugt worden ist, der ist sicher ein falscher Lehrer, der aus ganz anderen Gründen an seinem Intuitu lläoi festhält, als jene alten treuen Lehrer unserer Kirche. —

Das Thema nun unserer Vorlage lautet:

Wie verwerflich es sei, Sachen des Glaubens aus den Schriften der Bater begründen und die Gewissen an die Lehrentfcheidungen derselben binden zu wollen.

Die Ursache, warum gerade dies Thema der Ehrw. Synodalconferenz unterbreitet worden ist, ist diese: Vor vier Jahren stand innerhalb der Synodalconferenz ein Jrrgeist auf, der sich bereits einen ziemlichen Anhang verschafft hat. Derselbe behauptet: die einzig richtige Darstellung der Lehre von der Gnadenwahl sei die, daß die Auserwählten rnturtu /cker d. i. in Ansehung des Glaubens erwählt seien. Denn dies sei die Lehre der rechtgläubigen Kirche der Vergangenheit, die Lehre aller unserer Lehr-väter. Diejenigen seien daher Calvinisten oder calvinisirten wenigstens, die sich dieser Lehrform entgegensetzten, die, wie wir, dieselbe durchaus nicht annähmen, sondern nur zwei Ursachen der Wahl setzten, nämlich die Barmherzigkeit Gottes und das Verdienst JEsu Christi, und daher lehrten, daß nicht der Glaube der Wahl vorhergehe, sondern im Gegentheil die Erwählung die Ursache des bis zum Tode beständigen Glaubens sei.

Aber nach Gottes Wort müssen wir so lehren. Paulus sagt: „Welche Gott verordnet hat" (d. H. vorherbestimmt, wie dies alle, die Griechisch können, zugeben werden), „die hat er auch berufen ; welche er aber berufen hat, die hat er auch gerecht gemacht; welche er aber hat gerecht gemacht, die hat er auch herrlich gemacht." Röm. 8, 30. Paulus stellt also auf den ersten Platz das Verordnen oder Vorherbestimmen, darauf folgt die

 

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Berufung, dann die Rechtfertigung und endlich die Herrlichkeit des ewigen Lebens. Unsere Gegner aber kehren diese Ordnung um. Sie setzen als No. 1 die Berufung, No. 2 die Rechtfertigung und als No. 3 kommt bei ihnen das Verordnen. Damit verkehren sie die göttliche. Ordnung in dieser Hauptstelle der heiligen Schrift von der Wahl. Denn dieselbe lehrt deutlich : die Ursache, warum ich berufen werde, warum mich Gott rechtfertigt und endlich ewig selig macht, ist die: Gott hat mich dazu vorherbestimmt. So lehrt auch § 8 des 11. Artikels der Concordienformel.

Eine zweite Grundfteüe der Schrift von der Wahl ist Epheser 1. Da heißt es: „Gott hat uns verordnet zur Kindschaft gegen ihn selbst, durch JEsum Christ, nach dem Wohlgefallen seines Willens." Man vergesse wieder nicht, daß verordnen heißt vorherbestimmen. Hier steht es wieder deutlich, daß wir zum Glauben vorherbestimmt sind. Denn wie könnten Wir sonst zur Kindschaft verordnet sein? Nur durch den Glauben bin ich ein Kind Gottes. Ich habe es also nach diesem Spruch nicht mir selbst, nämlich meinem Verhalten zu verdanken, daß ich ein Kind Gottes bin und dem Evangelio gehorsam geworden bin, sondern das habe ich nur Gott zu danken, der da gesagt hat: dieser elende nichtswürdige Sünder soll selig werden, ich will ihm den Glauben geben. Nur diese Barmherzigkeit Gottes, verbunden mit dem theuren Verdienste JEsu Christi, sind die beiden Ursachen meiner Erwählung. Daher es auch hier heißt: „durch Christum", das heißt nichts anderes, als um Christi willen, um seines Verdienstes willen.

Eine dritte Stelle ist Joh. 15, 16.: „Ihr habt mich nicht erwählet, sondern ich habe euch erwählet." Damit sagt der Heiland seinen Aposteln: In euch ist keine Ursache, daß ihr erwählt seid, ihr habt den Anfang nicht gemach ; redet mir ja von nichts, das ihr dazu gethan hättet, damit ihr erwählt wurdet; ich bin die Ursache, meine Gnade hat euch erwählet.

Die vierte Stelle ist Joh. 15, 19.: „Wäret ihr von der Welt, so hätte die Welt das Ihre lieb; dieweil ihr aber nicht von der Welt seid, sondern ich habe euch von der Welt erwählet, darum hasset euch die Welt." Hier steht nichts davon, daß Christus die Apostel von dem Stand des Glaubens her erwählt habe, sondern von der Welt. Ich sah in euch nichts als Weltsinn; als Kinder der Welt habe ich euch von der Welt herausgeholt. Unsere Gegner dagegen lassen Christum so reden: Ich sah erst in euch den Glauben, euren von der Welt abgekehrten Sinn, euer bußfertiges Herz, kurz, ich sah euch als liebe Kinder Gottes, und darum habe ich euch zur Seligkeit erwählt. ^

Die fünfte Stelle ist endlich Apost. 13, 48.: „Es wurden gläubig, wie viel ihrer zum ewigen Leben verordnet waren"; nach dem Griechischen: „so viel ihrer zum ewigen Leben verordnet gewesen waren", d. H. schon von Ewigkeit, noch ehe sie glaubten. Denn so viel ihrer schon von Ewigkeit zum ewigen Leben erwählt worden waren, so viele wurden auch in der Zeit gläubig.

 

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Diese fünf Stellen merke man sich Wohl. Die sind unumstößlich und nur die elendeste Sophisterei kann sie verdrehen und dann sagen: Nein! erst kam der Glaube und dann dachte Gott: Nun, den will ich erwählen, der ist so gut gewesen, mein Evangelium anzunehmen. Eine solche Lehre hat Gerhard nicht geführt. Er hat nicht gesagt, wie Professor Loy: Llsetion ck6p6nä8 upou ruan's oonäuot. Nein, Gott hat nur sich angesehen. An uns sah er nichts als Tod, Sünde, Verderben. Da sah er nur, was ihn zum Zorn reizen konnte. —

Am weitesten unter allen Gegnern ist aber die Ohiosynode gegangen. Da dieselbe nun wegen der Lehre von der Gnadenwahl von uns ausgegangen ist, so wird es am Platze sein, zu hören, was dieselbe beschlossen hat, als sie aus der Synodalconferenz austreten wollte, welche Lehre sie ferner festhalten, um welches Banner sie sich schaaren und warum sie nicht länger mit uns zusammen am Reiche Gottes arbeiten wolle. Dieselbe hat im Jahre 1881 unter der Ueberschrift: „Unsere Stellung in der Lehre von der Gnadenwahl" Folgendes als ihr Glaubensbekenntniß öffentlich und feierlich aufgestellt: „Aufs neue (?) bekenn en wir uns hiermit zu der Lehre von der Gnadenwahl, wie sie in der Concordienformel enthalten ist, und auch wie sie in Ueberein-stimmung damit von den Lehrvätern unserer Kirche im Großen und Ganzen (!) je und je geführt worden ist; insonderheit halten wir für schrift- und symbolgemäß (und somit für gut lutherisch) die Lehre unserer Väter, daß die Verordnung der Auserwählten zum ewigen Leben geschehen sei inAnsehungdesGlaubens,d. H. in Ansehung des durch den Glauben ergriffenen Verdienstes Christi. Deshalb beschlossen, daß, wie in der Vergangenheit (?), so auch in der Zukunft die hier aufs neue von uns bekannte Lehre in unfern Anstalten, Schulen, Publicationen und Kirchen die einzig berechtigte sein soll." (Verhandlungen der 25. außerordentlichen Versammlung der Allgemeinen ev.-luth. Synode von Ohio u. a. St., gehalten zu Wheeling, W. Va. September 1881. S. 39.) Darauf erfolgte von Seiten der Männer, welche später austraten und die Concordiasynode bildeten, ein Protest, worauf die Synode später noch Folgendes erklärte: „Daß wir als eine lutherische Synode die Concordienformel annehmen, wie sie die Kirche (?) je und je angenommen und verstanden hat, nämlich so, daß die Lehre: ,Die Auswahl der Personen habe stattgefunden in Ansehung des Glaubens*, ihr gemäß und darum gut lutherisch sei. Wer nun wirklich eine entgegengesetzte Lehr-stellung hat, der kann freilich, ohne Unionist zu sein, nicht bei uns bleiben." (A.a.O. S. 50.)

Hiermit hat denn die Ohiosynode documentirt, daß sie einen tiefen Fall gethan hat. Denn 1. sie veranlaßt alle Glieder ihrer Synode, ihren Glauben mit auf die Lehrväter zu gründen. Sie sagen das zwar nicht ausdrücklich. Aber man bedenke, was sie thun. Jeder wird verpflichtet, sich zu dem zu bekennen, was die Väter je und je über die Gnadenwahl ge-

 

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lehrt haben. Alle Laien, die kein lateinisches Wort verstehen, auch alle die Prediger, die ebenfalls nicht Lateinisch können oder doch diese Väter nie gelesen haben, sollen ohne Prüfung blindlings sagen: Ja, wir gehen in diesem Punkte mit den Lehrvätern. So etwas ist in der Christenheit, mit Ausnahme des Pabstthums, noch nicht vorgekommen, daß die lieben einfältigen Christen (und deren gibt's ja auch in der Ohiosynode ohne Zweifel viele) verführt werden zu glauben, was sie gar nicht kennen. Die armen Farmer haben in ihrem Leben noch kein lateinisches Buch in die Hand bekommen und sollen nun eine Lehre, die zumeist in lateinischen Büchern dargelegt und die ihnen daher gar nicht bekannt ist, als ihren Glauben öffentlich und feierlich vor Gott und der ganzen Christenheit bekennen! Nur im antichristischen Pabstthum, wie gesagt, kommt das noch vor, daß man sagt: Wenn du glaubst, was die Kirche glaubt, so kannst du dich zufrieden geben, wenn du es auch nicht weißt, was die Kirche glaube. Unter uns kann man die gute Meinung wenigstens von den älteren Gemeinden haben, daß, wenn wir ein solches Ansinnen wie in der Ohiosynode an sie stellen würden, sie uns sagen würden: Seid ihr denn toll? Was wissen wir, was die Dogmatiker schreiben, und ihr wollt uns zu etwas verpflichten, was wir nicht gelesen haben? Es ist ganz offenbar, daß unsere Gegner Abgötterei mit den Vätern treiben. Und Gott hat sie dahinein fallen lassen. Sie werden freilich sagen, es falle ihnen nicht ein zu lehren, man solle seinen Glauben auf die Väter gründen. Aber wir fragen billig : Warum handelt ihr dann so? Warum habt ihr eure Leute dazu verführt, sich zu den Dogmatikern zu bekennen, ohne daß sie wissen, was darin gelehrt wird? Das heißt die Gemeinden beschwindeln. Wenn man aber sagt: Die Väter sind doch gelehrter gewesen als ihr in der Synodalconferenz, darum ist es doch sicherer, mit ihnen zu gehen, als mit euch — so geben wir zwar selbstverständlich sogleich gern zu, daß wir nicht so gelehrt sind; aber mit diesem Grunde beweisen solche Gegner gerade ihre greuliche Abgötterei, die sie mit den Vätern treiben. Ist es nicht erschrecklich, zur Entscheidung in Glaubenssachen abzuwägen, wer unter den Lehrern gelehrter ist? Ist das Glaube?! Nein, das ist kein Glaube, das ist Aberglaube. Man höre nur, was Luther hierüber sagt: „Also sagen auch jetzt die Papisten: sie glauben, was die Kirche glaubt; und wie man von den Polen sagt, daß sie sagen sollen: Ich glaube, Was mein König glaubt. . . Also sagt man, wie ein Doctor habe einen Köhler zu Prag auf der Brücke aus Mitleiden, als über einen armen Laien, gefragt: Lieber Mann, was glaubst du? Der Köhler antwortet: Das die Kirche glaubt. Der Doctor: Was glaubt denn die Kirche? Der Köhler: Das ich glaube. — Darnach, da der Doctor hat sollen sterben, ist er vom Teufel so hart angefochten im Glauben, daß er nirgend hat können bleiben noch Ruhe haben, bis daß er sprach: Ich glaube, das der Köhler glaubt. Wie man auch von dem großen Thomas Aquino sagt, daß er an seinem Ende vor dem Teufel nicht hat bleiben kön-

 

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nen, bis daß er sprach: ,Jch glaube, was in diesem Buch stehet*, und hatte" (dabei) „die Bibel in Armen. — Aber Gott verleihe uns solches Glaubens nicht viel. Denn wie diese nicht anders haben, denn also, geglaubt, so hat sich beide Doctor und Köhler in Abgrund der Höllen hinein geglaubt." (Warnungsschrift an die zu Frankfurt am Main, sich vor Zwinglischer Lehre und Lehrern zu hüten. Vom Jahre 1533. XVII, 2442 f.)

Zum Glauben gehört als erstes Stück Erkenntniß, als zweites Beifall und als drittes die Zuversicht. Wo das erste Stück, die Erkenntniß, fehlt, da fehlt der ganze Glaube. Wie die Schrift sagt: „Das ist das ewige Leben, daß sie dich, daß du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, JEsum Christum, erkennen." Fürwahr, jene Handlungsweise der Ohioer ist ein Beispiel in der neuesten Kirchengeschichte, das wenigstens in der sogenannten protestantischen Kirche seines Gleichen nicht hat.

2. Das Zweite, was wir aus der Erklärung der Ohiosynode erkennen, ist, daß ihr Bekenntniß ein wankendes und schwankendes i st. Kein Mensch kann wissen, was sie in der Gnadenwahl nun eigentlich festhalte. Denn sie sagen: „Wie sie von den Lehrvätern unserer Kirche im Großen und Ganzen je und je geführt worden ist." Das ist ein weites Thor, da viel heraus und viel hinein gebracht werden kann. Zeigt man ihnen etwas von einem Dogmatiker und sagt: Glaubst du denn auch dies? so können sie sagen : Nein, denn wir sagen ja nur: im Großen und Ganzen. Das ist eine List, die den Leitern in der Ohiosynode schlechte Ehre macht.

3. Endlich müssen wir der Ohiosynode auch vorwerfen, daß sie die Gewissen an dieselben Ausdrücke bindet, deren sich die Dogmatiker bedienen. Denn sie sagen: Nur die Lehre: „in Ansehung des Glaubens" ist bei uns berechtigt und wer gegen diesen Ausdruck und die damit jetzt verbundene Lehre ist, der muß entweder aus unserer Synode austreten, oder bleibt er, so offenbart er sich als ein Unionist.

Das sind drei schreckliche Dinge, in die sie Gott hat fallen lassen, weil sie sich nicht an das gehalten haben, was die heilige Schrift von der Wahl lehrt. Daneben reden sie in ihrer Erklärung auch mehrfach die Unwahrheit. Z.B.: „Aufs Neue bekennen wir uns" rc. und: „wie in der Vergangenheit." Es ist nämlich gar nicht wahr, daß die Ohiosynode früher irgend eine bestimmte Lehre über das Intuitu 66si gehabt hat. Ja, im Gegentheil, es ist Thatsache, daß sie kurz vor dem Ausbruch des Streites eine gegentheilige Lehre hatte. Es erbat sich nämlich im Jahre 1877 ein Prediger der damaligen Jllinoissynode ein Gutachten von der Facultät in St. Louis und von der in Columbus darüber, ob der alte Herforder Katechismus rein in der Lehre sei. Da erklärte die Facultät, nachdem sie mit Recht vieles an diesem Katechismus gelobt hatte, ausdrücklich, der Ausdruck „in Ansehung des Glaubens", welcher sich im Katechismus finde, sei bedenklich, denn er „könne leicht zu Jrrthümern führen"! So

 

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redeten Professor Loy und Lehmann im Juli 1877 und erst im October 1877 handelten die Missouner von der Gnadenwahl. Also können jene unmöglich von diesen zu obigem Ausspruche verführt worden sein. Und heute sagt Prof. Loy: Der Ausdruck „in Ansehung des Glaubens" sei der einzig richtige und berechtigte! (S. „Lutheraner" von 1881. S. 116 f.)

Ferner sagen die Ohioer: Die Väter unserer Kirche hätten je und je diese Lehre vom Intuitu lläsi gehabt. Auch das ist nicht wahr. Diese Lehre ist erst im letzten Jahrzehnt des 16ten Jahrhunderts ungefähr 1590 durch Egidius Hunnius gegen Samuel Huber geführt worden. Vorher findet sich kein Wort davon bei Luther, Brenz, Osiander, Heshusius, Chemnitz. Ein einziges Mal versuchte Jakob Andreä gegen die Calvinisten das: „in Ansehung des Glaubens" zu rechtfertigen, indem er sagte, es müsse nicht nothwendig pelagianisirend sein. Beza hatte dies nämlich den Lutheranern vorgeworfen. Wahrscheinlich hatten gewisse kleinere Geister sich dieses Ausdruckes bedient und der gute Andreä suchte es dann zu recht-fertigen auf dem Colloquium zu Mömpelgard im Jahre 1586, also erst neun Jahre nach Aussetzung der Concordienformel. Entweder schreiben daher dies die Ohioer wider ihr besseres Wissen oder sie müssen denken, ein Luther und Andere gehören nicht zu den Lehrvätern unserer Kirche. Wenn nun unter unseren Gegnern manche bei ihrer Berufung auf die Kirchenväter vielleicht auch so denken: Gesetzt den Fall, wir irrten, dann haben eben auch hochangesehene Väter unserer Kirche geirrt, nach denen wir uns gerichtet haben; wagt man nun nicht, diese zu verdammen, so darf man uns auch nicht verurtheilen: das hat also keine Gefahr; laßt uns nur bei unserem Glauben, wir gedenken so gut in den Himmel zu kommen wie die Kirchenväter, — wenn sie so denken, so mögen sie hören, was Luther von ihrem Tröste urtheilt, zu dessen Zeit die Papisten allgemein sich so trösteten. Was? riefen sie Luthern zu, du willst die Kirchenväter verdammen? Darauf antwortete Luther: Nein, die verdamme ich nicht. Nun, sagten sie, so läß auch uns mit Frieden, denn wir können unsere Lehre mit den Kirchenvätern beweisen; haben wir geirrt, so haben sie auch geirrt ; das schadet aber dann uns so wenig, wie ihnen. Darauf antwortete Luther Folgendes: „Sehen wir nicht in Augustino viel Jrrthümer, welche er widerruft? Die ihm wären allda verdammlich gewesen, wenn er nicht durch seinen Glauben wäre erhalten worden; sind sie doch des mehreren Theils wider den Glauben; aber das Bekenntniß und die Furcht Gottes hat sie ihm unschädlich gemacht. Wer ihnen nun nachfolgte, der folgete zu seinem Verderben. Wie denn ihr vielen geschieht, die der Väter Sprüchen ohne Bescheidenheit Nachfolgen, gleich ob sie göttliche Wahrheit wären. Daraus ist offenbar, daß die Heiligen zu Zeiten irren, auch im Glauben, das ist, sie sind noch nicht vollkommen, und um des angefangenen zunehmenden Glaubens willen verderben sie nicht. Es verderben aber die, welche ihren Jrrthum für eine Wahrheit annehmen und ihm als einem

 

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Exempel Nachfolgen. Daß auch gar nichts helfen wird, ob jemand irgend einem Heiligen außerhalb der Schrift nachgefolget hat. . . Denn Gott siehet an, erforschet und richtet die Herzen und Nieren, Ps. 7, 10., das ist, innerliche Begierlichkeit. Daher kommt, daß Gott einem einen Jrrthum nachläßt und vergibt, welchen er in einem ändern verdammt, darum daß sie ungleiche Herzen im Glauben und Demuth haben. . . Dieweil wir nun den Jrrthum erkannt haben, so ziemet sichs nicht, daß wir weiter irren und die Messe für ein Opfer halten. Denn es wäre wider den ganzen Glauben und unser eigen Gewissen gesündigt. Hie könnte kein Glaube, kein Bekenntniß entschuldigen. Du kannst nicht sprechen: Ich Will christlich irren. Ein christlicher Jrrthum geschieht aus Unwissenheit. . . Die nun wissen und erkennen den Jrrthum, und ihm, gleich ob's kein Jrrthum wäre, noch anhangen, die folgen den Vätern nach, aber zu ihnen werden sie nicht kommen, darum, daß sie dem, das die Väter zuletzt verlassen und davor sie Gnade erlangt haben, als einem Artikel des Glaubens Nachfolgen und darauf bis an ihr Ende verharren." (Vom Mißbrauch der Messe. Vom Jahre 1522. XIX. 1381—85.)

Das müssen wir auch unseren Gegnern Vorhalten. Denn es wird auch ihnen einst vor Gottes Thron gar nichts helfen, wenn sie sagen wollten: Haben wir doch unseren Vätern, so großen erleuchteten Männern, nachgefolgt. Denn Gott würde ihnen dann antworten: Habe ich euch nicht mein Wort gegeben und bin Ich nicht der rechte Vater? Es scheint freilich eine gar kleine, entschuldbare, leicht vergebliche Sünde zu sein, einen Jrrthum um frommer und dazu hochangesehener Menschen willen anzunehmen. Aber wehe uns, wenn uns einmal das Gewissen aufwacht! Da heißt es: Was hast du gethan? Du hast Fleisch für deinen Arm gehalten und bist mit deinem Herzen vom HErrn gewichen. Wehe dir immer und ewiglich! Da wird schon hier das Lachen theuer. Und wohl dem, wem schon hier das Gewissen aufwacht, denn da ist noch Hilfe, aber nur da.

Zum ändern ist aber auch, wie Luther in unserer Stelle erinnert, ein großer Unterschied, wer irrt und wie man irrt. Ich kann eine Sünde begangen haben und sie ist mir vergeben. Ein anderer begeht dieselbe Sünde und er fährt zur Hölle. Warum? Ich glaube an meinen HErrn JEsum Christum, der andere glaubt nicht. Ebenso ist es auch mit dem Jrrthum. Es irrt einer in einer Lehre, aber er weiß es nicht, daß er irrt. Niemand hat ihn je mit Gründen widerlegt und so geht er in seiner verkehrten Meinung ruhig dahin, wird aber dennoch trotz seines Jrrthums selig. Ein anderer hegt denselben Jrrthum, aber es ist ihm das Licht des göttlichen Wortes vorgehalten und so sind ihm alle seine Gründe genommen, und dennoch bleibt er in dem Jrrthum, ja, spricht wohl noch: Ich bin nun einmal in unserer Synode, und Einigkeit muß sein, ich will deswegen nicht das Band zerreißen; irre ich, so irren wir alle. Wer so steht, der hat so

 

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wenig den wahren Glauben, wie derjenige, der in wissentlichen und mutwilligen Sünden dahin geht. Darum kann das, was er Glauben nennt, seinen Jrrthum auch nicht bedecken. Darum merke man sich das Wort Luthers: „Wer ihnen (den Vätern) nun nachfolgete, der folgete zu seinem Verderben."

Man beachte auch drittens, was Luther vom „christlichen" Jrrthum sagt. Die Papisten sagten: Nun, wenn die Väter geirrt haben, so haben sie christlich geirrt; da will ich denn auch christlich irren. Da sagt Luther : Das gilt nicht! Ein christlicher Jrrthum geschieht aus Unwissenheit. Bin ich ein Christ, so kann ich gar nicht sagen: ich will irren. Nein, ein rechtschaffener Christ sagt: ich will gar nicht irren, sondern meinen Glauben auf Gottes Wort allein bauen. Jene aber, die den Vätern im Jrrthum Nachfolgen wollen, sind gar keine Christen. Daher eben das schreckliche Wort Luthers: „Die folgen den Vätern nach" (nämlich in diesem Leben), „aber zu ihnen werden sie nicht kommen" (nämlich in den Himmel). Ja, fürwahr, es ist ein bloßes Gespenst vom Glauben, wenn jemand sagt: der fromme, weise, erleuchtete Mann glaubt das, darum glaube ich es auch, mag er immerhin irren, denn er irrt christlich, das will ich denn auch thun.

