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1885 Iowa, Pieper- Certainty of Salvation
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This is extracted from Pieper's essay delivered to the Iowa District, 1885.  It was OCR'd by BackToLuther July 31, 2014.  –  I spent a little time adding back some formatting on the first few pages only.  Some verifying of characters has been manually done, but there are surely several errors remaining.  All emphasis from original will have to be added back in  –  I used underlining for my work.

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der Synode von Missouri, Ohio u. a. St. 1885.   11

Außer den von Herrn Prof. Pieper gütigst vorgelegten Thesen für die Lehrverhandlungen über das Thema: Die Lehre von der Gewißheit der Seligkeit in ihrer Wichtigkeit für das geistliche Leben, wird der Ehrw. Synode in diesen Tagen noch Folgendes zur Be-rathung vorgelegt:

1. Einige Sachen, die der Hochw. Herr Allgemeine Präses H. C. Schwan vorzulegen wünscht.

2. Der Bericht des geehrten Missions-Directoriums.

3. Ein Bittgesuch der Gemeinde in Davenport.

4. Eine Eingabe, die Pensionirung des emeritirten Pastor Th. Mertens betreffend.

Ferner findet in diesen Tagen die Wahl neuer Districtsbeamten statt und sind Wohl auch die Delegaten für die nächste Versammlung der Synodal-Conferenz zu wählen.

Hierauf folgte die Verlesung des jährlichen Präsidialberichtes, der im Statistischen Jahrbuch der Allgemeinen Synode nachgelesen werden kann.


12  Verhandlungen        des Iowa-Districts

Lehrverhandlungen.

Für die Lehrverhandlungen lagen der Synode Thesen von Herrn Professor F. Pieper vor über:

Die Lehre von der Gewißheit der Seligkeit in ihrer Wichtigkeit für das geistliche Leben.

Thesis I.

Daß ein Christ seiner Seligkeit im Glauben gewiß sein solle, gehört zu den ersten Buchstaben der christlichen Lehre, und die Leugnung dieser Lehre ist ein antichristischer Irrthum.

Thesis II.

Die Gewißheit der Seligkeit ist für den Christen nicht schädlich, sondern gibt vielmehr dem geistlichen Leben desselben die rechte Gestalt, Macht und Kraft. Insonderheit ist nach der Schrift die Gewißheit der Seligkeit eine Quelle

a. des Lobes Gottes. 1 Petr. 1, 3. ff. Col. 1, 12. Eph. 1, 3.

b. des Fleißes in guten Werken. Tit. 3, 5—8. 1 Petr. 3, 7. Eph. 6, 8. 9. Col. 3, 24.

c. der Verachtung und Meldung der Lust dieser Welt. 1 Petr. 2, 11. Phil. 3, 20. f. Col.3, 1—4. Tit. 2,12. 13. 1 Joh. 3, 2. 3. Röm. 13, 11. ff. Ebr. 11, 24—26.

d. des rechten Gebrauches der Güter dieser Welt. Luc. 12, 32. ff. 1 Tim. 6, 17—19. 1 Cor. 7, 29—31.

e. der Standhaftigkeit in der Trübsal. Röm. 8, 17—25. 2 Tim. 1,12. Luc. 6, 20—24. 1 Petr. 1, 6. 1 Cor. 15,19.30. ff. 2 Cor. 4, 16. ff.

f. der Ueberwindung des Todes schon in diesem Leben. Phil. 1, 21. ff. 1 Theff. 4, 13. ff.

Thesis III.

Daher soll jeder Christ mit ganzem Ernst alles meiden, wodurch ihm die Gewißheit der Seligkeit umgestoßen wird.

Der Herr Referent leitete obige Thesen mit folgenden Worten ein:

Wir wollen davon reden, wie wichtig die Gewißheit der Seligkeit oder des ewigen Lebens für das geistliche Leben der Christen sei. Der Gegenstand, welchem wir uns hiermit zuwenden, ist für jeden Christen, insonderheit für jeden Pastor, von der allergrößten Bedeutung.


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Daß es mit unserem geistlichen Leben oft so kümmerlich steht, kommt auch daher, daß wir die Hoffnung des ewigen Lebens nicht so fest im Glauben ergreifen, als es nach der heiligen Schrift geschehen sollte; ja, der gänzliche Abfall Vieler ist ohne Zweifel auch darauf zurückzuführen, daß sie sich nicht der Hoffnung des ewigen Lebens annahmen, daß sie das Stück der christlichen Waffenrüstung nicht anlegten, welches der Apostel Eph. 6, 17. den „Helm des Heils" nennt, d. i. die Hoffnung des ewigen Lebens. Nach dem Fleische sind wir nur allzu geneigt, auch in diesem Punkte den Irrweg zu gehen; und in neuester Zeit hat man auch von außen uns das Ziel in diesem Stück verrücken wollen. Darum ist der Gegenstand wichtig genug, daß wir ihn einmal auf einer Synodalversammlung besonders besprechen.

Wenn die gegenwärtigen Lehrverhandlungen dazu dienen, daß unsere Prediger immer fröhlicher und freier die Hoffnung des ewigen Lebens verkündigen, und daß unsere Christen sich immer mehr in zuversichtlichem Glauben der Christenhoffnung des ewigen Lebens annehmen, dann wird ein großer Segen aus diesen Verhandlungen fließen; denn dann ist unter uns das Mittel im Gebrauch, wodurch hauptsächlich ein geistlicher, himmlischer Sinn gewirkt wird. Es wird auch bei diesem Gegenstände offenbar, ob jemand wirklich Christi Verdienst voll und ganz gelten lasse, ob er das Evangelium in seiner Reinheit glaube, ob er Gesetz und Evangelium recht zu theilen verstehe 2c.

Thesis I.

Daß ein Christ seiner Seligkeit im Glauben gewiß sein solle, gehört zu den ersten Buchstaben der christlichen Lehre, und die Leugnung dieser Lehre ist ein antichristischer Irrthum.

Wir wollen in-dieser Thesis nicht im Allgemeinen beweisen, daß ein Christ seiner Seligkeit gewiß sein solle (das ist ja bereits vielfach in unseren Zeitschriften und sonst geschehen), sondern die Lehre von der Gewißheit auf zwei Punkte zuspitzen: erstlich, daß diese Lehre zu den allerersten Buchstaben der christlichen Lehre gehöre; und sodann, daß derjenige, welcher diese Lehre leugnet, in einem antichristischen Jrrthum, einem Jrrthum, der dem Hauptfeinde Christi und seiner Kirche, dem Pabst, eigen ist, stehe.

Daß ein Christ seiner Seligkeit gewiß sein solle, gehört zu den allerersten Buchstaben der christlichen Lehre. Mit diesem Satze treten wir nicht nur denjenigen entgegen, welche überhaupt die Gewißheit der Seligkeit für Christen leugnen, sondern auch denen, welche dieselbe zwar zugeben, dabei aber doch so reden, als könne man zu solcher Gewißheit nur auf dem Wege einer langwierigen Schlußfolgerung gelangen, oder meinen, es könne doch nur ein Christ, der einen besonders


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hohen Stand des geistlichen Lebens erreicht habe, seiner Seligkeit gewiß sein. Nein, das ist eine durchaus irrige und schädliche, den ganzen Stand des geistlichen Lebens verrückende Meinung. Die Gewißheit der Seligkeit ist vielmehr ein sogenannter primärer Fundamentalartikel, d. h. ein Artikel der christlichen Lehre, der von jedem, auch dem schwächsten Christen geglaubt werden muß und auch wirklich geglaubt wird; ein Artikel, ohne den ein geistliches Leben gar nicht gedacht werden kann, so daß, wenn man den Glauben an die gewisse Erlangung des ewigen Lebens hinwegnimmt, damit * das geistliche Leben selbst aufhört.

Daß die Lehre von der Gewißheit des ewigen Lebens zu den allerersten Stücken der christlichen Lehre gehöre, geht erstlich aus dem hervor, was die heilige Schrift von dem Glauben an Christum sagt. Die heilige Schrift gibt diesem Glauben nicht nur die Vergebung der Sünden, sondern zugleich auch die Seligkeit. Ein Christ glaubt an Christum als seinen Heiland; er glaubt, Gott vergebe ihm aus Gnaden um Christi willen seine Sünde und nehme ihn zu Gnaden an. Das macht einen Menschen zum Christen. Mit diesem Glauben aber an die Vergebung der Sünden, an die Rechtfertigung, ist zugleich auch der Glaube gegeben, daß Gott ihm das ewige Leben um Christi willen geschenkt habe. Das Letztere läßt sich gar nicht von dem Ersteren trennen. Und nur so viel Gewißheit der Vergebung der Sünden ist da, als auch Gewißheit des ewigen Lebens da ist ; und umgekehrt : nur so viel Zweifel an der Erlangung des ewigen Lebens ist da, als Zweifel an der gegenwärtigen Gnade, oder an der Vergebung der Sünden, vorhanden ist. .Es gibt überhaupt keinen Christen, der nicht des ewigen Lebens im Grunde seines Herzens gewiß wäre. Diese Gewißheit findet sich auch bei denjenigen, welche dieselbe nicht empfinden, ja, auch bei denen, welche mit dem Munde die Gewißheit des ewigen Lebens für Christen leugnen, wenn sie noch im Herzen Christen sind und das Herz besser steht, als der Kopf.

Blicken wir in die Schrift. Marc. 16, 15. 16..gibt Christus seiner Kirche den Befehl: „Gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium aller Creatur", und fügt die Verheißung hinzu: „Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden." Das heißt doch: wer durch die Predigt des Evangeliums zum Glauben gekommen ist, dessen Theil ist die ewige Seligkeit. Dem Glauben wird die Seligkeit gegeben. Gerade dazu wird das Evangelium auf Christi Befehl gepredigt, daß derjenige, welcher es glaubt, die ewige Seligkeit habe. Jeder fühlt, wie falsch und unsinnig es wäre, wenn jemand diese Stelle so auslegen wollte: wer da glaubet und getauft wird, bei dem ist es noch immer zweifelhaft, ob er selig wird.

Joh. 6, 47. spricht der HErr Christus: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, wer an mich glaubet, der hat das ewige Leben." Und Joh.5, 24.: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, wer mein Wort höret und glaubet


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dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das Gericht, sondern er ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen." Der völlige Genuß der Seligkeit kommt für die an Christum Glaubenden ja freilich erst in jenem Leben ; aber in diesen Sprüchen heißt es von dem Gläubigen ausdrücklich: „Er hat das ewige Leben", um auszudrücken, daß er das ewige Leben schon auf Erden als sein Eigenthum, sein ihm gehöriges Gut besitze. Es ist ein Unterschied zwischen Genuß und Besitz. Ein unmündiger Erbe hat noch nicht den unumschränkten Gebrauch und Genuß seines Gutes; trotzdem ist er der einzige rechtmäßige, wirkliche Besitzer des Gutes. So ist es auch mit den Christen. Wohl stehen sie hier auf Erden noch nicht im Genuß der Herrlichkeit des ewigen Lebens, — es hat dem HErrn und Heiland vielmehr gefallen, daß feine Kirche hier auf Erden die Kreuzesgestalt trage, — trotzdem haben sie das ewige Leben als das ihnen von Christo gegebene Besitzthum, wie der HErr hier mit einem Schwur versichert: „Wahrlich, wahrlich, ... wer an mich glaubet" und „wer mein Wort höret und glaubet... der hat das ewige Leben." Das Gegentheil vom ewigen Leben, die ewige Verdammniß, ist für den Christen gänzlich ausgeschlossen, denn Christus fügt hinzu : „Und kommt nicht in das Gericht." Deshalb spricht auch der Apostel Johannes im Namen aller Christen 1 Joh. 3, 14.: „Wir wissen, daß wir aus dem Tode in das Leben kommen sind."

Nach diesen Sprüchen gibt die heilige Schrift dem Glauben der Christen ausdrücklich auch das ewige Leben. Wenn nun jemand nicht dafür halten wollte, daß ein Christ des ewigen Lebens gewiß sein sollte, der müßte alles, was die heilige Schrift vom Glauben der Christen sagt, verleugnen. Ja, die Schrift sagt noch mehr! Sie sagt, daß dem Christen die Erlangung des ewigen Lebens leichter zu glauben sein solle, als die Versöhnung durch Christum. So schreibt nämlich der Apostel Paulus Röm. 5, 10.: „Denn so wir Gott versöhnet sind durch den Tod seines Sohnes, da wir noch Feinde waren; viel mehr werden wir selig werden durch sein Leben, so wir nun versöhnet sind." Damit sagt der Apostel: „Ihr Christen haltet es doch für ganz gewiß, daß ihr durch den Tod des Sohnes Gottes mit Gott versöhnt seid; habt ihr aber daran 'keinen Zweifel, viel weniger könnt ihr daran zweifeln, daß ihr, nachdem ihr nun mit Gott versöhnt seid, auch die Seligkeit erlanget durch den Sohn Gottes, der nun aus dem Tode in's Leben gekommen ist." Wenn man zwischen leichteren und schwereren Glaubensartikeln unterscheiden will, so muß man sagen, daß der Artikel, Gott habe seinen Sohn zur Bezahlung meiner Sünde tödten lassen, schwerer sei, als der Glaubensartikel, Gott wolle mich, den durch des Sohnes Blut Versöhnten, nun auch selig machen. Glaubt ein Christ jenes überaus schwer zu Glaubende, daß Gott seinen Sohn für die Sünder habe schlachten lassen, so muß es ihm hernach leicht werden, zu glauben, daß er durch Gottes Gnade auch das ewige Leben erlangen werde.


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Darüber sagt schon Augustinus in der Auslegung des 118. Psalms: „Er hat uns verheißen, daß wir dort bei ihm sein werden, wo er selbst ist. Was hat dir Gott verheißen, du Sterblicher? Daß du ewig leben sollst. Glaubst du es nicht? Glaube, glaube nur. Mehr hat er bereits gethan, als er verheißen hat. Was hat er gethan? Er ist für dich gestorben. Was hat er verheißen? Daß du mit ihm leben sollst. Es ist unglaublicher, daß der Ewige gestorben ist, als daß der Sterbliche in Ewigkeit lebe. Nun aber glauben wir schon das Unglaublichere." (Citirt bei Gerhard. L. de elect. § 209.)

Vergebung der Sünden, Rechtfertigung, gibt es gar nicht für sich allein, sondern immer nur in Verbindung mit dem ewigen Leben. Es kann daher niemand die Vergebung der Sünden für sich allein, abgesondert von der Gabe des ewigen Lebens, glauben. Wer Vergebung der Sünden glaubt, der muß alles Andere, auch die ewige Seligkeit, so zu sagen, mit in den Kauf nehmen; er hat entweder den ganzen Christum mit dem ganzen Verdienst oder gar nichts. Das ist im Kleinen Katechismus so fein ausgedrückt, wenn in demselben Vergebung der Sünden, Leben und Seligkeit wie in einer Schnur erwähnt wird. Der liebe Gott ist kein Knicker und Knauser, er gibt von den Gütern seines Hauses nicht bloß ein klein wenig, sondern er schüttet dem Gläubigen alles, was Christus erworben hat, in den Schooß. Wer nun nimmt, nimmt alles oder nichts. Freilich sieht ein Christ nicht immer alles, was ihm Gott gegeben hat, aber das ist seines Unglaubens Schuld, und er soll sich ermuntern lassen, daß er immer das Glaubensauge auf die ihm dargereichten Schätze richte und seinen Reichthum erkenne. Ihm ist nicht bloß die gegenwärtige Gnade, sondern auch die ewige Seligkeit gegeben. Nur durch die Sophistereien, die sich in die Christenheit eingeschlichen haben, und durch unser eigenes, dem Glauben abholdes Fleisch ist es leider dahin gekommen, daß wir immer zwischen der gegenwärtigen Gnade und dem ewigen Leben so unterscheiden, daß wir der ersteren gewiß, des letzteren ungewiß sein wollen.

Daß die Gewißheit der Seligkeit zu den ersten Buchstaben der christlichen Lehre gehöre, erhellt ferner klar aus dem, was die Schrift von den Gnadenmitteln sagt. Es muß feststehen: Was und wie viel Gott verheißt, zusagt, das, soviel müssen wir auch glauben, denn Gott lügt nicht. Was und wie viel sagt nun Gott in seinen Verheißungen zu? Etwa bloß Vergebung der Sünden? Nein, ganz ausdrücklich und vornehmlich auch das ewige Leben. So schreibt z. B. Johannes 1 Joh. 2, 25.: „Und das ist die Verheißung, die er uns verheißen hat, das ewige Leben." So sollen wir auch der Verheißung des ewigen Lebens glauben. Ja, derselbe Apostel sagt, daß wir Gott zum Lügner machen, wenn wir nicht glauben, daß er uns in Christo das ewige Leben gegeben habe. 1 Joh. 5, 10. schreibt er : „Wer Gott nicht glaubet, der machet ihn zum Lügner; denn er glaubet nicht dem Zeugniß, das Gott


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zeuget von seinem Sohn." Und was ist der Inhalt dieses Zeugnisses, durch dessen Nichtannahme man Gott zum Lügner macht? Das fügt er alsbald hinzu: „Und das ist das Zeugniß, daß uns Gott das ewige Leben hat gegeben, und solches Leben ist in seinem Sohn." Ein Christ müßte also erst die göttliche Verheißung außer Augen setzen und verleugnen, ehe er sagen könnte, er könne seiner Seligkeit nicht gewiß sein. Tit. 3, 5. heißt es im Besondern von der heiligen Taufe: „Nicht um der Werke willen der Gerechtigkeit, die wir gethan hatten, sondern nach seiner Barmherzigkeit machte er uns selig durch das Bad der Wiedergeburt und ?  Erneuerung des Heiligen Geistes." Gott macht uns nach diesem Spruche durch die Taufe nicht nur gerecht, sondern zugleich auch selig. Und 1 Petr. 3, 21. heißt es von dem Wasser der Taufe: „Welches nun auch uns selig macht in der Taufe." In der Taufe wird jedem Getauften der ganze Erwerb Christi mitgetheilt; zu diesem Erwerb gehört doch gewiß auch das Hauptgut, das ewige Leben; denn gerade dieses uns zu erwerben, ist Christus erschienen; die Vergebung der Sünden, die er uns auch erworben hat, ist nur das Mittel, durch welches wir das ewige Leben erlangen sollen. Darum antwortet Luther im Kleinen Katechismus auf         die Frage: „Was gibt oder nützet die Taufe?" „Sie wirket Vergebung der Sünden, erlöset von Tod und Teufel und gibt die ewige Seligkeit Allen, die es glauben, wie die Worte und Verheißungen Gottes lauten." Ein Christ müßte also auch seine Taufe leugnen, wenn er seiner Seligkeit nicht gewiß sein wollte; er kann an seiner Seligkeit nicht zweifeln, so lange er seine Taufe im Glauben ansieht. Schon in der Taufe ist ihm die ewige Seligkeit beigelegt. Darum gehört aber auch die Lehre von der Gewißheit der Seligkeit zu den ersten Buchstaben der christlichen Lehre.

Von der Taufe, sofern sie die Gewißheit der Seligkeit betrifft, sagt Luther in seiner überaus köstlichen Predigt über Tit. 2,13. (Predigt von unserer seligen Hoffnung), die man alljährlich ein paarmal durchlesen sollte: „Zu solchem ewigem Leben sind wir getauft, dazu hat uns Christus durch sein Blut erlöset und dazu haben wir das Evangelium empfangen. Alsbald man ein Kind aus der Taufe hebet und ihm das Westerhemde anzeucht, so wird es von Stund an eingeweihet zum ewigen Leben, daß es hinfort die Zeit seines Lebens nur ein Pilgrim und Gast sei in dieser Welt und sich also drein schicke, daß es dies zeitliche Leben gedenke zu lassen und auf jenes unvergängliche Leben immerdar hoffe und warte." (E. A. 19, 337 f.)

Daß die Gewißheit der Seligkeit zu den ersten Buchstaben der christlichen Lehre gehöre, geht ferner daraus hervor, daß die Gewißheit der Seligkeit der eigentliche Zweck des Schreibens der apostolischen Briefe, sowie der ganzen heiligen Schrift überhaupt, ist. Zu diesem Zweck hat z. B. St. Johannes seine Epistel geschrieben; er sagt 1 Joh. 5, 13.: „Solches habe ich euch geschrieben, die ihr glaubet an den Namen des Sohnes Gottes, auf daß ihr wisset,


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daß ihr das ewige Leben habet." Und Nöm. 15, 4. heißt cs vom ganzen Alten Testamente: „Was aber zuvor" (nämlich in den Schriften des Alten Testamentes) „geschrieben ist, das ist uns zur Lehre geschrieben, auf daß wir durch Geduld und Trost der Schrift Hoffnung haben." Unter Hoffnung ist hier, wie überhaupt, wenn in der Schrift schlechthin von Hoffnung die Rede ist, die eigentliche Cbristcnhossnung, die Hoffnung des ewigen Lebens, zu verstehen. Es ist also Zweck der ganzeil heiligen Schrift, in den Ebristen die Hoffnung des ewigen Lebens zu wirken. Wenn daher ein Ehrist des ewigen Lebens nicht gewiß sein wollte, daun müßte er die ganze heilige Schrift für zwecklos erklären. Luther schreibt: „Gott hat dieses alles" (nämlich sein Wort, Sacrament, Offenbarung) „darum eingesetzt, daß er dick damit wollte ganz gewiß machen und aus deinem Herzen den großen Mangel und Fehler des Zweifels wegnehnren, auf daß du nicht allein im Herzen glauben, sondern auch mit leiblichen Augen sehen und dazu mit den Händen greisen möchtest. Warum verwirfst du nun dieses alles und klagst, daß du nicht wissen könnest, ob du zur Seligkeit versehen seiest?" (Zu 1 Mos. 26, 9. St. Louiser Ausg. II, 179.)

Die Gewißheit des ewigen LebenS gehört zum Wesen des Christen, und zwar so sehr, daß. wenn man dieselbe leugnete, ein Christ sich von einem Heiden gar nicht mehr unterscheiden würde. Der Apostel schreibt Eph. 2, 12. von den Ephesern, daß sie, als sie noch Heiden waren, „zu der- selbigen Zeit keine Hoffnung hatten", das ist, keine Hoffnung des ewigen Lebens. Der Apostel setzt 1 Cor. 15, 19. den Fall, daß auch die Christen des ewigen Erbes nicht gewiß wären, und schreibt: „Hoffen wir allein in diesen« Leben auf Christum, so sind wir die elendesten unter allen Menschen." Wir Christen wenden uns ja mit unserem Herzen von diesem Leben ab, und wenn wir nun auch des ewigen Lebens nicht gewiß sein sollten, dann wären wir freilich die elendesten Creaturen. Aber so steht es nicht mit den Christen. Der Apostel schreibt 1 Thess. 4, 13., daß die Christen nicht seien wie die Andern, die keine Hoffnung haben, und Röm. 5, 2.: „Wir rühmen uns der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben soll." Unsere Seligkeit ist uns so gewiß, daß wir uns derselben auch rühmen mitten in der Trübsal. Man müßte also den Unterschied zwischen einem Christen und Heiden erst aufheben, wenn man einen Christen seiner Seligkeit nicht gewiß sein lassen wollte.

Ein weiterer Beweis für die Gewißheit der Seligkeit und dafür, daß diese Lehre zu den ersten Buchstaben der christlichen Lehre gehöre, liegt darin, daß jeder Christ den Heiligen Geist in seinem Herzen hat. „Welche der Geist Gottes treibet, die sind Gottes Kinder", schreibt der Apostel Rom. 8, 14. In jedes Christen Herzen wohnt der Heilige Geist. Den Heiligen Geist aber, der in jedes Christen Herzen wohnt, nennt die heilige Schrift Eph. 1, 14. „das Pfand unsers Erbes zu unserer Erlösung". Durch ein Pfand macht der, welcher es gibt, sich noch beson-


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ders verbindlich, einem Andern ein versprochenes Gut zukoinmen lassen zu wollen. Gott will uns ein unaussprechlich herrliches Gut, die ewige Seligkeit, zukommen lassen; er weiß aber, was für ein arm Gemächte wir sind, wie sehr wir zum Zweifel geneigt sind; darum gibt er uns ein Pfand, und zwar kein geringeres als den Heiligen Geist.  Eph. 4, 30. werden die Christel« ermahnt, nicht den Heiligen Geist zu betrüben, und als Grund dieser Ermahnung wird angegeben: „Damit ihr versiegelt seid auf den Tag der Erlösung." Mit dem Heiligen Geiste sind «vir Christen -- versiegelt auf den Tag der Erlösung. Durch ein Siegel wird ein schriftliches Berfprechen bestätigt, gewiß gemacht. So ist den Christen durch die Gabe des Heiligen Geistes die ewige Seligkeit, die ihnen am Tage der Erlösung, d. i. am jüngsten Tage, zu Theil werden soll, versiegelt.  Hieraus macht Chemnitz ausmerksam, um die Papisten mit ihrer Zweifellehre zurückzuweisen. Er schreibt: „Die stärksten Beweise gegen die Zweifellehre der Papisten entnehmen «vir aus den Zeugnissen der Schrift von der Versiegelung der Gläubigen durch den Heiligen Geist, Eph. 1, 13. 14. 2 Cor. 1, 22. Eph. 4, 30. Joh. 3, 33. Eine Versiegelung wird ohne Zweifel bei den Dingen angewendet, welche wir Anderen, auf die sie sich beziehen, außer Zweifel stellen und ganz gewiß machen wollen. . . . Durch die Versiegelung soll jeder Zweifel, der sich etwa erheben könnte, entfernt werden. ... Deshalb hat Gott die Versiegelung durch den Heiligen Geist angewendet, weil er weiß, was für ein Gemächte wir sind, daß der Zweifel uns von Natur innewohnt.  Diesen Zweifel wollte er nicht billigen und bestätigen, wenn er die überaus köstliche Versiegelung, nämlich die durch den Heiligen Geist, vornahm. Das andere Wort ist 'Pfand'.  Es bezeichnet eine Gcwährlcistung oder ein Zeichen, wodurch ein Versprechen bestätigt wird. .. Diese Worte gewähren den süßesten Trost. Weil wir  (Röm. 8, 24.) selig sind in Hoffnung und (2 Cor. 5, 7.) im Glauben, nicht im Schauen, wandeln, so hat Gott uns, damit wir nicht au seinem Willen gegen uns, an der Gnade, der Vergebung der Sünden und dein ewigen Leben zweifeln, eine Bürgschaft und ein Pfand gegeben, und zwar nicht einen Engel oder etwas Geschaffenes, sondern den Heiligen Geist selbst, welcher mit dein Vater und dein Sohne Eines Wesens ist, damit «vir gegen jeden Zweifel gestärkt würden.... Es ist eine große Schmähung des  Geistes der Gnade, den papistischcn Zweifel zu vertheidigen." (Loci II, p.m. 697 sq.)  Man müßte also das Werk des Heiligen Geistes im Christen leugnen, wenn man einen Christen nicht seiner Seligkeit gewiß sein lassen wollte.

Ein weiterer Beweis für den von uns ausgestellten Satz liegt darin, daß die Christen Kinder Gottes durch den Glauben an Christum JEsum heißen. Vergl. Gal. 3, 26. Die Schrift sagt aber ganz ausdrücklich noch weiter, daß mit dieser Kindschaft auch immer die Erbschaft des ewigen Lebens gegeben und verbunden sei. Röm. 8,


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17. heißt es: „Sind wir denn Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi, so wir anders mit leiden, auf daß wir auch mit zur Herrlichkeit erhoben werden." Sind wir daruin der Kindschaft gewiß, so müssen wir auch der Erbschaft gewiß sein; wir sind aber der Kindschaft gewiß, wie der Apostel kurz vorher V. 16. sagt: „Derselbige Geist gibt Zeugniß unserem Geist, daß wir Gottes Kinder sind." So ist klar, daß wir auch der Erbschaft, des ewigen Lebens, gewiß sind.

Einen weiteren Beweis für unseren Satz liefert endlich auch der Umstand, daß die heilige Schrift die Gläubigen in diesem Leben mit der ewigen Seligkeit im Himmel tröstet. Matth. 5, 12. spricht Christus zu seinen Jüngern, die um seines Namens willen geschmäht und verfolgt werden sollten: „Seid fröhlich und getrost, es wird euch im Himmel wohl belohnet werden." Daraus erhellt aber, daß die ewige Seligkeit für die Christen gleichsam gar nicht in Frage kommt, daß die Gewißheit derselben als selbstverständlich vorausgesetzt wird; denn man kann doch keinen trösten mit einem Gute, dessen Besitz noch ganz ungewiß ist. Wenn darum die heilige Schrift das ewige Leben als Fundament des Trostes zu Grunde legt, so lehrt sie damit die Gewißheit der Seligkeit für die Christen. Oder man müßte der Schrift eine unsinnige Beweisführung andichten.

So sehr gehört also, wenn wir das Gesagte kurz wiederholen wollen, die Gewißheit der Seligkeit zu den ersten Buchstaben der christlichen Lehre, daß, wenn ein Christ der Seligkeit nicht gewiß sein wollte, er verleugnen müßte, was die Schrift dem Glauben der Christen gibt und was sie von den Gnadenmitteln, insbesondere auch von der Taufe, sagt. Er müßte ferner die Christenhoffnung, die doch das unterscheidende Merkmal zwischen Christen und Heiden ist, den ganzen Endzweck der heiligen Schrift, die Einwohnung des Heiligen Geistes, die Gotteskindschaft, den herrlichsten Trost der Christen, kurz, alles, was das geistliche Leben ausmacht, verleugnen. Es ist darum eine ganz unsinnige, widernatürliche Behauptung, wenn jemand sagt, daß ein Christ nicht des ewigen Lebens gewiß sein sollte. Daher heißt es ja auch im apostolischen Glaubensbekenntniß, das unsere Kinder lernen: „Ich glaube ein ewiges Leben." Das heißt doch nicht etwa bloß: Ich glaube, daß es ein ewiges Leben gibt für Andere — das glauben die Teufel auch —, sondern das heißt vor allen Dingen: Ich, der ich ein Christ bin, der ich den ersten und zweiten Artikel bekannt habe, glaube nun auch, daß ich das ewige Leben haben werde, wie es denn auch in Luthers Erklärung des dritten Artikels heißt: „Ich glaube, daß er mir sammt allen Gläubigen in Christo ein ewiges Leben geben wird." Und dieser Glaube ist kein ungewisser Wahn, sondern eine gewisse Zuversicht. Denn der Gläubige fügt hinzu: „Das ist gewißlich wahr."

Daß Luther die Gewißheit der Seligkeit zu den ersten Büch-


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staben der christlichen Lehre gerechnet habe, geht auch daraus hervor, daß er in die „christlichen Fragestücke" auch diese Frage aufgenoinmen hat: „Hoffest du auch selig zu werden?" und dann die Antwort gibt: „Ja, ich hoffe es." („Hoffen" ist hier natürlich wieder in dein Sinne der gewissen Christenhoffnung, die nicht trügt, genommen. Vgl. Nöm. 5, 5.) Luther sagt zu den Worten „lebendige Hoffnung" 1 Petr. 1, 3.: „Ob wir wohl gewiß sind, daß wir durch den Glauben alle Güter Gottes haben, denn kl        der Glaube bringet uns die Neugeburt, die Kindschaft und das Erbe gewißlich mit sich, so besitzen wir es doch noch nicht empfindlich" (d. h. so, daß es in die Sinne fällt), „sondern erwarten ihr durch die Hoffnung, die St. Peter nach ebräischer Weise eine Hoffnung des Lebens nennet. Wir nach unserer Sprache Art sprechen: eine lebendige Hoffnung, das ist, in der wir gewißlich hoffen und sicher sein mögen des ewigen Lebens." (E. A. 52, 13.) Luther sagt ferner in diesem Zusammenhänge: „Wir haben den HErrn Christum gar und sind des ewigen Lebens gewiß; doch haben wir die Gesundheit nicht gar, es bleibet noch etwas im Fleisch vom alten Adam." (E. A. 52,- 93.) Zu den Worten „das behalten wird im Himmel", 1 Petr. 1, 4. schreibt Luther: „Eures himmlischen Erbes, sagt er (der Apostel), seid ihr ganz gewiß, ob ihr's gleich mit Augen nicht sehet noch gegenwärtig besitzet, denn es wird euch behalten und verwahret an einem Ort, da es Wohl sicher ist und bleibet, nämlich im Himmel, da es niemand rauben noch stehlen kann; und ist noch um eine kurze Zeit zu thun, so werdet ihr's nicht allein sehen, sondern auch zu eigen kriegen und ewig mit herrlicher unaussprechlicher Freude besitzen." (E. A. 52, 18.)

Luther führt auch den Gedanken aus, daß derjenige, welcher der Gnade Gottes und des ewigen Lebens nicht gewiß sein will, gleichsam sämmtliche Gnadenmittel für sich außer Wirkung setzt. Er schreibt: „Ich soll deß gewiß sein, was ich von Gott halten soll, oder vielmehr, was er von mir halte. Und ist es ein greulicher Jrrthum gewesen in der papistischen Lehre, damit sie die Leute so weit gebracht haben, daß sie an Vergebung der Sünde und Gottes Gnade zweifeln." (Zwar nennt Luther hier nur die Vergebung der Sünden; aber wir werden bald sehen, daß ihm Gewißheit der Vergebung der Sünden und Gewißheit der Seligkeit eins und dasselbe ist.) „Du sollst, haben sie gesagt, erkennen, daß du ein Sünder bist, und ein solcher Sünder, der seiner Seligkeit nicht gewiß sein kann." (Hier setzt Luther schon für die „Gnade" die „Seligkeit" ein.)  Also ist die ganze Welt ersoffen gewesen in solchem Zweifel und anderen irrigen Meinungen von Gott. Darum soll man lernen, daß Gott kein ungetvisser, zweifelhaftiger oder wandelbarer, zweideutiger Gott sei, wie ein ungewisses Rohr sei, sondern daß er gewiß und zuverlässig sei, der da sagt: Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes; ich absolvire und spreche dich los von deinen Sünden 2c.


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Da irren Gott der Vater, der Sohn und der Heilige Geist nicht, werden nicht von« Winde hin und her getrieben, sondern sind wie ein harter Fels und Sela, tvie Gott in den Psalmen oft genannt wird, daß er ganz gewiß sei, auf welchen du dich gewißlich magst verlassen und sagen: Ich bin heilig und selig, bin ein Kind und Erbe Gottes; denn ich bin ja getauft. Diese Gewißheit und Plerophorie soll man behalten. Denn sonst ist dieTaufe, die Absolution und auch der Brauch des Abendmahls des HErrn unnütz und vergeblich. Wie es denn uns im Pabstthum also ergangen ist, wie St. Paulus sagt 2 Tim. 3, 7.: ,Sie lernen immerdar und können nimmer zur Erkenntniß der Wahrheit kommen.' Denn es ist eine greuliche Blindheit und Irrthum gewesen, der durchaus zu verdammen ist, wenn auch sonst nichts mehr unrecht oder sündlich gewesen wäre in des Pabstes Lehre, nämlich daß sie gelehrt haben, wir sollen iminer hin und her im Zweifel gehen, Wanken, ungetviß sein und an unserer Seligkei t zweifeln. Denn solche Ungewißheit oder Zweifel nimmt mir meine Taufe und Gottes Gnade. Ich bin vergeblich ein Christ, arbeite und lebe vergeblich." (Zu 1 Mos. 41, 32. St. L. Ausg. II, 1353 ff.) Man fordert also nur zur Uebung im Gebrauch der Verheißungen Gottes und der heiligen Sacramente auf, wenn man die Christen ermahnt, des ewigen Lebens gewiß zu sein.

Es heißt in unserer Thesis, daß ein Christ seiner Seligkeit im Glauben gewiß fein solle. Die Gewißheit der Seligkeit ist eine Glaubens- gewißheit; das ist der einzige in jeder Hinsicht zutreffende Ausdruck, wenn man diese Gewißheit näher bezeichnen will. Man hat auch andere Unterscheidungen, z. B. zwischen bedingter und unbedingter Gewißheit, gemacht, aber alle diese Unterscheidungen sind minder zutreffend, oder geradezu irreführend. Im Glauben, im Glauben an Gottes Wort und Verheißung, sind wir des ewigen Lebens gewiß. Wer in diesem Glauben steht, der ist seiner Seligkeit gewiß; bei dem, der nicht im Glauben steht, kann von einer Gewißheit der Seligkeit gar nicht die Rede sein. Diese Glaubensgewißheit aber ist eine vollkommene Gewißheit. „Ich glaube ein etviges Leben", ist so viel als : „Ich bin's gewiß, ich weiß gewiß, daß ich das ewige Leben habe." Der Glaube ist eine gewisse Zuversicht. Die Apostel vertauschen auch „wissen" und „glauben" mit einander. Johannes sagt z. B. in dem schon angeführten Spruch 1 Joh. 5, 13.: „Auf daß ihr wisset, daß ihr das ewige Leben habt." Es gibt zweierlei Gewißheit. Die eine stützt sich auf eigene sinnliche Wahrnehmung, auf Sehen, Fühlen, Schmecken re., die andere hat nicht zum Grunde eigene sinnliche Wahrnehmung, sondern die Rede, das Wort, eines Ändern. Zu dieser zweiten Art kann man die Gewißheit rechnen, welche die Christen in Bezug auf das ewige Leben haben. Zwar fühlen und empfinden die Christen auch schon in dieser Welt durch Gottes Gnade und durch die Wirkung des Heiligen Geistes bisweilen etwas von den Kräften der zukünftigen


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Welt; aber darauf ruht doch nicht eigentlich ihre Gewißheit des ewigen Lebens, diese gründet sich vielmehr auf ein Wort, eine Zusage; aber dieses Wort ist Gottes Wort, Gottes Zusage, noch bekräftigt durch einen Schwur, verpfändet und versiegelt durch die Gabe des Heiligen Geistes. Darum ist die Glaubensgewißheit eine völlige Gewißheit. Luther sagt, das ewige Leben sei uns bedeutend gewisser, als das gegenwärtige Leben. Es wird doch niemand daran zweifeln, daß er im gegenwärtigen Leben stehe; noch viel weniger soll ein Christ daran zweifeln, daß das ewige Leben sein Erbe sei. Unsere leiblichen Sinne lasten sich leicht betrügen — wie oft denkt ein Mensch, er sehe etwas, und sieht doch nichts, er höre etwas sehr deutlich, und verhört sich — aber der Glaube, der das Wort Gottes vor sich hat und sich darauf verläßt, betrügt sich nicht. Es kann keine größere Gewißheit geben in diesem Leben als die Gewißheit des Glaubens, welche ein Christ dem Worte Gottes gegenüber hat. Es ist darum ein großer Unverstand, von einer Glaubensgewißheit zu reden und diese Gewißheit zugleich als ein Zweifeln beschreiben zu wollen. In dem Sinne freilich, in welchem die Menschen im gewöhnlichen Leben das Wort „glauben" gebrauchen, ist der Glaube ein sehr ungewisses Ding. Der Christen Glaube aber ist anderer Art. - Derselbe hat es mit lauter von Gott selbst geoffenbarten und verheißenen Dingen zu thun und ist selbst ein Werk Gottes in unserm Herzen. Darum könnte sich der Glaube nur dann täuschen, wenn Gottes Wort und Werk Lüge wäre.