Wichtig ist endlich, wie Luther nach unserem Citat von den alten Kirchenvätern dachte. Er war der festen Ueberzeugung, daß sie selig geworden sind, daß sie nämlich, obwohl sie ja viel Jrrthümer hatten, wenn sie dem Tode nahe kamen, alles über Bord geworfen und sich allein auf das Blut JEsu Christi verlassen haben. Da hat denn das Feuer der letzten Todesanfechtung freilich das Holz, Heu, Stroh und Stoppeln verbrannt, es hat ihnen das nichts geholfen, vielmehr haben sie dies alles fahren lassen, aber sie selbst sind auf dem goldenen geläuterten Grunde des theuren lauteren Evangelii stehen geblieben. Sagte doch Luther sogar von Zwingli: er hoffe doch, daß er noch selig geworden sei. Ja, selbst von Thomas Aqui-nas glaubte dies Luther, von dem er doch einmal schrieb: Es wäre, als wenn in diesem Mann der Teufel Mensch geworden wäre, weil er nämlich so ein gewaltiger Verfechter und Verbreiter der päbstischen Jrrthümer war. Luther glaubte der Liebe nach, er habe sich doch wohl schließlich allein an den HErrn JEsum gehalten. So sind auch wir weit davon entfernt, unsere Gegner um ihres Jrrthums willen verdammen zu wollen. Denn wir können nicht in ihre Herzen sehen. Aber ihre Lehre müssen wir verdammen, gerade wie das St. Paulus Gal. 1, 8. thut.

Es wurde nun auch berichtet, wie die Ohiosynode ihre obige Erklärung auf der Synode eingeschränkt habe, nämlich erstlich, daß sie sich damit nicht zu jedem Dogmatiker bekenne, denn es möchte einer da sein, der das Intuitu kitlei nicht habe. Und zweitens wurden die Worte: „im Großen und Ganzen" so erklärt, daß sich das nur beziehe auf die Wahllehre. Nicht zu jeden einzelnen Nebenlehren der Dogmatiker solle man sich bekennen, sondern im Großen und Ganzen zu dieser ihrer Lehre von der Gnadenwahl.

 

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Aber das ändert nichts an dem Obengesagten, wie die Ohioer sich an die Lehrväter abgöttisch hängen. Denn das wissen wir auch, daß sie sich nicht zu allen und jeden Artikeln des christlichen Glaubens, wie sie bei den Lehrvätern behandelt sind, in Bausch und Bogen bekennen, sondern hier nur zu ihrer Wahllehre. Nach dem Wheelinger Beschluß bauen die Ohioer allerdings ihren Glauben auf Menschen-Autorität. Gegnerischerseits hat man sich freilich damit herauszureden gesucht, daß man bemerkte: wir verpflichten auf die Lehre der Väter, die in Uebereinstimmung mit der Lehre der Concordienformel ist. Aber nun lehren ja die späteren Väter nach der Lehre der Gegner eine Wahl in dem sogenannten engeren Sinn, während die Concordienformel nach ihnen eine Wahl im sogenannten weiteren oder sowohl in jenem wie in diesem Sinn lehre. Damit ist zugestanden, daß die Concordienformel die Lehre der späteren Väter wenigstens noch nicht ausspricht, so daß, wer die Lehre der Concordienformel kennt, damit noch nicht zugleich die Lehre der späteren Väter hat. Somit erhellt klar, daß durch den Wheelinger Beschluß die Gewissen auf etwas verpflichtet werden, was sie nicht kennen; denn die Concordienformel bedient sich bekanntlich des Intuitu llckei nicht, sondern sagt im Gegentheil, daß der Glaube aus der Erwählung folge und nicht ihr vorhergehe. Dagegen berufen sie sich nur auf die Väter, indem sie zu verstehen geben, daß diese doch gewiß die Concordienformel richtig verstanden haben würden. So tragen sie aus den Vätern das Intuitu kitlei in die Concordienformel hinein und durch die Concordienformel in die heilige Schrift. So können wir denn nur dann unsere Beschuldigung, daß Ohio mit den Vätern Abgötterei treibt, zurückziehen, wenn es sein Bekenntniß widerruft und nur sagt, daß es sich zu den Schriften der Väter bekenne, sofern und soweit dieselben mit Schrift und Bekenntniß übereinstimmen, womit freilich, was den Glauben und die Lehre der Väter betrifft, so viel wie nichts gesagt ist. Aber ohne eine solche Aenderung ihres Bekenntnisses helfen alle Glossen nichts und unsere schwere Anklage bleibt stehen vor Gott und Menschen.

Eins ist jedoch recht tröstlich an der Wheelinger Synode, daß die Leiter derselben in der Erklärung oder ihrem Bekenntniß die Worte streichen mußten: „Alle Gegen!ehre verwerfen wir." Dagegen traten nämlich mehrere auf. Das war ihnen zu stark. Und sie mußten es streichen. Daraus sieht man, daß die Herren ihrer Sache nicht gewiß sind. Denn wer das ist, der muß sagen: Ist das alles allein richtig, so ist alles Andere falsch und muß verworfen werden. Aber eben die Richtigkeit ihrer Lehre konnten sie den Einfältigen nicht klar machen. Wollte Gott! wir könnten nun das böse Geschwür in der Ohiosynode aufstechen, damit die Aufrichtigen zu sich selbst kommen und frei werden von diesem knechtischen Joch. Aber mag Ohio, wo immer es sich thun läßt, da ernten wollen, wo viele gesäet haben, wir als treue Lutheraner, die immer nur thun, wozu wir Beruf haben, können und wollen hier nicht Gleiches mit Gleichem vergelten.

 

28        Verhandlungen  der zehnten Versammlung

 

Nachdem nun die Veranlassung zu unserem Thema dargethan war, ging die Conferenz zu den Beweisen für das aufgestellte Thema über. Es ist nämlich so verwerflich, Sachen des Glaubens aus den Schriften der Väter begründen und die Gewissen an die Lehrentscheidungen derselben binden zu wollen,

I. weil es schriftwidrig ist; denn es ist

wider die nur der heiligen Schrift zukommende Autorität:

a) allein die lautere Quelle aller Glaubenser-kenntniß,

b) allein die untrügliche Regel und Richtschnur aller Lehren und Lehrer und

c) allein die rechtsgiltige Richterin in allen Religionsstreitigkeiten zu sein.

Es mag unnöthig erscheinen, noch davon zu handeln, daß die Schrift diese dreifache Autorität habe. Denn das bekennen nicht nur wir, sondern alle, welche Lutheraner sein wollen. Auch die Ohioer leugnen das nicht ausdrücklich. Aber je allgemeiner ein Grundsatz angenommen ist, desto leichter wird auch dagegen gehandelt. Das zeigt die tägliche Erfahrung. Man meint: das versteht sich ja von selber, daß die Schrift die alleinige Quelle, Regel und Richterin ist; das steht nun einmal fest und niemand wird mir das zutrauen, daß ich das leugne. Und doch wird gerade in der Zeit des Streites das Princip am schnellsten verlassen. Z. B. Alle Christen wissen, daß die Hauptregel für ein christliches Leben ist : Du sollst Gott lieben von ganzem Herzen und deinen Nächsten als dich selbst. Jeder wird sagen: glaubst du, daß ich das nicht anerkenne? Und doch ist's Thatsache, daß gerade dieser Hauptgrundsatz der sogenannten christlichen Moral täglich und stündlich übertreten wird, ohne daß man es weiß. So ergeht es auch dem feststehenden Grundsatz, daß die heilige Schrift eine solche Autorität hat, welche in der Welt nichts anderes hat. Und welches ist diese Autorität? Sie ist erstens allein die lautere Quelle aller Glau-benserkenntniß, der einzige Brunnen, daraus die göttliche, lautere, seligmachende Wahrheit fließt und geschöpft werden kann und soll. Zwar heißt es Ps. 46. von der Kirche Gottes: sie habe Brünnlein. Aber damit ist nichts anderes gesagt als, sie hat viele Schriften von Propheten und Aposteln; es gibt ein Altes und Neues Testament. Das sind die verschiedenen Brünnlein, die aber alle Herausquellen aus dem Einen Brunnen Gottes.

Zum Beweis dafür, daß die Schrift allein die lautere Quelle aller Glaubenserkenntniß ist, führen wir zuerst auf 5 Mos. 4, 2.: „Ihr sollt nichts dazu thun, das ich euch gebiete, und sollt auch nichts davon thun, auf daß ihr bewahren möget die Gebote des HErrn, eures Gottes, die ich

 

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euch gebiete." Wenn man nichts zur Schrift Hinzuthun darf und man doch daraus die Wahrheit findet, so muß sie allein die Autorität haben, alle Glaubenserkenntniß zu geben, alle göttlichen seligmachenden Wahrheiten mitzutheilen. Die Papisten sagen freilich: Das ist keine richtige Auslegung dieser Stelle, denn nach den 5 Büchern Mosis ist noch viel hinzugethan -worden. Aber wo steht denn hier, daß Gott nichts hinzuthun dürfe? Uns, uns Menschen verbietet er das Hinzuthun. So kann man ja freilich aus den 5 Büchern Mosis nicht beweisen, daß Christus von einer Jungfrau geboren werden solle. Diese Offenbarung hat Gott erst viel später hinzugethan durch den Propheten Jesaias. Wenn es nun auch, als Moses starb, nichts weiter gab an göttlichem Worte, als die 5 Bücher Mosis, so waren doch damals dieselben der vollständige Kanon. Wer etwas lehrte, was nicht in den 5 Büchern Mosis stand, und er konnte nicht beweisen, daß er von Gott eine neue Offenbarung erhalten hatte, der war ein Ketzer, wenn er hartnäckig dabei blieb. Daher hatten die Kinder Gottes schon damals ihre vollkommene Bibel, und das war ihnen genug.

Eine andere Beweisstelle ist 2 Tim. 3, 15—17.: „Und weil du von Kind auf die heilige Schrift weißest, kann dich dieselbige unterweisen zur Seligkeit, durch den Glauben an Christo JEsu. Denn alle Schrift, von Gott eingegeben, ist nütze zur Lehre, zur Strafe, zur Besserung, zur Züchtigung in der Gerechtigkeit, daß ein Mensch Gottes sei vollkommen, zu allem guten Werk geschickt." Hier wird nicht nur gesagt, daß die ganze Schrift vom Heiligen Geist eingegeben ist und einen vierfachen Nutzen hat, sondern auch, daß sie einen Diener Gottes vollkommen macht, zu allem guten Werk geschickt. Was aber einen Menschen vollkommen machen kann, muß selbst vollkommen sein. Daher versteht es sich hiernach von selbst: ist die heilige Schrift hinsichtlich ihres Zweckes vollkommen, so ist's ganz unnöthig, noch andere Quellen zu suchen. Lehren diese anderen Quellen dasselbe, so sind sie ja unnöthig; lehren sie aber gar etwas anderes, so müssen wir sie um so mehr verwerfen. Wer also neben die Schrift eine andere Quelle der Glaubenserkenntniß setzt, der leugnet ihre ihr allein zukommende Autorität.

Ferner heißt es Apost. 26, 22.: Und sage nichts außer dem, das die Propheten gesagt haben, daß es geschehen sollte, und Moses." Selbst ein Paulus wollte nichts neben und außer der Schrift sagen, wie viel weniger haben wir dazu die Macht! Möchte auch das, was wir lehren, nicht der Schrift widersprechen, ja mit ihr stimmen, so ist es doch dann zu verwerfen, wenn wir nicht beweisen können, daß wir es aus der Schrift herausgeholt haben.

Luc. 16, 27—31.: „Da sprach er (der reiche Mann): So bitte ich dich, Vater, daß du ihn sendest in meines Vaters Haus; denn ich habe noch fünf Brüder, daß er ihnen bezeuge, auf daß sie nicht auch kommen an diesen Ort der Qual. Abraham sprach zu ihm: Sie haben Mosen und die Propheten, laß sie dieselbigen hören. Er aber sprach: Nein, Vater

 

30        Verhandlungen der zehnten Versammlung

 

Abraham; sondern wenn einer von den Todten zu ihnen ginge, so würden, sie Buße thun. Er sprach zu ihm: Hören sie Mosen und die Propheten nicht, so werden sie auch nicht glauben, ob Jemand von den Todten aufstünde." Damit hat denn der selige Abraham im Himmel feierlich erklärt: Die Schrift ist so vollkommen, daß nichts hinzugethan werden darf. Selbst wenn einer aus der Ewigkeit käme und predigte den Menschen, so würde es doch ihnen kein Mittel sein, sie zum Glauben zu bringen, wenn es das geschriebene Wort Gottes nicht thut.

Röm. 16, 17.: „Ich ermahne aber euch, lieben Brüder, daß ihr aufsehet auf die, die da Zertrennung und Aergerniß anrichten, neben der Lehre, die ihr gelernet habt, und weichet von denselbigen." Es heißt hier nicht: „gegen die Lehre" sondern: „neben der Lehre." Also wenn eine Lehre auch nicht der Schrift widerspräche, sie wäre aber nicht aus der Schrift genommen, so müßten wir sie dennoch mit Füßen treten, wenn sie uns als göttliche Wahrheit aufgenöthigt werden sollte. So phantasiren ja Manche viel über die Beschaffenheit des Himmels, aber neben der Schrift. Wenn es nun auch möglich wäre, daß der Himmel so beschaffen ist, wie die Phantasten sagen, aber man wollte uns das glauben machen, so müßten wir widersprechen und sagen: Du bist ein Schwärmer. Wer also aus den Vätern eine Lehre nimmt und kann nicht Nachweisen, daß die Väter diese Lehre aus der Bibel geholt haben, den soll man verwerfen, mag er auch noch so schön davon reden. Es soll eben alle Glaubenserkenntniß aus der Schrift geflossen sein.

Gal. 1, 8.: „Aber so auch wir oder ein Engel vom Himmel euch würde Evangelium predigen anders, denn das wir euch gepredigt haben, der sei verflucht." Hier sagt der Apostel nicht: wer gegen mein Evangelium predigt, der ist verflucht. Nein, wer auch nur anders predigt, als ich. Mag es der Vernunft erscheinen, als harmonire die Lehre, die daneben herbei gebracht wird, vortrefflich mit der Schrift, sie ist verflucht, wenn ich nicht Nachweisen kann, die Schrift nöthigt mich, so zu lehren; und zugleich muß ich es dann auch meinen Zuhörern so darthun können, daß sie es einsehen müssen. Denn das erst ist ein rechter Ausleger. Was hilft mir mein Prediger, mag er selbst seiner Sache noch so gewiß sein, wenn er mich nicht gewiß machen kann, so daß ich darauf sterben kann?

Offenb. 22, 18. 19.: „Ich bezeuge aber alle, die da hören die Worte der Weissagung in diesem Buch. So Jemand dazu setzt; so wird Gott zusetzen auf ihn die Plagen, die in diesem Buch geschrieben stehen. Und so jemand davon thut von den Worten des Buchs dieser Weissagung; so wird Gott abthun sein Theil vom Buch des Lebens und von der heiligen Stadt und von dem, das in diesem Buch geschrieben stehet." Mit diesen Worten schließt die ganze heilige Schrift. Im Moses schon, also zu Anfang der Schrift, wird uns befohlen, nichts dazu zu thun, und am Schluß wird es noch einmal eingeschärft, ja nichts zuzusetzen. Man soll ja

 

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nicht meinen: mit guten Zusätzen falle ja ein großes Licht auf die Schrift. Der böse Feind danke dir das! Nein, wir haben das Licht vor uns, das ist die Bibel selbst. Und es ist bloß nöthig, daß wir die Augen aufthun. Wer aber aus seinem Verstände noch ein Licht zu diesem Licht hinzubringen will, damit es Heller werde, der handelt geradeso närrisch, als der mir die Sonne mit einem Talglicht hell machen will. Das thun aber die meisten neueren Theologen, indem sie das Licht ihrer Vernunft an die Bibel heranbringen.

Also, die heilige Schrift ist der einzige Brunnen, die einzige Quelle aller Glaubenserkenntniß. Das bekennt denn auch unsere liebe lutherische Kirche. In der Concordienformel S. 568 in dem 2. Theil: Wiederholung, unter der Ueberschrift: „Von dem summarischen Begriff, Grund, Regel und Richtschnur, wie alle Lehr nach Gottes Wort geurtheilet und die eingefallenen Irrungen christlich erkläret und entschieden werden sollen," — heißt es: Wir bekennen uns „erstlich zu den prophetischen und apostolischen Schriften Altes und Neues Testaments als zu dem reinen lautern Brunnen Israels." Dies Bekenntniß ist gerade in unserer Zeit überaus wichtig. Die moderngläubigen Theologen geben nämlich Wohl zu, daß die Schrift die Regel und Richtschnur sei, aber sie leugnen, daß sie die alleinige Quelle aller Glaubenserkenntniß sei. Selbst ein Philippi sagte: Es gibt mehrere Principien christlicher Glaubenserkenntniß (Princip heißt Ursprung, etwas, wovon man ausgeht, Quelle). Und zu diesen Principien rechnet er u. a. die erleuchtete Vernunft. Die kann aber nicht das Allergeringste bringen. Schleiermacher sagt: Ich gehe vom christlichen Bewußtsein aus. Und Hoffmann in Erlangen: Mein Princip ist meine Person selbst; ich bin ein Christ und daraus entwickele ich nun die ganze Theologie. Freilich erlaubt er dann einem anderen, diese seine Theologie zu prüfen, denn er gibt zu, daß die Bibel Regel und Richtschnur sei, aber die Quelle bleibt er selbst als ein Christ!

Die Autorität der heiligen Schrift besteht aber zweitens darin, daß sie allein die untrügliche Regel und Richtschnur aller Lehren und Lehrer ist. Dies beweisen wir aus Psalm 119, 105.: „Dein Wort ist meines Fußes Leuchte, und ein Licht auf meinem Wege." Es gibt also keine andere Leuchte zum Himmel. Wollen wir wissen, ob eine Lehre recht ist, so zeigt's uns nichts anderes, als das Licht des'göttlichen Wortes. Das allein ist Licht und Leuchte auf dem Wege zum Himmel, also die einzige Regel.

Ferner heißt es Jes. 8, 19. 20.: „Wenn sie aber zu euch sagen: Ihr müsset die Wahrsager und Zeichendeuter fragen, die da schwätzen und disputiren, (so sprecht): Soll nicht ein Volk seinen Gott fragen? oder soll man die Todten für die Lebendigen fragen? Ja, nachdem Gesetz und Zeugniß. Werden sie das nicht sagen, so werden sie die Morgen-röthe nicht haben." Erst sagt der Prophet: Ihr sollt Gott fragen und

 

32        Verhandlungen  der zehnten Versammlung

 

nicht die Todten oder gar den Teufel. Und dann fügt er hinzu, was er damit sagen will, daß sie Gott fragen sollen, nämlich sie sollen sein Wort fragen: „Ja, nach dem Gesetz und Zeugniß", und das ist das geschriebene Wort Gottes. Denn so oft dieser Ausdruck: „Gesetz und Zeugniß" im Alten Testament vorkommt, ist immer die Bibel gemeint. Daß Gott noch mehr im Laufe der Zeit zum Alten Testament hinzugegeben hat und endlich das Neue Testament, das ändert an der Sache nichts. Denn nun geht's auch nach diesem von Gott selbst hinzugesetzten „Gesetz und Zeugniß". So lehrt auch die lutherische Kirche. In der

Concordienformel heißt es: „Wir gläuben, lehren und bekennen, daß die einige Regel und Richtschnur, nach welchen zugleich alle Lehren und Lehrer gerichtet und geurtheilt werden sollen, seien allein die prophetischen und apostolischen Schriften Alten und Neuen Testaments, wie geschrieben stehet: ,Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege', Ps. 119, 105. Und St. Paulus: ,Wenn ein Engel vom Himmel käme, und predigte anders, der soll verflucht sein', Gal. 1, 8. Andere Schriften aber der alten oder neuen Lehrer, wie sie Namen haben, sollen der heiligen Schrift nicht gleich gehalten, sondern alle zumal mit einander derselben unterworfen, und anders oder weiter nicht angenommen werden, denn als Zeugen, welchergestalt nach der Apostel Zeit und an welchen Orten solche Lehre der Propheten und Apostel erhalten worden." (Epitome. Von dem summarischen Begriff. S. 617.)

Nichts anderes sind also die Lehrer der Kirche als Zeugen. Das ist der Glaube eines jeden rechtschaffenen Lutheraners. O, es ist erschrecklich, wenn man die armen Laien, statt in die Schrift, immer nur in menschliche Bücher hineinweist, während ein Lehrer der Kirche zu ihnen sagen sollte: Erst geht in die heilige Schrift hinein, dann aber verachtet auch die Weissagung nicht, aber da prüfet alles wohl! Es ist nicht auszusprechen, was für Herzeleid daraus noch über unsere amerikanisch - lutherische Kirche kommen kann, daß man angefangen hat, nur um Leute zu behalten, sie in menschliche Schriften zu weisen und ihnen vorzugaukeln: Seht doch die Männer! Das sind hocherleuchtete, gottselige, fromme, hochbegabte Kirchenväter, die auch unsere Gegner nicht verwerfen können, und die lehren so und so; das müssen wir als allein echt lutherisch festhalten. Da sollte jeder Christ aufstehen, und wenn er auch ein Kuhhirte wäre, und sagen: Allen Respect vor diesen großen Männern! Aber meine arme Seele baue ich nicht auf sie; ich bin nicht auf sie getauft, sie sind nicht mein Gott und Heiland. Wohl lasse ich sie gern meine Führer sein, aber nur da, wo sie mir mit der Leuchte des göttlichen Wortes den Weg zeigen. Ihr guter Name aber soll mich nicht bestechen, etwas anzunehmen, was.der Schrift zuwider ist.

Daher sagt Luther: „Die Gewissen können nicht gebunden werden, denn allein durch Gottes Wort." (Daß der freie Wille nichts sei.

 

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XVIII, 2098.) Das merke man sich wohl. Wer die Gewissen an eine Lehre bindet und nicht sagt und beweist: so steht in der Schrift, der ist ein elender Gewissenstyrann, ja. der macht sich selbst zu Gott. Wir sollen eben wissen, kein Mensch ist sicher vor Jrrthum. Wie Luther schreibt: „Derjenige kann sich allein, rühmen, daß er in keinem Stücke geirret, welcher in diesem Leben ohne Sünde ist." (Schlußrede zur Ausl, der 22 ersten Psalmen. Vom I. 1521. IV, 1621.) Daraus kann man denn entnehmen, daß es gar nicht unbescheiden ist, wenn man sagt: Auch ein Hun-rsius kann irren, auch ein Gerhard, Quenstedt, und wie sie alle heißen, können irren. Wer das nicht will zugeben, der ist ein greulicher Anbeter der Creatur.