Aber sind denn nicht bei allen Christen thatsächlichZw eifelvorhanden? Jeder Christ wird bekennen: „O, wie steht'es so schwach mit meinem Glauben; wie zittert und zagt mein Herz so oft, wie empfinde ich oft so gar nichts von der Gewißheit der Seligkeit!" Diese Zweifel finden sich gerade bei den rechten Christen; denn der Unchrist hat keine Zweifel, weil er keinen Glauben hat. Aber wir müssen nun diese thatsächlich vorhandenen Zweifel unter die rechte Rubrik bringen. Sie gehören nicht zum Wesen des vom Heiligen Geist gewirkten Glaubens, sondern finden sich neben demselben. Sie sind nicht ein Werk des Geistes, sondern entstammen einzig und allein der Quelle, aus welcher aller Unrath bei dem Christen herkommt. „Aus dem Herzen kommen arge Gedanken, Mord, Ehebruch, Hurerei, Dieberei, falsche Zeugnisse, Lästerung." Matth. 15, 19. Unter diese Rubrik gehören auch die Zweifel; sie kommen aus dem sündlichen Fleisch. Und wie nach der Schrift das Fleisch nicht cultivirt, sondern gekreuzigt, getödtet werden soll, so sollen auch diese Zweifel als Werke des Fleisches erkannt und immerfort bekämpft werden. Hierüber schreibt Chemnitz sehr schön: „Endlich ist auch noch zu erinnern, daß wir nicht von einer vollkommenen Gestalt (iösa) der Glaubensgewißheit reden, welche bei der Schwachheit des Fleisches von durchaus keinem Zweifel erfaßt würde, welche durchaus keine Unruhe empfände, als ob ein schwacher und matter Glaube, welcher nicht eine vollkommene Zuversicht und eine


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vollendete Gewißheit empfindet, für keinen wahren Glauben zu halten sei; denn wir haben oben gezeigt, daß der Glaube, wenn er nur den rechten Gegenstand ergreift, wie schwach er auch immer sein möge, doch ein rechter Glaube sei. Aber, spricht man, warum wird denn die Lehre von der Zuversicht und Gewißheit des Glaubens gelehrt? Ich antworte: Aus zwei Ursachen. 1) Damit wir wissen, daß alles, was von Zweifel und Unruhe empfunden wird, nicht zur Natur des Glaubens gehöre, sondern in jene Sprüche: ,In meinem Fleische wohnet nichts Gutes', .Mir, der ich will das Gute thun, hanget das Böse an'. Die Gläubigen rühmen sich daher dieser Schmutzflecke des Zweifels nicht vor Gott, als ob es Tugenden des Glaubens wären, sondern erkennen an, daß der Glaube, insofern er ein Werk und eine Tugend in uns ist, unvollkommen sei, und bitten, daß jene Schmutzflecke, welche von dem Fleische angesprengt werden, zugedeckt und vergeben werden. Und dennoch haben sie um des Gegenstandes willen, den der Glaube in jener Schwachheit ergreift, einen gewissen und festen Trost. Sie wird 2) darum gelehrt, daß wir dem Zweifel nicht nachhängen, sondern wider die Schwachheit des Glaubens kämpfen, damit wir so immer zur Gewißheit uns emporarbeiten, damit wir uns die Zuversicht nicht nehmen lassen, sondern daß dieselbe vielmehr gestärkt werde, wachse und sich mehre." (Examen, p. m. 1736.)

Darüber, ob bei dem wahren Christen sich noch Zweifel an seiner Seligkeit finden, ist zwischen uns und den Papisten und falschen Lutheranern kein Streit; wir wissen aus eigner Erfahrung nur zu wohl, daß Zweifel vorhanden sind; aber nun sagen die Papisten und falschen Lutheraner: „Gott Lob! daß es so ist", wir aber sagen: „Es ist leider! so." Jene machen die Zweifel zu einer Tugend des Glaubens, wir halten sie nach der Schrift für Schmutzflecken. — Freilich müssen wir daran fest- halten, daß, wie schon gesagt, gerade die wahren Christen von den Zweifeln angefochten werden, daß darum keiner durch die Zweifel, die er in seinem Herzen spürt, sich auf den Gedanken bringen lassen soll, er sei kein Kind Gottes. Der natürliche, unbekehrte Mensch ist ja nach dem Zeug- niß der Schrift todt in Sünden; kein Fünklein des geistlichen Lebens, kein Fünklein von Verlangen nach dem Heil in Christo ist in ihm; er ist vielmehr !„eine Feindschaft wider Gott" (Rom. 8, 7.). Wenn darum auch jemand meint, er habe keinen Glauben und keine Hoffnung des ewigen Lebens, aber dabei doch in seinem Herzen sich strecket und sehnt nach dem Heil in Christo und seufzt: „O, wenn mir Gott doch um Christi willen das ewige Leben geben wollte, das wäre mein größter Schatz, für den ich alles hingeben könnte", so ist ein solcher ganz sicherlich ein durch den Heiligen Geist wiedergebornes Kind Gottes. Und solange ein Mensch es bedauert, daß er zweifelt, so lange kämpft er, und zwar siegreich, wider den Zweifel. Wenn wir darum solche Leute vor uns haben, die wegen ihrer Zweifel meinen, daß sie keine Kinder Gottes seien, so wird sich unsere Be-


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handlung dieser Angefochtenen stets dahin zuspitzen müssen, daß wir ihnen ihren Glauben, ihre Gotteskindschaft, ihre Erbschaft des ewigen Lebens an den Fünklein des Verlangens, oder an dem Beklagen und Bedauern der Zweifel, das sich bei ihnen findet, Nachweisen. Gerade wir, die wir die reine Lehre von dem erbsündlichen Verderben haben, können das sehr gut thun. Weil der natürliche Mensch ganz todt in Sünden ist, so muß jedes noch so schwache Fünklein des Verlangens nach dem ewigen Leben ein Werk des Heiligen Geistes in einem bekehrten Menschen sein. Dieselbe Beweisführung findet sich in der Concordienformel Art. 2, § 14. Müller S. 591.

Ferner wird die thatsächlich vorhandene Schwachheit der Christen gegen die Gewißheit der Seligkeit angeführt. Man sagt: „Wie kann ein Christ seiner Seligkeit gewiß sein, da er sich doch seiner großen Schwachheit bewußt ist und gestehen muß, wie wenig es ihm noch gelungen ist, das Fleisch mit seinen Lüsten und Begierden immerfort zu kreuzigen?" So reden die Papisten, so reden auch diejenigen Lutheraner, welche in neuerer Zeit die Gewißheit der Seligkeit für die Christen nicht haben gelten lassen wollen. Man hat uns entgegengehalten: „Wie könnt ihr es wagen, die Christen zu lehren, sie sollten ihrer Seligkeit ganz gewiß sein, da euch doch die Christen allesammt bekennen müssen, daß sie ihren Schatz in irdenen, gebrechlichen Gefäßen tragen?" Hierauf erwidern wir: Wir leugnen durchaus nicht diese Schwachheit; nein, wir lehren vielmehr eine noch größere Schwachheit als unsere Gegner. Wie wir von dem unwiedergeborenen Menschen lehren, daß er seiner Natur nach eine Feindschaft wider Gott sei, so lehren wir auch von dem wiedergeborenen, daß er dem Fleische nach noch gerade so sündig und böse von Art sei, wie ein Unwiedergeborener. Das Fleisch, das dem Christen noch anhängt, wird bis an die Gmbe nicht besser, sondern behält seine verkehrte Art an sich. Trotzdem aber sagen wir, daß ein Christ seiner Seligkeit ganz gewiß sein solle. Warum? Weil die Seligkeit eben nicht auf unserm Fleische, auf unfern Werken, unserm Verhalten, sondern einzig und allein auf den Verheißungen Gottes steht. Wenn freilich die Seligkeit davon abhinge, wie sich ein Christ der natürlichen Art nach verhält, dann würden wir nicht nur mit unfern Gegnern die Ungewißheit der Seligkeit, sondern die Gewißheit der Verdammniß lehren; denn so gewiß das Fleisch der Christen böse, nur böse ist, so gewiß ist keine Hoffnung der Seligkeit da, wenn dieselbe auf dem Verhalten des Fleisches steht. Aber nun ist eben, wie unsere Rechtfertigung, so auch die Seligkeit gänzlich aus unfern Händen genommen, von unfern Werken unabhängig gemacht und auf Gottes Gnade in Christo JEsu gestellt. Darum treffen alle von der Schwachheit des Christen gegen die Gewißheit der Seligkeit hergenommenen Einwürfe gar nicht zu. Es liegt hier gegnerischer- seits eine radicale Verfälschung von Gottes Wort, eine vollkommene Vermischung von Gesetz und Evangelium vor. Man thut hier dasselbe, dessen die Papisten bei der Lehre von der Recht-


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fertigung sich schuldig machen. Diese sagen z. B. in den Beschlüssen des Tridentinischen Concils: „Wie kann ein Christ gewiß sein, daß Gott ihm gnädig sei, da er doch sieht, wie unwürdig er sei?" Aber darauf antworten wir und auch unsere neuesten Gegner: „Wenn es sich um unsere Rechtfertigung handelt, so heißt uns die Schrift die Augen abwenden von unserer Unwürdigkeit und einzig und allein Hinsehen auf die Gnadenverheißungen Gottes, welche unsere Unwürdigkeit gänzlich zudecken." Aber gerade so steht es nun auch in Bezug auf die Frage von der Beharrung im Glauben, der Gewißheit des ewigen Lebens. Was in Bezug auf den gegenwärtigen Gnadenstand unsere Unwürdigkeit ist, das ist in Bezug auf die Frage von der Beharrung unsere Schwachheit. Wie durch das Verdienst Christi in der Lehre von der Rechtfertigung unsere Unwürdigkeit zu- gedeckt wird, so wird in der Frage von der Beharrung unsere Schwachheit durch die Verheißungen, die Gott gegeben hat (z. B. 2 Tim. 1, 12.: „Ich weiß, an welchen ich glaube, und bin gewiß, daß er kann mir meine Beilage bewahren bis an jenen Tag." Phil. 1, 6.: „Der in euch angefangen hat das gute Werk, der wird's auch vollführen bis an den Tag JEsu Christi." Röm. 8, 38. 39.: „Ich bin gewiß, daß ... weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges ... mag uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christo JEsu ist, unserm HErrn"), völlig zugedeckt und aufgewogen. Wie daher die Unwürdigkeit nicht geltend gemacht werden kann gegen die Gewißheit der gegenwärtigen Gnade, so darf die Schwachheit durchaus nicht geltend gemacht werden gegen die Gewißheit der Beharrung im Glauben. Man müßte von göttlichen Verheißungen, auf denen unsere Seligkeit steht, ab- sehen, sie im Unglauben gänzlich verleugnen, wenn man angesichts derselben des ewigen Lebens nicht gewiß sein wollte. Auch unser Bekenntniß sagt, daß wir trotz unserer Schwachheit und unserer Sünde sowohl unserer Rechtfertigung, als auch unserer Seligkeit gewiß sein sollen. In der Concordienformel heißt es: „Wir glauben, lehren und bekennen auch, unangesehen, daß den Rechtgläubigen und wahrhaft Wiedergebornen auch noch viel Schwachheit und Gebrechen anhangen bis in die Grube, daß sie doch der Ursache halben weder an ihrer Gerechtigkeit, so ihnen durch den Glauben zugerechnet, noch an ihrer Seelen Seligkeit zweifeln, sondern für gewiß halten sollen, daß sie um Christus willen vermöge der Verheißung und Worts des heiligen Evangelii einen gnädigen Gott haben." (Summ. Begr. Art. 3. Müller S. 528; St. L. Ausg. S. 362.) Ueber dieselbe Sache sagt Brochmand, ein Theologe des 17. Jahrhunderts: „Ich stehe nicht an, zuzugeben, daß der Weg zum ewigen Leben voll Hindernisse und nicht so leicht zu gehen sei; aber hieraus wagen, Zweifel an der Seligkeit abzuleiten, ist ein ganz verkehrter Schluß. Denn wie der Geist Gottes an den angeführten Stellen die Schwierigkeiten, die denen sich entgegenstellen, welche nach dem ewigen Leben trachten, als groß darstellt: so schärft er auch eindringlich die Gewißheit der Seligkeit ein und


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stellt allen jenen Schwierigkeiten die Macht Christi und die große Kraft des Glaubens entgegen. Höre Christum Marc. 9, 23.: ,Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubet'; Joh. 16, ult.: 'Seid getrost, ich habe die Welt überwunden.'  Höre Paulum Röm. 8, 37.: ,Aber in dem allen überwinden wir weit um dessen willen, der uns geliebet hat.' Höre Johannem 1 Joh. 5, 4.: 'Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.' " (Systema p. 271.)

Man hat ferner die Warnungen vor fleischlicher Sicherheit und Abfall, welche die heilige Schrift enthält, in Widerspruch zur Gewißheit unserer Seligkeit gesetzt. Diese Warnungen sind nun erstlich allerdings an die Christen, nicht an die Unchristen, gerichtet. Wenn es z. B. Phil. 2,12. heißt: „Schaffet, daß ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern"; 1 Cor. 10,12.: „Wer sich lässet dünken, er stehe, mag wohl zu- sehen, daß er nicht falle"; Röm. 11, 20.: „Sei nicht stolz, sondern fürchte dich", so sind diese Worte an die Adresse der Christen gerichtet. Unchristen werden zur Buße ermahnt, nicht in dieser Weise gewarnt. Sodann sind diese Warnungen auch ganz ernstlich gemeint, und die Christen lassen sich dieselben auch zu Herzen gehen. Aber sehen wir doch solche Warnungen näher an. Wird hier denn vor dem Glauben, vor der von dem Heiligen Geiste gewirkten Zuversicht gewarnt, wie, wenigstens stillschweigend, vorausgesetzt wird, wenn man jene Warnungen gegen die Gewißheit der Seligkeit geltend macht? Nein, das gerade Gegentheil ist der Fall. Es wird vor dem Gegentheil von Glauben, vor fleischlicher Sicherheit, vor Ungewarnt; und diese Warnungen haben den Zweck, daß der wahre Glaube, die rechte Zuversicht in uns nicht durch das Fleisch zerstört oder gehindert werde. — Diese Warnungen stehen ferner immer in einem solchen Zusammenhänge, daß der Heilige Geist durch die heiligen Schreiber auf die Christen sieht, insofern sie noch das böse Fleisch an sich haben. Wer darum diese Warnungen gegen die Gewißheit der Seligkeit in's Feld führt, begeht wiederum den Fehler, daß er Gesetz und Evangelium vermischt und so das Wort Gottes verfälscht, lauter Dunkelheit da schafft, wo doch Licht ist, sobald Gottes Wort recht getheilt wird.  Wenn ein Mensch zur Erkenntniß seiner Sünden gekommen ist und ein zerschlagenes Herz hat, predigen wir ihm dann Gesetz oder Evangelium? Wer da noch Gesetz predigte, wäre ein Seelenmörder. An einem zerschlagenen Herzen hat das Gesetz sein Amt erfüllt, ihm gehört nun der Trost des Evangeliums. Allein aus dem Evangelium soll dem zerschlagenen Herzen die Frage: „Was muß ich thun, daß ich selig werde?" beantwortet werden.  Wenden wir das nun auf jene Warnungen an, welche man in Gegensatz zur Gewißheit des ewigen Lebens bringt. Die Warnungen gehören ohne Zweifel nicht zum Evangelium, sondern zum Gesetz. Und wer fragt nach der Gewißheit der Seligkeit — der alte oder der neue Mensch? Nur der neue. Nur insofern der Christ zerschlagen, ein armer Sünder ist, an sich


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selbst gänzlich verzagt hat und sich mit sehnlichem Verlangen ausstreckt nach dem ewigen Heile, nur insofern fragt er: Werde ich auch das Ende meines Glaubens davon bringen? Sollte man nun wohl dem, der so fragt, seine Frage aus dem Gesetz beantworten und ihm sagen: „Siehe, was für ein böses Fleisch hast du" ? Das weiß er schon selbst, das ist gerade die Ursache seiner Klage; sein Fleisch macht ihm angst und bange, daß er schier verzweifeln will. Darum ist hier einzig und allein das Evangelium am Platze; solche Verheißungen, wie oben aus Röm. 8., Phil. 1. u. s. w. angeführt sind, müssen ihm vorgehalten werden. Aus dem Evangelium, und zwar aus dem Evangelium allein, ist die Frage der zerschlagenen Herzen nach der Seligkeit zu beantworten. — Warnungen vor falscher, fleischlicher Sicherheit finden sich übrigens auch in Bezug auf den gegenwärtigen Gnadenstand. So heißt es z. B. 2 Cor. 13, 5.: „Versuchet euch selbst, ob ihr im Glauben seid, prüfet euch selbst." Nun gesteht man ja innerhalb der lutherischen Kirche zu, daß ein Christ an dem gegenwärtigen Gnadenstande nicht zweifeln solle. Stoßen aber Warnungen, wie 2 Cor. 13, 5., nicht die Gewißheit des gegenwärtigen Gnadenstandes um, so stoßen auch die Warnungen, wie 1 Cor. 10, 12.: „Wer sich lässet dünken, er stehe" rc., die Gewißheit der zukünftigen Gnade, die Gewißheit, daß Gott uns erhalten werde, nicht um. — So wird durch Festhalten des Unterschiedes von Gesetz und Evangelium, der doch zum Grundelement der christlichen Lehre gehört, die Frage von der Gewißheit der Seligkeit beantwortet und erklärt, soweit dies überhaupt geschehen kann. Vor der menschlichen Vernunft ist die Sache freilich trotzdem noch nicht „erklärt", denn die menschliche Vernunft kann schließlich Gesetz und Evangelium nicht miteinander reimen.

Hierher gehört nun auch die Frage von den Zeitgläubigen, durch welche man die Gewißheit der Seligkeit bestritten hat. Die Predigt von den Zeitgläubigen gehört ebenfalls zum Gesetz. Wenn wir den Christen Vorhalten, wie so Viele, die einst fein liefen, doch wieder abgefallen sind, so thun wir das in der Absicht, sie vor der Tücke ihres Fleisches zu warnen. Fragt aber jemand nach der Gewißheit der Seligkeit und kommt diese Frage aus einem verzagten Geiste, so muß, wie des Gesetzes überhaupt, so auch der Zeitgläubigen geschwiegen werden. Das Gesetz darf, wie Luther sagt, nicht in das Heiligthum des Gewissens hinein kommen; im Gewissen soll das Evangelium regieren. Das Evangelium in diesem Falle sind Verheißungen wie: „Der in euch angefangen hat das gute Werk, der wird es auch vollführen bis auf den Tag JEsu Christi." — Wenn ein Arzt zu einem Menschen, der durch seine ärztliche Vermittelung wieder gesund geworden ist, sagt: „Mein Freund, es ist jetzt bester mit dir, aber nun hüte dich vor Erkältung, vor diesem und jenem Esten und dergleichen, sonst könntest du leicht einen Nückfall bekommen, wie es denn Diesem und Jenem wirklich schon so gegangen ist", würde jener Genesende njcht eine sehr thörichte Anwendung von dieser ärztlichen Ermahnung


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machen, wenn er darüber den Kopf hängen ließe und seufzete: „O wehe, es geht mit mir doch zu Grabe, der Rückfall wird nicht außen bleiben" ? Der Arzt hat doch mit jener Mahnung nicht die Krankheit wieder Hervorbringen, sondern im Gegentheil helfen wollen, daß die Gesundheit erhalten werde, wie der HErr JEsus, da er zu dem Kranken am Teiche Bethesda, nachdem er ihn gesund gemacht, sprach (Joh. 5, 14.): „Siehe zu, du bist gesund worden; sündige hinfort nicht mehr, daß dir nicht etwas Aergeres widerfahre", durch diese Worte den Geheilten nicht auf den Gedanken bringen wollte, er werde wieder krank werden, sondern im Gegentheil die Rückkehr der Krankheit verhüten wollte. Gerade so ist's auch im Geistlichen, wenn der liebe Gott, unser himmlischer Arzt, uns warnt, indem er uns die Zeitgläubigen vorhält.

Es wurde die Frage aufgeworfen, wie es Wohl bei den Zeitgläubigen mit dem Glauben an die Erlangung der Seligkeit stehe, da sie doch schließlich die Seligkeit nicht erlangten. Es wurde geantwortet: Es steht fest, daß ein Zeitgläubiger einen wahren von dem Heiligen Geiste gewirkten Glauben hat; denn wie der Mensch sich überhaupt keinen Glauben geben kann, so auch nicht auf eine gewisse Zeit. Es steht ferner fest, daß ein Zeitgläubiger, indem er die Vergebung seiner Sünden ergreift, auch das ewige Leben in Händen hält. Gott hat auch ihm mit der Vergebung der Sünden das ewige Leben gegeben. Aber freilich wird beides nur dem Glauben gegeben. Indem also der Zeitgläubige aus dem Glauben fällt, entfällt ihm mit der Vergebung der Sünden auch das ewige Leben. Ob es nun freilich in dem Zeitraum, da er gläubig war, ihm jemals recht zum Bewußtsein gekommen sei, daß er auch das ewige Leben habe, wissen wir nicht; die Schrift gibt uns darüber keinen Aufschluß. -Es bleibt hier also für den begreifenden Verstand eine Schwierigkeit, die Wir nicht lösen können, aber, Gott Lob! auch nicht zu lösen brauchen. Die Frage nach der Seligkeit ist aus dem Evangelium zu beantworten.

Wir haben nun noch auf den zweiten Abschnitt der ersten Thesis näher einzugehen, daß nämlich die Leugnung der Gewißheit der Seligkeit ein antichristischer Jrrthum sei. Es ist ja die Art des Anti-christs, daß er, obwohl er mit dem Munde Christum bekennt, tatsächlich Christi Werk und Verdienst leugnet. Unter dem Schein, als wolle er für die Seelen sorgen, hält er sie vom Genuß der Güter, die Christus den Seinen durch Leiden und Sterben erworben hat, ab. Das geschieht nun auch durch das Leugnen der Gewißheit der Seligkeit. Das Werk Christi besteht nicht bloß darin, daß er den Menschen Vergebung der Sünden mit- dem Preis seines Gottesblutes erworben hat; nein, Christus hat vor allen Dingen allen Menschen, so viele es gibt, auch das ewige Leben vollkommen erworben. Darum wird in den göttlichen Verheißungen den Gläubigen, wie Vergebung der Sünden, so auch die Seligkeit in den Schooß geschüttet. Was thut demnach derjenige, welcher sagt, daß der Gläubige seiner Selig-


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keit noch nicht gewiß sein solle? Der leugnet damit tatsächlich, daß Christus das ewige Leben schon völlig erworben habe; der macht das ewige Leben noch abhängig von menschlichen Werken, menschlichem Verdienst und Verhalten; der stellt also neben Christum noch einen ändern Heiland. Darum ist eben die Leugnung der Gewißheit der Seligkeit ein antU christischer Jrrthum. Durch die Lehre, daß ein Christ seiner Seligkeit im Glauben nicht gewiß sein könne und solle, wird die rechte Erkenntniß Christi verboten. Zur rechten Erkenntniß Christi gehört, wie Luther oft ausführt, auch dies, daß wir um Christi willen gewiß das ewige Leben haben. Luther ist ganz entbrannt, wenn er im Pabstthum diesen schrecklichen Jrrthum ansieht, daß einem Christen, einem Kinde Gottes, verboten wird, die Gnade Gottes, und die ewige Seligkeit gewiß zu glauben. Er schreibt zu Gal. 4, 6.: „Der Pabst hat die ganze Welt zum Gehorsam der römischen Kirche mit süßen und prächtigen Worten gereizet, als darin man gewißlich könnte selig werden, und wenn er sie hineingebracht und sie seinen Gesetzen unterworfen hat, hat er sie darnach gelehrt, sie könnten nicht gewiß sein, ob ihnen Gott gnädig wäre oder nicht. Darum gehet's in des Widerchrists Reich so zu, daß sie zum ersten aufs herrlichste rühmen, wie ein köstlich heilig Ding es sei um ihre Gesetze, Orden, Regel u. s. w., und verheißen denen, so sie halten, Vergebung der Sündemund das ewige Leben gewiß. Darnach, wenn die armen unseligen Leute ihre Leiber lange Zeit mit Wachen, Fasten rc. jämmerlich gemartert haben, wie ihnen durch menschlich Gesetz fürgegeben und aufgelegt ist, kriegen sie das zum Lohn davon, daß sie erst zweifeln müssen, ob ihnen Gott gnädig sei oder nicht. So greulich hat der leidige Satan seine Lust gebüßet und sein Müthlein gekühlet in der Seelenmörderei durch den Pabst. Deshalb auch niemand zweifeln soll, daß das Pabstthum eine rechte Mordgrube der Seelen und Gewissen und des Teufels eigen Reich und Kaiserthum sei." (Ausgabe Franks, und Leipzig 1717, S. 452 f.)

Ja, das ist so recht ein Kunstgriff des Teufels, ein Werk aus der Hölle, daß der Pabst sein Reich die „alleinseligmachende Kirche" nennt und dann hinterher den Betrogenen ganz kühl eröffnet, sie könnten freilich ihrer Seligkeit doch nicht gewiß sein. Daraus geht hervor, daß des Pabstes Reich nicht Christi Reich, sondern des Antichrists Reich sei, in dem nicht das Evangelium Christi, sondern des Pabstes Lüge regiert. — Der Prediger, welcher seine Zuhörer nicht der Gnade Gottes und des ewigen Lebens gewiß machen will, ist kein Diener Christi, sondern ein Lästerer Christi. Christus hat sein theures Gottesblut vergossen, damit arme Sünder in der Gewißheit des ewigen Lebens sich freuten und fröhlich wären, und ein solcher elender Mensch tritt dazwischen und verwehrt den Sündern, was Christus ihnen so theuer erworben hat. Wie ein solcher Prediger sich auch immer schmücken mag — mag er immerfort gottselig klingende Reden im Munde führen er predigt nicht Evangelium, sondern ist in einem


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antichristischen Jrrthum befangen. Kein Christ soll ihn hören, sondern ihn fliehen und meiden. Das findet auch Anwendung auf unsere neuesten Gegner, die sich nicht entblödet haben, dem Antichrist in Rom den Satz nachzusprechen, daß ein Christ seiner Seligkeit nicht gewiß sein solle.

Der sel. Lindemann schließt eine Katechese über Gewißheit der Rechtfertigung und Seligkeit mit den Worten: „Wohlan, lieben Kinder, laßt euch diese Gewißheit niemals rauben! Selig ist der Mensch, der Gottes Verheißungen glaubt. Laßt euch durch keinen Menschen, auch nicht durch euer eigenes Herz irre machen an dem einfältigen Kinderglauben, den wir in unserm dritten Artikel bekennen! Wer das nicht fest und treulich glaubt, was Gott verheißen hat, wer daher auch leugnet, daß ein Christ seines Glaubens, seiner Rechtfertigung, seiner Seligkeit gewiß sein soll, das ist ein heilloser Mensch; der straft Gott Lügen und verführt die Leute zum Unglauben, Verzweiflung und in die Hölle."

Mit einer längeren Stelle aus Luthers Auslegung des 1. Buches Mosis (zu 1 Mos. 49, 28.), in welcher Luther es erstlich beklagt, daß wir zum Zweifel so geneigt seien, und dann den Antichrist abmalt, der, was wir beklagen, zu einer Tugend mache, wurde diese Thesis abgeschlossen. Luther schreibt: „Sollte sich doch Einer selbst Leid anthun, wenn es nicht Sünde wäre, daß wir die große Majestät der göttlichen Werke so wenig achten. Denn ist das nicht eine große Gabe und Herrlichkeit, daß auch ein Weib in der Noth taufen kann und sagen: Ich erlöse dich vom Tode, Teufel, Sünde und allem Unglück und gebe dir das ewige Leben, ich mache aus einem Kinde des Teufels ein Kind Gottes? Aber dieser Reichthum des Geistes ist bei uns gering geworden, daß wir dessen nicht so groß achten, dieweil es täglich also geschieht, und ist doch an sich ein wahrhaftig Ding. . . Darum klage ich oftmals darüber und ist mir leid, daß Ich nicht glauben kann, so ich doch Wohl weiß, daß wahrhaftig ist, was uns im Wort vorgetragen wird; welches ich nicht allein aus der heiligen Schrift gelernt, sondern es hat mich auch die Erfahrung selbst dies in mancherlei Anfechtung gelehrt und mich dessen vergewissert. Derhalben wünsche ich oft, daß ich nur aus dem Unflath meines Fleisches fahren und von so vielen Hindernisten des Glaubens erlöset werden möchte, entweder durch den jüngsten Tag, darauf ich mit großer Begierde warte und darnach ich groß Verlangen habe, oder aber sonst auf irgend eine andere Weise, wie es auch geschehen möchte. . . Da kommen denn die Rottengeister und des Pabsts Scholastiker auch dazu, die da lehren und halten, daß man immer noch im Zweifel stehen müsse, als ob wir nicht allbereit von Natur wider die Verheißung stritten. Darum ist es eine verfluchte Unsinnigkeit an den Sophisten zu Löwen, die da unverschämt sagen dürfen, daß in der heiligen Schrift an keinem Orte gelehrt werde, daß uns durch den Glauben an Christum Vergebung der Sünden gegeben und geschenkt werde. .. Dies soll man aber oftmals wiederholen und fleißig treiben, daß wir das Predigt-


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amt lernen in Ehren halten und Gott danken, daß wir noch trefflichere Propheten sind, als die Väter und Propheten im Alten Testament gewesen. Denn jetzt zur Zeit kann auch ein Kind oder Weib zu mir sagen: Sei getrost, mein lieber Sohn, ich verkündige dir Vergebung der Sünden, ab-solvire dich rc. Ist es nicht also : Wer das hört und glaubt, daß derselbe Vergebung der Sünden und das ewige Leben habe? Ist es denn nicht eine große greuliche Raserei und Unsinnigkeit, daß man lehrt, man solle daran zweifeln und sagen, dies alles werde uns in der heiligen Schrift nicht vorgehalten, ja, darüber noch heftig streiten, daß die Schrift dieser Lehre stracks zuwider sei? . .. Unser Glaube hält sich jetzt nicht allein an die Verheißungen (des Alten Testaments), sondern auch an dasjenige, so verheißen war und uns nun gegeben ist. Wir haben jetzt den HErrn Christum selbst, der mit uns redet, und uns viel herrlichere und klarere Verheißungen vorhält, als die gewesen sind, so den Vätern gegeben waren. In der Taufe sagt Christus: Ich erlöse und errette dich aus der Gewalt des Teufels und übergebe dich meinem himmlischen Vater. Da muß ich es wahrlich gewiß dafür halten, daß Christus nicht lüge; und je fester ich glaube, je heiliger und seliger ich bin. Und wir haben zwar (fürwahr) keine Ursache überall, daß wir zweifeln sollten, sintemal Christus selbst Vergebung der Sünden und das ewige Leben verheißt. Und gleichwohl dürfen die groben Esel sagen, man müsse solche Verheißung nicht glauben, sondern vielmehr zweifeln. Ich kann an solche Lästerung nicht denken oder davon etwas sagen, ich werde denn darüber in meinem Herzen heftig bewegt. Denn was thun doch die heillosen Leute Anderes, denn daß sie damit die Erbsünde bestätigen, welche sonst ihrer Art und Natur nach nicht gern glaubt? Um deß willen ich mit mir selbst oftmals hart zürne, daß, da ich herzlich gern glauben wollte mit so großem Glauben, wie die Wahrheit, Gewißheit und Versicherung der Verheißung fordern und haben will, also daß ich durch einen ehernen Berg brechen könnte und alle Gefahr und Schaden, so mir Vorkommen kann, unerschrocken verachten, dennoch das Gesetz in meinen Gliedern Wider mich streitet und mich gefangen nimmt. Diese böse, verderbte und schändliche Natur loben und preisen nun die Sophisten zu Löwen und lehren eben dasselbe, dazu doch sonst die Natur uns arme Menschen zwingt, daß wir es thun müssen. Es ist gleich, als wenn ich zu einem Hurer oder Diebe sagte: Du sündigest daran nicht, sondern thust recht daran, daß du also nach deiner Lust Unzucht treibst und ändern Sünden und Schanden nachhängst. . . . Die Sophisten verstehen nicht, was Glaube oder was Unglaube sei. Darum verdammen sie Christum in seiner Rede und verdammen die auch als Ketzer, die da lehren, daß man den Verheißungen Gottes glauben soll. Solche greuliche und höllische Unsinnigkeit des Teufels wird niemand groß genug machen können, sie übertreffen wahrlich allen Verstand und kann sie niemand mit Worten genugsam ausreden. Es kann doch nichts Scheuß-


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licheres geredet oder erdacht werden, als das ist, daß sie die Leute zwingen und treiben zu sündigen. Es ist gut, sagen sie, daß du deines Glaubens nicht gewiß bist; Christus redet eben die Worte der Verheißung zu dir nicht, und wenn du an Vergebung der Sünden zweifelst, so bist du ein Christ. Das ist des Pabstes und seiner Theologen Theologie und ist der Antichrist selbst. Der Türke ist doch noch etwas bescheidener und macht es je nicht so gar grob, welcher bekennt, daß Christus ein Prophet sei und daß er zur linken Hand Gottes sitze. Aber die groben Esel zu Löwen verleugnen offenbar, daß Christus ein Prophet sei. Wiewohl sie dasselbe mit Worten sagen, widersprechen sie doch demselben mit der That und sagen: Wir haben nicht Vergebung der Sünden und das ewige Leben durch Christum. Sie verleugnen und verwerfen, so viel an ihnen ist, die schönen Hellen Sprüche, welche voll Trostes und Lebens sind, als der ist, da der Täufer Johannes sagt Joh. 1, 29.: ,Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt'; item, da St. Petrus spricht Apost. 4, 12.: ,Es ist kein anderer Name den Menschen gegeben, darinnen wir sollen selig werden'. . . Derhalben lastet uns Fleiß anwenden, daß wir unsere Herrlichkeit im Neuen Testament groß machen und von Tag zu Tag immer wachsen und zunehmen mögen in Erkenntniß Christi, das ist, im Glauben, welcher nicht zweifele, sondern es gewiß dafür halte, daß ihm in Christo Vergebung der Sünden und das ewige Leben geschenkt sei. Denn wer das glaubt, der ist ein rechter Christ und ist mit in der Zahl der Kinder Gottes. Die wüthenden, unsinnigen und gotteslästerlichen Sophisten sind nicht Menschen, ja, das noch mehr ist, sie sind nicht Werth, daß sie Säue heißen, sondern sollen billig Teufel genannt und unter die Teufel auch gerechnet werden, dieweil sie sich unterstehen, vor der christlichen Kirche zu lehren Wider den Heiligen Geist, daß man zweifeln solle an Gottes Gnade und Vergebung der Sünden um Christi willen. Der Türke, wifich zuvor gesagt habe, ist noch gar so unverschämt nicht; denn wo er die heilige Schrift hätte, wütde er wahrlich das nimmermehr ansechten. Wir aber sollen lernen unseren reichen Segen groß machen und hoch heben, welcher ungleich größer und herrlicher ist, denn der Segen, so die Väter gehabt. Wir haben ja die Schlüssel, das Evangelium, die heiligen Sacramente und reiche Vergebung der Sünden und das ewige Leben, so uns auf mancherlei Weise angeboten und vorgetragen wird. Unser lieber Gott helfe uns durch den Heiligen Geist und seine Gnade, daß wir dies alles mit festem Glauben annehmen und behalten mögen." (Zu 1 Mos. 49, 28. St. L. Ausg. II, 2057 ff.)


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Thesis II.

Die Gewißheit der Seligkeit ist für den Christen nicht schädlich, sondern gibt vielmehr dem geistlichen Leben desselben die rechte Gestalt, Macht und Kraft. Insonderheit ist nach der Schrift die Gewißheit der Seligkeit eine Quelle

а. des Lobes Gottes. 1 Petr. 1, 3. ff. Col. 1,12. Eph. 1, 3.

b. des Fleißes in guten Werken. Tit. 3, 5—8. 1 Petr. 3, 7. Eph. 6,8. 9. Col. 3, 24.

c.. der Verachtung und Meldung der Lust dieser Welt. 1 Petr. 2,11. Phil. 3, 20. f.'Col. 3, 1—4. Tit. 2, 12. 13. 1 Joh.3, 2. 3. Röm. 13, ll.ff. Ebr. 11, 24—26.

d. des rechten Gebrauches der Güter dieser Welt. Luc. 12,32. ff. 1 Tim. 6,17—19. 1 Cor. 7, 29—31.

e. der Standhaftigkeit in der Trübsal. Röm. 8, 17—25. 2Tim. 1,12. Luc. 6, 20—24. 1 Petr. 1, 6. 1 Cor. 15,19. 30. ff. 2Cor. 4, 16.ff.

f. der Ueberwindung des Todes schon in diesem Leben. Phil. 1, 21. ff. 1 Thess. 4, 13. ff.

Es gibt wirklich Leute, welche behaupten, daß die Gewißheit der Seligkeit für einen Christen schädlich sei. Das behauptet vor Allen der Pabst mit seinem Anhang. Nach Papistischer Lehre soll durch die Gewißheit der Seligkeit fleischliche Sicherheit genährt und gestärkt werden. Bei dem Pabst liegt der Grund, weshalb er Zweifel an der Seligkeit einschärft, auf der Hand. Die Gewißheit der Seligkeit ist ihm sehr schädlich. Wenn nämlich die Leute die ewige Seligkeit aus- Gnaden um Christi willen im Glauben haben und halten, dann ist ihm sein ganzer Jahrmarkt mit den Messen, Ablaß rc. verdorben, dann kann er sein Fegfeuer auslöschen; ja, dann kann er sein ganzes einträgliches Amt aufgeben. Aber nicht bloß der Pabst leugnet die Gewißheit des ewigen Lebens unter dem Vorgeben, daß dieselbe dem geistlichen Leben schädlich sei. Auch sogenannte Lutheraner haben in diesem Stücke mit dem Pabst gemeinschaftliche Sache gemacht. So z. B. ein gewisser Latermann und seine Anhänger im 17. Jahrhundert. Und, wie bekannt, auch unsere jetzigen Gegner in der Lehre von der Gnadenwahl haben sich mit der Behauptung, daß die Gewißheit der Seligkeit dem Christen schädlich sei, hervorgewagt.

Nun, dieses falsche Argument gegen die Gewißheit ist sehr alt. Wir kennen es bereits aus der apostolischen Zeit. Es ist immer gegen die reine Lehre von der Gnade Gottes in Christo geltend gemacht worden, daß sie fleischliche Sicherheit fördere. Schon St. Paulus mußte sich dagegen ver-


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theidigen. Wenn er lehrte, „daß der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werk, allein durch den Glauben" (Röm. 3, 28.) und daß Gott „die Gottlosen gerecht mache" (Röm. 5, 4.): dann sprachen die judaisirenden Jrrlehrer: Das ist eine schädliche Lehre; bei derselben wird jedermann in Sünden fortfahren und sich gar nicht darum bekümmern, ob er würdig oder unwürdig wandele; denn er hat ja Vergebung der Sünden um Christi willen, ohne seine Werke und Würdigkeit. Daß jene Jrrlehrer diesen Einwand gegen Pauli Lehre erhoben, sehen wir z. B. aus Röm. 6, 1. 15.: „Was wollen wir hiezu sagen? sollen wir denn in der Sünde beharren, aus daß die Gnade desto mächtiger werde? .. Wie nun? sollen wir sündigen, dieweil wir nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade sind?" Aber der Apostel Paulus kehrt die gegen ihn gerichtete Waffe gegen die judaisirenden Jrrlehrer. Er sagt V. 14.: „Die Sünde wird nicht herrschen können über euch, sintemal ihr nicht unter dem Gesetz seid, sondern unter der Gnade." Er sagt also: Weit entfernt, daß die Predigt von der freien, überschwänglichen, alle Sünde tilgenden Gnade Gottes in Christo die fleischliche Sicherheit und den Sündendienst fördern sollte, ist sie vielmehr das einzige Mittel, die Sünde im Menschen vom Herrscherthron zu stoßen, die fleischliche Sicherheit auszutreiben. So sagen auch wir nun, daß die Lehre von der Gewißheit der Seligkeit, die ja nur «in Stück der Gnadenlehre ist, dem Christen nicht schädlich, sondern sehr nützlich sei. Diese Lehre macht nicht fleischlich sicher, sondern geistlich lebendig. Ja, die Lehre von der Gewißheit der Seligkeit ist das Hauptmittel, das He^ von der Sünde und den Dingen Dieser Welt los zu machen und das Christenleben je mehr und mehr in den Von Gott gewollten Zustand zu bringen. Es kann nur so viel fleischliche Sicherheit in dem Herzen sein, als noch Zweifel und Ungewißheit in Bezug auf die Seligkeit da sind. Die gewisse Seligkeit leidet die Sünde nicht. Wir sollen denjenigen, welche vor der Gewißheit des ewigen Lebens als etwas Schädlichem warnen, getrost sagen: „Ihr seid geistlich vollständig blind, ihr versteht nichts von geistlichen Dingen; und wenn ihr Christen seid, so habt ihr eben nur aus eurem Fleische heraus geredet." Wir können uns hier auf die Erfahrung eines jeden Christen berufen. Haben wir nicht dann am meisten Kraft wider Sünde und Welt, wenn wir durch Gottes Gnade unserer Seligkeit so recht gewiß, über unser himmlisches Erbe recht fröhlich sind? Luther sagt, daß die gewisse Hoffnung des ewigen Lebens die eigentliche Gestalt des Christenlebens hier auf Erden ausmache. Er schreibt: „Alle das Leben, das ein rechtgläubiger Christ führt nach der Taufe, ist nicht mehr denn ein Warten auf die Offenbarung der Seligkeit, die er schon hat." (St. Louiser Ausg. XII, 136.) Ja, das ist die rechte Gestalt des Christenlebens: wir Christen warten auf die Offenbarung der Seligkeit, die wir im G lauben sch on haben. Das lkeue Testament beschreibt die Christen, wie der fleißige Bibelleser weiß,


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als Leute, die nur warten auf die Offenbarung unsers HErrn JEsu Christi. (Vgl. 1 Cor. 1, 7. Tit. 2, 13. 2 Petr. 3, 12. 13.) Im Alten Testamente werden die Gläubigen beschrieben, als die da warten auf den Trost Israels, auf die Erscheinung JEsu Christi im Fleisch; da waren die Augen der -Gläubigen auf die Zeit der Erfüllung der Verheißung von der Menschwerdung des Sohnes Gottes gerichtet. Der Blick aber der Gläubigen des Neuen Testamentes ist auf die Erscheinung Christi am jüngsten Tage, wo ihre Herrlichkeit offenbar werden wird, gerichtet.