Auch I. Gerhard schreibt von den Vätern: „Obgleich wir bereit sind, alle und jede Artikel unseres Glaubens, welche zwischen uns und den Papisten streitig sind, mit klaren und deutlichen Zeugnissen der alten Väter zu bestätigen, und obgleich dies von den Unsrigen auch schon öfters geschehen ist, so können wir doch nicht, noch dürfen wir die Schriften der Väter für die Norm der Lehre in der Kirche anerkennen: 1. weil diese Würde und Autorität allein den kanonischen Schriften der Propheten und Apostel zugehört; 2. weil die Väter selbst ihre Schriften nach der Norm des göttlichen Kanons prüfen heißen; 3. weil die Papisten selbst leugnen, daß die Autorität der Väter immer authentisch sei (d. H. man könne nicht immer wissen, ob der Kirchenvater es auch geschrieben habe, dem es zugeschrieben wird); 4. weil die Väter weder in den Glaubenslehren noch in der Auslegung der Schrift mit einander durchaus übereinstimmen; 5. weil viele Schriften der Alten untergegangen sind; 6. weil hingegen diejenigen, welche noch vorhanden sind, an vielen Stellen gefälscht und verderbt sind; 7. weil in den Schriften der Väter mit dem Gold Schlacken, mit den Edelsteinen Stoppeln, mit dem Süßteig der himmlischen Lehre der Sauerteig menschlicher Meinungen verbunden sich finden." (1-,oo. äs soolss. § 203.)

Wir wissen also gar nicht, was alle Väter gelehrt haben, da viele ihrer Schriften verloren gegangen oder auch verfälscht sind. Sind doch z. B. selbst zu den I^oois von Gerhard kurz nach seinem Tode in der Frankfurter Ausgabe manche verkehrte Sachen hinzugethan worden. Darum können die Väter nimmermehr Norm der Lehre sein.

Endlich besteht die Autorität der Schrift auch 3. darin, daß sie allein die rechtsgiltige Richterin in allen Religionsstreitigkeiten ist. Das sehen wir an dem Beispiel JEsu Christi Matth. 4, 4. 7. 10. Welch wunderbares Schauspiel, das alle Engel und Erzengel mit Verwunderung sahen, wie des lebendigen Gottes Sohn, wenn er mit dem Teufel kämpft, nur die Schrift anführt! Dreimal kämpfte Satan gegen ihn wegen der Lehre, daß Christus Gottes Sohn sei. Und dreimal spricht der HErr nur: „Es steht geschrieben." Das dritte Mal mußte

 

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der Teufel weichen. Einen herrlicheren Beweis könnten wir nicht haben, wie wir uns in Streitigkeiten über die Lehre verhalten sollen. Da sollen wir nicht sagen: So steht im Gerhard! so steht im Hunnius! so im Hollaz! Sondern wie Christus, so sollen auch wir sprechen: So steht geschrieben, nämlich in der Schrift. Christus setzt das „in der.Schrift" nicht hinzu, weil es sich von selbst versteht. Nur sie ist ja das Buch aller Bücher.

Daher ist es ein nicht genug zu beklagender Jammer, daß man in dem gegenwärtigen Streite, wenn es sich um das Beweisen handelt, in der Regel sogleich mit Stellen aus den Dogmatikern angezogen kommt. Was wird das noch für Folgen haben! Man führt dadurch die Christen aus der Schrift hinaus, gewöhnt sie, sich an Menschen binden zu lassen. Dadurch werden viele endlich allen Glauben verlieren. Denn ein Glaube, der nicht auf die Schrift gegründet ist, ist kein Glaube. Gottes Wort und der Glaube können so wenig von einander geschieden werden, wie Berg und Thal.

Luc. 10. wird uns erzählt, daß ein Schriftgelehrter Christum frug: „Meister, was muß ich thun, daß ich das ewige Leben ererbe?" Und was antwortet ihm der HErr? Es heißt Vers 26.: „Er aber sprach zu ihm: Wie stehet im Gesetz geschrieben? wie liesest du?" Christus hätte ja als wesensgleicher Gott dem Schriftgelehrten sofort zeigen können, was nöthig ist in den Himmel zu kommen, und seine falsche Meinung widerlegen können. Er weist ihn aber in das geschriebene Wort Gottes, um damit anzuzeigen, daß das Wort die Richterin ist in allen Religionsstreitigkeiten. Wenn nun der Sohn Gottes uns auf die Schrift weist, welch ein Frevel ist es, wenn wir Menschen das nicht thun wollen! Welch schändliche Abgötterei treibt der mit sich selbst, der nicht mit Christo sagen will: Wie steht in der Bibel geschrieben?!

Dasselbe bezeugt auch Joh. 10, 33—36.: „Die Juden antworteten ihm und sprachen: Um des guten Werks willen steinigen wir dich nicht, sondern um der Gotteslästerung willen, und daß du ein Mensch bist und machest dich selbst einen Gott." Es handelte sich also hier um die Lehre von der Gottheit Christi, und zwar gerade darum, ob der Mensch Jesus Gott genannt werden dürfe, ob also die Gottheit mit der Menschheit in Jesu zu Einer Person vereinigt war. Was antwortet nun der HErr diesen Lästerern? Vers 34—36. heißt es: „JEsus antwortete ihnen: Stehet nicht geschrieben in eurem Gesetz: Ich habe gesagt, ihr seid Götter? So er die Götter nennt, zu welchen das Wort Gottes geschah; und die Schrift kann doch nicht gebrochen werden: sprecht ihr denn zu dem, den der Vater geheiliget und in die Welt gesandt hat: Du lästerst Gott, darum, daß ich sage, ich bin Gottes Sohn?" Der HErr will sagen: Ihr habt ja ein Buch, woraus ihr das wissen könnt; auf etwas anderes verweise ich euch nicht. Der HErr schlägt also mit nichts anderem den Streit über seine Gottheit nieder, als damit, daß er die Schrift citirt. Er hätte ja ebenso leicht eine ganze Anzahl anderer Beweise für seine Gott-

 

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heit bringen können, aber er wollte die Leute nicht aus der Schrift herausführen.

Was uns Christus hier von der Schrift lehrt, das lehrt auch unsere lutherische Kirche. So heißt es in der C 0 nc 0 rdienf 0 rmel: „Solchergestalt wird der Unterschied zwischen der heiligen Schrift Alten und Neuen Testaments und allen ändern Schriften erhalten und bleibt allein die heilige Schrift der einige Richter, Regel und Richtschnur, nach welcher als dem einigen Probirstein sollen und müssen alle Lehren erkannt und geurtheilt werden, ob sie gut oder bös, recht oder unrecht seien. Die anderen Symbola und angezogene Schriften sind nicht Richter, sondern allein Zeugniß und Erklärung des Glaubens, wie jederzeit die heilige Schrift in streitigen Artikeln in der Kirche Gottes von den damals Lebenden verstanden und ausgelegt, und derselben widerwärtige Lehren verworfen und verdammt worden." (Erster Theil. Summarischer Begriff. S. 518.)

Richter gibt es also hiernach in Lehrstreitigkeiten keine anderen, als die heilige Schrift. Selbst die Symbole haben hiernach diese Autorität nicht. - Man entgegne uns nicht: Ihr bringt ja auch in Streitigkeiten immer sogleich die symbolischen Bücher hervor. Denn das hat eine ganz andere Bewandtniß. Wir wollen damit beweisen, daß unsere Lehre lutherisch ist, weil man uns für Calvinisten ausschreit. Daß unsere Lehre die allein wahre sei, das beweisen wir allein aus der Schrift. Als wir in Milwaukee mit dem Leiter der Gegenparthei zusammen kamen, nahmen wir daher die Bibel her, denn da handelte es sich darum, zu zeigen, welche Lehre die wahre sei. Erst mußten wir unserem armen, durch die Lästerungen unserer boshaften Feinde zum Theil erschreckten lutherischen Christenvolke aus dem Bekenntniß zeigen, daß diejenigen lügen, welche uns Calvinisten nennen. Als aber hierauf auch die Frage entstand, ob die Lehre der Symbole, die wir bekannten, die wahre sei, da galt es, dies aus der Schrift zu beweisen.

Luther schreibt daher: „Wenn sie (die Papisten) einen Spruch der Väter wider mich aufbringen, so läuten sie alle Glocken, schlagen alle Trummeln und schreien feindlich, sie haben gewonnen; stopfen beide Ohren und Augen zu, wollen damit die ganze Schrift mir verstopft und gedämpft haben. . . Aber aller Väter Bücher muß man mit Bescheidenheit lesen, nicht ihnen gläuben, sondern darauf sehen, ob sie auch klare Schrift führen und die Schrift mit Heller Schrift erklären. . . Auf daß nicht mehr, denn das bloße Schwert, das Wort Gottes, bei jedermann regiere." (Antwort auf das überchristlich rc. des Bocks Emsers. Vom Jahre 1521. XVIII, 1583. 1585 f.)

Hierbei ist aber auch dieses zu erinnern, daß der Schriftbeweis auch recht geführt werden müsse. Wenn sich z. B. in der heiligen Schrift über eine geheimnißvolle Lehre eine dunkle Stelle findet, da dürfen wir sie nicht

 

36        Verhand lungen der zehnten Versammlung

nach der Vernunft auslegen, sondern nach klareren Schriftstellen. Denn nur das ewige Licht kann das ewige Licht uns sichtbar machen. Aber dann müssen es auch zum Anderen solche Schriftstellen sein, die von derselben Sache handeln. Die Tactik unserer Gegner aber ist die: Haben sie eine dunkle (oder auch eine klare) Stelle von der Wahl vor sich, dann nehmen sie solche Stellen hinzu, die von einer ganz anderen Sache handeln, z. B.: Wer glaubt, wird selig. Damit ist aber für die Wahl gar nichts bewiesen, daß man sagt: Wir werden durch den Glauben selig. Das ist ja eine ganz andere Lehre, nämlich die Lehre von der Rechtfertigung. Wollen unsere Gegner ihre Lehre beweisen, müssen sie uns vielmehr eine Stelle zeigen, die da sagt: der Glaube ist die Ursache unserer Erwählung. — Es ist ja freilich wider die ganze Schrift, daß Gott wie in einen Glückstopf hineingegriffen und gesagt habe: Den Menschen will ich selig machen und den anderen nicht. Denn hell wie Sonne bezeugt die ganze Schrift, daß Gott alle, alle Sünder selig machen will. Und doch bleibt beides wahr: Gott hat im Menschen keine Ursache gefunden, ihn zur Seligkeit zu erwählen, und: wer erwählt ist, der hat's aus Gottes freiem Erbarmen. Warum? — Werl die Schrift eben beides auf das deutlichste und klarste lehrt. Wie sich das nun aber zusammen reime, das wissen wir nicht und sollen und wollen wir nicht wissen. Und das ist gerade der Greuel des Calvinismus, daß er dieses Geheimniß nicht stehen lassen, sondern es durch gotteslästerliche Leugnung der allgemeinen Gnade lösen, aber auch der Greuel des Synergismus, daß er jenes Geheimniß dadurch lösen will, daß er, die Seligkeit allein aus Gnaden schändlich verleugnend, behauptet, der Grund der Erwählung eines Menschen liege in seinem besseren Verhalten und in seiner eigenen Entscheidung.

Wie die Kirchenväter anzusehen sind dem Worte Gottes gegenüber, zeigt auch schon Hieron. Kromayer: „Die Väter waren Lichter, nicht Götter.*) . . Wir sind allein erbauet auf den Grund der Apostel und Propheten, da JEsus Christus der Eckstein ist, Eph. 2, 20. Die Väter aber haben nicht das Privilegium der Jnfallibilität und sie haben ihre Sachen nicht geschrieben mit der Nothwendigkeit, daß man ihnen glaube, sondern mit der Freiheit, daß man sie richte. Ja, sie haben auch selbst Widerrufsbücher geschrieben. — Wir fügen hier beiläufig hinzu, daß die Büchersammlungen der Väter mit zweierlei Augen durchzulesen sind: 1. mit dem Auge der Klugheit und 2. mit. dem Auge der Liebe. Mit dem Auge der Klugheit, daß man die echten Schriften nicht verwechsle mit den untergeschobenen oder verstümmelten; die späteren, welche mehr Unreinigkeit angenommen haben, nicht mit den älteren, und so das goldene Zeitalter nicht mit dem bleiernen, die Lehrbücher nicht mit den Streitschriften und Predigtbüchern. Mit dem (Auge) der Liebe aber

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*) katrss tuerunt luniina, von numina.

 

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sind die Schriften der Väter zu lesen, wenn sie, entweder aus Schuld ihrer Zeit, wie von einem wilden Strome zum Verkehrten mit fortgerissen worden sind, oder wenn sie vor erregten Streitigkeiten allzu unvorsichtig und unbedacht (seourius) geredet haben, oder wenn sie im Schreiben in Erkennt-niß fortgeschritten sind, oder im Fortschreiten geschrieben haben. Denn es wird nicht leicht Einer unter den Vätern gefunden werden, welcher nicht seine Flecken (naovi) hätte. Obschon die Blöße (puckonäa) der Väter, so viel es mit gutem Gewissen geschehen kann, zuzudecken ist.*) (ll?b. po-sit.-xolom. ?. II. pLA. 36.)

Der HErr Christus sagt auch von seinen Christen: „Ihr seid das Licht der Welt." Er sagt nicht: Ihr seid die Götter der Welt. Wir sollen von allen Vätern sagen: sie können irren und sie haben geirrt. Selbst in Luthers Schriften sind Jrrthümer, nämlich aus der Zeit, da er das Geheimniß der Bosheit noch nicht klar durchschaut hatte. Diese Jrrthümer hat er aber später verworfen, und ausdrücklich gebeten, man solle Mitleiden mit ihm haben, denn er habe erst nach und nach zur Erkenntniß kommen müssen, da ihm die rechte Lehre nicht unmittelbar vom Heiligen Geist eingegeben wurde. Seit dem Jahre 1523 aber hat Luther in keinem Artikel des christlichen Glaubens mehr Falsches gelehrt, obwohl er ein irrthumsfähiger Mensch blieb. Bemerkenswerth in dem obigen Citat ist auch, daß Kromayer sagt: Je jünger die Kirchenväter der Zeit nach sind, desto mehr Jrrthümer finden sich auch bei ihnen. Was aber die älteren Kirchenväter betrifft, so geriethen sie oft im Streit in Jrrthum. So ist es auch den lutherischen Vätern z. B. in dem Streite über die Lehre von der Wahl ergangen, als Samuel Huber auftrat und lehrte, alle Menschen seien erwählt. Diesen nun zu widerlegen, sagten unsere lutherischen Väter: Nein, nicht alle Menschen sind erwählt, sondern nur diejenigen, von denen Gott vorausgesehen hat, daß sie an Christum glauben würden, und zwar in Ansehung dieses ihres Glaubens. So ist diese Lehre in unsere Kirche hineingekommen in der allerbesten Meinung, nämlich um jenen Jrrgeist damit zu widerlegen. Zu gewissen Zeiten, wo Jrrthümer sehr allgemein wurden, riß es auch manche sonst rechtgläubige Lehrer unvermerkt in diesen Strom hinein und sie schwammen, mit, wie z. B. in jener erschrecklichen Zeit nach Luthers Tode bis zur Entstehung der Concordienformel vielfach geschah. Sonst kommen die Theologen auf verkehrte Redeweise in einer Lehre, wenn gar kein Streit über dieselbe ist, da werden sie nur allzu leicht sorglos. Stehen aber Widersprecher auf, so werden diese gleichsam die Schleifer der treuen Lehrer, die sie poliren und nöthigen, sich vorsichtig auszudrücken. Darum sollen wir auch nicht so traurig sein über den Streit, der unter uns ausgebrochen ist. Für die Abgefallenen ist derselbe freilich ein schreckliches Verhängniß. Auf falsche Bahnen gerathen, irren

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*) Das wird uns jetzt zum Vorwurf gemacht.

 

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sie immer weiter von der Wahrheit ab, eifern sie nun für ihren Jrrthum mit Unverstand, und bilden sie sich dabei steif und fest ein, das Amt der Wächter über die reine Lehre zu verwalten. Denen aber, die aus der Wahrheit sind, bringt der gegenwärtige Streit nur Segen. Welches Helle Licht hat dieser Streit darüber gebracht, daß der freie Wille nichts sei, was es heiße, durch den Glauben selig werden und aus Gnaden selig werden, was es heiße, seine Seligkeit hoffen u. s. w.! Wie viel Sauerteig des Synergismus ist dadurch auch bei denen ausgefegt worden, die davon frei zu sein meinten! Wie viel vorsichtiger, unmißverständlicher und bestimmter zu reden und zu schreiben hat uns dieser Streit gelehrt! Im Streit heißt es eben: Nimm dich in Acht, daß du nichts sagst, was etwa der Feind benutzen könnte, seine Irrlehre dahinter zu verbergen oder deine Wahrheit zu verdächtigen und zu verlästern. Nicht zu übersehen ist auch, daß Kromayer nicht von Ketzereien, sondern nur von Flecken der Väter redet. Diese gottseligen Männer haben nicht mit Bewußtsein die Schrift verlassen, sondern aus menschlicher Gebrechlichkeit. Daher soll man auch die Blöße der Väter, so viel es mit gutem Gewissen geschehen kann, zu-decken. Das haben wir denn auch gethan. Man wirft uns zwar vor, daß wir früher ganz anders von den Vätern geredet hätten, als jetzt. Aber was hatten wir denn früher für einen Beruf, diese theuren Männer unserem lutherischen Christenvolke verdächtig zu machen, deren Lehre wir erst ins Volk hineinbringen mußten? Zu seiner Zeit konnten wir denn auch sagen: Seht, lieben Brüder, hierin und darin ist die Lehre selbst dieser theuren Lehrer nicht ganz richtig. Und das haben wir auch schon von Anfang an nicht ganz verschwiegen. Wir haben z. B. gezeigt, daß sie nicht richtig vom Sonntag lehren, wenn sie sagen, der Sonntqg sei von Gott eingesetzt und an die Stelle des jüdischen Sabbaths gestellt.

Wir sagen nun mit alle dem nicht, daß hingegen unsere Gegner überhaupt gar nichts von der Schrift und nur von den Vätern etwas wissen wollen. Denn hätten sie das gethan, so hätten sie sich ja gleich deutlich vor der ganzen Christenheit als Ketzer offenbart. Das hat ja auch noch kein Ketzer gethan. Weder Arius noch Pelagius, weder Zwingli noch Oecolampad, kurz, kein Ketzer, auch nicht einmal der Pabst sagt: ich gehe nicht nach der Schrift. Unsere Gegner reden vielmehr sehr hoch von der Schrift. Aber wir fragen: Woher haben sie das lutuitu üäei? Antwort: Aus den Vätern und nicht aus der Schrift. Die Schrift mußten sie erst darnach umdeuten, wie sie z. B. bei Röm. 8. thun. Während hier der Apostel von Gott sagt, daß er Personen zuvor versehen, d. i. erwählt hat, wie unser Bekenntniß dies Wort richtig auslegt, sagen sie: er hat den Glauben — vorhergesehen. So tragen sie den Glauben erst in diese Stelle der Schrift hinein und geben sie sich bei ihrem Volke den Schein, als ob auch sie ihre Lehre mit der Schrift bewiesen. Weil sie nun auf einer Lehre festbestehen, die sie nicht aus der Schrift, auch nicht

 

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aus dem Bekenntniß, sondern allein aus Privatschriften menschlicher Lehrer geholt haben, so müssen wir sagen: sie stehen hierin nicht auf dem Grunde der Schrift, ihre Lehre und ihr Glaube von der Wahl ist vielmehr auf Menschen gebaut. Da hilft kein Protestiren.

Es ist leider je und je auch in der rechtgläubigen Kirche bei einzelnen ein verkehrtes, nachbeterisches Wesen zu finden gewesen. Man hielt sich an diesen oder jenen großen Lehrer. Solange dies nun auf das Rechte sich bezog, so mag das ja wohl nicht sonderlich großen Schaden angerichtet haben, obwohl es seiner Art und Natur nach immer etwas höchst Gefährliches war und ist. Wir leugnen es übrigens nicht, daß es auch unter uns Leute, und zwar gute einfältige Leute, gegeben hat und vielleicht noch gibt, welche zu ihrer Vertheidigung einfach sagen: Es steht ja im Westlichen Synodalbericht; oder verlangt man, daß dieser oder jener Lehrpunkt bewiesen werden möchte, so kann man wohl auch einmal hören: Es steht ja in Walthers Pastorale. Wohl geschieht dies in der Regel nur aus Einfalt, ohne daß man menschliche Schriften neben, ja über die heilige Schrift setzen will, aber papistisch, gefährlich und dem Glauben schädlich ist und bleibt dies, daher wir nicht ernst genug dagegen unter uns auftreten können. Bei den Ohioern ist dies anbeterische Wesen auf einem falschen Grund und Boden aufgewachsen und wird da förmlich gehegt und gepflegt. Sie klingeln und klappern den Leuten mit den Vätern um die Nase herum. Sagt man: Wollt ihr denn also die Richtigkeit eurer Lehre mit den Vätern beweisen? so sind sie im Stande uns zuzurufen: „Hebe dich weg von mir, Satan! die Bibel allein ist der goldene Grund, auf dem wir stehen. Wer wird eine Lehre mit den Vätern beweisen wollen?" Aber wenn sie auch so reden: läßt es sich jemand bei ihnen gefallen, so klappern sie ihm mit den Vätern herum, daß ihm angst und bange wird. Das thun sie fort und fort. Sie machen den Leuten förmlich bange mit Gerhard, Hunnius rc., so daß schüchterne Gemüther gar nicht wagen zu fragen: Ist denn aber dieser Ausdruck, diese Lehre nicht verkehrt? Man wagt es höchstens dann, wenn man auch andere und wo möglich noch größere Autoritäten dagegen halten kann. Wie Ohio, so treibt es bekanntlich auch Hr. Professor Schmidt.

Man bedenke nur, wie er es wieder jüngst in der norwegischen Synode gemacht hat. Er wußte, daß Pantoppidan (der 1767 starb) der Liebling der Norweger ist. Darum schlug er vor, auch die norwegische Synode solle bekennen, sie stimme mit der Art und Weise überein, wie Pantoppidan die Lehre von der Wahl darlege. So wollte auch er die Pietät des Volkes gegen einen Mann dazu mißbrauchen, es zu seiner (Schmidts) falschen Lehre zu verführen, ohne daß es ihm jedoch gelang, die ganze Synode zu jenem Bekenntniß zu bewegen. Er hätte als ein rechter Christ sagen sollen: Das wißt ihr freilich, Pantoppidan steht in der Lehre von der Wahl auf meiner Seite; aber das entscheidet nichts; wir müssen in die Bibel hinein.

 

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Es ist ein großer Unterschied im Gebrauch von Citaten aus den Vätern. Wenn eine Lehre schon als eine Schriftlehre allgemein anerkannt ist, so mag man immerhin viel aus den Schriften der Väter dafür vorlesen, wenn man das nur nicht thut, um die Lehre damit zu beweisen; sondern weil sehr häufig die Kirchenväter eine Lehre aus der Schrift viel besser begründen, als man es selbst vermag. Sobald aber ein Streit über eine Lehre entsteht, dann muß man auf die Schrift zurückgehen. Mag es darum Prof. Schmidt noch so hoch betheuern, daß er mit den Vätern keine Abgötterei treibe und nur die Schrift Richterin sein lasse, er widerlegt dies mit der That.