Nach unserer Thesis haben wir nun weiter zu sehen, wie die rechte Gestalt des geistlichen Lebens nach seinen einzelnen Stücken aus der Gewißheit der Seligkeit fließe. Es heißt in unserer Thesis:

Insonderheit ist nach der Schrift die Gewißheit der Seligkeit eine Quelle s.. des Lobes Gottes. Die Christen, die Kinder Gottes, sollen Gott loben. Das Lob Gottes wird einst ihre ewige Beschäftigung int Himmel sein; diese Beschäftigung soll aber auch hier auf Erden schon statthaben. Indem der Christ Gott lobt, beschäftigt sich das Herz, welches in der Sünde von Gott einst völlig abgewendet, ihm entfremdet war, wieder mit Gott als seinem höchsten Gute. Darum sagt Luther so oft, daß das Lob Gottes der höchste Gottesdienst sei, der hier auf Erden von einem Christen geleistet werden könne. Nichts widerspricht dem geistlichen Leben der Christen so sehr, als ein mürrisches, verdrießliches Herz, das immer mit Gott und aller Welt hadern will. Wenn der Apostel die rechte innere Gestalt des Christenlebens zeigen will, ermahnt er die Christen, dem HErrn in ihren Herzen zu singen und zu spielen. (Vgl. Eph. 5, 19. Col. 3, 16.)

Und was nennt nun die Schrift als Quelle solches Lobes Gottes? Allendings: Vergebung der Sünden, die Gnade Gottes in Christo, die sie im Glauben ergriffen haben, aber zugleich auch und ausdrücklich — was freilich in dem Genannten schon eingeschloffen ist — die Gewißheit des ewigen Lebens. So schreibt der Apostel Col. 1, 12.: „Danksaget dem Vater, der uns tüchtig gemacht hat zu dem Erb-theil der Heiligen im Licht." Die Aufforderung zum Danksagen, zum Lob Gottes wird hier also damit begründet, daß Gott uns Christen tüchtig gemacht habe zum Erbtheil der Heiligen im Licht, d. H. daß er uns in das Erbe des ewigen Lebens versetzt habe. Eph. 1, 3. heißt es: „Gelobet sei Gott und der Vater unsers HErrn JEsu Christi, der uns gesegnet hat mit allerlei geistlichem Segen in himmlischen Gütern durch Christum. Der geistliche Segen in himmlischen Gütern, der Segen, welcher uns in das ewige Erbe versetzt hat, ist hiernach Ursache des Lobes Gottes. Und wie könnte das anders sein! Wie sollte nicht das Lob Gottes angesichts der Gewißheit des ewigen Lebens hervorquellen! Mir, der ich als Sünder der Hölle verfallen war, ist nun durch die Gnade Gottes das ewige Leben gegeben. Ich darf gewiß sein, daß meine Augen,


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Wenn sie im Tode sich schließen, die Himmelspracht schauen werden. Da mag es gehen, wie es will — da mögen Thränen rinnen — aber immer muß wieder der Jubel durchbrechen und das Lob Gottes immer wieder das Herz einnehmen. Ja, wollen wir unser Herz zum Lobe Gottes, zu diesem höchsten Gottesdienst, recht entzünden, dann müssen wir ihm die Seligkeit, die uns in Christo JEsu gewiß ist, Vorhalten; und wollen wir in unseren Gemeinden ein recht fröhliches, seliges geistliches Leben Wecken, dann gilt es, die Hoffnung des ewigen Lebens röcht in die Herzen zu pflanzen. Luther sagt auch, das Lob Gottes im Herzen und Munde „sei sehr kräftig Wider den Teufel". (St. Louiser Ausg. X, 44.) Ja, insofern Lob und Preis Gottes im Herzen des Christen ist, kann er gar nicht sündigen; das Lob Gottes im Herzen ertödtet die Sünde. Wir Pastoren hätten es ja gewiß gerne, daß die Häuser in der Gemeinde voll Lobes und Preises Gottes wären, daß aus denselben die lieblichen Loblieder Morgens und Abends erschalleten, daß überhaupt ein recht fröhliches Christenthum in unseren Gemeinden zu finden wäre. Da wollen wir aber ja auch das rechte Mittel gebrauchen. Wir müssen die Christen durch die lautere Predigt des Evangeliums ihrer Seligkeit recht gewiß machen. Dann kommt das Lob Gottes von selbst. Es ist nicht so, daß man erst singt und lobt und dann das ewige Leben im Glauben ergreift, sondern umgekehrt muß man erst durch den Glauben den Himmel haben, vom Himmel herunter wird dann gesungen und Gott gepriesen. (Vgl. unten, was Luther von den guten Werken sagt.)

Die Stelle 1 Petr. I, 3. ff. gehört in ihrem ganzen Zusammenhänge hierher. Nach dem apostolischen Gruße „Gott gebe euch viel Gnade und Friede!" stimmt der Apostel einen Lobpreis Gottes an, indem er spricht: „Gelobet sei Gott, der Vater unsers HErrn JEsu Christi." Was bewegt ihn aber, so Gott zu loben? Das sagt er, wenn er hinzusetzt: „Der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung JEsu Christi von den Todten, zu einem unvergänglichen und unbefleckten und unverwelk-lichen Erbe." Gott hat uns durch die Auferstehung Christi von den Todten in eine lebendige Hoffnung, d. H., wie Luther erklärt, in die Hoffnung des ewigen Lebens versetzt; und das ist ein Erbe, wie es hienieden keins gibt, es ist ein „unvergängliches und unbeflecktes und unverwelkliches Erbe". Und dieses Erbe ist uns sicher, denn der Apostel sitzt hinzu: „Das behalten wird im Himmel." Es wird uns, das wollen diese Worte sagen, dieses herrliche Erbe an einem sicheren Orte aufbewahrt, wo niemand es rauben kann. Sollte jemand einwenden, wie gerade in neuerer Zeit geschehen ist: „Das Erbe bleibt Wohl sicher im Himmel aufbewahrt, aber wer weiß, ob wir bei dem Erbe bleiben werden?", so fährt der Apostel fort: „Das behalten wird im Himmel euch, die ihr aus Gottes Macht durch den Glauben bewahret werdet zur Seligkeit." Er sagt also: Das Erbe wird euch behalten im Himmel, und ihr werdet


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durch Gottes Gnade bei diesem Erbe behalten, indem ihr im Glauben erhalten werdet. Es handelt sich hier auch nicht etwa um ein Privilegium des Apostels Petrus, sondern um ein seliges Recht aller Christen. Der Apostel spricht nämlich nicht: Gelobet sei Gott und der Vater meines HErrn JEsu Christi, der m i ch wiedergeboren hat rc., sondern es heißt: „Gelobet sei Gott und der Vater unsers HErrn JEsu Christi, der uns wiedergeboren" rc. Was der Apostel sagt, gilt also von allen Christen. In allen Christenherzen soll also auf Grund der Gewißheit der ewigen Seligkeit dieses Lob Gottes sein, zu welchem der Apostel auffordert. Der Lobpreis Gottes ist aber unmöglich, wenn der Christ seiner Seligkeit nicht gewiß sein soll. Darum sind diejenigen, welche den Christen die Gewißheit des ewigen Lebens verbieten, große Hinderer des geistlichen Lebens, des allerhöchsten Gottesdienstes, nämlich des Lobes Gottes.

Insonderheit ist nach der Schrift die Gewißheit der Seligkeit eine Quelle b. des Fleißes in guten Werken,

Man könnte wohl denken, daß der Christ, dessen Hoffnung auf das ewige Leben gerichtet ist, nun gleichgültig und träge für die Werke seines irdischen Berufes wäre. Aber das ist eine durchaus falsche Ansicht und ein irriges Urtheil der blinden, fleischlichen Vernunft. Je mehr ein Christ mit seinem Herzen im Himmel ist, desto treuer und fleißiger wird er in der Ausrichtung seines Berufes hier auf Erden sein; ein je besserer Himmelsbürger jemand durch den Glauben an das ewige Leben ist, ein desto treuerer, fleißigerer Erdenbürger wird er auch sein. Das kann gar nicht anders sein. Soweit die Gewißheit des ewigen Lebens in meinem Herzen ist, insoweit der Gedanke mein Herz beherrscht, daß Gott mich verlorenen Sünder durch seine unaussprechliche Gnade zum Erben des ewigen Lebens gemacht hat, insoweit ist in mir auch nur Lust und Willigkeit, in der noch hinterstelligen Zeit mit meinen Werken im Dienste Gottes zu stehen. Nur so viel Untreue kann bei mir in der Ausübung der Werke des irdischen Berufes aufkommen, als die Hoffnung des ewigen Lebens mich nicht beherrscht. Die gewisse Hoffnung der Seligkeit macht treue Prediger, treue Lehrer, treue Hausväter und Hausmütter, treue Knechte und Mägde, treue Kinder, und so durch alle Stände hindurch. Luther sagt: „Du mußt den Himmel haben und schon selig sein, ehe du gute Werke thust; die Werke verdienen nicht den Himmel, sondern wiederum" (umgekehrt), „der Himmel, aus lauter Gnaden gegeben, thut die guten Werke, ohne Gesuch des Verdienstes, nur dem Nächsten zu Nutz und Gott zu Ehren." (St. Louiser Ausg. XII, 136.) Diejenigen, welche bei ihren Zuhörern erst auf gute Werke dringen, um ihnen hinterher vom ewigen Leben zu sagen, spannen die Pferde gründlich hinter den Wagen. Nein, erst müssen die Christen des ewigen Lebens gewiß werden; von dieser Grundlage aus kommt es dann zu rechten gottgefälligen Werken. Das ist die Ordnung, welche Gottes Wort uns lehrt. Tit. 3, 5—8. heißt es: „Nicht um der Werke willen der


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Gerechtigkeit, die wir gethan hatten, sondern nach seiner Barmherzigkeit machte er uns selig durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung des Heiligen Geistes, welchen er ausgegosien hat über uns reichlich durch JEsum Christ, unfern Heiland, auf daß wir durch desselbigen Gnade gerecht und Erben seien des ewigen Lebens nach der Hoffnung." Der Apostel sagt hier, daß die Christen aus Gottes Barmherzigkeit durch die Taufe selig gemacht seien, daß sie durch die Rechtfertigung das Erbe des ewigen Lebens hätten. Er setzt noch hinzu: „Das ist je gewißlich wahr." Aber nun fährt er fort: „Solches will ich, daß du fest lehrest, auf daß die, so an Gott gläubig sind worden, in einem Stand guter Werke funden werden." Die Hoffnung des ewigen Lebens soll also gepredigt werden, damit die Christen fleißig werden zu guten Werken, in einem Stande guter Werke sich erfinden lassen.

1 Petr. 3, 7. heißt es: „Desselbengleichen, ihr Männer, wohnet bei ihnen" (nämlich bei euren Weibern) „mit Vernunft und gebet dem weiblichen, als dem schwächsten Werkzeuge, seine Ehre, als auch Miterben derGnadedesLebens, auf daß eure Gebete nicht verhindert werden." Hier stellt der Apostel auch das Verhalten, die Werke im Ehestande in das Licht des ewigen Lebens, der Christen Hoffnung. Er setzt natürlich den Fall, daß beide Eheleute Christen seien. Als solche sind sie Erben des ewigen Lebens. Der Mann soll im Weibe, das Weib im Manne einen Erben des ewigen Lebens sehen, und das soll sie bewegen, wohl mit einander umzugehen.

Eph. 6, 5—8. heißt es: „Ihr Knechte, seid gehorsam euren leiblichen Herren, mit Furcht und Zittekn, in Einfältigkeit eures Herzens, als Christo ; nicht mit Dienst allein vor Augen, als den Menschen zu gefallen, sondern als die Knechte Christi, daß ihr solchen Willen Gottes thut von Herzen, mit gutem Willen. Lasset euch dünken, daß ihr dem HErrn dienet, und nicht den Menschen; und wisset, was ein jeglicher Gutes thun wird, das wird er von dem HErrn empfahen, er sei ein Knecht oder ein Freier." Und Col. 3, 24. sagt der Apostel den Knechten: „Und wisset, daß ihr von dem HErrn empfahen werdet die Vergeltung des Erbes; denn ihr dienet dem HErrn Christo." Hier ermahnt der Apostel die Knechte, welche Christen sind, ihren Herren treu zu dienen. Als Ermunterungsgrund fügt er hinzu, daß christliche Knechte das ewige Leben haben, in welchem Gott alle Dienste, die sie hier nach seinem Willen geleistet haben, überschwänglich belohnen werde.

Daß aus der Gewißheit des ewigen Lebens in allen Ständen die guten Werke fließen, führt Luther trefflich vor Augen in seiner Predigt über die selige Hoffnung der Christen. Er sagt darin: „Diese zwei Stücke wollte St. Paulus in der Christenheit gerne erhalten: das Erkenntniß unseres Heilandes JEsu Christi, und das Erkenntniß unseres befohlenen Amtes, auf daß wir unseren christlichen Stand recht erkennen lerneten, nämlich, zum


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ersten, daß wir durch die Taufe und durchs Evangelium berufen sind zu Erben des ewigen Lebens, darum wir auch auf die selige Hoffnung und Erscheinung unseres HErrn JEsu Christi warten sollen." (Man beachte, daß Luther die Erkenntniß Christi als die Erkenntniß, daß wir durch die Taufe und durch das Evangelium das ewige Leben haben, erklärt. Wer die selige Hoffnung des ewigen Lebens nicht hat, der erkennt nach Luther Christum nicht. Luther fährt fort:) „Zum ändern, weil wir nun Christen und Erben des Himmelreichs worden sind, daß alles, was wir aus dem Glauben thun in unserem Beruf und Stande, eitel gute, köstliche Werke sind; darum wir auch fleißig sein sollen zu guten Werken. Und solche zwei Stücke sollen wir wohl lernen. Das erste Stück, von der seligen Hoffnung, müssen wir haben zu jenem Leben, auf daß wir wissen, wo wir bleiben sollen, wenn dies Leben ein Ende nimmt. Das andere Stück, von guten Werken, müssen wir haben zu diesem Leben, auf daß wir wissen, wie wir uns in diesem Stande und Amte halten sollen.. . Der Christ spricht also: Gott hat mir durch seinen Sohn das ewige Leben geschenkt, darauf bin ich getauft, und durch das Evangelium dazu berufen; darum will ich auch getrost drauf warten. Daneben aber hat er mich geschaffen und in das Amt gesetzt, daß ich soll ein Herr, Frau, Magd, Schulmeister, Prediger rc. sein und in meinem Beruf ihm dienen; darum will ich auch fleißig sein zu guten Werken, will ein feiner frommer Knecht, eine gehorsame züchtige Magd, ein fleißiger Schulmeister, ein treuer Prediger sein, und thun, was Gott wohlgefällt. Wer solches weiß und sich darnach richtet, dem wird sein Leben nicht schwer noch sauer, murret nicht wider Gott, ob es ihm schon zuweilen übel gehet. Denn weil er des ewigen Lebens gewiß ist und auf die selige Hoffnung und Erscheinung des Heilandes JEsu Christi wartet, so thut und leidet er alles gern, was er thun und leiden soll. Darnach, weil er seinen Beruf erkennet und weiß, daß er darin Gott dienet, so ist er unverdrossen, sein befohlen Werk auszurichten. Ob-schon die Welt arg und böse und das Leben in dieser Welt gefährlich und mühselig ist und die Werke, so er thut, ein geringes Ansehen haben, so weiß er doch, daß sein Amt und Stand göttlich und die Werke, so er in solchem Stande thut, vor Gott gut und angenehm sind. Führet also dies Leben mit gutem Gewissen und fröhlichem Herzen und spricht: Hier diene ich Gott, so lange ich lebe, und warte auf die selige Hoffnung und Erscheinung meines Heilandes JEsu Christi; wenn derselbe sich vom Himmel offenbaren wird, werde ich das ewige Leben besitzen. Wer aber solches nicht weiß und sich nicht darnach richtet, dem muß sein Leben sauer und schwer werden. Denn weil er des ewigen Lebens nicht gewiß ist und nicht wartet auf die selige Hoffnung, so kann er auch nicht zufrieden sein noch Geduld haben. Sobald es umschlägt und ihm nicht gehet, wie er will, so wird er ungeduldig und murret wider Gott. Darnach, weil er nicht gewiß ist, ob sein Thun Gott wohlgefalle, so kann er bei seiner Arbeit keine Freude im


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Herzen noch gut Gewissen haben. Bringet also dies Leben zu mit Angst, Jammer und schwerem Wesen und verlieret das ewige Leben dazu. . . . Solchem Menschen geschieht eben recht. Warum lernet er nicht diese zwei Stücke: Erstlich, was seine Hoffnung sei und im Himmel zu gewarten habe; darnach auch, wie er sich in sein Amt schicken und wie er hier auf Erden leben soll? Weil er der keines gelernet hat, so kann es nicht anders gehen, dies Leben muß ihm sauer und schwer werden, und muß dort die Hölle dazu haben. Dagegen aber ein Christ, der diese zwei Stücke weiß, hat hier ein süßes Leben auf Erden und dort das ewige Leben durch Christum, unfern Heiland. Ob er schon viel Mühe und Unlust hat in seinem Stande, so hat er doch bei seiner Mühe und Arbeit Freude im Herzen und ein gut Gewissen ; denn er weiß, daß sein Werk und Arbeit eitel gute Werke und Gottesdienste sind. Ist er ein Knecht, so ist er fröhlich und guter Dinge; wenn er'ins Holz führet, auf den Acker reitet, so singet er; ist sein Herr wunderlich, schilt ihn und thut ihm Unrecht/so hat er Geduld und wartet auf ein ander Leben. Darum sollen wir diese beiden Stücke fleißig lernen, auf daß wir wissen, worauf unsere Hoffnung stehet, nämlich nicht auf diesem Leben, sondern auf einem ändern zukünftigen Leben, und wir in dieser Welt sollen göttlich leben und fleißig sein zu guten Werken." (E. A. 19, 354 ff.)

So wissen wir Prediger, was wir zu thun haben, damit wir werk-thätige Gemeinden bekommen. Wir müssen das Evangelium rein und lauter und unverklausulirt predigen, und dadurch die Leute ihrer ewigen Seligkeit gewiß machen. So wissen wir auch, was wir uns selbst vorzuhalten haben, wenn wir Trägheit zu rechter Ausübung der Werke unseres Berufs bei uns merken: die Hoffnung des ewigen Lebens. Wir brauchen jetzt gerade viel gute Werke zur Ausbreitung des Reiches Gottes. Werden Liese Werke gethan werden? Stellen wir einander vor, daß wir durch Gottes Gnade in Christo selige Leute seien!

Insonderheit ist nach der heiligen Schrift die Gewißheit der Seligkeit eine Quelle c. der Verachtung und Meidung der Lust dieser Welt.

Die Lust dieser Welt ist eine furchtbare Feindin des geistlichen Lebens. „Demas hat mich verlassen und diese Welt lieb gewonnen", klagt der Apostel Paulus 2 Tim. 4, 10. von einem seiner Mitarbeiter am Evangelio. Und dieselbe Klage müssen christliche Gemeinden und christliche Prediger auch jetzt noch immer anstimmen. So Viele, die in der Gemeinschaft der christlichen Gemeinde standen, verlassen dieselbe. Sie können die Weltlust nicht meiden, nicht verachten, sondern fallen derselben zum Opfer. Wie soll man nun diesem furchtbaren Feinde entgegen treten, daß er nicht alles verwüste und dahinraffe? Gewiß muß die Weltlust mit dem Worte des Gesetzes gestraft werden. Es muß gewiß gezeigt werden, welche große Sünde der Abfall zur Welt sei, und woher er komme, nämlich aus dem


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gänzlich verderbten, Gott feindlichen Herzen. Aber dadurch gibt man noch keine Kraft, sich von der Lust dieser Welt abzuwenden, sie zu verachten und zu meiden. Es gibt nur ein Mittel gegen den weltlichen Sinn: man setze der Weltlust die Lust zu den geistlichen, himmlischen Gütern, die Hoffnung des ewigen Lebens, entgegen; man vertreibe Weltlust mit Himmelslust. Diese Ordnung zeigt uns Gottes Wort auf. 1 Petr. 2, 11. schreibt der Apostel: „Lieben Brüder, ich ermahne euch, als die Fremdlinge und Pilgrime, enthaltet euch von fleischlichen Lüsten, welche Wider die Seele streiten." Der Apostel ermahnt hier die Christen, sich von den fleischlichen Lüsten, welche wider die Seele streiten, d. H. die Seele ewig verderben, zu enthalten. Und diese Ermahnung begründet er auch durch die Erinnerung, daß die Christen hier ja Fremdlinge und Pilgrime seien, d. H. daß dieses Leben für sie nur ein Durchgang sei; vor ihren Augen liege ja als ihre eigentliche Heimath das ewige Leben.

Phil. 3, 20. f. heißt es: „Unser Wandel aber ist im Himmel, von dannen wir auch warten des Heilandes JEsu Christi, des HErrn, welcher unfern nichtigen Leib verklären wird, daß er ähnlich werde seinem verklärten Leibe, nach der Wirkung, damit er kann auch alle Dinge ihm unterthänig machen." Der Apostel hat im Vorhergehenden von Leuten gesprochen, „welcher Ende ist die Verdammniß, welchen der Bauch ihr Gott ist, ... die irdisch gesinnet sind." (V. 19.) Nun gibt der Apostel den Grund an, warum sich solche Gesinnung nicht bei den Christen finde. „Unser Wandel" (d. H. unser Bürgerrecht) „ist im Himmel, von dannen wir auch warten des Heilandes JEsu Christi, des HErrn." Der Apostel sagt damit: Es ist ganz unmöglich, daß wir Christen irdisch gesinnt sein sollten, wie jene Leute, denn wir haben ein Bürgerrecht im Himmel. Wie sollten wir unser Herz an die elende Lust dieser Welt hingeben, da unser die unaussprechliche Herrlichkeit des Himmels ist! Wer einen großen Schatz in der Hand hält, kann doch leicht einen Pfennig verachten. Die Lust dieser Welt aber ist, verglichen mit der Lust der ewigen Seligkeit, noch nicht einmal ein solcher Pfennig.

Col. 3, 1. ff. ermahnt der Apostel die vom geistlichen Tode zum geistlichen Leben Erweckten (V. 1.), also die Christen, nicht irdisch, sondern himmlisch gesinnt zu sein. Er schreibt : „Trachtet nach dem, das droben ist, und nicht nach dem, das auf Erden ist." Diese Ermahnung begründet er also: „Denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit Christo in Gott. Wenn aber Christus, euer Leben, sich offenbaren wird, dann werdet ihr auch offenbar werden mit ihm in der Herrlichkeit." Er sagt also den Christen, um sie himmlisch gesinnt zu machen: Euer geistliches Leben mündet in das ewige, selige Leben; ja, mit dem geistlichen Leben ist euch bereits das ewige Leben gegeben. Ihr seht es zwar noch nicht mit euren natürlichen Augen; ihr werdet es aber schauen, wenn Christus, euer


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Heiland, am jüngsten Tage sich offenbaren wird. Im Hinblick darauf trachtet nach dem, was droben ist. Er fährt fort: „So tödtet nun eure Glieder, die auf Erden sind, Hurerei, Unreinigkeit, schändliche Brunst, böse Lust und den Geiz, welcher ist Abgötterei." So wissen wir, wie wir nach apostolischem Beispiel es zuwege bringen, daß die Glieder, die auf Erden sind, wirklich gekreuzigt werden.

Tit. 2, 11. ff. schreibt der Apostel: „Denn es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen, und züchtiget uns, daß wir sollen verleugnen das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste, und züchtig, gerecht und gottselig leben in dieser Welt." Die in Christo erschienene Gnade nennt der Apostel hier eine heilsame, d. H. eine das ewige Leben verleihende (^T^co?) Gnade. Diese Gnade züchtigt, d. H. sie erzieht und ermahnt uns, daß wir sollen verleugnen das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste und züchtig, gerecht und gottselig leben in der Welt. Aber den Gedanken, daß gerade die seligmachende Gnade es sei, welche uns von der Lust dieser Welt abziehe, drückt der Apostel noch einmal aus, wenn er hinzusetzt: „Und warten" (eigentlich : indem wir warten) „auf die selige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit des großen Gottes und unsers Heilandes JEsu Christi." Indem wir also in zuversichtlicher Erwartung unfern Blick auf die Erscheinung der Herrlichkeit unsers Heilandes am jüngsten Tage gerichtet halten, werden wir tüchtig, das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste zu verleugnen.

Besonders gehört hierher 1 Joh. 3, 2. 3.: „Meine Lieben, wir sind nun Gottes Kinder und ist noch nicht erschienen, was wir sein werden." Das Wörtlein „nun" bezieht sich auf dieses Leben; wir Christen sind schon in diesem Leben Gottes Kinder; und in dieser Kindschaft ist uns auch schon die Seligkeit, die Verklärung im Himmel gegeben; es ist nur noch nicht erschienen, was wir sein werden. Die Verklärung der Herrlichkeit ist uns aber gewiß: denn es heißt weiter: „Wir wissen aber, wenn es erscheinen wird, daß wir ihm gleich sein werden, denn wir werden ihn sehen, wie er ist." Und nun fährt der Apostel fort: „Und ein jeglicher, der solche Hoffnung hat zu ihm, der reiniget sich, gleichwie er auch rein ist." Der Apostel setzt also die Gewißheit der Seligkeit als Ursache der Reinigung von Sünden. Ja, die Gewißheit der Seligkeit macht nicht fleischlich sicher, sondern geistlich lebendig, sie ist nicht eine Freundin, sondern die größte Feindin des Lebens in Sünden. Diesen Punkt können wir nicht genug einschärfen. Wir müssen ja vielfach über unsere Jugend klagen, daß sie die Welt und ihre Lust lieb hat und derselben nachläuft. O, wenn doch nun, um den weltlichen Sinn in der Jugend zu bekämpfen, von Predigern, Lehrern und Eltern das rechte Mittel fleißig angewendet würde! Es ist kein anderes, als das Wort von der seligen Christenhoffnung. Wenn gerade auch Eltern durch Wort und Wandel zeigen würden, daß sie durch dieses Leben wandeln als Solche, die gen Him-


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mel reisen, dann hätten die Kinder eine beständige Ermunterung, auch ihr Herz gen Himmel zu richten. Das lebendige Zeugniß der Christenhoffnung, welches die Eltern so ablegten, würde gewiß an der Jugend nicht wirkungslos bleiben.

Röm. 13, 11. ff. spricht der Apostel den Gedanken aus, daß wir, als im Lichte des ewigen Lebens wandelnd, die Finsterniß dieser Welt meiden sollen. „Und weil wir solches wissen, nämlich die Zeit, daß die Stunde da ist, aufzustehen vom Schlaf; sintemal unser Heil jetzt näher ist, denn da wir's glaubten. Die Nacht ist vergangen, der Tag aber herbei kommen; so laßt uns ablegen die Werke der Finsterniß und anlegen die Waffen des Lichtes." Der Apostel ermahnt hier die Christen, es sei Zeit, aufzustehen vom Schlaf, das heißt, sich immer mehr loszumachen von der noch immer uns anklebenden und uns träge machenden Sünde. Und als Grund dieser Ermahnung wird angegeben: „Sintemal unser Heil jetzt näher ist, denn da wir's glaubten." Damit sagt der Apostel: Euch liegt ganz nahe vor Augen das ewige Leben. Ihr habt auf dem Wege zum ewigen Leben bereits eine gute Strecke zurückgelegt, ihr seid dem ewigen Leben näher gekommen, als damals, da ihr gläubig wurdet. So verachtet nun auch angesichts des ewigen Lebens die Lust dieser Welt. Die ewige Herrlichkeit strahlt uns schon entgegen; bei diesem Licht will sich's nicht leiden, daß wir in der Finsterniß wandeln.

Hebr. 11, 24—26. wird von Mose ausgesagt, daß er die Lust dieser Welt, den königlichen Hof mit seiner Pracht, verließ und in Elend und Noth ging. Was gab ihm aber Kraft, die Schmach Christi den Schätzen Egyptens vorzuziehen? „Denn er sähe an die Belohnung." (V. 26.) Er schaute im Glauben die ewige Herrlichkeit, die aller Gläubigen wartet.

Wollen wir demnach die Seelen von dieser Welt losmachen, dann müssen wir sie durch Verkündigung der Gewißheit des ewigen Lebens an den Himmel binden. Wollen wir himmlisch gesinnte Gemeinden haben, seien es nun „alte" oder „junge" Gemeinden, so müssen wir es unsere Sorge sein lassen, daß die Herzen des ewigen Lebens gewiß werden. Wenn ein Pastor oder ein anderer Christ Solche, die in Gefahr stehen, die Welt lieb zu gewinnen, ermahnen und warnen will, so sollte sich schließlich die Ermahnung auf dieses Thema zuspitzen: Siehe, du bist ein getaufter Christ und bist in deiner Taufe bereits ein Himmelsbürger geworden. Willst du nun den Himmel lassen und dafür in den Koth der Welt treten? Das Träufeln des Oeles der Hoffnung in die durch die schneidige Waffe des Gesetzes, die ja freilich auch immer angewendet werden muß, gemachten Wunden wird schließlich allein die Weltlust Niederhalten. Anders werden wir des furchtbaren Feindes „Weltlust" nicht Herr werden. Die Leugner der Gewißheit der Seligkeit haben das rechte Mittel, die Weltlust zu dämpfen, preisgegeben.


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Insonderheit ist nach der Schrift die Gewißheit der Seligkeit eine Quelle ä. des rechten Gebrauches der Güter dieser Welt.

Ein weiterer furchtbarer Feind des geistlichen Lebens ist die Begierde nach irdischen Gütern oder der Geiz. Luther schreibt vom Geiz: „Es ist ein solch Ding, das den Menschen gar vom Glauben und dem rechten Gottesdienst abkehret, daß er nichts nach Gott und nach seinem Wort und ewigen himmlischen Gütern fragt noch trachtet; sondern allein an diesen irdischen Dingen hangen bleibt und nur einen solchen Gott sucht, der ihm hier auf Erden genug gebe." (St. L. Ausg. XII, 519 f.) Und diese Begierde nach dem irdischen Gute ist Ursache vieler anderer Sünden, durch die das Gewissen verletzt, Geist und Glaube verloren wird. Uebervorthei-lung des Nächsten, Neid, Feindschaft und andere Sünden quellen unaufhörlich aus dem bösen Brunn der Begierden nach den Gütern dieser Welt hervor. Wie viel leibliches und geistliches Elend, wie viel Abfall in unfern Gemeinden würde verhütet werden, wenn wir dem Teufel in diesem Punkt erfolgreich Widerstand leisten könnten!

Wie soll man das anfangen? Das menschliche Herz muß etwas haben, woran es sich hängt. Darum ist es nicht genug, die Begierde nach dem Gut dieser Welt zu strafen, denn es ist keine Kraft da, es zu lassen. Es gilt, das Herz auf ein höheres, besseres Gut zu lenken, auf den Schatz im Himmel, auf das ewige Erbe, welches Christus, unser Heiland, uns erworben hat. Hat das Herz im Glauben dieses Gut erfaßt, dann läßt es ganz von selbst die Güter dieser Welt los. Diese Methode schreibt uns Gottes Wort vor. Der HErr Christus spricht Luc. 12, 34.: „Denn wo euer Schatz ist, da wird auch euer Herz sein." Damit sagt der HErr Christus: Ist euer Schatz hier auf Erden, so wird auch euer Herz, eure Begierde auf Erden sein, an den irdischen Dingen hangen. Ist dagegen euer Schatz im Himmel, hat das Herz das ewige Leben im Glauben ergriffen, dann wird auch euer Verlangen nach dem Himmel gehen und das Herz somit los gelöst von den Dingen dieser Welt. Durch die Gewißheit des ewigen Lebens wird daher dem Geiz, dem Trachten nach irdischen Gütern immerfort die Wurzel abgeschnitten. Es kann nur so viel Geiz, Begierde nach dem Irdischen da sein, als Ungewißheit des ewigen Lebens im Herzen sich findet. Christus sagt von den Reichen: „Wie schwerlich werden die Reichen in das Reich Gottes kommen!... Es ist leichter, daß ein Kameel durch ein Nadelöhr gehe, denn daß ein Reicher in's Reich Gottes komme." (Marc. 10, 23. 25.). Ergreift aber ein Reicher im Glauben das unvergängliche, unbefleckte, unverwelkliche Erbe im Himmel, dann wird auch sein Herz losgemacht von den Gütern dieser Welt, und wenn es auch Millionen von Dollars wären; denn gegen die ewige Seligkeit sind auch einige Millionen nichts. Wenn wir reiche christliche Brüder haben und wir gewahren, daß sie ihr HeH an ihr irdisches Gut verlieren wollen, erinnern wir sie an ihren Schatz, den sie durch Christum im Him-


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mel haben. Dann wird das Herz sich wieder dorthin wenden, wohin es gehört.

Sind wir der Seligkeit gewiß, dann werden wir ferner auch unsere irdischen Güter, ob wir nun viel oder wenig davon haben, hier auf Erden recht gebrauchen. Wir sollen nämlich das irdische Gut, welches Gott uns gegeben und erhalten hat, nicht äußerlich von uns werfen, denn es ist Gottes gute Creatur. Aber gebrauchen wir es recht! Wie kommen wir aber zum rechten Gebrauch? Wiederum durch die Gewißheit des ewigen Lebens. Haben wir im Glauben das ewige Leben ergriffen, gehen wir als Pilgrime durch diese Welt, dann werden wir die irdischen Güter so gebrauchen, daß wir einen ewigen Vortheil davon haben. Die Leute, welche der ewigen Heimath zugehen, werden doch nicht so thöricht sein, die irdischen Güter so zu gebrauchen, daß sie .von denselben nur in dieser kurzen Zest Vortheil haben, während sie sie doch so gebrauchen könnten, daß sie ewigen Vortheil, ewigen Genuß in der Seligkeit davon hätten. Nein, sie werden sich immerfort fragen: „Wie gebrauchen wir das irdische Gut nach Gottes Willen so, daß wir uns Freunde machen mit dem ungerechten Mammon?" Als Antwort hören sie dann aus Gottes Wort: Diene mit deinem Gut Anderen ; versorge die Deinen, reiche dem dürftigen Nächsten dar und sorge auch an deinem Theil dafür, daß der Befehl: „Prediget das Evangelium aller Creatur" ausgeführt werde.

1 Tim. 6, 17—19. ermahnt der Apostel den Timotheus, mit den Reichen in Bezug auf den Gebrauch des irdischen Gutes auf folgende Weise zu reden: „Den Reichen von dieser Welt gebeut, daß sie nicht stolz seien, auch nicht hoffen auf den ungewissen Reichthum, sondern auf den lebendigen Gott, der uns dargibt reichlich, allerlei zu genießen; daß sie Gutes thun, reich werden an guten Werken, gerne geben, behülflich seien, Schätze sammeln, ihnen selbst einen guten Grund auf's Zukünftige, daß sie ergreifen das ewige Leben." Dieser Gebrauch des irdischen Gutes ist aber unmöglich, wenn sie das ewige Leben nicht gewiß glauben.

1 Cor. 7, 29—31. schreibt der Apostel: „Das sage ich aber, lieben Brüder, die Zeit" (nämlich die Zeit, daß wir noch in diesem Leben sind) „ist kurz. Weiter ist das die Meinung, die da Weiber haben, daß sie seien, als hätten sie keine; und die da weinen, als weineten sie nicht; und die sich freuen, als freueten sie sich nicht; und die da kaufen, als besäßen sie es nicht; und die dieser Welt brauchen, daß sie derselbigen nicht mißbrauchen; denn das Wesen dieser Welt vergehet." In diesen Worten ist beschrieben, wie das Christenherz zu den Dingen dieser Welt recht stehe. Dies ist aber nur möglich, wenn der Christ im Glauben sein Bürgerrecht im Himmel weiß.

Wie stockstaarblind sind daher diejenigen, welche einen Christen seiner Seligkeit nicht gewiß sein lassen wollen und doch von ihm fordern, daß er sein Herz nicht an die Dinge dieser Welt hänge! Denn jemand in Unge-


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wißheit lassen wollen, ob er auch die Seligkeit erlangen werde, und doch verlangen, sein Herz nicht an das irdische Gut zu hängen — das ist überfordert! Das Herz wird dann das ihm Gewisse, das Sichtbare, Greifbare, dem Ungewissen vorziehen und sich auf dieser Welt einrichten. Darum sind das ganz schädliche Prediger, die die Christen ihrer Seligkeit nicht gewiß machen wollen. Sie rauben den Christen das Mittel, durch das sie sich bewahren können vor dem Dienst des Irdischen, vor dem Geiz, der Wurzel alles Nebels. Und wenden wir das auch auf uns selbst an! Wenn wir merken, daß unser Herz sich an die Güter dieser Welt verlieren will, so wissen wir, was wir ihm vorzuhalten haben: führen wir es im Glauben auf das ewige Gut. Wir werden unser Herz nicht anders bewahren. Wenn wir nicht in zuversichtlichem Glauben unsere Heimath im Himmel haben wollen, so werden wir uns sicherlich eine Heimath hier auf Erden gründen, das kann gar nicht anders sein.