Wenn hier nun gesagt wird, unsere Gegner haben papistisch gehandelt, geredet und argumentirt, so ist damit nicht gesagt, daß bei ihnen dies Papistische der Grundfehler sei. Denn es ist kein Zweifel: der Grundfehler bei ihnen ist Rationalismus, Vernunftreligion. Sie wollen nach dem oominon 86N86 bestimmte sich scheinbar widersprechende Stellen zurechtlegen, anstatt ihre Vernunft gefangen zu nehmen. Deshalb nehmen sie ihre bekannte Stellung in der Lehre von der Gnadenwahl ein. Aber um nun diese unter's Volk zu bringen, benutzen sie die Väter. Und so gerathen sie denn, ohne es zu wollen, in ein durch und durch Papistisches Verhalten hinein. In dem ersten Artikel, den sie gegen uns schrieben, sagten sie gleich: Sollte es möglich sein, daß hierin unsere Väter seit 300 Jahren geirrt haben? Das ist aber eben echt papistisch geredet. Das Princip der Unterwerfung unter traditionelle Auslegungen ist damit in der Ohiosynode klar aufgestellt. Und wenn sie in einzelnen Fällen vor ihren Gemeinden nicht so sehr auf die Väter pochen, sondern sich stellen, als ob sie alles aus der Schrift holten, während sie die Hauptsache doch aus den Vätern geholt haben, so ist das um so schlimmer für das arme Volk und die Gefahr um so größer. Würden sie immer und überall die Väter vorschieben, so könnte eher dieser oder jener zur Erkenntniß kommen, an ihnen irre werden und sagen: Am Ende stehen wir doch nicht recht.

Der zweite Grund, warum es schriftwidrig ist, Sachen des Glaubens aus den Schriften der Väter begründen und die Gewissen an die Lehrentscheidungen derselben binden u wollen, ist:

Weil es wider die Lehre der Schrift ist.

Zwar ist es schon Grund genug, dies zu verwerfen, wenn man in Sachen des Glaubens die Gewissen an die Schriften der Väter und an ihre Lehrentscheidungen binden will, daß dies der der Schrift allein zukommenden Autorität widerstreitet. Denn damit wird die Schrift vom Throne gestoßen und Menschen auf denselben gesetzt. Damit wird der Kirche ihr ewiger Grund unter den Füßen weggezogen; dann steht sie ja nicht mehr auf einem Felsen, der nicht wanken kann, davon der HErr Christus sagt:

 

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Meine Gemeinde will ich bauen auf diesen Felsen und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen. Denn schiebt man ihr die Lehre der Väter unter, so ist sie auf Sand gebaut und wird sie in der ersten besten Anfechtung dahinfallen. Der erste Sturmwind falscher Lehre wird sie in Trümmer legen. Sobald man Menschenweisheit in die Kirche hereinbringen will und so die heilige Schrift entthront werden soll, da sollen wir daher sogleich aufstehen, unsere Kleider in Entrüstung zerreißen und uns mit aller Macht dagegen setzen, damit kein Stäubchen Menschenlehre auf den Plan komme. Das fordert die Ehre Gottes und das Heil der armen Sünderwelt.

Doch auch das ist ein Grund, jenes Princip zu verwerfen, weil es wider die in der Schrift enthaltende Lehre ist. Nun hätten wir ja eine ganze Menge von Lehren anführen können, gegen welche der Grundsatz, verstößt, Sachen des Glaubens aus den Schriften der Väter zu begründen und die Gewissen an die Lehrentscheidungen derselben zu binden. Zu unserem Beweise wird es aber genügen, wenn wir, wie in unseren Thesen geschieht, nur die beiden betreffenden Hauptlehren dazu vergleichen.

Es ist nämlich  erstens wider   die        Natur des Glaubens der

Christen, welche derselbe          nach der Schrift hat, nämlich

auf Gottes Wort gegründet und darum göttlich gewiß, zu sein.

Es ist wahr: es ist sehr leicht zu glauben, wenn man gewöhnt ist zu sagen: so schreibt ein Luther, Hunnius, Gerhard u. a. und die haben doch gewiß das Richtige, und weil die so glauben, so glaube ich es auch. Tausende stehen in diesem   Glauben.          Aber   das        ist kein wahrer, sondern nur

ein gemalter Glaube.   Denn er          steht   auf        einem falschen Grunde. Der

wahre Glaube steht allein auf Gottes Wort. Es ist freilich schwer, eine Lehre für unumstößlich wahr zu halten, wenn man kein Zeugniß von großen heiligen Männern dafür hat, ja, wenn Wohl gar alle mir zurufen: Du lehrst falsch! und ich soll sagen: Ich habe dennoch recht, und wenn die ganze Welt dagegen auftritt, so bleibe ich dennoch bei dieser Lehre.

Hierin ubertrifft Luther alles. Als er im 16ten Jahrhundert mit der reinen Lehre hervortrat, da mußte er sich sagen: so ist seit mehr als 1000 Jahren nicht gelehrt worden. Gegen jede seiner Lehren konnten die Papisten Citate aus einem Kirchenvater beibringen, obwohl allerdings Luther auch wiederum einzelne Citate aus den Kirchenvätern für seine Lehre anführen konnte. Er konnte sich aber bei seiner ganzen Lehre auf kein einziges Concilium, noch viel weniger auf die Lehrer des Mittelalters, die Scholastiker, nicht auf den Pabst, nicht auf die Cardinäle, auch nicht auf die Theologen der Facultäten, noch auch auf die Lehrer in den Klöstern berufen. Ja, alle sogenannten Aufgeklärten, die in vielen Stücken nicht mit dem Pabst stimmten, wie z. B. ein Erasmus, auch sie waren wider ihn. Seinen eigenen Mitbekennern wurde es oft angst und bange, namentlich

 

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als der Aufruhr so groß wurde, daß es schien, als sollte über Luthers Lehre Staat und Kirche zu Trümmern gehen. Da dachten sie alle: Hätte Luther doch lieber geschwiegen oder doch glimpflicher geredet. Ja, Luther selbst gerieth zuweilen für seine Person in Noth und Angst, als er sah, wie groß der Lärm wurde und die sogenannten Lutherischen seine Lehre mißbrauchten und großes Aergerniß damit anrichteten, andere, die anfangs sich mit Her) und Mund zum reinen Evangelium bekannt hatten, schmählich abfielen, Feinde, entweder wieder um so schlimmere Papisten, oder wilde Schwärmer wurden, wie denn immer mit dem alles belebenden Frühling auch die giftigsten Jnsecten kommen. Wohl focht dies alles auch Luthern an, aber seine Lehre wurde ihm darum nicht ungewiß. Warum? Diese hatte Luther aus der Schrift geholt und darum sang er nicht nur mit dem Munde, sondern von ganzem Herzen: „Wenn die Welt unterginge und die Berge mitten ins Meer sänken; wenn das Meer wüthete und wallete und von seinem Ungestüm die Berge einfielen. Dennoch soll die Stadt Gottes fein lustig bleiben mit ihren Brünnlein." Mehrmals verließen ihn alle seine Freunde, er aber stand auch allein stehend fest. Warum? Weil seine Lehre eben nicht auf Menschen gestützt war, sondern einen nie wankenden Grund hatte, nämlich Gottes Wort. Und das, ja, das allein ist Glaube. Aber solcher Glaube ist eben auch nicht Jedermanns Ding. Hören wir hierüber Gottes Wort selbst.

Römer 10, 17. heißt es: „So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Gottes." Dies ist ein unwiderleglicher Beweis, daß das kein Glaube ist, der auf menschlichen Büchern beruht. Das ist ein Scheinglaube, Verstandesglaube, ein menschlicher Glaube. Der wahre Glaube wird durch Gottes Wort in mir gewirkt und der sagt dann: Das hat Gott geredet und nun mögen alle Teufel und die ganze Welt, ja, nun mögen selbst alle Heiligen mir anders einreden wollen — „Gott hat's geredt, drum ist es wahr, er ist allmächtig, drum ist gar kein Ding bei ihm unmöglich." „Sein Wort steht wie ein Mauer fest, welchs sich niemand verkehren läßt, er sei so klug er wolle." Wessen Mund so reden kann, der beweist, daß der wahre lebendige Glaube in seinem Herzen wohnt.

Eph. 2, 20. lesen wir von allen Christen, daß sie erbauet sind „auf den Grund der Apostel und Propheten, da JEsus Christus der Eckstein ist". Wehe daher dem, der sich verführen läßt, etwas zu glauben und zu lehren darum, weil es Menschen geglaubt, gelehrt und verfochten haben. Der ist in diesem Punkte kein Christ und dieser Glaube ist kein wahrer Glaube. Denn wir wollen nicht sagen, daß ein solcher überhaupt kein Christ sein könne. In anderen Lehren mag er auf dem Worte Gottes stehen und da ist sein Glaube recht. Aber wo das Wort als Grund des Glaubens fehlt, da ist er, wie Luther sagt, nur ein selbstgemachter Gedanke im Herzen, der da spricht: ich glaube.

1 Thess. 2, 13.: „Darum auch wir ohn Unterlaß Gott danken, daß

 

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ihr, da ihr empfinget von uns das Wort göttlicher Predigt, nähmet ihr's auf, nicht als Menschenwort, sondern (wie es denn wahrhaftig ist) als Gottes Wort; welcher auch wirket in euch, die ihr glaubet." Da gibt Paulus seinen Thessalonichern deswegen das Zeugniß des wahren Glaubens, weil sie das Wort, das er predigte, nicht als Menschenwort aufnah-men, sondern als Gottes Wort. Hätten sie es als Menschenwort ausgenommen, so wäre ihr Glaube ein Scheinglaube gewesen, mit dem sie zur Hölle gefahren wären. Denn wenn im Gerichte Gottes der Mensch vor Gott hintreten muß, da muß er sagen können : HErr, auf dein Wort habe ich geglaubt und gehofft, so kannst du nun auch mir nicht versagen, was dein Wort mir zugesagt hat.

1 Cor. 2, 4. 5.: „Und mein Wort und meine Predigt war nicht in vernünftigen Reden menschlicher Weisheit, sondern in Beweisung des Geistes und der Kraft; auf daß euer Glaube bestehe nicht auf Menschen Weisheit, sondern auf Gottes Kraft." Das also allein ist Glaube, wenn man sagen kann: nicht auf Menschen Weisheit, Heiligkeit und Ansehen ist mein Glaube gebaut, sondern auf Gottes Kraft.

Die Concordienformel sagt daher im Katalog der von ihr beigefügten Zeugnisse aus der Väter Schriften u. a. Folgendes: „Der wahrhaftige seligmachende Glaube auf keines alten oder neuen Kirchenlehrers, sondern einig und allein auf Gottes Wort gegründet sein loll, so in den Schriften der heiligen Propheten und Apostel, als un-gezweifelten Zeugen der göttlichen Wahrheit, begriffen ist... Verwegen denn das Buch der Concordien männiglich in die heilige Schrift und in den einfältigen Catechismum weiset. Denn wer sich derselbigen Einfalt mit vechtem einfältigem Glauben hält, der verwahret seine Seele und Gewissen zum besten, als das auf einem festen und unbeweglichen Felsen gebauet ist." (Verzeichniß der Zeugnisse der heiligen Schrift und der alten reinen Kirchenlehrer. S. Concordienbuch S. 825 f.)

Es ist ja wahr: wenn ein mir als reiner Lehrer bekannter Mann etwas sagt, so sehe ich das nicht mit Mißtrauen an, sondern ich habe vielmehr das gute Vorurtheil, es werde wohl wahr sein, obgleich ich es noch nicht geprüft habe. Es ist das namentlich bei Luther der Fall, dem von Gott versiegelten Reformator. Aber göttlich gewiß bin ich dann meiner Sache noch nicht. Da muß ich es erst nach Gottes Wort prüfen und muß dann, Luthers Autorität verlassend, auf die Schrift selbst mich gründen, ihm aber danken, daß er mich in die Schrift hineingeführt hat. Man merke sich das also wohl: Weder auf eines alten noch neuen Kirchenvaters Glauben soll mein Glaube gebaut sein, sonst ist er nur ein Scheinglaube. Aber solcher Glaube ist eben keine leichte Sache, sondern gar schwer. Das ist «rst eines wahren Christen rechte Kunst, daß er bloß deswegen etwas glaubt, tveil's ihm Gott in seinem Worte vorlegt. Daher kann es denn auch Christen geben, die viele Lehren annehmen und sie nicht verwerfen, und sie haben

 

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doch noch keinen wahren Glauben an dieselben. Denn nur so viel glaube ich wirklich, als ich als von Gott in seinem geschriebenen Worte geoffenbart erkannt habe. Nur so viel hat ein Christ Glauben an die Lehren der Schrift, als er sich im Kampfe gegen sein eigenes Herz durch Gottes Gnade erobert hat. Denn nur unter Kampf und Noth mit Fleisch und Blut wird-' jeder Zoll Glaubenslandes erstritten. Das ist es denn auch, was uns Gotk sonderlich in diesem Streit lehren will. Wer recht glaubt, der glaubt selbst einem Apostel Paulus nicht, weil er Paulus ist, sondern weil Paulus ihm bewiesen hat, daß der Heilige Geist durch ihn redet. Im Tode und Gewifsensnoth muß ich zu Gott sagen können: Siehe, lieber Gott, so hast du geredet und das habe ich geglaubt. Dann wird Gott sagen: Recht so! so solltest du es machen.

Luther hat auch viel Noth mit sich selbst gehabt, wie er uns das in einer Schrift vom Jahre 1522 zeigt. (Man mißverstehe nämlich um Gottes willen nicht, was wir oben von den Schriften Luthers vor dem Jahre 1523 gesagt haben; als ob nun alles, was er da geschrieben, überhaupt nicht richtig sei. Nein, es finden sich da nur kleine Krümlein Falsches. Z. B. vor 1523 war Luther noch in manchen Stücken sehr duldsam gegen das, was im Pabstthum im Schwange war. Später aber hat er dasselbe mit einem wahren Feuereifer verflucht und verdammt als falsche Lehre.) So schreibt nämlich Luther: „Ich empfinde täglich bei mir, wie gar schwer es ist, langwährige Gewissen und mit menschlichen Satzungen gefangen abzulegen. O, wie mit viel großer Mühe und Arbeit auch durch gegründete heilige Schrift habe ich mein eigen Gewissen kaum können recht-fertigen, daß ich Einer allein wider den Pabst Hab dürfen auftreten, ihn für den Antichristen halten, die Bischöfe für seine Apostel, die hohen Schulen für seine Hurenhäuser! Wie oft hat mein Herz gezappelt, mich gestraft und mir vorgeworfen ihr einig, stärkest Argument: Du bist allein klug! Sollten die ändern alle irren und so eine lange Zeit geirrt haben? Wie? wenn du irrest, und so viel Leute in Jrrthum verführest, welche alle ewiglich verdammt würden? — Bis so lang, daß mich Christus mit seinem einigen gewissen Wort befestiget und bestätiget hat, daß mein Herz nicht mehr zappelt, sondern sich wider diese Argumente der Papisten als ein steinern Ufer wider die Wellen auflehnet und ihr Dräuen und Stürmen verlachet." (Vom Mißbrauch der Messe. Vom Jahre 1522. XIX, 1305.)

Ja, so ist es: Hat man etwas eine lange Zeit in irrigem Gewissen geglaubt und es kommt ein anderer und will uns das nehmen, da gibt es erst einen großen Kampf im Gewissen, bis das Wort Gottes, welches über dem Gewissen steht, dem Streit ein Ende macht, und zwar bei wahren Christen nicht eher. So waren z. B. die Juden nicht nur von Jugend auf gewohnt, die von Gott selbst ihnen im Alten Testament gestellten Ceremonialgebote den Moral-Geboten der Verbindlichkeit nach für völlig.

 

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gleich zu achten, und sie blieben dabei, auch nachdem Christus alle Vorbilder erfüllt und damit aufgehoben hatte. Als nun Paulus kommt und ihnen zeigt, daß jene Gebote keinerlei Verbindlichkeit mehr haben, da wird ihnen angst und bange, ob sie auch recht thäten, dem Apostel zu folgen. Daher denn auch der Apostel so säuberlich mit ihnen verfährt. So ergeht es jetzt in unserem Streit auch manchem. Er hat vielleicht früher weiter nichts von der Gnadenwahl gehört und geglaubt, als daß Gott diejenigen erwählt hat, von denen er vorausgesehen, daß sie sich bekehren und bis zum Tode treu sein würden. Und jetzt hört er mit einem Male, daß dies nicht richtig ist, daß nämlich die Wahl eine Wahl allein der Gnade sei, während auf der anderen Seite die Gegner schreien: Das ist calvinisch! Da begegnet es wahren Christen, daß sie ganz unruhig werden und daß in ihnen eine Stimme sagt: Wie? sollten unsere Lehrer wirklich abgefallen sein und uns vielleicht doch zu Calvinisten machen wollen? Da gilt's denn, ihr theuren Brüder, daß ihr eure Bibel zur Hand nehmt und fleißig unsere Lehre daran prüft. Ihr sollt ja uns, euren Lehrern, kein Wort eher glauben, als bis ihr erkannt habt, daß auch die heilige Schrift so lehre. Habt ihr aber unsere Lehre in der Bibel gefunden, dann werdet ihr getrost und fröhlich Ja und Amen dazu sagen und auch dabei bleiben, wenn andere auch noch so greulich diese Lehre als Calvinismus, sei es aus Bosheit oder in Blindheit, verlästern. Steht ihr in dieser geheimniß-vollen Lehre auf Gottes Wort, so werden auch die listigsten Einwürfe der Vernunft keinen Eindruck auf euch machen. Wie erging es Luther? Wenn ^r auch eine Bibelstelle hatte und sagen mußte , da steht's ja, so konnte er es doch nicht immer sogleich ergreifen. Es kam auch ihm vielmehr oft der Gedanke: vielleicht bist du doch im Jrrthum, bis er endlich durch Gottes Wort so erleuchtet wurde, daß er nun göttlich gewiß war: so und nicht anders kann es sein. Durch solchen Kampf muß jeder Christ hindurch und er wird erst dann göttlich gewiß, wenn er allein auf dem Worte stehen bleibt.

Das stärkste Argument der Papisten gegen Luther war: Du bist allein klug, blicke in die Väter, die sind alle gegen dich; das ist teuflischer Hoch-muth, daß du wider sie allein recht haben willst. Mit solchen Gedanken plagte der Teufel Luthern anfangs weidlich.

Luther schreibt daher auch Wider die Zwinglianer: „Ihr" (der Zwinglianer) „Fürgeben" (nämlich, daß die Worte im Abendmahl: ,Das ist mein Leib' müßten heißen: Das bedeutet meinen Leib) hat einen Schein, hat auch einen großen Anhang Aller, so gelehrt geachtet, in ganzem deutschen Land, aus Ursachen, die ich weiß; aber es fehlet ihnen an Einem Stück: daß sie noch nicht wissen, wie schwer es ist, vor Gott zu stehen-ohne Gottes Wort; Fürwitz und Frevel kann nicht anders handeln, denn wie sie handeln." (Bedenken des Colloquii halben, im Jahre 1529. XVII, 2355.)

 

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So ist es gerade auch jetzt. Es hat die Lehre unserer Gegner einen großen Schein, daher sie denn auch einen großen Anhang hat. Denn alle neumodischen Gläubigen in Deutschland, wenn sie auch selbst noch eine ganz andere Lehre haben als unsere Gegner, rufen doch diesen zu: Ihr habt recht! nämlich darin recht, weil es vernunftgemäßer ist. Daher auch wir wissen, woher der allgemeine Beifall kommt.

Das sind aber ernste Worte Luthers: „Sie wissen nicht, wie schwer es ist, vor Gott zu stehen ohne Gottes Wort." Solange einer nicht daran mit Ernst denkt: Diese Lehre soll ich am jüngsten Tage vor dem allgemeinen Weltgericht vertreten, so lange wird er auch nicht mit Ernst darnach sehen, ob er mit derselben auf dem rechten Grunde steht. Du kannst aber augenblicklich sterben. Wie? wenn dir dann dein Gewissen zuruft: bist du nun auch bereit, das vor Gott zu vertreten, wozu du Ja gesagt hast? Darum siehe wohl zu, wie es um dich steht. Kannst du sagen: HErr, dein Wort hat mich so gelehrt? Oder heißt es bei dir: Es war ein großer Streit, da habe ich mich zu denen geschlagen, die wie ein Hunnius, Polyc. Leyser, Gerhard, Quenstedt und andere fromme Väter lehren, und ich denke, das wird doch Wohl richtig sein? Steht es so, dann bist du verloren in der letzten Stunde. Da wird der Teufel sagen: „Sind denn daK deine Götter? Siehe, so bist du jetzt verloren, du kommst zu mir." Nur dann wird einer wider den bösen Feind bestehen, wenn er spricht: WaK gehen mich alle Menschen an? die Schrift lehrt so und so glaube ich's.

Luther schreibt daher : „Soll ich betrogen sein, so will ich lieber betrogen sein von Gott (so es möglich wäre), denn von Menschen; denn betreugt mich Gott, so wird er's wohl verantworten und mir Wiedererstattung thun. Aber Menschen können mir nicht Wiedererstattung thun, wenn sie mich betrogen haben und in die Hölle verführt. Solchen Trotz können die Schwärmer nicht haben, denn sie können nicht sagen: ich will lieber auf dem Text stehen, den Zwingel und Oecolampad zwieträchtiglich sprechen, denn auf dem, den Christus selbst einträchtiglich spricht. Demnach kannst du fröhlich zu Christo reden, beide an deinem Sterben und jüngsten Gericht, also: Mein lieber HErr JEsu Christe, es hat sich ein Hader über deinen Worten im Abendmahl erhoben; etliche wollen, daß sie anders sollen verstanden werden, denn sie lauten. Aber dieweil sie auch nichts Gewisses lehren, sondern allein verwirren und ungewiß machen und ihren Text in keinem Weg wollen noch können beweisen, so bin ich blieben auf deinem Text, wie die Worte lauten. Ist etwas finster darinnen, so hast du es wollen so finster haben; denn du hast keine andere Erklärung darüber gegeben noch zu geben befohlen. . . . Siehe, so wird kein Schwärmer mit Christo reden dürfen, das-weiß ich wohl; denn sie sind ungewiß und uneins über diesen Text." (Bekenntniß vom Abendmahl Christi. Anno 1528. Lomug XX, 1300 f.)

Luther nannte die Lehre der Reformirten vom Abendmahl einen zwie-

 

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trächtigen Text. Denn Zwingli sagte: Das bedeutet meinen Leib, und sein Glaubensbruder Oecolampad: Das ist meines Leibes Zeichen. Luther dagegen sagt: ich habe nur Einen Text, den Gottes Wort gibt : Das ist mein Leib. Ihr könnt nun nicht zu Gott sagen: ich will lieber mit dem zwie-trächtigen Text es halten, denn der steht nicht in der Bibel.

Und wenn Luther sagt: „Ist etwas finster darinnen, so hast du es wollen so finster haben", so sollen wir das gerade jetzt in der Lehre von der Gnadenwahl uns Wohl merken. Es ist ja da auch etwas finster. Deutlich sagt Gott, daß er wolle, daß alle Menschen selig werden, und dann hören wir wieder in der Lehre von der Wahl: während Millionen um ihres Unglaubens willen verloren gehen, werden die anderen ohne ihr Zuthun durch den Glauben selig, den doch Gott allein in ihnen gewirkt hat. Das können wir mit unserer Vernunft schlechterdings nicht reimen. Was sollen wir nun thun? Wir sollen eben beides stehen lassen, beides glauben. Es ist eben beides in der Schrift gelehrt. Die Gnade Gottes geht über alle Menschen, das ist sonnenhell und klar in der Schrift und ist unser höchster Trost Tag und Nacht, in guten und bösen Tagen und in der Stunde des Todes. Das lehren wir auch mit ganzem Ernste. Und wenn unsere Gegner leugnen, daß wir diese Lehre haben, so sind sie schändliche Verleumder. Unsere angebliche Sünde besteht nur darin, daß wir auch das glauben, was daneben von der Wahl in der Schrift gelehrt wird. Was davon dunkel ist, das wird Gott allein auflösen im Licht des ewigen Lebens. Wir haben nur einen einträchtigen Text von der Wahl. Dagegen unsere Widersacher haben einen zwieträchtigen. Denn die Hauptstellen von der Wahl, Röm. 8. Eph. 1. Joh. 15. und Apost. 13. werden von ihnen ganz verschieden ausgelegt; der eine lehrt so und der andere anders.

Wie die heilige Schrift den Glauben definirt, sehen wir aus Ebr. 11, 1.: „Es ist aber der Glaube eine gewisse Zuversicht deß, das man hoffet, und nicht zweifeln an dem, das man nicht siehet." Hier gibt der Apostel das an, was zum Wesen des Glaubens gehört, nämlich eine gewisse Zuversicht (Üir«i<r7-a<rc? im Griechischen, d. H. ein festes Fundament, worauf man sicher ruhen kann). Wer also hin und her schwankt in einer Lehre, oder wer zwar eine Lehre festhalten will, aber sie auf Menschenautorität gründet, der hat keinen Glauben daran.

Den Vater aller Gläubigen, Abraham, beschreibt der Apostel, Röm. 4, 20—22., also: „Denn er zweifelte nicht an der Verheißung Gottes durch Unglauben, sondern ward stark im Glauben und gab Gort die Ehre, und wußte aufs allergewifseste, daß, was Gott verheißet, das kann er auch thun. Darum ist's ihm auch zur Gerechtigkeit gerechnet." Das ist also der rechte Glaube, wenn man etwas aufs allergewisseste weiß. Dies ist aber nur dann möglich, wenn unser. Glaube auf Gottes Wort und Verheißung gegründet ist, wie Abrahams Glaube. Auch der einfältigste Christ darf sich in Glaubenssachen nicht auf seinen Prediger verlassen. Kein

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Christ darf denken: Verführt mich mein Pastor, so hat er's zu verantworten. Wohl ist letzteres wahr, aber wer selig werden will, muß seines eignen Glaubens leben. Darum, ihr lieben Christen, bedenket wohl, so lieb euch eure Seligkeit ist, so nöthig habt ihr's, daß ihr selbst in Gottes Wort studiret, damit ihr mündig werdet und fest wie Säulen dastehet, wenn ihr auch nicht alle die Gabe müsset haben, eure Lehre anderen zu beweisen und den Jrrthum zu widerlegen. Denn diese Gabe besitzen nicht nur nicht viele Laien, sondern selbst manche Prediger nur in geringem Grade. Dahin soll aber jeder einzelne Christ kommen, daß er sagen kann: Ich glaube nicht dem Prediger, weil er es sagt, sondern weil ich diese Lehre in Gottes Wort gefunden habe. Und da ein Christ vor allen Dingen nach dem Reiche Gottes trachten soll, so spreche doch Niemand: ich habe keine Zeit, über den Büchern zu sitzen. Diese Zeit müßt ihr euch nehmen, denn ihr müßt dahin kommen, daß ihr eures Glaubens aus Gottes Wort so gewiß werdet, daß ihr sagen könnt: Und wenn alle unsere Pastoren von dieser Lehre abfielen, wir bleiben dennoch dabei.

Luther beschreibt den Glauben auch also: „Glaube ist eine lebendige, erwegene Zuversicht auf Gottes Gnade, so gewiß, daß er tausendmal darüber stürbe." (Vorrede zum Briefe St. Pauli an die Römer. XIV, 115.)

Jeder soll sich daher wohl prüfen, ob er so steht in seiner Lehre und Glauben, daß er tausendmal darüber stürbe. Einen solchen Glauben hatten die lieben Märtyrer. Wäre er nur eine Vermuthung gewesen, so hätten sie sich gewiß nicht vor die wilden Thiere werfen und von ihnen zerfleischen lassen; aber sie waren gewiß: Wenn ich jetzt sterbe, so komme ich zu Gott in den Himmel und sehe seine Herrlichkeit. Jetzt ist zwar keine Verfolgung, aber jeder sollte zusehen, ob, wenn eine Verfolgung jetzt hereinbräche, sein Glaube dann diese Probe bestehen würde.

Ferner schreibt Luther: „Der Heilige Geist ist kein Skepticus" (das war unter den Heiden eine philosophische Secte, deren Princip war, an allem zu zweifeln); „er hat nicht einen ungewissen Wahn in unser Herz geschrieben, sondern eine kräftige große Gewißheit, die uns nicht Wanken läßt und (will's Gott) nicht wird uns Wanken lassen, sondern (Gott Lob!) so gewiß macht, als gewiß wir sind, daß wir jetzund natürlich leben oder daß zwei und drei fünf seien." (Daß der freie Wille nichts sei. XVIII, 2066.)

Wenn mir Jemand beweisen wollte, ich lebte gar nicht, ich bildete mir das bloß ein, könnte der mich Wohl irre machen? Gewiß nicht. Ich fühle es ja, daß ich lebe. Einem Schulknaben von 10 Jahren wird auch Niemand weis machen können, daß zwei und drei sechs sind. So soll es auch mit unserem Glauben beschaffen sein. Ich soll gerade so gewiß sein, daß meine Lehre recht ist, als ich gewiß bin, daß ich lebe.

Quenstedt schreibt daher: „Die göttliche Offenbarung ist das erste und letzte Princip der heiligen Theologie, über welches hinaus es in

 

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einer theologischen Verhandlung (äiseurLu) unter den Christen kein Weitergehen gibt. Denn jeder Zweifel in Betreff der Religion wird durch die göttliche Offenbarung in dem Gemüth eines Christenmenschen gehoben und in ihr überwindet, beruht und gründet der Glaube desselben (nämlich die göttliche Offenbarung) dergestalt, daß sie das Gemüth dessen, welcher ihr beistimmt, von aller Furcht und von allem Argwohn einer Täuschung befreit und gewiß macht." (Pb. äiä.-polsm. ?. I. 0. 3. 8. 2. Lol. 25.)

Wenn wir in einer Lehre bis zur Schrift gekommen sind, so sollen wir sagen: Jetzt ist die Sache abgeschloffen und darf mir Niemand mehr mit einem Aber oder Jedoch kommen; ich bin fertig. Die Schrift ist das A und das O aller seligmachenden Wahrheit. Von der Schrift kann nicht appellirt werden an ein höheres Gericht. Wem also die Schrift seine Zweifel nicht hebt, der ist ein Unchrist. Sobald er aber in die Schrift geht, werden seine Zweifel gehoben, wenn er ein Christ ist. Nur durchs Wort kommen auch die letzten Zweifelsplitterchen heraus. Und nur dann werden wir auch als ehrliche Leute eine Lehre durchkämpfen, wenn wir göttlich gewiß sind, das heißt, wahrhaft daran glauben.

Sehr tröstlich ist, daß es vom Abraham heißt, er „ward stark", nicht, er war von Anfang an stark im Glauben. Auch er hatte also erst mit Zweifel zu kämpfen. Also wenn auch wir nicht gleich ganz gewiß in einer Lehre sind, so laßt uns nur am Wort der Schrift uns festhalten, so wird es einem jeden sicherlich gelingen, daß er zuletzt seiner Sache ganz gewiß wird. Wir sollen uns aber auch durch die Drohung Gottes anreizen lassen, am Wort festzuhalten, die er im Jesaias stellt: „Werden sie das nicht sagen, so werden sie die Morgenröthe nicht haben", d. H. sie können nicht selig werden, sondern gehen in der Nacht des Zweifels einher und stürzen endlich in die Verdammniß.

" Jede Lehre muß nothwendig Zweifel erzeugen, die nicht aus Gottes Wort geschöpft ist. Nur Gottes Wort gibt Gewißheit. Was aus der Vernunft kommt, kann auch mit der Vernunft bestritten werden. Daher keine Gewißheit, sondern Zweifel in menschlichen Lehren ist. Sagte doch einer unserer Gegner öffentlich: „Ob ich im stricten Sinne erwählt bin, das weiß ich nicht." „Furcht und Hoffnung", schreibt ein anderer, „sind die beiden Mühlsteine, zwischen denen sich ein Christ befindet." Darum laßt uns ja alle Menschenlehre verfluchen, weil sie zum Zweifel führt. Ein dänischer Theologe führt in einem Büchlein einmal es so aus: „Ein Mensch wird zunächst aus der Bibel allein gewiß, denn der Heilige Geist ist in der Schrift und nimmt ihn gefangen, zwingt ihn, daß er an den Text gebunden ist. Dann treibt der Heilige Geist zum Bekennen dieser Lehre, einmal durch den Befehl in der Schrift: du sollst bekennen, und sodann durch innerliche Anfechtung. Wenn z. B. ein Luther vor sich sieht Entsetzen, Feindschaft, Widerspruch und Kampf und er will zurückweichen, so sagt der Heilige Geist: Geh voran! Denn die Anfechtung und Noth, die er hat, wenn er

 

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nicht gehen will, ist viel stärker, als alle Furcht und Schrecken von außen. Es steht Gottes Wort hinter ihm wie ein Riese und treibt ihn vorwärts, daß er dann auch nichts darnach frägt, was aus dem Bekennen entstehen würde. Konnte doch auch Luther nicht wissen, was für eine Kirche er aufbauen würde, oder ob er nicht in kürzester Zeit würde verbrannt werden."

Soweit also Gottes Wort geht, so weit hat wahrer Glaube statt. Wo das aufhört, ist kein Glaube, sondern ein Wahn, der sich sogar zum Fanatismus steigern kann. Daher hat nie ein Papist wirklich geglaubt, daß die Rechtfertigung auch auf unseren Werken beruhe oder daß der Pabst das Oberhaupt der christlichen Kirche sei; weil davon nichts in der Schrift steht. Die Väter aus dem 17. Jahrhundert haben über das Intuitu Läsi viele tausend Seiten geschrieben. Aber keiner hat hierüber wirklich Glauben gehabt, weil das Intuitu üäsi nicht in der Schrift steht. Sie haben wohl gemeint, daß sie das glauben, aber es war nur ein Wahn, eine Einbildung. Und die uns so bitter bekämpft haben in dieser Lehre, die haben hierin keinen Glauben haben können, sondern es ist eitel Fanatismus. Darum schreibt Luther: „Das Wesen und die Natur des Glaubens ist, dast er auf Gottes Wort sich baue und verlasse. Und wo nicht Gottes Wort ist, da mag und soll kein Glaube sein." (Am Tage der Hl. 3 Könige. E. A. X, 380.)

Man beachte auch in unserer Thesis das Wort: „göttlich gewiß." Denn die Türken sind auch ihres Glaubens gewiß, so daß sie sich dafür todtschlagen lassen oder in's Pesthaus gehen und die Leichname auf den Achseln heraustragen. Der Glaube der Türken ist nämlich: was Gott will, das geschieht doch, der Mensch mag thun, was er will.

So ist Wohl auch möglich, daß unsere Gegner ihrer Sache auch gewiß sind, aber'sie können derselben nicht göttlich gewiß sein, denn das wird man nur durchs Wort. Ein Glied der Conferenz erzählte hierzu aus seinen früheren Erfahrungen Folgendes: Ich habe auch vielfach erfahren, wie schrecklich es ist, auf Väter sich verlassen. Als ein Ungläubiger kam ich auf die Universität. Doch hatte ich so viel aus meines Vaters Hause mitgebracht, daß die Bibel Gottes Wort ist. Da kam ich endlich unter Gläubige, wurde erweckt und nun war mir alles gleich gewiß. Aber ich konnte nicht glauben, daß Christi Leib und Blut im Abendmahl sei. Da dachte ich: wenn du nur wüßtest, wie die alten ersten Christen das Wort: das ist mein Leib, verstanden haben, dann würdest du es auch glauben. Denn ich meinte: Ja, der Zwingli hat auch bedeutende Gründe für sich. Ach! dachte ich: wenn du nur ein Buch aus der Apostel Zeit hättest! Bei einem Juden fand ich dann das Neue Testament in fünf Uebersetzungen und hinten drangebunden die Schriften der Schüler der Apostel, welches ich mir für 6 Groschen kaufte. Nun fand ich endlich eine Stelle, die lautete in schlechter Uebersetzung: „Danksagung ist Fleisch und Blut Christi, und wer das leugnet, dem soll man aus dem Wege gehen, wie einem wilden Thiere."

 

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Nun wußte ich mir aber das Wort Danksagung gar nicht zu erklären. Aber ich fand im Gerhard, daß die erste Kirche das heilige Abendmahl Danksagung genannt hat, wie wir es Communion nennen. Nun war mein Herz voller Freude, daß mir der alte Ignatius, ein Schüler des Paulus, solches Zeugniß gab, und glaubte nun meiner Sache ganz gewiß zu sein, hielt es auch nun für recht, daß man gegen Zwingli ernstlich auftrat. Aber das dauerte gar nicht lang, so kamen mir doch wieder Zweifel, nämlich darüber, ob das Buch nicht untergeschoben sei; hörte auch auf der Universität: mit Ignatius' Briefen ist es nicht so ganz sauber! Nun ging ich in Luther. Da endlich wurde ich gewiß, nicht weil es Luther sagte, sondern weil er es mir aus Gottes Wort so klar bewies, daß jeder Zweifel verstummen mußte. Nun wurde ich göttlich gewiß.

Es ist aber endlich auch darum schriftwidrig, Sachen des Glaubens aus den Schriften der Väter begründen und die Gewissen an die Lehrentscheidungen derselben binden zu wollen, weil es auch

„wider die in der Schrift enthaltenen Warnungen vor Vertrauen auf Menschen auch in Glaubenssachen, und vor allen Menschenlehren, sowie Wider die darin enthaltenen Ermahnungen, alles zu prüfen", ist.

Das Erste ist also: Es ist wider die in der Schrift enthaltenen Warnungen vor Vertrauen auf Menschen auch in Glaubenssachen.

Psalm 62, 10. heißt es : „Aber Menschen sind doch ja nichts, große Leute fehlen auch." Auf sogenannte kleine Leute sich nicht verlassen, ist keine große Kunst, aber es wird schwer, nach Menschen nichts zu fragen, wenn sogenannte „große Leute", die in Absicht auf Erkenntniß, Erleuchtung und Heiligkeit vor allen hervorragen, eine besondere Lehre führen. Nur zu leicht und geschwind fällt man diesen dann zu. Aber Gewißheit, daß die Lehre recht ist, erlangt ein Christ auf diesem Wege nie. Menschen-. autoritär gibt seinem Gewissen keine Beruhigung, wenn auch noch so hoch-begabte Männer diese oder jene Lehre führen. Ein wahrer Christ muß vielmehr wissen, daß Gott selbst sagt: „Große Leute fehlen auch." Darum ist es höchst unchristlich, sich damit zu beruhigen, daß ein großer berühmter Mann, und wenn er der Kirche auch noch so außerordentliche Dienste geleistet hätte, so oder so lehrt. Denn kein Mensch ist sicher vor Jrrthum. Nur die Propheten und Apostel hatten das Privilegium, daß sie nicht irren konnten, wenn sie in ihrem Berufe mündlich oder schriftlich lehrten. Wenn sie da etwas Irriges hätten niederschreiben wollen, so hätte sie Gott ohne Zweifel entweder mit Donnerkeulen niedergeschmettert oder doch daran gehindert, wie Bileam, als er dem Volke Gottes fluchen wollte. Gott hat die heiligen Schreiber nicht nur erleuchtet, sondern auch geheiliget, daß sie nicht nur nicht irren konnten, sondern auch nicht irren und Gottes Wort fälschen wollten. Daher Paulus schreibt 2 Cor. 4, 2.: „Wir gehen nicht mit Schalkheit um, fälschen auch nicht Gottes Wort, sondern mit

 

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Offenbarung der Wahrheit" rc. Das Wort der heiligen Schreiber bleibt daher die einzige Norm aller Lehre bis an den jüngsten Tag. Das gilt von keinem anderen menschlichen Schreiber. Daher sollen wir uns auch als eine Parallele das Wort des Propheten Jeremias merken: „Verflucht ist der Mann, der sich auf Menschen verläßt und hält Fleisch für seinen Arm." Vor diesem Worte sollte man auch in diesem unserem Streite erzittern. Wer den Vätern als seiner Autorität in einer Lehre folgt, der hält einen armen Menschen, der nichts ist, als gebrechliches Fleisch, für seinen Arm, für seine Stärke, macht ihn also zu seinem Gott. Uebrigens sind es nicht einmal immer „große Leute", an die man sich hängt. Häufig imponiren dem armen Volke die allerarmseligsten Wichte und man nimmt ihre Lehre auf, als ob sie vom Himmel herab geredet wäre, als das purlauterste Evangelium. O, wie verderbt ist doch der Mensch! Selbst in Glaubenssachen hängt er sich oft an die miserabelsten Subjeete.

Wir lesen ferner Joh. 2, 23—25.: „Als er aber zu Jerusalem war in den Ostern auf dem Fest, glaubten viele an seinen Namen, da sie die Zeichen sahen, die er that. Aber JEsus vertrauete sich ihnen nicht; denn er kannte sie alle, und bedurfte nicht, daß jemand Zeugniß gäbe von einem Menschen; denn er wußte wohl, was im Menschen war." Hier steht nun zwar nicht geradezu, daß man auch auf keinen Gläubigen vertrauen soll. Es wird uns aber erzählt, daß viele an den HErrn JEsum glaubten, aber Christus traute ihnen doch nicht, „denn", heißt es, „er kannte sie alle". Damit sagt aber der HErr indirect: auch auf die Gläubigen ist in Glaubenssachen nicht zu bauen. Wohl soll man von jedem, welcher sich zum Wort bekennt, der Liebe nach das Beste denken; aber dennoch ihm nicht ohne weiteres trauen in Glaubenssachen. Und warum nicht? Er kann irren. Nichts in der Welt soll uns bewegen, einem Menschen, er sei auch noch so gewiß gläubig, um seinetwillen in der Lehre zu folgen.

Luther schreibt daher: „Das ist nun gar eine nöthige Lehre, daß wir uns zu den Leuten allezeit das Beste versehen sollen, sonderlich zu den Gläubigen, und dennoch wissen, daß sie fehlen und irren können. Welche Lehre, wenn sie wäre in der Christenheit fester gehalten worden, so hätten wir weder den Pabst, noch alle seinen Dreck und Stank der antichristischen Lehre, damit die christliche Kirche hernach verführet worden ist, gehabt. Denn im Pabstthum hat man bald also geschlossen und gesagt: O, der ist ein heiliger Mann, darum so ist's alles recht, was er sagt. Deß nimm für dich die Exempel St. Ambrosii, Gregorii, Augustini und Hieronymi, und hernach besser herab, Bernhardt, Benedicti, Dominici und Francisci; bis man zuletzt alles aufgerafft hat, was nur ein jeder gesagt und gelehret, der da für einen heiligen Mann ist gehalten worden. Dafür soll ich mich hier warnen lassen und sagen: Ich will gerne gläuben, daß die obgemeldten Leute, als St. Gregorius, Ambrosius und Augustinus, heilige Leute gewesen sind; aber ich traue ihnen nicht. Denn ob sie gleich heilig

 

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sind, so mußt du darum nicht sagen, daß sie nicht irren und fehlen könnten und daß man auf alle der Väter Reden bauen und trauen sollte, item, alles für Recht annehmen und gläuben, was sie gelehrt hätten. Sondern nimm den Streichstein und Probierstein vor die Hand, nämlich das göttliche Wort, und probiere, urtheile und richte darnach alles dasjenige, was die Väter geschrieben, gepredigt und geredet haben, auch sonst (was sie) von Regeln, Menschensatzungen und anderm gemacht haben. Denn wo man dies nicht thut, so wird man liederlich verführt und betrogen. Und weil man vorzeiten den Pabst zu dieser Schleifmühle nicht geführt, so hat er gut machen gehabt und die Kirche mit Jrr-thum, gleich als mit einer Sündfluth, überschwemmet, und es dahin gebracht, daß man alle Reden und Lehren, ja, was auch den Mönchen und Pfaffen des Nachts geträumet, als heilig und köstlich angenommen und gegläubet hat. .. Aber dafür soll man sich fleißig hüten. Denn es ist kein Heiliger in diesem Leben rein und ohne Sünde, er hat noch Fleisch und Blut an ihm hangen und den Teufel neben sich, der ihn wohl kann irre machen, daß er strauchle und falle." (Zu den Worten: „Es glaubten viel an seinen Namen, da sie die Zeichen sahen, die er that. Aber JEsus vertrauet sich ihnen nicht." Joh. 2, 23. 24. S. Ausl, des 1. und 2. Cap. Joh. VII. 1785 ff.)

Also deswegen, weil dek größte Glaubensheld irren kann, soll man ihn zwar nicht mit Verdacht hören, sondern sich des Besten zu ihm versehen, aber auch nicht vergessen, daß er irren könne. Das ist daher auch keine Verachtung unserer lieben alten Lehrväter, wenn wir sagen: Sie sind große Männer gewesen, aber sie haben geirrt. Nur von den Aposteln und Propheten darf man dies nicht sagen. Wohl waren auch diese keine Götter; aber von ihnen sagt ausdrücklich Christus: „Wer euch höret, der höret mich." Daher glauben wir nicht Menschen, wenn wir ihnen ohne weiteres folgen, sondern Gott selbst.

In unserer Thesis heißt es aber noch: „und vor allen Menschenlehren" (werden wir nämlich in der Schrift gewarnt). Hierher gehört die Stelle Matth. 5, 21. 22. : „Ihr habt gehört, daß zu den Alten gesagt ist: Du sollst nicht tödten; wer aber tödtet, der soll des Gerichts schuldig sein. Ich aber sage euch: Wer mit seinem Bruder zürnet, der ist des Gerichts schuldig; wer aber zu seinem Bruder sagt: Racha, der ist des Raths schuldig; wer aber sagt: Du Narr, der ist des höllischen Feuers schuldig." Höchst merkwürdig! Als der HErr das erste Mal mit einer langen Predigt auftrat, was lehrte er da? wogegen trat er da zuerst auf? Gegen die väterlichen Traditionen, auf welche damals auch die Juden ihren Glauben gründeten. Denn wenn Christus sagt: „Ihr habt gehört, daß zu den Alten gesagt ist" re., so meint er damit nicht die im Alten Testament enthaltenen zehn Gebote. Denn der HErr sagt ja nicht: Ihr habt' gelesen, so daß man es auf die Schriften Mosis beziehen müßte; son-

 

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dern: „Ihr habt gehört." Christus redet also von den sogenannten mündlichen Ueberlieferungen der Alten. Darum, wenn Christus spricht: „Du sollst nicht tödten", führt er damit nicht die Worte Mosis als solche an, wenn sie auch geradeso klingen. Christus führt diese Worte vielmehr deswegen so nackt an, anzuzeigen, daß die Alten dieselben nur in ihrem groben Verstand genommen und ausgelegt hätten. Sie sagten nämlich: „Wenn du nicht mit der Hand einen Menschen todtschlägst, so hast du das fünfte Gebot gehalten. Wenn du nicht in Schande mit einem fremden Weibe lebst, so hast du das sechste Gebot gehalten. Wenn du nicht geradezu falsch schwörst d. i. eine Lüge beschwörst, so hast du das achte Gebot gehalten; mehr ist nicht darin verboten." Kurz, der HErr handelt von den überlieferten Verdrehungen der zehn Gebote, um so zunächst die Lehre des Gesetzes von denselben zu reinigen. Darauf macht auch

Chemnitz aufmerksam, wenn er schreibt: „Diese ganze Stelle: .Ihr habt gehört, daß zu den Alten gesagt ist' rc., ist von denjenigen verdunkelt, ja, greulich verkehrt worden, welche dafür gehalten haben, daß Christus diese seine Erklärung dem Gesetze selbst entgegenstelle. .. Aber die Worte, von welchen Christus sagt, daß sie zu den Alten gesagt seien, sind nicht so anzusehen, als seien sie aus Moses genommen; es sind vielmehr diejenigen, mit welchen die auslegenden Schriftgelehrten ihre Traditionen in Betreff des Gesetzes dem Volke oder ihren Zuhörern vorzutragen pflegten, daher spricht er: .Ihr habt gehört'. Die Pharisäer nämlich, um zur Bestätigung der Gerechtigkeit der Werke die Erfüllung des Gesetzes nicht nur als möglich, sondern als so leicht vorzustellen, daß sie nach ihren Traditionen noch viel mehr thun könnten, Luc. 18, 11. 12., verkehrten die Erkenntniß der Sünde aus dem Gesetz auf verschiedene Art und Weise. Diese Verkehrungen thut Christus ab und stellt der wahren Auslegung des Gesetzes das Licht wieder her." (Harwon. sv. aä I. 6.)