Was hindert das reichlichere Geben in unsern Gemeinden? Es wird ja durch Gottes Gnade in unsern Gemeinden Beträchtliches gegeben; aber es könnte und sollte noch mehr gegeben werden. Wir können aus Geldmangel nicht das ausrichten, was wir offenbar ausrichten sollten. Es hat z. B. die Arbeit auf dem Felde der sogenannten Inneren Mission eingeschränkt werden müssen, weil nicht die nöthigen Geldmittel da waren. O, das sollte aufhören. Wir haben reichlich Gelegenheit, hier die Kirche des reinen Wortes auszubreiten. Soll diese Gelegenheit unbenutzt bleiben aus Mangel an irdischem Gut? Wie wollen wir aber dieses herbeischaffen?  Sollen wir etwa viel schelten? Das würde nicht helfen und wäre auch nicht die rechte Weise. Nein, predigen wir immer eifriger und freier und freudiger die Hoffnung des ewigen Lebens, machen wir so das Herz unserer lieben Christen immer mehr los von diesen irdischen Gütern, dann wird auch immer reichlicher gegeben werden. Luther sagt: „Wer ohne allen Zweifel glauben könnte und gewiß begreifen, wie ein überschwänglich groß Ding es ist, daß einer Gottes Kind und Erbe sei, derselbe würde ohne Zweifel aller Reiche auf Erden Gewalt, Ehre und Güter gegen diese seine himmlische Erbschaft für eitel Koth und Unflath achten unv schätzen; ja, alles, was in der Welt hoch und herrlich ist, würde ihm ein Ekel und Greuel fein; und je mehr die Welt davon zu fragen und zu rühmen pflegte, je feinder er ihm sein würde: in Summa, was die Welt am höchsten achtet und am theuersten schätzt, das würde vor seinen Augen stinken und nichts gelten. Denn was ist doch die Welt mit aller ihrer Gewalt, Reichthum und Herrlichkeit gegen Gott gerechnet, deß Erbe und Kind ein Gläubiger ist?" (Walch VIII, 2432.) Luther schreibt ferner: „Das ist nun der herrliche, fröhliche Artikel unsers Glaubens, der allein Christen macht, und doch aller Welt ein Spott ist und von jedermann geschändet und gelästert wird. Denn Pabst und Cardinäle sind gemeiniglich der Art, daß sie die Historie selbst (von der Auferstehung Christi) für ein Gelächter und Mär-


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lein halten, sind gute Pliniani, die noch dazu lachen, wenn man von einem ändern und ewigen Leben nach diesem Leben sagt. So sieht man an unseren Adel, item, an unseren Bürgern und Bauern auch, daß sie es mehr aus einer Gewohnheit glauben, denn daß es ihnen ein Ernst wäre, daß noch ein anderes Leben sei. Sonst sollten sie sich ja darnach halten, und nicht so sehr dieses zeitlichen Lebens, der Nahrung, Ehre und anderes sich annehmen, sondern mehr nach dem Ewigen trachten. Aber man predige und sage, was man wolle, so hält's die Vernunft für Narrheit. Also wehret sich dieser Artikel und will nicht so tief in die Herzen gehen, wie es Wohl vonnöthen wäre." (St. L. Ausg. XIII, 512.) Und an einer anderen Stelle schreibt Luther zu Tit. 2, 12. f.: „Weltlich nennt er sie (die Lüste), daß er alle böse Begierde begreife, es sei der Güter, Lust, Ehre, Gunst und alles, was die Welt haben mag, darin sich ein Mensch versündigen mag mit Begierden. Auch so spricht er nicht, daß wir sollen ab-sagen den weltlichen Gütern und ihrem Brauch. Die Güter sind gut und Gottes Creaturen; so müssen wir ihres Dienstes gebrauchen zu Essen, Trinken, Kleidern und anderer Nothdurft; ist der auch keines verboten: sondern die Begierde derselbigen, das Ankleben, der Anhang, das ist verboten, dem müssen wir absagen; denn dasselbige führt uns in alle Sünde wider uns selbst und unseren Nächsten. . . Es ist nicht genug, hier allein die weltlichen Werke oder Worte abzuthun; es sollen die weltlichen Begierden ab sein, daß wir dieses Lebens und alles, war darinnen ist, nur brauchen und sein nicht achten, nur hinausgedenken in jenes Leben; wie denn folget in dieser Epistel, daß wir warten sollen der Zukunft der Herrlichkeit des großen Gottes." (St. L. Ausg. XII, 106 f.)

Wenn in uns allen immer die Hoffnung des ewigen Lebens recht lebendig wäre, dann würden wir niemals murren und unzufrieden sein, wenn wir fort und fort um Unterstützung der Mission, der Lehranstalten, der Wittwen und Waisen und dergleichen angegangen werden; wir würden vielmehr uns freuen über jede Gelegenheit, uns Freunde zu machen mik dem ungerechten Mammon. Wir würden nie zanken mit einer Gemeinde, die wieder einmal unsere Liebe in Anspruch nimmt, ihr zu einem Kirchbau und dergleichen behilflich zu sein, sondern eher einen Streit anfangen mit der Gemeinde, die wirklich in Noth ist und unsere Unterstützung nicht sucht. Wir würden dann auch nicht bloß von den übrigen Brocken, von dem, was nach Befriedigung aller unserer eigenen Bedürfnisse übrig bleibt, geben, sondern frei und gerne thun, was die Kinder Israel thun mußten, nämlich die Erstlinge, unser Bestes, darbringen; wir würden etwas von der Opferfreudigkeit jener Wittwe im Evangelio, die ihre letzten Scherflein in den Gotteskasten legte und darüber von dem HErrn JEsu belobt wurde, offenbaren.

Fahren wir fort, gewisse Gnade und gewisse Seligkeit in Christo zu predigen. Wo immer diese Predigt erschallt, da wird wenigstens ein Theil


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der Gemeinde zu reichlichem Geben willig werden. Man denke ja nicht, daß, wenn man es durch diese Predigt nicht sofort bewerkstelligt hat, man dann das Gesetz zu Hilfe nehmen müsse. Das Gesetz wird es erst recht nicht thun; das Gesetz richtet nur Zorn an. Uns ist weiter nichts befohlen, als das Evangelium lauter und rein zu verkündigen. Was die Frucht und den Erfolg dieser Predigt anlangt, so sollen wir warten können. Der Erfolg ist nicht unsere Sache, sondern steht in Gottes Hand, obwohl er auch mit der Zeit sichtbar werden wird.

Insonderheit ist nach der Schrift die Gewißheit der Seligkeit eine Quelle e. der Standhaftigkeit in der Trübsal.

Unter denen, welche nach dem Gleichniß vom viererlei Acker (Luc. 8.) keine Frucht bringen, das heißt, schließlich doch nicht selig werden, sind auch diejenigen, welche eine Zeit lang glauben, aber zur Zeit der Anfechtung abfallen. So kann auch die Anfechtung, die Trübsal, das Elend hier in der Zeit dem geistlichen Leben gefährlich werden. Deshalb heißt es Jac. 1, 12.: „Selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet." Die Anfechtung ist dem Christen nach seiner Vernunft unerträglich; Fleisch und Blut kann sich nie in die Trübsal finden. Nach dem Fleisch fragt sich ein Christ : „Ich habe einen so reichen HErrn und Heiland, und der läßt mich hier Noth leiden? ich habe einen so allgewaltigen HErrn im Himmel, dem alles zu Füßen liegt, aber ich muß von der gottlosen Welt Schmach und Verfolgung leiden? Wie geht das zu?" Fleisch und Blut kann da nur irre werden. Und doch muß die Trübsal erduldet werden; es gibt keinen ändern Weg zum Himmel. Das Reich Gottes hier auf Erden hat die Gestalt des Kreuzreiches, ist hier in großer Niedrigkeit, wie der HErr selbst hier auf Erden in Niedrigkeit gelebt hat.

Was ist nun das Mittel, daß wir in der Trübsal erhalten werden? Dieses Mittel ist wiederum die Gewißheit des ewigen Lebens. So heißt es Röm. 8,17. ff.: „Sind wir denn Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi, so wir anders mit leiden." In den letzten Worten sagt der Apostel, daß es im Christenstande ohne Leiden freilich nicht abgehe. Aber er setzt nun sofort den rechten Trost hinzu, damit die Christen in den Leiden nicht den Muth verlieren und irre werden: „Denn ich halte es dafür, daß dieser Zeit Leiden der Herrlichkeit nicht Werth sei, die an uns soll offenbaret werden." Der Apostel sagt damit: „Wir Christen haben hier in der Zeit freilich etwas Leiden und Anfechtung, aber wir haben auch die ewige Herrlichkeit im Himmel, die offenbart werden wird am jüngsten Tage. Und stellen wir einmal das Leiden in dieser Zeit neben die ewige Herrlichkeit, die an uns soll offenbaret werden, und vergleichen beide mit einander, so können die Leiden gegen die Herrlichkeit gar nicht in Betracht kommen." Zwar seufzen die Christen mit der ganzen Creatur, wie der Apostel in den folgenden Versen beschreibt, aber die Hoffnung des ewigen Lebens läßt sie


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bei diesem Seufzen nicht ganz verzagen. V. 25.: „So wir aber deß hoffen, das wir nicht sehen, so warten wir sein durch Geduld." Hoffnung bringt Geduld, bewegt zur Standhaftigkeit, läßt es nicht dahinkommen, daß man murre, sich ärgere und abfalle.

2 Tim. 1, 12. gibt der Apostel an, was ihm Kraft gab, in der Trübsal Stand zu halten. Er redet an dieser Stelle davon, daß er von Christo zum Prediger des Evangeliums gesetzt, daß es ihm aber darüber sehr übel ergangen sei. Er lag gerade jetzt, da er diesen Brief an Timotheus schrieb, in Rom in Gefangenschaft. Aber er wurde trotz alle dem doch nicht irre. „Ich schäme mich's nicht", sagt er, „denn ich weiß, an welchen ich glaube, und bin gewiß, daß er kann mir meine Beilage bewahren bis an jenen Tag." Der Apostel schaut durch^pen Glauben inmitten der Trübsal die Krone des ewigen Lebens. So kann er die zeitliche Trübsal schon ertragen.

Eine ganz merkwürdige Stelle ist auch Luc. 6, 20—24.: „Und er Hub seine Augen auf über seine Jünger und sprach : Selig seid ihr Armen; denn das Reich Gottes ist euer. Selig seid ihr, die ihr hie hungert; denn ihr sollet satt werden. Selig seid ihr, die ihr hie weinet; denn ihr werdet lachen. Selig seid ihr, so euch die Menschen hassen und euch absondern und schelten euch und verwerfen euren Namen, als einen boshaftigen, um des Menschensohns willen. Freuet euch alsdann und hüpfet; denn siehe, euer Lohn ist groß im Himmel." Hier preist der HErr die hier armen, hungernden und weinenden Christen selig. Warum? Das Reich Gottes, das Himmelreich, wo sie satt werden und fröhlich sein sollen, gehört ihnen. Der HErr sagt seinen Christen noch weiter voraus, daß sie die äußerste Anfechtung um seines Namens willen zu erdulden haben würden; man würde sie als die größten Mifsethäter behandeln. Aber nun sagt er nicht, daß sie dann wehklagen und jammern sollten, sondern im Gegentheil spricht er: „Freuet euch alsdann und hüpfet." Warum? Der HErr sagt : „Siehe, euer Lohn ist groß im Himmel." Die gewisse Hoffnung des ewigen Lebens bringt es zuwege, daß ein Christ im Geiste sich freut, wenn Fleisch und Blut nur Ursache zum Weinen und Klagen sieht.

1 Petr. 1, 6. schreibt der Apostel: „In welcher" (nämlich letzten Zeit, das ist, am jüngsten Tage) „ihr euch fbeuen werdet, die ihr jetzt eine kleine Zeit (wo es sein soll) traurig seid in mancherlei Anfechtungen." Es geht in dieser Welt durch mancherlei Traurigkeit, aber das währt nur eine kleine Zeit; bald gibt es Freude, und diese am jüngsten Tage anbrechende Freude, die wir im Glauben schon hier genießen, läßt die Trübsal vergessen.

1 Cor. 15,19. 3V. ff. wird uns gesagt, wie trostlos es mit den Christen stände, wenn sie nicht des ewigen Lebens gewiß sein sollten: „Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christum, so sind wir die elendesten unter allen Menschen." Wir Christen wenden uns von dieser Welt ab. Sollten wir nun auch noch die Gewißheit des ewigen Lebens nicht haben, so wären wir


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freilich die elendesten Menschen. Wir würden dann auch gar keine Kraft haben, die Trübsal zu erdulden; denn der Apostel schreibt weiter: „Und was stehen wir alle Stunde in der Fahr? Bei unserm Ruhm, den ich habe In Christo JEsu, unserm HErrn, ich sterbe täglich. Habe ich menschlicher Meinung zu Epheso mit den wilden Thieren gefochten, was hilft mich's, so die Todten nicht auferstehen? Lasset uns essen und trinken; denn morgen sind wir todt." Ja, ein Christ müßte auch ein Epikuräer werden, wenn in ihm nicht durch Gottes Gnade die Hoffnung des ewigen Lebens wäre. Wer darum die Gewißheit der Seligkeit antastet, der läßt die Christen in ihrer Trübsal umkommen; der löscht den Christen das Licht aus, welches allein die Finsterniß der Trübsal erleuchtet. Wer die Gewißheit der Seligkeit nicht glaubt und predigt, ist darum nicht geschickt zum Predigtamte; der kann Christen in der Trübsal, die sie doch erdulden müssen, nicht trösten. So viel an ihm ist, müssen sie vielmehr in Verzweiflung umkommen.

Luther schreibt darüber, daß durch die Hoffnung des ewigen Lebens die Trübsal überwunden werde, zu 1 Petr. 1, 3.: „Gott hat uns durch die Auferstehung Christi wiedergeboren, nicht, daß wir hie auf Erden reich, gewaltig und große Herren sollten sein, welches die leibliche Geburt mit sich bringet, wem's Gott gönnet, sondern er hat uns wiedergeboren zu einem himmlischen Erbe, gegen welchem aller Welt Reichthum, Ehr und Gewalt eitel Nichts ist. . .. Ob uns nun der Teufel solche Ehr nicht gönnet und derhalben dies Leben sauer machet und die Welt an uns hetzet, liegt nichts dran, es wird nicht ewig währen. Wir sind eine kurze Zeit in seiner Herberge allhie, da er uns übel empfähet und hält, da mögen wir für gut nehmen, geduldig sein und festhalten: es wird uns dieser geringe Schade Wohl und reichlich erstattet werden. Auf diese geringe Armuth, kleine Verachtung und kurze Traurigkeit, die er uns hie zufüget, wird folgen ein ewiger himmlischer Reichthum, Herrlichkeit und unaussprechliche Freude und Seligkeit, gegen welcher alles Leiden und Ungemach, das uns hie drücket, gar nichts zu rechnen ist. Können die Weltkinder große Fahr und Noth ausstehen, der Hoffnung, daß sie etwas Zeitliches dadurch gedenken zu erlangen, warum sollten wir es nicht viel mehr thun, die so herrliche göttliche Verheißung haben von diesem himmlischen und ewigen Erbe?" (E. A. 52, 16. f.)

Zu 1 Petr. 1, 6. schreibt Luther: „Hie zeiget der Apostel an, wie es den Christen in der Welt gehet. Vor Gott im Himmel sind sie, die lieben Kinder, des ewigen, himmlischen Erbes und der Seligkeit gewiß, wie gesagt, aber auf Erden sind sie nicht allein traurig, betrübt und verlassen, sondern müssen auch mancherlei Anfechtung vom Teufel und von der argen Welt leiden... Doch lässet er's dabei nicht bleiben, saget nicht allein, wie sie traurig werden sein und mancherlei Anfechtung leiden müssen, sondern tröstet sie daneben und spricht, es werde nur eine kleine Zeit hie auf Erden währen und werde solcher Traurigkeit und Trübsal


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gewiß folgen die ewige Seligkeit, darin sie sich ewig freuen werden. Das heißt recht getröstet, wie Apostel zu trösten pflegen, sagen nicht von zeitlichem Frieden, Nuhe, Gunst der Welt, sondern das Widerspiel, nämlich, daß sich die Christen deß frei erwägen sollen, daß sie es nicht besser werden haben, denn alle Heiligen, die je gewesen, und der HErr und das Haupt aller Heiligen selbst gehabt hat. Was sollen sie denn haben? Trübsal, Unfrieden, Traurigkeit, Angst, Noth rc.; daß also der Christen Trost stehet nicht auf sichtlichen, gegenwärtigen Dingm, welche, ob sie gleich köstlich und herrlich sind, doch vergänglich und ungewiß sind, sondern auf unsichtlichen und zukünftigen, aber doch gewissen und ewigen Gütern." (E. A. 52, 21: ff.)

Zu 1 Petr. 4, 13. schreibt Luther: „Hier thut er einen Zusatz, saget auch von seiner Herrlichkeit, die an jenem Tage wird offenbar werden, die unaussprechlich und unbegreiflich sein wird, davon wir ewige Freud und Wonne werden haben; gegen welcher alles Leiden, wie auch St. Paulus Röm. 8. sagt, das uns begegnen mag in diesem Leben, gar nichts zu rechnen sei. Wer das fasset, dem ist kein Leiden zu schwer, wie man denn von etlichen Märtyrern liefet, beide Manns- und Weibs-Geschlechts, die fröhlich zu der Marter sind gegangen, als gingen sie zum Wohlleben. Also auch die Apostel gingen fröhlich von des Raths Angesicht, dankten Gott, daß sie würdig gewesen waren, um Christus willen Schmach zu leiden, Apost. 5." (Erl. Ausg. 52, 178.)

Insonderheit ist nach der Schrift die Gewißheit der Seligkeit eine Quelle k. der Ueberwindung des Todes schon in diesem Leben.

Es gilt, den Tod schon in diesem Leben zu überwinden. Wir müssen uns mit dem Tode auseinandersetzen, ehe wir in den Tod kommen, das heißt, unser Herz muß so stehen, daß es angesichts des Todes nicht verzagt und verzweifelt, sondern denselben getrost annimmt, wann und wo er auch nach Gottes Willen kommen möge. Steht es nicht so bei uns, dann sind wir unglückliche Menschen; dann müssen wir aus Furcht des Todes im ganzen Leben Knechte sein (Ebr. 2,15.); dann unterscheiden wir uns in diesem Punkte nicht von der Welt, die von Furcht des Todes beherrscht wird. Dem Fleische nach entsetzt sich auch der Christ vor dem Tode. Insofern noch Unglaube im Christen ist, und insofern er nur das, was vor dem natürlichen Auge liegt, ansieht, ist ihm der Tod gerade so bitter, wie dem Ungläubigen.

Wodurch nun kann der Tod schon in diesem Leben überwunden werden? Nicht durch die Mittel, welche die Welt anwendet. Wenn die Welt, um des Todes Bitterkeit zu vertreiben, sagt: „Nach dem Tode ist alles aus", so straft das eigene Gewissen sie Lügen, sie glaubt das selbst nicht. Wenn die Welt weiter sagt: „Nun, wenn es ein ewiges Leben gibt, dann wird Gott diejenigen in die Seligkeit einführen, welche bestrebt ge-


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wesen sind, hier nach dem Grundsätze ,Thue Recht und scheue niemand* zu leben; auch ich habe mich der Ehrbarkeit befleißigt, so werde auch ich in das -bessere Jenseits* kommen"; so ist das wiederum ein Wahn, eine menschliche Einbildung. Einen solchen Weg zur Seligkeit gibt es nicht, darum kann man auch mit dieser Redensart des Todes Bitterkeit nicht vertreiben.

Der Tod kann nur überwunden werden, wenn das traurige Bild des Todes, das vor dem natürlichen Auge liegt, durch ein anderes, herrliches Bild, das freilich nur der Glaube sieht, zugedeckt wird. Dieses Bild ist das ewige Leben, welches die Verheißung des Wortes Gottes uns vorhält. Weil Christus spricht: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubet, der wird leben, ob er gleich stürbe. Und wer da lebet und glaubet an mich, der wird nimmermehr sterben" (Joh. 11, 25. f.), so sieht der Christ nicht die äußere, häßliche Gestalt des Todes, sondern er schaut im Glauben an das Wort durch den Tod hindurch in das ewige Leben. Nur so verliert der Tod seine furchtbare Gestalt. Wer aber die Gewißheit der Seligkeit nicht prediget, der kann seine Zuhörer nicht frei machen von der Furcht des Todes, sondern läßt sie im ganzen Leben durch Furcht des Todes Knechte bleiben.

Phil. 1, 21. ff. stellt sich der Apostel dar als einen, der des Todes Furcht überwunden hat, der willig den Tod, wenn er komme, annimmt, ja, den Tod dem Leben vorzieht. Woher hat der Apostel diese Todesfreudigkeit? Er ist der ewigen Gemeinschaft mit Christo gewiß. Er kann sprechen: „Sterben ist mein Gewinn." „Ich habe Lust abzuscheiden und bei Christo zu sein."