Die Papisten sind nämlich diejenigen, welche sagen, hier rede Christus von dem Gesetz Mosis, und wenn er nun fortfahre: „Ich aber sage euch" rc., so habe er damit eben ein schärferes Gesetz gegeben, als Moses; im Alten Testament sei Gott zufrieden gewesen, wenn man die zehn Gebote nur nicht grob übertrat; im Neuen Testament aber werde nun ein schärferes Gesetz gestellt, ja ein so scharfes, daß es einem gewöhnlichen Menschen gar nicht möglich sei, es zu halten; jene schweren Forderungen seien im Grunde nur Rathschläge, die nur der zu halten brauche, welcher vollkommen sein wolle. Denn z. B. seine Feinde lieben, völlig keusch leben, das könne nur ein Mönch oder ein sonst besonders Begnadigter, welcher mehr thue, als die zehn Gebote von ihm fordern.

Leider ist auch in unserer Kirche das Gesetz nicht immer in seiner Schärfe ausgelegt, sondern namentlich in Einem Punkte sehr abgeschwächt worden. Wenn z. B. der Grundsatz aufgestellt wurde: „Die Liebe fängt bei sich selbst an", so ist das ein Satz, der schließlich das ganze

 

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Gesetz umwandelt. Nein, die Liebe fängt beim Nächsten an. Unser lieber Luther dagegen folgte den Fußstapfen seines Heilandes. Als er auftrat, da predigte er nicht bloß das Evangelium rein und lauter, sondern auch das Gesetz in seinem rechten geistlichen Sinn und Verstand. Daher es zu verwundern ist, daß in unserer lutherischen Kirche jene so laxe Anschauung in Betreff der zweiten Tafel des Gesetzes zu Tage treten, ja, zur Ueberlieferung werden konnte.

Daß der Heiland in dem vorliegenden Spruche die menschlichen Ueberlieferungen meint, sehen wir übrigens auch aus der Vergleichung mit anderen seiner Redeweisen. Will er nämlich vom Alten Testament reden, so spricht er: „Wie liesest du?" „Wie steht im Gesetz geschrieben?" Hier aber sagt er: „Ihr habt gehört."

Ferner lesen wir Matth. 15, 9.: „Aber vergeblich dienen sie mir, dieweil sie lehren solche Lehren, die nichts denn Menschengebot sind." Ein großes Wort! Wenn also etwas ein Menschengebot ist und ich thue es, um damit Gott zu gefallen, so ist das ganz vergeblich. Und wenn ich mir das Blut abzapfen ließe, wie die Baalspfaffen sich mit Messern ritzten und meinten, ihr Baal werde sie dann eher erhören, ja, wenn ich mich zu Tode fastete, zu Tode geißelte, um Gott damit zu gefallen, so ist das alles verloren, denn Gott hat mir's nicht geboten. Mögen daher immerhin gewisse Mönche, um sich ein Verdienst zu erwerben, mitten in der Nacht aufstehen, sich in einem kalten Zimmer auf die Kniee werfen und eine Stunde lang beten; da meint man wohl, wenn die nicht in den Himmel kommen, wer soll dann wohl hineinkommen? aber es ist doch alles verloren. Ihr Beten, ihr Fasten, ihr Wachen, ihr hartes Lager, alles gilt nichts vor Gott. Warum? Weil er's nicht befohlen hat. Denn Gott ist Gott, und er will's allein uns sagen, was wir zu thun haben, wenn es ihm gefallen soll. Daher gehört auch das Exempel König Sauls hierher. Der hatte von Gott den Befehl, des Feindes Thiere sämmtlich zu verbannen d. H. zu tödten und zu vergraben. Aber Saul dachte: Ach, die Masse feister, fetter Rinder geben ein reiches Opferfest; davon wollen wir hundert schlachten und alle Welt wird sich verwundern, wie viel wir unserem Jehovah opfern. Aber da kommt der Prophet Samuel und spricht: Was ist das für ein Gebrüll der Rinder? Du hast Gottes Wort verworfen, darum will ich dich auch verwerfen. Denn Gehorsam ist besser denn Opfer. Ein Sprüchwort unter uns Deutschen sagt daher: Es ist leichter, sich den Himmel, als die Hölle, zu verdienen.

Endlich sagt unsere Thesis: „sowie wider die darin enthaltenen Ermahnungen, alles zu prüfen." Davon haben wir schon oft, auch in der Vorerinnerung ausführlich gehandelt. Hören wir daher nur die Sprüche, welche solche Ermahnungen enthalten.

1 Thess. 5, 20. 21. heißt es: „Die Weissagung verachtet nicht. Prüfet aber alles und das Gute behaltet." Wenn der Heilige Geist zuerst

 

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sagt: Verachtet nicht in der Kirche Menschen, wenn sie lehren, so könnte Jemand leicht auf den Gedanken kommen : Man solle auch Respect vor den frommen Lehrern dann haben, wenn sie Irriges lehren. Darum setzt er sogleich hinzu: „Prüfet aber alles und das Gute behaltet."

Ferner lesen wir Joh. 4, 39—42.: „Es glaubten aber an ihn viel der Samariter aus derselbigen Stadt, um des Weibes Rede willen, welches da zeugete: Er hat mir gesagt alles, was ich gethan habe. Als nun die Samariter zu ihm kamen, baten sie ihn, daß er bei ihnen bliebe; und er blieb zween Tage da. Und viel mehr glaubten um seines Worts willen. Und sprachen zum Weibe: Wir glauben nun fort nicht um deiner Rede willen; wir haben selber gehöret und erkannt, daß dieser ist wahrlich Christus, der Welt Heiland." Merkwürdig! Erst heißt es : sie glaubten um des Weibes Rede willen, was der Evangelist auch offenbar zuerst hervorheben will. Christus kam nämlich als ein ganz fremder Mann an den Brunnen der samaritischen Stadt Sichar und als ein Weib aus der Stadt kommt, läßt er sich mit ihr in ein Gespräch über das Kommen des Messias ein. Da ihr nun der HErr alles sagt, was sie gethan hat, was kein Mensch außerhalb Samarias wissen konnte, und ihr bezeugt, daß Er der Verheißene sei, da glaubt sie nicht nur, sondern eilt nun sogleich in die Stadt und erzählt da alles, was sie soeben erfahren hat. Viele Einwohner machen auch sofort den Schluß: Das muß der Messias sein. Als sie aber JEsum selbst gehört haben, da sprechen sie: „Wir glauben nun fort nicht um deiner Rede willen; wir haben selber gehöret und erkannt, daß dieser ist wahrlich Christus, der Welt Heiland." Wohl hatten sie also um des Weibes Rede willen schon geglaubt mit einem menschlichen Glauben; als sie aber durch Christi eigenes Wort zu einem göttlichen Glauben gekommen waren, ließen sie des Weibes Rede gänzlich fahren. Warum wird uns das Wohl erzählt? Deswegen, daß wir lernen auf keines Menschen Rede unseren Glauben schließlich bauen. Wohl sollen wir sehr dankbar sein für die Reden und Schriften gottseliger Männer, wenn sie uns in die Schrift hineinführen. Aber nicht um ihretwillen sollen wir dann glauben, sondern weil wir es in der Schrift gefunden haben. Auch bei uns soll es heißen: wir glauben nun nicht mehr um eines Luther, um eines Gerhard, um eines Quenstedt, Hunnius, Heshusius, Calov, Dannhauer u. a. willen, sondern weil wir es in der Schrift gelesen haben.

1 Cor. 10, 15. heißt es: „Als mit den Klugen rede ich, richtet ihr, was ich sage." Das geht nun über alles. Paulus war, wie die Corin-ther ganz gut wußten, ein unmittelbar erleuchteter Knecht Gottes. Und dennoch sagt er zu ihnen: „Richtet ihr, was ich sage." Er stellt also selbst das, was er sagt, dem Urtheil der corinthischen Christen anheim und will, daß sie ihm in klarer Ueberzeugung zustimmen. Thut dies ein Apostel, was sind andere Lehrer, daß sie blinde Zustimmung zu Allem, was sie sagen, fordern dürfen?

 

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Apost. 17, 11. wird uns erzählt von den Beroensern: „Denn sie waren die edelsten unter denen zu Thessalonich; die nahmen das Wort auf ganz williglich und forscheten täglich in der Schrift, ob sich's also hielte." Daß wir hier gewarnt werden, nichts ungeprüft anzunehmen, ist nach dem Vorhergehenden ganz offenbar. Zugleich haben wir aber auch hier einen Beweis, daß wir auch nichts prüfen sollen nach menschlichen Schriften. Denn warum gibt der Heilige Geist den Beroensern dies außerordentliche Lob, daß sie, wie es nach dem Griechischen heißt, noch edler, als die zu Thessalonich, waren? Als Beweis dafür sagt er: „Sie forscheten täglich in der Schrift, ob sich's also hielte." Warum sagt aber der Apostel nicht zu ihnen: Was ich euch heute gepredigt habe, das müßt ihr ohne Weiteres glauben, denn Christus selbst ist mir erschienen; ihr streitet sonst Wider Gott? Weil die Beroenser noch nicht mit göttlichem Glauben wissen konnten, ob der Apostel inspirirt war. Darum prüften sie ihn erst und mußten sie ihn erst prüfen. Woran aber? An der Schrift Alten Testamentes ganz allein und nicht an irgend welchen menschlichen Schriften.

Luther schreibt: „Was ist es Noth, mehr Sprüche herzuführen? Alle Warnungen, die St. Paulus thut Röm. 16, 13. 18. 1 Cor. 10, 14. Gal. 3, 4. 5. Col. 2, 8. und allenthalben, item, aller Propheten Sprüche, da sie lehren Menschenlehre zu meiden, die thun nichts Anderes, denn daß sie das Recht und Macht, alle Lehre zu urtheilen, von den Lehrern nehmen und mit ernstlichem Gebot bei der Seelen Verlust den Zuhörern auflegen; also, daß sie nicht allein Recht und Macht haben, alles, was gepredigt wird, zu urtheilen, sondern sind schuldig, zu urtheilen, bei göttlicher Majestät Ungnaden." (Grund und Ursache aus der Schrift, daß eine christl. Versammlung oder Gemeine Recht und Macht habe, alle Lehre zu urtheilen. Vom Jahre 1523. X, 1799 f.)

Das heißt doch wahrlich gründlich aufgeräumt. Die Papisten sagen: Die Priester haben allein das Recht, alles zu prüfen, den Laien kommt nur zu, gehorsam anzunehmen, was ihnen die Priester vorlegen. Umgekehrt! sagt Luther; Gott hat dieses Recht den Priestern genommen und den Laien gegeben. Ein Prediger denkt und sagt natürlich immer: Ich habe recht gepredigt. Aber nun steht es bei den Zuhörern, zu prüfen, ob dem so sei. Da kommt vielleicht schon am Montag ein Gemeindeglied und sagt: Herr Pastor, was Sie gestern von der Stelle gepredigt haben, scheint mir nicht recht zu sein; das kann ich daher nicht annehmen. Ist er nun ein rechter Prediger und er sieht ein, daß er wirklich aus menschlicher Schwachheit etwas Jrrthümliches gesagt hat, so wird er nicht erzürnt werden über die angebliche Anmaßung eines Laien, sondern er wird sprechen: Gut, Sie haben recht, ich will das nächsten Sonntag widerrufen. Ist aber der Zuhörer im Jrrthum, so wird ihm ein rechter Prediger in aller Freundlichkeit dies nicht nur Nachweisen, sondern ihn auch deswegen beloben, daß er nichts ungeprüft annehmen wolle.

 

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Ferner schreibt Luther: „Ueber der Lehre zu erkennen und zu richten, gehöret vor alle und jede Christen, und zwar so, daß der verflucht ist, der solches Recht um ein Härlein kränket. . . Wie ein jeder auf seine Gefahr recht oder falsch gläubet, so hat auch ein jeder billig dahin zu sorgen, daß er recht gläube; daß auch der gemeine Menschenverstand und die Nothwendigkeit der Seligkeit es gibt, daß das Urtheil über die Lehre nothwendig bei dem Zuhörer sein müsse. Sonst ist vergeblich geschrieben: »Prüfet alles, und das Gute behaltet.'" (Antwort auf König Heinrichs VIII. von England Buch Wider seinen Tractat von der babylon. Gefängniß. Vom Jahre 1522. XIX, 424. 426.)

Luther zeigt hier, daß es schon Wider die Vernunft, Wider den gemeinen Menschenverstand ist, das Urtheil über die Predigt den Lehrern und nicht den Zuhörern zu geben. Denn entweder führt mich mein Prediger mit seiner Lehre in den Himmel oder in die Hölle. Und ich sollte es mir blindlings gefallen lassen müssen, daß er mich etwa zur Hölle führt? Das sei ferne! Meine Seligkeit fordert, daß ich die Freiheit habe, meines Predigers Lehre zu prüfen. Das ist heilige Christenpflicht.

Man bedenke auch, daß es Psalm 62, 10. im Grundtext mit besonderem Nachdruck heißt: „Lüge sind große Leute." Also, wenn sie etwas bringen, was sie nicht aus der Schrift geholt, sondern selbst erdacht haben, so soll man dran denken, daß der Psalm sagt: „Es ist Lüge in dem, was sie aus sich selbst haben." Luther macht daher zu diesem Vers folgende Randglosse: „Wer sich auf Menschen verläßt, der fehlet. Wie groß sie auch sind, so ist's doch nichts mit ihnen und muß fehlen." Was für ein großer Mann ist der Hohepriester Aaron gewesen und wie sehr ist er abgewichen, so daß er durch das goldene Kalb die Juden zu schändlicher Abgötterei verführte! Darum prüfe man ja Wohl alles, auch das Geringste, was Menschen lehren, und behalte nur das Gute, das heißt, das, was aus der Schrift geholt ist.

Bei jedem rechten Lutheraner soll sich also zweierlei finden: Erstlich, was Gottes Wort betrifft, da übt er gar keine Kritik, denn er weiß, hier redet Gott allein und da darf er nicht fragen: Ist es auch wahr, recht, nützlich? sondern da muß er alles ohne Weiteres annehmen. Das war ja auch Luthers Stellung den Schwärmern gegenüber. Wenn sie fragten: Wie ist es möglich, daß im Abendmahl Christi Leib und Blut sein kann? Was ist das noth und nütze? so antwortet ihnen Luther: Und wenn mir Gott nur einen Strohhalmen aufzuheben beföhle und daran meine.Seligkeit bände, so soll ich es ohne Weiteres thun und nicht fragen: Was soll das? Daher Luther auch schreibt: „Wenn der Teufel Jemand dahin bringt, daß er sagt in dem Artikel unseres Glaubens : Ist's auch recht? Ist's auch fein also? so gnade ihm Gott, er ist schon dahin." (Erl. 2te Auflage. Band 15, 358.)

 

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Es ist dies besonders in unserer Zeit wichtig. Viele gelten für Lutheraner, denen doch die allererste Eigenschaft eines wahren Lutheraners abgeht. Sagen doch selbst viele sogenannte Lutheraner, daß sich auch in der heiligen Schrift Jrrthümer finden. Mögen solche immerhin in einzelnen Lehren recht lehren: weil sie sich eine Kritik der heiligen Schrift erlauben, so sind sie keine Lutheraner. Denn die lutherische Kirche erkennt die Bibel an als den rechten lauteren Brunnen Israelis.

Das zweite Kennzeichen eines wahren Lutheraners ist, daß er menschliche Schriften immer der Kritik unterwirft. Er nimmt die Schriften, die von geistlichen Dingen handeln, nicht darum an, weil sie dieser oder jener angesehene Mann geschrieben hat. Wer an Gottes Wort Kritik übt, der ist ein Rationalist und Heide, wer bei Menschlichen Schriften nicht Kritik üben will, der ist ein Papist. Der Menschen Verlangen geht zwar von Natur dahin, auf Menschen zu sehen. Um uns in diesem Stücke zu curiren und unser Verlangen in rechter Weise zu befriedigen, so hat Gott — sagt Luther — seinen Sohn selbst Mensch werden lassen.

Luther schreibt: „Darum rede ich nicht viel davon, ohne daß man bleibe bei den Worten einfältig und lasse sich die Worte fangen. Wir haben's im Glauben genugsam, da wir sagen: Ich glaube an Gott Vater, Sohn und Heiligen Geist. Nun soll man an Niemand glauben, denn allein an Gott. Darum hat er auch wollen Mensch werden, daß das Herz nimmer an keinem Engel noch Menschen hinge, denn an ihm." (A. a. O. S. 357.)

II.

Unsere zweite Thesis lautet: „Es ist darum so verwerflich, Sachen des Glaubens aus den Schriften der Väter begründen und die Gewissen an die Lehrentscheidungen derselben binden zu wollen, weil es ein Rückfall in das antichristische Pabstthum ist."

Denn darin besteht ja vor allen Dingen der Greuel des Pabstthums und der Papisten, daß sie neben die heilige Schrift eine andere Quelle der Glaubenserkenntniß setzen, und zwar etwas, das gar keine Grenzen hat, nämlich die sogenannten Traditionen, d. H. Lehren, die nicht in der Bibel stehen, von denen sie aber behaupten, Christus habe sie gelehrt, der Heilige Geist habe sie auch den Aposteln eingegeben und diese hätten sie auch gepredigt, aber nicht aufgeschrieben; ihre Schüler aber, denen sie dieselben mitgetheilt, hätten sie wieder späteren Lehrern gesagt, und so seien sie von Hand zu Hand, von Mund zu Mund gegangen und endlich besonders durch die Schriften der Kirchenväter fortgepflanzt worden bis auf unsere Zeit. Daher denn der Pabst ohne Scheu mit lauter neuen Glaubensartikeln hervortreten kann, wie z. B. zu unserer Zeit mit dem Dogma von der unbefleckten Empfängniß Mariä und später mit dem Dogma von der Unfehlbar-

 

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keit des Pabstes, kraft welcher er der höchste Richter in Glaubenssachen sei. Niemand ihm widersprechen dürfe und vermöge der er jeden Streit in Sachen des Glaubens und Lebens allein endgiltig entscheide. Von diesen und dergleichen Dogmen sagt der Pabst, es seien dies keine neuen, sondern alte Lehren, die aber jetzt erst recht ans Licht gekommen und der Tradition entnommen seien. Luther nennt diese Traditionen daher mit Recht den Gaukelsack des Pabstes. Ein Gaukelsack ist bekanntlich ein Sack, mit welchem ein Taschenspieler oder Zauberer aufzutreten pflegt. Fragt nun der Taschenspieler: Was soll ich euch aus meinem Sack herausholen? Da sagt schnell ein Zuschauer : Ein Kaninchen. So greift denn der Taschenspieler in den Sack und siehe da! ein lebendiges Kaninchen kommt zum Vorschein. Der Gaukler fährt fort: Was wollt ihr noch heraushaben? Eine Schlange! ist die Antwort. Und siehe! auch die holt er hervor. Natürlich hat er das alles erst hineingethan und seine Helfershelfer geben unter dem Volke die Antworten. Ein solcher Gaukelsack sind denn auch des Pabstes Traditionen. Aus denen kann er alles herausholen, was verlangt wird oder vielmehr, was immer er selbst haben will.

Hören wir nun, was über diese Traditionen das Tridentinische Concil, das bereit war, die päöstlichen Jrrthümer zu versiegeln, kurz nach Luthers Tode am 18. April 1546 in seiner 4. Sitzung beschlossen hat: „Erkennend, daß diese Wahrheit und Vorschrift in den heiligen Büchern enthalten ist und in den ungeschriebenen Ueberlieferungen, welche aus dem Munde Christi selbst von den Aposteln empfangen oder von denselben Aposteln durch Eingebung des Heiligen Geistes gleichsam von Hand zu Hand überliefert worden, bis zu uns gelangt sind, und folgend der rechtgläubigen Väter Beispiele, nimmt (dieses tridentinische hochheilige Con-cilium) an und verehrt mit gleicher frommer Zuneigung und Hochachtung (pari xictatis allcctu et reverentia) alle Bücher, sowohl des Alten als des Neuen Testaments, da der Eine Gott beider Urheber ist, und ebenso dieselben Ueberlieferungen, sowohl diejenigen, welche sich auf den Glauben als auf die Sitten beziehen, als solche, die entweder mündlich durch Christum oder aus Eingebung des Heiligen Geistes herrühren und in steter Aufeinanderfolge in der katholischen Kirche behalten worden sind." (Des rc. Concils von Trient Canones und Beschlüsse. In treuer Verdeutschung von v. W. Smets, Stiftsherrn in Aachen. Bielefeld, 1851. S. 14.)

Mit dem Ausdruck „ungeschriebene Ueberlieferungen" wollen sie nicht sagen, daß sie überhaupt gar nicht geschrieben seien, sondern nur daß sie nicht von den Aposteln geschrieben und nicht in der heiligen Schvft sich finden. Da nun die Papisten die Traditionen das ungeschriebene Wort Gottes nennen, so kann auch ein Papist zum Schein zugeben, daß alles bloß nach Gottes Wort geurtheilt werden dürfe, und doch ist dies Zugeständ-niß nur Schwindel. Die Tradition ist daher vor allem das schreckliche

 

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Instrument des Antichrists, womit er alle seine Greuel zu stützen und das Evangelium zu stürzen sucht.

Es fällt uns nun selbstverständlich nicht ein, unseren Gegnern unterschieben zu wollen, daß sie diesen Beschluß des Tridentinums unterschreiben ; sie hassen und verdammen vielmehr mit uns diese schändliche Lehre. Aber sie haben leider! einen Weg betreten, der zu jener papistischen Lehre führt. Denn es ist einerlei, ob ich glauben muß, was Augustinus, Hieronymus und andere Kirchenväter, oder was ein Hunnius, Pfeiffer, Hollaz, Baier und andere Dogmatiker gelehrt haben. Denn diese sind irrthumsfähige Menschen gewesen wie jene. Nur der Unterschied ist allerdings, daß die Väter der lutherischen Kirche fast durchweg goldlautere Wahrheit geschrieben haben, während sich in den Schriften der alten Kirchenväter eine ganze Menge von Jrrthümern findet, obwohl sie deswegen noch keine Ketzer gewesen sind. Ihre Jrrthümer sind eben nur naevi, Flecken. Aber wehe dem, welcher gerade diese Flecken für das Köstlichste in den Lehrvätern erklärt! Was wäre es, wenn mir einer ein „blank book" überreichte, machte aber einen großen Tintenklecks hinein und sagte mir dann: Das ist das Schönste in dem Buch? So machen es unsere Gegner in der Lehre von der Wahl: Vieles ganz Richtige und Schöne in den Schriften der Dogmatiker lassen sie bei Seite liegen, aber die Lehre leuchtet ihnen wie ein Stern am Himmel der Kirchenlehrer: Gott hat vorausgesehen, der und der wird sich so und so verhalten, darum habe er ihn vor Anderen erwählt, während er die Anderen um ihres üblen Verhaltens willen verworfen habe. Das Letztere geben wir zu, aber jenes können wir nicht zugeben bei unserer Seligkeit. Als ich, sagt ein Conferenzglied, mit meinem seligen Bruder auf der Universität war, da kamen wir beide zur Erkenntniß JEsu Christi. Nun gab es aber damals neben uns studirende Jünglinge von so streng moralischem und dabei von so liebenswürdigem Charakter, daß wir meinten, wenn diese nur auch das Evangelium kennen lernen würden, so würden gewiß auch sie uns bald Nachfolgen. Was geschah aber? Gerade diese so liebenswürdigen Jünglinge wurden eben um des Evangeliums willen unsere bittersten Feinde, verspotteten uns, daß wir noch die alte längst ab-gethane Lehre von der Seligkeit durch Christi Blut und Wunden glauben könnten, und hielten uns für Narren. Da fragten wir uns denn oft: Wie ist es doch möglich, daß gerade wir das selige Evangelium erkannt haben und diese nicht? Wir mußten uns gestehen: Der einzige Grund unserer Bekehrung sei nichts anderes als Gottes unbegreifliches Erbarmen. Diese Annahme ist es aber, an welcher jetzt unsere Gegner sich stoßen. Sie fragen hier ihre Vernunft um Rath und diese sagt ihnen: Nein, man muß den Unterschied in des Menschen besserem Verhalten suchen. Aber das ist wider die ganze Schrift. Welche Gründe Gott auch immer gehabt haben mag, warum er mich und dich erwählt hat, den Grund hat er nicht gehabt: weil wir uns besser als andere Leute verhalten hätten. Daran kann kein

 

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Zweifel sein und wenn tausend alte oder neuere Kirchenlehrer anders lehrten.

Wir sagen übrigens auch nicht von unseren Gegnern, daß sie in allen Lehren papistisch zu Werke gehen; aber in diesem Punkte, daß sie die Wahllehre ohne, ja, wider die klare Schrift nach den Dogmatikern aufstellen wollen, handeln sie papistisch. Sie spotten freilich unser dabei, daß wir bei unserer Stellung zu den Dogmatikern doch ihre Bücher empfehlen. Denn wir empfehlen allerdings nach wie vor unseren Zuhörern z. B. das Weimarsche Bibelwerk als ein goldenes Buch, als ein deutsches Bibelwerk, wie es kein besseres gibt. Aber wir sagen auch hier: Prüfet es. Denn es sind auch darin allerdings, wie in allen menschlichen Schriften, einige naevi, einige Flecken.

Das Tridentinische Concilium hat aber auch ferner festgestellt, daß Niemand die Bibel recht aus legen könne außer die Kirche, worunter sie die Väter und Concilien, ja im Grunde nur den Pabst verstehen. Man sieht da recht, daß der Pabst der Antichrist ist. Er fürchtet sich vor nichts mehr als vor dem geschriebenen Wort Gottes. Denn dieses widerlegt ja alle seine Jrrthümer. Da er nun aber, um sich nicht zu verrathen, das geschriebene Wort nicht geradezu verwerfen und verfluchen kann, so hilft er sich damit, daß er sagt, nur er könne es auslegen. Erst macht er also Menschenwort zu Gottes Wort und dann sinnt er sich einen Weg aus, wie er das wahre Gottes Wort beseitigen könne. So heißt es nämlich in den

Beschlüssen des Tridentinums: „Außerdem beschließt es, die muthwilligen Geister zu bezähmen, daß Niemand, auf seine Einsicht gestützt, in Sachen des Glaubens und der Sitten, die zum Aufbau der christlichen Lehre gehören, die heilige Schrift nach seinem Sinn mißdeutend, gegen denjenigen Sinn, den annahm und annimmt die heilige Mutter Kirche, welcher es zusteht, über den wahren Sinn und Auslegung der heiligen Schriften zu urtheilen, oder auch gegen die einhellige Ueberein-stimmung der Väter, die heilige Schrift zu erklären wage." (A.a.O. S. 15.)

Möchten doch unsere Gegner hieraus merken, wohin sie gerathen, wenn sie auch als ein nothwendiges Kennzeichen der Schriftgemäßheit einer Lehre das aufstellen, daß die Auslegung der betreffenden Schriftstellen mit der Auslegung der Lehrer des 17. und 18. Jahrhunderts zusammenfallen müsse, während sie einen wahren Horror vor der Auslegung eines Luther, Urbanus Rhegius, Brenz, Kirchner und anderer Theologen aus dem 16. Jahrhundert offenbaren. Alles kommt ihnen darauf an, daß man mit den Lehrern nach der Concordienformel übereinstimme. Auch wir folgen zwar diesen theuren Männern fast in allen Lehren, aber nicht in den wenigen, in welchen sie von Gottes Wort abgehen, nämlich vor allem nicht in der Lehre von der Gnadenwahl, vom Sabbath und von der Macht der weltlichen Obrigkeit in kirchlichen Dingen. Darum sollten sie vielmehr

 

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zu uns sagen: Um der Väter willen wollen wir euch kein Gewissen machen, aber so steht in Gottes Wort. Dann könnten wir untersuchen, wessen Lehre in der Schrift gegründet ist und wessen nicht. Oder ist es etwa schon ein böses Zeichen, wenn Jemand sagt: Hier gehe ich nicht mit Gerhard u. a.; das thue ich nur dann, wenn er mir seine Lehre aus Gottes Wort nachweist? Denn dann erst gilt das Wort Gottes: „Gehorchet euren Lehrern und folget ihnen", nämlich wenn sie uns das Evangelium bringen. Nur offenbare Papisten mit lutherischem Namen können dies für ein böses Zeichen erklären. — Zwar geben wir gern zu, daß unsere Gegner nie mit nackten Worten die Theorie aufgestellt haben, daß Sachen des Glaubens aus den Schriften der Väter zu begründen und die Gewissen an die Lehr-entscheidungen derselben zu binden seien. Sie haben das so wenig gethan, so wenig die Calvinisten den Grundsatz aufgestellt haben, daß die heilige Schrift nach der Vernunft auszulegen sei. Aber wie die Letzteren diesen Grundsatz ganz offenbar prakticirt haben und noch prakticiren, daher ihnen derselbe von unseren Theologen mit vollem Recht imputirt worden ist, so haben auch unsere Gegner jene Theorie je und je prakticirt und so prakticiren sie dieselbe ebenfalls noch heute, daher auch ihnen diese Theorie mit vollem Rechte von uns imputirt wird. Wir wissen recht wohl, daß die Anführer unter unseren Gegnern hauptsächlich darum uns die Väter entgegen gehalten und ihr armes, von ihnen verführtes Volk auf die Schriften derselben öffentlich und feierlich verpflichtet haben, weil sie keinen anderen Weg wußten, uns vor ihrem Volke als offenbare falsche Lehrer zu » verdächtigen. Allein um so erschrecklicher ist es, daß sie eine Theorie prakticiren, von der sie bei jeder anderen Gelegenheit selbst nichts wissen wollen. Sie opfern damit nicht nur die Wahrheit einer elenden Kirchenpolitik, sondern prägen so auch einen papistischen Grundsatz den Ihren praktisch ein, den sie denselben nie wieder ausreden werden, der vielmehr unter ihnen wie ein Krebs um sich fressen und sich nach allen Seiten hin ausgestalten wird. Mit Gottes Wort ist eben nicht zu spielen.

Höchst merkwürdig — dies sei hierbei nur noch beiläufig bemerkt — ist die alte Tradition aus dem 3. Jahrhundert, daß Petrus ein Motto d. i. Leibsprüchlein gehabt habe. Es erzählt dies Clemens, der Alexandriner, gestorben nach 212. Derselbe berichtet nämlich, daß Petrus immer die Worte im Munde geführt habe: SöSsp   d. i. Nichts ohne

Schrift. Siehe: Ktromata. Buch VI. toi. 678.

Hier können wir zum Pabst sagen: Das ist eine gute Tradition, die nehmen wir an, die stößt aber auch alle deine Traditionen um. Ja, wir geben zu: Es mag Manches in einem Buch aufbewahrt sein, was die Apostel wirklich geredet haben, was aber nicht in der Bibel steht. Wenn es nun mit der Schrift stimmt, so nehmen wir es an, aber beweisen können und wollen wir damit nichts. Da der Heilige Geist solche Reden in die Schrift nicht mit ausgenommen hat, so sind wir gewiß, daß der Heilige

 

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Geist dieselben darum nicht in die Bibel ausgenommen hat, weil wir sie nicht brauchten. Denn die Bibel ist vollkommen, wie dex Apostel 2 Tim. 3. ausdrücklich bezeugt.

Diese unsere zweite Thesis ist ja mehr eine historische Frage. Nach derselben muß bewiesen werden zunächst, daß im Pabstthum nach dem Grundsatz gelehrt und gehandelt wird, daß Sachen des Glaubens aus den Schriften der Väter begründet und die Gewissen an die Lehrentscheidungen derselben gebunden werden sollen. Da haben wir denn bereits gehört, daß in den Decreten des Tridentinums öffentlich und feierlich vor der ganzen Christenheit die Traditionen für ebenso heilig und verbindlich erklärt werden, als das, was in der heiligen Schrift gelehrt wird. Es gibt aber zwei Arten Traditionen, geschriebene und sogenannte ungeschriebene. Beide Arten nehmen sie gleicherweise an. Ja, selbst die Auslegung der heiligen Schrift darf nach dem Tridentinum keine andere sein als die in den Schriften der Väter befindliche und vom Pabst festgestellte und approbirte.

Nun wollen wir durch eine Anzahl Zeugnisse beweisen, daß die alte Kirche vor dem Pabstthum ganz anders gestanden hat, daß also der Traditionismus des Pabstthums ein Abfall von derselben ist.

Aus den Schriften der ältesten Kirchenväter geht hervor, daß gerade sie gegen die Berufung auf irgend welche menschliche Autoritäten in Glaubenssachen gezeugt haben.

Cyprian, der größte Kirchenvater vor Augustin, ein Märtyrer, gestorben 258, schrieb, als sich Bischof Stephan von Rom wider ihn auf die Tradition der Väter berufen hatte: „Woher ist jene Tradition? Ist sie herabsteigend von der Autorität des HErrn und des Evangeliums? oder ist sie kommend von den Aufträgen und Briefen der Apostel? Denn daß dasjenige, was geschrieben ist, gethan werden müsse, bezeugt Gott und legt es vor, wenn er zu Josua, dem Sohn Nun, sagt: ,Laß das Buch dieses Gesetzes nicht von deinem Munde kommen, sondern betrachte es Tag und Nacht, auf daß du haltest und thust allerdinge nach dem, das darinne geschrieben stehet.' Jos. 1, 8. Desgleichen befiehlt der HErr, seine Apostel aussendend, alle Völker zu taufen, und sie zu lehren, daß sie halten alles, was er ihnen befohlen hat. Wenn es also entweder im Evangelium befohlen wird, oder in den Briefender Apostel oder in der Apostelgeschichte enthalten ist, daß diejenigen, welche von irgend einer Secte kommen, nicht getauft werden, sondern daß ihnen nur die Hände aufgelegt werden zur Buße, dann mag auch diese Tradition beobachtet werden.

.. . Aber welcher Hartsinn, welche Anmaßung ist es, menschliche Tradition der göttlichen Verordnung vorzuziehen und nicht daran zu denken, daß Gott entrüstet und erzürnt werde, so oft menschliche Tradition Gottes Gebote auflöst und übergeht! Jes. 29, 13. Matth. 15, 3, 1 Tim. 6, 3." (^.ä kompejum contra ep. Ktspbani. Opp. ecl. Lrasrn. I. 327 sq.)

 

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Wir sehen also, daß der heilige Cyprian zwar auch von einer Tradition redet, aber darunter das versteht, was in den Evangelien, in der Apostelgeschichte und in den Briefen der Apostel überliefert ist. Was diese betrifft, ist er bereit, sich ihr zu unterwerfen; aber Hartsinn und Anmaßung nennt er es, ihn an menschliche Traditionen binden zu wollen. Wir dürfen uns also nicht irre machen lassen, wenn die Jesuiten sagen, daß schon die ältesten Kirchenväter die Tradition anerkannt haben. Denn wir sehen hier, wenn sie von anzunehmenden Traditionen reden, so meinen sie die Schrift, denn Tradition heißt ja Ueberlieferung. Jetzt verstehen aber die Papisten etwas ganz Anderes unter Traditionen, sie verstehen darunter nicht das geschriebene Wort der Apostel und Propheten, sondern das, was als von Christo oder den Aposteln kommend von Mund zu Mund neben der Schrift überliefert und zum Theil von den Kirchenvätern in ihre Schriften ausgenommen worden sei. Gerade von diesen aber sagt Cyprian, daß man sich ihnen nicht unterwerfen solle, sondern allein der Ueberlieferung der heiligen Schrift. Die Lehre der Papisten von der Tradition ist daher eine neue Lehre, angenommen vom Antichrist, der damit dem Gericht der heiligen Schrift entgehen will.

Augustinus war ohne Zweifel der größte Lehrer der alten Kirche, den Luther auch am meisten studirt hat, da er ja ein Augustinermönch war. Dieser Mann hatte betreffs des Evangelii das meiste Licht der Erkenntniß unter allen Kirchenvätern. Von ihm schreibt Chemnitz: „Unter den Kirchenvätern gebührt nach dem Urtheil aller Gelehrten dem Augustinus die Palme, es ist aber zu bedenken, warum und in welchen Dingen. Sein Leben fiel in jene Zeiten, in welchen viele Streitigkeiten über vernehmliche Artikel des Glaubens erregt wurden, und da alle Kirchen auf ihn sahen, war er gezwungen, Widerlegungen entgegenzusetzen und den Grund der rechten Meinung aufzusuchen." (Denn sobald Augustinus auftrat, merkte die Christenheit, daß ihr in ihm ein großes Licht aufgegangen war; seine Schriften strahlten hell. Man sagte alsbald: Das ist der rechte Mann, der wird alle Ketzer aus der Kirche hinausfegen. — Wir besitzen zehn große Folianten seiner herrlichen Schriften.) „Und daher ist es geschehen, daß er nicht nur vollständige Auseinandersetzungen über viele Artikel hat, sondern daß er auch viel eigentlicher und bequemer die wahre Meinung der Kirche vorlegt und erklärt, als die übrigen Väter, welche, da diese Disputationen noch nicht erregt waren, oft etwas unbedacht redeten, wie Augustinus selbst sagt." (Also auch die allerersten Kirchenväter haben etwas unbedacht, securius, etwas zu sicher, zu unbesorgt geredet, wodurch man leicht auf falsche Gedanken kommen kann. Auch wir stehen jetzt in einem so erschrecklichen Streit, wie er über die Gnadenwahl noch nicht in der lutherischen Kirche geführt worden ist. Da dürfen wir uns denn auch nicht Wundern, wenn wir dabei finden, daß manche mißleitende Ausdrücke über diese Lehre in den Dogmatikern ebenfalls unbedacht gewählt und

 

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niedergeschrieben sind, da sie auch nicht in solchem Kampfe um diese Lehre standen, wie wir. Aber nun sollen nicht auch wir fortfahren, etwas unbedacht zu reden, und doch auch nicht jene Lehrer zu Ketzern machen, sondern eben nur sagen: Hier haben die theuren Männer oft etwas unbedacht geredet.) „Und daher versuchte er auch, vieles, was die Alten zu unbequem ausgesprochen hatten, durch eine bequeme Auslegung zu corrigiren. Denn oft verdammt und verwirft er aus der Schrift an den Ketzern jene Aussprüche, welcheman beidenVätern mit ebensoviel Worten liest." (Das ist überaus wichtig. Augustinus verdammte Sätze an den Ketzern seiner Zeit, die sich schon wohl hundert Jahre vorher bei reinen Lehrern fanden! Darnach sollen wir also nichts fragen, wenn Jemand jetzt uns zuruft: Wie kannst du das verdammen? Steht's nicht in dem und dem Buche? Nein! es ist ein großer Unterschied, wenn du jetzt sagst: ,Wir sind in Ansehung des Glaubens erwählt', als wenn jene Dogmatiker das sagten, da noch kein solcher Streit war und wo jeder es zum Besten deutete. Jetzt darf man das keinem unserer Lehrer zum Besten deuten. Gerade dadurch ist die Kirche in so tiefes Verderben gerathen, daß man gerade das Verkehrte in den Schriften der Väter für etwas ganz Köstliches angesehen hat.) „Er ist auch nicht nur in fremden Schriften ein solcher Censor, sondern er hat auch über seine eigenen Schriften zwei Widerrufsbücher aufgesetzt." (Da sehen wir, was für ein redlicher Mann Augustinus war. Er hatte eine Reihe von Jahren hindurch herrliche Schriften geschrieben, die durch die ganze Christenheit liefen; man schrieb sich dieselben ab, sie gingen von Land zu Land. Jeder Bischof wollte sie gleich haben, sobald sie erschienen waren. Aber Augustinus ließ sich nicht beweihrauchen durch großes Lob. Er schrieb vielmehr nun zwei ganze Bücher, die den Titel führen: Rstractatiouuin libri cluo d. ä. zwei Bücher von Widerrufen. Dieselben werden gewöhnlich bei Herausgabe seiner ganzen Werke zu allererst gesetzt. Darin geht er alle seine Schriften durch und widerruft, was geradezu falsch ist, und was man mißdeuten könnte, das stellt er zurecht. Das sind gute Lehrer, die das thun. Er sah selber mit Schrecken, was er für Verkehrtes geschrieben hatte, und wollte nicht eher aus der Welt gehen, ehe er das widerrufen hatte. So hat er uns durch sein eigenes Beispiel gelehrt, daß man nicht ohne Weiteres, ohne Prüfung, die Schriften der Väter annehmen soll. Er litt nicht, daß man seine Worte anführte, um damit jener falsche Lehre zu begründen.) „Und so lernt man aus Augustin, mit welchem Bedacht und mit welcher Unparteilichkeit die Schriften der Väter gelesen werden müssen. Denn fürs Erste sucht er aus der Schrift die wahre Meinung. Sodann legt er, wenn die Väter an dem Fundament festhielten, ihre Aussprüche aufrichtig nach der Glaubensähnlichkeit aus, auch wenn sie etwas Unbequemes haben. Aber er leidet nicht, daß sie dem Fundament entgegengesetzt werden. Betrifft aber der Jrrthum das Fundament, wie Cyprianus von der Taufe, so

 

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läßt er dieselben ohne Auslegung und folgt der Meinung der Schrift." (Der heilige Cyprian hatte darin geirrt, daß er lehrte, alle, welche in einer Secte getauft seien und später in die rechtgläubige Kirche ausgenommen werden wollten, müßten noch einmal getauft werden. Das war ein offenbarer Fehler. Augustinus sagt aber: Das nehme ich nicht an; aber deswegen mache ich ihn nicht zum Ketzer, denn er steht dennoch auf dem rechten Fundament des seligmachenden Glaubens.) „Und es ist Werth, darauf zu achten, daß vor Augustins Zeiten von vielen der Autorität der Väter zu viel zugeschrieben wurde." (Das ist sehr wichtig. Vor Augustin fing man schon an, anstatt der Schrift die Kirchenväter zu citiren. Und zwar gerade das, worin sie geirrt hatten. Und welch einen Haufen von Jrrthümern hatte z. B. schon Origenes! Aber, sagt Augustinus, hinweg damit, sölbst wenn es ein heiliger Märtyrer gesagt hat! — O, wie viel haben wir daher diesem Manne zu verdanken! Man sieht hieraus, es ist eine Heuchelei, wenn man sich im Pabstthum auf ihn beruft; gerade durch ihn ist die papistische Traditions-Theorie widerlegt.) „Aber wenn die Ketzer ihre Jrrthümer ohne Schrift, allein aus dem, was die Väter unbequem gesagt hatten, stützen wollten, bewogen sie Augustinus, daß er in seinen Schriften jenes Axiom (d.< H. ein feststehender Satz) oft wiederholte: daß die Glaubensartikel allein aus den kanonischen Büchern bewiesen, die Schriften anderer aber so gelesen werden müßten, daß es erlaubt sei, in denselben das zu mißbilligen und zu verwerfen, was mit der kanonischen Wahrheit nicht stimmt." (I^oc. tüsol. I. f. 5 sq.)

Doch hören wir einmal Augustinus selbst. Er hatte einen guten Freund an Hieronymus. Derselbe war gelehrter wie Augustinus, welcher weder ebräisch noch griechisch konnte, sondern die heilige Schrift nur in lateinischer Uebersetzung las; aber er konnte trotzdem dem Augustinus nicht das Wasser reichen. Nun war aber Hieronymus nicht wenig für sich eingenommen. Als ihm daher einmal Augustinus widersprochen hatte, war Hieronymus dadurch verstimmt worden und schrieb deshalb ziemlich gereizt an Augustinus, der ihm aber darauf u. a. also antwortete: „Ich habe gelernt, allein denjenigen Büchern der Schrift, welche jetzt kanonische genannt werden, diese Ehre und Ehrfurcht zu erweisen, daß ich auf das festeste glaube, keiner unter den Verfassern derselben habe sich im Schreiben geirrt; die ändern aber lese ich so, daß ich, durch wie große Heiligkeit und Gelehrsamkeit sie vor anderen hervorragen mögen, nicht darum etwas für wahr halte, weil sie so geglaubt haben, sondern weil sie mich entweder durch jene kanonischen Verfasser oder durch einen annehmbaren Grund überzeugen konnten, daß es von der Wahrheit nicht abweiche. Und ich halte dafür, daß auch du, mein Bruder, nicht ander- denkest; ich bin, sage ich, gänzlich der Meinung, daß auch du deine Bücher nicht so, wie die der Propheten und Apostel, gelesen haben willst, deren Schriften von allem Irrthum frei sind, daran zu zweifeln schon frevelhaft ist." (Lpist. aä

 

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Hisrou. XIX ^I-XXXII^. 01. opp. sä. s. Lsnsäiotin. low. II, p. 251 sy.) Luther, welcher diese Worte wiederholt anführt, macht an einer Stelle dazu folgende höchst charakteristische Bemerkung: „Daß nur mir nicht ein frommer feiner Mann solche Briefe zuschriebe und bäte mich, daß ich meine Bücher nicht wollte gleich achten der Apostel und Propheten Büchern, wie St. Augustin St. Hieronymo zuschreibet! Ich würde mich zu Tode schämen." (Von Coneiliis und Kirchen. XVI, 2636.)

Wo sind die Leute jetzt, die sich zu Tode schämen würden, wenn man ihnen sagen muß: Ihr stellt Menschenbücher gleich den Büchern der Apostel und Propheten? Wüthend werden sie vielmehr über solchen Vorhalt.