Luther schreibt hierzu: „Darüber" (nämlich über der himmlischen Erbschaft) „würde er (der Christ) auch herzlich begehren, daß er von hinnen scheiden und bei Christo sein möchte, wie St. Paulus auch wünschte, Phil. 1, 23^, ihm könnte auch nichts Lieberes widerfahren, denn daß ihn Gott nur bald aus diesem Jammerthal nähme und, wenn es geschähe, würde er es mit Freuden annehmen und mit Simeon für den besten Frieden halten; sintemal er wüßte und gewiß wäre, daß solcher Tod ein Ende alles seines Unglücks, und ein Gang aus des Teufels Reich, da nimmermehr Friede ist, in's Himmelreich wäre, da er das Erbe ewig besitzen würde, davon Paulus hier sagt. Ja, ein Mensch, der solches vollkömm-lich glauben könnte, der würde freilich nicht lange in diesem Leben bleiben; denn er würde vor großer Freude sterben." (Walch VIII, 2432.)

1 Thefs. 4, 13. ff. tröstet der Apostel die Christen über den Tod der Ihrigen damit, daß er sagt, mit uns stehe es ja nicht, wie mit den Heiden, die keine Hoffnung haben. Er faßt den Trost schließlich in diese Worte (V. 17. 18.): „Wir werden also bei dem HErrn sein allezeit. So tröstet euch nun mit diesen Worten unter einander." Dieses „bei dem HErrn lein allezeit", welches Christen durch den Glauben in's Auge fassen, vertreibt des Todes Bitterkeit.


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Thesis III.

Daher soll jeder Christ mit ganzem Ernst alles meiden, wodurch ihm die Gewißheit der Seligkeit umgestoßen wird.

Wir haben in Thesis II. sowohl im Allgemeinen, als auch im Besonderen gesehen, wie wichtig die Gewißheit der Seligkeit für das geistliche Leben sei. Die Gewißheit der Seligkeit ist eine Macht und Kraft, durch welche wir das thun, was Gott wohlgefällt, und das meiden, was ihm mißfällt ; durch welche wir Welt, Sünde und Tod überwinden können. Nun fragen wir billig: Wann haben und behalten wir diesen köstlichen Schatz?

Die Seligkeit wird uns nur dann gewiß sein und bleiben, wenn wir fest daran halten, daß sie uns umsonst, aus reiner GnaLe um Christi willen und nicht irgendwie um unserer Werke, unseres Verdienstes, unseres Verhaltens willen zu Theil wird. Steht die Seligkeit irgendwie auf menschlichem Thun und Verhalten, dann wird sie uns sofort ungewiß. . Warum? Menschliches Verhalten und Thun ist, wie jeder Christ wohl erkennt, unvollkommen. Wenn darum die Seligkeit auf diesem Grunde ruhen sollte, müßte sie sofort zweifelhaft werden. Wir sehen aus Röm. 8, 7. und anderen Stellen der heiligen Schrift, daß das Fleisch, unser natürliches Wesen, eine Feindschaft wider Gott sei; daß es nichts Gottgefälliges leisten, sich nicht so, wie es Gott gefällt, verhalten könne. Steht darum die Seligkeit auch nur zum tausendsten Theile auf unserm Verhalten, dann können wir ganz gewiß sein, daß wir dieselbe nicht erlangen werden. Wir können ja auch dieses Minimum nicht leisten, weil es nicht so steht, daß nur von uns verderbt ist, sondern wir sind ganz und gar verderbt. Wollen wir unsrer Seligkeit gewiß sein und bleiben, dann muß sie ganz und gar aus unserer Hand genommen und auf Gottes Gnade, auf Gottes Thun gestellt sein.

Worauf gründet darum auch die Schrift die Gewißheit der Seligkeit? Sehen wir nur die eine Stelle Röm. 8, 38. f. im Zusammenhangs an, wo der Apostel im Namen aller Christen triumphirt: „Ich bin gewiß, daß weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstenthum noch Gewalt, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes, noch keine andere Creatur mag uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christo JEsu ist, unserm HErrn." Was gibt der Apostel als Grund, als Fundament dieser Gewißheit an? Er sagt kurz vorher: „In dem allen" (nämlich in der Trübsal) „überwinden wir weit um deß willen, der uns gelte bet hat." Um Christi willen sind wir gewiß, daß wir das Ende unsers Glaubens, der Seelen Seligkeit, davonbringen werden. Im Vorhergehenden hat der Apostel das „um Christi willen" auseinandergelegt. Es ist: Christi Tod, Auferstehung und Sitzen zur Rechten Gottes. Er


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schreibt: „Wer will verdammen? Christus ist hie, der gestorben ist, ja vielmehr, der auch auferwecket ist, welcher ist zur Rechten Gottes und vertritt uns." Hier ist einzig und allein von Gottes Thun die Rede. Das ist der Grund der Seligkeitsgewißheit. Lassen wir uns diesen Grund nicht verfälschen! Lassen wir uns nicht anderes Material, menschliches Thun und Verhalten, in diesen Grund hineinbauen! sonst ist alles verloren. Ein so verfälschter Grund kann das Gebäude der Seligkeitsgewißheit nicht tragen. Das ist ja der Punkt, von welchem aus Luther immer und immer wieder gegen das Pabstthum argumentirt. Das Pabstthum stellt die Seligkeit auf das eigene Thun, macht die Seligkeit dadurch ungewiß, ist dadurch eine Mördergrube der Seelen. Luther sagt, wenn die Seligkeit auch nur auf einem gläubigen Vaterunser stünde, d. H. wenn Gott gesagt hätte: Ihr sollt die Seligkeit haben, aber unter der Bedingung, daß ihr wenigstens ein gläubiges Vaterunser betet, dann wäre die Seligkeit schon hin, und nicht mehr gewiß. Das ist gewiß wahr. Wer möchte behaupten, daß er je ein vollständig gläubiges Vaterunser gebetet habe, so nämlich, daß dabei sein ganzes Herz nur an Gott hing, und nichts als Inbrunst in demselben war? Ein solches Vaterunser ist in der ganzen Christenheit so gewiß unmöglich, als es keinen Christen gibt, dem nicht noch das sündliche Fleisch anklebte. Luther erzählt folgende Geschichte, die das Gesagte deutlich macht: „Deß muß ich ein Exempel sagen, so man liefet von St. Bernhard, der solches versucht hatte und einem Freund klagte, daß es ihm so sauer würde, recht zu beten, und nicht könnte ein Vaterunser ohne fremde Zufälle ausbeten. Das nahm diesen sehr wunder, meinte, es wäre keine Kunst oder Arbeit. St. Bernhard wettet mit ihm, er soll's versuchen, es sollte einen guten Hengst gelten, allein er solle ihm gleich Zusagen. Dieser vermaß sich's ohn alle Mühe zu thun, fing an und betet: Vater unser u. s. w. —, aber ehe er über die erste Bitte kommt, fällt ihm ein, wo er das Pferd gewönne, ob ihm auch Sattel und Zaum dazu gebühre? Kurz, er kommt soweit mit Gedanken, daß er bald ablaffen mußte und St. Bernhard gewonnen geben. Summa, kannst du ein Vaterunser ohne einige andere Gedanken sprechen, so will ich dich für einen Meister halten; ich vermag es nicht, ja, ich werde froh, wenn mir Gedanken einfallen, daß sie wieder dahinfallen, wie sie gekommen sind." (E. A. 50, 162.)

Unser Bekenntniß sagt in der Apologie: „Nun muß aber die Hoffnung des ewigen Lebens gewiß sein." In der lutherischen Kirche gilt als Axiom, als eine ausgemachte Sache, daß ein Christ des ewigen Lebens gewiß sein solle. Aber nun setzt das Bekenntniß auch hinzu: „Damit sie nun nicht wanke, sondern gewiß sei, so müssen wir glauben, daß wir das ewige Leben haben nicht durch unsere Werke oder Verdienst, sondern aus lauter Gnaden durch den Glauben an Christum." Es kommt nicht darauf an, ob jemand die Lehre von der Gnade viel oder wenig verfälsche; das


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Resultat ist immer dasselbe, nämlich Ungewißheit der Gnade und Seligkeit. Darum gilt es, auch der scheinbar geringsten Verfälschung der Lehre von der Gnade mit allem Ernste entgegenzutreten.

Aber auch bei denen, welche die rechte Lehre bekennen und von Herzen meinen, läuft oft ein praktischer Jrrthum mit unter, der die Gewißheit der Seligkeit schädigen, ja, schließlich gänzlich tilgen muß. Das ist der Jrrthum, nach welchem die Gewißheit nicht auf Gottes Wort und Verheißung, welches die Gnade uns darreicht und vorhält, sondern auf die Gnade in uns, das Gefühl der Gnade, gegründet wird. Das Vertrauen wird auf den Christus in uns, anstatt auf den Christus in seinem Wort, gegründet. Aber das ist verkehrt. Wohl wollen wir einem todten Maul-glauben das Wort nicht reden; wohl wird sich zu Zeiten der Glaube auch im Gefühl äußern. Aber das muß doch fest stehen bleiben: Glaube und Gefühl sind ganz verschiedene Dinge; gerade so verschieden, wie Glaube und Werke. Das Gefühl ist Folge des Glaubens, nicht der Glaube selbst. Und rttit dem Glauben, nicht mit dem Gefühle sollen wir die göttliche Verheißung des ewigen Lebens ergreifen und halten. Das ist ja das Grundgesetz im Reiche Christi hier auf Erden, daß es im Glauben, nicht im Schauen, Empfinden u. s. w. einhergeht. Christus gibt sich hier in diesem Leben im Worte dar und will daher im Glauben ergriffen werden. Der Glaube bleibt die Signatur des ganzen Lebens der Christen; das Schauen findet erst in jenem Leben statt. Wenn wir daher die Gewißheit der Gnade und Seligkeit auf das Gefühl, die Empfindung stellen, so treten wir damit aus dem Reichsgesetze Christi heraus. Er hat für sein Reich hienieden die Ordnung getroffen, daß es im Glauben an sein Wort, das er uns gegeben hat, einhergehen soll. Nun sagt er uns in seinem Worte das ewige Leben, die Erhaltung im Glauben zu, so sollen wir auf dieses Wort der Verheißung hin unsere Seligkeit glauben und derselben auch dann gewiß sein, wenn wir nichts davon fühlen.

Luther schreibt hierüber: „Die Art des Glaubens ist, daß er nicht wissen, noch zuvor versichert sein will, ob er der Gnaden würdig sei und erhöret werde, wie die Zweifler thun, die nach Gott greifen und versuchen ihn. Gleichwie ein Blinder nach der Wand tappet, also lappen dieselbigen auch nach Gott und wollten ihn gerne zuvor fühlen und gewiß haben, daß er ihnen nicht entlaufen möge." (St. L. A. XI, 1577.) An einer ändern Stelle schreibt Luther: „Gott will nicht leiden, daß wir uns sollen auf etwas Anderes verlassen oder mit dem Herzen hangen an etwas, das nicht Christus in seinem Wort ist, es sei wie heilig und voll Geistes es wolle. Der Glaube hat keinen ändern Grund, darauf er bestehen könne. ... Wir müssen Christum suchen in dem, das des Vaters ist, das ist, daß wir uns schlecht und bloß an das Wort des Evangelii halten, welches uns Christum recht zeigt und zu erkennen gibt. Und lerne nur in dieser und allen geistlichen Anfechtungen, so du willst Andere oder dich selbst recht trö-


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sten, also mit Christo sagen: Was ist es, daß du so hin und wieder läufest, dich selbst, so zermarterst mit ängstigen und betrübten Gedanken, als wolle Gott dein nicht mehr Gnade haben und als sei kein Christus zu finden, und willst nicht eher zufrieden sein, du findest ihn denn bei dir selbst und fü hleft dich heilig und ohne Sünde? Da wird nichts aus; es ist eitel verlorne Mühe und Arbeit. Weißt du nicht, daß Christus nicht sein will noch sich finden lassen, denn in dem, das des Vaters ist; nicht in dem, das du oder alle Menschen sind und haben? Es ist nicht der Fehl an Christo und seiner Gnade; er ist und bleibet Wohl unverloren und läßt sich allezeit finden. Aber es fehlet an dir, daß du ihn nicht recht suchest, da er zu suchen ist, weil du deinem Fühlen nach richtest und meinest ihn zu ergreifen mit deinen Gedanken. Hierher mußt du kommen, da nicht dein noch einiges Menschen, sondern Gottes Geschäfte und Regiment, nämlich, da sein Wort ist, da wirst du ihn treffen, hören und sehen, daß weder Zorn noch Ungnade da ist, wie du fürchtest und zagest, sondern eitel Gnade und herzliche Liebe gegen dir. ... Aber schwer wird es, ehe es (das Herz) dazu kommt und solches ergreift: es muß zuvor anlaufen und erfahren, daß alles verloren und vergeblich Christum gesucht heißet, und zuletzt doch kein Rath ist, denn daß du dich außer dir selbst und allem menschlichen Trost allein in das Wort ergebest." (St. L.A. XI, 453f.)

Die Art des Glaubens ist, daß er nicht erst auf eine inwendige Freudigkeit, sich an Gottes Verheißungen zu halten, wartet, sondern daß er sich ohne weiters getrost auf Gottes Verheißung wirft, welche die Gnade zusagt. Das Gefühl folgt dann nach, ob Gott will. Nicht an dem Gefühl, sondern an dem Glauben hängt alles. Christus spricht: „Dir geschehe, wie du geglaubt hast." (Matth. 8,13.) Er gibt alles dem Glauben: „Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubet." (Marc. 9,23.) Werfen wir uns daher, so zu sagen, Gott blindlings, auf seine Verheißung hin, in die Arme und sprechen wir: „Du hast mir Gnade und Seligkeit verheiß e n um Christi willen; wohlan, darauf will ich mich verlassen." Wollen wir aber zuvor fühlen, daß Gott uns gnädig sei, so schieben wir selbst ein Hinderniß zwischen uns und die Gnade Gottes. Wir bringen uns damit auch um das Gefühl der Gnade. Denn das Gefühl ist erst eine Folge des Glaubens. Je mehr wir von vornherein alles auf unser Gefühl stellen, desto weniger gelangen wir zum Gefühl. Wir binden dem lieben Gott gleichsam die Hände, daß er uns das Gefühl nicht geben kann. All dies Unheil kommt daher, daß wir uns eine eigene Methode im Reiche Christi machen.

Unser HErr Christus gibt sich uns Christen schon in diesem Leben vollkommen zu genießen, er schenkt sich uns ganz und gar, so wirklich und wahrhaftig, als er dies in jenem Leben thun wird. Aber während er sich in jenem Leben unverhüllt, von Angesicht zu Angesicht darstellt, befolgt er hier eine ganz andere Methode: er hüllt sich hier für uns in das Wort ein. Daraus folgt, daß wir ihn nicht anders als im Worte suchen,


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nicht anders als durch den Glauben ergreifen sollen. Wer durchaus fühlen und empfinden will, der will schon in das ewige Leben steigen; der will die Weise, die für das ewige Leben bestimmt ist, schon in dieses Leben hineinzerren. Dazu sind wir freilich nur zu geneigt. Das menschliche Hey will sich nicht so schlechthin auf Gottes Wort verlassen; es will etwas sehen, fühlen und empfinden. Diese Weise ist es von den Dingen, die in's natürliche Leben gehören, gewohnt; diese Weise möchte es nun auch immerfort auf das geistliche Leben übertragen, aber das ist hier nicht am Platze ; da geht es wider alles Sehen, Fühlen und Empfinden. Es ist überaus wichtig, daß wir diese Lection lernen. Wenn wir die Gewißheit der Gnade und Seligkeit auf das Gefühl stellen, so machen wir uns selbst viel schwere Stunden und vielleicht einen furchtbar harten Stand in der Todesstunde. Ein Christ wünscht Wohl, daß Gott ihm gerade in der Todesstunde auch das Gefühl der Gnade geben möchte; so wird das Sterben besonders leicht, wie wir an vielen Märtyrern sehen. Aber Gott hat nicht verheißen, daß er uns Allen gerade in der letzten Stunde dieses Gefühl der Gnade geben werde. Am sichersten ist es also, wenn wir uns auf den schlimmsten Fall einrichten, auf den Fall nämlich, daß es, so zu sagen, ganz trocken, ohne das Gefühl, in der letzten Stunde hergehe; daß es gilt, sich auf das bloße Wort zu verlassen. Und das Wort ist uns wahrlich genug auch in der Todesstunde. Das Wort ist stark genug; es führt uns sicher durch den Tod in's Leben.

Noch auf zwei Punkte muß schließlich aufmerksam gemacht werden. Zunächst darauf, daß die Gewißheit der Seligkeit nur dann bei uns bestehen kann, wenn wir einen vorsichtigen Wandel führen. Die Gewißheit der Seligkeit ist ja nicht ein Product unseres natürlichen Herzens, unseres freien Willens, sondern eine Wirkung des Heiligen Geistes in uns. Betrüben wir nun durch ein unvorsichtiges Leben, durch Sünden Wider das Gewissen den Heiligen Geist, dann wird ganz naturgemäß die Gewißheit der Seligkeit schwinden. Darum gilt es, bei diesem Thema zu einem vorsichtigen Wandel zu ermahnen. Die Seligkeit steht zwar nicht auf unserm Werk und Wandel, sondern allein auf Gottes Verheißung, aber der Christus in uns, die Heiligung, die guten Werke sind auch ein Beweis, daß wir Gottes Gnade haben. Deshalb ermahnt auch der Apostel Petrus, 2 Petr. 1,10.: „Darum, lieben Brüder, thut desto mehr Fleiß, euren Beruf und Erwählung fest zu machen." Wir sollen, wie Luther richtig erklärt, Beruf und Erwählung für uns selbst fest, gewiß machen. Die guten Werke sind, so zu sagen, ein Beweis zweiter Ordnung dafür, daß der Heilige Geist sein Werk in uns angefangen habe und es auch vollführen werde bis auf den Tag JEsu Christi. Es ist unmöglich, daß jemand in Gewißheit stehe, daß er ein Kind Gottes, ein Erbe des ewigen Lebens sei, wenn sein ganzer Wandel dafür Zeugniß ablegt, daß er ein Kind dieser Welt sei, nach den Dingen dieser Welt trachte.


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Endlich haben wir noch zu bedenken, daß wir, wenn die Gewißheit der Seligkeit in uns bleiben soll, immer fleißig mit Gottes Wort umgehen müssen.

Wir haben gesehen, daß die Gewißheit eine Glaubensgewißheit sei, der Glaube aber hat zu seinem Gegenstände das Wort Gottes. Wir können die Gewißheit nicht auf dem natürlichen Boden unseres Herzens cultiviren, sondern dieselbe kommt in uns hinein durch das Wort Gottes. Durch das Wort Gottes, welches ich vor Augen nehme, mit dem Ohr auffaffe, in Gedanken bewege, sproßt die Pflanze der Gewißheit der Gnade und der ewigen Seligkeit im Herzen empor. Darum ist hier die Mahnung am Platze, daß wir ja fleißige Leser des Wortes Gottes bleiben, daß wir über das Gesetz (das Wort) des HErrn Tag und Nacht Nachdenken. Und wenn die Gewißheit schwinden will, dann wissen wir, was wir zu thun haben. Luther führt so oft aus: Wenn dir angst und bange wird, wenn du in Anfechtung bist, so setze dich nicht in die Ecke und warte, bis die Anfechtung aus dem Herzen weicht, Zuversicht und Gewißheit der Gnade zurückkehrt, sondern dann nimm den Psalter vor dich, nimm die heilige Schrift in die Hand, lies die Trostsprüche der Schrift durch, und wenn du vorläufig auch gar kein Gefühl der Gnade hast, wenn dir's auch scheint, als ob du gar nicht glauben könntest, halte an mit Lesen! Gott wird an dir nicht zum Lügner werden, der Heilige Geist wird dir das Wort gewiß machen; es wird, wenn vielleicht auch kein Gefühl der Gnade, doch Ruhe und Friede in's Herz einkehren. Wer nur bei Gottes Wort bleibt und immer wieder zu demselben zurückkehrt, der bleibt bei Gott, der bleibt bei der Gnade, der bleibt bei der Seligkeit, der bleibt auch im Tode getrost, der bleibt ewig.

Der Herr Referent schloß mit dem Wunsche, daß diese Betrachtung der Christenhoffnung, der Gewißheit des ewigen Lebens, uns Allen ein Mittel sein möge, das ewige Leben zu erlangen. Als solches möge denn auch allen lieben Lesern der Bericht über diese Verhandlungen dienen.

Die Synode bekannte sich zu den Thesen, sowie zu vorstehender Ausführung derselben, und schloß damit die Lehrverhandlungen ab.