Wie Augustinus in Absicht auf Cyprian stand, zeigen folgende Worte: „Wir thun Cyprian kein Unrecht, wenn wir zwischen allen seinen Schriften und der kanonischen Autorität der göttlichen Schriften unterscheiden." (Merkwürdig! Die vom Heiligen Geist eingegebenen Bücher wurden gleich kanonisch genannt, Kanon heißt aber Regel, Richtschnur. Damit hat die alte Kirche angezeigt, daß andere Bücher keine kanonischen sind, man sich also nach ihnen nicht als Regel des Glaubens richten soll. Die alte Kirche sagt ausdrücklich: wir haben nur Einen Kanon. Aber unsere Gegner sagen mit ihrer Berufung auf die Väter eigentlich: so ein Bischen kanonisch sind die Schriften der Dogmatiker doch auch. Aber nein! sie sind wohl Zeugen, aber nicht Kanones, sondern werden geregelt durch die Schrift.) „Denn nicht ohne Ursache ist mit so heilsamem Bedacht der kirchliche Kanon festgesetzt worden, zu welchem gewisse Bücher der Propheten und Apostel gehören, die wir durchaus nicht zu richten wagen dürfen und nach welchen wir über die übrigen Schriften sowohl der Gläubigen als der Ungläubigen frei richten sollen. . . In deiner Schrift führst du Worte Cyprians aus dessen Briefe an Jubaianus an, um damit zu beweisen, es sei seine Meinung gewesen, daß diejenigen in der rechtgläubigen Kirche getauft werden müßten, welche in einer Seete oder Spaltung getauft worden seien. Ich achte mich durch die Autorität dieses Briefes nicht gebunden, weil ich Cyprians Schriften nicht für kanonisch halte, sondern dieselben nach den kanonischen beurtheile, und was darin mit der Autorität der göttlichen Schriften übereinstimmt, mit seinem Lobe annehme, was aber nicht damit übereinstimmt, ohne ihm zu nahe treten zu wollen, verwerfe." (So hohen Respeet und so große Liebe und Ehrfurcht auch Augustinus vor Cyprian hatte: ging derselbe von der Schrift ab, so ließ er sich auch durch seine Autorität durchaus nicht zu blinder Zustimmung bewegen, sondern stellte ihn unter die Schrift, jedoch ohne ihn um seines Jrrthums willen zum Ketzer zu machen. So auch wir. Wir wollen die Dognkatiker für kein Geld und Gut hergeben, so lieb und Werth sind sie uns. Aber wo sie von der Schrift abweichen, da sagen wir uns von ihnen los. Glaube man nur um Gottes willen nicht, daß das Von uns aus schändlichem Eigendünkel geschehe und als ob wir uns für

 

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erleuchteter hielten als die Dogmatiker. Nein, es geschieht nur, weil uns die Schrift höher steht.) „Wenn du daher, was du aus seiner Schrift an Jubaianus angeführt hast, aus einer kanonischen Schrift der Apostel oder Propheten anführen würdest, so würde ich dagegen schlechterdings nichts zu erwiedern haben. Weil nun aber, was du anführst, nicht kanonisch ist, so nehme ich nach der Freiheit, zu welcher uns der HErr berufen hat, selbst das nicht an, was ein Mann davon Abweichendes angenommen hat, dessen Lob ich nicht zu erreichen vermag, mit dessen vielen Schriften ich die meini-gen nicht vergleiche, dessen Ingenium ich hochachte, an dessen Rede ich mich ergötze, dessen Liebe ich bewundere, dessen Märtyrertod ich verehre." (Oontra Orssoorianum Orainwatisuw xartis Dovati. Oib. II. 6. 31. 32. Viä. Opp. eck. a Lsnsäiet. low. XII, p. 543 8<z.)

Ein wahres leuchtendes Beispiel eines demüthigen, aber in Sachen des Glaubens Gott allein unterthänigen Christen!

Dr. M. Luther hat es nächst Gott dem Augustinus zu verdanken, daß auch er gerade so stand. Derselbe schreibt: „Wie und warum Origenes, Hieronymus und etliche mehr Väter diesen Spruch: ,Der Buchstabe tödtet, der Geist macht lebendig', auch also gezogen und gezwungen haben, lasse ich jetzt anstehen; sie haben wohl mehr Sprüche also gezogen, den Juden und Ketzern zu wehren, wie das jedermann öffentlich weiß und weisen kann. Aber das soll man ihnen zu Gut halten und darin nicht folgen, wie die unreinen Thiere thun, die keinen Unterschied haben in der Väter Werk und Lehre, raffen alles auf, was sie finden, so lange bis daß sie ihnen folgen nur in den Stücken, da die lieben Väter als Menschen gestrauchelt, und lassen sie fahren, da sie wohl gehandelt haben; wie ich leichtlich beweisen wollt in allen Lehren und Leben, die jetzt die Allerbesten gehalten sind." (Antwort auf das überchristliche re. Buch Bocks Emsers. Vom Jahre 1521. XVIII, 1606.)

Luther urtheilt aber nicht nur so bescheiden von den Kirchenvätern der Reihe nach bis in's sechste Jahrhundert; selbst die Lehrer des sogenannten Mittelalters, die nicht mehr Kirchenväter, sondern Scholastiker (s. g. Schullehrer, d. i. Professoren an Universitäten) genannt werden, beurtheilt er in derselben Weise. Ein solcher Scholastiker war z. B. St. Bernhard, ein frommer Mönch, ein Mann von tiefer Erfahrung in seinem Umgang mit dem Heilande, ein wahrhaft frommer heiliger Mann, der in der finstersten Zeit, im 12. Jahrhundert, wie ein Stern leuchtet. Von ihm schreibt Luther u. a.: „St. Bernhard (gestorben 1153) spricht, er wolle lieber aus dem Born selbst, weniger aus dem Bächlein trinken. Wie denn alle Menschen thun; wo sie aus der Quelle mögen trinken, der Bächlein wohl vergessen, ohne daß sie des Bächleins zum Born zu kommen nützlich brauchen. Also muß doch die Schrift Meister und Richter bleiben; aber wo man den Bächlein zu sehr nachgehet, führen sie uns zu weit vom Born, und verlieren beide, Schmack und Kraft, bis sie in das gesalzene Meer sich verfließen

 

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und verlieren; wie es geschehen ist unter dem Pabstthum." (Von den Coneiliis und Kirchen vom Jahre 1539. XVI, 2629 f.)

Also auch der heilige Bernhard wollte nichts wissen von den ungeschriebenen Traditionen. Denn fürwahr, wenn ich an der Quelle stehe, so werde ich nicht hinunter steigen zum Bach, um zu trinken, denn an der Quelle ist das Wasser am reinsten und frischesten. Aber umgekehrt, wenn ich am trüben Bache stehe, so benutze ich den Bach als Führer, um ihm entlang bis hinauf zur Quelle zu gelangen. So ist die Bibel die Quelle, aus der wir schöpfen sollen in vollen Zügen, aber die menschlichen Schriften sollen wir für Bächlein ansehen, die uns hinauf zur Schrift leiten sollen. Dann allein haben wir jene recht gebraucht, wenn wir sie nur als Bächlein benutzt haben, zur Quelle zu kommen. Das soll denn unsere Sorge sein, auch in dieser unserer traurigen Zeit, daß es uns nicht wieder gehe, wie im Pabstthum, und wir nicht den Bächlein abwärts folgend endlich mit unserem Glaubens-Schifflein hinein gerathen in das salzige Meer menschlicher Meinungen.

Endlich wollen wir noch ein Zeugniß von Gerhard hören, das spe-ciell unseren Streit berührt, wie nämlich Augustinus in der Wahllehre gestanden hat. Gerhard schreibt:

„Was die Meinung der Alten betrifft, so wissen wir, daß Augustinus in seinem Buche ,Von der Prädestination der Heiligen' im 17. Capitel schreibt: ,Daß Gott die Gläubigen erwählt habe, aber damit sie es seien, nicht weil sie es schon waren; daß die Menschen nicht glauben, damit sie erwählt werden, sondern daß sie vielmehr erwählt werden, damit sie glauben'; und im 19. Capitel: ,Nicht weil wir geglaubt haben, sondern damit wir glauben, hat er uns erwählt, damit wir nicht sagen, daß wir ihn zuerst erwählt haben.'" (Man merke sich diese Gegensätze. Gerhard citirt dies als einen Einwurf gegen seine eigene Lehre.) Iber dieses und Aehnliches ist den Semipelagianern oder den Ueber-bleibseln der Pelagianer entgegengesetzt." (Pelagianer sind die groben Ketzer, die da sagten: Der Mensch kann aus eigenen Kräften alles thun, was er soll. Die Semipelagianer dagegen lehrten: Gott müsse zwar den Anfang machen, aber das Vollbringen stehe beim Menschen, oder umgekehrt, der Mensch müsse zwar den Anfang machen, aber das Vollbringen sei Gottes Sache.) „Denn jene waren der Meinung, daß der Anfang des Glaubens aus uns und daß daher der Glaube die verdienstliche Ursache der Erwählung sei. Und daß dies ihre eigentliche Meinung gewesen sei, erhellt aus den Briefen Prospers und Hilarius' an Augustinus, welche sich im 7. Tomus befinden. Augustinus widersetzte sich ihnen daher mit Recht und leugnete, daß der Glaube die Ursache der Wahl sei, ja, er widerrief auch, was er in seiner eigenen .Erklärung einiger Sätze des Briefes an die Römer' geschrieben hatte: .Daß Gott im Vorauswissen erwählt habe, so daß er denjenigen erwählt habe,

 

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von welchem er gewußt, daß er glauben werde.' Siehe Buch I. seiner,Re-tractationen', Capitel 23., und das Buch .von der Prädestination der Heiligen', Capitel 3." (I^oo. äs slsotions, ß 166.)

Gerhard wollte also zwar nicht so reden, wie Augustinus, es gefiel ihm das Intuitu üäsi bester, aber er sagt dennoch, Augustinus habe so wegen der Semipelagianer oder Synergisten geredet und das sei recht gewesen. Wie wenig Recht haben also unsere Gegner, wenn sie sich auf Gerhard berufen!

Augustinus hat, wie Gerhard oben erwähnt, eine Schrift geschrieben: „Erklärung einiger Sätze aus dem Brief an die Römer." In dieser Schrift hatte er irrthümlich Folgendes gesagt: „Daß Gott im Vorauswissen erwählt habe, so daß er denjenigen erwählt habe, von welchem er gewußt, daß er glauben werde." Und das hat er später widerrufen.

So schreibt er nämlich in der zuletzt angeführten gegen die Semipelagianer gerichteten Schrift vom Jahre 428: „Cyprian hat den Ausspruch gethan: ,Jn Nichts darf man sich rühmen, sintemal nichts unser ist.' Und um dies nachzuweisen, hat er den Apostel zum Zeugen aufgerufen, der da sagt 1 Cor. 4, 7.: .Was hast du aber, das du nicht empfangen hast? So du es aber empfangen hast, was rühmest du «dich denn, als der es nicht empfangen hätte?' Und namentlich durch dieses Zeugniß bin auch ich selbst überzeugt worden, als ich in ähnlicher Weise irrte, indem ich meinte, daß derGlaube, vermöge dessen wir an Gott glauben, nicht Gottes Gabe, sondern von uns in uns sei und daß wir durch denselben Gottes Gaben erlangen, züchtig, gerecht und gottselig zu leben in dieser Welt." (Augustinus hatte also auch erst gedacht: der Mensch müsse selber aus seinem freien Willen den Glauben annehmen, dann werde ihm Gott helfen und ihn auch heiligen; wenn Gott freilich, hatte er gemeint, dem Menschen das Evangelium nicht gegeben hätte, so hätte auch der Mensch allerdings nicht aus eigenen Kräften glauben können; aber da er's gegeben, so könne er das wohl. Dies hatte Augustinus jedoch geschrieben, ehe er Bischof zu Hippo in Nordafrika wurde.) „Denn ich hielt auch nicht dafür, daß Gottes Gnade dem Glauben zuvorkomme, damit uns durch denselben gegeben werde, was wir verlangten, außer, sofern wir nicht glauben könnten, wenn die Verständigung der Wahrheit nicht vorherginge; ich hielt aber dafür : daß wir dem uns gepredigten Evangelio zustimmen, das sei unser Eigenes und das hätten wir aus uns. Diesen meinen Jrrthum belegen genugsam einige meiner, ehe ich Bischof wurde, geschriebenen Büchlein." (ll,. äs prssässtiuations kanotorum, o. 3.)

Weiter unten schreibt Augustinus in derselben Schrift: „Der HErr spricht: .Ihr habt mich nicht erwählet, sondern ich habe euch erwählet' (Joh. 15, 16.). (Diese Worte hatten Augustinus sonderlich klar gemacht. Da sähe er, wenn der Mensch in Ansehung seines Glaubens von Gott erwählt würde, so hätte er ja vorher Gott erwählt, ehe Gott ihn er-

 

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wählt. Das ist aber exact die Lehre unserer Gegner, die das Intuitu L6s! der Dogmatiker zu der Lehre gottloserweise mißbrauchen, daß uns Gott in Ansehung unseres Verhaltens erwählt habe. Vor solcher Teufelslehre bewahre uns Gott in Gnaden, denn damit würden wir dem HErrn JEsu seine Ehre nehmen und uns zu unseren eigenen Heilanden und Seligmachern machen.) „Denn wenn sie darum erwählt gewesen wären, weil sie geglaubt hätten, so hätten sie ihn allerdings vorher erwählt, indem sie an ihn glaubten, damit sie verdienten erwählt zu werden. Dieses hebt aber Christus durchaus auf, der da spricht: ,Jhr habt mich nicht erwählt, sondern ich habe euch erwählt? Zwar haben auch sie ihn ohne Zweifel erwählt, als sie an ihn glaubten. Daher er um keiner anderen Ursache willen sagt: »Ihr habt mich nicht erwählt, sondern ich habe euch erwählt', als weil sie ihn nicht erwählt haben, damit er sie erwähle, sondern weil er, damit sie ihn erwählen, sie erwählt hat; weil seine Barmherzigkeit ihnen zuvorkommt nach Gnade, nicht nach Schuldigkeit." (D. e. 6. 17.)

Augustinus schreibt ebendaselbst endlich: „Jener Berufung, von welcher gesagt ist: »Gottes Gaben und Berufung mögen ihn nicht gereuen', und von welcher es heißt: »Nicht aus den Werken, sondern aus dem Berufenden' (Röm. 9, 12.),' da er hätte sagen können: sondern aus dem Glaubenden ; und jener Erwählung, welche der HErr meint, wenn er spricht: »Ihr habt mich nicht erwählt, sondern ich habe euch erwählt', geht selbst der Glaube nicht voraus. Denn nicht weil wir geglaubt haben, sondern damit wir glauben, hat er uns erwählt, damit es nicht von uns heiße, daß wir ihn zuerst erwählt haben und daß es falsch sei (was zu behaupten ferne von uns sei), was der HErr sagt: »Ihr habt nicht mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt.' Wir werden auch nicht berufen, weil wir geglaubt haben, sondern damit wir glauben." (D. o. cs-p. 19.)

Augustinus schreibt in seinen Widerrufsbüchern vom Jahre 426: „Aus dem prophetischen Zeugniß: »Jakob habe ich geliebet, aber Esau habe ich gehasset', zog ich den Vernunftschluß, daß ich sagte: »Gott hat also Niemandes Werke, die er selbst geben will, in Vorauswissen erwählt; aber den Glauben hat er in Vorauswissen erwählt, so daß er den, von welchem er vorauswußte, daß er ihm glauben werde, ihm den Heiligen Geist zu geben erwählte, damit er Gutes thuend auch das ewige Leben erlange.' Ich hatte nämlich nicht sonderlich fleißig nachgeforscht, noch bis dahin gefunden, welcherlei die Wahl der Gnade sei, von welcher derselbe Apostel sagt: »Die Uebergebliebenen nach der Wahl der Gnade sind selig geworden.'" (Uetraot. Iid. I. § 23.)

Das war also die Ursache seines Jrrthums gewesen, weil er noch nicht erkannt hatte, daß der Glaube ein reines Werk der göttlichen Gnade ist. Daher kam er zu dem Jrrthum, daß wohl die Wahl nicht in Ansehung unserer guten Werke, aber doch in Ansehung des Glaubens geschehen sei.

 

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III.

Unsere dritte Thesis endlich lautet: „Es ist darum so verwerflich, Sachen des Glaubens aus den Schriften der Väter begründen und die Gewissen an die Lehrentscheidungen derselben binden zu wollen, weil es ein Abfall von dem Hauptgrundsatz der Kirche der Reformation ist."

Die Zeit litt es leider nicht, auch diese These ausführlich zu behandeln. Um jedoch die Sache einigermaßen zum Abschluß zu bringen, legte der Herr Referent wenigstens die wichtigsten Zeugnisse aus unseren Bekenntnissen dafür vor, daß es ein Hauptgrundsatz der Kirche der Reformation war, Glaubenssachen nicht aus den Schriften der Väter, sondern allein aus der heiligen Schrift zu begründen und daher auch die Gewissen nicht an die Lehrentscheidungen der Väter zu binden.

In den Schmalkaldischen Artikeln lesen wir: „Gottes Wort soll Artikel des Glaubens stellen, sonst niemand, auch kein Engel." (Th. II, Art. 2. toi. 138 b.)

In der Concordienformel heißt es : „Wie wir Gottes Wort als die ewige Wahrheit zum Grunde legen, also auch diese" (unsere ersten symbolischen) „Schriften zum Zeugniß der Wahrheit und für den einhelligen rechten Verstand unserer Vorfahren, so bei der reinen Lehre stand-hastig gehalten, einführen und anziehen." (Wiederh. und Erkl. Von dem summar. Begriff. S. 571.)          ,

Also auch das Bekenntniß soll nicht dem Worte Gottes gleichgestellt, sondern behandelt werden als eine menschliche Schrift, nur daß diese das aus Gottes Wort gewonnene Bekenntniß der rechtgläubigen Kirche ist.

Ferner lesen wir in der Concordienformel: „So bekennen wir uns auch zu derselben ersten ungeänderten Augsburgischen Confession nicht derwegen, daß sie von unsern Theologen gestellt, sondern weil sie aus Gottes Wort genommen und darinnen fest und wohl gegründet ist." (Wiederholung und Erkl. Von dem summar. Begriff. S. 569.)

Das ist eine überaus wichtige Stelle für uns. Denn nicht deswegen halten wir hiernach die Augsburgische Confession, dieses Grundbekenntniß unserer Kirche, für ein solch wichtiges Document, das wir mit Freuden unterschreiben, weil sie von so hocherleuchteten Männern aufgestellt ist, sondern weil sie mit Gottes Wort so genau übereinstimmt.

Endlich bekennt noch die Concordienformel: „Diese öffentliche gemeine Schriften sind in den reinen Kirchen und Schulen allwege gehalten worden als die Summa und Vorbild der Lehre, welche Dr. Luther sel. in seinen Schriften aus Gottes Wort wider das Pabstthum und andere Secten stattlich ausgeführet und Wohl gegründet hat; auf welches ausführliche Erklärungen in seinen Lehr- und Streitschriften wir uns gezogen haben wollen

 

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(provooainus), auf Weise und Maß, wie Dr. Luther in der lateinischen Vorrede über seine zusammengedruckten Bücher von seinen Schriften selbst nothdürftige und christliche Erinnerung gethan, und diesen Unterschied ausdrücklich gesetzt hat, daß alleine Gottes Wort die einige Richtschnur und Regel aller Lehre sein und bleiben solle, welchem keines Menschen Schriften gleich geachtet, sondern demselben alles unterworfen werden soll." (Wiederholung. Von dem summarischen Begriff rc. S. 570 f.)

Hier provociren die Bekenntnisse auf die Lehr- und Streitschriften Luthers. Aber wie? „Auf Weise und Maß, wie Dr. Luther in der lateinischen Vorrede über seine zusammengedruckten Bücher von seinen Schriften selbst nothdürftige und christliche Erinnerung gethan" rc. Wohl ist es wichtig, daß wir alle Schriften Luthers haben. Als man dieselben sammeln und herausgeben wollte, sagte man mit Recht: Es soll alles hinein, auch was Luther als Mönch geschrieben hat. Es geschah dies aber nicht deswegen, weil seine früheren Schriften den späteren gleich wären, sondern damit man sehen könnte, wie er nach und nach erleuchtet worden ist. Luther hätte freilich lieber gesehen, man hätte alle seine Schriften in den Ofen gesteckt, wie er in seiner Demuth und in seinem Eifer für Gottes geschriebenes Wort sagt, aber er gab doch endlich nach und dachte: es ist doch wohl gut, wenn alles gedruckt wird, damit man später sehe, auf welchem Wege er das geworden sei, was er war und ist. Um so wichtiger aber ist es, daß unser Bekenntniß sich nicht absolut zu allem, was Luther je geschrieben hat, sondern, Luthern selbst hierin folgend, nur zu den Schriften bekennt, in weichender, endlich frei von allem papistischen Sauerteige, als ein wahrer Reformator in allen Artikeln des Glaubens die reine der Schrift entnommene Wahrheit dargelegt hat. Doch auch was diese Schriften betrifft, soll ein rechter Lutheraner Luthern nicht darum folgen, weil es Luther gelehrt, sondern weil er es so überzeugend aus Gottes Wort begründet hat. Daher denn Luther selbst, nicht nur in Betreff seiner ersten Schriften, also schreibt: „Ich bitte aber den christlichen Leser vor allen Dingen und bitte ihn um unsers HErrn JEsu Christi willen, daß er dieselben ganz bedächtig-lich und mit großem Mitleiden lesen wolle, und wissen, daß ich vor dieser Zeit ein Mönch und der rechten unsinnigen Papisten einer gewesen sei, der im Anfang dieser Sachen so voll und trunken, ja, so gar in des Pabsts Lehre ersoffen, daß ich bereit wäre gewesen zu ermorden, wo es in meiner Macht gestanden, oder hätte zum wenigsten Gefallen daran gehabt und dazu geholfen, daß ermordet worden wären alle diejenigen, so dem Pabst auch in den geringsten Syllaben nicht hätten Gehorsam leisten wollen. Ein solcher eifriger Saulus war ich dazumal, wie noch heutiges Tages viel sind; und war mit Nichten so gar eiskalt und erfroren, das Pabstthum zu vertheidigen, wie Eck und seines Gleichen gewesen, daß ich mich dünken ließ, daß sie mehr ihres Bauchs halben den Pabst verfochten, denn daß sie

 

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ihnen die Sache sollten ernstlich angelegen sein lassen. Ja, ich halte dafür, daß sie noch als Epikurer des Pabsts nur spotten; ich aber nahm mich der Sachen mit Ernst an, als der ich mich für dem jüngsten Tage ängstiglich furchte und entsatzte, und doch von Herzens Grund begehrte selig zu werden. Daher wirst du, christlicher Leser, in diesen meinen ersten Schriften finden, wie viel und großer Artikel ich dem Pabst demüthiglich zugelaffen und eingeräumt habe, die ich hernach und zu dieser Zeit für die höchsten Gotteslästerungen und Greuel gehalten und verdammet habe, und also noch halte und verdamme. Wollest derhalben diesen meinen Jrrthum oder (wie es meine Widersacher giftig deuten) ungleiche, widerwärtige Reden der Zeit und meiner Unwissenheit zumeffen. . . Solches erzähle ich darum, auf daß, so du, allerliebster Leser, meine Bücher durchlaufen wirst, dich zu erinnern wissest, daß ich auch einer, wie droben gesagt, von denen bin, wie St. Augustinus von sich schreibet, die mit Schreiben und Lehren zugenommen haben." (Vorrede über den ersten Theil seiner lateinischen Bücher. Vom Jahre 1546. XIV» 428 f. 463.)

Luther spricht sich auch über die rechte Stellung eines Lutheraners zu ihm und zu seinen Schriften folgendermaßen aus: „Viel sind ihr, die um meinetwillen gläuben, aber jene sind allein die Rechtschaffenen, die darinne bleiben, ob sie auch hörten, daß ich es selbst (da Gott für sei) ver-leugnete und abträte. Das sind sie, die nichts darnach fragen, wie Böses, Greuliches, Schändliches sie hören von mir oder von den Unsern. Denn sie glauben nicht an den Luther, sondern an Christum selbst. Das Wort hat sie, und sie haben das Wort: den Luther lassen sie fahren, er sei ein Bube oder heilig. Gott kann sowohl durch Balaam als Asajarn, durch Caipham als durch Petern, ja, durch einen Esel reden. Mit denen halt ich's auch. Denn ich kenne selbst auch nicht den Luther, will ihn auch nicht kennen; ich predige auch nichts von ihm, sondern von Christo. Der Teufel mag ihn holen, wenn er kann; er lasse aber Christum mit Frieden bleiben, so bleiben wir auch wohl." (Missive an Hartmuth von Cron-berg, vom Jahre 1622. XV, 1988 f.)

Helfe Uns Gott, solche Lutheraner zu sein und immermehr zu werden! Amen, in JEsu Namen, Amen.